Disziplinarbehörde

Land Tirol

Entscheidungsdatum

09.01.2019

Geschäftszahl

L-13/15

Text

D römisch eins S Z römisch eins P L römisch eins N A R E R K E N N T N römisch eins S

Die beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichtete Disziplinarkommission für Landeslehrer, Senat für Landeslehrer an allgemein bildenden Pflichtschulen, hat unter dem Vorsitz von Dr. Georg Zepharovich sowie im Beisein seiner Mitglieder Hofrat Dr. Werner Mayr und OL Dietmar Schöpf in der Disziplinarsache gegen VOL AA, Volksschule N, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung vom 09.01.2019 zu Recht erkannt:

Spruch

1. Freispruch:

Frau VOS AA wird wegen des Verdachtes, sie habe

1. Paragraph 30, Absatz eins, LDG 1984 verletzt, indem sie den Dienstauftrag des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 6.4.2018 für den Fall des Nichtantretens des Dienstes ein mit dem amtsärztlichen Gutachten vom 7.3.2018 vergleichbares qualifiziertes Gutachten vorzulegen, aus welchem der Grund für die Abwesenheit vom Dienst ableitbar wäre, nicht Folge geleistet,

2. Paragraph 35, Absatz eins, LDG 1984 verletzt, da sie seit 4.4.2018 vom Dienst abwesend war, ohne den Grund für Abwesenheit zu rechtfertigen,

3. Paragraph 36, Absatz eins, LDG 1984 verletzt, da sie den Dienstauftrag des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 26.7.2018, zur amtsärztlichen Untersuchung zu erscheinen, nicht entsprochen hatte,

freigesprochen.

Begründung

Mit Schreiben der Dienstbehörde vom 14.9.2018, Zl. IVa-849693/Dis/1-2018, wurde gegen Frau VOL AA eine Disziplinaranzeige wegen des Verdachtes von Dienstpflichtverletzungen gem. Paragraphen 30, Absatz eins,, 35 Absatz eins und 36 Absatz eins, des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetztes - LDG 1984 eingebracht.

Aus den beigelegten Unterlagen ging zusammengefasst hervor, dass Frau AA ab dem 29.1.2018, nicht mehr zum Dienst an der Volksschule N erschienen wäre. Mit Schreiben der Schulbehörde vom 4.4.2018, wurde sie aufgefordert, entweder den Dienst an der Volksschule N wieder anzutreten oder ein mit einem amtsärztlichen Gutachten vergleichbares Fachgutachten binnen einer Woche, ab Zustellung des Schreibens, vorzulegen. Diesem Auftrag kam sie nicht nach.

Angesichts der weiteren Untätigkeit von Frau AA, erteilte die Schulbehörde mit Schreiben vom 26.7.2018, den Dienstauftrag am 7.8.2018, zur amtsärztlichen Untersuchung zu erscheinen. Auch dieser Termin wurde nicht wahrgenommen.

Im Schreiben der Dienstbehörde vom 26.4.2018, Zl. Iva-849693/73, wurde der Beschuldigten mitgeteilt, dass ihr Gehalt gem. Paragraph 106,, Absatz eins, Zif. 1 des Landeslehrerdienstrechtsgesetzes einbehalten werde, da sie eigenmächtig länger als 3 Tage dem Dienst fern geblieben sei. Auf dieses Schreiben hin bzw. trotz Einbehalt der Bezüge erfolgte seitens der Beschuldigten keinerlei Reaktion.

Im Rahmen des Verfahrens vor dem Senat wurde festgestellt, dass die an die Beschuldigte zugestellten Schreiben von dieser nicht behoben wurden. Dies galt für den Einleitungsbeschluss und die Ladung zur mündlichen Verhandlung für den 26. November 2018. Nachdem der unbehobene Rückschein beim Vorsitzenden des Senates eingelangt war, veranlasste er eine nochmalige Zustellung der Ladung über die Polizeiinspektion P. Im Schreiben an die Polizeiinspektion vom 14.11.2018, L-13/9 wurde u.a. ausgeführt, wie folgt:

„Es ergeht daher das höfliche Ersuchen, zu erheben, ob Frau AA an der Adresse 1, überhaupt noch wohnhaft bzw. aufhältig ist.

Weiters wird ersucht, den beiliegenden Rückscheinbrief ihr nachweislich auszuhändigen. Gleichzeitig bitte ich im Zuge dieser Amtshandlung – mit dem notwendigen professionellen Feingefühl zu erheben und zu beurteilen - soweit dies möglich ist - ob Frau AA sich bewusst ist, was für sie im gegenständlichen Verfahren überhaupt auf dem Spiel steht. Mir ist bewusst, dass Sie keine ausgebildeten Psychologen sind, doch traue ich Ihnen aufgrund Ihrer Berufserfahrung zu, im Rahmen eines Gespräches zu erheben, warum Frau AA, die Schreiben ignoriert.“

Seitens der Polizeiinspektion P wurde mit Schreiben vom 18.11.2018, folgendes berichtet:

„Im Zuge der Briefzustellung konnten AI BB und GI CC das erste Mal mit Frau AA ein längeres Gespräch führen. Früher war das nicht möglich. Dabei stellten die Beamten fest, dass sich Frau AA in einem Zustand der Hilflosigkeit und schweren Depression befand. Aus diesem Grund wurde der Sprengelarzt von P, Dr. DD, angefordert.

Frau AA benötigt dringend ärztliche Hilfe. Die dazu erforderlichen Maßnahmen wurden getroffen. Die Einhaltung vom Termin am 26.11.2018 wird nach derzeitigen Wissensstand und dem derzeitigen Gesundheitszustand von Frau AA aus der Sicht des Sachbearbeiters wahrscheinlich nicht möglich sein.“

Seitens des Sprengelarztes wurde folgender Befundbericht mit Datum 15.11.2018 abgegeben:

„Diagnose: schwere depressive Anpassungsstörung

Seit Jänner 2018 besteht eine depressive Anpassungsstörung und psychovegetative Erschöpfung. Nach langer Pflege ihres Ehemannes, der im Mai dann verstarb, zeigt sich nun eine schwere depressive Episode.

Aufgrund dieser Erkrankung konnte meine Patientin ihren beruflichen Pflichten nicht mehr nachkommen und ist auch in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt.

Aus meiner allgemeinmedizinischen Sicht liegt somit seit Jänner 2018 eine durchgehende Arbeitsun-fähigkeit vor.

Mit Frau AA wurde nun eine stationäre psychiatrische Behandlung vereinbart.

Ich denke, dass bei Bedarf die Arbeitsunfähigkeit sicherlich auch vom nun behandelnden Facharzt für Psychiatrie bestätigt werden kann.

Frau AA wünscht ausdrücklich die Übermittlung meines kurzen Befundberichts an das Amt der Landesregierung.“

Bei der am 26.11.2018 durchgeführten mündlichen Verhandlung, bei der die Disziplinarbeschuldigte nicht erschien, wurde über Antrag der Disziplinaranwältin seitens des Senates beschlossen, dass ein Gutachten zur Feststellung, ob die Disziplinarbeschuldigte überhaupt schuldfähig war, einzuholen ist. Es wurde daher die Dienstbehörde mit Schreiben vom 26.11.2018 beauftragt, ein diesbezügliches Gutachten in Auftrag zu geben.

Seitens der Dienstbehörde wurde der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft L ersucht, ein diesbezügliches Gutachten zu erstellen. In seiner amtsärztlichen Stellungnahme vom 11.12.2018, Zl. 32815/AAG/1, führte Dr. EE aus, wie folgt:

„Amtsärztliche Stellungnahme

Fragestellung:

Es soll eine gutachterliche Stellungnahme zum Gesundheitszustand bzgl. der Dienstfähigkeit und zur Handlungsfähigkeit seit 04.04.2018 von Frau AA AA abgegeben werden.

Anamnese:

Da Frau AA auf mehrere Vorladungen nicht zu einer Untersuchung erschienen ist, wurde am 06.12.2018 und am 10.12.2018 ein Hausbesuch durchgeführt. Am 10.12.2018 konnte Frau AA in ihrer Wohnung angetroffen werden. Dabei ergab sich folgende Anamnese. Bzgl. der Vorgeschichte verweise ich auf das Amtsärztliche Gutachten vom 07.03.2018. In diesem Gutachten wurde festgestellt, dass Frau AA aufgrund einer depressiven Reaktion im Rahmen von exogenen Belastungs-situationen zumindest bis April 2018 nicht dienstfähig ist. Frau AA gibt nun an, dass sich der Gesundheitszustand ihres Ehemannes massiv verschlechtert habe und sie bis auf eine ca. 1-stündige Unterstützung am Tag durch den Sozialsprengel völlig auf sich allein gestellt war. Ihr Mann war zu diesem Zeitpunkt voll pflegebedürftig und bettlägerig. Sie habe ihren Ehemann 24 Stunden gepflegt. In dieser Zeit litt sie an massiven Schlafstörungen, zunehmender Erschöpfung, Zukunftsängsten und innere Unruhe. Sie habe dann am 04.04.2018 versucht arbeiten zu gehen, sei aber wieder auf dem Arbeitsweg umgekehrt und wieder nach Hause zu ihrem Mann gegangen. Am 16.05.2018 sei ihr Mann dann verstorben. Sie lebte bis zu dieser Zeit und auch nachher in völliger sozialer Isolation, habe alle Kontakte abgebrochen und sei bis auf kurze Einkäufe und Friedhofsbesuche nur in der Wohnung gewesen. Sie war auch nicht in der Lage Hilfe in Anspruch zu nehmen und war auch bis dato in keiner ärztlichen Behandlung. Sie nehme auch keine Medikamente ein. Es habe auch ihr Hausarzt Dr. Huber in P im Rahmen einer Amtshandlung dringend empfohlen ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sie war aber bis dato nicht in der Lage dies durchzuführen. Frau AA gibt auch an, dass sie Briefe bekommen hat, sie war aber nicht in der Lage diese zu öffnen und zu lesen.

Klinischer Befund:

Deutlich depressives Stimmungsbild mit massiven Stimmungsschwankungen, sie beginnt beim Erzählen immer wieder zu weinen, ausgeprägte Müdigkeit und Erschöpfungsgefühl, Zukunftsängste, deutliche Verminderung von Antrieb und Aktivität sowie psychomotorische Hemmung, Selbstwertgefühl und Selbst-vertrauen auffallend beeinträchtigt, Konzentration vermindert

Befunde:

Sachverhaltsdarstellung der Polizeiinspektion P vom 18.11.2018

Befundbericht und Arbeitsunfähigkeitsmeldung, Dr. med. DD vom 15.11.2018

Diagnose:

Schwere depressive Episode im Rahmen von exogenen Belastungssituationen

Anpassungsstörung

Beurteilung:

Bei Frau AA kam es im Rahmen von beruflichen und schweren chronisch anhaltenden familiären Belastungssituationen zu einer schweren depressiven Episode mit massivem Antriebsmangel, ausge-prägtem Erschöpfungszustand und sozialer Isolation. Aufgrund der Eigenuntersuchung, die im März 2018 stattgefunden hat, der Feststellungen der Polizei P und aufgrund des vorliegenden Befundberichtes ihre Hausarztes Dr. med. DD sowie des in dieser Zeit stattgefunden Ablebens ihres Ehemannes kann davon ausgegangen werden, dass die depressive Episode jedenfalls vom 04.04.2018 bis dato vorgelegen ist.

In dieser Zeit war Frau AA aufgrund des massiven Erschöpfungszustandes und der vorliegenden Antriebsstörung als Lehrerin nicht dienstfähig. Aufgrund der Schwere der Erkrankung, des Alters sowie des bisherigen Verlaufes ist auch die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit als Lehrerin aus medizinischer Sicht nicht mehr zu erwarten und es wird deshalb eine Pensionierung angeraten.

Zur Frage der Handlungsfähigkeit kann ausgesagt werden, dass bei Frau AA zwar die Diskretions-fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit vorgelegen wäre, aufgrund der massiven Antriebsstörung, die im Rahmen einer schweren Depression häufig vorliegt, sie in ihrer Handlungsfähigkeit aber stark eingeschränkt war bzw. die Handlungsfähigkeit nicht vorlag. Aus hieramtlicher Sicht hat Frau AA deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schuldhaft gehandelt.

Die Einholung einer fachpsychiatrischen Untersuchung ist aus hieramtlicher Sicht nicht erforderlich, da auch von fachpsychiatrischer Seite zu ihrer Fragestellung keine individuelle Beurteilung im Nachhinein für den Zeitraum ihrer Fragestellung möglich ist und der Facharzt/die Fachärztin ebenfalls zur Beantwortung ihrer Fragestellung auf dieselben Unterlagen, insbesonders auf mein Gutachten vom 07.03.2018 ange-wiesen wären.

Dr. EE“

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 9.1.2019, zu der die Beschuldigte ebenfalls nicht erschien, wurde das Gutachten des Amtsarztes dargetan.

Der Senat hat darüber erwogen, wie folgt:

Gemäß Paragraph 69, LDG sind Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, nach den Bestimmungen des 7. Abschnittes zur Verantwortung zu ziehen. Damit ein disziplinarrechtliches Delikt vorliegt, muss ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten angenommen werden. Dieser Grundsatz wird aus der Strafrechtsdogmatik übernommen (siehe Kucsko - Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 4. Auflage, Seite 27).

Seitens des Senates wird die Ansicht vertreten, dass durch das Verhalten der Beschuldigten, nämlich Nichterscheinen vom Dienst bzw. Nichterscheinen zu den angeordneten Untersuchungen ein tat-bildmäßiges Verhalten gesetzt wurde. Dieses Verhalten war auch rechtswidrig und lag keinerlei Rechtfertigungsgrund vor. Der Senat vertritt jedoch auch die Ansicht, dass keine schuldhafte Dienstpflichtverletzung vorlag, weil bei der Beschuldigten keine Zurechnungsfähigkeit zur Zeit der Tat vorlag. Wie sich aus dem Gutachten des Amtsarztes ergibt, lag zu diesem Zeitpunkt eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vor. Das Gutachten des Amtsarztes ist in sich schlüssig und plausibel. Insbesondere die Tatsache, dass seitens der Beschuldigten keinerlei Reaktion erfolgte, als seitens des Dienstgebers die Auszahlung der Bezüge eingestellt wurde, zeigt, dass sie nicht in der Lage war, erfolgsgerichtet zu handeln. In einem solchen seelisch zerrütteten Zustand war kein schuldhaftes Handeln möglich.

Die Beschuldigte war daher freizusprechen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Bescheid kann Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben werden. In der Beschwerde sind der angefochtene Bescheid und die Behörde, die ihn erlassen hat, zu bezeichnen. Sie hat ein Begehren zu enthalten und die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, darzulegen. Die Beschwerde ist binnen vier Wochen ab Erlassung des Bescheides beim Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Justiziariat schriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder auf andere technisch mögliche Weise einzubringen und hat Angaben zu enthalten, die eine Beurteilung ihrer Rechtzeitigkeit möglich machen. Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.

In der Beschwerde kann die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungs-gericht Tirol beantragt werden.

Für die Disziplinarkommission

Der Vorsitzende

Zepharovich