Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

17.12.2002

Geschäftszahl

4Ob247/02f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christof Pöchhacker, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 40.695 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 20. September 2002, GZ 5 R 156/02a-12, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 8. Juli 2002, GZ 18 Cg 54/02h-8, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird in ihrem bestätigenden Teil dahin abgeändert, dass die Entscheidung - einschließlich des mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Teils - insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„Einstweilige Verfügung

Der Beklagten wird zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf Unterlassung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen aufgetragen, es zu unterlassen, UTA-ADSL-Internetzugänge mit den Worten „Aktion! 3 Monate gratis surfen" oder in sinngleicher Weise anzukündigen, wenn bei Inanspruchnahme dieses Angebots in Wahrheit auch während eines derartigen Zeitraums zusätzliche weitere Kosten, insbesondere eine monatliche Grundgebühr für Sprachtelefonie, zu zahlen sind.

Das Mehrbegehren, der Beklagten die Ankündigung „Aktion! 3 Monate gratis surfen" oder sinngleiche Ankündigungen auch dann zu untersagen, wenn während eines derartigen Zeitraums weitere Kosten bei Überschreitung von 1 GB Transfervolumen/pro Monat zu zahlen sind, wird abgewiesen.

Die Entscheidung über die Äußerungskosten der Beklagten bleibt der Endentscheidung vorbehalten."

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Klägerin und Beklagte bieten ihren Kunden Internetzugänge, insbesondere auch ADSL-Internetzugänge an.

Anfang 2002 warb die Beklagte auf der Startseite ihrer Website mit dem Angebot „3 Monate gratis surfen":

Bei Anklicken des Worts „Aktion!" öffnete sich ein Fenster, in dem die Aktion näher beschrieben wurde:

Von dieser Seite gelangte man auf eine weitere Seite, auf der auf die auch im Rahmen dieser Aktion anfallenden Kosten hingewiesen wurde:

- monatliche Gebühr für Transfervolumen bei 1 bis 3 GB (pro MB) EUR 0,065

- monatliche Gebühr für Transfervolumen ab 3 GB (pro MB) EUR 0,211

- monatliche Grundgebühr für ISDN-Telefonanschluss EUR 39,897

- monatliche Grundgebühr bei analogem Telefonanschluss EUR 28,996.

In der Ausgabe Nr 26/2001 der Zeitschrift „E-Media" kündigte die Beklagte in einem ganzseitigen Inserat ihren ADSL Internetzugang wie folgt an:

Am 15. 1. 2002 warb die Beklagte in einem Hörfunkspot wie folgt:

„1. Mann: 'Kommst Du noch mit rauf? Ich würde dir gerne meine Musiksammlung zeigen.'

1. Frau: 'Du hast eine Musiksammlung?'

1. Mann: 'Ich könnte schnell eine runterladen.'

2. Mann: 'UTA ADSL. Es gibt soviel zu erleben. MP 3-Files, Filme, Spiel und Surfen in Rekordzeit. Jetzt bis 15. 2. anmelden und 3 Monate gratis surfen. Ein Gigabyte pro Monat inklusive.'

2. Frau: 'Das war ein bisschen gar schnell.'

2. Mann: 'Mehr unter www.uta.at. UTA - Der Beginn einer schönen Verbindung.'"

Zwischen dem Surfen im Internet und dem Herunterladen von Daten ist zwar zu unterscheiden; auch beim Surfen werden jedoch Daten aus dem Internet heruntergeladen. So kommt es allein beim Öffnen der Startseite der folgenden Websites zu den nachstehenden Datentransfers:

MSN (Microsoft): www.msn.at 230,6 KB; RTL: www.rtl.de 321,3 KB; E-Projekt: www.eprpjects.at 626,9 KB; Krone: www.krone.at 264,5 KB. Bereits beim Surfen im Internet kann damit eine Datenmenge von 1 Gigabyte pro Monat überschritten werden.

Beim Internetanbieter Chello braucht man keinen Telefonanschluss, um in das Internet zu gelangen. Es fallen daher keine Telefongrundgebühren an.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten zu untersagen, UTA-ADSL-Internetzugänge mit den Worten „Aktion! 3 Monate gratis surfen!" oder in sinngleicher Weise anzukündigen, wenn bei Inanspruchnahme dieses Angebots in Wahrheit auch während eines derartigen Zeitraums zusätzliche weitere Kosten, insbesondere eine monatliche Grundgebühr für Sprachtelefonie und/oder Installationskosten und/oder weitere Kosten bei Überschreitung von 1 GB Transfervolumen/pro Monat zu zahlen sind und/oder die Inanspruchnahme dieser Aktion voraussetzt, dass sich der Kunde für den Zeitraum von zwölf Monaten an die Beklagte bindet und/oder die Aktion nur für bestimmte ADSL-Produkte gilt. Die Ankündigung der Beklagten sei zur Irreführung geeignet, weil verschwiegen werde, dass nur die UTA-ADSL-Grundgebühr für drei Monate entfalle, weitere Kosten anfielen, die Aktion auf bestimmte Produkte beschränkt sei sowie dass die Inanspruchnahme der Aktion eine 12-monatige Bindung voraussetze. Der Verbraucher gewinne den - unzutreffenden - Eindruck, bei Annahme des Angebots der Beklagten drei Monate lang völlig gratis im Internet surfen zu können.

Die Beklagte verpflichtete sich in einem Teilvergleich, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in irreführender Weise UTS-ADSL-Internetzugänge mit den Worten „Aktion! 3 Monate gratis surfen!" oder in sinngleicher Weise anzukündigen, wenn bei Inanspruchnahme dieses Angebots während eines derartigen Zeitraums zusätzlich weitere Kosten, nämlich Installationskosten zu zahlen sind und/oder die Inanspruchnahme der Aktion voraussetzt, dass sich der Kunde für einen Zeitraum von 12 Monaten an die Beklagte bindet.

Die Beklagte beantragt, den restlichen Teil des Sicherungsantrags abzuweisen. Die Ankündigung sei insoweit nicht zur Irreführung geeignet. Bei den meisten Anbietern sei bei Überschreiten einer gewissen Datenmenge ein höheres Entgelt zu zahlen. Niemand verstehe „gratis surfen" dahin, dass das Downloadvolumen unbeschränkt sei. Mehr als 80 % der Kunden der Beklagten unterschritten die Datenmenge von 1 Gigabyte. Es sei allgemein bekannt, dass das Surfen im Internet einen Telefonanschluss voraussetze. Niemand komme daher auf die Idee, die Telefongrundgebühr rückerstattet zu erhalten, wenn er das Angebot annehme, 3 Monate im Internet gratis zu surfen.

Das Erstgericht verbot der Beklagten, UTA-ADSL-Internetzugänge mit den Worten „Aktion! 3 Monate gratis surfen" oder in sinngleicher Weise anzukündigen, wenn bei Inanspruchnahme dieses Angebots in Wahrheit auch während eines derartigen Zeitraums zusätzliche weitere Kosten, insbesondere eine monatliche Grundgebühr für Sprachtelefonie und/oder weitere Kosten bei Überschreitung von 1 GB Transfervolumen/pro Monat zu zahlen sind und/oder die Aktion nur für bestimmte ADSL-Produkte gilt. Bei blickfangartiger Hervorhebung des Wortes „gratis" nehme ein verständiger Verbraucher an, 3 Monate lang völlig gratis im Internet surfen zu können. Die Einschränkungen im Kleingedruckten oder auf der Website träten in den Hintergrund.

Das Rekursgericht verbot der Beklagten, UTA-ADSL-Internetzugänge mit den Worten „Aktion! 3 Monate gratis surfen" oder in sinngleicher Weise anzukündigen, wenn bei Inanspruchnahme dieses Angebots in Wahrheit auch während eines derartigen Zeitraums zusätzliche weitere Kosten, insbesondere eine monatliche Grundgebühr für Sprachtelefonie und/oder weitere Kosten bei Überschreitung von 1 GB Transfervolumen/pro Monat, zu bezahlen sind; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Im Übrigen - soweit das Erstgericht der Beklagten verboten hatte, für ihr Gratissurfangebot zu werben, wenn die Aktion nur für bestimmte ADSL-Produkte gilt - hob das Rekursgericht die Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. „Gratis" sei im Sinne völliger Kostenfreiheit zu verstehen, so dass die Werbeankündigung trotz des Hinweises, wonach 1 GB Daten jeden Monat inklusive sei, in ihrer Gesamtheit irreführend sei. Notwendig wäre der zusätzliche Hinweis, dass bei allfälliger Überschreitung einer Datenmenge von 1 Gigabyte Kosten anfallen. Wie häufig oder wie selten Internetnutzer eine Datenmenge von 1 Gigabyte überschreiten, sei nicht maßgebend, weil das angesprochene Publikum erwarten könne, völlig kostenfrei im Internet zu surfen. Es sei nicht selbstverständlich, dass eine Telefongrundgebühr zu entrichten sei. Auch insoweit sei die Ankündigung daher zur Irreführung geeignet. Zu klären sei noch, ob das Angebot der Beklagten, wie von ihr behauptet, auch für die Produkte Easy Internet, Internet unlimited und Biz-net gelte. Insoweit sei die angefochtene Entscheidung daher aufzuheben gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte bekämpft - wie durch den Rechtsmittelantrag klargestellt - den bestätigenden Teil dieser Entscheidung insoweit, als ihr verboten wird, UTA-ADSL-Internetzugänge mit den Worten „Aktion! 3 Monate gratis surfen" oder in sinngleicher Weise anzukündigen, wenn bei Inanspruchnahme dieses Angebots in Wahrheit auch während eines derartigen Zeitraums zusätzliche weitere Kosten, insbesondere weitere Kosten bei Überschreitung von 1 GB Transfervolumen/pro Monat, zu zahlen sind. Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Die Beklagte hat in der Internetwerbung, im Zeitungsinserat und auch in der Hörfunkwerbung darauf hingewiesen, dass ihr Angebot „1 GB Datenvolumen pro Monat" (Internet) umfasst bzw „1 GB Daten jeden Monat inklusive" (Inserat), „1 GB pro Monat inklusive" (Radio) gilt. Der Hinweis ist zwar - in der Internetwerbung und im Zeitungsinserat - nicht Teil der blickfangartig hervorgehobenen Ankündigung, "Aktion! 3 Monate gratis surfen!", er ist aber im daran anschließenden, gut lesbaren Text enthalten, in dem das Angebot näher erläutert wird. Dieser Text und damit auch der Hinweis auf die Beschränkung der Datenmenge ist deutlich genug, um nicht übersehen zu werden. Auch in der Hörfunkwerbung wird unmissverständlich darauf hingewiesen, dass das Angebot "1 Gigabyte pro Monat inklusive" gilt und damit auf eine bestimmte Datenmenge beschränkt ist. Damit bleibt zu prüfen, ob die Ankündigung unvollständig ist, weil es, wie das Rekursgericht meint, „eines darüber hinausgehenden Hinweises bedurft (hätte), wonach bei allfälliger Überschreitung dieser Gigabyte Kosten anfallen".

Unvollständige Angaben verstoßen nach ständiger Rechtsprechung gegen Paragraph 2, UWG, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, so dass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in einer für den Kaufentschluss erheblichen Weise irrezuführen (zuletzt etwa 4 Ob 212/01g = ÖBl 2002/23 - Freiminuten; 4 Ob 43/02f = wbl 2002/261 - BESTsale).

Das ist hier nicht der Fall: Die Beklagte weist in jeder ihrer Ankündigungen darauf hin, dass ihr Gratissurfangebot 1 Gigabyte Daten pro Monat umfasst. Damit ist klargestellt, dass das Surfen im Internet nur bis zum Erreichen einer bestimmten Datenmenge kostenlos ist. Klargestellt ist damit auch, dass der Internetnutzer bei Überschreiten der Datenmenge ein Entgelt zu zahlen hat, weil die Beschränkung andernfalls sinnlos wäre. Nach dem für die Beurteilung der Irreführungseignung maßgebenden Gesamteindruck kann daher die Ankündigung, „3 Monate gratis surfen", angesichts des Hinweises auf eine Datenmenge von 1 Gigabyte nicht dahin verstanden werden, dass unabhängig von der aus dem Internet heruntergeladenen Datenmenge keine weiteren Kosten anfielen. Damit ist die Ankündigung nicht zur Irreführung geeignet, auch wenn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass bei Überschreiten der Datenmenge von 1 Gigabyte weitere Kosten anfallen.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.