Gericht

OGH

Rechtssatznummer

RS0111538

Entscheidungsdatum

16.01.2024

Geschäftszahl

10ObS296/98x; 10ObS143/01d; 10ObS382/01a; 10ObS157/02i; 1Ob113/06h; 1Ob154/08s; 10ObS164/11g; 10ObS40/12y; 10ObS156/12g; 10ObS78/14i; 10ObS51/15w; 10ObS109/16a; 10ObS47/20i; 10ObS38/21t; 10ObS87/21y; 10ObS5/24v

Norm

AHG Erster Teil AbschnIV §1

ASVG allg

Rechtssatz

In Rechtsprechung und Lehre sind allgemeine Verhaltenspflichten des Versicherungsträgers gegenüber den Versicherten anerkannt, wobei teils auf die allgemeine behördliche Betreuungspflicht, teils auf das Sozialstaatprinzip, auf den Gedanken sozialer Rechtsanwendung, auf den auch im öffentlichen Recht anerkannten Grundsatz von Treu und Glauben und schließlich auf die Lehren vom sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis hingewiesen wird. Vor allem aus diesem lassen sich eine Reihe von Auskunfts-, Aufklärungs-, Informations- und Beratungspflichten der Versicherungsträger gegenüber den Versicherten begründen, aber auch sonstige Sorgfalts- und Schutzpflichten ableiten. Es darf aber daraus nicht abgeleitet werden, dass die allfällige Verletzung solcher Nebenpflichten durch den Träger zu einem sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch des Versicherten führen kann: Wo kein eigenes Recht auf Erteilung von Auskunftsbescheiden festgelegt ist, sind die Versicherungsträger selbst an unrichtige Auskünfte an Versicherte nicht gebunden. Denn Auskünfte sind bloße Wissenserklärungen und wollen - anders als Bescheide - Rechte weder gestalten noch bindend feststellen. Verletzungen der Auskunftspflicht führen daher ebenso wie Verstöße gegen andere Nebenpflichten möglicherweise zu Amtshaftungsansprüchen, sofern dem Versicherten infolge schuldhafter Verletzung der den Träger treffenden Verpflichtungen ein Schaden entstanden ist.

Entscheidungstexte

TE OGH 1999-02-09 10 ObS 296/98x

TE OGH 2001-06-12 10 ObS 143/01d

Auch; nur: Es darf aber daraus nicht abgeleitet werden, dass die allfällige Verletzung solcher Nebenpflichten durch den Träger zu einem sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch des Versicherten führen kann. (T1); Beisatz: Hier: Behauptete Verletzung der Manuduktionspflicht betreffend die Möglichkeit der Beantragung eines Feststellungsbescheides gemäß Paragraph 29, Absatz 4, TirPGG, LGBl 1993/55. (T2)

TE OGH 2001-12-11 10 ObS 382/01a

nur: In Rechtsprechung und Lehre sind allgemeine Verhaltenspflichten des Versicherungsträgers gegenüber den Versicherten anerkannt, wobei teils auf die allgemeine behördliche Betreuungspflicht, teils auf das Sozialstaatprinzip, auf den Gedanken sozialer Rechtsanwendung, auf den auch im öffentlichen Recht anerkannten Grundsatz von Treu und Glauben und schließlich auf die Lehren vom sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis hingewiesen wird. (T3)

TE OGH 2002-08-27 10 ObS 157/02i

Vgl auch; nur T1; Veröff: SZ 2002/106

TE OGH 2006-06-20 1 Ob 113/06h

nur: In Rechtsprechung und Lehre sind allgemeine Verhaltenspflichten des Versicherungsträgers gegenüber den Versicherten anerkannt. Vor allem aus dem sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis lassen sich eine Reihe von Auskunfts-, Aufklärungs-, Informations- und Beratungspflichten der Versicherungsträger begründen. (T4)

TE OGH 2009-03-31 1 Ob 154/08s

nur T4; Beisatz: Auch wenn Auskünfte bloße Wissenserklärungen sind, die Rechte weder gestalten noch bindend feststellen, kann die Verletzung von Auskunftspflichten zur Amtshaftung führen. (T5); Beisatz: Hier: Fehlerhafte Information des Klägers über die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld durch den Sachbearbeiter beim AMS; Amtshaftung verneint, weil die Dispositionen, die der Kläger bei richtiger Auskunft vorgenommen hätte, Rechtsmissbrauch dargestellt hätten. (T6)

TE OGH 2011-12-20 10 ObS 164/11g

Auch; Beisatz: Hier: Geringere Höhe der Alterspension nach GSVG infolge allfälliger Fehlberatung zur pensionswirksamen Entrichtung offener Beträge. (T7)

TE OGH 2012-04-12 10 ObS 40/12y

Auch; Beisatz: Nach ständiger Rechtsprechung kann die behauptete Verletzung von Informations‑ und Beratungspflichten durch einen beklagten Sozialversicherungsträger nicht zu einem sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch des Versicherten führen. (T8)

TE OGH 2013-01-29 10 ObS 156/12g

Beisatz: Hier: Somit begründet die von der Klägerin behauptete unrichtige Auskunft über allfällige Auswirkungen der Ummeldung ihrer Tochter weder einen sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch auf Kinderbetreuungsgeld, noch stünde eine solche Auskunft dem Rückersatzbegehren entgegen. (T9)

TE OGH 2014-08-26 10 ObS 78/14i

Auch

TE OGH 2015-06-30 10 ObS 51/15w

Auch; nur T1; nur T4

TE OGH 2016-10-11 10 ObS 109/16a

Vgl auch; Beis wie T8

TE OGH 2020-04-16 10 ObS 47/20i

Vgl; Beis wie T8

TE OGH 2021-03-30 10 ObS 38/21t

TE OGH 2021-07-29 10 ObS 87/21y

Vgl

TE OGH 2024-01-16 10 ObS 5/24v

vgl; Beisatz: Nach der Rechtsprechung kann eine Verletzung von gegenüber den Versicherten bestehenden Verhaltenspflichten durch den Sozialversicherungsträger nicht zu einem sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch führen. Schadenersatz- oder Amtshaftungsansprüche können daher in einem Verfahren über eine Leistungssache nicht geltend gemacht werden. (T10)

Beisatz: Davon zu unterscheiden ist aber die - dieser materiell-rechtlichen Beurteilung vorgelagerte - Frage, was Gegenstand des Verfahrens ist. Aus der genannten Rechtsprechung ergibt sich nur, dass Schadenersatz- und Amtshaftungsansprüche nicht (erfolgreich) geltend gemacht werden können, wenn der Gegenstand des Verfahrens eine Leistungssache nach Paragraph 65, ASGG ist. Dass Schadenersatz- bzw Amtshaftungsansprüche (generell) nicht Gegenstand eines Verfahrens gegen den Sozialversicherungsträger sein können, lässt sich daraus hingegen nicht ableiten. (T11)

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:1999:RS0111538