Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

23.05.2002

Geschäftszahl

2Ob121/02m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** GmbH, *****, vertreten durch Erich Kafka und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Michael H*****, vertreten durch Dr. Peter Stoff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. November 2001, GZ 38 R 254/01m-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 22. August 2001, GZ 12 C 1529/00f-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

1.) Die gerichtliche Aufkündigung vom 29. 11. 2000 wird aufgehoben.

2.) Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, die im Haus *****, gelegene Wohnung Nr 28 der klagenden Partei geräumt von eigenen Fahrnissen binnen 14 Tagen zu übergeben, wird abgewiesen.

3.) Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.421,54 (darin EUR 200,13 USt und EUR 220,77 Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erklärte die unter anderem auf den Kündigungsgrund des Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 6, MRG gestützte Aufkündigung vom 29. 11. 2000 für wirksam und verpflichtete den Beklagten zur Räumung der Wohnung Tür Nr 28. Es ging hiebei unter anderem von folgenden Feststellungen aus:

Der Beklagte ist seit 1981 Mieter der aufgekündigten Wohnung Tür Nr 28; diese besteht aus einem Zimmer und einer Küche. Im Mai 1999 mietete er die ein Stockwerk darunter gelegene Wohnung Tür Nr 22, bestehend aus Zimmer, Küche und Kabinett. Nach und nach übersiedelte er den Großteil seines Hausrates von der aufgekündigten Wohnung in die Wohnung Tür Nr 22. Dort nächtigte er gemeinsam mit seiner Ehegattin; die Mahlzeiten wurden dort zubereitet und eingenommen; auch wurde in dieser Wohnung die Wäsche gewaschen. In der aufgekündigten Wohnung befand sich zum Zeitpunkt der Aufkündigung drei Computer, wovon einer vom Beklagten und seiner Ehegattin fallweise zu Arbeitszwecken benützt wurde. Des weiteren gab es dort ein Hochbett, einen eingebauten Kleiderschrank sowie eine Einbauküche. Der Beklagte nächtigte in dieser Wohnung auch etwa ein bis zweimal pro Monat, um vom Kleinkind ungestört schlafen zu können. Im Übrigen verblieben in der aufgekündigten Wohnung jene Kleidungsstücke, die saisonal bedingt nicht benützt werden bzw jene, die nicht täglich benützt werden, wie zB ein Smoking bzw Reservewäsche. Der Beklagte verfügte zum Zeitpunkt der Aufkündigung über einen Arbeitsplatz bei seinem Wiener Arbeitgeber; er arbeitete jedoch auch fallweise zu Hause und zwar auch in der aufgekündigten Wohnung.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass der Beklagte den Kündigungsgrund nach Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 6, MRG erfüllt habe, weil er von der aufgekündigten Wohnung Tür Nr 28 in die im selben Haus befindliche Wohnung Tür Nr 22 verzogen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Es führte im Wesentlichen folgendes aus:

Prinzipiell zutreffend argumentiere der Berufungswerber, dass bei Anmietung weiterer Räumlichkeiten zwecks Vergrößerung der ursprünglichen Wohnung faktisch eine Wohneinheit vorliege und die Art der Benützung der Wohnung nur eine interne Aufteilung der zur Verfügung stehenden Räume darstelle. In der Anmietung einer zweiten Wohnung im selben Haus liege nämlich die Vereinbarung einer eingeschränkten Benützung der zweiten (bzw der ersten) Wohnung, entsprechend der internen Haushalts- und Wirtschaftsführung. Das Vorliegen einer derartigen Vereinbarung setze jedoch voraus, dass Vermieteridentität bestehe, oder zumindest eine Kenntnis des Vermieters vorliege. Die Klägerin sei nur Vermieterin der Wohnung Tür Nr 28 (Anmietung: 1991; nach den erstgerichtlichen Feststellungen: 1981), die vor der Wohnung Tür Nr 22 (Anmietung: 1999) angemietet worden sei und überdies (zu 510/942-Anteilen) Mehrheitseigentümerin der Liegenschaft. Wohnungseigentum sei am 22. 12. 1993 begründet worden (öffentliches Grundbuch). Da Vermieteridentität hier nicht vorliege und der Klägerin keine Kenntnis vom und keine Zustimmung zum Bestehen zweier Mietverhältnisse im selben Haus unterstellt werden könne (eine diesbezügliche Kenntnis sei auch nicht behauptet worden), sei eine hier nur im Nachhinein denkbare Vereinbarung einer eingeschränkten Benützung des aufgekündigten Bestandobjektes entsprechend der familieninternen Aufteilung nicht möglich. Liege keine Vereinbarung vor, dass auch eine eingeschränkte Benützung des Bestandobjektes vertragskonform sei, sei der vorliegende Sachverhalt, auch wenn sich die Wohnungen im selben Haus befänden, nicht anders zu beurteilen, als ob sich die Wohnungen in verschiedenen Häusern befänden. Zutreffend sei das Erstgericht davon ausgegangen, dass sich bei der Art der festgestellten Benutzung, der Mittelpunkt der Lebenshaltung des Beklagten nicht in der aufgekündigten Wohnung befinde, weshalb der angezogene Kündigungsgrund verwirklicht sei.

Die Revision sei gemäß Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zulässig, weil die Frage, ob im Fall fehlender Vermieteridentität infolge Begründung von Wohnungseigentum bei Anmietung von zwei Wohnungen im selben Haus eine eingeschränkte Nutzung einer der beiden Wohnungen entsprechend der familieninternen Haushalts- und Wirtschaftsgebarung vertragskonform sei, insbesondere wenn einer der Vermieter Mehrheitseigentümer sei, von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht beantwortet worden sei und es sich diesbezüglich um eine Frage von erheblicher Bedeutung handle.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die gerichtliche Aufkündigung aufgehoben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, die aufgekündigte Wohnung sei ständig für seine Lebensführung in den Wohnungen Tür Nr 22 und 28 von beachtlicher Bedeutung; es sei sowohl die regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken als auch sein dringendes Wohnbedürfnis zu bejahen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Der Kündigungsgrund gemäß Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 6, MRG ist gegeben, wenn die Wohnung nicht regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet wird und auch ein dringendes Wohnbedürfnis des Mieters (oder eintrittsberechtigter Personen) fehlt; soweit eine regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken erfolgt, ist der dringende Wohnbedarf nicht mehr zu prüfen (RIS-Justiz RS0070217; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Paragraph 30, MRG Rz 39 mwN; Schuster in Schwimann Band 82 Paragraph 30, MRG Rz 33, 35 mwN).

Dem Berufungsgericht ist zunächst zuzugeben, dass im vorliegenden Fall mangels Vermieteridentität in der Anmietung der zweiten Wohnung (Tür Nr 22) nicht eine zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung einer eingeschränkten Benützung der ersten Wohnung (Tür Nr 28) gelegen sein kann. Das schließt aber nicht aus, dass trotz eingeschränkter Benützung noch immer eine regelmäßige Verwendung dieser Wohnung zu Wohnzwecken vorliegt. Die Benützung mehrerer Wohnungen erfüllt zwar im Allgemeinen nur so lange nicht den Kündigungstatbestand, als der Mittelpunkt der Lebenshaltung zumindest zum Teil in der aufgekündigten Wohnung liegt (RIS-Justiz RS0079252; Würth/Zingher aaO Rz 41 mwN; Schuster aaO Rz 35 mwN). Wird aber zu einer Kleinwohnung eine weitere - benachbarte oder zumindest nahegelegene - Kleinwohnung im selben Haus für Wohnzwecke angemietet, so kommt es nicht darauf an, in welcher Wohnung der Schwerpunkt der Wirtschaftsführung liegt; beide Wohnungen bilden dann, wenn auch zwei Bestandverträge vorliegen, faktisch eine Wohneinheit (RIS-Justiz RS0068547; MietSlg 22.409).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zunächst die Zimmer-Küche-Wohnung Nr 28 und sodann (von einem anderen Vermieter) die ein Stockwerk tiefer gelegene Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung Nr 22 gemietet. Die beiden Wohnungen sind nach seinen (nicht substantiiert bestrittenen) Angaben ca 30 m2 und ca 38 m2 groß. Seine Familie umfasst drei Personen. Auch wenn die Zimmer-Küche-Wohnung Nr 28 - im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung vergleiche Frauenberger in Rechberger2 Paragraph 561, ZPO Rz 3 mwN) - nur mehr zur Aufbewahrung von gerade nicht benötigter Kleidung und fallweise zum Arbeiten und Schlafen verwendet wurde, ist hier von einer regelmäßigen Verwendung beider Wohnungen zu Wohnzwecken im Sinne des Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 6, MRG auszugehen. Bei Zusammenlegung von zwei Kleinwohnungen wäre es ohne weiteres vorstellbar, dass eine bisherige Zimmer-Küche-Wohnung "nur" als Abstell- oder Schrankraum und Arbeitszimmer verwendet wird. Hier ist die Benützung zwar durch die Lage in unterschiedlichen Stockwerken erschwert, die Familie bewirtschaftet aber dennoch beide Kleinwohnungen, wobei es im Sinne der zitierten Rechtsprechung bei einer solchen besonderen Fallgestaltung nicht darauf ankommt, wo der wirtschaftliche und familiäre Schwerpunkt liegt.

Der Kündigungsgrund wurde somit nicht verwirklicht, weshalb der Revision spruchgemäß Folge zu geben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41,, 50 ZPO.