Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

25.01.1994

Geschäftszahl

1Ob502/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Armin B*****, geboren ***** vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Gmünd-Jugendamt als besonderer Sachwalter, infolge Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems/D. als Rekursgerichtes vom 3. November 1993, GZ 2 R 168/93-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gmünd vom 5. Mai 1993, GZ P 323/92-11, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens, den Vater zur Gänze von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem mj. Armin B***** für die Zeit vom 30.6.1993 bis 30.6.1994 zu entheben, als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleiben, werden im übrigen, also insoweit eine Herabsetzung des vom Vater monatlich zu leistenden Unterhalts auf S 2.000,-- monatlich erfolgte, aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der 12jährige Armin B***** ist der eheliche Sohn der Kornelia B***** und des Adolf B*****, deren Ehe mit Beschluß des Bezirksgerichtes Gmünd vom 12.2.1985 einvernehmlich geschieden wurde. Die Obsorge für den Minderjährigen kommt der Mutter zu, in deren Haushalt er betreut wird. Aufgrund einer zwischen der Bezirkshauptmannschaft Gmünd als besonderem Sachwalter und dem Vater abgeschlossenen Vereinbarung war dieser zuletzt zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von S 2.800,-- verpflichtet. Am 30.4.1992 hat sich Adolf B***** wieder verehelicht. Dieser Ehe entstammt der am ***** geborene Sebastian B*****. Aufgrund der Geburt dieses Kindes befand sich die nunmehrige Gattin des Adolf B***** bis Ende Juni 1993 im Karenzurlaub. Mit Bescheid der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13.11.1992 wurde dem Vater für die Zeit vom 28.6.1993 bis 30.6.1994 Karenzurlaub gewährt. Die Höhe des vom Vater bezogenen Karenzurlaubsgeldes beträgt monatlich S 5.770,50.

Der Vater beantragte, ihn für die Zeit vom 30.6.1993 bis 30.6.1994 von seiner Unterhaltsverpflichtung hinsichtlich Armin B***** zu entheben. Er brachte hiezu vor, daß er mit seiner Gattin vereinbart habe, die gesetzliche Möglichkeit zu nutzen und das zweite Karenzjahr in Anspruch zu nehmen. Seine Gattin sei Pflichtsschullehrerin, sie werde mit Ende der Sommerferien (1993) eine Berufstätigkeit aufnehmen. Ob sie während der Sommerferien Kurse besuchen müsse, stünde noch nicht fest. In Anbetracht des von ihm bezogenen Karenzgeldes sei er nicht in der Lage, für Armin B***** für die Zeit vom 30.6.1993 bis 30.6.1994 Unterhalt zu leisten.

Der Minderjährige stimmte dem Enthebungsantrag des Vaters nicht zu. Dessen freiwilliger Verzicht auf die Berufstätigkeit dürfe dem unterhaltsberechtigten Kind nicht zum Nachteil gereichen.

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters zur Gänze ab. Es ging davon aus, daß der Vater zuletzt ein monatliches Nettoeinkommen von S 20.554,-- erzielt habe. Es sei am Vater gelegen, seine Lebensverhältnisse so zu gestalten, daß er seinen Pflichten gegenüber beiden Kindern angemessen nachkommen könne. Es gehe nicht an, daß der Vater dem Kind aus der Vorehe den Geldunterhalt unter Berufung auf die Einkommenslosigkeit verwehre, das Kind aus zweiter Ehe aber die vollständige Betreuung durch den Vater genieße. Unter Bedachtnahme auf ein fiktives monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von S 20.554,-- sowie auf die fiktive teilweise Sorgepflicht für die nunmehrige Ehegattin, falls diese das zweite Karenzjahr in Anspruch genommen hätte, und auf die weitere Sorgepflicht für den mj. S***** sei der Vater in der Lage, den vereinbarten Unterhaltsbeitrag zu leisten.

In dem von ihm dagegen erhobenen Rekurs führte der Vater aus, daß ihm die Möglichkeit nicht genommen werden dürfe, Karenzurlaub in Anspruch zu nehmen; er könne berücksichtigungswürdige Gründe für die Inanspruchnahme des Karenzurlaubs ins Treffen führen, zu deren Vorbringen ihn das Erstgericht hätte anleiten müssen. Als solche Gründe machte er im Rekurs geltend, daß seine Ehegattin zur Erlangung eines „ortsdefinitiven“ Dienstpostens an der Hauptschule in Vitis wieder ihre Tätigkeit als Hauptschullehrerin aufnehmen müsse; vor dem Karenzurlaub sei sie als „Springerin“ im gesamten Bezirk Waidhofen/Thaya eingesetzt gewesen.

Das Rekursgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, daß der vom Vater zu leistende monatliche Unterhaltsbeitrag von S 2.800,-- für die Zeit vom 1.7.1993 bis 30.6.1994 auf S 2.000,-- monatlich herabgesetzt wurde, das darüber hinausgehende Mehrbegehren des Vaters, ihn zur Gänze von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem mj. Armin B***** für die Zeit vom 30.6.1993 bis 30.6.1994 zu entheben, wies es ab. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt.

Das Rekursgericht ging davon aus, daß es grundsätzlich auch dem in Geld unterhaltspflichtigen Elternteil erlaubt sein müsse, die ihm vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit eines Karenzurlaubes zu nutzen. Dadurch dürfe aber keine Benachteiligung des Kindes aus erster Ehe eintreten. Der Vater müsse seine Lebensverhältnisse so gestalten, daß ihm zumindest die Leistung eines geminderten Unterhaltsbetrages möglich sei. Die vorübergehende Aufgabe der Erwerbstätigkeit und die Übernahme der Haushaltsführung samt Betreuung des mj. S***** könnten eine gänzliche Enthebung des Vaters von seiner Unterhaltsverpflichtung nicht rechtfertigen. Bei der Bemessung des Unterhalts könne nicht von einer fiktiven Bemessungsgrundlage ausgegangen werden. Solange nicht erkennbar sei, daß der Unterhaltsschuldner den Karenzurlaub nur deshalb antrete, um Kinder in deren Unterhaltsanspruch zu beschneiden, sei die Anspannung auf das vor der Karenz erzielte Einkommen unzulässig. Der Unterhaltsbemessung sei vielmehr das Karenzurlaubsgeld, das als Einkommen zu werten sei, zugrundezulegen, weiters der Unterhaltsanspruch des Vaters gegenüber seiner Ehegattin. Dies ergebe insgesamt einen dem Vater (fiktiv) zur Verfügung stehenden Betrag von monatlich S 8.800,--, bei welchem er in der Lage sei, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.000,-- für Armin B***** zu leisten.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem erkennbaren Antrag auf Abänderung dahin, daß dem Antrag des Vaters zur Gänze nicht Folge gegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und insoweit berechtigt, als er zur Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang führt.

Mit dem Elternkarenzurlaubsgesetz in der Fassung des Karenzurlaubs-Erweiterungsgesetzes BGBl. 1990/408) hat der Gesetzgeber eine Wahlmöglichkeit der Eltern geschaffen, welcher Teil nach der Geburt eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes dessen Pflege übernehmen will. Im AB zum Karenzurlaubsgesetz (1166 BlgNR 17.GP 2) wird ausgeführt, daß der Karenzurlaub für Väter schon aus Gründen der Gleichheit und Gleichbehandlung eingeführt und ausgestaltet wurde. Beansprucht daher ein Vater einen Karenzurlaub, so tut er dies aufgrund eines ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Rechtes. Dies ändert aber nichts daran, daß dadurch, schon im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes, ein weiteres Kind, dem Unterhaltsansprüche zustehen, nicht benachteiligt werden darf. Die Verpflichtung der Eltern, gemäß õ 140 ABGB zur Deckung der Bedürfnisse des Kindes „nach ihren Kräften“ beizutragen, wird durch die Inanspruchnahme eines Karenzurlaubes nicht gemindert. Der Verzicht auf die Erzielung eines höheren Einkommens, der nicht durch besondere berücksichtigungswürdige Umstände erzwungen ist, darf nicht zu Lasten eines Unterhaltsberechtigten gehen (ÖAV 1992, 21; RZ 1992/24; Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 259).

Entgegen der Ansicht des Vaters stellt es trotz der aus Gründen der Gleichheit und Gleichbehandlung mit dem Elternkarenzurlaubsgesetz geschaffenen Wahlmöglichkeit der Eltern, welcher Teil die Pflege nach der Geburt eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes übernehmen will, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit und Gleichbehandlung von Mann und Frau dar, wenn wegen bestehender (weiterer Unterhalts-)Verpflichtungen der Karenzurlaub nicht in Anspruch genommen werden darf (JBl. 1993, 243; EFSgl. 65.240; RZ 1992/24).

Die im Gesetz vorgesehene Anspannung eines Unterhaltspflichtigen greift immer dann Platz, wenn dem Unterhaltspflichtigen die Erzielung eines höheren als des tatsächlichen Einkommens zugemutet werden kann, die Anwendung dieses Grundsatzes ist nicht auf die Fälle bloßer Arbeitsunwilligkeit beschränkt. Je umfangreicher die Sorgepflichten sind, desto strengere Anforderungen sind an die Anspannung des Unterhaltspflichtigen zu stellen (RZ 1992/24). Auch der geschiedene eheliche Vater darf Änderungen in seinen Lebensverhältnissen, die mit einer Einschränkung seiner Unterhaltspflicht verbunden wären, nur insoweit vornehmen, als dies bei gleicher Sachlage auch ein pflichtbewußter Familienvater in aufrechter Ehe getan hätte (RZ 1991/70; SZ 63/74 uva).

All dies bedeutet, daß der Verzicht des Vaters auf die Erzielung eines möglichen höheren Einkommens während des von ihm in Anspruch genommenen Karenzurlaubs den Unterhalt seines Kindes aus erster Ehe nicht schmälern darf, außer es rechtfertigen besondere Gründe eine solche Maßnahme. Solche besonderen Gründe hat der Vater im Verfahren vor dem Erstgericht nicht konkret vorgebracht. Er hat lediglich darauf verwiesen, daß seine nunmehrige Ehegattin Lehrerin sei, das erste Karenzjahr in Anspruch genommen habe, und die Ehegatten nunmehr vereinbart hätten, daß der Vater das zweite Karenzjahr in Anspruch nehme. Da der Vater anwaltlich nicht vertreten war und der besondere Sachwalter mit Schreiben vom 14.4.1993, GZ P 323/92-7, auf den Umstand verwies, daß der Vater keine Gründe vorgebracht habe, die eine Unterhaltsenthebung rechtfertigten, hätte das Erstgericht den Vater befragen müssen, ob und bejahendenfalls welche besonderen Gründe für die Inanspruchnahme eines Karenzjahres durch ihn gegeben seien. Der Vater hat im Rekursverfahren die mangelnde Manuduktion im aufgezeigten Sinne ausdrücklich gerügt und als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht. Das Rekursgericht ist infolge seiner, vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht, ein Kind müsse bei Inanspruchnahme des Karenzurlaubes durch einen Unterhaltspflichtigen eine Kürzung von Unterhaltsbeiträgen jedenfalls in Kauf nehmen, hierauf nicht weiter eingegangen. Die vom Vater in seinem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß genannten Gründe wären grundsätzlich geeignet, die Inanspruchnahme eines Karenzurlaubs durch ihn zu rechtfertigen; ob sie zutreffen, wird das Erstgericht zu klären haben.