Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

18.10.2001

Geschäftszahl

6Ob229/01x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Bianca-Maria T*****, in Obsorge der Mutter Katharina T*****, Unterhaltssachwalter Jugendamt der Stadt Villach, Gerbergasse 6, 9500 Villach, über den Revisionsrekurs der durch den Unterhaltssachwalter vertretenen Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 7. Juni 2001, GZ 2 R 272/01d-102, womit über den Rekurs des Vaters Harald T*****, vertreten durch Dr. Friedrich Flendrovsky, Rechtsanwalt in Wien, der Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 26. März 2001, GZ 10 P 43/99b-99, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Vater ist auf Grund eines Unterhaltsvergleichs aus dem Jahr 1991 verpflichtet, für die im Haushalt der obsorgeberechtigten Mutter lebende Minderjährige 4.000 S monatlich an Unterhalt zu bezahlen. Die Minderjährige beantragte am 21. 6. 1999 die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung rückwirkend ab 1. 11. 1998 auf 8.000 S monatlich. Der Vater beantragte eine Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf 3.500 S monatlich ab 1. 11. 1999, weil er arbeitslos sei.

Die Vorinstanzen gingen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Vater erzielte 1998 bei seinem Arbeitgeber in München ein monatliches Durchschnittseinkommen von 47.000 S netto, ab 1. 1. 1999 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15. 3. 1999 48.700 S. Anlässlich seines Ausscheidens erhielt er eine "Abfindung" von rund 300.000 S netto. Vom 15. 3. 1999 bis 31. 10. 1999 erzielte der Vater bei seinem neuen Dienstgeber ein monatliches Nettoeinkommen von rund 60.000 S. Er kündigte dieses Dienstverhältnis selbst auf. Vom 1. 11. 1999 bis 13. 6. 2000 bezog er ein monatliches Arbeitslosengeld von 19.400 S netto. Ab 14. 6. 2000 stand ihm als Gesellschaftergeschäftsführer eines Unternehmens ein Nettogehalt von 12.000 S monatlich zu. Der Geschäftsgang des neu gegründeten Unternehmens war wenig zufriedenstellend.

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die Zeit vom 1. 1. 1998 bis 31. 10. 2000 auf 8.000 S und für die Zeit ab 1. 11. 2000 auf 4.500 S monatlich. Das Mehrbegehren des Kindes wurde abgewiesen. Der Vater habe im Hinblick auf sein hohes Einkommen des Jahres 1999 für seine unterhaltsberechtigte Tochter vorsorgen müssen. Für das Jahr 2000 seien dem nunmehr bezogenen Einkommen Teileinkünfte aus dem Gesamteinkommen des Jahres 1999 hinzuzurechnen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, der sich nur gegen die Unterhaltsfestsetzung für die Zeit vom 1. 11. 1999 bis 31. 10. 2000 richtete, Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichtes dahin ab, dass die Unterhaltsverpflichtung für diese Zeit nur auf 4.500 S monatlich erhöht wurde. Die Abfertigung stelle grundsätzlich eine Überbrückungshilfe für die Zeit nach Auflösung eines Arbeitsverhältnisses dar und sei angemessen auf die nachfolgenden Zeiten in die Bemessungsgrundlage einzurechnen. Hier habe der Vater aber im Anschluss an die Auszahlung der Abfertigung ohne Unterbrechung bei einer anderen Firma seine Berufstätigkeit fortgesetzt und nicht mit einem Arbeitsplatzwechsel und dem Risiko einer Einkommensverringerung rechnen müssen. Er sei nicht verpflichtet gewesen, Teile der Abfertigung für künftige Unterhaltszahlungen anzusparen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob in Zeiten überdurchschnittlich hohen Einkommens im Interesse des Unterhaltsberechtigten wegen künftig möglicher schlechterer Einkommensverhältnisse Ansparungen vorzunehmen seien.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt die durch den Unterhaltssachwalter vertretene Minderjährige die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes.

Der Revisiosnrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Einbeziehung von höheren Einmalbezügen des Unterhaltsverpflichteten, hier einer Abfindung als pauschale Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes vergleiche Schaub, Arbeitsrechtshandbuch [2000] 1478 Rz 27; Münchener Handbuch ArbR2, Bd 2, Paragraph 151, Rz 17 ff mwN), die nur bedingt mit einer Abfertigung nach österreichischem Recht vergleichbar ist, in die Bemessungsgrundlage hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wenn diese Abfindung eine echte Überbrückungshilfe für den Fall der Arbeitslosigkeit darstellte, könnte sie auf so viele Monate verteilt werden, dass damit das zuletzt bezogene Monatsentgelt erreicht wird vergleiche RS0047425). Einer solchen Überbrückung diente die Zahlung hier aber offenbar nicht, weil der Vater nach der Auszahlung zunächst nicht arbeitslos war und beim neuen Dienstgeber sogar ein höheres Einkommen erzielte. Wenn einer Abfertigung kein oder nur ein sehr abgeschwächter Überbrückungscharakter zukommt, hält die Rechtsprechung eine Aufteilung (= Einrechnung in die Bemessungsgrundlage) auf mehrere Jahre für gerechtfertigt (RS0047428), etwa bei einem unterhaltspflichtigen Pensionisten nach seiner statistischen Lebenserwartung (ÖA 1994, 67; 3 Ob 2/98k). Dies wird insbesondere in den Fällen einer relativ hohen Abfertigung und einem nicht ganz geringen Eigeneinkommen des Unterhaltspflichtigen vertreten, weil dann nicht davon auszugehen ist, dass die Abfertigung in einem kürzeren Zeitraum zur Gänze verbraucht wird. Aus dieser Judikatur ist für den vorliegenden Fall der entscheidende Gesichtspunkt zu entnehmen, dass die Abfindung als ertragbringendes Vermögen des Unterhaltsverpflichteten bei der Unterhaltsfestsetzung mit zu berücksichtigen ist. Der Oberste Gerichtshof hat schon ausgesprochen, dass der Unterhaltspflichtige zu einer gewinnbringenden Anlegung (Vorsorge) auf einige Jahre, nicht zuletzt im Interesse der Unterhaltsberechtigten, verpflichtet ist (1 Ob 171/00d). Die Revisionsrekurswerberin strebt demgegenüber im Ergebnis und ohne sachliche Rechtfertigung eine Einrechnung der Abfindung in die Bemessungsgrundlage auf die Dauer von einem Jahr ab der Arbeitslosigkeit des Vaters an und vernachlässigt dabei, dass mit der bekämpften Unterhaltsfestsetzung für den strittigen Zeitraum und darüber hinaus für den laufenden Unterhalt ohnehin eine über dem üblichen Prozentsatz (22 %) liegende Unterhaltsverpflichtung festgelegt wurde (der Unterhalt macht zunächst rund 23 % des Arbeitslosengeldes aus, ab Juni 2000 aber sogar 36 % des Einkommens des Vaters). Damit hat das Rekursgericht aber den Umständen des Einzelfalls im Einklang mit der zitierten Rechtsprechnung Rechnung getragen, dass Abfertigungen ohne Überbrückungscharakter zur Annahme einer erhöhten Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners über einen längeren Zeitraum führen. Die vom Rekursgericht für wesentlich erachtete Rechtsfrage einer Ansparungsverpflichtung des Unterhaltspflichtigen für bloß mögliche künftige Einkommenseinbußen schon ab dem Zeitpunkt der Auszahlung der Abfertigung wurde im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung gelöst.