Entscheidende Kommission

Gleichbehandlungskommission

Senat

I

Entscheidungsart

Einzelfallprüfungsergebnis

Geschäftszahl

GBK I/612/15-M

Entscheidungsdatum

29.11.2017

Diskriminierungsgrund

Mehrfachdiskriminierung

Diskriminierungstatbestand

Belästigung (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit)

Text

Senat römisch eins der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß Paragraph 12, GBK/GAW-Gesetz

Bundesgesetzblatt Nr. 108 aus 1979, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 107 aus 2013,)

Der Senat römisch eins der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 29. November 2017 über den am 4. Februar 2015 bei Senat römisch II eingelangten und am 29. April 2015 zuständigkeitshalber an Senat römisch eins abgetretenen Antrag von Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes und der ethnischen Zugehörigkeit durch eine Belästigung durch Dritte gemäß Paragraphen 7, Absatz eins, Ziffer 3 und 21 Absatz eins, Ziffer 3 G, l, B, G, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 66 aus 2004, in der Fassung BGBl. römisch eins Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) durch Herrn B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß Paragraph 12, GBK/GAW-Gesetz in Verbindung mit Paragraph 11, der Gleichbehandlungskommissions-GO Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 396 aus 2004, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 275 aus 2013,), zu GZ GBK I/612/15-M, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

1.     Frau A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 3, GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.

2.     Frau A ist aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit durch eine Belästigung gemäß Paragraph 21, Absatz eins, Ziffer 3, GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat römisch eins der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und des Antragsgegners vom 29. November 2017. Als weitere Auskunftspersonen wurden Frau C und Herr D am 29. November 2017 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat römisch eins der GBK in seiner Entscheidungsfindung auf die schriftliche Eingabe der Antragstellerin sowie die Niederschriften des römisch zehn (kurz: ...) zu den Befragungen von Frau E, Frau F, Frau G und Herrn D vom 30. Jänner 2015.

Vorbringen

Im Antrag und der nachfolgenden Konkretisierung wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei von 1. Dezember 2014 bis 22. Jänner 2015 bei der Y GmbH als Reinigungskraft beschäftigt gewesen. Der Antragsgegner arbeite auf der Station „Z“ im Y, wo die Antragstellerin zum Zeitpunkt des Vorfalls seit ca. einer Woche tätig gewesen sei.

Die Antragstellerin sei am 20. Jänner 2015 um 14:00 Uhr eine Zigarette rauchen gegangen. Später sei auch der Antragsgegner dazugekommen. Es seien insgesamt vier Frauen, mit ihr gerechnet, und zwei Männer, inklusive Antragsgegner, gewesen.

Als die Antragstellerin Richtung Garderobe gehen habe wollen, habe der Antragsgegner zu ihr gesagt: „Hey du da, komm, komm, nimm das Häferl da mit.“ Die Antragstellerin habe sich umgedreht und ihn gefragt: „Wie bitte?“ Er habe es wieder zu ihr gesagt. Sie habe zum Antragsgegner gesagt: „Man sagt, bitte könntest du das Häferl mitnehmen.“ Nur weil sie hier Reinigungsdame und Raumpflegerin sei, könne er nicht so mit ihr umgehen. Es gehöre an sich nicht zu ihren Aufgaben als Reinigungskraft, sie habe es trotzdem gemacht. Sie habe sich wieder umgedreht und in die Garderobe hinein gewollt, als sie ihn „schiache Sau“ habe sagen hören.

Nachdem sie den Vorfall bei der Stationsschwester gemeldet gehabt habe, sei der Antragsgegner zu dem Vorfall befragt worden. Er habe alles abgestritten und dann zu der Antragstellerin gemeint, er hätte überhaupt nichts gesagt und sie hätte ihn wohl nicht verstanden aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse. Dies habe sie neuerlich als Beleidigung aufgefasst, da sie in Österreich geboren und zur Schule gegangen sei und ausgezeichnete Deutschkenntnisse besitze.

Die Antragstellerin habe sich mies gefühlt und sei gedemütigt und verletzt worden.

In der auf Ersuchen des Senates römisch eins der GBK vom Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 26. Juni 2015 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Die von der Antragstellerin ihm zur Last gelegte Äußerung „schiache Sau“ habe er nicht geäußert.

Im Antrag der Antragstellerin werde behauptet, dass es sich bei dem schmutzigen Häferl um sein schmutziges Häferl gehandelt habe. Diese Behauptung sei unrichtig: es habe sich nicht um ein von ihm verschmutztes Häferl gehandelt. Nur in der Niederschrift (...) vom 30. Jänner 2015 von Herrn D sei im Protokoll von einer Kaffeetasse zu lesen, die aber keiner Person zugeordnet worden sei.

Die Antragstellerin behaupte, er hätte ihr mangelnde Deutschkenntnisse unterstellt und sie damit beleidigt. Er habe bei der ersten Befragung zu dem Vorfall bei Frau Oberschwester C geäußert, dass es sich um ein Missverständnis handeln könnte. Von Deutschkenntnissen habe er in diesem Zusammenhang nie gesprochen.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 3, GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes auch vor, wenn eine Person durch geschlechtsbezogene Verhaltensweisen durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.

Gemäß Paragraph 7, Absatz 2, Ziffer eins, GlBG liegt geschlechtsbezogene Belästigung vor, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

Als Dritte im Sinne des Paragraph 7, kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so zB ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.2

Die geschlechtsbezogene Belästigung bezieht sich sowohl auf das biologische Geschlecht an sich, d.h. auf die Unterscheidung zwischen Mann und Frau, als auch auf daran anknüpfende Rollenzuweisungen. Unter geschlechtsbezogenes Verhalten sind jene Verhaltensweisen zu subsumieren, die die Betroffenen aufgrund ihres Geschlechtes belästigen, die aber nicht mit sexuellem Verhalten zu tun haben. Kern der Belästigung im Sinne des Paragraph 7, ist das Abzielen auf das bloße Geschlecht.3

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.4

Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der geschlechtsbezogenen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Wie aber bereits erwähnt, kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.5

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des Paragraphen 3,, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß Paragraph 12, Absatz 12, GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf Paragraphen 6, oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat römisch eins der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfs der Antragstellerin, der Antragsgegner habe sie als „schiache Sau“ tituliert, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin von 1. Dezember 2014 bis 22. Jänner 2015 bei der Y GmbH als Reinigungskraft im römisch zehn beschäftigt war. Der Antragsgegner war zu diesem Zeitpunkt im Bereich Z als Krankenpfleger beschäftigt. Die Antragstellerin war dem Bereich als Springerin zugeteilt.

Das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin war für den erkennenden Senat glaubhaft. Auch bei der ergänzenden Befragung durch den Senat machte die Antragstellerin einen glaubwürdigen Eindruck. Sie wiederholte das behauptete Vorbringen, sich durch die Aussage des Antragsgegners belästigt gefühlt zu haben, ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag und ihrer Eingabe an das römisch zehn. Die Schilderung ihrer Betroffenheit, dass sie sich gedemütigt und verletzt gefühlt habe, erschien dem erkennenden Senat authentisch.

Die Schilderung des Antragsgegners in der mündlichen Befragung, wonach er die Antragstellerin ersucht habe, die Kaffeetasse mitzunehmen, stimmte weitestgehend mit dem Vorbringen der Antragstellerin überein, und wurde auch von Herrn D und Frau E in deren Niederschriften vom 30. Jänner 2015 wiedergegeben. Der Antragsgegner bestritt jedoch, die Aussage „schiache Sau“ getätigt zu haben. Das Vorbringen des Antragsgegners, er habe gegenüber der Antragstellerin nicht diese Bezeichnung verwendet, erscheint insofern unglaubwürdig, als Frau G das Verhalten des Antragstellers folgendermaßen beschrieb: Der Antragsgegner habe „schon seine eigene Art“. Er sei „aufbrausend“ und es habe den Eindruck, als hätte er sich „nicht unter Kontrolle“. Nach 10 bis 30 Minuten sei alles wieder in Ordnung. Der Niederschrift zur Aussage von Herrn D ist zu entnehmen: der Antragsgegner „schreit öfter, aber das ist seine Art“. In der mündlichen Befragung führte Herr D ergänzend aus, dass der Antragsgegner ein bisschen aggressiv sei. Er habe einen Dialekt, manchmal würden ihn die Kollegen nicht verstehen. Sie würden vielleicht denken, er schimpfe. Dass sich die beiden anderen befragten Kolleginnen, Frau E und Frau F, in der Niederschrift durchwegs positiv über den Antragsgegner äußerten, kann nach Auffassung des Senates das Vorbringen der Antragstellerin nicht entkräften, zumal alle genannten KollegInnen in einem aufrechten Dienstverhältnis zum römisch zehn standen.

Die Bezeichnung „schiache Sau“ ist nach Ansicht des Senates klar eine geschlechtsbezogene Äußerung. Sie hat die subjektive Grenze der Antragstellerin überschritten. Die Antragstellerin fühlte sie sich durch die in Gegenwart mehrerer anwesenden Personen – mag sich auch aus den erwähnten Niederschriften nicht ergeben, dass die übrigen Anwesenden eine derartige Aussage wahrgenommen haben – direkt an sie gerichtete Bezeichnung in ihrer Position herabgemindert. Die Äußerung war nach Auffassung des Senates zudem geeignet die Würde der Antragstellerin zu verletzen und ein demütigendes und feindseliges Arbeitsumfeld zu schaffen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des Paragraph 12, Absatz 12, GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung gemäß Paragraph 21, Absatz eins, Ziffer 3, GlBG vor.

Gemäß Paragraph 21, Absatz eins, Ziffer 3, GlBG liegt eine Diskriminierung nach Paragraph 17, auch vor, wenn eine Person durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.

Gemäß Paragraph 26, Absatz 12, GlBG hat eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand iSd Paragraphen 17,, 18 oder 21 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen. Dem/Der Beklagten obliegt es bei der Berufung auf Paragraph 21, GlBG, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Zu überprüfen war das Vorbringen der Antragstellerin, der Antragsgegner habe ihren Vorwurf, sie „schiache Sau“ genannt zu haben, damit abgestritten, dass er ihr mangelnde Deutschkenntnisse unterstellt habe.

Der Antragsgegner bestritt zwar den diesbezüglichen Vorwurf, räumte jedoch in der Stellungnahme ein, gegenüber Frau C geäußert zu haben, dass es sich um ein Missverständnis handeln könnte.

Vor diesem Hintergrund erscheint das Vorbringen der Antragstellerin, der Antragsgegner habe zu ihr gesagt „wer weiß, was du verstanden hast“, als ob sie kein Deutsch verstehen würde, glaubwürdig.

In Zusammenschau mit der oben festgestellten geschlechtsbezogenen Belästigung war diese Aussage nach Ansicht des Senates geeignet, die Antragstellerin auch im Hinblick auf ihre ethnische Zugehörigkeit zu belästigen.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit durch eine Belästigung gemäß Paragraph 21, Absatz eins, Ziffer 3, GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß Paragraph 12, Absatz 3, GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Absatz 3, nicht entsprochen, kann gemäß Paragraph 12, Absatz 4, GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat römisch eins der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, Herrn B, gemäß § 12 Absatz 3, GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 29. November 2017

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates römisch eins der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) Paragraph 6, Rz 9.

3  Vgl. ebenda Paragraph 7, Rz 3.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) Paragraph 6, Rz 12.

5  Vgl. ebenda Paragraph 6, Rz 28.