Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

20.09.2001

Geschäftszahl

2Ob216/01f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Hannelore D*****, vertreten durch Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Anton W***** und 2. Gertrude W*****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Schachner und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen S 79.386,67 sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 3. April 2001, GZ 36 R 125/01b-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Melk vom 8. Jänner 2001, GZ 5 C 1788/99i-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagten betreiben seit 1974 unter anderem eine Frühstückspension, die Klägerin war ihr Gast. Am 15. 10. 1997 stürzte sie am Weg von ihrem Zimmer im ersten Stock zum Erdgeschoß über eine Treppe und verletzte sich dabei.

Mit der vorliegenden Klage begehrt sie die Zahlung eines Schmerzengeldes sowie den Ersatz fiktiver Kosten einer Haushaltshilfe, von Trinkgeldern, Zeitungen und Telefonaten sowie von Therapiekosten; weiters wird die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle Schäden im Ausmaß von zwei Dritteln begehrt. Sie brachte dazu vor, in der Zeit vom 13. 10. 1997 bis 19. 10. 1997 ein Seminar besucht und in der von den Beklagten betriebenen Frühstückspension gewohnt zu haben. Während sich der Frühstücksraum im Erdgeschoß befinde, seien die Zimmer im ersten Stock gelegen. Der Frühstücksraum sei über eine steile Treppe zu erreichen, welche dermaßen schmale Stufen aufweise, dass kein ganzer Fuß darauf Platz finde. Die offenbar als Rutschschutz gedacht gewesenen aufgeklebten Filzstreifen seien völlig wirkungslos. Im Parterre der Frühstückspension sei eine Tafel angebracht mit dem Text "Bitte keine Schuhe", überdies seien die Pensionsgäste instruiert worden, die Schuhe im Parterre auszuziehen und nur in Hausschuhen oder Socken in die im ersten Stock befindlichen Zimmer zu gehen.

Am 15. 10. 1997 habe sie vom ersten Stock über die erwähnte Treppe ins Parterre gelangen wollen. Die Stiege sei zu diesem Zeitpunkt frisch gewachst und poliert gewesen. Sie habe am Treppenabsatz gerade nach dem Geländer greifen wollen, als sie ausgerutscht und mit dem Kopf am Podest angeschlagen habe und die gesamte Stiege nach unten gestürzt sei. Sie habe dadurch multiple Prellungen am gesamten Körper erlitten, sie mache vorerst lediglich zwei Drittel ihrer Schäden geltend. Die Beklagten hätten ihre Verkehrssicherungspflichten und auch den mit ihr abgeschlossenen Gastaufnahmevertrag verletzt. Die Treppe sei nach der gegenwärtigen niederösterreichischen Bauordnung nicht mehr konsensfähig und habe jedenfalls der Bauordnung im Zeitpunkt des Unfalls nicht entsprochen, was ein wesentliches Indiz für das Zustandekommen des Unfalles bilde.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie führten im Rahmen ihres landwirtschaftlichen Betriebes auch einen Beherbergungsbetrieb in der Art "Urlaub am Bauernhof". Vom Erdgeschoß ihres Hauses führten zwei Stiegen in den ersten Stock. Die für die Beherbergungsgäste bestimmte Stiege führe vom ebenerdig gelegenen Gang zu einem im ersten Stock gelegenen Gang, von wo man in die Gästezimmer gelange. Eine zweite Stiege führe vom frontseitig gelegenen Vorzimmer ebenfalls in den ersten Stock, von wo man primär zu den privat genutzten Räumlichkeiten der Beklagten gelange, doch könne man auch über einen im ersten Stock befindlichen Gang zu den Gästezimmern gehen. Obwohl die letztgenannte Stiege überwiegend für die Hauseigentümer gedacht sei, werde sie auch von den Gästen benützt. Bei dieser Treppe handle es sich um eine Terrazzo-Stiege mit vertieft angebrachten Gummistreifen. Diese Stiege werde linksseitig durch eine Mauer, rechtsseitig durch ein Schmiedeeisengitter abgegrenzt. Auf dem Eisengitter befinde sich ein Handlauf aus Kunststoff. Die Stufenhöhe betrage 17 cm, die Stiegenbreite bei der Gehlinie ca 28 cm. Es handle sich um eine völlig normale Treppe, welche gefahrlos begangen werden könne. Es sei unrichtig, dass eine Tafel mit der Aufschrift "Bitte keine Schuhe" angebracht gewesen sei. Bei den am 13. 10. 1997 aufgenommenen Gästen handle es sich um eine Gruppe von Personen, die unter anderem auf einem Bauernhof Arbeiten verrichtet hätten. Sie seien ersucht worden, die schmutzigen hohen Schuhe und auch Gummistiefel beim Eingang auszuziehen. Es sei unrichtig, dass am 15. 10. 1997 die Treppe frisch gewachst und poliert gewesen sei. Der Sturz der Klägerin sei nur auf deren eigene Ungeschicklichkeit zurückzuführen. Sie habe sich offenbar in Eile befunden und überdies an beiden Händen mehrere Gepäckstücke getragen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei folgende weitere Feststellungen getroffen wurden:

Die Stiege, auf der die Klägerin stürzte, befindet sich im nordöstlichen Teil des Hauses der Beklagten. Sie wurde im Jahre 1974 errichtet. Es handelt sich dabei um eine Terrazzostiege mit insgesamt 17 Stufen. Von unten nach oben gesehen beschreiben die letzten sechs Stufen eine Rechtskrümmung. Diese Krümmung hat etwa 90 %. In diesem Bereich ist auch ein großes Fenster vorhanden. Linksseitig (wenn man hinaufgeht) wird die Stiege durch eine Holzvertäfelung begrenzt, rechtsseitig durch ein Schmiedeeisengitter. Auf dem Schmiedeeisengitter ist ein Handlauf aus Kunststoff befestigt. Die Stiegentiefe beträgt 29 cm, die Stufenhöhe ca 17 cm.

Auf den Stufen sind Gummikanten vorhanden. Von oben nach unten gesehen (also in Gehrichtung der Klägerin) weist die erste Stufe im linksseitigen Bereich im Bereich der Rutschleisten eine Tiefe von 18 cm auf, die zweite Stufe 19 cm, die dritte Stufe 20 cm, die vierte Stufe 22 cm und die fünfte Stufe 18 cm.

Der auf umseitiger Kopie ersichtliche Eisensteher des im ersten Stock verlaufenden Schmiedeeisengitters, an dem auch der ins Parterre führende Handlauf angeschweißt ist, ist von der ersten Stufe 31 cm entfernt und befindet sich erst auf der vierten Stufe von oben gesehen. Der Abstand vom Handlauf des im ersten Stock befindlichen Stiegengeländers zum Handlauf des nach unten führenden Geländers bzw Handlauf beträgt 23 cm.

Seit Errichtung der Stiege im Jahre 1974 wurden an dieser keine baulichen Veränderungen vorgenommen.

Mit Bescheid der Gemeinde vom 20. 12. 1977 wurde bezüglich des Hauses der Beklagten eine Benützungsbewilligung erteilt. Bis zur Errichtung einer zweiten Stiege wurde ausschließlich die eben erwähnte Stiege zum Aufstieg und Abgang zum bzw vom Obergeschoß benutzt. In den Jahren 1982/83 errichteten die Beklagten einen Zubau. Der Zugang zu diesem erfolgte von Norden her über eine vorgelegte Kunststeinstufe und eine andere Treppe.

1984 wurde der Urlauberbauernhof der Beklagten von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern elektrotechnisch beraten und geprüft, es wurden keine Mängel festgestellt. Bei einer weiteren sicherheitstechnischen Beratung vom 23. 5. 1990 wurden zwar Mängel festgestellt, welche aber nicht die gegenständliche Treppe betreffen. Diese wird lediglich mit einem Putzmittel und Wasser behandelt, sie wird nicht eingelassen bzw eingewachst. Wenngleich den Pensionsgästen als Aufgang zu den Zimmern im Obergeschoß die später errichtete Stiege gezeigt wird, ist ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass sie nur diese Stiege benützen dürften, nicht vorhanden; die zweite, hier gegenständliche Stiege wird von den Pensionsgästen auch in Anspruch genommen.

In der Zeit vom 13. 10. 1997 bis 19. 10. 1997 besuchte die Klägerin ein Seminar, wobei unter anderem auch an verschiedenen Gebäuden Renovierungsarbeiten durchgeführt wurden, an denen die Klägerin mithalf. Die Klägerin bewohnte das Zimmer mit der Nummer 5, welches sich vor dem Beginn der hier streitgegenständlichen Stiege befindet. Im neu errichteten Zubau waren "Tassen" abgestellt, in welche die Pensionsgäste, wenn sie mit schmutzigen Schuhen zurückkamen, diese dort abstellten und mit Hausschuhen oder Socken/Strümpfen ins Obergeschoß in ihre Zimmer gingen. Die Pensionsgäste, die schmutzige Schuhe trugen, wurden von der Zweitbeklagten ersucht, diese auszuziehen und entweder mit Hausschuhen oder Socken/Strümpfen ins Obergeschoß zu gehen. Dahingehend wurde auch die Klägerin von der Zweitbeklagten instruiert. Eine generelle Erklärung, dass die Schuhe immer auszuziehen wären, erfolgte nicht.

Mit normalen Straßenschuhen war daher ein Betreten des Obergeschoßes und der Zimmer durchaus gestattet. Es konnte nicht festgestellt werden, dass im Bereich der Garderobe eine Tafel angebracht war mit der Aufschrift "Bitte keine Schuhe". Die Klägerin trug während ihres Aufenthaltes im Wesentlichen "Bergsandalen".

Sie verfügte selbst über kein Fahrzeug. Am 15. 10. 1997, nach dem Frühstück, wollte sie mit dem Auto eines anderen Seminarteilnehmers gemeinsam mit diesem wegfahren. Da die Klägerin nicht gleich kam, hupte dieser bereits ein oder zweimal. Auf der gegenständlichen Stiege stand zum damaligen Zeitpunkt im Bereich des Glasfensters lediglich ein Blumenstock.

Die Klägerin verließ ihr Zimmer in Socken, sie hatte eine Umhängtasche bei sich und trug noch zusätzlich zwei weitere Taschen. Sie wollte über die gegenständliche Stiege zu den vor der Pension wartenden anderen Seminarteilnehmern gehen. Sie benützte die Stiege in ihrer Gehrichtung linksseitig; sie kam im oberen Bereich zu Sturz und stürzte in weiterer Folge die gesamte Stiege hinunter und wurde dabei schwer verletzt. Zu diesem Zeitpunkt war es im Bereich der Stiege nicht mehr finster.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass im gegenständlichen Fall für das Anwesen der Beklagten im Jahre 1997 die Benützungsbewilligung erteilt worden sei, woraus sich ergebe, dass die im Jahre 1974 errichtete Stiege den Vorschriften der Bauordnung für NÖ auch entsprochen habe. Die Stiege habe die entsprechenden Höhen- und Tiefenausmaße und sei auch mit einem Handlauf versehen, wenngleich dieser etwas verkürzt sei und fast 31 cm nach Beginn der Stiege in Gehrichtung der Klägerin beginne. Die Stiege sei auch nicht rutschig oder feucht oder eingelassen oder gewachst gewesen. Dass die Klägerin aufgrund des Umstandes, dass sie ihre Hände nicht frei hatte, zu Sturz kam, könne den Beklagten nicht als Verschulden angelastet werden und liege kein Verstoß gegen keine Verkehrssicherungspflicht vor.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Das Berufungsgericht meinte, es sei nicht entscheidungswesentlich, ob die Pensionsgäste ersucht worden seien, die schmutzigen Schuhe abzustellen oder ob es ein Schild mit dem Hinweis "Bitte Schuhe ausziehen" gegeben habe. Es sei nämlich den Beklagten keine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht bzw auch keine Verletzung des Gastaufnahmevertrages anzulasten. Die Beklagten hätten die Treppe bereits im Jahre 1974 errichten lassen, die einzelnen Stufen seien durch Gummikanten rutschfest ausgestaltet. Die Treppe werde auch durch einen Handlauf gesichert. Es entspreche auch den üblichen Gepflogenheiten in Privatquartieren, die Gäste zu ersuchen, die Wohnräume nicht mit verschmutzten Schuhen zu betreten. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die Zweitbeklagte schriftlich oder mündlich ihre Gäste ersucht habe, die verschmutzten Schuhe abzustellen, jedenfalls hätte die Klägerin mit dieser Hausordnung zu rechnen gehabt, dies umso mehr, als sie sich bereits zum zweiten Mal im Haus der Beklagten aufgehalten habe.

Die von der Klägerin zitierte NÖ Bautechnikverordnung 1997 sei zwar ein Schutzgesetz, komme aber deshalb nicht zum Tragen, weil sie erst am 24. 10. 1997, also erst nach dem Unfall, kundgemacht worden sei. Es bestehe theoretisch die Möglichkeit, dass die Treppe gegen ein damals in Geltung stehendes Schutzgesetz, wie etwa die NÖ Bauordnung, verstoßen habe. Um dies zu überprüfen, wäre das Gutachten eines Sachverständigen erforderlich, wie dies die Klägerin auch beantragt habe. Allerdings könnte ein derartiger Verstoß gegen eine Schutzvorschrift auch nicht die Haftung der Beklagten begründen. Die Verletzung eines Schutzgesetzes begründe nämlich nur dann einen Schadenersatzanspruch, wenn den Schädiger daran ein Verschulden treffe. Gemäß Paragraph 1298, ABGB hätten die Beklagten den Entlastungsbeweis zu erbringen. Dieser Beweis sei der Beklagten aber jedenfalls gelungen, gleichgültig ob objektiv gesehen eine Schutzgesetzverletzung vorgelegen sei oder nicht. Die Beklagten hätten nicht nur über eine rechtsgültige Benützungsbewilligung verfügt, sie hätten sich auch sicherheitstechnisch von der Sozialversicherung der Bauern beraten lassen. Dabei sei die Ausgestaltung der Treppe bzw de Handlaufes nicht beanstandet worden. Es würde den an durchschnittliche normtreue Landwirte gestellten Sorgfaltsmaßstab übersteigen, würde man ihnen eine allfällige Schutzgesetzverletzung zur Last legen, obwohl diese - sollte sie bestanden haben - fachkundigen Personen nicht aufgefallen sei. Es liege auf der Hand, dass bei einem Bauernhof mehr Gefahrenquellen zu erwarten seien, als in einem Hotel. Dies nehme der Gast aber in Kauf. Davon abgesehen sei den Gästen eine eigene Treppe zur Verfügung gestanden, die gefahrlos begangen werden hätte können.

Im Übrigen habe die Klägerin neben ihrer Handtasche noch zwei weitere Gepäckstücke getragen und hätte deshalb den Handlauf ohnedies nicht erfassen können. Eine allfällige Schutzgesetzverletzung wäre daher für den Unfall nicht kausal gewesen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bezüglich der Sorgfaltsanforderungen an den Schädiger bei Schutzgesetzverletzungen unterschiedliche Maßstäbe angesetzt habe (ZVR 1984/280; MietSlg 30.243; ZVR 1993/115; 1 Ob 600/93 ua) und die Lösung der Frage, ob unterschiedliche Sorgfaltsmaßstäbe an Landwirte, die auch Gäste beherbergten und Gewerbebetriebe, die ausschließlich der Fremdenbeherbergung gewidmet seien, gerechtfertigt seien, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht - wie im Folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, sie ist im Sinne ihres Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.

Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, dass sich sowohl aus der Niederösterreichischen Bautechnikverordnung 1997 als auch aus der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 ergebe, dass die Stiege nicht den Anforderungen entspreche. So lege die NÖ Bauordnung 1976 fest, dass entlang von Stiegenläufen mit einer Stufenlänge von mehr als 2 m und bei gewendelten Stiegen an beiden Seiten Anhaltestangen vorhanden sein müssten. Auch die NÖ Bautechnikverordnung 1997 lege im Paragraph 24, fest, dass Handläufe bei Stiegen mit mehr als vier Stufen angebracht werden müssten und dass diese Handläufe so ausgeführt sein müssten, dass sie sicher benützt werden könnten. Bei der gegenständlichen Stiege befinde sich aber außen kein Handlauf und sei der innenliegende Handlauf nicht griffsicher, weil er erst 23 cm unterhalb des Geländers beginne und sich daher der jeweilige Benützer etwa einen halben Meter nach vorne lehnen müsse, um diesen zu erreichen. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass bei der Abgrenzung der aus einer vertraglichen Sonderverbindung entspringenden Schutz- und Sorgfaltspflichten die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, also auch die NÖ Bauordnung 1976 und auch die Bautechnikverordnung 1997, dahingehend bedeutsam seien, als eine Anpassung an den Stand der Technik erforderlich sei. Durch diese Vorschriften werde der Mindeststandard der dem Verantwortlichen obliegenden Sicherheitsvorkehrungen umrissen. Anlässlich des Inkrafttretens der NÖ Bautechnikverordnung 1997 hätten die Beklagten die Pflicht gehabt, ihren Betrieb bezüglich der Entsprechung an diese Verordnung überprüfen zu lassen. Die sei aber nicht geschehen.

Weiters liege ein sekundärer Feststellungsmangel vor, weil es die Vorinstanzen unterlassen hätten, präzisere Feststellungen über den Unfallhergang zu treffen. Es sei nicht festgestellt worden, aus welchem Grund die Klägerin gestürzt sei. Dies habe seine Ursache darin, dass das Stiegengeländer derart unglücklich konstruiert sei, dass eine Person gezwungen sei, sich vorzulehnen und sich dadurch natürlich ein unsicherer Stand der Beine ergebe.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Bei einem Gastaufnahmevertrag handelt es sich um einen gemischten Vertrag. Dabei treffen den Gast- oder Pensionswirt den nach dem Vertrag unterzubringenden Personen gegenüber besondere Schutz- und Sorgfaltspflichten, vor allem soweit es um Gefahrenquellen geht, die mit der Beschaffenheit der Unterkunft im Zusammenhang stehen und nicht ohnedies für jedermann leicht erkennbar sind. Demnach hat der Gast- bzw Pensionswirt dafür Sorge zu tragen, dass der Gast infolge solcher Gefahrenquellen, die mit der Unterkunft, deren Beschaffenheit bzw der Art des Gebrauchs im Zusammenhang stehen, keinen Schaden erleidet. Für die infolge Vernachlässigung dieser Pflichten an der Person des Gastes verursachten Schäden hat der Gastwirt einzustehen.

Bei der Abgrenzung der aus einer vertraglichen Sonderverbindung entspringenden Schutz- und Sorgfaltspflichten sind die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die von den Verwaltungsbehörden erteilten Bewilligungen bedeutsam. Durch diese werden im Einzelfall die Grenzen der verkehrsüblichen und vom Erwartungshorizont der Beteiligtenkreise als zumutbar umfassten Anforderungen aber nicht schlechthin abgesteckt, sondern wird vielmehr lediglich der Mindeststandard der dem Verantwortlichen obliegenden Sicherheitsvorkehrungen umrissen (SZ 66/179). Dabei kann den Hauseigentümer eine einmal erteilte Benützungsbewilligung nicht für allemal entschuldigen (MietSlg 30.243), sondern hat er die bauliche Sicherheit laufend zu überprüfen und die Baulichkeiten dem Ergebnis der Kontrolle entsprechend einwandfrei instandzusetzen und ganz allgemein den für die körperliche Sicherheit der Gäste maßgeblichen, nach einschlägigen Gesetzen und anderen Vorschriften, aber auch nach dem jeweiligen Stand der Technik geltenden Mindeststandard durch ihm zumutbare Verbesserungsarbeiten einzuhalten. Dieser Mindeststandard ist herzustellen, soferne die Vorschriften die Sicherheitsanforderungen verschärfen (SZ 66/179).

Es ist daher zu prüfen, ob zum Zeitpunkt des Unfalls die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten wurden. Wie das Berufungsgericht dazu zutreffend ausgeführt hat, war zum Zeitpunkt des Unfalls die NÖ Bautechnikverordnung 1997 (NÖ BTV 1997) noch nicht in Kraft. Diese wurde nämlich erst am 24. 10. 1997 und am 1. 8. 1998 kundgemacht (siehe hiezu Hauer/Zaussinger/Kraemmer, Niederösterreichisches Baurecht6, 645).

Wohl aber war zum Zeitpunkt des Unfalls die NÖ Bautechnikverordnung 1996 (NÖ BTV 1996) bereits in Kraft. Diese bestimmt in ihrem Paragraph 34,, dass Handläufe bei Stiegen mit mehr als 4 Stufen angebracht werden müssen

1. jedenfalls an einer Seite und

2. bei Stiegen mit einer Durchgangsbreite von mehr als 1,50 m an beiden Seiten.

Gemäß Paragraph 34, Absatz 2, leg cit müssen Handläufe fest und griffsicher sein und so hoch angebracht werden, dass sie bequem und sicher benützt werden können. Jedenfalls dieser Bestimmung entsprach der an der gegenständlichen Stiege angebrachte Handlauf nicht. Er ist nämlich am oberen Ende der Stiege nicht so hoch angebracht, dass er bequem und sicher benützt werden kann, weil der Benützer der Stiege nicht die Möglichkeit hat, sich bereits ab der ersten Stufe daran bequem anzuhalten. Unabhängig von der Frage, ob auch ein zweiter Handlauf anzubringen gewesen wäre, ist daher den Beklagten eine Verletzung eines Schutzgesetzes anzulasten. Wie schon oben ausgeführt, exkulpiert die Beklagten auch nicht die im Jahre 1977 erteilte Benützungsbewilligung, es entschuldigt sie auch nicht die Überprüfung durch die Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Vielmehr hätten sie aus Eigenem dafür Sorge tragen müssen, dass die baulichen Maßnahmen den jeweiligen Mindeststandards entsprechen.

Auch aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung MietSlg 30.243 ergibt sich nichts anderes, diese betrifft nämlich nicht die Verletzung gesetzlicher oder verordneter Mindeststandards.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes steht jetzt nicht schon fest, dass die Verletzung des Schutzgesetzes nicht für den Unfall der Klägerin kausal war. Die Klägerin hat nämlich dazu vorgebracht, sie habe am Treppenabsatz nach dem Geländer greifen wollen, als sie trotz größter Vorsicht ausrutschte (AS 3). Es ist daher durchaus möglich, dass die Klägerin gerade wegen der Schutzgesetzverletzung zu Sturz kam. Aus dem Umstand, dass die Klägerin eine Umhängetasche bei sich hatte und zusätzlich zwei weitere Taschen trug, ergibt sich nicht zwingend, dass sie nicht doch versuchte, nach dem Handlauf zu greifen und infolge seiner schutzgesetzwidrigen Beschaffenheit über die Treppe stürzte. Diesbezüglich sind die Feststellungen des Erstgerichtes aber noch nicht ausreichend, um die Frage der Kausalität zwischen Schutzgesetzverletzung und Unfall der Klägerin beurteilen zu können.

Allerdings sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass, selbst im Anwendungsbereich des Paragraph 1298, ABGB, den Geschädigten die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrig schädigenden Handlung und seinem Schaden trifft (3 Ob 18/00v). Gerade in dieser Frage findet der Beweis des ersten Anscheins Anwendung. Dieser beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es eher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartig gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist. Der Gegner kann diesen dann damit entkräften, dass er eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufes als den typischen aufzeigt (3 Ob 18/00v mwN). Wenngleich typischerweise ein exakter Beweis über die Schadensverursachung schwer zu erbringen ist, ist ein Geschehensablauf, wie ihn die Klägerin behauptet hat, nicht typisch. Es entspricht nämlich keineswegs einem Erfahrungssatz, dass eine mit zwei Taschen und einer Umhängetasche beladene Person sich beim Benützen einer Stiege nach vorne beugt, um den weiter unten befindlichen Handlauf zu erfassen und dadurch zum Sturz kommt. Erst wenn die Klägerin beweist, dass sie üblicherweise Handläufe benutzt und das auch im vorliegenden Fall trotz des Tragens zweier Taschen getan hätte, kommt ihr für den weiteren Kausalverlauf der Beweis des ersten Anscheins zugute.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher das Erstgericht ergänzende Feststellungen über den Unfallshergang und dessen Ursachen zu treffen haben. Weiters wird allenfalls zu prüfen sein, ob iSd Paragraph 34, NÖ BTV 1996 an beiden Seiten Handläufe anzubringen waren und ob eine Verletzung dieses Schutzgesetzes für den Schaden kausal war. Erst danach wird die Frage der Ersatzpflicht der beklagten Parteien zu beurteilen sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.