Gericht

OGH

Entscheidungsdatum

17.11.1987

Geschäftszahl

4Ob397/87 (4Ob398/87)

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1. Ö*** B***, Wien 2., Heinestraße 38,

vertreten durch Dr. Walter Lattenmayer, Rechtsanwalt in Wien,

2. T*** Ü***-V***, Wien 1., Krugerstraße 16,

vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Alois G***, Erzeuger von Feuerlöschern, Gaspoltshofen, Eggerding 11, vertreten durch Dr. Rudolf Watschinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 650.000 S, gemäß Paragraph 7, RAT 400.000 S), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18. Februar 1987, GZ 3 R 293, 294/86-28, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 18. August 1986, GZ 7 Cg 340/85-18, abgeändert wurde (Streitwert im Revisionsverfahren gemäß Paragraph 7, RAT 400.000 S), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 52.321,66 S (darin enthalten 3.847,41 S Umsatzsteuer und 10.000 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens, und zwar die erstklagende Partei 13.606,77 S und die zweitklagende Partei 38.714,89 S, binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte stellt Feuerlöscher her. Anfang des Jahres 1985 versandte er an seine Kunden eine Preisliste, die im "Briefkopf" die Bezeichnung "TÜV-Prüfstelle für Stahlflaschen" enthielt, obwohl der Beklagte zur Führung einer derartigen Bezeichnung nicht berechtigt ist. "Etwa im Juni 1985" ließ der Beklagte diese Bezeichnung wieder durchstreichen. Anläßlich zweier Besuche beim Zweitkläger wurde der Beklagte vom Leiter des Institutes für Werkstoffprüfung und einem weiteren technischen Angestellten wegen der Verwendung dieser Bezeichnung auf seinen Preislisten beanstandet. Der Beklagte erklärte in dem in freundschaftlichem Ton geführten Gespräch, daß er diese Bezeichnung schon aus seinem Briefkopf habe entfernen lassen. Einer seiner Gesprächspartner meinte darauf, daß sich der Beklagte sicherheitshalber mit dem "Chef" des Zweitklägers ins Einvernehmen setzen möge. Auf der Fahrt dorthin hatte der Beklagte jedoch eine Autopanne; da er vor dem Ende der Bürozeit nicht weiterfahren konnte, nahm er von diesem Besuch Abstand. Obwohl ihm gegenüber keine derartige Erklärung abgegeben worden war, war er der Meinung, daß die Angelegenheit auf Grund des Gespräches mit den Angestellten des Zweitklägers erledigt sei.

Am 31. Juli 1985 forderte der Erstkläger den Beklagten schriftlich zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Zahlung von Kosten auf. Der Beklagte antwortete auf dieses Schreiben nicht. Die Klage des Erstklägers langte am 29. Oktober 1985, jene des Zweitklägers am 20. November 1985 beim Erstgericht ein. Der Erstkläger beantragt, den Beklagten schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu unterlassen, sich als "TÜV-Prüfstelle für Stahlflaschen" zu bezeichnen, wenn ihm seitens des Zweitklägers hiezu keine Berechtigung erteilt wurde. Diese Bezeichnung sei irreführend, weil der Beklagte vom Zweitkläger nicht die Berechtigung erhalten habe, Stahlflaschen zu prüfen. Der Zweitkläger beantragte, den Beklagten schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr ab sofort zu unterlassen, sich als TÜV-Prüfstelle für Stahlflaschen zu bezeichnen und/oder zu behaupten und/oder schriftlich anzukündigen, er betreibe eine derartige TÜV-Prüfstelle für Stahlflaschen, ferner verlangt er die Ermächtigung, den stattgebenden Teil des Spruches des über diese Klage ergehenden Urteiles in der "Österreichischen Ingenieur- und Architektenzeitung" auf Kosten des Beklagten veröffentlichen zu lassen. Auch nach Ansicht des Zweitklägers nehme der Beklagte mit der beanstandeten Bezeichnung eine Berechtigung in Anspruch, die er in Wahrheit nicht habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung beider gegen ihn gerichteten Klagen. Mit der Bezeichnung "TÜV-Prüfstelle für Stahlflaschen" habe er lediglich zum Ausdruck bringen wollen, daß er Stahlflaschen zur Prüfung annehme und an den Zweitkläger weiterleite. Als er Ende Mai 1985 von Angestellten des Zweitklägers auf die Verwendung dieser Bezeichnung angesprochen worden sei, habe er den beanstandeten Zusatz auf seinem Briefpapier durchstreichen lassen und seither nicht mehr verwendet. Die Angestellten des Zweitklägers hätten ihm in mehreren Gesprächen versichert, daß die Angelegenheit damit beendet sei. Da er die beanstandete Handlung sofort unterlassen habe, sei die Wiederholungsgefahr nicht gegeben. Der Erstkläger übe das Klagerecht überdies schikanös aus, weil ihm bekannt gewesen sei, daß auch der Zweitkläger auf Unterlassung klagen werde.

Das Erstgericht verband beide Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und wies beide Klagen ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen sowie die weitere negative Feststellung, daß es den Anlaß für die Streichung des Zusatzes "TÜV-Prüfstelle für Stahlflaschen" nicht habe feststellen können. In rechtlicher Hinsicht bejahte es die Klagelegitimation beider Kläger, verneinte aber die Wiederholungsgefahr. Der Beklagte habe das wettbewerbswidrige Verhalten bereits vor der ersten Beanstandung der Kläger eingestellt; er habe die Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens gegenüber den Angestellten des Zweitklägers einbekannt. Da er danach die beanstandete Bezeichnung nicht mehr verwendet habe, könnten die Klagen keinen gerechtfertigten Zweck mehr verfolgen. Die Kläger hätten ihre Klagen in schikanöser Weise erhoben.

Das Berufungsgericht gab der Klage des Erstklägers zur Gänze, jener des Zweitklägers nur in Ansehung des Unterlassungsbegehrens statt; das Veröffentlichungsbegehren des Zweitklägers wies es hingegen ab. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes je 15.000 S, nicht aber je 300.000 S, der von der Bestätigung betroffene Teil des Streitgegenstandes nicht 60.000 S, der vom Begehren des Zweitklägers betroffene Wert des Streitgegenstandes insgesamt nicht 300.000 S übersteige und die Revision in beiden Verfahren nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht erachtete das Eingehen auf die von den Klägern erhobenen Tatsachenrügen als entbehrlich und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Das Verhalten des Klägers entspreche nicht den von der Rechtsprechung zum Wegfall der Wiederholungsgefahr entwickelten Grundsätzen. Aus dem Verhalten des Verletzers müßten besonders Umstände hervorgehen, die eine Wiederholung seiner Handlung zumindestens höchst unwahrscheinlich erscheinen ließen. Die bloße Zusage, künftig keine Störungen mehr vorzunehmen, reiche regelmäßig nicht aus; die Rechtsprechung fordere vielmehr das Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches. Auch das Einhalten eines zwischen dem Beklagten und einem anderen Kläger über den nämlichen Anspruch geschlossenen Unterlassungsvergleiches reiche für die Annahme des Wegfalles der Wiederholungsgefahr aus; diesen Erfordernissen habe der Kläger jedoch nicht entsprochen. Dem Beklagten könne kein Irrtum über die Rechtmäßigkeit seines Vorgehens zugebilligt werden, weil zwischen den Worten "Prüfstelle" und "Annahmestelle" ein klarer Unterschied bestehe.

Gegen dieses Urteil (gemeint offensichtlich: gegen dessen stattgebenden Teil) richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen (Erstkläger) bzw. ihr nicht Folge zu geben (Erst- und Zweitkläger).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Sie ist auch berechtigt. Der Beklagte vertritt in seiner Rechtsrüge die Auffassung, er habe durch die unverzügliche Entfernung des beanstandeten Zusatzes dargetan, daß es ihm damit ernst sei, in Hinkunft weitere Störungen zu vermeiden. Dem ist im wesentlichen zu folgen:

Das Berufungsgericht hat zwar in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes darauf verwiesen, daß der Verletzer die Vermutung, nach der derjenige, der schon einmal eine wettbewerbswidrige Handlung begangen hat, zur Begehung weiterer Eingriffe neige, nur durch ein eindeutiges Verhalten widerlegen kann; es obliegt dabei dem Verletzer, besondere Umstände darzutun, die eine Wiederholung seiner Handlung ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Die Auffassung, daß der Verletzer den Sinneswandel nur durch das Angebot eines umfassenden vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches oder durch Einhalten eines mit einem Dritten geschlossenen Unterlassungsvergleiches dokumentieren könne, trifft jedoch nicht zu: Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung des Bestehens der Wiederholungsgefahr maßgebend, ob dem Verhalten des Beklagten in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, daß er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (ÖBl 1982, 102; ÖBl 1985, 43 uva). Ein solcher wichtiger Anhaltspunkt kann aber nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch darin liegen, daß der Verletzer eine Handlung vorgenommen hat, die auch nach außen hin klar erkennen läßt, daß es ihm mit seiner Sinneswandlung, künftig die verpönte Handlung zu unterlassen, ernst ist (ÖBl 1971, 150; ÖBl 1979, 68 und 126; ÖBl 1985, 43). Auch der Umstand, daß der Beklagte im Prozeß seine Unterlassungspflicht nicht bestreitet, kann als Indiz für den Wegfall der Wiederholungsgefahr gewertet werden.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte das beanstandete Verhalten noch vor dem Einlangen der gegen ihn gerichteten Klagen beim Erstgericht eingestellt und im Prozeß seine Unterlassungspflicht nicht bestritten, sondern sich auf die Bestreitung der Wiederholungsgefahr beschränkt. Darauf, ob der Beklagte den Zusatz "TÜV-Prüfstelle für Stahlflaschen" schon vor der ersten außergerichtlichen Beanstandung durch einen der Kläger auf seinen Preislisten gestrichen hat, kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob er seinen Sinneswandel, künftig von wettbewerbswidrigen Handlungen Abstand nehmen zu wollen, ausreichend dokumentiert hat, nicht mehr an. Daß der Beklagte ernstlich gewillt ist, künftig weitere Verletzungshandlungen zu vermeiden, ergibt sich im vorliegenden Fall schon aus der Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes vor dem Einlangen der Klagen und seinem Verhalten im Prozeß. Die Kläger behaupten auch nicht, daß der Beklagte nach der Beanstandung neuerlich einen gleichartigen Verstoß begangen hätte. Im Berufungsverfahren haben sie nur jene Feststellungen bekämpft, aus denen sich ergibt, daß der Beklagte den gesetzwidrigen Zustand schon vor der ersten Beanstandung beseitigt hat; die Feststellung, daß er den beanstandeten Zusatz vor dem Einlangen der Klagen beim Erstgericht in seinen Preislisten gestrichen hat, ist hingegen unbekämpft geblieben. Im vorliegenden Fall liegen somit ausreichende und unbekämpft gebliebene Feststellungen vor, um die Frage des Wegfalles der Wiederholungsgefahr schon jetzt beurteilen zu können. Das Unterlassen der Beantwortung von Beanstandungsschreiben ist für sich allein kein zwiespältiges Verhalten, aus dem die mangelnde Ernstlichkeit seines Sinneswandels abgeleitet werden müßte. Dem Beklagten ist daher der ihm obliegende Nachweis des Wegfalles der Wiederholungsgefahr gelungen.

In Stattgebung der außerordentlichen Revision war daher das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO. Der jeweils von den Klägern zu ersetzende Kostenbetrag ergibt sich aus dem Verhältnis der Streitwerte der einzelnen Klagen zu deren Gesamtstreitwert.