OGH
26.02.2003
3Ob221/02z
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Barbara W*****, vertreten durch Dr. Klaus Fürlinger und Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Leopoldine M*****, vertreten durch Dr. Joachim Rathbauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen 102.906 S (= 7.478,47 EUR) sA und Feststellung (Streitwert 2.180,19 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Juni 2002, GZ 6 R 29/02f-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 15. Dezember 2001, GZ 15 Cg 26/01v-7, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung (klagsabweisender Teil) und im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Beide Parteien nahmen vom 7. Dezember bis 10. Dezember 2000 in Krumau (Tschechische Republik) unter der Leitung eines Psychologen an einem Selbsterfahrungsseminar teil. Im Wesentlichen wurden im Rahmen der Seminargruppe Rollenspiele, etwa "Familienaufstellungen", durchgeführt, wobei die Teilnehmer in einem größeren Raum auf Decken am Boden saßen, nachdem Tische und Sessel an die Wand geschoben worden waren. Im Zuge eines Rollenspiels am 9. Dezember 2000, bei dem die Klägerin den "Tod" verkörperte, brachte die Beklagte sie zu Sturz, wodurch die Klägerin eine schwere Knieverletzung erlitt.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Zahlung von insgesamt 103.315 S, darin 100.000 S Schmerzengeld, 409 S für eine Brillenreparatur, 500 S für Spesen und den restlichen Betrag für Kosten der Heilbehandlung und für Heilbehelfe. Überdies begehrte sie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden aus dem Vorfall.
Vor diesem Vorfall sei die Beklagte zunächst auf die am Boden liegende Jacke der Klägerin gestiegen, in der sich deren Brille befunden habe. Dadurch sei die Brille beschädigt worden. Im Rahmen des Rollenspiels habe die Beklagte sie an den Armen erfasst und plötzlich und für sie völlig unvorhergesehen mit dem rechten Fuß gegen das rechte Knie getreten, wodurch sie zu Sturz gekommen sei. Dieser habe zu Knieverletzungen geführt. Die Beklagte treffe das alleinige Verschulden daran. Durch die Verletzungen seien Dauerfolgen eingetreten und Spätfolgen, insbesondere ein operativer Eingriff in das verletzte Knie, zu erwarten.
Sie habe zwar, um ihrer Rolle als "Tod" gerecht zu werden, die Beklagte verfolgt, nicht aber gehetzt. Da es Sinn und Zweck des Rollenspiels gewesen sei, der Beklagten ihre Angst vor dem Tod zu nehmen, habe sie auch versucht, diese zu beruhigen, was ihr auch vorerst gelungen sei. Zum Sturz sei es einerseits durch den Tritt gegen die rechte Kniekehle, andererseits durch ein Zurückstoßen gekommen. Der Vorgang entspreche einem Beinstellen. Auch nach ihrer eigenen Einlassung sei es der Beklagten geradezu darauf angekommen, die Klägerin zu Sturz zu bringen. Das Verhalten der Beklagten sei auch unter dem Begriff der Sozialadäquanz nicht zu rechtfertigen, zumal es wohl nicht zum Wesen eines Rollenspiels gehören könne, den jeweiligen Partner der Verletzungsgefahr auszusetzen. Es habe sich um ein Rollenspiel und nicht um eine Kampfsportart gehandelt. Demnach habe sie nicht darin eingewilligt, einer Verletzungsgefahr ausgesetzt zu sein.
Die Beklagte wandte ein, sie sei von der die Rolle des "Todes" verkörpernden Klägerin durch das Zimmer gehetzt worden. Im Zuge einer Abwehrreaktion habe sie die Klägerin bei den Armen genommen und nach rückwärts gedrängt, wodurch diese letztlich zu Sturz gekommen sei. Es sei für die Klägerin vorhersehbar und auch zu erwarten gewesen, dass sie sich gegen die Angriffe, die vom Spiel ins Ernste abgeglitten seien, wehren werde. Sie habe kein Fehlverhalten zu verantworten, dieses sei vielmehr sozialadäquat gewesen.
Das Erstgericht sprach der Klägerin 409 S samt 4 % Zinsen seit 28. März 2001 für die beschädigte Brille zu und wies das Mehrbegehren von 102.906 S (= 7.478,47 EUR) samt Stufenzinsen sowie das Feststellungsbegehren ab.
Das Erstgericht traf folgende Feststellungen:
Sinn des Rollenspiels war es, die Beklagte mit der Ausweglosigkeit des Todes zu konfrontieren. Der Trainer wählte als Form des Rollenspiels die Methode "Bewegung der Seele", in die er auch etwas gestalttherapeutische Elemente einfließen ließ. Die Beteiligten sollten auf ihre Gefühle achten, ihren inneren Impulsen und Antrieben freien Lauf lassen und nonverbal ausdrücken, was aus den Tiefen ihrer Seelen hervorkam. Das sollte sich im Raum abspielen, wo die Gruppe saß. Diese schaute zu. Rollenspiele nach dieser Methode laufen in der Regel eher ruhig und langsam ab. Körperliche Berührungen können bei einem solchen Spiel wie auch bei anderen vorkommen. Aggressionen kommen eher selten und in milder Form vor, weil sie nicht zu den innersten Schichten der Seele gehören.
Die beiden Streitteile brauchten nicht viel Erklärungen. Beide waren schon seminarerfahren, die Klägerin auch studierte Psychologin. Für diese war klar, dass die Beklagte eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Angst vor dem Tod haben musste, wenn der Trainer für sie ein solches Spiel auswählt.
Nach dem Zwischenfall, bei dem die Brille der Klägerin zerbrach, konnte das Spiel richtig beginnen. Die Klägerin versuchte auf die Beklagte zuzugehen, sie mit Gesten, mit erhobenen Händen und ausholenden Bewegungen zurückzudrängen und ihr deutlich zu machen, dass es kein Entrinnen vor dem Tod gebe. Die Beklagte versuchte auszuweichen, zu fliehen, zu flüchten. Immer wieder verfolgte sie der "Tod". Es schien auch, als hätte sich die Beklagte ins Unausweichliche gefügt. Aber noch einmal bäumte sie sich auf und ging ihrerseits auf den "Tod" los. Sie packte den "Tod" an den Oberarmen. Doch wieder begann dieser (die Klägerin), sie zurückzudrängen, sie in die Schranken zu weisen. Die Beklagte erkannte, dass nichts half. Der "Tod" kam immer wieder auf sie zu. Da packte die Beklagte plötzlich die Klägerin an den Oberarmen. Mit einem kräftigen Griff drückte sie diese über ihr vorgestrecktes Bein nach hinten, sodass der Klägerin der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Die Klägerin drehte sich etwas zur Seite, konnte keinen Halt mehr finden und stürzte.
Der Druck war nicht übermäßig heftig gewesen, aber kräftig. Es ist nicht feststellbar, dass die Beklagte auf das Knie oder die Kniekehle der Klägerin geschlagen hätte. Im Fallen hatte die Beklagte noch versucht, die Klägerin zu halten, damit sie nicht allzu hart falle. Der Klägerin gelang es nicht, mit einem geschickten Schritt zur Seite den Sturz noch aufzufangen. Anderen Teilnehmern erschien das Verhalten der Beklagten nicht außergewöhnlich.
Der Erstrichter wendete auf den geltend gemachten Schadenersatzanspruch gemäß Paragraph 48, Absatz eins, zweiter Satz IPRG österreichisches Sachrecht an. Wenn auch auf den ersten Blick eine Haftung der Beklagten nach Paragraph 1325, ABGB wegen rechtswidrig schuldhaften Verhaltens gegeben scheine, sei das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes unter dem Gesichtspunkt eines sozial adäquaten Verhaltens zu prüfen. Verletzungshandlungen, die typischerweise in einem bestimmten Spiel auftreten, würden als nicht rechtswidrig angesehen. Das gelte sogar dann, wenn gegen Spielregeln verstoßen werde, solange es sich um typische, üblicherweise mit dem Spiel verbundene und daher praktisch unvermeidbare Regelverstöße handle. Wenn sich die rollenspiel- und psychotherapieerfahrene Klägerin auf dieses Spiel eingelassen habe, dann auch auf die damit verbundenen typischen Gefahren. Es habe sich um kein gewöhnliches Spiel, sondern um ein solches "um Leben und Tod" gehandelt. Die Beklagte habe durch ihren Versuch, den Tod zu bezwingen, ihre Rolle nicht verlassen. Unter Berücksichtigung aller Emotionen und der seelischen Bewegungen erweise sich ihr Verhalten als nicht rechtswidrig. Lediglich für die Beschädigung der Brille hafte sie.
Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht den klagsabweisenden Teil des Ersturteils.
In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, die vom Obersten Gerichtshof zu Kampfsportarten entwickelten Grundsätze würden auf alle in Gemeinschaft ausgeübten Sportarten angewendet, bei denen es wegen des notwendigen Naheverhältnisses der Teilnehmer zueinander ... zu Gefährdungen oder Verletzungen der Teilnehmer kommen könne. Auch im Freizeitsport, bei dem nicht nach kodifizierten Regeln gekämpft werde, werde ein vom Typ der Sportart und vom Grundkonsens der Beteiligten gedeckter kämpferischer Einsatz hingenommen. Die Interessenabwägung, durch die ermittelt werde, welches konkrete Verhalten sorgfaltswidrig und damit rechtswidrig sei, sei zur Ermittlung der Rechtswidrigkeit stets anzustellen. Der Gedanke des Handelns auf eigene Gefahr beschränke die Sorgfaltspflicht im Hinblick auf eine besondere, mit der Ausübung der Tätigkeit notwendig verbundene Gefährdung. Es habe sich hier nicht um eine heftige körperliche Attacke der Beklagten, sondern um eine im Rahmen des vorgegebenen Rollenspiels durchaus zu erwartende und im Übrigen vom Grundkonsens der Teilnehmer gedeckte Abwehrreaktion gehandelt. Es sei zumindest vorhersehbar gewesen, dass sich die Beklagte in Erfüllung ihrer Rolle gegen die Verfolgungshandlungen der den Tod verkörpernden Klägerin in spielerischer Form zur Wehr setzen würde, was sie auch durch ein gezieltes Zubodenbringen ihres Gegenparts realisiert habe. Die Gefährlichkeit dieser Handlung sei aus einer ex ante-Betrachtung als eher geringgradig einzuschätzen. Die Beklagte habe auch versucht, einen Sturz der Klägerin aufzufangen und damit die ihr im Rahmen der Mitwirkung am pantomimischen Rollenspiel zukommenden Sorgfaltsverpflichtungen gegenüber der Klägerin eingehalten. Deren Verletzungen seien eine unglückliche Folge einer pantomimisch dargestellten Auseinandersetzung. Der Negativfeststellung des Erstgerichts über einen Tritt oder Schlag durch die Beklagte komme daher entscheidende Bedeutung zu. Entscheidend sei nicht, ob die Klägerin auf Grund ihrer Erfahrung mit psychotherapeutischen Rollenspielen mit Aggressivität bzw körperlichen Attacken rechnen habe müssen, sondern dass die Beklagte in der Darstellung ihrer Rolle kein Verhalten gesetzt habe, das ein sorgfältiger (Laien-)Darsteller unter diesen Vorgaben nicht hätte setzen dürfen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Frage der Rechtswidrigkeit von Handlungen im Zuge (pantomimischer) Rollenspiele bestehe keine höchstgerichtliche Rsp.
Die Revision der Klägerin ist iSd primär gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
Zutreffend macht die Klägerin geltend, dass auf Grund der von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen die Abweisung der Klage verfehlt wäre.
Zu Recht haben die Vorinstanzen (so ausdrücklich das Erstgericht) gemäß Paragraph 48, Absatz eins, zweiter Satz IPRG auf den Fall österreichisches bürgerliches Recht angewendet. Zwar fand die Verletzung in der Tschechischen Republik statt, es handelte sich aber, wie aus der vom Erstgericht verwerteten Strafanzeige der Bundespolizeidirektion Linz vom 22. Jänner 2001 hervorgeht, bei beiden Parteien um österreichische Staatsangehörige, die überdies in diesem Land ihren Wohnsitz haben. Diese beiden Anknüpfungspunkte an Österreich schaffen eine gegenüber der zum Tatortstaat stärkere Beziehung zum österreichischen Recht. Durch den Wohnsitz beider in Österreich unterscheidet sich der Fall auch von dem nach der Grundregel des Paragraph 48, Absatz eins, IPRG zu SZ 54/133 = JBl 1983, 101 beurteilten.
Wie schon der Erstrichter zutreffend erkannte, könnte bei isolierter Betrachtung der zur Verletzung führenden Handlung nicht daran gezweifelt werden, dass die Beklagte eine zumindest fahrlässig verursachte Körperverletzung nach Paragraph 1325, ABGB verantworten und demnach der Klägerin die darin genannten Ansprüche zustehen würden. Auch wenn keine besondere Intensität des Angriffs vorgelegen sein mag, handelt es sich doch um eine Gewaltanwendung, die die schließlich eingetretene Folge einer Knieverletzung keinesfalls als ausgeschlossen oder als außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegend erkennen ließ. Gegen ihre Haftung auf Schadenersatz hat die Beklagte lediglich eingewandt, es habe sich um eine Abwehrreaktion ihrerseits gehandelt und die Klägerin hätte ihr Verhalten auf Grund der Umstände und ihrer eigenen Handlungsweise vorhersehen und auch erwarten müssen. Soweit der erste Einwand auf Notwehr abzielt, wurden weder Umstände vorgebracht noch festgestellt, die das Vorliegen einer Notwehrsituation begründen würden. Diese läge nur im Fall eines gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriffs auf Leben, Freiheit oder Vermögen vor (EvBl 1972/219 ua, RIS-Justiz RS0009048).
Dem weiteren, ein Handeln auf eigene Gefahr der Klägerin geltend machenden Einwand sind die Vorinstanzen zu Unrecht gefolgt.
Jedenfalls für Kampfsportarten, aber auch für andere Sportarten, bei denen es zu Gefährdungen oder zu Verletzungen der Teilnehmer kommen kann, sind nach stRsp Handlungen oder Unterlassungen, durch die ein anderer Teilnehmer in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet oder am Körper verletzt wird, insoweit nicht rechtswidrig, als sie nicht das in der Natur der betreffenden Sportart gelegene Risiko vergrößern. Wer sich einer ihm bekannten oder erkennbaren Gefahr aussetzt, etwa durch Teilnahme an gefährlichen Veranstaltungen, dem wird unter dem Aspekt des Handelns auf eigene Gefahr eine Selbstsicherung zugemutet. Ihm gegenüber wird die dem Gefährdenden obliegende Sorgfaltspflicht aufgehoben oder eingeschränkt. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist in solchen Fällen echten Handelns auf eigene Gefahr auf Grund einer umfangreichen Interessenabwägung zu beurteilen. Eine Verhaltensweise, die sonst nur als leichter Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht aufzufassen wäre, ist bei gegeneinander ausgeübter sportlicher Betätigung nicht rechtswidrig (2 Ob 338/98i = SZ 72/2 = ZVR 2000/6 mwN; 2 Ob 207/00f = ZVR 2001/95). In der zuletzt angeführten Entscheidung ließ der Oberste Gerichtshof die Frage offen, ob diese Grundsätze ohne weiteres auch auf solche Spiele anzuwenden sind, die keine das Verletzungsverbot spezifizierenden Regeln aufweisen. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen diese Grundsätze im Wesentlichen auf ein Rollenspiel im Rahmen eines Selbsterfahrungsseminars angewendet, ohne dass dies von den Parteien grundsätzlich beanstandet worden wäre. Es bedarf aber auch im vorliegenden Fall der Beantwortung der zu 2 Ob 207/00f offen gelassenen Rechtsfrage nicht, weil ebenso wie im zuvor zitierten selbst bei - richtiger - Anwendung dieser Grundsätze die Haftung der Beklagten zu bejahen wäre.
Dem Berufungsgericht kann nämlich in seiner Auffassung nicht beigepflichtet werden, das Zubodenwerfen der Partnerin, was durchaus bei einer einverständlichen Rauferei, allenfalls einer Balgerei und jedenfalls in Kampfsportarten wie Ringen und Judo zum üblichen Repertoire an Verhaltensweisen gehörte, wäre auch im Rahmen eines derartigen Rollenspiels jedenfalls zu erwarten gewesen und auch vom Grundkonsens der Teilnehmer - und damit wohl auch der Klägerin selbst - gedeckt gewesen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts können nämlich bei einem derartigen Rollenspiel zwar wie bei anderen Spielen auch körperliche Berührungen vorkommen, Aggressionen kommen aber eher selten und nur in milderer Form vor. Es ist nicht erkennbar, inwieweit sich daraus ableiten ließe, die Klägerin hätte damit rechnen müssen, von ihrer Spielpartnerin zu Boden geworfen zu werden. Auf Grund dieser objektiven Gegebenheiten kommt es auch tatsächlich in keiner Weise auf die "Seminarerfahrenheit" der Klägerin oder darauf an, dass sie Psychologie studiert hat. Dies gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass die Klägerin damit rechnen musste, dass die Beklagte eine besondere Todesangst hätte. Die Feststellung des Erstgerichts, dass auch anderen Teilnehmern das Verhalten der Beklagten nicht außergewöhnlich erschienen sei, ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung nach sich zu ziehen. Es bedarf aber auch mangels konkreter Behauptungen der Beklagten in dieser Richtung keiner ergänzenden Feststellungen in diesem Zusammenhang. Wenn eben derartige Rollenspiele in der Regel ruhig und langsam ablaufen und nur selten und dann bloß milde Aggressionen überhaupt vorkommen, kann das Verhalten der Beklagten nicht mit einem typischen Regelverstoß bei Kampfsportarten oder sonst in Gemeinschaft ausgeübten Sportarten wie Fußball, Eishockey udgl verglichen werden. Es liegt eben dann nicht mehr nur ein leichter Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht eines Teilnehmers an einem Rollenspiel vor.
Auch wenn man mit Koziol (Haftpflichtrecht3 römisch eins Rz 4/38) den Gedanken des Handelns auf eigene Gefahr über den Bereich sportliche Wettkämpfe hinaus anwendet, setzt dies definitionsgemäß voraus, dass sich jemand einer ihm bekannten oder zumindest erkennbaren Gefahr, die ein anderer geschaffen hat, aussetzt. Die Rechtswidrigkeit des Handelns des Gefährdenden ist allenfalls auf Grund einer Interessenabwägung zu verneinen (Koziol aaO Rz 4/39). Selbst wenn man nun bei einem Rollenspiel wie dem hier ausgeübten körperliche Berührungen und milde Aggressionen erwarten muss und damit erkennbare Gefahren, wie etwa das Zufügen von Druckstellen, gilt das nicht für Verletzungen, die durch ein Vorgehen wie das der Beklagten hervorgerufen werden. Dazu kommt bei der Abwägung der Interessen der beiden hier Beteiligten noch der Umstand, dass es bei dem Spiel zu einer Art Therapie eines Mangels bei der Beklagten kommen sollte und die Klägerin nicht etwa die (mit ihr im Vertragsverhältnis stehenden) Seminarveranstalterin war, sondern eine Mitteilnehmerin, die sich freiwillig für dieses Rollenspiel zur Verfügung stellte. Auch aus diesem Gesichtspunkt ist der Beklagten eher eine Haftung für die von ihr verursachte Körperverletzung zuzumuten als es anginge, die Klägerin ihren Schaden selbst tragen zu lassen.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann es daher weder darauf ankommen, dass nicht feststeht, ob die Beklagte der Klägerin auch einen Tritt oder Schlag versetzt hätte, noch auf die Feststellung, dass sie versuchte, den Sturz der Klägerin noch abzumildern. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts kommt es allerdings für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten sehr wohl darauf an, ob die Klägerin im konkreten Fall mit einer körperlichen Attacke rechnen musste, weil sie sich eben dann auf diese Gefahr bewusst eingelassen hätte und das zu erwartende Verhalten der Beklagten nicht im Rahmen einer deliktischen Haftung vorgeworfen werden könnte. Richtig ist allerdings, dass es nach dem Gesagten nicht auf die konkrete Erfahrung der Klägerin mit psychotherapeutischen Rollenspielen ankommt, weil eben nach den Feststellungen Derartiges nur selten und in bloß milder Form vorkommt. Demnach hat die Beklagte der Klägerin für die ihr adäquat verursachten Verletzungsfolgen einzustehen.
Da die Vorinstanzen zufolge ihrer abweichenden Rechtsansicht über diese Folgen keine Feststellungen getroffen haben, ist die Aufhebung ihrer Entscheidungen und Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz erforderlich.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.