Gericht

AUSL EGMR

Entscheidungsdatum

11.12.2003

Geschäftszahl

Bsw39069/97

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer römisch eins, Beschwerdesache Krone Verlag GmbH & Co KG (Nr. 3) gegen Österreich, Urteil vom 11.12.2003, Bsw. 39069/97.

Spruch

Paragraph eins, UWG, Paragraph 2, UWG, Artikel 10, EMRK - Vergleichende Werbung und Recht auf freie Meinungsäußerung.

Verletzung von Artikel 10, EMRK (einstimmig).

Entschädigung nach Artikel 41, EMRK: EUR 680,22 für materiellen Schaden, EUR 6.000,- für Kosten und Auslagen, EUR 200,- für Zinsen für den Zeitraum seit Anfall dieser Kosten (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Die bf. Gesellschaft ist Eigentümerin der „Neuen Kronen Zeitung". Am

9. und 11.12.1994 warb die unter dem Titel „Salzburg Krone" erscheinende Salzburger Lokalausgabe dieser Tageszeitung unter Gegenüberstellung ihrer Preise mit denen der „Salzburger Nachrichten" um ein Monatsabonnement. In der Anzeige wurde die „Salzburg Krone" als die „beste Tageszeitung in Salzburg" bezeichnet. Am 13.12.1994 beantragten die „Salzburger Nachrichten" beim LG Salzburg eine einstweilige Verfügung nach Paragraph eins, und Paragraph 2, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), mit der der bf. Gesellschaft und dem Herausgeber der „Salzburg Krone" die weitere Veröffentlichung der Anzeige untersagt werden sollte. Am 29.12.1994 erließ das LG Salzburg eine einstweilige Verfügung, die aufgrund des dagegen von der Bf. erhobenen Rekurses vom OLG Linz aufgehoben wurde. Das OLG Linz stellte ua. fest, dass die beiden Zeitungen unmittelbar im Wettbewerb stünden und sich um die gleiche Leserschaft bemühten. Der OGH erließ am 23.5.1995 in Stattgebung des von den „Salzburger Nachrichten" erhobenen Revisionsrekurses eine einstweilige Verfügung. Er stellte fest, dass der Preisvergleich irreführend sei, da es sich bei den „Salzburger Nachrichten" im Gegensatz zur „Neuen Kronen Zeitung" um eine Qualitätszeitung handle. Die erheblichen Unterschiede zwischen den beiden Zeitungen wären einem nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Personenkreise nicht bekannt. Außerdem würde unter den besonderen Umständen dieses Falles die Bezeichnung der „Salzburg Krone" als „beste lokale Tageszeitung" eine pauschale Abwertung der „Salzburger Nachrichten" darstellen. Im folgenden Hauptverfahren gebot das LG Salzburg der Bf., die Veröffentlichung der Werbeeinschaltung zu unterlassen, wenn nicht gleichzeitig alle zur Vermeidung jeder pauschalen Abwertung der „Salzburger Nachrichten" oder der Gefahr einer Irreführung erforderlichen Daten und Umstände vollständig aufgezeigt würden. Des Weiteren wurde der Bf. untersagt, die Abonnementpreise zu vergleichen, ohne gleichzeitig die Unterschiede in der Berichterstattung – insbesondere auf den Gebieten Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesundheit, Umweltfragen und Rechtswesen – darzulegen und darauf hinzuweisen, dass die „Neue Kronen Zeitung" primär auf Unterhaltung abziele, während die „Salzburger Nachrichten" auf umfassende Berichterstattung Wert legten. Zudem wurde die Veröffentlichung der Entscheidung angeordnet.

Das OLG Linz gab der dagegen von der Bf. und dem Herausgeber der „Neuen Kronen Zeitung" erhobenen Berufung teilweise statt und beschränkte die Voraussetzung für den Preisvergleich auf einen gleichzeitigen Hinweis auf die Unterschiede in der Berichterstattung auf den Gebieten Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesundheit, Umweltfragen und Rechtswesen. Im Übrigen wurde die Entscheidung des LG Salzburg bestätigt. Das OLG Linz stellte fest, dass allgemein bekannt sei, dass die beiden Zeitungen unmittelbare Konkurrenten wären. Hinsichtlich der Qualitätsunterschiede zwischen den Zeitungen und der Frage, ob diese dem angesprochenen Personenkreis bekannt wären, verwies es auf den Beschluss des OGH vom 23.5.1995. Die dagegen von der bf. Gesellschaft und dem Herausgeber der „Neuen Kronen Zeitung" erhobene außerordentliche Revision wurde am 13.5.1997 vom OGH zurückgewiesen. Daraufhin brachte die bf. Gesellschaft am 18.9.1997 eine Bsw. bei der EKMR ein.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Die Bf. behauptet eine Verletzung von Artikel 10, EMRK (Recht auf freie Meinungsäußerung) durch die Untersagung, den Abonnementpreis der „Neuen Kronen Zeitung" mit dem der „Salzburger Nachrichten" zu vergleichen, ohne gleichzeitig auf die Unterschiede in der Berichterstattung hinzuweisen.

Zur behaupteten Verletzung von Artikel 10, EMRK:

Es ist unbestritten, dass die gerichtliche Untersagung einen Eingriff in das Recht der Bf. auf freie Meinungsäußerung begründet. Ein Eingriff verstößt gegen Artikel 10, EMRK, solange er nicht gesetzlich vorgesehen ist, eines oder mehrere der in Artikel 10, (2) EMRK genannten legitimen Ziele verfolgt und zur Erreichung dieses Zieles in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.

Der Eingriff war durch Paragraph eins und Paragraph 2, UWG gesetzlich vorgesehen und diente mit dem Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer einem legitimen Ziel iSv. Artikel 10, (2) EMRK. Bezüglich der Notwendigkeit des Eingriffs erinnert der GH an den Ermessensspielraum, der den Staaten zukommt. Dieser ist besonders wichtig auf einem im Fluss befindlichen Gebiet wie dem des unlauteren Wettbewerbs. Die Prüfung durch den GH ist daher auf die Feststellung beschränkt, ob die Maßnahme grundsätzlich gerechtfertigt und verhältnismäßig war. Für die Öffentlichkeit ist Werbung ein Mittel, um sich über die Eigenschaften von angebotenen Gütern und Dienstleistungen zu informieren. Zur Verhinderung von unlauterem Wettbewerb und unwahren oder irreführende Anpreisungen kann sie jedoch auch eingeschränkt werden. In manchen Fällen kann sogar die Veröffentlichung von objektiv wahrer Werbung untersagt werden, um den Rechten anderer oder den Besonderheiten mancher Geschäftstätigkeiten oder Berufe gerecht zu werden. Jede solche Einschränkung muss jedoch sorgfältig vom GH überprüft werden, wobei er diese spezifischen Erfordernisse mit dem Inhalt der konkreten Werbung abwägen muss. Dazu muss der GH die verhängte Strafe vor dem Hintergrund der Umstände des gesamten Falls berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall beruhte die Entscheidung der Gerichte in erster Linie auf der Annahme, ein Preisvergleich wäre aufgrund der unterschiedlichen Qualität der beiden Tageszeitungen irreführend. Auf der anderen Seite stellten die Gerichte auch fest, dass die beiden Tageszeitungen unmittelbar im Wettbewerb stünden und sich um die gleiche Leserschaft bemühten. Der GH hält diese beiden Aussagen für eher widersprüchlich.

Auch wenn keine Strafe verhängt wurde, hatte die gerichtliche Maßnahme sehr weitreichende Auswirkungen auf zukünftige, Preisvergleiche beinhaltende Werbung. Die bf. Gesellschaft müsste auch die Unterschiede in der Berichterstattung auf den Gebieten Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesundheit, Umweltfragen und Rechtswesen darlegen. Der GH erachtet diese Verfügung als viel zu weitgehend, da sie den eigentlichen Kern von Preisvergleichen beeinträchtigt. Überdies erscheint ihre praktische Umsetzung, wenn auch nicht generell unmöglich, so doch äußerst schwierig für die bf. Gesellschaft. Zudem riskiert diese die Verhängung von Geldstrafen im Falle einer Missachtung der gerichtlichen Verfügung. Die innerstaatlichen Gerichte haben im vorliegenden Fall dem Schutz des guten Rufes des Konkurrenten und dem Recht der Konsumenten auf Schutz vor irreführender Werbung Vorrang eingeräumt. In Abwägung der berührten widerstreitenden Interessen und angesichts der Auswirkungen der gerichtlichen Verfügung auf die Möglichkeiten der bf. Gesellschaft, auch in Zukunft mit Preisvergleichen zu werben, gelangt der GH zu dem Ergebnis, dass die österreichischen Gerichte den ihnen zukommenden Ermessensspielraum überschritten haben. Die bestrittene Maßnahme war unverhältnismäßig und daher nicht notwendig in einer demokratischen Gesellschaft. Verletzung von Artikel 10, EMRK (einstimmig).

Entschädigung nach Artikel 41, EMRK:

EUR 680,22 für materiellen Schaden, EUR 6.000,-- für Kosten und Auslagen, EUR 200,-- für Zinsen für den Zeitraum seit Anfall dieser Kosten (einstimmig).

Vom GH zitierte Judikatur:

markt intern Verlag GmbH und Klaus Beermann/D v. 20.11.1989, A/165 (=

EuGRZ 1996, 302).

Casado Coca/E v. 24.2.1994, A/285-A (= NL 1994, 84 = ÖJZ 1994, 636).

Jacubowski/D v. 23.6.1994, A/291-A (= NL 1994, 233 = EuGRZ 1996, 306

= ÖJZ 1995, 151).

Hertel/CH v. 25.8.1998 (= NL 1998, 148 = ÖJZ 1999, 614).

News Verlags GmbH & Co KG/A v. 11.1.2000 (= NL 2000, 24 = ÖJZ 2000, 394).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 11.12.2003, Bsw. 39069/97, entstammt der Zeitschrift „ÖIM-Newsletter" (NL 2003, 319) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/03_6/Krone_3.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.