Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

23.03.1988

Geschäftszahl

2Ob13/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst E. L***, Versicherungskaufmann, 1090 Wien, Wasserburgergasse 2/13, vertreten durch Dr. Alexander Wanke, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1. Willibald F***, Angestellter, 1190 Wien, Heiligenstädterstraße 15-25/14/18, 2. W*** A*** Versicherungs-AG, 1020 Wien, Untere Donaustraße 13-15, beide vertreten durch Dr. Oswald Karminski-Pielsticker, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 110.128,79 s.A., infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4. November 1987, GZ 17 R 211/87-30, womit die Berufungsergänzung der beklagten Parteien vom 21. September 1987 zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 14. August 1985 ereignete sich in Wien 20., ein Verkehrsunfall, an dem der vom Kläger gelenkte und gehaltene PKW Citroen 2 CV, W 328.324, und das vom Erstbeklagten gelenkte, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherte Motorrad Kawasaki, W 21.625, beteiligt waren. Im Berufungsverfahren sind Taxispesen und Sicherheitsgurtenkosten strittig.

Der Kläger begehrte letztlich S 110.128,79 s.A., darin unter anderem S 2.000 für neue Sicherheitsgurte, S 5.850,29 Mietwagenkosten und S 5.046 unfallsbedingte Taxispesen. Teilzahlungen seien erfolgt und zwar u.a. S 5.525 Mietwagenkosten. Das Alleinverschulden treffe den Erstbeklagten.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und bestritten die geltend gemachten Ansprüche der Höhe nach, insbesondere die Mietwagenkosten, bei welchen die Haftungsbefreiungskosten von S 1.056 in Abzug zu bringen seien. Die unfallsbedingten Taxispesen seien zu konkretisieren. Das Erstgericht sprach dem Kläger S 81.072,79 s.A. zu und wies das Mehrbegehren von S 29.056 ab.

Gegen den mehr als S 73.206,99 s.A. zusprechenden Teil des erstgerichtlichen Urteils richtete sich die fristgerechte Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne einer Abweisung weiterer S 7.865,80 s.A. abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten haben am 21. September 1987 noch innerhalb der Berufungsfrist eine Ergänzung der Berufung eingebracht. Eine derartige Ergänzung sei seit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 zulässig, womit der Grundsatz der Einmaligkeit der Rechtsmittelhandlung aufgehoben sei.

Das Berufungsgericht wies diesen Schriftsatz als unzulässig zurück. Die Paragraphen 84,, 474 Absatz 2 und Paragraphen 495, sowie 513 ZPO in der Fassung Zivilverfahrens-Novelle 1983 ließen eine Verbesserung der Rechtsmittelschrift, in der vorgeschriebenes Vorbringen fehle, zu, doch könnten inhaltliche Mängel im Sinne einer sachlichen Unrichtigkeit oder unschlüssiger Ausführungen udgl. auch nach neuem Recht nicht verbessert werden. Der innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebrachte weitere Schriftsatz ("ergänzende Berufung") stelle keine zulässige Verbesserung dar, sondern erweitere inhaltlich die Anfechtung über die ursprüngliche Berufung hinaus. Es würden als unrichtige Tatsachenfeststellung und Ergebnis einer unrichtigen Beweiswürdigung der Eintritt der unfallskausalen Verletzung, die Schmerzzustände und die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bekämpft. Solches inhaltliches Vorbringen sei zurückzuweisen. Der Überprüfung des Ersturteils sei somit nur die Berufung vom 1. September 1987 zugrunde zu legen gewesen.

Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht die Sachentscheidung über die Ergänzung der Berufung aufzutragen, allenfalls in der Sache selbst zu erkennen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerber vertreten die Ansicht, das Einbringen einer "ergänzenden Berufung" lasse sich nicht unter jene Vorschriften subsumieren, die die Frage der Verbesserungsmöglichkeit eines bereits eingebrachten Schriftsatzes behandeln. Unter Hinweis insbesondere auch auf die Lehrmeinungen von Pichler in JBl 1983, 82 ff und Konecny in JBl 1984, 70, versuchen die Beklagten darzutun, daß der Grundsatz der "Einmaligkeit" des Rechtsmittels seit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 nicht mehr aufrecht zu erhalten sei.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Der Oberste Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht vertreten, daß jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht und ein zweiter Schriftsatz, möge er Richtigstellungen oder Nachträge enthalten, selbst dann, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht wurde, unzulässig sei (RZ 1983/23; RZ 1982/40; SZ 54/103, JBl 1981, 387; JBl 1979, 373 u. a.; Fasching Komm. römisch IV 26; Peter G. Mayr, Der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels JBl 1981, 458 ff, 520 ff). Im Hinblick auf die durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 geschaffenen erweiterten Verbesserungsmöglichkeiten (Paragraph 84, Absatz 3, ZPO) vertreten Fasching, Lehr- und Handbuch, Rz 1693, und Konecny, JBl 1984, 65, 69, die Auffassung, daß es im österreichischen Zivilprozeßrecht den Grundsatz der Einmaligkeit der Rechtsmittelhandlung nicht mehr gebe. Der Rechtsmittelwerber könne das ursprünglich eingebrachte Rechtsmittel innerhalb der Frist in formgerechter Weise ergänzen oder gegen eine andere Rechtsmittelschrift (auch ohne Zustimmung des Gegners) austauschen.

Dieser Rechtsansicht kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Wohl lassen die Paragraphen 84,, 474 Absatz 2,, 495, 513 ZPO in der Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1983 die Verbesserung einer Rechtsmittelschrift, in der vorgeschriebenes Vorbringen fehlt, zu, doch können inhaltliche Mängel eines Schriftsatzes im Sinne sachlicher Unrichtigkeiten oder unschlüssiger Ausführungen auch nach neuem Recht nicht verbessert werden. Es besteht - wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals dargelegt hat - kein Anlaß, über die durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 erweiterten Verbesserungsmöglichkeiten hinaus ohne verfahrensrechtliche Notwendigkeit mehrere innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebrachte Rechtsmittelschriftsätze zuzulassen (RdW 1987, 54 mit weiteren Nachweisen; 3 Ob 97/86, Peter G. Mayr in JBl 1981, 458 f und 570 f und in RZ 1987, 265 ff mit weiteren Nachweisen, 2 Ob 714/86, 14 Ob 202,203/86, 5 Ob 382-388/87, 10 Ob 139/87 u.a.). Dies gilt insbesondere dann, wenn nach einem formal einwandfreien, zur meritorischen Behandlung geeigneten und daher nicht verbesserungsbedürftigen Rechtsmittel - hier die auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Berufung vom 1. September 1987, ON 25 - gegen dieselbe Entscheidung innerhalb der Rechtsmittelfrist ein weiteres Rechtsmittel eingebracht wird, das neue Rechtsmittelgründe und Rechtsmittelanträge enthält (5 Ob 382-388/87 u.a., Peter G. Mayr a. a.O.). Der erkennende Senat sieht sich durch die Ausführungen des Rekurses nicht veranlaßt, von dieser einheitlichen, bis in die jüngste Zeit fortgesetzten Rechtsprechung abzugehen. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 40 und 50 ZPO.