Entscheidende Kommission

Gleichbehandlungskommission

Senat

I

Entscheidungsart

Einzelfallprüfungsergebnis

Geschäftszahl

GBK I/649/15

Entscheidungsdatum

20.03.2018

Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Sexuelle Belästigung durch Dritten

Text

Senat römisch eins der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß Paragraph 12, GBK/GAW-Gesetz

Bundesgesetzblatt Nr. 108 aus 1979, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 107 aus 2013,)

Der Senat römisch eins der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 20. März 2018 über den am 19. Oktober 2015 eingelangten Antrag der rechtsfreundlichen Vertretung von Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 3, GlBG Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 66 aus 2004, in der Fassung BGBl. römisch eins Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) durch Herrn B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß Paragraph 12, GBK/GAW-Gesetz in Verbindung mit Paragraph 11, der Gleichbehandlungskommissions-GO Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 396 aus 2004, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 275 aus 2013,), zu GZ GBK I/649/15, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

Frau A ist auf Grund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 3, GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat römisch eins der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und des Antragsgegners vom 20. März 2018. Als weitere Auskunftspersonen wurden Herr Betriebsrat C, Frau Betriebsrätin D, Frau E und Frau F am 20. März 2018 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat römisch eins der GBK in seiner Entscheidungsfindung auf die schriftliche Stellungnahme von Herrn C sowie die schriftliche Stellungnahme von Frau D. Weiters lag dem Senat die Broschüre „…“ des …betriebsrates … vor.

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin habe ihr Dienstverhältnis zur römisch zehn AG am 1. September 2015 [sic!] begonnen. Im August 2013 sei sie zur stellvertretenden Filialleiterin der Filiale … bestellt worden. Ab diesem Zeitpunkt habe die Antragstellerin direkten Kontakt mit dem Antragsgegner, der als Regionalmanager der römisch zehn AG in diesem Gebiet eingesetzt sei, gehabt. Schon zu Zeiten, als die Antragstellerin Stellvertreterin gewesen sei, habe der Antragsgegner begonnen ihr mitzuteilen, dass er sie so hübsch fände. Der Antragstellerin sei dies unangenehm gewesen, weil sie mit dem Antragsgegner nur beruflichen Kontakt gewollt habe.

Als die Antragstellerin dann am 1. Juni 2014 zur Filialleiterin der Filiale … bestellt worden sei, habe er nach ihrem Eindruck begonnen zudringlich zu werden. Er habe die Antragstellerin gefragt, ob sie einen Freund habe. Er habe sie ferner einmal Schatzi genannt, wobei er sich später dafür entschuldigt habe. Wenn die Antragstellerin und der Antragsgegner gemeinsam im Büro gesessen seien, um Agenden zu besprechen, sei es vorgekommen, dass er seine Hand auf ihrem Oberschenkel platziert habe.

Am 23. Juni 2015 [sic!] sei Wirtschaftsjahresinventur gewesen, weswegen das Datum der Antragstellerin noch in Erinnerung sei. Die Antragstellerin sei zu einem Zeitpunkt während der Wirtschaftsjahresinventur im Bereich der Tür der Filiale gestanden. Der Antragsgegner habe an ihr vorbeigehen wollen, was ohne Kontakt leicht möglich gewesen wäre, weil genug Platz vorhanden gewesen sei. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin allerdings an der Hüfte genommen und diese sanft weggeschoben, um an ihr vorbeigehen zu können.

Ferner habe der Antragsgegner einmal die Schultern der Antragstellerin massiert, während eine Kollegin anwesend gewesen sei. Zuvor seien sowohl der Antragsgegner als auch die Antragstellerin auf Sesseln nebeneinander im Büro gesessen. Plötzlich sei er aufgestanden und habe begonnen die Antragstellerin an den Schultern zu massieren, ohne dass diese ihn dazu aufgefordert hätte oder irgendwie signalisiert hätte, dass sie Berührungen dieser Art dulden würde.

Auf der Weihnachtsfeier 2014 habe der Antragsgegner der Antragstellerin einen Handkuss gegeben und im Laufe der Weihnachtsfeier zu einem Freund von ihm gemeint, als die Antragstellerin gegenüber gesessen sei: „Was hältst du denn von der?“.

Der Antragstellerin sei dieses Verhalten des Antragsgegners sehr unangenehm gewesen. Bei manchen Besuchen in der Filiale sei der Antragsgegner als Regionalmanager erfreulicherweise sehr distanziert gewesen. Bei anderen Besuchen sei er dann wieder zu kontaktfreudig gewesen. Insgesamt sei es ca. 10 Mal zu Belästigungen gekommen, wie sie oben geschildert worden seien. Das hätten auch Kollegen der Antragstellerin in der Filiale wahrgenommen. Diese hätten auch gemerkt, dass ihr das Verhalten des Antragsgegners unangenehm gewesen sei.

Diese Kollegen hätten der Antragstellerin geraten, sich das Verhalten des Antragsgegners nicht gefallen zu lassen und sich zur Wehr zu setzen. Die Antragstellerin habe in Folge um ihre Versetzung beim Antragsgegner in seiner Eigenschaft als Regionalmanager angesucht, wobei zu diesem Zeitpunkt der Antragsgegner ebenfalls bereits der Meinung gewesen sei, dass die Antragstellerin versetzt werden sollte. Dies sei aber nach dem Eindruck der Antragstellerin darauf zurückzuführen gewesen, dass er bereits von einem neuen Kollegen erfahren gehabt habe, dass sie das Verhalten des Antragsgegners kritisch sehe und die Kollegen ihr zureden würden, dieses Verhalten zur Anzeige zu bringen. Dieser neue Kollege, Herr G, habe zuvor schon der Stellvertreterin der Antragstellerin erzählt, dass er nach dem Willen des Antragsgegners direkt nach seinem Präsenzdienst Filialleiter der Filiale … an Stelle der Antragstellerin werden würde. Der Antragsgegner habe in weiterer Folge behauptet, dass die Filiale nicht gut geführt werden würde. Die Antragstellerin habe im Zuge ihrer Bitte um Versetzung ausdrücklich darum ersucht, dass sie etwas weiter von … wegkomme, zB nach …. Damit habe sie erreichen wollen, dass sie nicht mehr im Rayon des Antragsgegners tätig sei. Dieser habe ihr allerdings nur die Filiale … angeboten, wobei die Antragstellerin diese nicht akzeptieren habe wollen, weil sie dort in seinem Rayon verblieben wäre. Weiters sei der Antragstellerin die Filiale … angeboten worden, welche jedoch ebenfalls im Rayon des Antragsgegners liege.

Auf Grund dessen habe sich die Antragstellerin zur Kündigung des Dienstverhältnisses mit der römisch zehn AG entschlossen. Der Antragsgegner streite nunmehr jegliche Form von Belästigung ab.

In der auf Ersuchen des Senates römisch eins der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung für den Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 30. November 2015 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Die erhobenen Beschuldigungen der sexuellen Belästigung würden bestritten werden und würden einen Versuche darstellen, den Antragsgegner im Nachhinein zu diffamieren.

Der Antragsgegner sei seit 14 Jahren als Führungskraft bei der römisch zehn AG tätig. Er lebe in einer Lebensgemeinschaft und habe mit seiner Lebensgefährtin zwei gemeinsame Töchter (die zweite Tochter sei im Sommer dieses Jahres geboren worden). Es sei während des Dienstverhältnisses zu keiner Zeit zu irgendwelchen Beschwerden über das Verhalten des Antragsgegners gekommen. Auch im Übrigen habe es keinerlei Beschwerden über das Verhalten des Antragsgegners als Dienstvorgesetzter gegenüber seinen Mitarbeitern gegeben.

Zur Antragstellerin sei auszuführen, dass diese bei der römisch zehn AG zunächst als Lehrling in der Filiale … begonnen habe. Die Antragstellerin sei vom Regionalmanager und Betriebsrat C eingestellt worden. Die Antragstellerin habe nach Beendigung ihrer Lehre mit 12. August 2013 in die Filiale … als Marktmanager-Stellvertretung gewechselt. Ab 1. Dezember 2013 habe der Antragsgegner die Filiale … übernommen, ab diesem Zeitpunkt sei die Antragstellerin sohin unter dem Antragsgegner als Dienstnehmerin tätig gewesen.

Zur Zeit der Übernahme der Filiale sei noch Herr H als Marktmanager und Dienstvorgesetzter in der Filiale tätig gewesen. Nachdem dieser die Chance erhielt eine umsatzstärkere Filiale zu übernehmen, habe sich der Antragsgegner entschieden, die Antragstellerin als Marktmanager (trotz ihres noch jungen Alters) zu befördern und ihr eine Chance als Marktmanagerin zu geben.

Doch habe sich nach Übernahme der Filiale durch die Antragstellerin gezeigt, dass diese offenbar mit der neuen Tätigkeit überfordert gewesen sei. Es hätten sich insbesondere Missstände hinsichtlich Personalführung, Frische und Sauberkeit gehäuft, welche auch regelmäßig mit der Antragstellerin besprochen worden seien. Leider hätten diese Interventionen auch keine Verbesserungen gebracht. Diese Missstände seien auch von BR C wahrgenommen worden.

Von Seiten des Antragsgegners sei darauf entschieden worden, dass die Antragstellerin nicht weiter als Marktmanagerin in der Filiale tragbar sei, da es ihr noch an Erfahrung fehle. Um diese Erfahrung zu sammeln, habe der Antragsgegner ihr angeboten als Marktmanager-Stellvertreterin bzw. als Tagesvertretung entweder in ihre alte Filiale zurückzukehren oder in die Filiale … zu wechseln. Die Antragstellerin habe sich gewünscht, in der Filiale … eingesetzt zu werden, da diese ihrem Wohnort am nächsten gewesen sei. Der Antragsgegner habe versucht auch diesem Wunsch zu entsprechen, wobei diese Filiale nicht in seinem Rayon liege. Mit dem zuständigen Regionalmanager römisch eins sei besprochen worden, dass dort zu diesem Zeitpunkt keine Stelle frei gewesen sei, sobald jedoch eine Stelle frei werde, sie diese antreten könne.

Zu keiner Zeit habe die Antragstellerin verlangt, nicht unter dem Regionalmanager B eingesetzt zu werden. Die Entscheidung, der Antragstellerin die Position als Marktmanagerin wieder zu entziehen, sei jedoch sicherlich für die Antragstellerin enttäuschend gewesen. Es sei aber klar kommuniziert worden, dass es ihr schlicht noch an der entsprechenden Erfahrung fehle und sie diese noch sammeln müsse, es also noch zu früh gewesen sei für eine Leitungsposition.

Unrichtig sei, dass Herr G als Filialleiter für die Filiale … vorgesehen gewesen wäre. Dieser sei nach wie vor nicht als Marktmanager vorgesehen und verfüge (noch) nicht über die erforderliche Erfahrung. Es habe auch kein derartiges Gespräch zwischen Herrn G und dem Antragsgegner stattgefunden.

Die Antragstellerin habe schließlich in die Filiale … wechseln sollen. Als der Antragsgegner die Antragstellerin in der Filiale … abholen habe wollen, um sie der neuen Marktmanagerin vorzustellen, habe sie ihm mitgeteilt, dass sie das Dienstverhältnis kündigen wolle. Das Dienstverhältnis sei in weiterer Folge nach Rücksprache mit dem BR C und der BRin D im Einvernehmen aufgelöst worden. Frau BRin D habe hierbei auch die Filiale aufgesucht und mit der Antragstellerin über die Beendigungsgründe gesprochen.

Zu den im Schreiben erhobenen Vorwürfen bzw. angeblichen Vorfällen sei festzuhalten:

Der Antragsgegner habe sich gegenüber der Antragstellerin zu keiner Zeit zudringlich oder sonst belästigend verhalten oder sie sonst zudringlich berührt. Er habe weder seine Hand auf dem Oberschenkel der Antragstellerin platziert, noch sie bei der Hüfte genommen oder diese an den Schultern massiert.

Bezeichnend sei, dass sich die Antragstellerin an einen Vorfall anlässlich einer Jahresinventur am 23. Juni 2015 erinnere. Zu diesem Zeitpunkt sei die Antragstellerin nicht mehr in der Filiale tätig gewesen.

Dazu sei auch darauf hinzuweisen, dass während der Tätigkeit der Antragstellerin in der Filiale keine Jahresinventur durchgeführt worden sei. Ein solcher Vorfall habe auch schlicht nicht stattgefunden.

Bei der Weihnachtsfeier 2014 möge es sein, dass der Antragsgegner der Antragstellerin (wie auch anderen Dienstnehmerinnen) bei der Verabschiedung einen Handkuss gegeben habe. Dies sei aber keinesfalls als Zudringlichkeit gedacht gewesen, sondern als antiquierte Geste der Wertschätzung, wie sie früher gegenüber Damen aus höheren Gesellschaftskreisen üblich gewesen sei. Bei der Weihnachtsfeier seien zudem auch die Lebensgefährtin des Antragsgegners bzw. seine erstgeborene Tochter anwesend gewesen. Auch das behauptete Gespräch mit einem Freund habe sich nicht zugetragen.

Völlig unverständlich sei sohin die Behauptung, es hätte mehr als zehn derartige Vorfälle gegeben.

Auch an die Betriebsräte seien die von der Antragstellerin erhobenen Behauptungen weder von ihr selbst noch etwa gerüchteweise über andere Mitarbeiter herangetragen worden.

Die Antragstellerin habe sich zu keiner Zeit während des Dienstverhältnisses über das Verhalten des Antragsgegners beschwert, wiewohl sie viele Gelegenheiten dazu gehabt hätte: so etwa beim vormaligen zuständigen Regionalmanager C (und zudem ihr vormaliger Förderer, Bekannter der Familie und Betriebsrat), bei der zuständigen Betriebsrätin oder den sonstigen im Konzern zur Verfügung stehenden Kontaktpersonen. Im Zeitraum der Beendigung der Tätigkeit der Antragstellerin sei im Unternehmen zudem eine Mitarbeiterinformation des Konzernbetriebsrats in allen Filialen aufgelegt worden, in welchen über die Möglichkeiten im Falle von Belästigungen aufgeklärt worden sei. Keine einzige dieser Möglichkeiten seien von der Antragstellerin genützt worden.

Selbst im Zuge der Auflösung des Dienstverhältnisses habe sie sich gegenüber den Betriebsräten C und D über das Verhalten des Antragsgegners nicht beschwert.

Herrn C sei auch die Familie der Antragstellerin persönlich bekannt. Auch Herrn C seien zu keiner Zeit irgendwelche Beschwerden über das Verhalten des Antragsgegners zugetragen worden.

Es scheine sich bei den Anschuldigungen aus heutiger Sicht ausschließlich um eine späte Rache an den ehemaligen Dienstvorgesetzten zu handeln, da sie von der Position als Marktmanagerin wieder enthoben worden sei und dies nicht überwunden habe.

Die behauptete Diskriminierung liege sohin nicht vor.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 3, GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes auch vor, wenn eine Person durch Dritte im Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis sexuell belästigt wird.

Gemäß Paragraph 6, Absatz 2, Ziffer eins, GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

Als Dritte im Sinne des Paragraph 6, GlBG kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so zB ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.2

Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise anzügliche – wenn es auch in „Komplimente“ verpackte – Bemerkungen über Figur und sexuelles Verhalten im Privatleben, („zufällige“) Körperberührungen.3

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.4

Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Wie aber bereits erwähnt, kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.5

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des Paragraphen 3,, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß Paragraph 12, Absatz 12, GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf Paragraphen 6, oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat römisch eins der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, der Antragsgegner sei ihr mehrmals körperlich näher gekommen, indem er u.a. im Büro nahe bei ihr gesessen und seine Hand auf ihrem Oberschenkel platziert habe; ihr einmal in Anwesenheit einer Kollegin unaufgefordert die Schultern massiert habe; ihre Hüfte berührt habe um an ihr vorbeigehen zu können, obwohl dies auch ohne Körperberührung möglich gewesen wäre; ihr auf der Weihnachtsfeier einen Handkuss gegeben habe; weiters habe er ihr mitgeteilt, dass sie so hübsch sei; sie gefragt, ob sie einen Freund habe; sie einmal „Schatzi“ genannt und im Zuge der Weihnachtsfeier zu einem Freund, der gegenüber der Antragstellerin gesessen sei, gemeint „Was hältst du denn von der?“, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin ihr Dienstverhältnis zur römisch zehn Aktiengesellschaft am 1. September 2010 in der Filiale … begann. Am 12. August 2013 wurde sie zur stellvertretenden Filialleiterin der Filiale … bestellt, in der Folge zur Filialleiterin. Der Antragsgegner war als Regionalmanager in diesem Gebiet eingesetzt und ab 1. Dezember 2013 für die gegenständliche Filiale zuständig. Das Arbeitsverhältnis wurde schließlich im Jahr 2015 auf Wunsch der Antragstellerin beendet.

Die Antragstellerin konnte die Vorwürfe gegen den Antragsgegner in ihrem schriftlichen Vorbringen sowie ihrer ergänzenden mündlichen Befragung glaubhaft darlegen. In der mündlichen Befragung widerholte sie in die erhobenen Vorwürfe gegen den Antragsgegner ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag.

Durch die Aussagen der ehemaligen Arbeitskolleginnen der Antragstellerin, Frau E und Frau F, wurde das Vorbringen der Antragstellerin im Wesentlichen bestätigt.

Frau E konnte aus persönlicher Wahrnehmung bestätigen, dass der Antragsgegner die Antragstellerin im Büro am Oberschenkel berührt habe. Weiters habe sie gesehen, dass er ihre Schultern massiert habe, wobei sie der Antragstellerin angesehen habe, dass ihr die Massage unangenehm gewesen sei.

Frau F sei einige Male aufgefallen, dass der Antragsgegner, wenn die Antragstellerin im Büro gesessen sei, ihr immer so nahe gekommen sei. Es sei seine Art gewesen. Er habe den Abstand nicht gewahrt. Von weiteren Handlungen und Bemerkungen habe die Antragstellerin ihr erzählt.

Zu fehlender Distanz brachte die Antragstellerin in der mündlichen Befragung ergänzend eine Situation vor, in der sie auf einer Stehleiter gestanden und der Antragsgegner auf der anderen Seite zu ihr nach oben geklettert sei.

Einige der vorgeworfenen Äußerungen und Verhaltensweisen wurden im Wesentlichen auch durch den Antragsgegner bestätigt, auch wenn er jegliche sexuelle Komponente abstritt.

Der Antragsgegner brachte in der mündlichen Befragung etwa vor, dass auf der Weihnachtsfeier ein Handkuss stattgefunden haben möge, jedoch „nie und nimmer in einer zudringlichen Art und Weise“. Gefragt, wie ein Handkuss von Seiten einer Mitarbeiterin zu verstehen gewesen sei, führte der Antragsgegner aus, dass er sich nicht vorstellen könne, dass man das falsch interpretieren könne. Ob er es für ein adäquates Verhalten gegenüber einer Angestellten halte, beantwortete er entgegen den Ausführungen in der Stellungnahme („antiquierte Geste der Wertschätzung“) mit „Das weiß ich jetzt wirklich nicht“.

Zum Vorbringen, er habe im Zuge der Weihnachtsfeier zu einem Freund gemeint „Was hältst du von der?“, gab der Antragsgegner an, dass möglicherweise ein Freund an der Bar gewesen sei und führte weiter aus „Es war ein netter Abend. Da ist sicher nichts falsch gelaufen.“

Hinsichtlich der Berührung an der Hüfte bestritt der Antragsgegner zwar den Zeitpunkt, so habe es – wie von Frau E bestätigt – keine Jahresinventur gegeben, räumte jedoch ein „Vielleicht bin ich wo angekommen. Aber sicher nicht, dass ich sie zur Seite geschoben habe“. Im Übrigen führte Frau E aus, dass es regelmäßig Inventuren gegeben habe.

Den Vorwurf, er habe die Antragstellerin Schatzi genannt, bestritt der Antragsgegner nicht explizit, sondern gab an „Wüsste ich nicht. Nein, das weiß ich wirklich nicht“.

Dass er die Antragstellerin am Oberschenkel berührt, sie an den Schultern massiert und ihr Aussehen kommentiert habe, verneinte der Antragsgegner.

Die Antragstellerin wurde vom Antragsgegner in der Stellungnahme damit konfrontiert, der gegenständliche Antrag sei ausschließlich eine Reaktion auf die Herabstufung zur stellvertretenden Filialleiterin. Allein aus der Tatsache, dass die Antragstellerin ihrer Position als Filialleiterin wieder enthoben wurde, lässt sich für den Senat nicht ableiten, dass die Vorwürfe der Antragstellerin nicht den Tatsachen entsprechen würden. Die Vorwürfe wurden zudem auch nicht nur durch die Antragstellerin selbst erhoben, sondern – wie oben ausgeführt – auch durch die glaubwürdigen Aussagen von Arbeitskolleginnen gestützt.

Die gefallenen Äußerungen und Verhaltensweisen des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin sind nach Ansicht des Senates der sexuellen Sphäre zuzuordnen. Die Verhaltensweisen haben die subjektive Grenze der Antragstellerin überschritten und waren für sie unerwünscht. Zudem wurde dadurch nach Auffassung des Senates die Würde der Antragstellerin verletzt und für diese ein demütigendes und feindseliges Arbeitsumfeld geschaffen.

An dieser Stelle ist nochmals hervorzuheben, dass die Grenze, welche Verhaltensweisen für eine Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig sind, eben nicht nach objektiven Maßstäben festgelegt, sondern von jeder Person selbst gezogen wird. Dieser Hinweis erscheint vor allem im Hinblick auf das Vorbringen des Antragsgegners zur Rechtfertigung des Handkusses von Bedeutung. Ein Handkuss mag für eine Arbeitnehmerin die Grenze nicht überschreiten, kann jedoch für eine andere Arbeitnehmerin durchaus eine unangebrachte Verhaltensweise sein. Es steht der Antragstellerin zu, ihre eigene subjektive Grenze anders zu ziehen als andere Mitarbeiterinnen und sie muss ein derartiges Verhalten in ihrem Arbeitsumfeld – und dazu gehören auch Weihnachtsfeiern, die im Arbeitszusammenhang organisiert werden – nicht hinnehmen.

Zum Umstand, dass die Antragstellerin sich über das Verhalten des Antragsgegners – trotz Anraten ihrer Kolleginnen – nicht beschwert hat, ist abschließend festzuhalten, dass eine Zurückweisung des belästigenden Verhaltens, in welcher Form auch immer, keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd Paragraph 6, Absatz 2, Ziffer eins, GlBG ist.6

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des Paragraph 12, Absatz 12, GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 3, GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß Paragraph 12, Absatz 3, GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Absatz 3, nicht entsprochen, kann gemäß Paragraph 12, Absatz 4, GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat römisch eins der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, Herr B, gemäß § 12 Absatz 3, GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und werden folgende Vorschläge zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

1.     Leistung eines angemessenen Schadenersatzes,

2.     Schulung zum Gleichbehandlungsgesetz.

Wien, 20. März 2018

Mag.a Stefanie Mandl, MA

Stv. Vorsitzende des Senates römisch eins der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) Paragraph 6, Rz 9.

3  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, Paragraphen 6 -, 7, Rz 76f; OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) Paragraph 6, Rz 12.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) Paragraph 6, Rz 28.

6  OGH 20.04.2017, 9ObA38/17d; RIS-Justiz, RS0131404.