Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

09.11.1999

Geschäftszahl

5Ob283/99z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt S*****, vertreten durch Dr. Maria Th. Unterlercher, Rechtsanwältin in Reutte, wider die beklagte Partei Wohnungseigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ *****, vertreten durch Dr. Erwin Köll, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 81.856,40 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Mai 1999, GZ 3 R 132/99d-10, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Reutte vom 22. März 1999, GZ 3 C 23/99f-6, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger ist zu 96/288-Anteilen, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung W 2 und an der Garage W 6 verbunden ist, Miteigentümer einer Liegenschaft. Die insgesamt vier Wohnungseigentümer haben die Vereinbarung getroffen, dass sie die Schneeräumung der Allgemeinflächen der Liegenschaft selbst vornehmen, wobei jeder Miteigentümer laut Schneeräumungsplan für jeweils eine Woche die Schneeräumung durchzuführen hat. Am 8. 2. 1998 kam der Kläger auf der Liegenschaft zu Sturz und verletzte sich dabei. Er forderte von der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Abgeltung seiner durch den Sturz verursachten Schmerzen und sonstigen Schäden die Bezahlung von insgesamt S 81.856,40 sA und brachte hiezu vor, dass eine bestimmte Wohnungseigentümerin in der Woche, in der der Unfall passiert sei, für den Schneeräum- und Streudienst zuständig gewesen sei; tatsächlich habe diese jedoch keinerlei Streuung durchgeführt, sodass der Kläger auf einem vereisten Wegstück gestürzt sei.

Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft wendete die mangelnde Passivlegitimation ein, weil der vom Kläger geltend gemachte deliktische Schadenersatzanspruch nicht unter den Liegenschaftsverwaltungsbegriff des Paragraph 13 c, WEG fallen würde. Zudem sei die Beklagte ihrer Streupflicht nachgekommen; den Kläger treffe jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden am Unfall; letztlich seien die geltend gemachten Schmerzengeldansprüche nicht unfallskausal und überhöht.

Das Erstgericht verneinte die Passivlegitimation der Beklagten und wies das Klagebegehren ab. Es führte hiezu aus, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nur in Angelegenheiten der Verwaltung geklagt werden könne; hingegen könnten deliktische Schadenersatzansprüche gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft als Rechtsperson nicht geltend gemacht werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof - mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung - zulässig sei, und vertrat zusammenfassend folgende Auffassung:

Im vorliegenden Fall habe die vom Kläger geltend gemachte Forderung ihre Grundlage in der Nichteinhaltung von Verpflichtungen eines Wohnungseigentümers, die aus einem vertragsähnlichen Verhältnis sämtlicher Wohnungseigentümer (Hausordnung) resultierten, sodass mit der Unterlassung der Schneeräumung jedenfalls eine ausreichende Nähe zur Verwaltungshandlung im Sinne des Paragraph 13 c, WEG bestehe. Der Kläger sei sohin grundsätzlich berechtigt, seine Ansprüche gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend zu machen. Das Erstgericht habe bislang keine Feststellungen zu den genauen Umständen des Schadenseintritts und der Schadenshöhe getroffen, sodass das erstinstanzliche Verfahren ergänzungsbedürftig geblieben sei.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte macht im wesentlichen geltend, im Falle eines nach Auffassung des Berufungsgerichts bestehenden vertragsähnlichen Verhältnisses wären die Ansprüche des Klägers gegen die die Streupflicht angeblich verletzende Vertragspartnerin zu richten gewesen; die Wohnungseigentümergemeinschaft sei nicht passivlegitimiert, weil weder vertragliche noch deliktische Schadenersatzansprüche unter die typischen Verwaltungsangelegenheiten im Sinne des Paragraph 13 c, WEG fielen; dem würde auch die Haftungsbegrenzung und die Ausfallshaftung gemäß Paragraph 13 c, Absatz 2, WEG widersprechen; einen Miteigentümer könne die Gemeinschaft keinesfalls in Anspruch nehmen.

Hiezu wurde erwogen:

Die durch das 3. WÄG neugeschaffene Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß Paragraph 13 c, WEG besitzt (Quasi-)Rechtspersönlichkeit nur in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft, worunter Maßnahmen der Geschäftsführung zu verstehen sind; außerhalb dieses Geschäftskreises kann sie weder Rechte erwerben noch Verbindlichkeiten eingehen (5 Ob 230/97b = MietSlg 49.509 = WoBl 1998, 308/201 [Call]; 5 Ob 30/99w; RIS-Justiz RS0108020).

Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger von der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft Schadenersatz, weil er auf dem trotz Vereisung ungestreuten Weg zwischen Garage und Haustüre zu Sturz gekommen sei. Ob wegen der von allen Wohnungseigentümern über die von ihnen abwechselnd selbst vorzunehmende Schneeräumung getroffenen Vereinbarung zwischen ihnen insoweit ein vertragsähnliches Verhältnis anzunehmen wäre, kann auf sich beruhen, weil der Kläger nicht die seinem Vorbringen nach mit der Streuung säumige Wohnungseigentümerin in Anspruch genommen hat. Was deliktische Ansprüche anlangt, wurde ein Vorbringen, das auf einen Anwendungsfall des Paragraph 93, StVO hindeuten würde, nicht erstattet. In Frage käme allerdings die Wegehalterhaftung des Paragraph 1319 a, ABGB. Ob die Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß Paragraph 13 c, WEG eine solche Haftung treffen kann, musste in 5 Ob 2023/96b = WoBl 1997, 236/95 (Niedermayr) nicht näher untersucht werden, weil die damalige Rechtsmittelwerberin nicht dadurch beschwert war, dass die Vorinstanzen die Passivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft bejaht hatten.

Bei der Beantwortung dieser Frage ist davon auszugehen, dass nach herrschender Ansicht als Halter eines Weges im Sinne des Paragraph 1319 a, ABGB derjenige gilt, der die Kosten für die Errichtung und/oder Erhaltung des Weges trägt, sowie die Verfügungsmacht hat, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen; zur Erhaltung des Weges gehört auch der Winterdienst, insbesondere die Streupflicht (jüngst 2 Ob 78/99f mwN; 2 Ob 154/99g; RIS-Justiz RS0030011; Harrer in Schwimann2 Paragraph 1319 a, ABGB Rz 10, 18, 19; vergleiche Reischauer in Rummel2 Paragraph 1319, ABGB Rz 8). Dass die Veranlassung des Winterdienstes zur Verwaltung einer Liegenschaft zählt, liegt auf der Hand. Es besteht daher kein Grund, eine entsprechende Deliktshaftung der Wohnungseigentümergemeinschaft von vornherein auszuschließen (anders im Fall einer Dachlawine LG Salzburg WoBl 1996, 217/78 mit ablehnender Glosse von Niedermayr; kritisch auch Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft 78; vergleiche weiters Call zu WoBl 1998, 309/202; Prader, Neues zur Wohnungseigentümergemeinschaft, RdW 1999, 644 [647]). Gegen die Passivlegitimation der Gemeinschaft spricht auch nicht, dass der Geschädigte im konkreten Fall der Gemeinschaft selbst angehört und von einem gegen diese ergehenden Exekutionstitel im Hinblick auf Paragraph 13 c, Absatz 2, WEG wirtschaftlich mitbetroffen wäre; dieser Aspekt vermag - wie auch bei vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen - an der Sachlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft als Wegehalterin nichts zu ändern.

Schließlich ist noch zu bemerken, dass Wohnungseigentümer, die wie hier den Winterdienst abwechselnd selbst besorgen, zu den "Leuten" des Halters im Sinne des Paragraph 1319 a, ABGB zu zählen sind; selbständigen Unternehmern mit eigenem Organisations- und Verantwortungsbereich vergleiche RIS-Justiz RS0029995; Harrer aaO Rz 13 mwN; Reischauer aaO Rz 12 mwN) können sie nicht gleichgestellt werden.

Das Berufungsgericht hat die Rechtsfrage somit im Ergebnis richtig gelöst. Da es bei seinem Aufhebungsbeschluss zu bleiben hat, war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 52, ZPO.