Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

02.04.2003

Geschäftszahl

9ObA240/02p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Roland K*****, Fachberater im Außendienst, *****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei I***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Konradsheim, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung des aufrechten Bestandes eines Dienstverhältnisses, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Juli 2002, GZ 8 Ra 121/02d-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Jänner 2002, GZ 34 Cga 153/01k-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.189,44 (darin EUR 198,24 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 4. 6. 1997 stellte das Bundessozialamt Steiermark fest, dass der Kläger ab 1. 2. 1997 dem Kreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes angehört. Dieser Status des Klägers ist nach wie vor aufrecht. Der Grad seiner Behinderung beträgt 50 Prozent. Der Kläger ist seit 4. Feber 2001 als medizinisch-technischer Fachberater im Angestelltenverhältnis bei der beklagten Partei beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst bis 31. 8. 2001 befristet, ging jedoch im Anschluss in ein unbefristetes Dienstverhältnis über. Der Kläger hatte der beklagten Partei bei Abschluss des Arbeitsvertrages seinen bescheidmäßig festgestellten Behindertenstatus nicht mitgeteilt. Auch in dem von ihm vorgelegten Lebenslauf ergibt sich kein Hinweis auf eine Behinderung. Der Kläger wurde aber auch nicht nach einer allfälligen Behinderung befragt. Der Kläger selbst erachtete eine solche Mitteilung für nicht notwendig. Er wusste, dass seine Behinderteneigenschaft rechtliche Auswirkungen auf das Dienstverhältnis, insbesondere auf den Bestandsschutz hatte. Hätten die zuständigen Organe der Beklagten von der Behinderteneigenschaft des Klägers gewusst, hätten sie den Dienstvertrag nicht abgeschlossen. Die Behinderung des Klägers hatte keinerlei Auswirkungen auf seine Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter. Erstmalig mit Schreiben vom 24. 10. 2001, welches am 29. 10. 2001 bei der Beklagten einlangte, setzte er diese von seiner Behinderteneigenschaft in Kenntnis. Die beklagte Partei sprach daraufhin noch am 29. 10. 2001 die Entlassung aus. Das Entlassungsschreiben ging dem Kläger am 31. 10. 2001 zu. Grund für die Entlassung war die zunächst nicht erfolgte, sondern erst mit Schreiben vom 24. 10. 2001 vorgenommene Meldung über die Behinderteneigenschaft.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage vom 5. 11. 2001 die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Dienstverhältnisses über den 31. 10. 2001 hinaus.

Die beklagte Partei wendete - soweit im Revisionsverfahren noch aufrecht - die berechtigte Entlassung des Klägers ein, welcher durch das Verschweigen seiner Behinderteneigenschaft bei Eingehen des Arbeitsverhältnisses einen Entlassungsgrund gesetzt habe. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Kläger durch das Verschweigen seiner Behinderteneigenschaft seine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzt habe.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren stattgab.

Es hat dabei die Frage, ob der Kläger durch sein Verhalten einen Entlassungsgrund verwirklicht hat, zutreffend verneint. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Nach der Rechtsprechung ist ein Dienstnehmer verpflichtet, dem Dienstgeber die ihm bekannte Eigenschaft als begünstigter Behinderter mitzuteilen (9 ObA 64, 65/87; 8 ObA 41/97f). Diese Verpflichtung ist jedoch im Zusammenhang damit zu sehen, dass die Behinderteineigenschaft infolge gesetzlicher Bestimmungen unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses hat.

Im vorliegenden Fall erfüllte der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten acht Monate lang anstandslos. Demzufolge wirkte sich seine Behinderteneigenschaft weder auf seine Einsatzfähigkeit aus, noch war allenfalls eine Gefährdung anderer Personen im Zusammenhang mit der Erbringung seiner Arbeitsleistungen gegeben vergleiche Rabanser, "Interessenabwägung beim Fragerecht des Arbeitgebers" in ecolex 1993, 179 f). Dem Interesse des Arbeitnehmers, leichter eine Anstellung zu bekommen, stand daher lediglich das Interesse des Arbeitgebers gegenüber, einen nicht Behinderten und daher leichter kündbaren Arbeitnehmer einzustellen. Selbst wenn man von einer Verletzung der Interessen der beklagten Partei ausgehen will, hat diese jedenfalls nicht das Gewicht, welches für die Annahme erforderlich wäre, dass dadurch das Vertrauen des Dienstgebers derart erschüttert wäre, dass ihm die Fortsetzung eines bereits acht Monate andauernden und anstandslos funktionierenden Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar wäre. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei sind Außendienstmitarbeiter hinsichtlich ihrer Vertrauensstellung nicht generell leitenden Angestellten gleichzuhalten. Wesentlich für einen Vertrauensbruch von Außendienstmitarbeitern ist vielmehr, ob diese ihre nur schwer überprüfbare Tätigkeit zur Begehung von Verstößen gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten nützen (infas 1993 A 38, 9 ObA 213/97g ua). Ein solcher Zusammenhang besteht jedenfalls nicht. Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO. Die klagende Partei hat im Verfahren erster Instanz eine Bewertung des Streitgegenstandes unterlassen. Die Anführung des Betrages von S

8.760 trägt ausdrücklich die Bezeichnung "Gebührenstreitwert" und ist daher als Wiedergabe der Bestimmung des Paragraph 16, GGG aufzufassen. Mangels Bewertung im Sinne des RATG ist dem Kostenzuspruch der obsiegenden klagenden Partei daher der "Zweifelsstreitwert" des Paragraph 14, Litera a, RATG (EUR 21.800) zu Grunde zu legen (9 ObA 189/02p mwN).