Disziplinarbehörde

BM für Inneres

Entscheidungsdatum

29.08.2018

Geschäftszahl

42042-DK/2017

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

römisch eins)

N.N. ist schuldig,

 

1)    er hat im Zuge einer Amtshandlung in einem dort etablierten Obdachlosenheim dem ehemaligen Bewohner insgesamt 4 Ohrfeigen versetzt, und dadurch versucht diesen am Körper zu verletzen.“

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß Paragraph 43, Absatz 2, BDG i.V.m. Paragraph 91, BDG 1979 i.d.g.F. begangen.

Über den Beschuldigten wird gemäß Paragraph 92, Absatz eins, Zi. 3 BDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe im Ausmaß von € 15.000,- (in Worten: fünfzehntausend) verhängt.

römisch II)

Hingegen wird der Disziplinarbeschuldigte von dem im Einleitungsbeschluss im Punkt 1. behaupteten Vorwurf, „wodurch dieser eine kleine Platzwunde am Hinterkopf erlitt“ und dadurch seine Dienstpflichten nach Paragraph 43, Absatz 2, BDG verletzt habe, gemäß Paragraph 126, Absatz 2, BDG i.V.m. Paragraph 118, Absatz eins, Zi 1 BDG freigesprochen.

römisch III)

Die Suspendierung des Beschuldigten wird gemäß Paragraph 112, Absatz 5, BDG aufgehoben.

römisch IV)

Seitens des Beschuldigten wurde gemäß Paragraph 127, BDG eine Ratenzahlung beantragt und seitens des Senates bewilligt.

Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß Paragraph 117, BDG.

BEGRÜNDUNG

Der Verdacht, schwere Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde sowie den Erhebungen des Referates für Besondere Ermittlungen und dem der Behörde vorliegenden Video.

Es langte in der Personalabteilung ein Schreiben des Samariterbundes und selbiges Schreiben langte inklusive eines USB-Sticks (Aufnahme der Amtshandlung durch eine im Raum installierte Kamera) im RBE ein.

Laut mitgeteiltem Sachverhalt wurde der Beschuldigte gemeinsam mit 2 weiteren Beamten zu einem Einsatz zur Wohnungsloseneinrichtung beordert.

Grund des Einsatzes war, dass sich der ehemalige Bewohner (dem ein temporäres Hausverbot auferlegt wurde) sich im Haus aufhielt, Mitarbeiter beschimpfte und gegen eine Bürotür trat.

Im Schreiben wird angeführt und ist im Video ersichtlich, wie die Einsatzkräfte Uhr den Aufenthaltsraum betreten.

Beschreibung des Videos:

Anmerkung:

Laut Videoaufzeichnung handelt es sich um den Beschuldigten, welcher dem Geschädigten die Ohrfeigen verpasste.

 

      2 EB (mit weißen Uniformhemden) betreten den Aufenthaltsraum, wobei der Geschädigte (trägt ein blaues T-Shirt mit dem Aufdruck „UFF“) und die offensichtlich „hausfremde Person“ an einem Couchtisch sitzen. Der Geschädigte sitzt am Sofa mit dem Gesicht zur Kamera. Vor ihm steht ein Tisch. Die unbekannte Person sitzt auf einem Sessel vor diesem Tisch. Kurz

darauf folgt ein EB mit Brille, welcher ein blaues Uniformhemd trägt und auf den Geschädigten weist. Ein Mann in einem beige-grünen T-Shirt sitzt auf einem anderen Sofa links neben der Tür (aus Kamerasicht)

      Nonverbal zu sehen, werden die beiden Personen aufgefordert den Raum zu verlassen. Die unbekannte Person (es handelt sich um den Freund des Opfers) erhebt sich und geht Richtung Tür. Der Geschädigte bleibt sitzen.

      Der Beschuldigte schiebt den vor dem Geschädigten stehenden Tisch zur Seite.

      Die männliche Begleitung Geschädigten redet auf ihn ein – der Geschädigte bleibt am Sofa sitzen

      Einer der anderen Beamten fasst den Geschädigten zunächst auf dessen linke Kopfseite und nimmt ihm seine (wahrscheinlich optische) Brille vom Kopf. Kurz darauf fassen ihn die beiden Beamten an beiden Armen und ziehen den Geschädigten auf und in Richtung Tür.

      Der Geschädigte lässt sich dabei zusammensacken und kommt im Bereich der Tür am Boden halb zu sitzen bzw. halb zu liegen. Ein weiterer Beamter hebt eine lila Plastiktüte vom Boden auf.

      Der Mann mit beige-grünem T-Shirt steht auf und ist nicht mehr im Kamerabereich.

      Im hinteren Kamerabereich holt sich ein weiterer Mann ein Getränk aus einem Getränkeautomat und verlässt den Raum wieder.

      Der Geschädigte verbleibt zunächst ein paar Sekunden sitzen, steht dann aus eigenem auf und will sich wieder auf das Sofa setzen

      Der Geschädigte wird vom Beamten erneut aufgezogen und lässt sich wiederum zu Boden sacken.

      Ein weiterer Beamte redet auf den Geschädigten ein und schließt dann die Tür

      Der Geschädigte steht wieder auf. Der Beschuldigte drückt ihn mit seiner linken Hand an dessen linken Schulter an die Tür und versetzt ihm mit seiner rechten Hand eine Ohrfeige.

      Der Geschädigte sagt offenbar etwas zum Beschuldigten, worauf ihm dieser wiederum eine heftige Ohrfeige mit seiner rechten Hand verpasst.

      Unmittelbar darauf zwei weitere heftige Ohrfeigen mit seiner linken Hand gegen die rechte Kopfseite des Geschädigten

      Der andere Polizist steht zunächst an der rechten Körperseite des Geschädigten, greift nicht ein und wendet sich nach der dritten Ohrfeige mit gesenktem Kopf (Blick) ab.

      Der junge Beamte steht aus Kamerasicht vor den beiden anderen EB, also am weitesten vom Geschädigten weg und hält die Kunststofftüte in der Hand. Er bleibt währenddessen bewegungslos. Nach der letzten Ohrfeige dreht er sich wieder zur Kamera und sieht (offensichtlich betroffen) weg.

      Der Beschuldigte packt den Geschädigten am T-Shirt, öffnet die Tür und zerrt ihn aus dem Raum.

      Die beiden anderen EB folgen ihnen.

      Im hinteren Kamerabereich sitzt eine Person an einem Tisch mit PC. Es ist jedoch, aufgrund einer Mauer zwischen seinem Sitzplatz und dem Sofa, anzunehmen dass er die Ohrfeigen nicht gesehen hat.

Eine Tätlichkeit der beiden jüngeren EB ist am Video nicht zu sehen.

Der Geschädigte ist körpersprachlich defensiv, nicht aggressiv und wehrt sich nicht gegen die Maßnahmen und Schläge, die unvermittelt und in rascher Abfolge erfolgen.

 

Die Tagesberichteintragung erfolgte mit dem Vermerk „Am EO wurden ein stark betrunkener Mann und ein Freund gängig gemacht, kein weiterer Grund“.

Vernehmung des Geschädigten:

Über das Notquartier wurde in Erfahrung gebracht, dass der Geschädigte zeitweise in der Notschlafstelle der Caritas aufhältig sein soll.

Der Geschädigte konnte in der Notschlafstelle angetroffen werden und wurde in Folge durch die Beamten der RBE einvernommen.

Der Geschädigte sei laut Anfalls-Bericht des RBE nüchtern und sehr auf seine Sprache bedacht gewesen(war laut seinen Angaben Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte). Er habe nicht den Eindruck eines klassischen Unterstandlosen erweckt.

Bei der Vernehmung sei er defensiv und zunächst zurückhaltend gewesen. Laut RBE sei vernehmungstaktisch ein längeres Vorgespräch mit ihm geführt worden.

Einen Arzt habe er nach den Schlägen nicht konsultiert.

Aussage:

Der Geschädigte gab an, dass er ein Hausverbot im oa Ort habe. Er habe mit seinem Freund die Wohnungsloseneinrichtung aufgesucht und nachfragen wollen, ob noch Post bzw. seine abonnierte Zeitschrift - die Presse - noch dort seien.

Ihm sei von den Betreuern mitgeteilt worden, dass sie nichts finden würden. Der Geschädigte habe dann gemeint, dass er so lange bleibe, bis seine Sachen gefunden worden seien.

Es sei richtig dass sein Freund und er zu diesem Zeitpunkt leicht bis mittelstark alkoholisiert gewesen seien. Er habe sich mit seinem Freund in den dortigen Gemeinschaftsraum gesetzt, da er seine Post und Zeitschriften haben wollte.

Plötzlich seien zwei oder 3 Polizisten für ihn überraschend gekommen und er sei aufgefordert worden, das Haus zu verlassen.

Die EB hätten gesagt: „Schleich di“. Der ältere EB habe mit ihm gesprochen.

Er habe zu diesem EB gesagt, dass er seine fehlenden Dinge noch mitnehmen möchte und dann würde er gehen. Dann sei er vom älteren EB von der Bank aufgezogen worden. Der jüngere EB habe mehr zugesehen.

Er habe versucht, sich dann wieder hinzusetzen. Da dürfte der Geduldsfaden bei dem Polizisten gerissen sein. Der ältere EB habe die Amtshandlung sicher abkürzen wollen und sei aggressiv aufgetreten.

Er sei von ihm mit der offenen, flachen Hand auf den Kopf im Bereich der Ohren glaublich 2 Mal geschlagen worden.

Er habe sicher niemanden beschimpft. Der EB habe schlagkräftige Argumente gehabt.

 

Später seien noch seine Daten aufgenommen worden. Er habe seinen Reisepass immer bei sich. Dann hätten sein Freund und er das Haus verlassen dürfen. Sie seien dann zu Fuß in den 16. Bezirk gegangen.

Zu etwaigen Verletzungen und Schmerzen gab der Geschädigte an, dass er durch die „Tochtl“ eine kleine Platzwunde am Hinterkopf erlitten habe. Diese habe nur leicht geblutet. Die Wunde sei jetzt nicht mehr sichtbar. Er habe im Nachhinein keine nennenswerten Schmerzen gehabt.

Die „Watschen“ habe er bei der Ausführung sehr wohl gespürt. Subjektiv seien sie für ihn heftig gewesen.

Er sei kein „Kirchtagsraufer“ und dies nicht gewohnt. Er sei eigentlich sehr über die Gewaltanwendung überrascht gewesen. Dies sei sicher nicht notwendig gewesen.

 

Suspendierungen:

Der Beschuldigte und ein weiterer der einschreitenden Beamten wurde gem. Paragraph 112, Absatz eins, BDG 1979 vorläufig vom Dienst suspendiert.

Der Beschuldigte wurde in weiterer Folge seitens der Disziplinarkommission des BM.I, Senat 2, gemäß Paragraph 112, Absatz 3, BDG suspendiert.

Hinsichtlich des anderen einschreitenden Kollegen wurde die vorläufige Suspendierung durch die Disziplinarkommission nicht bestätigt bzw. diese aufgehoben.

Strafgerichtliche Maßnahmen:

Mit rechtskräftigem Urteil des LG für Strafsachen wurde der Beamte wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach Paragraphen 15,, 83 Absatz eins, StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten, bedingt auf drei Jahre verurteilt. Der Strafantrag der StA wurde insoweit abgeändert, als der Vorwurf, „wodurch dieser eine kleine Platzwunde am Hinterkopf erlitt“ im Urteil nicht mehr enthalten ist.

 

Anlastung durch die Dienstbehörde:

Der Beschuldigte steht im Verdacht, im Zuge einer Amtshandlung dem Geschädigten 4 Ohrfeigen versetzt zu haben.

Er habe hierdurch gegen die Dienstpflichten gemäß Paragraphen 43, (1) und (2) BDG sowie die Dienstordnung vom 23.01.2013 zu GZ: P4/444849/1/2012 „Verhalten der Polizeibediensteten“ verstoßen.

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

Rechtsgrundlagen:

Paragraph 43, (2) BDG: Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Zum Schuldspruch:

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Dienstpflichtverletzung schuldhaft begangen hat. Der Senat hat die Schuld des Beschuldigten aus folgenden Gründen angenommen:

Der Beamte wurde wegen Körperverletzung gemäß Paragraphen 15,, 83 StGB seitens des Landesgerichts für Strafsachen zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 5 Monaten verurteilt.

Gemäß Paragraph 95, Absatz 2, BDG ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. Es ist daher erwiesen, dass der Disziplinarbeschuldigte das Vergehen der versuchten Körperverletzung nach Paragraphen 15,, 83 Absatz eins, StGB zu verantworten hat. Erwiesen ist durch das strafgerichtliche Urteil aber auch, dass der Beschuldigte dem Geschädigten durch die Schläge nicht am Körper verletzt hat. Insoweit war der nunmehrige Spruch gegenüber jenem im Einleitungsbeschluss abzuändern.

Unbeschadet dessen hat der Beschuldigte aber seine Dienstpflichten nach Paragraph 43, Absatz 2, BDG verletzt. Diese Norm enthält nämlich – wie unten noch weiter auszuführen sein wird - mit dem Abstellen auf das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung des Amtes einen spezifisch dienstrechtlichen Aspekt, welcher gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von keinem Tatbestand eines anderen Strafrechtsbereichs umfasst ist (VwGH 17.1.2000, 97/09/0026; 18.12.2001, 99/09/0056; 18.4.2002, 2000/09/0176).

Dienstpflichtverletzung nach Paragraph 43, Absatz 2, BDG:

Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das

Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen

Aufgaben erhalten bleibt.

Damit ist nicht nur das Verhalten im Dienst, sondern auch das außerhalb des Dienstes gemeint, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen.

Diese Dienstpflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten dahingehend Bedenken auslöst, er werde bei der Vollziehung seiner dienstlichen Aufgaben nicht immer rechtmäßig vorgehen und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt.

Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 18.04.2002 zu 2000/09/0176; 15.12.1999 zu 98/09/0212). Insofern stellt Paragraph 43, Absatz 2, BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Paragraph 43, Absatz 2, BDG 1979 bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen vergleiche z.B. die Erkenntnisse vom 29.6.1989, Zl. 86/09/0164, sowie vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200 = Slg. N.F. Nr. 13.213/A). Dieser sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen vergleiche dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu Paragraph 43, BDG, Seite 7 f). Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen.

Ob das vorliegende Verhalten an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist unerheblich und spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon mehrfach entschieden, dass gerade der Exekutivdienst ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis zwischen der Verwaltung und dem Beamten einerseits, sowie der Beamtenschaft und der Öffentlichkeit andererseits erfordert vergleiche in dieser Hinsicht beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.5.1990, Zl. 86/09/0200, vom 19.12.1996, Zl. 96/09/0153, und vom 7.5.1997, Zl. 95/09/0045). Durch die Tatbegehung der versuchten Körperverletzung und der damit in Zusammenhang stehenden Dienstpflichtverletzung, derer sich der Beschuldigte schuldig gemacht hat und die in Ausübung seines Dienstes begangen wurde, hat er das ihm vom Dienstgeber eingeräumte Vertrauen, aber auch das Vertrauen der Allgemeinheit in schwerwiegender Weise missbraucht.

Es ist nicht zu tolerieren, dass der Beschuldigte in Ausübung seines Dienstes - noch dazu ohne irgendeine vorangegangene außergewöhnliche Provokation, sondern bei einer leicht zu bewältigenden Routine-Amtshandlung – grundlos mit körperlicher Gewalt gegen eine ihm körperlich deutlich unterlegene Person vorgeht.

Er ist damit eines Fehlverhaltens überführt, welches auch nach der ständigen Judikatur der Disziplinaroberkommission (bis 31.12.2013) geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit und des Dienstgebers im Sinne des Paragraph 43, Absatz 2, BDG grundlegend zu erschüttern. Solche Übergriffe zu unterbinden gehört damit zum Kernbereich ihrer Aufgaben. Aus diesem Grunde bilden aggressive Übergriffe von Exekutivbeamten auf die körperliche Integrität von Personen in der Regel Dienstpflichtverletzungen, denen nicht bloß Bagatellcharakter zukommt und die daher auch geeignet sind, eine Suspendierung zu rechtfertigen. Dabei ist es für die Qualifikation als Dienstpflichtverletzung unerheblich, ob der Misshandelte tatsächlich Verletzungen davon getragen hat oder nicht.

In Ansehung des hohen Stellenwerts, den der Polizeiapparat grundsätzlich in der Öffentlichkeit hat, ist der Beschuldigte schuldig, sich nicht nur dem Vorwurf strafbarer Handlungen ausgesetzt und dadurch das Vertrauen des Dienstgebers und der Allgemeinheit erschüttert zu haben, sondern auch das Ansehen der Polizei in Bezug auf ihre Glaubwürdigkeit und Rechtsverbundenheit in dramatischer Weise geschädigt zu haben. Gerade die uneingeschränkte Integrität des Beamtentums, ihre Unbefangenheit und Verbundenheit mit den rechtlichen Werten ist für das Vertrauen des Bürgers in den gesamten Polizei- bzw. Beamtenapparat von besonderer Bedeutung. Dem Verhalten von Beamten, welche mit wichtigsten Aufgaben der Hoheitsverwaltung betraut sind, kommt daher in der Öffentlichkeit ein besonderer Stellenwert zu. Der Bürger erwartet sich zu Recht, dass die Polizei ihre Aufgaben - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und die Bekämpfung der Kriminalität - in kompetenter, professioneller, effizienter und bürgernaher Weise erfüllt.

Dazu gehört es auch, dass Polizeibeamte die von ihnen zu vollziehenden Gesetze selbst einhalten, somit auch nach ethischen und moralischen Gesichtspunkten besonders gesetzestreu sind und sich auch so verhalten. Nur dadurch kann ein Polizeibeamter seine Glaubwürdigkeit erhalten. Das Verhalten des Beschuldigten ist vom Gegenteil gezeichnet und geeignet, die Glaubwürdigkeit der Polizei grundlegend und schwer zu erschüttern.

Wie auf dem Überwachungsvideo ersichtlich - vermittelt der Beamte durch sein gewalttätiges Auftreten den Charakterzug einer Person, die in einer Konfliktsituation unkontrolliert, brutal und rücksichtslos ihre Emotionen – vor allem Wut - auslebt. Die Tathandlung des Beschuldigten ist daher nicht nur geeignet sein eigenes Ansehen, sondern das der gesamten mit polizeilichen Aufgaben betrauten Sicherheitsverwaltung massiv zu schädigen.

Sein Verhalten hat nicht nur negative Folgen für den Beamten, es wirft v.a. in der öffentlichen Wahrnehmung ein bedenkliches Bild auf den gesamten Polizeiapparat.

Strafbemessung - Paragraph 93, BDG:

Gemäß Paragraph 93, Absatz eins, BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung.

Der erkennende Senat hat sich nach der Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint vergleiche Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff; VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).

Wiegt die Dienstpflichtverletzung besonders schwer, insbesondere unter Berücksichtigung des objektiven Unrechtsgehalts der Tat, so kann von der Verhängung einer hohen bzw. der höchsten Disziplinarstrafe allerdings nur abgesehen werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen oder wenn keine spezialpräventiven Gründe die Verhängung einer Strafe in diesem Ausmaß gebieten.

Nach der nunmehr geltenden Rechtslage kommt der spezialpräventiven Erforderlichkeit der Strafe bei der Bemessung aber nicht mehr eine derart wesentliche Bedeutung zu wie bisher und sind die Gründe der Generalprävention wie solche der Spezialprävention für die Bemessung der Strafe gleichrangig zu berücksichtigen.

Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß erforderlich, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche schwere Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten, was nichts anderes bedeutet als das bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen alleine schon aus generalpräventiven Gründen eine Entlassung auszusprechen sein wird (VwGH 2011/09/0105 vom 15.12.2011).

Anders als beim gerichtlichen Strafrecht oder dem Verwaltungsstrafrecht handelt es sich beim Disziplinarrecht der Beamten nicht um ein typisches Strafrecht in dem Sinne, dass für jeden im Gesetz definierten Straftatbestand eine im Gesetz festgelegte Strafdrohung mit einem dem objektiven Unrechtsgehalt des Straftatbestandes angemessenen Strafrahmen festgelegt wäre.

Im Disziplinarrecht besteht vielmehr die Aufgabe, eine solche Einschätzung des objektiven Unrechtsgehaltes der Beschuldigten vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen und damit des möglichen Rahmens der in Betracht kommenden Strafe bei der Ermittlung der Schwere der Dienstpflichtverletzungen im Sinn des Paragraph 93, Absatz eins, BDG vorzunehmen.

Die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist „wesentlich…..durch das objektive Gewicht, d.h. den Unrechtsgehalt der Tat als Schwere der Rechtsgutbeeinträchtigung konstituiert“ (Kucsko-Stadlmayer, 3. Auflage S. 79f), wobei bei der Beurteilung nicht nur auf die durch die Tat verletzten dienstrechtlichen oder strafrechtlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen ist, sondern auch auf den Unwert der Tat vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung (VwGH 12.07.2011, 2008/09/0355).

Der VwGH vertritt in dem Judikat zu GZ 83/09/0118 die Rechtsmeinung, dass für die Schwere der Dienstpflichtverletzung maßgeblich ist, in welchem objektiven Ausmaß gegen Standespflichten oder Amtspflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wird (Hinweis E 19.6.1975, 0115/75, VwSlg 8853 A/1975).

Die Ausgangsprämisse der objektiven Schwere der Dienstpflichtverletzung liegt vorliegendenfalls sehr hoch, hat doch der Beamte gegen Dienstpflichten verstoßen, die den Kernbereich seiner Aufgaben umfassen.

Wenn nun ein Polizist, der die Normen des StGB zu schützen hat, selbst Handlungen setzt, die sein gestörtes Verhältnis zu Werten wie Pflichtgefühl, Uneigennützigkeit und Moral indizieren, ist damit offenkundig, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die Aufgabenerfüllung und Dienstführung des Beamten damit nachhaltig beeinträchtigt wird.

Gewalttätige Übergriffe und außer Kontrolle geratenes aggressives Verhalten können im Hinblick auf den besonderen Dienstbezug niemals als Bagatelldelikte angesehen werden, weil der Beamte gerade jene Werte verletzte, die sie im Rahmen seiner polizeilichen Aufgaben täglich zu schützen hat.

Am schweren Gewicht der dem Beamten vorgeworfenen Pflichtverletzung vermag auch ein sonstiges einwandfreies dienstliches und außerdienstliches Verhalten nichts zu ändern (VwGH 30.01.2006, 2004/09/0212).

Als mildernd konnte das Geständnis, die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, die gute Dienstbeschreibung und 15 Belobigungen gewertet werden.

Erschwerend war jedenfalls die Intensität des Übergriffes gegenüber einen deutlich körperlich unterlegenen betrunkenen Mannes, 4 mit großer Wucht durchgeführte Schläge gegen den Kopf, die von negativer Emotion und Aggressivität getragen waren und als Reaktion außerhalb jeglicher Relation zur verbalen Provokationen steht.

Dazu kommt auch die Verantwortung und Vorbildwirkung gegenüber den beiden jungen Kollegen.

Der Senat ist der Meinung, dass die gewählte Strafhöhe den Unrechtsgehalt der Tat ausreichend sühnt und auch generalpräventiven Erwägungen gerecht wird.

Maßgebend dafür ist – neben den zu verzeichnenden Milderungsgründen – dass sich der ursprüngliche Verdacht der vollendeten Körperverletzung nicht bestätigte. Wenngleich nochmals darauf hinzuweisen ist, dass die Gewaltanwendung gegenüber einem betrunkenen Mann, der lediglich verbal provozierte, aber weder besonders aggressiv, noch gefährlich und gewaltbereit gegenüber dem Beschuldigten war, völlig überzogen und der vorliegenden Situation am Tatort nicht angemessen war.

Gerade Betrunkenen gegenüber sind Polizeibedienstete angehalten, angemessen und der Situation angepasst mit maßhaltender Gewalt einzuschreiten. Gewaltanwendung muss immer letztes Mittel bleiben.

Dem Beschuldigten ist ein grobes und schweres, aber doch einmaliges Fehlverhalten anzulasten, weshalb auch eine hohe disziplinäre Strafe zu verhängen war.

Zum Freispruch:

Wie schon oben weitestgehend ausgeführt und aus dem rechtskräftigen Urteil des LG für Strafsachen Wien ersichtlich, war der Vorwurf der vollendeten Körperverletzung nicht aufrecht zu erhalten.

Der Beschuldigte war daher von diesem Teil des Spruchpunktes des Einleitungsbeschlusses freizusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.