Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

29.06.1993

Geschäftszahl

4Ob64/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Ewald Weiß, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 2.April 1993, GZ 3 R 30/93-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 21.Jänner 1993, GZ 37 Cg 39/93a-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Der Antrag der klagenden Partei, zur Sicherung des von ihr geltend gemachten Anspruches auf Unterlassung wettbewerbswidriger Ankündigungen der beklagten Partei ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteilsspruches zu gebieten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes unentgeltliche Zugaben zu den von der beklagten Partei vertriebenen periodischen Druckschriften, insbesondere der Wochenzeitung 'Die Ganze Woche' oder der Tageszeitung 'täglich Alles', insbesondere in Form der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel, insbesondere an einem Banknotennummer-Gewinnspiel, bei welchem für Banknoten, die eine der veröffentlichten Banknotennummern aufweisen, der hundertfache Betrage des Nominalwertes der Banknote als Gewinn ausgezahlt wird, anzukündigen, wenn durch die Ankündigung irreführend der Eindruck erweckt wird, der Wert der Zugaben, insbesondere der Gesamtwert der ausgespielten Preise oder die Gewinnchance des einzelnen Teilnehmers, sei höher als er tatsächlich ist, insbesondere, wenn dieser Eindruck erweckt wird durch Ankündigungen wie 'Wir machen das Hundertfache aus Ihren Banknoten' oder 'Wir machen das Hundertfache aus Ihren Banknoten - 80 neue große Chancen' oder 'Verhundertfachen Sie Ihr Geld - 'Die Ganze Woche' zahlt Ihnen den hundertfachen Wert Ihrer Banknoten aus' oder 'Sie können 'Die Ganze Woche' lang alle Geldscheine, die durch Ihre Hände gehen, in Ruhe prüfen und damit den Wert einer Banknote verhundertfachen', wenn tatsächlich für Banknoten im Wert von S 1.000 oder S 5.000 nicht das Hundertfache des Nominalwertes als Gewinn ausgezahlt wird bzw solche Banknoten nicht in das Gewinnspiel einbezogen sind, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 33.031,80 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 5.505,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die Verlegerin der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier"; die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung "täglich Alles" und der Wochenzeitung "Die Ganze Woche".

Auf der Titelseite ihrer Wochenzeitung vom 13.1.1993 brachte die Beklagte folgende Ankündigung:

Die Seiten 12 und 13 hatten folgendes Aussehen:

In "täglich Alles" vom 15.1.1993 fand sich auf Seite 7 folgende

Einschaltung:

In "täglich Alles" vom 17.1.1993 veröffentlichte die Beklagte auf

Seite 24 folgendes Inserat:

Mit der Behauptung, daß diese Ankündigungen unter Verletzung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, insbesondere des Paragraph 2, UWG, bei einem erheblichen Teil des Publikums, welches die Einbeziehung auch der Tausend- oder der Fünftausend-Schillingnoten in das Spiel erwarte, den Eindruck wesentlich größerer Gewinnchancen als der tatsächlich gebotenen hervorrufe, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unentgeltliche Zugaben zu den von ihr vertriebenen periodischen Druckschriften, insbesondere der Wochenzeitschrift "Die Ganze Woche" oder der Tageszeitung "täglich Alles", insbesondere in Form der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel, insbesondere an einem Banknotennummern-Gewinnspiel, bei dem für Banknoten, die eine der veröffentlichten Banknotennummern aufweisen, der hundertfache Betrag des Nominalwertes der Banknote als Gewinn ausgezahlt wird, anzukündigen, wenn durch die Ankündigung irreführend der Eindruck erweckt wird, der Wert der Zugaben, insbesondere der Gesamtwert der ausgespielten Preise oder die Gewinnchance des einzelnen Teilnehmers, sei höher als er tatsächlich ist, insbesondere, wenn dieser Eindruck erweckt wird durch Ankündigungen, wie "Wir machen das Hundertfache aus Ihren Banknoten" oder "Wir machen das Hundertfache aus Ihren Banknoten - 80 neue große Chancen" oder "Verhundertfachen Sie ihr Geld - 'Die Ganze Woche' zahlt Ihnen den hundertfachen Wert Ihrer Banknoten aus" oder " Sie können 'Die Ganze Woche' lang alle Geldscheine, die durch Ihre Hände gehen, in Ruhe prüfen und damit den Wert einer Banknote verhundertfachen", wenn tatsächlich für Banknoten im Wert von S 1.000 oder S 5.000 nicht das Hundertfache des Nominalwertes als Gewinn ausgezahlt wird bzw solche Banknoten nicht in das Gewinnspiel einbezogen sind.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung, ohne die Beklagte anzuhören. Ob das von der Beklagten angekündigte Gewinnspiel den Ausnahmetatbestand des Paragraph 9, a Absatz 2, Ziffer 8, UWG erfüllt, könne offen bleiben, weil auch die erlaubte Zugabe nicht mit irreführenden Angaben im Sinne des Paragraph 2, UWG angekündigt werden dürfe. Ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der Durchschnittsinteressenten habe beim Lesen der beanstandeten Ankündigung zur Ansicht kommen können, daß man auch mit einer 1.000 S- oder 5.000 S- Banknote gewinnen könne, und daß weit höhere Gewinne ausgespielt würden, als dies tatsächlich der Fall sei. Da dieser irrige Eindruck geeignet sei, den Entschluß des Durchschnittsinteressenten zum Kauf eines Exemplars der von der Beklagten verlegten Wochenzeitung zu fördern, liege ein Verstoß gegen Paragraph 2, UWG vor.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die beanstandete Ankündigung sei eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse im Sinne des Paragraph 2, UWG. Da der allgemein gehaltenen Ankündigung eine Einschränkung auf S 20-, S 50- und S 100-Banknoten nicht zu entnehmen sei, sei diese dahin zu verstehen, daß auch S 1.000- oder S 5.000- Banknoten erfaßt würden. Die Möglichkeit eines solchen wesentlich höheren Einzelgewinnes veranlasse einen nicht unbeträchtlichen Teil des angesprochenen Publikums, die entsprechende Ausgabe der Zeitschrift zu erwerben, um an Hand der im Blattinneren abgedruckten Geldscheinzahlen einen möglichen Gewinn zu ermitteln. Das Publikum nehme keine bloß marktschreierische Ankündigung an.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen werde.

Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil ein gleichartiger Sachverhalt - soweit überblickbar - noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war; er ist auch berechtigt.

Das Schwergewicht des Revisionsrekurses der Beklagten liegt in ihren Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung des Paragraph 9, a Absatz eins, Ziffer eins und Absatz 2,, letzter Satz, durch die UWG-Novelle 1993 Bundesgesetzblatt 227. Diese Bestimmung ist aber entgegen der Meinung der Beklagten nicht anzuwenden, hat doch die Klägerin - worauf sie zutreffend verweist (S. 271) - im vorliegenden Verfahren nicht die Unzulässigkeit des Gewinnspiels an sich, sondern den ihres Erachtens irreführenden Charakter der Ankündigung dieses Gewinnspiels beanstandet. Der im Revisionsrekurs enthaltenen Anregung zu einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß Artikel 140, Absatz eins,, Artikel 89, Absatz 2, B-VG, Paragraph 62, Absatz eins, VfGG kann daher hier nicht entsprochen werden. (Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang einen "Antrag" stellt [S. 169], hat sie sich offenbar im Ausdruck vergriffen, weil aus ihren sonstigen Ausführungen eindeutig hervorgeht, daß sie - der Rechtslage entsprechend - nur eine Anregung machen wollte - siehe S. 77 und Kostenverzeichnis S. 169 -, so daß kein Grund zu einer ausdrücklichen Zurückweisung dieses "Antrages" besteht.)

Die Beklagte wendet sich in ihrem Rechtsmittel (auch) gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, daß die beanstandete Ankündigung eines Gewinnspiels eine irreführende Tatsachenangabe im Sinn des Paragraph 2, UWG sei. Dem ist zuzustimmen:

Nach ständiger Rechtsprechung verstößt eine Ankündigung schon dann gegen Paragraph 2, UWG, wenn sie nach ihrem Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit einen irrigen Eindruck erwecken kann (ÖBl 1979, 94; ÖBl 1981, 159; ÖBl 1984, 70 uva). Bei Mehrdeutigkeit eines Ausdrucks muß der Ankündigende die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (ÖBl 1989, 42; ÖBl 1991, 157 uva). Wollte man diesen Maßstab an die von der Klägerin beanstandeten Ankündigungen der Beklagten in einer Schlagzeile auf der Titelseite ihrer Wochenzeitschrift und in zwei in ihrer Tageszeitung veröffentlichten Inseraten anlegen, dann müßte die Irreführungseignung gewiß bejaht werden. Bei wörtlicher Auslegung dieser Texte könnte die Ankündigung der Beklagten - im Sinne der erwähnten "Unklarheitenregel" - dahin ausgelegt werden, daß sich die Beklagte verpflichte, dem Leser ihrer Zeitungen den hundertfachen Wert jeder von ihm vorgewiesenen Banknote - welcher Währung und welchen Nominalbetrages auch immer - auszuzahlen. Einen solchen Sinngehalt mißt aber nicht einmal die Klägerin diesen Äußerungen bei. Tatsächlich wird die beanstandete Ankündigung von so gut wie niemandem in diesem Sinn aufgefaßt werden; vielmehr konnte sie vom Publikum nur als nicht wörtlich zu nehmender Hinweis auf ein Gewinnspiel der Beklagten verstanden werden, dessen Regeln erst in Erfahrung zu bringen seien. Damit war von Anfang an klar, daß der Ankündigungstext nicht wörtlich zu nehmen war. Der für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung maßgebende Gesamteindruck dieser Ankündigung weist demnach deutlich in die Richtung einer sogenannten "marktschreierischen Anpreisung". Eine solche Anpreisung liegt nach ständiger Rechtsprechung dann vor, wenn sie von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen, sondern sogleich als nicht ernst gemeinte Übertreibung aufgefaßt und damit von jedermann unschwer auf ihren tatsächlichen Gehalt zurückgeführt wird, welcher deutlich erkennbar nicht in einer ernst zu nehmenden Tatsachenbehauptung, sondern in einer ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit auftretenden reklamehaften Anpreisung liegt (ÖBl 1984, 97 mwN; ÖBl 1991, 157 ua). Eine solche Qualifikation als "marktschreierische Anpreisung" schließt aber nicht aus, daß die betreffende Ankündigung in einem bestimmten eingeschränkten Umfang als sachbezogene Aussage ernst genommen werden kann; auch Ankündigungen, die erkennbar als reklamehafte Übertreibungen verstanden werden, lassen sich nach Abzug dieses Übermaßes häufig doch noch auf einen sachlich nachweisbaren "Tatsachenkern" zurückführen, welcher durchaus ernst genommen wird und daher im Fall seiner Unrichtigkeit zur Irreführung geeignet ist (ÖBl 1984, 97 mwN). Der Tatsachenkern der hier beanstandeten Ankündigungen liegt aber bloß darin, daß die Beklagte ein Gewinnspiel veranstaltet, bei dem unter gewissen, nicht an der gleichen Stelle angegebenen Bedingungen der hundertfache Wert bestimmter Banknoten ausgezahlt wird. Mit welcher Wahrscheinlichkeit und in welcher Höhe der einzelne Spielinteressent Gewinne erzielen kann, ist dieser Ankündigung nicht zu entnehmen. Ein Vertrauen darauf, daß man einen bestimmten Höchstgewinn erlangen könne, geschweige denn mit Sicherheit erreichen werde, wird durch die beanstandete Werbeankündigung nicht erweckt. Der Tatsachenkern aber, daß nämlich ein Gewinnspiel veranstaltet wird und die näheren Bedingungen im Blattinneren der Wochenzeitschrift angeführt sind, entsprach der Wahrheit. Aus diesem Grund kann daher entgegen der Meinung der Vorinstanzen nicht angenommen werden, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil des angesprochenen Publikums den Spieleinsatz in der Höhe des Kaufpreises der Wochenzeitschrift von S 10 nur auf Grund der irrigen Annahme riskiert hat, es könne damit an einem Gewinnspiel teilnehmen, in dem der einzelne auch das Hundertfache seiner 1.000- und 5.000 S-Banknoten erzielen kann, wogegen er bei Kenntnis der genauen Spielbedingungen vom Kauf der Zeitschrift Abstand genommen hätte.

Damit unterscheidet sich aber der hier zu beurteilende Sachverhalt wesentlich von demjenigen, welcher der Entscheidung ÖBl 1990, 115 - "Das große Los" -, in welcher ein Verstoß der dort beklagten Medieninhaberin gegen Paragraph 2, UWG durch irreführende Angaben bei der Ankündigung eines Gewinnspiels bejaht wurde - zugrunde gelegen war. Auch die den Gegenstand der Entscheidung WBl 1991, 203 bildende Ankündigung konnte anders als im vorliegenden Fall vom angesprochenen Publikum durchaus ernst genommen werden.

Da die Beklagte somit keine irreführende Angabe im Sinn des Paragraph 2, UWG gemacht hat, waren die Beschlüsse der Vorinstanzen in Stattgebung des Revisionsrekurses dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen wird.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf Paragraphen 78,, 402 Absatz 4, EO, Paragraphen 41,, 50, 52 ZPO.