Entscheidende Kommission

Bundes-Gleichbehandlungskommission

Senat

I

Entscheidungsart

Gutachten

Geschäftszahl

B-GBK I/244/20

Entscheidungsdatum

22.01.2020

Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Verletzung des Benachteiligungsverbotes

Text

Die Gleichbehandlungskommission des Bundes

Senat I

hat in der Sitzung am … über den Antrag von A (=Antragstellerin), in einem Gutachten nach Paragraph 23 a, Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 65 aus 2004, i.d.g.F., festzustellen, dass A durch die Ablehnung der Teilnahme an zwei Seminaren und die Aufforderung zur Gesundmeldung vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) gemäß §20b B-GlBG benachteiligt wurde, folgendes

Gutachten

beschlossen:

Das BMF hat durch ihre Vertreterin … durch die Ablehnung der Teilnahme an zwei Seminaren sowie die Aufforderung zur Gesundmeldung A gemäß §20b B-GlBG benachteiligt.

Begründung

Der Antrag von A langte am … bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission (B-GBK) ein.

Die Antragstellerin führte Folgendes aus: Auf Grund ihres Antrages vom … auf Feststellung einer Diskriminierung nach dem B-GlBG fand am … eine Sitzung des Senates römisch eins der Kommission statt, zu der sie eingeladen worden war. Am … habe sie sich beim zuständigen Mitarbeiter L. erkundigt, wie ihre Abwesenheit vom Dienst wegen der Teilnahme an dieser Sitzung im Zeiterfassungssystem einzutragen wäre, und es sei ihr mitgeteilt worden, dass diese als Dienstreise zu erfassen sei.

Es sei anzumerken, dass sie nach einer Operation vom … bis … im Krankenstand gewesen sei. Für den … habe sie sich bei ihrem Vorgesetzten …, dem Leiter der …stelle, krankgemeldet und eine ärztliche Bestätigung übermittelt. Eine Gesundmeldung für den … sei nicht erfolgt, da dies nicht üblich sei.

Per Mail vom … habe die Vorständin des Finanzamtes (FA) römisch zehn … bei ihr nachgefragt, weshalb sie im Krankenstand eine Dienstreise angetreten habe. Sie habe geantwortet, dass aufgrund der Reise nach … ihre Gesundmeldung im ESS erst am Donnerstag erfolgt sei, sie aber bereits am Montag gegenüber ihrem Vorgesetzten erwähnt habe, dass sie am Mittwoch nach … fahren müsse. Außerdem sei sie davon ausgegangen, dass auch die Vorständin des FA römisch zehn zur Sitzung der B-GBK eingeladen sei und ihr die Dienstreise nicht „extra nochmals“ gemeldet werden müsse. Daraufhin habe ihr die Vorständin mitgeteilt, dass eine Gesundmeldung erfolgen hätte sollen, da ansonsten eine Reisetätigkeit im Krankenstand vorliege. Dazu sei anzumerken, dass eine solche Vorgehensweise im FA römisch zehn völlig unüblich und auch nicht notwendig sei. Wenn eine Krankmeldung für einen Tag vorliege, müsse der Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin am nächsten Tag gesund sei. Die von Arbeitgeberseite eingetragene Krankmeldung (im Elektronischen Zeiterfassungssystem (ESS)), die automatisch für drei Tage erfolge, könne nicht zum Nachteil einer/eines Bediensteten ausgelegt werden, insbesondere dann nicht, wenn eine anderslautende Krankmeldung mit ärztlicher Bestätigung erfolgt sei.

Im Antrag wurde weiters ausgeführt, dass sich A für insgesamt vier Kurse, Kursdauer jeweils ein Tag und zwei Tage, für den … angemeldet habe. Per Mail vom … sei ihr mitgeteilt worden (von der Bundesfinanzakademie), dass sich „der Status Ihrer Anmeldung“ für das Seminar (für Frauen) „Gelassenheit im Beruf und Alltag“ am … und … geändert“ habe, weil … (Anmerkung: der Fachvorstand) die „Anmeldung abgelehnt“ habe. Die Begründung habe gelautet: „Der Fachbereichsarbeit ist unter Hinweis auf den akuten Personalengpass, ihre längere krankheitsbedingte Absenz und die zu erwartenden Absenzen durch andere beantragte Ausbildungsmaßnahmen der Vorrang einzuräumen“.

Die Teilnahme am vom … bis … stattfindenden Seminar „Führen-Fordern-Fördern“ sei am … von dem Fachvorstand mit folgender Begründung abgelehnt worden: „Im Auftrag der Frau Vorständin wird die Genehmigung der Kursteilnahme unter Hinweis auf das offene Ergebnis des Verfahrens vor der Bundes-Gleichbehandlungskommission derzeit nicht erteilt. Nach Abschluss des … Verfahrens kann ein weiterer Antrag gestellt werden“. (Anmerkung: Die beiden Mails waren dem Antrag angeschlossen). Dies müsse als besondere Provokation gesehen werden, da die Vorständin im Verfahren vor der B-GBK wegen der Ablehnung der Bewerbung der Antragstellerin um eine Führungsfunktion diesen Umstand damit erklärt habe, dass sie keine Führungserfahrung und auch keine entsprechenden Fortbildungen besucht habe.

Zusammenfassend gesagt sei A einerseits aufgefordert worden, zu rechtfertigen, warum sie im Krankenstand eine Dienstreise angetreten habe, obwohl dies nicht der Fall gewesen sei, und andererseits sei eine Kursteilnahme unter Hinweis auf das offene Ergebnis des Verfahrens vor der B-GBK abgelehnt worden. Diese Anordnungen stünden im Zusammenhang mit der am … bei der B-GBK eingebrachten Beschwerde und würden gegen das im §20b B-GlBG geregelte Benachteiligungsverbot verstoßen.

Dem Antrag beigelegt waren (neben den Mails betreffend die Seminarbesuche) die Krankmeldung vom … und das Mail des Fachvorstandes betreffend die Vorgangsweise bei Anmeldungen zu „Soft-Skill-Seminaren“ (im Wesentlichen des Inhaltes, dass sich im Fall der Beantragung von „Soft-Skill-Seminaren“ der/die jeweilige Teamleiter/in mit dem/der Bediensteten bezüglich des Mehrwertes auseinanderzusetzen habe, wobei dem persönlichen bzw. teaminternen Bedarf, der Ausbildungsbereitschaft des/der Bediensteten und den dienstlichen Erfordernissen (Abwesenheiten im Team) besonderes Augenmerk zu schenken sei).

Auf Ersuchen der B-GBK übermittelte die Vorständin des FA römisch zehn … mit Schreiben vom … eine Stellungnahme zum Antrag, in der sie im Wesentlichen Folgendes ausführte:

Ad Aufforderung zur Gesundmeldung:

Die Vorständin habe sich bei …, dem Vorgesetzten von A, erkundigt, ob diese im Zuge ihrer telefonischen Krankmeldung am … mitgeteilt habe, dass sie sich nur für den … krankmelde. Die Antwort habe gelautet, A habe sich nicht über die Dauer des Krankenstandes geäußert. Daraufhin habe sie (die Vorständin) sowohl As Vorgesetzten als auch die Mitarbeiterin Frau Sch. ersucht, sie am nächsten Tag zu informieren, ob sich A gesund gemeldet und ihre Dienstreise angetreten habe, oder ob sie sich noch im Krankenstand befinde und somit die geplante Dienstreise nicht angetreten habe. Als sie am nächsten Tag, am …, As Vorgesetzten telefonisch kontaktiert habe, sei ihr mitgeteilt worden, dass sich A nicht gemeldet habe. Sie sei daher davon ausgegangen, dass sie sich weiterhin im Krankenstand befinde. Dementsprechend erstaunt sei sie gewesen, als sie A in der Senatssitzung gesehen habe.

Es sei richtig, dass A eine ärztliche Bestätigung für den … übermittelt habe, doch sei diese erst am … bei der Dienstbehörde eingelangt, und daher habe die Dienstbehörde davon ausgehen müssen, dass A am … krank gewesen sei.

Aus dem zwischen ihr und der Antragstellerin geführten Mailverkehr sei erkennbar, dass es sich nicht um ein Kommunikationsproblem, sondern um ein Verständnisproblem im Zusammenhang mit dienstrechtlichen Meldepflichten und deren Folgen handle. Darüber hinaus habe der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin den Wiederantritt des Dienstes seinem Vorgesetzten unverzüglich zu melden und im ESS zu erfassen, im Innendienst erfolge dies bei Dienstbeginn. Folge dem Krankenstand unmittelbar ein Außendienst oder eine Dienstreise, sei eine aktive Kontaktaufnahme mit der Dienstbehörde erforderlich.
Ihre Mails an die Antragstellerin hätten - im Rahmen der Fürsorgepflicht einer Vorgesetzten - zur Abklärung des Sachverhaltes und als Information über Dienstpflichten und mögliche Konsequenzen gedient, um eventuelle zukünftige Dienstpflichtverletzungen zu verhindern bzw. die Mitarbeiterin davor zu schützen, solche zu begehen. Dies zeige sich auch darin, dass sowohl die Reisekosten von der Dienstbehörde getragen, als auch die Dienstzeit als solche anerkannt und von weiteren Maßnahmen Abstand genommen worden sei.

Ad Ablehnung der Teilnahme an zwei Seminaren:

A habe sich im Jahr … zu mehreren Fortbildungsveranstaltungen angemeldet, drei im Zusammenhang mit ihren Aufgabenbereichen stehende Veranstaltungen seien genehmigt worden. Im Aufgabenbereich von A hätten sich - bedingt durch ihre lange krankheitsbedingte Abwesenheit - große Rückstände angehäuft, die ihrer dringenden fachlichen und auch „bearbeitenden Unterstützung“ bedürft hätten. Die Ablehnung des Besuches des Seminars „Gelassenheit in Beruf und Alltag“ sei durch den unmittelbaren Vorgesetzten … erfolgt, und zwar im Hinblick auf die sehr angespannte Situation im Bereich der Personalressourcen und des hohen Arbeitsanfalls und unter dem Aspekt der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes. In welcher Form die Abstimmung betreffend den Mehrwehrt dieses Seminares erfolgt sei, entziehe sich ihrer Kenntnis, sie werde nur bei Genehmigung derartiger Seminare eingebunden, nicht aber bei einer Ablehnung durch den unmittelbaren Vorgesetzten.

Bei der Ablehnung des Seminares „Führen - Fördern - Fordern“ habe … wegen des bei der B-GBK anhängigen Verfahrens vorweg mit ihr Kontakt aufgenommen, und sie habe in Erwartung der baldigen Übermittlung des Gutachtens die Ablehnung des Seminares zum damaligen Zeitpunkt empfohlen, weil sie die Ausführungen im Gutachten „in eine Neubetrachtung der Situation miteinbeziehen“ wolle.

Zu erwähnen sei, dass A bis zum heutigen Tag kein Gespräch „mit der Dienstbehördenleiterin“ gesucht habe, um ihre Weiterentwicklung in Richtung Führungskraft zu besprechen. Auch im Mitarbeitergespräch mit dem unmittelbaren Vorgesetzten habe A diese Thematik offensichtlich nicht besprochen, da derartige Interessen im Zuge des Talentmanagements thematisiert würden.

A werde von ihr als Dienstbehördenleiterin genauso behandelt wie jede andere Mitarbeiterin/jeder andere Mitarbeiter, und dass nicht jeder Wunsch erfüllt werden könne, sei eine altbekannte Tatsache. Oberste Priorität der Dienstbehördenleitung müsse die Funktionalität des gesamten Finanzamtes sein, dazu gehöre neben der Einhaltung der Dienstpflichten auch der sorgsame Umgang mit Ressourcen. Zu den erhobenen Vorwürfen lasse sich zusammenfassend festhalten, dass es sich wohl eher um Missinterpretationen von A handle, welche mit einer kurzen Kontaktaufnahme mit ihr geklärt werden hätten können.

Am fand eine Sitzung des Senates römisch eins der B-GBK (im Folgenden Senat) statt, in der zum Antrag von A und der Stellungnahme der Vorständin des FA römisch zehn beraten und Folgendes erwogen wurde:

Gemäß Paragraph 20 b, B-GlBG dürfen die Dienstnehmerinnen oder die Dienstnehmer durch die Vertreterin oder den Vertreter des Dienstgebers als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden. Paragraph 20 a, B-GlBG ist anzuwenden.

Gemäß Paragraph 20 a, B-GlBG hat die betroffene Person Tatsachen glaubhaft zu machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen. Der Dienstgeberseite obliegt es, zu beweisen, dass keine Verletzung des B-GlBG vorliegt.

Von der B-GBK war daher die Begründung der Vorständin des FA römisch zehn für ihr Vorgehen im Zusammenhang mit As Krankmeldung und für die Ablehnung der Seminarteilnahmen im Hinblick auf die Sachlichkeit zu prüfen.

Die Vorständin des FA römisch zehn führte in ihrer Stellungnahme aus, dass die ärztliche Bestätigung von A erst am … bei der Dienstbehörde eingelangt sei, daher sei man davon ausgegangen, dass sie am … krank sei. Dazu ist festzuhalten, dass sich die Antragstellerin am … für den … bei ihrem unmittelbaren Vorgesetzten … krankmeldete und auch erwähnte, dass sie am Mittwoch nach … fahren werde. Außerdem konnte sie davon ausgehen, dass auch die Vorständin des FA römisch zehn als Vertreterin des FA römisch zehn zur Sitzung der B-GBK eingeladen worden war und also Kenntnis von der Teilnahme der Antragstellerin hatte. Die Vorständin des FA römisch zehn bestritt auch nicht As Vorbringen, nämlich dass eine Gesundmeldung nicht üblich sei, wenn klar sei, dass ein Krankenstand lediglich einen Tag dauere und eine entsprechende ärztliche Bestätigung beigebracht werde. Aus diesen Gründen ist für den Senat der Vorwurf der Vorständin des FA römisch zehn an A wegen der Gesundmeldung nicht gerechtfertigt, sondern eine überzogene Reaktion auf Grund der Einleitung des Verfahrens vor der B-GBK im ….

Zur Ablehnung der Teilnahme von A am Seminar „Führen-Fordern-Fördern“, weil die Vorständin des FA römisch zehn das Gutachten der B-GBK abwarten und die Ausführungen der Kommission „in eine Neubetrachtung der Situation miteinbeziehen“ habe wollen, stellt der Senat fest, dass diese Erklärung nicht glaubwürdig ist. Die Kommission hatte in dem im Jahr … von A angestrengten Verfahren zu prüfen, ob A bei der Besetzung der Leitung des Strafamtes im FA römisch zehn auf Grund des Geschlechtes und des Alters diskriminiert worden war. Es ist nicht nachvollziehbar, welche „Situation“ nach Abschluss dieses Verfahrens „neu“ zu bewerten wäre und inwiefern das Gutachten der B-GBK eine Entscheidungshilfe für die Genehmigung oder Nichtgenehmigung der Teilnahme von A an einer Fortbildung zum Thema „Führen-Fordern-Fördern“ sein sollte, zumal die Vorständin des FA römisch zehn in eben diesem Verfahren monierte, dass A keine Fortbildungen zum Erwerb von Führungskompetenz absolviert habe.

Mangels einer sachlich begründeten Ablehnung dieses Seminarbesuches stellt der Senat fest, dass die Nichtgenehmigung als Reaktion auf die Einleitung des Verfahrens vor der B-GBK im Jahr … erfolgte und somit ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des §20b B-GlBG vorliegt.

Die Ablehnung des Seminares „Gelassenheit in Beruf und Alltag“ begründete As Vorgesetzter mit einem akuten Personalengpass, der längeren krankheitsbedingten Absenz der Antragstellerin und mit zu erwartenden Absenzen durch andere beantragte Ausbildungsmaßnahmen. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, dass die Teilnahme einer/eines Bediensteten an einem bloß zweitägigen Seminar die Arbeitssituation gravierend (weiter) verschlechtern können soll. Weiters erscheint es fragwürdig, auf Grund einer im … bestehenden Arbeitssituation einen Seminarbesuch im … abzulehnen. Nachdem diese Ablehnung zwei Tage nach der Senatssitzung erfolgte und As Vorgesetzter Kenntnis von diesem Verfahren hatte vergleiche Seite 4), ist nicht auszuschließen, dass auch diese Ablehnung als Reaktion auf die Einleitung des Verfahrens vor der B-GBK im Jahr … erfolgte.

Wien, … Jänner 2020