BM für Justiz
Erlass
JMZ 590000L/39/II3/07
24.12.2007
01.01.2008
Erlass vom 24. Dezember 2007 über die gerichtliche
Aktenführung nach In-Kraft-Treten des
Strafprozessreformgesetzes
Mit 1. Jänner 2008 treten das Strafprozessreformgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 19 aus 2004, sowie die beiden
Strafprozessreformbegleitgesetze, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 93 aus 2007, bzw. JAB 335 d.B. (römisch XXIII. GP), sowie eine grundlegend novellierte Durchführungsverordnung zum Staatsanwaltschaftsgesetz (DV-StAG) in Kraft. Eine Anpassung der Geschäftsordnung für die Gerichte römisch eins. und römisch II. Instanz (Geo) ist ebenfalls erforderlich. Das Bundesministerium für Justiz wird daher in den kommenden Wochen einen Entwurf zur Änderung der Geo innerhalb der Justiz zur Begutachtung versenden.
Mit diesem Erlass sollen den in Strafsachen tätigen Gerichten bereits jetzt wesentliche Neuerungen, insbesondere für die Führung von Registern und Akten, zur Kenntnis gebracht werden.
1. Register
Im Bereich der Landesgerichte wird mit 1. Jänner 2008 mit dem HR-Register (Haft- und Rechtsschutzsachen) ein neues Register eingeführt, in dem alle Ermittlungsverfahren, mit denen das Gericht befasst wird, zu erfassen sind. Hingegen können in den Registern Ur und Rk ab 1. Jänner 2008 keine neuen Fälle mehr angelegt werden, sie können in der VJ aber weiter bearbeitet und auch abgestrichen werden.
Bei den Bezirksgerichten werden ab 1. Jänner 2008 in Strafsachen folgende Register geführt: U, Hs und Ns. Bei den Landesgerichten werden in Strafsachen die Register HR, Hv, Bl, Hs, Ns, BE und FSS geführt. Die Fallcodes bleiben grundsätzlich unverändert. Es entfallen die Fallcodes Ns (66), U (02, 04), während Ns (71) hinzukommt.
Wird das Gericht im Ermittlungsverfahren erstmals befasst, so ist für jedes Ermittlungsverfahren (St-, UT- oder BAZ-Fall) nur eine einzige HR-Zahl zu vergeben, welche auch auf dem Aktendeckel zu erfassen ist. Der Ermittlungsakt wird in diesen Fällen also sowohl durch eine St- als auch durch eine HR-Zahl gekennzeichnet und von Staatsanwaltschaft und Gericht unter diesen Zahlen geführt. Erledigungen des Gerichts sind in der VJ zur HR-Zahl zu erfassen. Der Akt ist im HR-Register so lange als offen zu führen, als Anträge der Staatsanwaltschaft noch nicht erledigt wurden. Nach Entscheidung über alle offenen Anträge und Rückmittlung an die Staatsanwaltschaft, wird der Akt im HR-Register abgestrichen. Wird Untersuchungshaft verhängt, so ist der Akt für deren Dauer während des Ermittlungsverfahrens keinesfalls abzustreichen. Stellt die Staatsanwaltschaft in der Folge im selben Ermittlungsverfahren weitere Anträge an das Gericht, so sind diese zur selben HR-Zahl zu behandeln. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Zahl der Staatsanwaltschaft wegen Übertragung zwischen den Registern ST, UT und BAZ ändert.
Bei Trennung von Ermittlungsverfahren (Paragraph 27, StPO), die bereits im HR-Register erfasst sind, ist für jeden St-, UT- oder BAZ-Fall ein gesonderter HR-Fall anzulegen. Wird das getrennte Verfahren nicht in ein anderes, bestehendes Verfahren, das bereits im HR-Register erfasst ist, einbezogen und/oder an eine andere Staatsanwaltschaft abgetreten, bleibt auch für das neue Verfahren die selbe Gerichtsabteilung zuständig, die für das ursprüngliche Ermittlungsverfahren zuständig war. Vom Gericht erstellte Geschäftsstücke des Ermittlungsaktes (insbesondere Beschlüsse, gerichtliche Ladungen etc.) sind im Register zur HR-Zahl des Ermittlungsverfahrens zu erfassen. Die Vergabe von Ordnungsnummer und Seitenzahl erfolgt aber nach Paragraph 8 a, Absatz 5, DV-StAG, ohne Unterschied, ob das Geschäftstück von Gericht oder Staatsanwaltschaft erstellt wurde.
Mit Einbringen der Anklage (siehe Paragraph 210, StPO) wird der Ermittlungsakt als gerichtlicher Strafakt in den Registern Hv bzw. U weitergeführt. Für die Führung dieses Aktes sowie im Fall von Privatanklagen für die Bildung dieses Aktes gelten sinngemäß die Vorschriften der DV-StAG.
2. Der Ermittlungsakt
Im Ermittlungsverfahren wegen von Amts wegen zu verfolgender Straftaten wird künftig von der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsakt angelegt und geführt werden (Paragraph 34 c, StAG, Paragraph 8 a, DV-StAG). Dieser Akt wird nach StPOForm. A1 angelegt und erhält zu diesem Zeitpunkt eine St-, UT- oder BAZ-Zahl. Zum Aufbau und zur Führung dieser Akten, insbesondere über die Behandlung einlangender Geschäftsstücke und die Einordnung nach Ordnungsnummern (innerhalb derer die Seiten nummeriert werden [z.B. „ON 4/S 15“]) und über die dem Ermessen anheimgestellte Bildung von Mappen sei auf den angeschlossenen Text der DV-StAG samt den dazu für das Begutachtungsverfahren vorgesehenen Erläuterungen verwiesen.
Nur im Fall von Privatanklagen, bei denen ein Ermittlungsverfahren nach der StPO nicht vorgesehen ist, wird der Akt nicht durch die Staatsanwaltschaft, sondern durch das Gericht angelegt, welches nach den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der DV-StAG vorzugehen hat.
3. Der gerichtliche Handakt im Ermittlungsverfahren
Als Geschäftsbehelf steht dem Gericht der Handakt im Ermittlungsverfahren, welcher nach den neuen GeoForm. 80 und GeoForm. 81 zu führen ist, zur Verfügung. Der Handakt ist ein dem staatsanwaltschaftlichen Tagebuch vergleichbarer Geschäftsbehelf, der vor allem dazu dienen soll, den Stand des Verfahrens auch bei Nichtverfügbarkeit des Ermittlungsaktes in Evidenz zu halten. Entscheidungen und Verfügungen erfolgen aber ausschließlich im Ermittlungsakt, die Urschriften von Beschlüssen, Protokolle und sonstige Ergebnisse gerichtlicher Ermittlungsmaßnahmen sind zu diesem zu nehmen. Sobald das Gericht erstmals im Ermittlungsverfahren befasst und eine HR-Zahl vergeben wird, ist auch ein Handakt zu dieser Zahl anzulegen.
Auf der Vorderseite des Handaktes (GeoForm. 80) sind Bezeichnung und Aktenzeichen des Gerichtes und der Staatsanwaltschaft sowie die Namen der Beschuldigten zu vermerken. Haftsachen sind durch einen in roter Schrift vorgenommenen Vermerk „HAFT“ zu kennzeichnen, Verfahren, in denen unter den Beschuldigten Jugendliche sind, durch ein „J“, solche, bei denen unter den Beschuldigten junge Erwachsene sind, durch „JE“ zu kennzeichnen. In den vorgesehenen Spalten sind Beginn und Ende der Untersuchungshaft sowie das jeweils gültige Ende der Haftfrist zu vermerken.
Auf den übrigen Seiten des Aktes sowie - soweit erforderlich - auf den Fortsetzungsbögen (GeoForm. 81) sind in chronologischer Reihenfolge jede Vorlage des Ermittlungsaktes an das Gericht, sowie allfällige sonstige Verfügungen (Kalender, Fristvormerke, Aktenvermerke etc.) zu vermerken. Dazu ist im Handakt die laufende Ordnungszahl (OZ), das Datum der Vorlage, in gedrängten Worten der Grund der Vorlage (z.B. „Bewilligung der Anordnung der Festnahme“) und die getroffene Entscheidung bzw. Erledigung (z.B. „Anordnung der Festnahme bewilligt; Frist: 1.1.2012“ oder „Antrag auf Bewilligung der Anordnung der Festnahme abgewiesen“) und das Datum der Rückmittlung an die Staatsanwaltschaft zu vermerken. Die Ordnungszahl dient nur der Erfassung der Eintragungen und korrespondiert nicht mit den Ordnungsnummern des Ermittlungsaktes. Eine Wiedergabe der Begründung eines Antrags oder einer getroffenen Entscheidung im Handakt ist nicht erforderlich.
Jede Entscheidung über Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft ist samt dem Ende der Haftfrist und den angezogenen Haftgründen (z.B. „§ 173 Absatz 2, Ziffer eins,, 2 und 3 Litera b, StPO“), im Falle mehrerer Beschuldigter für jeden einzeln, zu vermerken.
Von jedem Antrag und jeder Entscheidung über die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft ist eine Ausfertigung oder Kopie zum Handakt zu nehmen. Von allen anderen Berichten, Geschäftsstücken und sonstigen Aktenbestandteilen des Ermittlungsaktes können nach Ermessen des Gerichts Ausfertigungen oder Kopien zum Handakt genommen werden. Ein Einjournalisieren dieser Schriftstücke ist grundsätzlich nicht allgemein vorgesehen, kann jedoch, soweit es für erforderlich erachtet wird, vom Gericht angeordnet werden. Ebenso kann die Verwendung eines Mappensystems, wie es für den Ermittlungsakt vorgesehen ist, oder die Verwendung einer Aktenübersicht angeordnet werden.
Der Handakt im Ermittlungsverfahren verbleibt stets beim Landesgericht, wird weder der Staatsanwaltschaft noch – auch nicht im Fall der Ergreifung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen - dem Rechtsmittelgericht vorgelegt und unterliegt auch nicht der Akteneinsicht. Der Handakt ist dem Richter stets gemeinsam mit dem Ermittlungsakt, sofern letzterer sich beim Gericht befindet, vorzulegen.
Ab Einbringen der Anklage wird der Handakt abgelegt. Eine Überleitung des Handaktes oder dessen Inhalts in den Strafakt im Hauptverfahren findet nicht statt.
4. Formulare
Die an das neue Verfahren angepassten Formulare und Textbausteine in der Verfahrensautomation Justiz werden sukzessive verfügbar gemacht werden. Darüber wird jeweils in VJ-Infos im Intranet berichtet werden.
Die im Intranet unter dem Punkt Formulare veröffentlichten Formularmuster im Format Lotus Word Pro werden durch das Bundesministerium für Justiz an die neue Rechtslage angepasst, stehen zum Teil ab 1. Jänner 2008 zur Verfügung und werden sukzessive vervollständigt. Die ursprünglichen Formulare werden im Hinblick auf die vorhandenen, nach alter Rechtslage zu behandelnden Verfahren bis auf weiteres ebenfalls noch zur Verfügung gestellt.
5. In-Kraft-Treten und Übergangsbestimmungen
Durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008 wurden die Übergangsbestimmungen in Paragraph 516, StPO geändert. Die getroffene Übergangsregelung kann wie folgt zusammengefasst werden:
Zum 1. Jänner 2008 bei Gericht anhängige Anträge auf gerichtliche Vorerhebungen sind nach dem durch das Strafprozessreformgesetz aufgehobenen Verfahrensbestimmungen zu erledigen. Voruntersuchungen werden mit dem In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes von Gesetzes wegen beendet. Das Gericht hat hier die Akten, nachdem es die allenfalls zur Entscheidung über die Fortsetzung der Untersuchungshaft erforderlichen Verfügungen und Entscheidungen getroffen hat, der Staatsanwaltschaft zu übersenden. Es ist jedoch nicht erforderlich, einen Akt, der einem Sachverständigen zur Erstellung von Befund und Gutachten übermittelt wurde, zur Durchführung dieses Verfahrensübergangs abzufordern. Wäre für die Erledigung nach den durch das Strafprozessreformgesetz aufgehobenen Bestimmungen eine Anordnung oder Genehmigung der Ratskammer erforderlich, so tritt an ihre Stelle der gemäß Paragraph 31, Absatz eins, Ziffer 2, StPO zuständige Einzelrichter des Landesgerichts. Für sonstige Anträge, Entscheidungen und Beschwerden, für deren Erledigung die Ratskammer gemäß den durch das Strafprozessreformgesetz und das Strafprozessreformbegleitgesetz römisch eins geänderten Verfahrensbestimmungen zuständig wäre, ist an ihrer Stelle das Landesgericht als Senat von drei Richtern gemäß Paragraph 31, Absatz 5, StPO zuständig, das nach den neuen Verfahrensbestimmungen vorzugehen hat.
Verfahren, in denen Anträge auf gerichtliche Vorerhebungen anhängig gemacht wurden, und die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Strafprozessreformgesetzes gemäß den durch das Strafprozessreformbegleitgesetz römisch eins, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 93 aus 2007,, aufgehobenen Bestimmungen der Paragraphen 412, oder 452 Ziffer 2, StPO abgebrochen wurden, sind nach Ausforschung eines Beschuldigten der Staatsanwaltschaft zu übertragen, die sodann das Verfahren gemäß Paragraph 197, StPO nach den neuen Verfahrensbestimmungen fortzusetzen hat.