Bundesministerium

Bundesministerium für Justiz

Geschäftszahl

BMJ-S590.000/0012-IV 3/2012

Genehmigungsdatum

18.12.2014

Inkrafttretensdatum

18.12.2014

Titel

Erlass vom 18. Dezember 2014 über die Pflicht zur Verständigung der Dienstbehörde von Beginn und Beendigung eines Strafverfahrens gegen Beamte (Paragraph 76, Absatz 5, StPO)

Text

Aus aktuellem und wiederholtem Anlass ruft das Bundesministerium für Justiz den Gerichten und Staatsanwaltschaften die Bestimmung des Paragraph 76, Absatz 5, StPO in Erinnerung, wonach vom Beginn und von der Beendigung eines Strafverfahrens gegen Beamte die Dienstbehörde zu verständigen ist.

Dazu teilt das Bundesministerium für Justiz unvorgreiflich der unabhängigen Rechtsprechung mit:

Die Verpflichtung zur Verständigung der vorgesetzten Dienstbehörde von Beginn und Beendigung eines Strafverfahrens gegen einen Beamten trifft je nach Verfahrensstadium Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht. Als Beginn eines Strafverfahrens ist jener Zeitpunkt anzusehen, ab dem sich der Verdacht konkret gegen den Beamten richtet und er als Verdächtiger oder Beschuldigter zu behandeln ist (Paragraph 48, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 2, StPO in der Fassung BGBl römisch eins 2014/71). Das Verfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung (Paragraph eins, Absatz 2, StPO; vergleiche Fabrizy, StPO12 Paragraph 76, Rz 12; Lendl, WK-StPO, Paragraph 76, Rz 40). Die Definition des Beamtenbegriffs richtet sich nach Paragraph 74, Absatz eins, Ziffer 4, StGB (Lendl, WK-StPO, Paragraph 76, Rz 40).

Im Bereich des Justizressorts sind gemäß der Verordnung des Bundesministers für Justiz über die Regelung der Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten der Beamtinnen, Beamten und Vertragsbediensteten des Justizressorts (Dienstrechtsverfahrens- und Personalstellenverordnung-Justiz - DVPV-Justiz), Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 471 aus 2008,, Dienstbehörden erster Instanz

1.   der Präsident des Obersten Gerichtshofes,

2.   die Generalprokuratur (einschließlich der Zuständigkeit für die Beamtinnen und Beamten des Allgemeinen Verwaltungsdienstes und die Vertragsbediensteten dieser Dienststelle),

3.   die Präsidenten der Oberlandesgerichte (der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien überdies hinsichtlich des Bundeskartellanwaltes und dessen Stellvertretung sowie hinsichtlich der Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften),

4.   die Oberstaatsanwaltschaften (einschließlich der Zuständigkeit für die Beamtinnen und Beamten des Allgemeinen Verwaltungsdienstes und die Vertragsbediensteten dieser Bereiche; die Oberstaatsanwaltschaft Wien überdies hinsichtlich der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft),

5.   die Vollzugsdirektion (bis 30.6.2015 bundesweit für die Dienststellen im Bereich des Strafvollzuges sowie für die Beamten der Bewährungshilfe und die Bediensteten der Jugendgerichtshilfe).

Ein rechtskräftiges Urteil gegen einen Beamten (Paragraph 74, Absatz eins, Ziffer 4, StGB) ist überdies dem Leiter der jeweiligen Dienststelle bekannt zu machen (Paragraph 399, StPO).

Mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 71 aus 2014,, wird mit Wirkung ab 1. Jänner 2015 klargestellt, dass u.a. auch die Durchführung von Erkundigungen zur Klärung, ob ein Anfangsverdacht (Paragraph eins, Absatz 3, StPO) vorliegt, keine Ermittlung iSd Paragraph 91, Absatz 2, erster und zweiter Satz StPO darstellt, sondern als bloße Nachforschung zu qualifizieren ist.

Mögliche Anwendungsfälle derartiger Erkundigungen können auch Anfragen an die Dienstaufsicht im Falle von Vorwürfen wegen „Amtsmissbrauchs“ o.ä. gegen Justizmitarbeiter sein. Es ist vermehrt zu beobachten, dass Organe der Gerichtsbarkeit und andere Justizmitarbeiter, mit denen eine Partei im weiteren Sinne „unzufrieden“ ist, mit Anzeigen an Strafverfolgungsbehörden belegt werden. Tatsächlich handelt es sich materiell aber oft um Beschwerden, die zuständigkeitshalber in erster Linie die Dienstaufsicht betreffen (die bloße Bezeichnung eines Schreibens als „Anzeige“ etc. bzw. ein pauschaler, in der Sache nicht substantiierter Vorwurf des Amtsmissbrauchs begründet keine Verpflichtung zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens).

In diesen Bereichen kann das Vorliegen eines Anfangsverdachts zunächst im Wege einer Anfrage an die Dienstaufsicht (Vorsteher des Bezirksgerichts, Präsident des Landesgerichts, Leiter der Staatsanwaltschaft etc.), die als Erkundigung nach Paragraph 91, Absatz 2, letzter Satz StPO qualifiziert werden kann, abgeklärt werden. Gleiches gilt für die Behauptung ungerechtfertigter Registerabfragen durch Justizangehörige. Auch hier können im Wege der Dienstaufsicht im Rahmen von Erkundigungen nach Paragraph 91, Absatz 2, letzter Satz StPO zunächst objektive Gegebenheiten (Umfang der Zugriffsberechtigung der angezeigten Person, Dienstzeiten etc.) abgefragt werden.

Anders verhält es sich, wenn bereits aus der Anzeige bzw. dem Bericht der Kriminalpolizei ein Anfangsverdacht in Richtung eines Offizialdelikts begründet wird, der zu Ermittlungen verpflichtet.

Die umfassende Darstellung sämtlich im Strafverfahren zu berücksichtigender Verständigungspflichten wird in einem gesonderten Erlass erfolgen.