OGH
20.11.1990
4Ob140/90
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** Gesellschaft m.b.H., Wien 21., Holzmanngasse 3, vertreten durch Dr. Robert Siemer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei V*** Heilquellen-Verwertungsgesellschaft mbH, Wien 11., Erste Heidequerstraße 7, vertreten durch DDr. Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren:
500.000 S; Revisionsrekursinteresse: 250.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 12.Juli 1990, GZ 3 R 86/90-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 18. März 1990, GZ 18 Cg 22/90-3, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes über die Punkte a) und b) des Sicherungsantrages wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses und der Rekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsekursbeantwortung und des Rekurses endgültig selbst zu tragen.
Begründung:
Nach den Richtlinien des ÖLMB (Codex Alimentarius Austriacus),
3. Auflage, Kapitel B 17 Absatz eins,, sind "Tafelwässer" entweder "Mineralwasser (Tafelmineralwasser)" oder "Quellwasser (Tafelquellwasser)". Die Bezeichnung "Tafelwasser" ist also der Oberbegriff, welcher nicht als Sachbezeichnung verwendet wird. "Mineralwasser (Tafelmineralwasser)" ist Quell- oder Grundwasser, das nach dem Abfüllen in 1 kg Wasser wenigstens 1,0 g gelöste feste Stoffe enthält (Absatz 4,); "Quellwasser (Tafelquellwasser)" ist Quell- oder Grundwasser, das nach dem Abfüllen weniger als 1,0 g/kg gelöste Stoffe enthält (Absatz 30,). Beide Tafelwässer müssen in nativem Zustand hygienisch einwandfrei sein und dürfen keinem mikrobiologischen Aufbereitungsverfahren - wie Chlorierung, Silberung, Ozonisierung, Entkeimungsfiltration - unterzogen werden; für beide gilt als zulässige Höchstmenge von Nitrat-Ion im abgefüllten Zustand ein Grenzwert von 30 mg/kg (Absatz 20 und 33). Die Klägerin vertreibt "Mineralwasser" unter der Bezeichnung "Römerquelle"; die Beklagte vertreibt "Tafelquellwasser" unter der Bezeichnung "Vöslauer". Die Klägerin ist mit ihrem Produkt sowohl mengenmäßig (Verkauf in Litern) als auch umsatzmäßig (Verkauf in Schilling-Beträgen) mit 26 % bzw 30 % Marktführerin im österreichischen Lebensmittelhandel; auf sie folgt die Beklagte mit 21 % bzw 22 %.
Das Wasser der Klägerin enthält pro Liter 12,89 mg Natrium, 1,94 mg Kalium, 71,5 mg Magnesium, 149,7 mg Calzium und 0,46 mg Strontium; jenes der Beklagten, das insgesamt nur 639,3 bis 642 mg gelöste feste Stoffe enthält, weist pro Liter 0,06 mg Ammonium, 10,15 mg Natrium, 1,74 mg Kalium, 40,4 mg Magnesium und 97,0 mg Calzium auf. Infolge einer durch die derzeitige Ernährungssituation bedingten leichten Unterversorgung mit bestimmten Mineralstoffen, insbesondere mit Magnesium und Calzium, können Tafelwässer einen gesundheitlich bedeutungsvollen Beitrag zur Bedarfsdeckung leisten, weshalb in dieser Hinsicht Wässer mit einem hohen Gehalt an diesen Mineralstoffen gegenüber solchen mit einem geringeren Gehalt zu bevorzugen wären.
Nitrate gehören zu den unerwünschten Wasserinhaltsstoffen und können schädliche Wirkungen auf den menschlichen Organismus haben. Der Nitratgehalt des Wassers der Klägerin liegt bei 0,4 mg/l, jener des Wassers der Beklagten zwischen 4,9 und 6 mg/l. Auch eine Reihe anderer Tafelwässer weist einen niedrigeren Nitratgehalt auf als das Wasser der Beklagten. Eine Nitratkonzentration von 5 bis 6 mg pro Liter gilt aber in gesundheitlicher Hinsicht - sogar für Säuglinge - noch als bedenkenlos.
Die Beklagte wirbt bereits seit dem Jahre 1984 für ihr Wasser insbesondere mit dem Slogan "Es gibt kein besseres Wasser auf der Welt". Sie hat sich mit dem am 14.12.1988 vor dem Handelsgericht Wien abgeschlossenen Vergleich, GZ 18 Cg 10/87-47, (ua) gegenüber der Klägerin verpflichtet, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, das von ihr abgefüllte Wasser mit unter 1.000 mg Feststoffen pro Liter Wasser unter der Bezeichnung "Mineralwasser" zu vertreiben, insbesondere auch bei ihrer Werbung und auf den vertriebenen Flaschen jede Aussage des Sinnes oder Inhaltes zu unterlassen, daß es sich bei den von ihr vertriebenen Produkten um ein "Mineralwasser" handle.
Nunmehr kündigte die Beklagte in einem für Händler bestimmten Werbeprospekt an, daß sie ihr Wasser ab 1.3.1990 im ursprünglichen Design der Gründerzeit vertreibt. Darin hieß es (ua) wörtlich:
"Ab 1.März ergibt sich ein ganz neues Bild auf Österreichs Wassermarkt - für den Handel und die Kunden. Jene Österreicher, die auf absolute Reinheit und Wassergüte Wert legen.... Das beste Wasser Österreichs zeigt sich im ursprünglichen Design der Gründerzeit....
Keine andere Quelle in ganz Österreich besitzt diese spezielle Komposition von Mineralstoffen.
Die Vöslauer Quelle hat eine 'innere Energie', die sie aus den Tiefen der Erde mitbringt.
Keine andere Quelle entspringt in dieser Tiefe.
Österreichs tiefste, österreichweit vertriebene Markenquelle.
V*** - bietet absolute Sicherheit und Reinheit.
Hochwertiges Qualitätsniveau, ....".
In einer Anteige der Beklagten in der "Fernseh-Woche" vom 23.2.1990 hieß es (ua):
"Schneiden Sie das neue Vöslauer Etikett einfach aus und legen Sie es probeweise an Ihre Flasche an - als Vorgeschmack auf Österreichs neues Wertzeichen für bestes Wasser.
Denn ab März steigt man überall in Österreich auf dieses neue Zeichen um. Flasche für Flasche.
Zur Zeit - das beste Wasser mit der bekannten, speziellen Komposition von Mineralstoffen aus Österreichs tiefster Markenquelle. Mit Sicherheit......".
Zugleich warb die Beklagte auf Plakaten wie folgt:
"DAS BESTE WASSER. DAS BESTE ETIKETT. Prickelnd und mild. Ab 1. März. Mit der Kraft der Erde."
Die neuen Rückenetiketten der Flaschen der Beklagten haben folgenden Wortlaut:
"REINHEIT AUS 600 METER TIEFE. ORIGINALABFÜLLUNG. DIE V*** SICHERHEIT: Vöslauer Ursprungsquelle, die tiefste Quelle aller österreichischen Markenwässer. Die VöslauerQuelle besitzt eine 'innere Energie', die sie aus den Tiefen der Erde mitbringt. Absolut umweltgeschützt - seit 10.000 Jahren. Mit einer speziellen Komposition wertvoller Mineralstoffe. Sogar als Babynahrung empfohlen. Export-Visitenkarte Österreichs in vielen Ländern der Erde. Es gibt kein besseres Wasser auf der Welt.".
Im Hörfunkprogramm des ORF "Ö 3-Wecker" ließ die Beklagte am 31.1.1990 folgende Werbung senden:
".....Weiterhin ist Vöslauer mit Sicherheit Österreichs tiefste Quelle aller österreichweit erhältlichen Markenwässer. Mit der speziellen Komposition wichtiger Mineralstoffe. Neu hingegen ist mit Sicherheit das schönste Etikett zum besten Wasser.".
Die Klägerin begehrt - soweit für das vorliegende Revisionsrekursverfahren noch von Interesse - zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb ihrer Produkte die Verwendung jeder Aussage des Inhalts oder Sinnes zu verbieten, daß
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Die Klägerin wendet sich im Ergebnis zutreffend gegen die Abweisung ihrer Hauptanträge zu a) und b); auf die von ihr zu Recht (auch) geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens, welche darin liegt, daß das Gericht zweiter Instanz trotz Abweisung auch des Hauptbegehrens zu b) nicht über den für diesen Fall erhobenen Eventualantrag entschieden hat, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.
Mit ihrem Sicherungsantrag zu a) und dem Hauptantrag zu b) will die Klägerin erreichen, daß die Beklagte für ihr Tafelquellwasser den Gebrauch des Werbeslogans "das beste Wasser (Österreichs)" schlechthin - also ohne Rücksicht auf weitere Werbeangaben - zu unterlassen habe. Daraus folgt aber, daß es sich bei dem Eventualantrag der Klägerin zu b) in Wahrheit gar nicht um ein echtes Eventualbegehren handelt, sondern um eine gegenüber dem Hauptantrag bloß quantitative Einschränkung des Verbotes einer Verwendung des beanstandeten Werbeslogans nicht für sich allein, sondern (nur) in Verbindung mit zwei konkreten Zusatzbehauptungen ("absolute Sicherheit und Reinheit" und "hochwertiges Qualitätsniveau"). Für den Hauptantrag der Klägerin ist daher entscheidend, ob es sich bei dem beanstandeten Werbeslogan für sich allein um eine objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptung handelt oder ob er nur eine rein subjektive, unüberprüfbare Meinungsäußerung - also ein bloßes "Werturteil" - enthält. In diesem Zusammenhang beharrt die Klägerin zunächst darauf, daß eine gegen Paragraph eins, UWG verstoßende unzulässige vergleichende Werbung vorliege, weil sich der Werbeslogan in aggressiver Form gegen sie als Mitbewerberin und Marktführerin richte. Wenn auch jede Alleinstellungswerbung naturgemäß gleichzeitig auch als vergleichende Werbung aufgefaßt werden kann, weil ein Unternehmer, der für sich eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt, damit zugleich - in der Regel sogar unausgesprochen - mittelbar auf die Konkurrenz Bezug nimmt und die Überlegenheit seines Unternehmens oder seiner Erzeugnisse und Leistungen gegenüber allen anderen Branchenangehörigen zum Ausdruck bringt (ern 1989, 105 uva), ist doch im vorliegenden Fall keine aggressive Tendenz des beanstandeten Werbeslogans zu erkennen, so daß er für sich allein das Sachlichkeitsgebot (Paragraph eins, UWG) nicht verletzt vergleiche ÖBl 1990, 154). Im übrigen liegt Alleinstellungswerbung dann vor, wenn der Werbende für sein Produkt eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist eine solche Werbung primär nach Paragraph 2, UWG zu beurteilen und daher wettbewerbsrechtlich nur dann zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht oder die Werbebehauptung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist (ÖBl 1980, 7 mwN; ÖBl 1987, 47; ÖBl 1989, 45; ÖBl 1990, 113 und 158 uva). Nun mag es zwar zutreffen, daß beim Publikum mit der beanstandeten Behauptung der Beklagten, ihr Wasser sei "das beste Wasser (Österreichs)", zumindest auch subjektive Geschmackskomponenten angesprochen werden, so daß der Slogan insoweit nicht wörtlich genommen, sondern als Kundgebung der subjektiven Meinung der Beklagten (Werturteil) aufgefaßt wird, welchem aber immerhin noch als "Tatsachenkern" die Behauptung zu entnehmen ist, die Beklagte bringe ein qualitativ hochwertiges "Wasser" auf den österreichischen Markt (ÖBl 1977, 166; ÖBl 1981, 119; ern 1989, 105). "Wasser" ist aber nicht bloß ein Genußmittel wie Kaffee, Bier oder Suppenwürfel, sondern für den Menschen lebensnotwendig und in höchstem Maße von der Umweltverschmutzung durch Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Verkehr bedroht; es gehört daher im Bewußtsein der Bevölkerung zu den besonders "umweltsensiblen" Gütern. Schon aus diesem Grund wird ein keineswegs ganz unerheblicher Teil des angesprochenen Publikums dem Werbeslogan für sich allein auch eine Angabe über die Beschaffenheit des "Wassers" der Beklagten entnehmen und ihn dahin verstehen, daß dieses Wasser im Gegensatz zu anderen österreichischen "Wässern" von schädlichen Umwelteinflüssen verschont geblieben, also absolut rein und gesund sei. Daß dies nicht zutrifft, ergibt sich schon aus den Regeln des ÖLMB über Tafelwässer überhaupt; dazu kommt, daß das Mineralwasser der Klägerin höhere Werte bei bestimmten, für die Gesundheit wesentlichen Mineralstoffen - insbesondere bei Magnesium und Calzium - aufweist und der Nitratgehalt des Wassers der Beklagten, mag er auch in gesundheitlicher Hinsicht immer noch unbedenklich sein, jenen des Wassers der Klägerin um mehr als das Zehnfache übersteigt.
Der Werbeslogan der Beklagten ist daher schon für sich allein zumindest mehrdeutig, weil ihm ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise jedenfalls auch die in ihrem Kern zuletzt umschriebene, konkrete und objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptung entnehmen wird. Bei Mehrdeutigkeit einer Ankündigung muß aber nach ständiger Rechtsprechung der Werbende immer die für ihn ungünstigste unter den möglichen Auslegungen gegen sich gelten lassen (ÖBl 1986, 159; ÖBl 1989, 42 uva). Wird eine Spitzenstellung in Anspruch genommen, dann muß die Werbung in allen in Betracht kommenden Punkten wahr sein; sind nach der Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise mehrere Faktoren für die sachliche Richtigkeit einer Werbebehauptung bestimmend, dann ist die betreffende Werbebehauptung schon bei Unrichtigkeit auch nur eines einzigen dieser Faktoren unzulässig (ÖBl 1970, 22; ÖBl 1987, 47; MR 1989, 30 ua).
Nicht nur die (auch) in dem bisher umschriebenen Sinn verstandene Werbebehauptung der Beklagten ist demnach unrichtig; die Klägerin verweist vielmehr ebenso zutreffend darauf, daß diese Behauptung auch durch den von ihr verwendeten weiten Oberbegriff "Wasser" noch zusätzlich zur Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist. In dieser Richtung ist die Irreführungseignung schon nach dem zweiten Absatz der Richtlinien des ÖLMB3, Kapitel B 17, gegeben, wonach die Bezeichnung "Tafelwasser" allein nicht als Sachbezeichnung verwendet wird, weil sie nichts über die Beschaffenheit des Wassers aussagt und daher für sich allein zur Täuschung geeignet ist. Für den durchschnittlichen österreichischen Verbraucher ist ja nicht "Tafelwasser", sondern "Mineralwasser" der Oberbegriff für die gesamte Produktgruppe (ÖBl 1985, 156). Mit der Bezeichnung "Wasser" für ihr "Tafelquellwasser" hat daher die Beklagte auch eine Spitzenstellung gegenüber "Mineralwässern" in Anspruch genommen, welche ihr jedoch im Hinblick auf den geringeren Gehalt an gelösten festen Stoffen nach der "verweisenden Verbrauchererwartung" (ÖBl 1985, 156) keinesfalls zukommt.
Der beanstandete Werbeslogan der Beklagten verstößt daher aus allen diesen Gründen schon für sich allein gegen Paragraph 2, UWG, so daß in Stattgebung des Revisionsrekurses die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes zu a) und b) (Hauptantrag) wiederherzustellen war. Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf Paragraph 393, Absatz eins, EO, jener über die Kosten der Beklagten auf Paragraphen 78,, 402 Absatz 2, EO und Paragraphen 40,, 50 und 52 Absatz eins, ZPO.