Bundesministerium

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

Abteilung

IV/SCH2

Geschäftszahl

BMVIT-220.031/0002-IV/SCH2/2014

Genehmigungsdatum

24.07.2014

Inkrafttretensdatum

24.07.2014

Titel

Richtlinien, Rundschreiben und Erlässe

Beiziehung von Sachverständigen in eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren

Text

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2013, Zl. G 118/2012 die Bestimmung des Paragraph 31 a, Absatz eins, letzter Satz EisbG („Für das oder die Gutachten gilt die widerlegbare Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit.“) aufgehoben. Aus diesem Anlass wurde an die Oberste Eisenbahnbehörde die Frage gerichtet, in welcher Form und welchem Umfang die seitens der Bewilligungswerberin vorgelegten Privatgutachten nach Paragraph 31 a, EisbG von der Eisenbahnbehörde selbst zu prüfen sind und/oder inwieweit der Behörde zuzurechnende Sachverständige (Amtssachverständige und nichtamtliche Sachverständige) dem Bauverfahren jedenfalls zusätzlich beizuziehen sind. Im Hinblick auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vertritt die Behörde zu den aufgeworfenen Fragestellungen nachstehende Rechtsansicht:

Zunächst ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof lediglich Paragraph 31 a, Absatz eins, letzter Satz EisbG in Prüfung gezogen hat, obwohl Paragraph 31 a, EisbG zur Gänze im Beschwerdeverfahren anzuwenden war. Die Pflicht zur Vorlage des bzw. der Gutachten nach Paragraph 31 a, EisbG selbst wurde somit nicht als verfassungsrechtlich problematisch angesehen, obwohl das Erfordernis der Vorlage von Gutachten, die im Ermittlungsverfahren gar nicht berücksichtigt werden dürften oder unabhängig vom inneren Beweiswert des Gutachtens nach Paragraph 31 a, EisbG jedenfalls auch Gutachten durch Amtssachverständige oder von der Behörde bestellte Sachverständige einzuholen wären, im Hin-blick auf das Sachlichkeitsgebot nicht unproblematisch wäre.

Der VfGH hat seinem Erkenntnis vom 2. Oktober 2013, Zl. G 118/2012, die Ansicht zu Grunde gelegt, die aufgehobene Bestimmung des Paragraph 31 a, Absatz eins, letzter Satz EisbG hätte bedeutet, dass die Behörde das (bzw. die) nach dieser Bestimmung vorgelegte (bzw. vorgelegten) Gutachten letztlich nur in sehr eingeschränktem Ausmaß überprüfen dürfte und diese Beschränkung der Prüfbefugnis mit dem Rechtsstaatsprinzip auch dann nicht vereinbar ist, wenn Sachverständige einer strafrechtlich sanktionierten erhöhten Wahrheitspflicht unterliegen.

Mit dem Erkenntnis vom 11. März 2014, Zl. B 1479/2010, wurde der zum angeführten Gesetzprüfungsverfahren G 118/2012 den Anlassfall bildende bekämpfte Bescheid mit der Begründung aufgehoben, dass sich die Behörde in vielerlei Hinsicht auf die Vermutung der Richtigkeit des Gutachtens nach Paragraph 31 a, EisbG gestützt und somit die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt haben.

Der VfGH begründet die Aufhebung somit ausdrücklich mit der Stützung auf die Vermutung der Richtigkeit des Gutachtens, nicht auf die Stützung auf das Gutachten nach Paragraph 31 a, EisbG an sich. Nach dieser Rechtsansicht würde es der Zielsetzung des Gesetzes entsprechen, wenn künftig durch die Behörde alle vorliegenden Beweise (einschließlich der Gutachten nach Paragraph 31 a, EisbG) entsprechend der ständigen Judikatur gewürdigt werden.

Hinsichtlich der an die Oberste Eisenbahnbehörde herangetragenen Fragestellung, in welcher Form und welchem Umfang die seitens der Bewilligungswerberinnen vorgelegten Gutachten nach Paragraph 31 a, EisbG von der Eisenbahnbehörde selbst zu prüfen seien und/oder inwieweit weitere, der Behörde zuzurechnende Sachverständige (Amtssachverständige und nichtamtliche Sachverständige) dem Bauverfahren beizuziehen seien, sei angemerkt, dass natürlich jedes Beweismittel von der Behörde zu prüfen ist, einerlei, ob es sich um ein Pri-vatgutachten oder um das Gutachten eines Amtssachverständigen handelt. Zur Frage, wie ein Gutachten bzw. Beweismittel von der Behörde zu überprüfen bzw. zu würdigen ist, darf auf die umfassende Judikatur und herrschende Lehre verwiesen werden:

Demnach unterliegen Beweismittel grundsätzlich der freien Beweiswürdigung durch die Behörde (nicht durch einen Sachverständigen). Der Wert eines Beweismittels richtet sich dabei nicht nach den verfahrensrechtlichen Rangstufen, sondern nach dem inneren Wahrheitsgehalt, wobei die Erwägungen, von der sich die Behörde bei der Entscheidung leiten ließ, in der Begründung anzugeben sind. Die Beweiswürdigung ist keine Ermessenssache, sondern ein Denkprozess nach den Gesetzen der Logik. Jedes Gutachten ist demnach von der Behörde auf Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit zu prüfen. Die Schlüssigkeit stellt dabei darauf ab, ob das Gutachten den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens entspricht (Hengstschläger/Leeb, AVG Paragraph 45, Rz 8 ff sowie AVG Paragraph 52, Rz 61 ff, Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I² AVG Paragraph 45, E 46 bis 54, 66, 67, 150 bis 180 sowie AVG Paragraph 52, E 217, E 244 bis 256, jeweils mit vielen weiteren Nachweisen).

In diesem Sinne ist es immer Aufgabe der Behörde selbst, die mit dem Antrag vorgelegten bzw. allenfalls ergänzend eingeholten Beweismittel entsprechend zu würdigen und so den für die Ent-scheidung maßgebenden Sachverhalt festzustellen vergleiche in diesem Zusammenhang auch Punkt 2.1.1 bzw. Rz 21 des Erkenntnisses vom 2. Oktober 2013, Zl. G 118/2012).

Wenn die vorliegenden Beweismittel für die Tatsachenfeststellung nicht ausreichen, ist das Ermittlungsverfahren durch von der Behörde beigezogene Sachverständige zu ergänzen. In einem solchen Fall ist aber ein vollständiges Gutachten einzuholen. Die bloße Feststellung durch einen behördlich beigezogenen Sachverständigen, dass Gutachten nach Paragraph 31 a, EisbG „zutreffend“ oder „richtig“ seien, wäre natürlich kein verwertbares Gutachten und würde die Behörde insbesondere nicht von der Begründungspflicht bei der Beweiswürdigung entbinden.

Die unbegründete Einholung eines für die Entscheidung (ganz oder teilweise) nicht notwendigen Gutachtens hätte aber nur zur Folge, dass allfällige Kosten für die Beiziehung des Sachverständigen (ganz oder teilweise) nicht auf die antragstellende Partei überwälzt werden dürfen, sondern von der Behörde selbst zu tragen sind, nicht aber, dass durch die Beiziehung der Sachverständigen Rechte von Parteien verletzt werden könnten.

Die beiden angeführten VfGH-Erkenntnisse stellen sohin klar, dass die Beschränkung der Prüfbefugnis durch die widerlegbare Vermutung der Richtigkeit eines Gutachtens mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar war. Die Erkenntnisse liefern aber weder Anhaltspunkte dahingehend, dass die Beweiswürdigung auf Sachverständige delegiert werden dürfte, sofern diese nur von der Behörde selbst bestellt würden, noch dahingehend, dass Privatgutachten (der antragstellenden oder sonstiger Parteien) im Ermittlungsverfahren gar nicht mehr verwertet werden dürften oder auch nur aufgrund einer „verfahrensrechtlichen Rangstufe“ einen geringeren Beweiswert als von der Behörde selbst in Auftrag gegebene Gutachten hätten. Aus den beiden gegenständlichen Erkenntnissen kann daher auch nicht abgleitet werden, dass wegen der Aufhebung des Satzes zur widerlegbaren Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit des Gutachtens künftig von der Behörde ohne weitere Prüfung der nach Paragraph 31 a, EisbG vorzulegenden Gutachten in jedem Einzelfall automatisch Amtssachverständige oder behördlich bestellte nichtamtliche Sachverständige beigezogen werden müssen und bei der Sachverhaltsfeststellung nur mehr auf deren Gutachten bzw. auf Privatgutachten (auch solchen nach Paragraph 31 a, EisbG) nur mehr dann zurückgegriffen werden dürfte, soweit diese durch Amtssachverständige oder von der Behörde bestellten Sachverständige „bestätigt“ bezeichnet wurden.