Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

09.07.1997

Geschäftszahl

9Ob208/97x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer, Dr.Danzl und Dr.Hradil als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 21. November 1982 geborenen Oliver G*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 21. Bezirk als Unterhaltssachwalter, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29.April 1997, GZ 44 R 161/97w-28, womit infolge Rekurses des Vaters Franz G*****, der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 17.Februar 1997, GZ 16 P 1194/95s-25, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der im Umfang der teilweisen Zurückweisung des Rekurses des Vaters sowie hinsichtlich des Zuspruches eines Sonderbedarfs als unangefochten unberührt bleibt, wird hinsichtlich der Abweisung der begehrten Unterhaltserhöhung ab 1.11.1996 aufgehoben. In diesem Umfang wird auch die erstgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache an dieses zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Beschlußfassung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Mit Scheidungsvergleich vom 10.6.1986 verpflichtete sich der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.000,-- für den Minderjährigen. Der Unterhaltssachwalter beantragte am 9.8.1996, den Vater ab 8.7.1996 zu einem monatlichen Unterhaltsmehrbetrag von S 1.100,--, insgesamt somit zu S 3.100,-- monatlich zu verhalten. Die bisherige Alimentation reiche nicht aus, um die altersgemäßen Bedürfnisse des Minderjährigen zu decken. Der Vater, den keine weiteren Sorgepflichten treffen, verdiene als Maler- und Anstreichergeselle monatlich S 15.582,--.

Der unterhaltspflichtige Vater erklärte sich grundsätzlich mit einer Erhöhung des Unterhaltsbeitrages auf monatlich S 2.500,-- einverstanden, zu einer Mehrleistung (S 600,-- monatlich) sei er jedoch nicht imstande. Er habe schon bisher einen höheren als den im Vergleich geregelten Unterhalt geleistet, obwohl er arbeitslos gewesen sei und daher nur über ein geringeres Einkommen verfügt habe. Er sei mit Sicherheit ab Herbst 1996 wieder arbeitslos, wobei es sich um eine saisonbedingte Arbeitslosigkeit handle (AS 27).

Das Erstgericht erkannte den unterhaltspflichtigen Vater für schuldig, ab 8.7.1996 zum Unterhalt des minderjährigen Oliver zusätzlich zum bisherigen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.000,-- weitere S 1.100,--, insgesamt S 3.100,-- monatlich zu zahlen. Es ging dabei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Minderjährige befindet sich in Pflege und Erziehung bei der Mutter und ist einkommens- sowie vermögenslos. Der Vater bezog seit 18.1.1993 Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe, zuletzt in Höhe von S 198,30 täglich. In der Zeit vom 8.7.1996 bis 18.10.1996 war der Vater als Malergeselle mit einem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen von S 15.582,-- (einschließlich anteiliger Sonderzahlungen) beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde am 18.10.1996 wegen Arbeitsmangels aufgelöst (ob einvernehmlich oder infolge Kündigung durch den Vater, erachtete das Erstgericht für nicht wesentlich).

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht, daß der Vater seiner Verpflichtung, alle seine Kräfte einzusetzen, um dem unterhaltsberechtigten Kind einen angemessenen Unterhalt zu leisten, nicht nachgekommen sei. Da er trotz jahrelanger Arbeitslosigkeit einen höheren Unterhalt geleistet habe, als den daraus zu erwartenden Einkommensverhältnissen entspreche, müsse angenommen werden, daß der Vater nicht nur kurzfristig, sondern dauernd in der Lage gewesen sei, einer Arbeit als Malergeselle nachzugehen und ein laufendes Einkommen von monatlich S 15.500,-- netto zu erzielen. Die Aufnahme einer Arbeit, deren Befristung dem Vater schon vorher bekannt gewesen sei, entbinde ihn nicht von der Verpflichtung, einem möglichen dauerhaften Erwerb nachzugehen.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs des Vaters, soweit eine Herabsetzung für die Zeit vom 1.11.1996 bis 28.2.1997 begehrt wurde, unangefochten zurück, bestätigte den angefochtenen Beschluß hinsichtlich des Zuspruches eines Sonderbedarfes und wies den Antrag auf Erhöhung der monatlichen Unterhaltsleistung ab 1.11.1996 ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß die Erhöhung des Unterhalts wohl für den Zeitraum der Beschäftigung des unterhaltspflichtigen Vaters berechtigt sei. Im übrigen sei es jedoch lebensfremd, anzunehmen, daß der Vater während einer saisonbedingten Winterarbeitslosigkeit, die im Zeitpunkt der Beschlußfassung durch das Erstgericht noch angedauert habe, einen Ersatzarbeitsplatz als Maler und Anstreicher finden könne. Für die Zeit ab dem Verlust des Arbeitsplatzes könne der Vater daher zu Unterhaltsleistungen nur auf der Basis des bezogenen Arbeitslosengeldes herangezogen werden, welches eine Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbetrages über S 2.000,-- jedoch nicht zulasse. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der in Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG genannten Qualität nicht zulässig.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Umfang eines in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist der OGH an den Ausspruch des Rekursgerichts nicht gebunden (EFSlg 79.648 mwN); ein Revisionsrekurs ist insbesondere dann zulässig, wenn der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichtes ein in wesentlichen Punkten unvollständiger Sachverhalt zugrundeliegt, der zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit einer Ergänzung bedarf (EFSlg 79.649). Im hier vorliegenden Fall geht das Rekursgericht von einer - die Leistungsfähigkeit des Vaters einschränkenden - Saisonarbeitslosigkeit aus. Dies entspricht wohl dem schon im Verfahren erster Instanz vom Vater erstatteten Vorbringen, doch wurden hiezu weder Feststellungen getroffen, noch ist es notorisch, daß Maler und Anstreicher generell von einer Winterarbeitslosigkeit betroffen sind. Auf diesen Umstand weist der Unterhaltssachwalter in seinem Revisionsrekurs ausreichend erkennbar hin.

Für eine abschließende Beurteilung bedarf es daher Feststellungen darüber, ob und in welchem zeitlichen Umfang die Berufssparte des unterhaltspflichtigen Vaters von einer Winterarbeitslosigkeit betroffen ist. Sollte ein saisonbedingter Auftrags- und Arbeitsrückgang nur den Betrieb betreffen, in dem der Vater zuletzt gearbeitet hat, wird festzustellen sein, ob und welche Bemühungen der Vater unternommen bzw verabsäumt hat, um einen Ersatzarbeitsplatz zu finden, da auch bei Anwendung des Anspannungsgrundsatzes auf die schuldhafte Unterlassung der Wahrnehmung realer Erwerbschancen abzustellen ist (SZ 63/74; EFSlg 77.076, 77.108; Schwimann in Schwimann ABGB**2 Rz 60 f zu Paragraph 140, ABGB).

Die Notwendigkeit der Klärung dieser Fragen bedingt sowohl die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses in seinem abweisenden Teil als auch des - in diesem Umfang - stattgebenden Teils des Beschlusses des Erstgerichtes.