Bundesverwaltungsgericht
14.07.2025
W260 2300844-1
W260 2300842-1/13E
W260 2300844-1/12E
W260 2300846-1/12E
W260 2300847-1/12E
W260 2300849-1/12E
W260 2300851-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN über die Beschwerden von 1) römisch 40 , geboren am römisch 40 , 2) römisch 40 , geboren am römisch 40 , 3) der minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , 4) der minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , 5) dem minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 und 6) dem minderjährigen römisch 40 geboren am römisch 40 , gesetzlich vertreten durch die beiden Erstgenannten, alle Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt römisch eins. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2024, 1) Zahl 1354929201/231060723, 2) Zahl 1344333203/230431995, 3) Zahl 1344324302/230431146, 4) Zahl 1344324901/230431175, 5) Zahl 1344325702/230431243 und 6) 1344326808/230431405, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.05.2025 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin 2) (BF2), die Beschwerdeführer 3), 4), 5) und 6) (BF3, BF4, BF5, BF6) reisten gemeinsam unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein, wo die BF2 am 27.02.2023 für sich und ihre minderjährigen Kinder einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2. Am selben Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die Erstbefragung der BF2 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab die BF2 an, dass sie in römisch 40 geboren worden und zuletzt in Idlib wohnhaft gewesen sei. Sie habe 12 Jahre die Grundschule besucht, fünf Jahre an der Universität studiert und als Ingenieurin für Wasserbau abgeschlossen. Sie sei verheiratet und habe zwei Töchter und zwei Söhne gemeinsam mit dem BF1. Ihre Eltern und drei Brüder würden in Syrien leben.
Zu ihren Fluchtgründen befragt gab sie an, dass in Syrien Krieg herrsche und es keine Sicherheit gäbe. Sie sei einmal beraubt und von Männern auf der Straße belästigt worden. Sie habe Angst um ihre Kinder gehabt. Aus Angst um ihr Leben und das Leben ihrer Kinder sei sie geflüchtet.
Für die minderjährigen Kinder würden die gleichen Fluchtgründe vorliegen.
3. Der Beschwerdeführer 1) (BF1) reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein, wo er am 01.06.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
4. Am 02.06.2023 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die Erstbefragung des BF1 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der BF1 an, in Aleppo Stadt geboren worden und zuletzt in Idlib wohnhaft gewesen zu sein. Er habe 12 Jahre die Grundschule besucht und vier Jahre studiert. Er sei verheiratet, habe zwei Töchter und zwei Söhne. Sein Vater sei bereits verstorben, seine Mutter und sein Bruder würden in Saudi-Arabien leben. Eine Schwester lebe im Irak, eine lebe in Aleppo.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF1 an, er hätte den Militärdienst leisten müssen. Da er dies nicht wolle, werde er als Wehrdienstverweigerer bezeichnet. Er wolle niemanden töten.
5. Am 05.04.2024 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine niederschriftliche Einvernahme des BF1 und der BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: belangte Behörde).
Der BF1 gab an, dass er gesund sei. Er habe bis 2006 studiert. Von 2006 bis 2009 sei er Bauingenieur in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) gewesen. Von 2009 bis 2016 habe er dasselbe in Saudi Arabien und von 2016 bis 2023 dasselbe in Idlib gearbeitet. Die BF2 sei in Saudi Arabien und in Idlib dabei gewesen. In den VAE sei er alleine gewesen, damals sei er noch ledig gewesen. Seiner Schwester in Aleppo gehe es gut, es gäbe keine Verfolgung.
Er sei wegen des Erdbebens in Syrien nicht gleich mit der Familie ausgereist. Das Haus sei nicht mehr sicher gewesen. Eine Woche vor dem Erdbeben habe es einen Entführungsversuch gegen seine Tochter römisch 40 gegeben.
Zu den Fluchtgründen ergänzte er, dass er Mitglied der Baath Partei gewesen sei. Aleppo habe er wegen der Regierung verlassen. Er habe in Idlib gelebt, weil er den Militärdienst nicht geleistet und sich nicht freigekauft habe. Deshalb werde nach ihm gesucht. Idlib sei außerdem täglich bombadiert worden. Der Hauptgrund seiner Flucht sei jedoch der Entführungsversuch gegen seine Tochter gewesen. Dieser sei geplant gewesen, weil der Entführer nach dem Namen gefragt habe. Er nehme an, dass sie Lösegeld haben wollten. Die Entführungen seien immer gegen Leute, die Lösegeld zahlen können. Auch sei er auf der Straße ausgeraubt worden. Seine Frau habe sich nicht frei kleiden dürfen. Sie sei mehrmals belästigt worden. Die HTS habe eine fanatische, extreme Einstellung. Er gehöre keiner Oppositionspartei an. Trotzdem sei er gegen die Regierung. Er habe nie Probleme wegen der Mitgliedschaft bei der Baath Partei gehabt. Es sei eine passive Mitgliedschaft gewesen. Jeder Schüler und jeder Student sei automatisch Mitglied gewesen. 2006 sei er legal ausgereist. 2016 sei er von Saudi Arabien in die Türkei und von dort nach Idlib abgeschoben worden.
Die BF2 gab an, dass sie Medikamente wegen einer Schilddrüsen Unterfunktion nehme, ansonsten jedoch gesund sei. Sie habe bis zur Matura in römisch 40 , danach fünf Jahre während des Studiums in Aleppo, anschließend von 2010 bis 2016 im Ausland und von 2016 bis 2023 in Idlib gelebt. Sie habe nie gearbeitet, sie sei Hausfrau gewesen. Ihre Eltern und Brüder würden in Aleppo Stadt leben.
Zu den Fluchtgründen ergänzte sie, dass sie 2018, als sie in Idlib gewesen seien, nach Aleppo gegangen sei, um Reisepässe und Führerschein zu verlängern. Beim Standesamt hätten sie nach ihrem Mann gefragt und warum er keinen Militärdienst leiste. Sie hätten ihr die Dokumente entzogen. Ihr Mann habe ihr abgeraten dort hinzugehen, weil jede Frau Vergewaltigung in Kauf nehmen müsse. Sie sei jedoch nicht vergewaltigt worden. In Idlib habe es keine Sicherheit gegeben. Tag und Nacht seien bewaffnete Männer auf der Straße gewesen. Sie habe auch Burka tragen müssen, was sie nicht gewollt hätte. Deshalb sei sie mehrmals von den Islamisten belästigt worden. Ihre Tochter römisch 40 sei fast entführt worden. Danach seien die Kinder nicht mehr in die Schule gegangen. Zusätzlich habe es das Erdbeben gegeben, woraufhin sie auf der Straße gelebt hätten. Ihr Mann werde gesucht, weil ihm Mitarbeit mit den Terroristen vorgeworfen werde, da sie so lange in Idlib gelebt hätten. In Idlib gäbe es Entführungen und Belästigungen gegen Frauen.
6. Mit den im Spruch genannten Bescheiden vom 09.08.2024 wies die belangte Behörde die Anträge des BF1 und der BF2 für sich und BF3, BF4, BF5 und BF6 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihnen den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).
7. Die Beschwerdeführer erhoben gegen die in den Bescheiden gleichlautenden Spruchpunkte römisch eins. fristgerecht Beschwerde.
Die Beschwerdeführer beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
8. Die Beschwerde und die beiden Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 16.10.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
9. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) teilte den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom 13.05.2025 mit, dass ein neues Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 12, vom 08.05.2025, verfügbar sei, welches ins Verfahren eingebracht werde.
10. Die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer gab eine Stellungnahme ab. Sie führte im Wesentlichen aus, dass die Verfolgungsgefahr nun von der Hayat Tahrir as-Sham (HTS) ausgehe. Es sei nicht absehbar, wie diese nun vorgehe und ob sie tatsächlich moderater geworden sei. Derzeit seien keine ausreichenden Informationen vorhanden. Die Übergangsregierung sei für willkürliche Verhaftungen, auch von Kindern und Frauen, verantwortlich. Frühere Berichte würden darlegen, dass die HTS zumindest bisher teils brutal gegen Andersdenkende vorgegangen sei. Sie sei für Tötungen, Folter willkürliche Verhaftungen sowie für die Anwendung sexualisierter Gewalt verantwortlich. Außerdem sei es zu weiteren Einschränkungen der Rechte der Frauen gekommen. In den von den HTS kontrollierten Gebieten werde Sharia-Recht angewendet. Den BF2, BF3 und BF5 drohe in Syrien Diskriminierung, Rechtlosigkeit und Gewalt, welche einer asylrelevanten Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen gleichkomme.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.05.2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
BF1 und BF2 wurden im Beisein ihrer bevollmächtigten Rechtsberatung und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch zu ihren und den Fluchtgründen von BF3, BF4, BF5 und BF6 befragt. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm ebenfalls an der Verhandlung teil.
Dem Behördenvertreter wurde eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme gewährt.
12. Mit Stellungnahme vom 02.06.2025 führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführer bis zur illegalen Ausreise aus Syrien in Idlib gewohnt hätten. Als Herkunftsregion wurde vom BF1 im Rahmen der mündlichen Verhandlung Aleppo angeführt. Diese stehe unter der Kontrolle der HTS. Das in der Verhandlung vorgebrachte Fluchtvorbringen beziehe sich auf die aktuelle volatile Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien und auf die nicht glaubhafte Schilderung eines angeblichen Entführungsversuches der Tochter. Die BF1 und der BF2 hätten dazu konträre Versionen geschildert. Die Lage in Syrien habe sich soweit gebessert, dass die Mutter und Schwester des BF1 freiwillig nach Aleppo zurückgekehrt seien. Die HTS habe sich mittlerweile aufgelöst und es lasse sich die Tendenz einer Entwicklung weg von radikalen religiösen Ansichten entnehmen. Der Übergangspräsident strebe nach internationaler Legitimität und distanziere sich von seiner al-Qaida Nähe.
13. Mit Schreiben vom 26.06.2025 wurde den Parteien des Verfahrens die EUAA Interim Country Guidance vom Juni 2025 übermittelt und eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens gewährt.
14. Mit Schreiben vom 09.07.2025 langte eine Stellungnahme der Rechtsvertretung der Beschwerdeführer ein. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Machtverschiebungen nicht zu einer Stabilisierung, sondern zu einem Machtvakuum, einer Rechtsunsicherheit und einem Anstieg politischer und willkürlicher Gewalt geführt hätten. Es sei nicht absehbar, wie die HTS nun vorgehe. Frühere Berichte würden nahelegen, dass die HTS einen harten Kurs gegen (vermeintlich) Andersdenkende verfolgen würde und es in den Gebieten unter Kontrolle der HTS zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. Anhänger der HTS seien außerdem bei den Massakern im März 2025 entlang der Küste bei Latakia und Tartus, die gegen vermeintliche Alawiten gerichtet gewesen seien, aktiv beteiligt gewesen. Die Schwelle, von der HTS als oppositionell betrachtet zu werden, sei erkennbar gering. Aus den Länderberichten ergebe sich ein Bild weitreichender Verfolgungshandlungen gegen als oppositionell wahrgenommene Personen.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:
1.1.1. Zur Person des BF1:
Der BF1 heißt römisch 40 und ist am römisch 40 in Aleppo Stadt geboren und lebte dort bis 2006. Der BF1 ist Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der BF1 besuchte 12 Jahre die Grundschule und studierte anschließend Bauingenieurwesen in Aleppo. Das Studium schloss er nach vier Jahren ab.
Von 2006 bis 2009 lebte er alleine in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo er als Bauingenieur arbeitete.
Seit 2009 ist er mit der BF2 verheiratet und hat mit ihr gemeinsam die zwei minderjährigen Töchter BF3 und BF4 und die zwei minderjährigen Söhne BF5 und BF6.
Mit der BF2, der BF3 und dem BF5 lebte er von 2009 bis 2015 in Saudi Arabien, wo er denselben Beruf ausübte.
Von 2016 bis 2023 lebte er mit den anderen Beschwerdeführern in Idlib, in einer Wohnung der Großmutter der BF2.
Aleppo und Idlib stehen unter Kontrolle der von der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) geführten Übergangsregierung.
Seine Mutter und zwei Schwestern leben in Aleppo. Seine Mutter ist nach dem Aufenthalt in Saudi Arabien nach Aleppo zurückgekehrt, seine Schwester ist aus dem Irak zurückgekehrt. Er hat regelmäßigen Kontakt zu ihnen.
Im Jahr 2023 reiste der BF1 nach Österreich ein und stellte am 01.06.2023 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF1 ist in Österreich subsidiär schutzberechtigt. Er ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.1.2. Zur Person der BF2:
Die BF2 heißt römisch 40 und ist am römisch 40 in der Stadt römisch 40 , im Gouvernement Al Raqqa, geboren und aufgewachsen. Die BF2 ist Angehörige der Volksgruppe der Araber und sunnitische Muslima. Ihre Muttersprache ist Arabisch.
Die BF2 besuchte 12 Jahre die Grundschule in römisch 40 und studierte anschließend Wasserbauingenieurwesen in Aleppo. Das Studium schloss sie nach fünf Jahren ab. Sie arbeitete jedoch nicht, sie war Hausfrau in Syrien.
Seit 2009 ist sie mit dem BF1 verheiratet und hat mit ihm gemeinsam die zwei minderjährigen Töchter BF3 und BF4 und die zwei minderjährigen Söhne BF5 und BF6.
Mit dem BF1, der BF3 und dem BF5 lebte sie von 2009 bis 2015 in Saudi Arabien. Von 2016 bis 2023 lebte sie mit den anderen Beschwerdeführern in Idlib, in der Wohnung ihrer Großmutter.
Die Stadt römisch 40 steht unter der Kontrolle der kurdischen Streitkräfte, Aleppo und Idlib stehen unter Kontrolle der von der HTS geführten Übergangsregierung.
Ihre Eltern, ihre Großmutter und zwei Brüder leben in Aleppo. Sie hat regelmäßigen Kontakt zu ihnen.
Im Jahr 2023 reiste die BF2 mit ihren vier Kindern nach Österreich ein und stellte am 27.02.2023 für sich und ihre minderjährigen Kinder den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Die BF2 ist in Österreich subsidiär schutzberechtigt und strafgerichtlich unbescholten.
Sie nimmt Medikamente wegen einer Schilddrüsenunterfunktion, ist aber ansonsten gesund.
1.1.3. Zu den Personen BF3, BF4, BF5 und BF6:
Die BF3 heißt römisch 40 und ist am römisch 40 in Aleppo, geboren. Sie lebte mit dem BF1, der BF2 und dem BF5 von 2010 bis 2015 in Saudi Arabien und anschließend mit den anderen Beschwerdeführern von 2016 bis 2023 in Idlib.
Die BF4 heißt römisch 40 und ist am römisch 40 in Idlib geboren. Sie lebte von 2016 bis 2023 mit den anderen Beschwerdeführern in Idlib.
Der BF5 heißt römisch 40 und ist am römisch 40 in römisch 40 (Saudi Arabien) geboren. Er lebte von 2013 bis 2015 mit dem BF1, der BF2 und der BF3 in Saudi Arabien und anschließend mit den anderen Beschwerdeführern von 2016 bis 2023 in Idlib.
Der BF6 heißt römisch 40 und ist am römisch 40 in Idlib geboren. Von 2021 bis 2023 lebte er mit den anderen Beschwerdeführern in Idlib.
Aleppo und Idlib stehen unter Kontrolle der von der HTS geführten Übergangsregierung.
Im Jahr 2023 reisten die BF3, BF4, BF5 und BF6 mit der BF2 nach Österreich ein und stellte die BF2 für sie am 27.02.2023 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Sie sind gesund und in Österreich subsidiär schutzberechtigt.
1.1.4. Zu Aleppo bestehen für die Beschwerdeführer starke Bindungen. Der BF1 ist dort geboren und aufgewachsen. Während des Studiums lernte er die BF2 kennen, die ebenso in Aleppo studierte. Die BF1 und der BF2 heirateten in Aleppo und wurde dort die erste Tochter (BF3) geboren. Die Beschwerdeführer lebten zwar von 2016 bis 2023 in Idlib, in einer Wohnung, und arbeitete der BF1 dort auch. Jedoch entstanden keine engen Bindungen zu Idlib. Sowohl die gesamte in Syrien verbliebene Familie des BF1 als auch der BF2 leben in Aleppo und haben die Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt zu den Familienangehörigen.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
1.2.1. Im Dezember 2024 kam es im ehemaligen Gebiet des Assad-Regimes zu einer Machtübernahme durch die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS). Der ehemalige Präsident Bashar al-Assad verließ Syrien. Die HTS bildete eine unter ihrer Leitung stehende Übergangsregierung. Das Herkunftsgebiet der Beschwerdeführer, die Provinz Daraa, steht seither unter der Kontrolle der HTS. Das ehemalige Assad-Regime verfügt über keine Kontrolle mehr in Syrien.
Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet. Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen. Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden. Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien. Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren.
1.2.2. Zum BF1:
1.2.2.1. Für männliche syrische Staatsangehörige war im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes in der syrischen Armee des ehemaligen syrischen Assad-Regimes gesetzlich verpflichtend. Die Soldaten der ehemaligen syrischen Armee wurden von den neuen syrischen Machthabern außer Dienst gestellt. Für alle Wehrpflichtigen, die in der ehemaligen syrischen Armee gedient haben, wurde eine Generalamnestie erlassen.
Der BF1 hat keinen Wehrdienst bei der ehemaligen syrischen Armee abgeleistet. Er verfügt über ein Wehrdienstbuch.
Dem BF1 droht keine Verfolgungsgefahr durch das ehemalige Assad-Regime, weder im Zusammenhang mit dem Wehrdienst noch im Zusammenhang mit sonstigen Gründen. Das ehemalige Assad-Regime verfügt über keine Kontrolle mehr in Syrien.
1.2.2.2. Der BF4 drohte keine Entführung und droht dem BF1 deshalb auch keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität in Zusammenhang mit dieser Behauptung.
1.2.2.3. Ebenso droht dem BF1 keine Verfolgungsgefahr von Seiten der durch die HTS geführten Übergangsregierung aufgrund der ehemaligen verpflichtenden Mitgliedschaft in der Baath Partei während seiner Schul- und Studienzeit.
1.2.2.4. Die Beschwerdeführer setzten außerdem keine von der durch die HTS geführten Übergangsregierung als oppositionell eingestuften Handlungen. Weder der BF1, noch seine Familienmitglieder werden von der Übergangsregierung als politische Gegner angesehen. Ihm droht bei einer Rückkehr nach Syrien keine Lebensgefahr bzw. kein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die von der HTS geführte Übergangsregierung. Ihm droht auch keine Zwangsrekrutierung durch die von der HTS geführte Übergangsregierung.
1.2.3. Zur BF2:
1.2.3.1. Der BF2 droht keine Verfolgungsgefahr durch das ehemalige Assad-Regime. Das ehemalige Assad-Regime verfügt über keine Kontrolle mehr in Syrien.
1.2.3.2. Der BF4 drohte keine Entführung und droht der BF2 deshalb auch keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität in Zusammenhang mit dieser Behauptung.
1.2.3.3. Der BF2 droht keine Verfolgungsgefahr durch die von der HTS geführten Übergangsregierung. Die Beschwerdeführer setzten keine von dieser als oppositionell eingestuften Handlungen.
1.2.3.4. Der BF2 droht auch keine Gefahr einer geschlechtsspezifischen oder sexuellen Gewalt bei einer vermeintlichen Rückkehr nach Syrien. Die BF2 war in Syrien nicht von geschlechtsspezifischer oder sexueller Gewalt betroffen. Sie wird bei einer vermeintlichen Rückkehr nicht als alleinstehende Frau angesehen.
Die BF2 führt keine Lebensweise, die nicht auch in Syrien möglich ist. Die BF2 hat seit ihrer Einreise in Österreich keine "westliche Lebensweise" angenommen.
1.2.4. Zu den BF3 und BF4:
1.2.4.1. Den BF3 und BF4 droht keine Verfolgungsgefahr durch das ehemalige Assad-Regime. Das ehemalige Assad-Regime verfügt über keine Kontrolle mehr in Syrien.
1.2.4.2. Den minderjährigen BF3 und BF4 droht bei einer vermeintlichen Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Gewalt im Zusammenhang mit ihrem minderjährigen Alter.
1.2.4.3. Der BF4 drohte keine Entführung und droht ihr selbst oder der BF3 deshalb auch keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität in Zusammenhang mit dieser Behauptung.
1.2.4.4. Den BF3 und BF4 droht keine Verfolgungsgefahr durch die von der HTS geführten Übergangsregierung. Die Beschwerdeführer setzten keine von der Übergangsregierung als oppositionell eingestuften Handlungen.
1.2.5. Zu den BF5 und BF6:
1.2.5.1. Für männliche syrische Staatsangehörige war im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes in der syrischen Armee des ehemaligen syrischen Assad-Regimes gesetzlich verpflichtend. BF5 und BF6 sind noch minderjährig und somit nicht im ehemals wehrpflichtigen Alter.
Den BF5 und BF6 droht keine Verfolgungsgefahr durch das ehemalige Assad-Regime, weder im Zusammenhang mit dem Wehrdienst noch im Zusammenhang mit sonstigen Gründen. Das ehemalige Assad-Regime verfügt über keine Kontrolle mehr in Syrien.
1.2.5.2. Den minderjährigen BF5 und BF6 droht bei einer vermeintlichen Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Gewalt im Zusammenhang mit ihrem minderjährigem Alter.
1.2.5.3. Der BF4 drohte keine Entführung und droht den BF5 und BF6 deshalb auch keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität in Zusammenhang mit dieser Behauptung.
1.2.5.4. Den BF5 und BF6 droht keine Verfolgungsgefahr durch die von der HTS geführten Übergangsregierung. Die Beschwerdeführer setzten keine von der Übergangsregierung als oppositionell eingestuften Handlungen.
1.2.6. Den Beschwerdeführern droht auch aufgrund der Ausreise aus Syrien, ihres Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung in Österreich keine Gefahr einer Verfolgung in Syrien.
1.2.7. Die (hypothetische) Rückkehr nach Aleppo ist den Beschwerdeführern über einen von der Übergangsregierung kontrollierten Grenzübergänge, auf dem ebenso von der Übergangsregierung kontrollierten Landweg möglich, ohne mit anderen Gruppierungen in Kontakt zu kommen, möglich.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf den Länderinformationen der Staatendokumentation Syrien aus dem COI-CMS Version 12, vom 08.05.2025, EUAA Syria Country Focus vom März 2025 und EUAA Interim Country Guidance Syria vom Juni 2025, in Einklang mit der https://syria.liveuamap.com/ und https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in syria.html.
1.3.1. Auszüge aus der Länderinformation der Staatendokumentation aus dem COI-CMS Version 12, vom 08.05.2025:
Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. §3 Absatz 4 a, AsylG
Letzte Änderung 08.05.2025
Mögliche Änderungen bzgl. asylrelevanter Themen gem. GFK
1. Rasse
1.1. Ethnische Minderheiten
Vorhandene Informationen
Vertreter der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) haben versprochen, die Rechte und Freiheiten religiöser und ethnischer Minderheiten in Syrien zu schützen (BBC 24.12.2024).
Ash-Shara' unterscheidet zwischen der kurdischen Gemeinschaft und der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, zu der er auch die SDF zählt, weil sie ebenfalls Gruppierungen mit Verbindungen zum militärischen Arm der PKK umfassen. Die Kurden sieht er als Teil des Heimatlandes an und verspricht ein friedliches Zusammenleben ohne Unterdrückung der Kurden (MEMRI 16.12.2024).
Ash-Shara' erklärte, dass die Kurden nicht unter dem Vorwand der Angst vor der islamischen Mehrheit Syriens auf Autonomie hinarbeiten dürfen. Er verlangt von ihnen, sich in die neue Ordnung einzugliedern und ihre Waffen niederzulegen. Sie sollen keine individuellen oder unabhängigen Beziehungen zu ausländischen Akteuren unterhalten (Akhbar 31.12.2024).
Die von der Türkei unterstützten Gruppierungen plünderten nach der Eroberung von Manbij das Eigentum von kurdischen Bürgern und führten identitätsbezogene Tötungen durch. Sie führten Racheaktionen durch, brannten Häuser ab und demütigten Kurden (SOHR 9.12.2024).
Tendenz
Gleichbleibend
Derzeit zeichnen sich keine Veränderungen für Personen aufgrund ihrer ethnischen Minderheit ab.
Im Nordwesten sind kurdische Syrer weiterhin von durch die Türkei unterstützten Gruppierungen Missbräuchen unterworfen.
(…)
3. Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
3.1. Frauen
Vorhandene Informationen
Zwar sind Frauen in der Übergangsregierung in mittleren Verwaltungsfunktionen sichtbar, doch es wurden noch keine Anstrengungen unternommen, sie in Führungspositionen oder Ministerien zu berufen (AC 20.12.2024). Es gibt drei Frauen, die eine offizielle Position in der neuen Regierung innehaben (TNA 1.1.2025). HTS soll ein Verbot erlassen haben, sich in die Bekleidung von Frauen einzumischen oder Forderungen in Bezug auf ihre Kleidung oder ihr Aussehen zu machen, einschließlich der Forderung nach Bescheidenheit (Nahar 14.12.2024; vergleiche SyrNews 9.12.2024), dies wurde aber durch einen Sprecher des Syrian Salvation Government abgestritten (Nahar 14.12.2024). Insbesondere der Sprecher der neuen Regierung fiel mit kontroversen Aussagen auf. Er sagte, dass die Ernennung von Frauen in Minister- und Parlamentsämter verfrüht sei, weil die „biologische und psychologische Natur“ von Frauen sie daran hindere, bestimmte Rollen zu erfüllen (BBC 26.12.2024) und er soll in Zweifel gezogen haben, ob Frauen richterliche Befugnisse übernehmen sollten (TNA 2.1.2025a).
In Nord- und Ostsyrien werden die Grundrechte von Frauen anerkannt und spezifisch durch Gesetze garantiert (ANF 9.1.2025).
Tendenz
Gleichbleibend - verschlechternd
Öffentlich werden durch die neue Regierung Frauen Zugeständnisse gemacht und Frauen in öffentliche Ämter gehoben, dennoch kommt es auch zu widersprüchlichen Aussagen von offizieller und inoffizieller Seite, die auf ein rückwärtsgewandtes Frauenbild schließen lassen.
Es bleibt abzuwarten, welche Rechte den Frauen in der neuen Regierung tatsächlich zugestanden werden.
(…)
4. Politische Überzeugung
4.1. Wehrpflicht
Vorhandene Informationen
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer Ahmed ash-Shara' erklärte am 15.12.2024, dass er die Wehrpflicht in Syrien beenden werde (ISW 16.12.2024). Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025).
Tendenz
Verbesserung
Offizielle Aussagen lassen den Schluss zu, dass sich die Situation in Bezug auf die Wehrpflicht verbessern wird. Derzeit sind keine Fälle von (Zwangs-)rekru-tierungen bekannt.
4.2. Oppositionelle Gesinnung
Vorhandene Informationen
Kämpfer befreiten Gefangene aus den Gefängnissen in den Städten, die sie während ihrer Offensive eingenommen haben, darunter auch das berüchtigte Sednaya-Gefängnis in Damaskus (AJ 8.12.2024). In den vergangenen 13 Jahren, nach dem gescheiterten Aufstand der Rebellen und dem anschließenden Bürgerkrieg, nutzte al-Assad die langen Arme des Apparats der Sicherheitskräfte wie nie zuvor, um jede noch so kleine Andeutung von Dissens auszumerzen (NYT 17.12.2024).
Am 6.1.2025 endete eine fünftägige Razzia in Homs gegen Kriegsverbrecher und flüchtige Straftäter. Es soll sich vor allem um Überbleibsel des Regimes undseiner Unterstützer handeln, die sich geweigert haben, ihre Waffen in Homs in einem der „Settlement Center“ abzugeben. Der Syrischen Beobachtungsstelle für Meschenrechte zufolge sollen 150 Menschen in der Stadt Homs und etwa 500 im Umland verhaftet worden sein (Arabiya 6.1.2025a). Am 12.1.2025 sollen einige der Gefangenen wieder freigelassen worden sein (AAA 12.1.2025a). Es soll sich dabei um 360 ehemalige Offiziere und Angehörige der Armee des Regimes gehandelt haben. Ein Korrespondent von Al Arabiya News erklärte, dass sie freigelassen wurden, nachdem sie untersucht wurden und sich herausstellte, dass sie nicht an Verbrechen gegen Syrer beteiligt waren (Arabiya 12.1.2025a). Auch in anderen Gebieten kam es zu Sicherheitskampagnen der neuen syrischen Behörden, die mehrere Personen verhafteten, denen sie Verbindungen zum gestürzten Regime unterstellen (AlHurra 10.1.2025a. Ein Syrien-Beobachter sagte, dass Kämpfer, die mit der Übergangsregierung in Verbindung stehen, am 10.1.2025 einen örtlichen Beamten öffentlich hingerichtet haben, weil sie ihn beschuldigten, ein Informant des gestürzten Präsidenten Bashar al-Assad gewesen zu sein (Arabiya 10.1.2025).
Seit die Rebellengruppierungen am 5.12.2024 die Kontrolle über das Gouvernement Hama übernommen haben, hat das Syrian Network for Human Rights (SNHR) eine Reihe von Verstößen dokumentiert, darunter außergerichtliche Tötungen, Zerstörung von Häusern und Angriffe auf öffentliches und privates Eigentum (SNHR 19.12.2024). Nach dem Sturz des Regimes von Bashar al-Assad am 8.12.2024 kam es in Syrien zu wiederholten willkürlichen Tötungen und Feldhinrichtungen, insbesondere in den Provinzen Hama, Homs, Latakia und Tartus. Dabei kamen bei 60 Morden bis zum 3.1.2025 112 Menschen ums Leben, darunter Frauen und Kinder (SOHR 3.1.2025).
Tendenz
Gleichbleibend – Verschlechterung
Diejenigen, die das al-Assad-Regime unterstützt haben, werden verfolgt und zur Rechenschaft gezogen, Berichten zufolge sogar bis zur Hinrichtung. Die vorhandenen Informationen reichen nicht aus, um eine Aussage zu treffen, ob es sich bei den Verhafteten bzw. bestraften Personen ausschließlich um Kriegsverbrecher handelt oder nicht.
Daneben dürfte es zu Racheaktionen durch Einzelpersonen/ bewaffnete Gruppierungen kommen, die von den zuständigen Sicherheitskräften derzeit nicht verhindert werden können.
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [Details zur Offensive bzw. zur Hay'at Tahrir ash-Sham finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (8.12.2024) Anm.] Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).
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Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).
Die Übergangsregierung ließ laut Medienberichten die Verwaltungsbeamten auf ihren Posten (LTO 9.12.2024). Eine diplomatische Quelle eines europäischen Staates wiederum berichtet von einer Beurlaubung aller Staatsbeamten: Durch die Beurlaubung aller Staatsbeamter gibt es in Syrien zwar nun (interimistische) Minister, aber kaum Beamte, soll heißen, keine funktionierende Verwaltung. Mit ganz wenigen Ausnahmen stehen die Ministerien leer. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die kommunale Versorgung ist nicht vorhanden bzw. derzeit auf Privatinitiativen reduziert (SYRDiplQ1 5.2.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei leiten Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). Syrienexperte Daniel Gerlach sagte, dass die leitende Beamtenebene im Land fehlt, die zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Verwaltung – die ihre Arbeit wieder aufgenommen hat – steht. Es fehlen diejenigen, die mit den Verwaltungsträgern in Kontakt sind und die Politik umsetzen. Diejenigen, die in Syrien politische Entscheidungen träfen, seien ungefähr 15 bis 16 Personen, schätzt Gerlach (AC 23.1.2025). Alle Minister der Übergangsregierung waren aus dem 7. Kabinett der SSG, das im Februar 2024 ernannt worden war (AlMon 11.12.2024). Ash-Shara' und der Interims-Premierminister haben Loyalisten zu Gouverneuren in mehreren Provinzen und zu Ministern in der Übergangsregierung ernannt (ISW 19.12.2024). Al-Bashir hat gegenüber Al Jazeera erklärt, dass die Minister der SSG vorerst die nationalen Ministerämter übernehmen werden (AJ 15.12.2024a). Ash-Shara', sagte, dass in den ersten 100 Tagen keine internen und externen Parteien berücksichtigt werden. Er hat allen seinen Kameraden, die der HTS oder anderen Gruppierungen angehören, sehr deutlich gemacht, dass er diese Phase nur Leuten anvertraut, die sein persönliches Vertrauen haben. Er hat seine Partner und Freunde gebeten, ihm in dieser Phase beizustehen und sich darauf vorzubereiten, die Form einer neuen Regierung zu diskutieren (Akhbar 31.12.2024). Die HTS, die in der neuen Regierung erheblichen Einfluss hat, verfügt einem Bericht des Atlantic Council zufolge nicht über ausreichende technokratische Fachkenntnisse, um eine so komplexe Nation wie Syrien zu verwalten (AC 23.1.2025).
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Die Erklärung legt fest, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, wie es schon in der vorherigen Verfassung geschrieben stand. Anders als in der Verfassung von 2012, schreibt diese Verfassungserklärung die islamische Rechtslegung als wichtigste Quelle der Gesetzgebung fest. Daneben werden die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verankert sowie die Rechte der Frauen garantiert (BBC 14.3.2025). Der Präsident ist jedoch allein für die Ernennung der Richter des neuen Verfassungsgerichts Syriens verantwortlich. Die Richter müssen unparteiisch sein (NYT 14.3.2025). Für die Rechenschaftspflicht des Präsidenten wird in der Verfassung keine Möglichkeit eingeräumt. Der Erklärung zufolge wird ash-Shara' neben dem Präsidenten der Republik die folgenden Ämter bekleiden: Premierminister, Oberbefehlshaber der Armee und der Streitkräfte und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. In Artikel 41 räumt die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Möglichkeit ein, mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates, dessen Mitglieder er selbst auswählt, den Ausnahmezustand auszurufen (AlHurra 14.3.2025). Der neu gebildete Nationale Sicherheitsrat setzt sich aus Shara'-Getreuen zusammen, darunter Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra, Innenminister Ali Keddah, Außenminister As'ad ash-Shaibani und Geheimdienstchef Anas Khattab (ISW 13.3.2025). Der Meinung des Syrienexperten Fabrice Balanche nach ist der Nationale Sicherheitsrat „die eigentliche Regierung“ (AlMon 30.3.2025). Die Erklärung garantiert Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Allerdings können alle Rechte, einschließlich der Religionsfreiheit, eingeschränkt werden, wenn sie unter anderem als Verstoß gegen die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung angesehen werden. Die Verpflichtung zur Gewährleistung der Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit ist mit einigen Ausnahmen verbunden, darunter die Verherrlichung des Assad-Regimes (NYT 14.3.2025). Auch die Symbole des Assad-Regimes sind unter Strafe gestellt sowie seine Verbrechen zu leugnen, zu loben, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen (AlHurra 14.3.2025). Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden (NYT 14.3.2025).
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Während ash-Shara' ein gewisses Maß an Pragmatismus gezeigt hat, insbesondere im Umgang mit lokalen Gemeinschaften, sind die Strukturen der Übergangsregierung nach wie vor zentralisiert und hierarchisch, wobei die Macht in einem kleinen Führungskreis konzentriert ist. Dies schränkt die Möglichkeiten für eine integrative Entscheidungsfindung ein und verstärkt die Wahrnehmung der Ausgrenzung von Minderheiten und Frauen (AC 20.12.2024). HTS hat in Idlib einerseits bemerkenswerte Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung gemacht. So erlaubte sie beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen und Autos zu fahren – Maßnahmen, die angesichts der radikalen dschihadistischen Vergangenheit der Gruppe bemerkenswert sind. Darüber hinaus hat HTS Zivilisten in seine Regierungsverwaltung integriert und einen technokratischen Regierungsstil eingeführt, selbst in sensiblen ideologischen Bereichen wie Bildung und Religion, in denen die Gruppe ursprünglich ausschließlich eigenes Personal ernennen wollte. Andererseits ist die mangelnde Bereitschaft, politische Opposition zuzulassen, nach wie vor besorgniserregend. In Idlib hat HTS nach und nach die Macht monopolisiert und agierte praktisch als Einparteienstaat. Politische Opposition und zivilgesellschaftlicher Aktivismus wurden unterdrückt (DIIS 16.12.2024). Zu den ersten Entscheidungen der Übergangsregierung unter al-Bashir gehörten die Entsendung von Polizeikräften in Großstädte und das Verbot von Rauchen und Alkoholkonsum (MAITIC 17.12.2024). Der HTS wurden unter anderem von Human Rights Watch, immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, Frauen und religiöse Minderheiten vorgeworfen.
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Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025). Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden (Standard 23.1.2025). Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen.
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In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle – 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet (Etana 22.2.2025). […]
Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha [Shabiha sind die irregulären, bewaffneten pro-Assad-Gruppierungen Anm.] befindet (MEI 21.1.2025).
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Die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Syriens variiert (VB Amman 9.2.2025). Im Folgenden wir die Sicherheitslage je nach Region dargestellt:
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Südsyrien
Nach dem Sturz der Assad-Regierung und der Machtübernahme islamistischer Gruppierungen bleibt die Sicherheitslage im Süden Syriens fragil und unvorhersehbar. Die neuen Machthaber versuchen, die Kontrolle über das Land zu festigen, stehen aber vor internen Machtkämpfen, Widerstand lokaler Milizen und anhaltenden ausländischen Interventionen (VB Amman 9.2.2025). Israel griff Syrien bereits vor dem Sturz al-Assads an und gibt an, damit den Zustrom von Waffen und Geld aus Iran an die militante Hizbollah-Gruppe im Libanon eindämmen zu wollen. Seit 8.12.2024 hat Israel Gebiete nahe der gemeinsamen Grenze besetzt und militärische Einrichtungen angegriffen (NYT 25.2.2025). Seit dem 8.12.2024 hat Israel seine Militäroperationen in Syrien intensiviert, die Pufferzone besetzt und die Kontrolle über den Berg Hermon vervollständigt sowie seine Operationen in Quneitra und Rif Dimashq ausgeweitet (AJ 8.2.2025). Die israelische Armee gab bekannt, dass Bewaffnete am 31.1.2025 das Feuer auf ihre Streitkräfte in der Gegend von Quneitra auf der syrischen Seite des besetzten Golan eröffnet haben, zum ersten Mal seit ihrem Einmarsch in Syrien und ihrer Besetzung der Pufferzone nach dem Sturz des Regimes von Bashar al-Assad (AJ 1.2.2025). Seit 25.2.2025 fliegt Israel Luftangriffe im Süden Syriens, die Aussagen des israelischen Verteidigungsministers Katz zufolge Teil einer „neuen Politik“ seien, die darauf abziele, einen „entmilitarisierten Süden Syriens“ zu gewährleisten.
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Dara'a, die einstige Wiege des syrischen Aufstands, bleibt eine der instabilsten Regionen im Süden. Trotz der Machtübernahme islamistischer Gruppen gibt es anhaltenden Widerstand durch lokale Milizen und ehemalige regierungsnahe Kräfte, die mit der neuen Führung nicht kooperieren. Attentate, Entführungen und gezielte Angriffe auf Funktionäre der neuen Machthaber sind häufig. Zudem kommt es regelmäßig zu israelischen Luftangriffen auf mutmaßliche pro-iranische Milizen, die sich aus früheren Assad-treuen Gruppen rekrutieren (VB Amman 9.2.2025).
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Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
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Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)
Die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [zu Deutsch: Komitee zur Befreiung der Levante Anm.] ist die stärkste Gruppierung in Syrien (Asharq 9.12.2024). Ihre Mannstärke wird auf 43.000 geschätzt. Die Hälfte dieser Gruppierungen ist nach der Rückeroberung in ihren ursprünglichen Gebieten geblieben, insbesondere in den Gebieten im Norden von Hama, im Süden von Idlib und im Westen und Süden von Aleppo (Quds 11.1.2025). Sie entstand aus dem Zusammenschluss von fünf Gruppierungen, u. a. der Jabhat Fatah ash-Sham, Liwa' al-Haqq, Jabhat Ansar ad-Din und Jaysh as-Sunna und wurde später von mehreren Bataillonen, Brigaden und Einzelpersonen unterstützt (AJ 3.12.2024). Die HTS versuchte ihren militärischen Flügel durch die Einrichtung eines gemeinsamen Einsatzraums namens „Shahba Community“ in Zusammenarbeit mit bewaffneten Gruppierungen, darunter Ahrar ash-Sham, die Nour ad-Din-Zenki-Bewegung und die „50. Division“ zu stärken (UNSC 22.7.2024). 2019 wurde der Operationsraum Fatah al-Mubin gegründet. Dieser war für die Koordinierung und Abteilung für militärische Operationen in Nordsyrien in Idlib und den ländlichen Gebieten von Aleppo, Latakia und Hama verantwortlich. Mitte 2020 schränkte die Hay'at Tahrir ash-Sham alle militärischen Operationen auf den Operationsraum Fatah al-Mubin ein und untersagte die Bildung jeglicher sonstiger militärischer Gruppierungen oder Operationsräume in den von ihr kontrollierten Gebieten. 2023 verkündete die HTS eine neue Struktur für die militärischen Kräfte in ihren Gebieten an (AJ 3.12.2024). Mitglieder der HTS sind nicht nur Syrer, sondern sie umfasst mehrere Nationen (Asharq 8.12.2024). Sie ist in sechs Brigaden, Spezialeinheiten und Elitetruppen unterteilt, die als Rote Brigaden bekannt sind (Quds 11.1.2025) bzw. als Rote Bänder, und welche Berichten zufolge dank ihrer Fähigkeiten in Bezug auf Ausbildung, Bewaffnung und die Fähigkeit, die Frontlinien zu durchdringen, in der Lage waren, mehrere Kampfhandlungen gegen Assads Streitkräfte zu gewinnen (Asharq 9.12.2024). Die Anzahl der Mitglieder dieser Eliteeinheit ist nicht bekannt, sie soll Berichten zufolge aber aus Hunderten von HTS-Mitgliedern bestehen (Asharq 8.12.2024), die Inghamasiyin genannt werden (AJ 5.12.2024) und von denen einige zu den ideologisch extremsten und kampferfahrendsten Elementen der Rebellenkoalition gehören (Guardian 8.12.2024). Auf ihren Köpfen tragen sie rote Bänder. Die Einheit, die 2018 gegründet wurde, hat einen hohen Ausbildungsstand (AJ 5.12.2024) und verfügt über Spezialwaffen (AlMayadeen 5.12.2024). Daneben gehören auch Gruppen von Scharfschützen zu dieser Eliteeinheit (Asharq 8.12.2024). Auch HTS-Anführer Ahmed ash-Shara' tauchte in einem Video 2020 mit rotem Band am Kopf auf (AlMayadeen 5.12.2024). Die HTS war es, die die Operation "Abschreckung der Aggression" im November und Dezember 2024 anführte (Asharq 9.12.2024).
Ash-Shara' kündigte gegenüber al-'Arabiya und al-Hadath an, dass sich seine Gruppierung bald auflösen wird (Arabiya 6.1.2025b). Am 29.1.2025 wurde die Auflösung der HTS bekannt gegeben (Sky News 31.1.2025).
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Operationen der südlichen Regionen
Die Gruppierung "Operationen der südlichen Regionen" stand bis 2013 unter der Führung von Oberstleutnant Yasser al-'Aboud (Asharq 9.12.2024) und wird mittlerweile von Ahmad al-'Awda angeführt. Sie kontrolliert die Provinz Dara'a. Diese Gruppierung war es, die am 8.12.2024 als Erstes in Damaskus einmarschiert ist (AAA 7.1.2025). Sie umfasst ca. 15.000 Kämpfer, die ihre Gehälter von ihrem Anführer al-'Awda offenbar mithilfe der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erhalten (Economist 14.1.2025).
Sie wollte als bewaffnete Gruppierung weiter bestehen und ihre Waffen nicht abgeben, auch wenn sie bereit war, sich dem neuen Verteidigungsministerium zu unterstellen. Eigenen Angaben zufolge verfügte die Gruppierung über Waffen, schweres Gerät und eine vollständige militärische Ausrüstung (AAA 7.1.2025). Nach intensiven Treffen und Beratungen haben die südlichen Fraktionen unter dem Namen Südlicher Operationsraum angekündigt, dass sie an ihren Waffen festhalten werden, aber bereit sind, sich dem Verteidigungsministerium anzuschließen (Quds 11.1.2025). HTS hat zunehmend versucht, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara'a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-'Awda führte (Etana 17.1.2025). Mitte Februar einigten sich die Anführer der südlichen Fraktionen und das Verteidigungsministerium auf die Bildung einer sogenannten Süddivision innerhalb der neuen syrischen Armee. Um sich in das neue Verteidigungsministerium „integrieren“ zu können, baten die Vertreter der Übergangsregierung die Gruppierungen, Informationen über die Anzahl ihrer Kämpfer, die in ihrem Besitz befindlichen Waffen und die Militärstützpunkte zu übermitteln. Seit dem Treffen deuten mehrere Entwicklungen darauf hin, dass die Bildung der Division im Gange ist, und das Hauptquartier der 5. Division in Izra'a im Osten von Dara'a wurde als Kommandozentrale für die neue Division ausgewählt (Etana 22.2.2025). Nach monatelangen Spannungen zwischen dem Milizkommandanten Ahmad al-'Awda aus Dara'a und dem neuen syrischen Präsidenten Ahmad ash-Shara' – angeheizt durch Frustration über die mangelnde Machtteilung und Inklusivität im laufenden Übergangsprozess und in den Regierungsstrukturen des Landes – war al-'Awda gezwungen, zurückzutreten und die von ihm seit 2014 geführte bewaffnete Gruppe aufzulösen. Ihr Zusammenbruch folgte auf intensiven militärischen Druck der Allgemeinen Sicherheit nach den Gewalttaten der vergangenen Woche mit rivalisierenden, von Damaskus unterstützten Fraktionen (Etana 16.4.2025).
Die verschiedenen Gruppierungen in Südsyrien, darunter die von Russland unterstützte 8. Brigade in Dara'a und die drusischen Milizen in Suweida, haben spezifische Bedingungen für den Beitritt zu einer nationalen Armee festgelegt. Dazu gehören die Einrichtung einer wirklich repräsentativen Regierung, eine neue Verfassung und ein nicht konfessionsgebundenes Militär (DNewsEgy 3.2.2025).
In der Provinz Suweida wurde die Bildung eines Militärrats angekündigt, zu dessen Treffen am 24.2.2025 alle Waffenbesitzer eingeladen waren. Die wichtigsten Gruppierungen in der Provinz haben jedoch noch keine Verbindung zu dem Rat bekannt gegeben, und die Gruppierungen, die dahinter stehen, sind unbekannt. Der Gemeinsame Operationsraum in Suweida reagierte auf die Ankündigung mit einer Erklärung, in der es hieß: „Dieser Rat ist illegitim und die Erklärung vertritt nur seine Eigentümer und macht sie für alle Komplikationen verantwortlich, die sich aus diesem Treffen ergeben könnten.“ (TNA 23.2.2025) Eine Gruppe militanter Drusen in Suweida hat die Gründung des Suweida-Militärrats bekannt gegeben, einer Koalition lokaler bewaffneter Gruppen, die sich für den Schutz der Region und die Aufrechterhaltung der Sicherheit einsetzen. Der Rat erklärte, seine Mission sei es, Zivilisten und öffentliches Eigentum vor Gewalt und Zerstörung zu schützen und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsfraktionen zu stärken. Er kündigte außerdem Pläne für regelmäßige Treffen an, um Bedrohungen einzuschätzen und entsprechend zu reagieren (LWJ 24.2.2025).
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Folter und unmenschliche Behandlung, Haftbedinungen, willkürliche Verhaftungen, Verschwinden Lassen, etc. - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (8.12.2024)
Vor dem Sturz des Assad-Regimes am 8.12.2024 berichteten die UN über Folter und Hinrichtungen von Gefangenen, die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) im Nordwesten festgehalten werden. Sie und einige Fraktionen der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) im Norden wenden in ihren Haftanstalten dieselben brutalen Foltermethoden an wie die Regierung (OHCHR 3.2.2025).
Im Jänner 2025 führte die Übergangsregierung Sicherheitskampagnen durch, wie Razzien und Festnahmen. Im Fokus standen dabei die Gouvernements Latakia, Homs und Damaskus. Gerichtet waren diese Kampagnen gegen Personen, denen Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen unter dem Assad-Regime vorgeworfen werden, insbesondere gegen ehemalige Militärangehörige und Regierungsangestellte. Ob diese Kampagnen auf gerichtlichen Anordnungen basierten, ist unklar. Das Syrian Network for Human Rights dokumentierte im Jänner 2025 229 Fälle von willkürlichen Verhaftungen, darunter drei Kinder und acht Frauen. Die Übergangsregierung war für 129 Verhaftungen verantwortlich, wobei 36 wieder entlassen wurden (SNHR 4.2.2025a). Im Allgemeinen richten sich die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen Männer, von denen angenommen wird, dass sie Verbrechen begangen haben (unabhängig davon, ob dies bewiesen ist oder nicht), und nicht gegen Alawiten, denen Soldaten begegnen. Die HTS weigert sich, einem transparenten Rechtsverfahren zu folgen, bei dem diese Opfer eindeutig identifiziert und vor Gericht gestellt werden (MEI 21.1.2025). Hawar News, einer kurdischen Zeitung zufolge, haben vier Personen in einer Haftanstalt in Damaskus durch Folter ihr Leben verloren, nachdem sie bei Razzien in Homs festgenommen worden waren (ANHA 9.2.2025). Ende Jänner verstarb ein Mann, der wegen Unterstützung des Assad-Regimes verhaftet worden war, in Haft. Die syrischen Behörden kündigten an, eine Untersuchung wegen Misshandlung durch Sicherheitskräfte einzuleiten. Die Verantwortlichen wurden verhaftet und der Militärjustiz übergeben (AAA 2.2.2025).
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Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024).
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Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vergleiche MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vergleiche AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte "Versöhnungszentren" eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten.
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Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
Der anhaltende Konflikt in Syrien hat zu erheblichen demografischen Verschiebungen geführt: Unzählige Männer wurden getötet, vertrieben oder durch militärische Einberufung, wirtschaftliche Not oder Beteiligung an Kämpfen ins Exil gezwungen. Infolgedessen tragen Frauen nun eine große Verantwortung für die Versorgung der Haushalte, die Arbeit in verschiedenen Sektoren und die Bewältigung der täglichen wirtschaftlichen Aktivitäten (AC 20.12.2024). Der Konflikt in Syrien hat die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verschärft und Frauen und Mädchen verstärkt Gewalt, Vertreibung und diskriminierenden Gesetzen ausgesetzt, die ihre Rechte einschränken. Viele weibliche Haushaltsvorstände haben Schwierigkeiten, die Geburt ihrer Kinder zu registrieren, was das Risiko der Staatenlosigkeit erhöht und den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung einschränkt (HRW 16.1.2025). Vertriebene Frauen sind ständig der Gefahr sexueller Übergriffe und anderer Formen von Missbrauch ausgesetzt, insbesondere wenn sie Kontrollpunkte passieren, die von bewaffneten Gruppen kontrolliert werden. Frauen, die versuchen, das Land mit Hilfe von Schmugglern zu verlassen, sind auch der Gefahr der Ausbeutung ausgesetzt, in einigen Fällen sogar dem sexuellen Menschenhandel. In Syrien gibt es auch Hinweise darauf, dass sexuelle Gewalt in den Hafteinrichtungen der ehemaligen Regierung bewusst eingesetzt wurde, um Frauen einzuschüchtern und zu bestrafen, die direkt oder indirekt mit der Opposition in Verbindung gebracht wurden. Frauen, die in der Haft vergewaltigt wurden oder bei denen eine Vergewaltigung vermutet wird, laufen Gefahr, von ihren Familienmitgliedern verstoßen zu werden oder nach ihrer Entlassung sogar einem Ehrenmord zum Opfer zu fallen, da sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt kulturell stigmatisiert sind (MRG 1.2025). Eine vom Central Bureau of Statistics (CBS), einer staatlichen Einrichtung, in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen durchgeführte Mehrzweck-Demografieerhebung ergab, dass 518.000 Frauen ihre Ehemänner während des Krieges verloren haben. Aus einem internationalen Bericht des UNHCR geht hervor, dass mehr als 145.000 syrische Flüchtlingsfamilien im Libanon, in Jordanien, im Irak und in Ägypten sowie Zehntausende in der Türkei von Frauen geführt werden, die allein um ihr Überleben kämpfen, was etwa 22 % der Gesamtzahl syrischer Familien entspricht. Familien, die von verwitweten Frauen geführt werden, leiden oft unter fehlenden Ressourcen, hohen Schulden, fehlendem Zugang zu angemessenen Nahrungsmitteln, ein Großteil ihrer Kinder ist gezwungen, in der Schattenwirtschaft zu arbeiten, und einige von ihnen sind in unterschiedlichem Maße verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt. Die Armutsquote von Frauen ist mit der zunehmenden Zahl von Witwen in der Gesellschaft auf ein noch nie da gewesenes Ausmaß angestiegen (AJ 31.1.2025b).
Frauen haben unverhältnismäßig selten Rechtssicherheit. Dies hängt mit der Armut von Frauen, ihrer Anfälligkeit für Gewalt, diskriminierenden Praktiken lokaler Gemeinschaften, die oft durch Traditionen und eine enge Auslegung der Religion hervorgerufen werden, und anderen Faktoren zusammen, die zur allgemeinen Ungleichheit von Frauen beitragen. Einige Gruppen von Frauen werden auch aufgrund ihrer Klasse, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, ihres Alters, Einkommens, Familienstandes oder anderer Faktoren diskriminiert. Die Zahl der Frauen, die Wohneigentum besitzen, wird auf nur 2–5 % geschätzt. Darüber hinaus sind Frauen mit Behinderungen zusätzlichen Risiken ausgesetzt, wodurch ihr Recht auf angemessenen Wohnraum noch weiter in die Ferne rückt (UNHCHR 18.7.2024). Eine Mitarbeiterin der feministischen Organisation Syrian Women's Political Movement betont, dass erhebliche Gesetzesreformen erforderlich sind, um die Frauenrechte in Syrien zu verbessern. Wesentlich ist die Arbeit an der Verfassung, um sicherzustellen, dass die Rechte der Frauen in Bezug auf Religion, Politik sowie Landrechte und Eigentum geschützt sind (DW 7.1.2025).
Bis 2017 machten Frauen 30 % des Justizkorps aus. Der Anstieg der weiblichen Vertretung war größtenteils auf den Verlust männlicher Richter durch Tod, Inhaftierung oder Vertreibung während des Bürgerkriegs zurückzuführen (TNA 2.1.2025a).
Präsident ash-Shara' sagte in einem Interview mit The Economist, dass Frauen der Arbeitsmarkt offen stünde und jede Frau, die arbeiten möchte, arbeiten kann (Economist 3.2.2025).
Frauen berichteten von Problemen mit Kämpfern der Rebellen. Beispielsweise gaben Richterinnen an, dass Kämpfer ihnen gesagt hätten, dass sie nicht mehr dienen dürften. Dabei dürfte es sich um Einzelpersonen handeln (PBS 16.12.2024). Internationale Medien, die berichtet hatten, dass es zukünftig keine Richterinnen mehr geben würde, korrigierten eine entsprechende Meldung später (Tagesschau 12.12.2024). Eine Erklärung von Ali al-Maghraby, dem ersten Inspektor des Justizministeriums in der von der HTS geführten Syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG), schien auf das Treffen im Justizpalast in Homs einzugehen, dementierte aber Gerüchte, dass Frauen aus dem Justizwesen entfernt werden könnten, und sagte, dass die "Herrschaft der Richterinnen intakt" sei, aber andere Details wurden weder dementiert noch bestätigt (Nahar 14.12.2024). Der Sprecher der HTS fiel außerdem mit Äußerungen über die zukünftige Rolle der Frau in der syrischen Justiz auf. In einem Interview mit einem libanesischen Fernsehsender soll er es in Zweifel gezogen haben, ob Frauen richterliche Befugnisse übernehmen sollten. Die aktuelle Situation ist für Richterinnen im ganzen Land zunehmend prekär geworden. Zwar hat das Übergangskabinett Syriens keine formellen Anweisungen zur Entlassung von Richterinnen herausgegeben, doch Quellen aus dem Justizpalast des Gouvernements Homs berichten, dass sie mündliche Anweisungen erhalten haben, Frauen aus Justizpositionen zu entfernen (TNA 2.1.2025a). Weiters soll die HTS ein Verbot erlassen haben, sich hinsichtlich der Kleidung von Frauen einzumischen oder Forderungen in Bezug auf ihre Kleidung oder ihr Aussehen zu machen, einschließlich der Forderung nach Bescheidenheit (Nahar 14.12.2024; vergleiche SyrNews 9.12.2024). Aleppo Today zitierte jedoch Mohammad al-Asmar, den Kommunikationsbeauftragten des Informationsministeriums der SSG der bestritt, dass diese Erklärungen von einer offiziellen Stelle abgegeben wurden, und darauf hinwies, dass die Quelle dieser Behauptungen Medienseiten waren, die bekanntermaßen pro-Assad sind (Nahar 14.12.2024). An Laternenpfählen wurden Aushänge angebracht, die Frauen befehlen, den Schleier zu tragen. Kinder, die aus der Schule nach Hause kommen, fragen ihre Mütter, warum sie nicht verhüllt sind. Ash-Shara' hat eine Frau zur Leiterin der Zentralbank ernannt, aber in einigen Regierungsbüros müssen Frauen und Männer jetzt durch getrennte Eingänge gehen (Economist 14.1.2025). Die deutsche Bundesaußenministerin will Hilfen für Syrien von der Achtung von Frauenrechten abhängig machen. Für islamistische Strukturen werde es keine EU-Gelder geben (DW 7.1.2025). In städtischen Zentren und ländlichen Gebieten sind Frauen aktiv im öffentlichen Raum präsent. Es wurden keine weitverbreiteten Versuche unternommen, restriktive Kleidervorschriften einzuführen oder die Mobilität von Frauen einzuschränken, was in krassem Gegensatz zu den Befürchtungen steht, die viele hegten, als HTS erstmals an Bedeutung gewann. Frauen nehmen in Städten und Dörfern frei an öffentlichen Feiern teil, was die relative Leichtigkeit unterstreicht, mit der sie sich unter der neuen Führung im öffentlichen Raum bewegen können (AC 20.12.2024). HTS-Chef Ahmed ash-Shara', der derzeit an der Spitze Syriens steht, versprach, dass Syrien nicht zu einem „zweiten Afghanistan“ werden würde, und verwies dabei auf die Bilanz der Provinz Idlib unter der HTS-Herrschaft, wo fast 60 % der Hochschulabsolventen Frauen sind (TNA 2.1.2025a).
Zwar sind Frauen in der Übergangsregierung in mittleren Verwaltungsfunktionen sichtbar, doch es wurden noch keine Anstrengungen unternommen, sie in Führungspositionen oder Ministerien zu berufen. Dies spiegelt einen breiteren Trend in konservativen Regierungsstrukturen wider, in denen die Beteiligung von Frauen oft auf symbolische Rollen beschränkt ist. Das Versäumnis der neuen Regierung, Frauen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, birgt die Gefahr, einen kritischen Teil der Bevölkerung zu entfremden und ihren Anspruch auf Inklusivität zu untergraben (AC 20.12.2024). Die einzige Frau in der Interimsregierung ist 'Aisha ad-Dabis, eine Menschen- und Frauenrechtsaktivistin, die in den letzten Jahren an humanitären Projekten in Flüchtlingslagern gearbeitet hat, wie lokale Medien berichten. Ihre Ernennung zur Direktorin des Büros für Frauenangelegenheiten erfolgte, nachdem der Sprecher der neuen Regierung, eine Kontroverse ausgelöst hatte, mit seiner Aussage, dass die Ernennung von Frauen in Minister- und Parlamentsämter verfrüht sei, weil die „biologische und psychologische Natur“ von Frauen sie daran hindere, bestimmte Rollen zu erfüllen (BBC 26.12.2024). Ad-Dabis selbst erklärte öffentlich, die Übergangsregierung habe ihr eigenes Modell für Frauen entworfen und wolle es umsetzen. Dieses Modell beschränkt Frauen im Wesentlichen auf den privaten Bereich und stützt sich auf die Scharia (ANF 9.1.2025). Gleichzeitig versprach sie, syrische Frauen in soziale, kulturelle und politische Institutionen einzubinden, und kündigte eine umfassende Initiative an, die sich mit den Bedürfnissen weiblicher Gefangener befasst, die unter dem vorherigen Regime gelitten haben (TNA 2.1.2025a). Der Außenminister zeigte sich als Reaktion auf Empörung in der Öffentlichkeit zuversichtlich, was die aktive Rolle der Frauen in der Gesellschaft angeht, und erklärte: „Wir glauben an die aktive Rolle der Frauen in der Gesellschaft und vertrauen auf ihre Fähigkeiten“ (TNA 1.1.2025). Die von Islamisten dominierte Übergangsregierung hat zwei Frauen in Ämter gehoben, die bisher Männern vorbehalten waren: Maysaa' Sabrin ist geschäftsführende Direktorin der syrischen Zentralbank und Muhsina al-Mahithawi die erste Gouverneurin in Syrien (DW 7.1.2025). Sie wurde zur Gouverneurin von Suweida ernannt. Die Drusin leitet damit ihre Heimatprovinz (TNA 1.1.2025).
Kinder - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
UNICEF zufolge benötigen 7,5 Millionen Kinder humanitäre Hilfe, 6,4 Millionen benötigen dringend Schutz, weil Unsicherheit und wirtschaftliche Not die Verletzung von Kinderrechten, Angst und Not vertiefen. 3,7 Millionen Kinder benötigen Ernährungshilfe. Mehr als 2,4 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule und eine Million weitere Kinder laufen Gefahr, die Schule abzubrechen. Dadurch sind sie einem höheren Risiko von Kinderarbeit, Kinderheirat, Menschenhandel sowie Rekrutierung und Einsatz durch Konfliktparteien ausgesetzt. (UNICEF 17.12.2024). Mehr als 650.000 Kinder zeigen Anzeichen von Wachstumsstörungen aufgrund schwerer Unterernährung (OHCHR 3.2.2025).
Nach dem Sturz des Assad-Regimes ist das Schicksal von Hunderten von Kindern, die nach der Verhaftung ihrer Eltern verhaftet oder in Waisenhäuser gebracht wurden, weiterhin unklar. Das Medienbüro des syrischen Ministeriums für Soziales und Arbeit teilte mit, dass es mehrere geheime Bücher gefunden habe, die von den Sicherheitsbehörden während der Herrschaft al-Assads verschickt wurden und die die Überführung einer Reihe von Kindern in Waisenhäuser betreffen. Einige Mitarbeiter von Waisenhäusern haben zugegeben, dass eine Reihe von Kindern zu ihnen gebracht wurde und dass die Kinder manchmal aufgefordert wurden, die Namen ihrer Eltern zu ändern oder sie als verstorben zu registrieren (Arabiya 12.1.2025b).
Kinder sind der Gefahr von Landminen und Blindgängern in besonderem Maße ausgesetzt. Oft werden Blindgänger mit Spielzeug verwechselt oder stellen Gegenstände dar, die Kinder neugierig machen. Seit 2020 sind mehr als 1.260 Kinder durch Kampfmittelreste getötet worden (UNICEF 17.12.2024). In den letzten neun Jahren passierten 422.000 Zwischenfälle mit Blindgängern, bei der Hälfte davon waren Kinder involviert. 2024 wurden 116 Kinder durch nicht explodierte Munition oder Minen getötet oder verletzt. Blindgänger sind die Hauptursache für Opfer unter Kindern. Schätzungen zufolge sind fünf Millionen Kinder im ganzen Land gefährdet (UN News 14.1.2025).
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Rekrutierung Minderjähriger für den Militärdienst (Stand Oktober 2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
Die Rekrutierung von Kindern für Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht, das die Rekrutierung oder den Einsatz von Kindern unter 15 Jahren in Konflikten verbietet. Eine solche Rekrutierung oder der Einsatz von Kindern in Konflikten ist ein Kriegsverbrechen gemäß dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Darüber hinaus verbietet das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen unter allen Umständen die Rekrutierung von Kindern unter 18 Jahren (HRW 2.10.2024). Die Rekrutierung von Kindern in bewaffneten Konflikten fügt Gemeinschaften und Familien erheblichen Schaden zu. Wenn Kinder in bewaffnete Gruppen gezwungen werden, setzen sie sich nicht nur Gefahren aus und untergraben die Bemühungen um Friedenskonsolidierung. Familien leiden unter der Not, wenn ihre Kinder Gewalt ausgesetzt sind, was zu Angst und Instabilität führt. Die anhaltenden Folgen der Rekrutierung von Kindern tragen zu einem Kreislauf von Traumata bei, der sich auf die allgemeine Entwicklung und das Wohlergehen der Gemeinschaft auswirkt (CCR/YASA 5.2024). In den Jahren des Konflikts und Bürgerkriegs in Syrien haben bewaffnete Gruppen Kinder rekrutiert. Die Zahl der Rekrutierungen Minderjähriger nahm dabei bis 2023 kontinuierlich zu (AP 28.6.2023). In einigen Fällen wurden Kinder zwangsrekrutiert, in anderen Fällen melden sich Minderjährige, weil sie oder ihre Familien das Gehalt benötigen. Einige schlossen sich aus ideologischen Gründen oder aufgrund von Familien- und Stammesloyalitäten an. In einigen Fällen wurden Kinder aus Syrien geschickt, um als Söldner in anderen Konflikten zu kämpfen (AP 28.6.2023). Unter den 25 Parteien, die Berichten zufolge an der Rekrutierung von Kindern beteiligt waren, darunter die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG), die Fraueneinheiten (Yekîneyên Parastina Jin - YPJ), die Freie Syrische Armee (Free Syrian Army - FSA), Ahrar ash-Sham und andere bewaffnete Gruppen unter der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA), stach die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) durch ihr umfangreiches Engagement bei der Rekrutierung und Ausbildung von Kindern hervor (CCR/YASA 5.2024). Die SNA und die HTS rekrutierten Minderjährige (AP 28.6.2023). Die UN verifizierten 231 Fälle von Rekrutierungen Minderjähriger durch die SDF und den mit ihnen verbundenen Kräften im Jahr 2023 (HRW 2.10.2024).
Die oppositionelle Syrische Nationalarmee (Syrian National Army - SNA), darunter Ahrar ash-Sham und die Armee des Islam, sowie die mit ihnen verbündeten Gruppierungen und Fraktionen unterzeichneten am 3.6.2024 einen Aktionsplan mit den Vereinten Nationen, um die Rekrutierung und den Einsatz sowie die Tötung und Verstümmelung von Kindern gemäß der Resolution 1539 (2004) des Sicherheitsrats und nachfolgender Resolutionen zu beenden und zu verhindern. Der Aktionsplan gilt auch für alle neuen Gruppierungen, die sich der oppositionellen SNA und den ihr angeschlossenen Gruppierungen nach seiner Unterzeichnung anschließen oder sie verlassen (UNSRCA 3.6.2024).
Bewegungsfreiheit - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
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Grenzübergänge
Am 16.12.2024 kündigte die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) an, alle Grenzübergänge zu den Nachbarländern auf syrischer Seite zu schließen, bis es ihnen gelungen sei, eine Art Organisation aufzubauen, um die Grenzen wieder zu besetzen und um wieder über Visastempel zu verfügen (PBS 16.12.2024). Mit Stand 1.2.2025 gibt es elf aktive Grenzübergänge, die der Generalbehörde für Land- und Seegrenzen gehören (Rudaw 1.2.2025). Der Direktor für lokale und internationale Beziehungen bei der Generalbehörde für Land- und Seegrenzen, erklärte gegenüber Al Jazeera, dass die Grenzübergänge seit der Befreiung Syriens vom gestürzten Regime nicht nur Syrer empfangen, die ihr Land besuchen wollen, ob als Einwohner oder Besucher, sondern auch arabische und ausländische „Brüder und Freunde“, die Syrien nach der Befreiung besuchen wollen. Die Grenzübergänge seien stark belastet worden, sagte er. Die meistbenützten Übergänge sind: Jdaydat Yabous/ Masna' zum Libanon, an dem in den letzten zwei Monaten mehr als 630.000 Bürger ein- und ausgereist sind, Nassib/ al-Jaber zu Jordanien, der mehr als 175.000 Bürger empfangen hat, davon 110.000 bei der Einreise und 65.000 bei der Ausreise, Bab al-Hawa/ Reyhanlı zur Türkei, wo mehr als 75.000 Bürger empfangen wurden, darunter 63.000 Ankünfte und 12.000 Ausreisen, al-Bu Kamal/ al-Qa'im zum Irak, der etwa 5.500 Bürger aufnahm. Daneben gab es Einreisen von Zehntausenden an den übrigen Grenzübergängen zur Türkei, wie Kassab/ Yayladağı, al-Hamam/ Hatay Hammami, Bab as-Salama/ Öncüpınar und Jarabulus/ Karkamış (AJ 13.2.2025a).
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Rückkehr - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Letzte Änderung 08.05.2025
Mit dem Sturz al-Assads kehrten Tausende Syrer aus dem Libanon und der Türkei nach Syrien zurück. Für viele war das Assad-Regime das Haupthindernis für die Rückkehr in ihre Heimat. Die Aufnahmeländer haben diese Begeisterung genutzt, um weitere Rückkehrer zu ermutigen (CSIS 11.12.2024). Zehn Tage nach dem Sturz des syrischen Regimes am 8.12.2024 erklärte die Europäische Union (EU), sie schätze, dass zwischen Januar und Juni 2025 etwa eine Million syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückkehren würden. Das wurde durch die Direktorin des Büros des UNHCR für den Nahen Osten und Nordafrika bestätigt. Ahmad ash-Shara', der Befehlshaber der Militäroperationen in Syrien, der später zum Übergangspräsidenten des Landes wurde, betonte bei einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Geir Pedersen, dass eine seiner ersten Prioritäten darin bestehe, zerstörte Häuser wieder aufzubauen und die Vertriebenen in das letzte Zelt zurückzubringen, während er gleichzeitig sehr wichtige wirtschaftliche Entscheidungen treffe (Almodon 13.2.2025).
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1.3.2. Auszug aus dem EUAA Syria Country Focus, vom März 2025:
Frauen (S.33-38)
Allgemeiner Überblick über Verstöße gegen Frauen
Laut eines SNHR Berichts wurden zwischen März 2024 und November 2024 mindestens 29.064 Frauen in Syrien getötet, und 11.268 Frauen wurden bei der Veröffentlichung des Berichts in Haft gehalten oder verschwanden gewaltsam. lm Zeitraum vom 1. Januar bis 27. Dezember 2024 dokumentierte das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) konfliktbezogene Vorfälle, bei denen 92 Frauen in ganz Syrien getötet wurden. Berichte über die Tötungvon Frauen durch bewaffnete Akteure wurden im Bezugszeitraum fortgesetzt, und Frauen wurden auch weiterhin Opfer anderer Verstöße, darunter Todesfälle durch nicht explodierte Kampfmittel und Tötungen durch unbekannte Täter. lm Februar 2025 berichtete SOHR über eine erhöhte Zahl von Entführungsfällen von Frauen und Mädchen.
Die Krise in Syrien hatte unverhältnismäßige Auswirkungen auf Frauen, was zu Gewaltrisiken, negativen Bewältigungsmechanismen, einem eingeschränkten Zugang zu Dienstleistungen, einer erhöhten Anfälligkeit für sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt (,,sexual and genderbased violence - SGBV"), Diskriminierung und einem eingeschränkten Tugang zu medizinischer Versorgung und Rechtsbehelfen führte. Frauen und Mädchen waren beim Zugang zu humanitärer Hilfe benachteiligt und unverhältnismäßig stark von Ernährungsu nsich erheit betroffen.
Legislative Entwicklungen und Maßnahmen, die Frauen betreffen
Quellen deuten darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts noch keine Klarheit über die Lage der Frauen in Syrien unter den HTS-Behörden besteht. Der neue Außenminister Assaad al-Shibani behauptete, dass die Behörden die Rechte der Frauen ,,voll und ganz unterstützen" würden, und Ahmed al-Sharaa versprach, die Bildung von Frauen fortzusetzen. Zum 1. Januar 2025 wurden drei Frauen in offizielle Positionen unter der neuen Regierung in Syrien berufen. Die erste Frau, die ernannt wurde, war Aisha al-Dibs als Leiterin des Büros für Frauenangelegenheiten. Am 30. Dezember 2024 ernannten die neuen Behörden die erste weibliche Gouverneurin der syrischen Zentralbank, Maysaa Sabrine, die zuvor als stellvertretende Gouverneurin der Bank tätig war. Am 31. Dezember 2O24wurde Muhsina al-Mahithawi aus der drusischen Minderheit zur ersten weiblichen Gouverneurin der Provinz Sweida ernannt.
Auf nationaler Ebene ist der Regierungsansatz der Übergangsverwaltung nach wie vor unklar, insbesondere in Bezug auf die Rechte und die Vertretung von Frauen. Obaida Arnout, eine Regierungssprecherin, schlug vor, dass Frauen aufgrund ihrer inhärenten Merkmale für bestimmte Rollen in der Regierungsführung ungeeignet seien, während Aisha al-Dibs, die neu ernannte Ministerin für Frauen, sich gegen die Zusammenarbeit mit Organisationen der Zivilgesellschaft aussprach, die mit ihren Ansichten nicht einverstanden seien. Al-Dibs führte weiter steigende Scheidungsraten auf ein früheres Regierungsprogramm zurück und versprach, ähnliche lnitiativen zu vermeiden. Maßnahmen, die auf das öffentliche Engagement von Frauen abzielen, wurden auf Pläne für die Geschlechtertrennung in öffentlichen und privaten Bussen in Damaskus ausgeweitet. Lm Januar kündigte die General Company for lnternal Transport , ,,7ajal Transport", an, dass in der Hauptstadt innerhalb weniger Tage, nach früheren Versuchen in ldlib, Aleppo, Hama und Homs, gesch lechtergetren nte Transporte d u rchgefü h rt würden.
ln Bezug auf die Arbeit von Richterinnen erklärte Obaida Arnout, dass dies ,,von Sachverständigen" untersucht werden müsse, was die Situation von Richterinnen unklar lasse. lm Januar 2O25 wurde berichtet, dass Shadi al-Waisi, der Justizminister in der derzeitigen Regierung, in zwei Videos gesehen wurde, in denen die Hinrichtung von zwei Frauen überwacht wurde, die 20L5 im Raum ldlib wegen ,,Korruption und Prostitution" verurteilt wurden. ln Homs erschienen Beschilderungen, die die Geschlechtertrennung bewerben, in Bussen. ln Damaskus wurden Plakate mit den ,,Bedingungen des schariakonformen Hijab" im öffentlichen Raum gesehen. Laut Al-Dibs wird die Regierung syrischen Frauen jedoch keine Kleiderordnung auferlegen. ln einem lnterview vom 25. Dezember 2O24 erklärte Ahmed al- Sharaa, dass ,,christliche Frauen nicht gezwungen würden, den Schleier einzuhalten", ohne jedoch muslimischen Frauen zu erwähnen.
Frauen ohne männliche Unterstützung (weiblich geführter Haushalt/einzeln/verwitwet)
Der Konflikt in Syrien hat zu einem demografischen Wandel geführt, der zu mehr weiblichen Haushaltsvorständen/Familienoberhäuptern und Frauen die in die Berufswelt einsteigen geführt hat. Die Zahl der von Frauen geführten Haushalte hat aufgrund der Vertreibung zusätzlich zugenommen. Laut einer Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Oktober 2O24wird in ganz Syrien,,fast jede dritte Familie von einer Frau geleitet." Haushalte mit weiblichem ,,Oberhaupt" gehören schutzbedürftigen Gruppen an, die unverhältnismäßig stark von dem Konflikt betroffen waren und deren Grundbedürfnisse wie Gesundheitsversorgung, Ernährung und Bildung nicht erfüllt wurden. Frauen wurden am Arbeitsplatz schikaniert und diskriminiert, insbesondere Frauen ohne Ehemänner, einschließlich Witwen. Die Arbeitslosenquote von Frauen in Syrien erreichte 2024 62,2%, so das syrische Zentralamt für Statistik. Kinder von weiblichen Haushaltsvorständen waren einem erhöhten Risiko der Staatenlosigkeit ausgesetzt, da sie ihre Geburten nicht registrieren konnten. Geschiedene Frauen und Witwen waren dem Risiko von Zwangsverheiratung ausgesetzt. Schwierigkeiten bei der Rückforderung von Eigentum wurden in Bezug auf Witwen, zurückkehrende Frauen aus dem Libanon (mehr als die Hälfte dieser Haushalte waren weiblich geführt) und vertriebene Frauen im Nordosten Syriens gemeldet. Geschiedene Frauen im Nordwesten Syriens waren mit gesellschaftlicher Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung u nd ma n gel nder U nterstützu n g konfrontiert.
Ab Januar 2025 wurden etwa 40 000 Menschen im Lager al-Hol im Nordosten Syriens festgehalten, Berichten zufolge hauptsächlich Frauen und Kinder, Familienangehörige von lSlL-Mitgliedern, darunter Tausende von Ausländern. Die Bedingungen in den Lagern wurden als,,unmenschlich" und,,lebensbedrohlich" bezeichnet. Am 27. Januar ordnete die USRegierung an, die,,ausländische Entwicklungshilfe" auszusetzen, woraufhin am nächsten Tag eine vorübergehende Ausnahmeregelung für ,,lebensrettende humanitäre Hilfe" erlassen wurde. Quellen berichteten, dass das Einfrieren der humanitären Hilfe die Lebensbedingungen im Lager al-Hol weiter verschlechtert hat.
Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt
Der im November 2024 veröffentlichte Jahresbericht der SNHR verzeichnete seit März 11.553 Fälle sexueller Gewalt gegen Frauen. Die Haupttäter sexueller Gewalt, die von der SNHR dokumentiert wurden, wurden als ehemaliges syrisches Regime (8.024 Vorfälle) und lSlL (3.487 Vorfälle) identifiziert, während HTS für zwei Vorfälle verantwortlich gemacht wurde.
Das OHCHR berichtete von einem Anstieg ,,aller Arten sexueller Gewalt und anderer geschlechtsspezifischer Gewalt" in Syrien während des Konflikts. Misshandlungen gegen Frauen wurden unterschätzt, auch wegen gesellschaftlicher Stigmatisierung und Angst. Der Konflikt in Syrien hat zu vermehrten Fällen von Früh- und Zwangsheiraten geführt, auch als Bewältigungsmechanismus. Eine Studie der internationalen Organisation PAX ergab, dass die Verlagerung der Geschlechterrollen zu einem Anstieg häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt beigetragen hat. lm Januar 2025 berichtete der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), dass Frauen und Mädchen in Syrien aufgrund institutionalisierter Ungleichheit der Geschlechter und des Patriarchats sowohl im öffentlichen als auch im privaten Leben mit,,allgegenwärtigen Formen" von SGBV konfrontiert waren. Die Situation war durch einen Mangel an Unterstützungsdiensten, sicheren Räumen und Rechtsschutz gekennzeichnet. Nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) sind 93 % der rund 8,5 Millionen Menschen, die in Syrien Hilfe bei geschlechtsspezifischen Gewalttaten benötigen, Frauen und Mädchen. Sie sahen sich einer Vielzahl von Missbräuchen ausgesetzt, darunter ,,Gewalt durch intime Partner, häusliche Gewalt, wirtschaftliche und emotionale Gewalt sowie sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung und sexueller Belästigung." Ab Januar 2025 waren im Nordwesten Syriens sichere Räume für Frauen und Mädchen, die SGBV-Dienste anbieten, funktionsfähig. ln ldlib wurden Ende2024 Gesundheitseinrichtungen einschließlich einer Entbindungsklinik erheblich beschädigt. Frauen und Mädchen in Aleppo sahen sich beim Zugang zu Dienstleistungen für Opfer des SGBV mit,,erheblichen Schwierigkeiten" konfrontiert, einschließlich solcher, die den Transport und den Mangel an weiblichem Personal betrafen. Das Risiko von SGBV war Berichten zufolge für Frauen in Binnenvertriebenenlagern und in den Notunterkünften höher.
Kinder Sitzung 38-41)
Auswirkungen von Gewalt auf Kinder
Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) wurden in den 13 Jahren des Konflikts rund 25.500 Verstöße gegen Kinder verzeichnet, darunter die Tötung und Verstümmelungvon Kindern und die Rekrutierungvon Kindern. SNHRgab an, dass in derZeit vom März 2011 bis zum 10. November 2024 30.293 Kinder getötet wurden, und ab dem 20. November 2024wurden 5.298 Kinder verhaftet, inhaftiert oder verschwanden gewaltsam. Lm Zeitraum vom 1. Januar bis zum 27. Dezember 2024 dokumentierte das OHCHR Vorfälle, bei denen 212 Kinder in ganz Syrien getötet wurden. Nach dem Regimewechsel gab es weiterhin Berichte über die Tötung von Kindern durch bewaffnete Akteure. Kinder wurden auch weiterhin durch nicht explodierte Kampfmittelverletzt, die mindestens 116 im Dezember und 136 im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 17. Februar töteten oder verletzten. lm Januar 2025 warnte das UNOCHA, dass schwerwiegende Verstöße gegen Kinder nach wie vor ein großes Problem darstellen, einschließlich der Gefahr, getötet, verletzt, rekrutiert und bei Feindseligkeiten eingesetzt zu werden.
lm Dezember 2024 waren schätzungsweise 7,5 Millionen Kinder in Syrien auf humanitäre Hilfe und rund 6,4 Millionen auf psychologische Hilfe angewiesen. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) berichtete, dass Ernährungsunsicherheit und Unterernährung bei Kindern die Gesundheitsrisiken erhöhen. Etwa 506.000 Kinder unter fünf Jahren in ldlib und Aleppo litten unter akuter Unterernährung und über 609.000 unter ,,Stunting" (Wachstumsverzögerung durch z.B. schlechte Ernährung, wiederholte lnfektionen, mangelnder Zugang zu sauberen Trinkwasser, magelnde Gesundheitsversorgung). Die WHO stellte fest, dass in einigen Gouvernements das Stunting ein ,,alarmierend hohes Niveau" erreicht hat. UNOCHA berichtete, dass Krankenhäuser überfüllt seien und dass psychische Belastungen bei Kindern weit verbreitet seien.
Negative Bewältigungsmechanismen
Nach Angaben des UNOCHA sind Kinderarbeit und Kinderehen nach wie vor ,,weitgehend akzeptierte" Bewältigungsmechanismen für syrische Familien und die Tragweite wird nach wie vor nicht ausreichend erfasst. Kinder in Straßensituationen waren Ausbeutung ausgesetzt und standen ,,in Kontakt mit dem Gesetz wegen geringfügiger und schwerer Straftaten".
Ein im Januar 2025 veröffentlichter UNOCHA-Bericht wies darauf hin, dass die Wirtschaftskrise in Syrien das Risiko von geschlechtsspezifischer Gewalt bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen, auch bei jugendlichen Mädchen, sowie das Risiko von Kinderarbeit, Kinderheirat und sexueller Ausbeutung weiter erhöht hat. Ein Bericht der internationalen NGO Welthungerhilfe über die Gouvernements Aleppo und ldlib zur Bewertung des Schutzbedarfs auf der Grundlage der im August 2024 erhobenen Daten ergab, dass Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder, insbesondere jugendliche Mädchen, in verschiedenen Umgebungen auftraten unter anderem auch zu Hause, in der Schule, am Arbeitsplatz und in Binnenvertriebenenlagern. ln dem Bericht wurde festgestellt, dass Kinderehen sowohl in Binnenvertriebenenlagern als auch in Aufnahmegemeinschaften nach wie vor,,vorherrschend" sind, wobei die Hauptgründe in erster Linie die Armut in Aleppo und die Bräuche und Traditionen in ldlib sind. Nach Angaben des USDOS gab es unter der Assad-Regierung Unterkünfte für Waisenkinder.
ln Syrien gab es schätzungsweise römisch eins,2 Millionen Waisenkinder, und nach einem Regierungserlass wurden Kinder als ,,muslimisch angenommen, sofern nichts anderes nachgewiesen wurde", und sie konnten nur angenommen werden, ,,wenn das Paar und das Kind dieselbe Religion teilen". Ein Bericht des Global Protection Cluster (GPC), eines Netzwerks von NRO, internationalen Organisationen und UN-Agenturen, der im Dezember 2024 veröffentlicht wurde, stellte fest, dass Kinder besonders von einem Mangel an zivilen Dokumenten betroffen waren.
Zwangsrekrutierung durch bewaffnete Gruppen
ln einem am 20. November 2024 veröffentlichten Bericht erklärte die SNHR, dass im Zeitraum von März 2011 bis 10. November 2024 2.395 Kinder in Syrien zwangsrekrutiert wurden. Im Juni 2024 unterzeichnete der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für Kinder in bewaffneten Konflikten einen Aktionsplan zur Beendigung und Verhinderung der Rekrutierung und des Einsatzes sowie der Tötung und Verstümmelung von Kindern mit der SNA und abgestimmten Fraktionen. Darüber hinaus wurde ein Fahrplan zur Umsetzung eines Aktionsplans von 2019 zwischen den Vereinten Nationen, den SDF und den Verwaltungen in Nord- und Ostsyrien angenommen, der die Rekrutierung und den Einsatz von Kindern in bewaffneten Konflikten verbietet. Dennoch wurden weiterhin Fälle von Rekrutierung von Kindern gemeldet, auch von SDF und einer kurdischen Jugendbewegung im Nordosten Syriens. Ende November 2024 dokumentierte die SNHR Operationen des ehemaligen Regimes zur Einberufung junger Männer und Jungen mit dem Ziel, sie nach Nordsyrien zu entsenden.
Zugang zu Bildung
Ab Januar 2025 gab es in Syrien etwa 2,4 Millionen Kinder, die die Schule verlassen hatten, und eine weitere Million, die vom Schulabbruch bedroht war. Seit Ende November 2024 wurde die Schulbildung für rund 230.000 Kinder im Nordosten Syriens aufgrund anhaltender Konflikte unterbrochen. Außerhalb der Schule waren Kinder einem erhöhten Risiko von Kinderarbeit und Kinderehen sowie Menschenhandel und Rekrutierung ausgesetzt. ln einem Bericht des UNOCHA vom Januar 2025 heißt es, dass mehr als 5.200 Schulen beschädigt sind und keine Ausrüstung haben. Während die Bildung kostenlos ist, haben einige Familien negativen Bewältigungsmechanismen, die sich auf den Schulbesuch von Kindern auswirken, Priorität eingeräumt. lm Dezember 2024 berichteten die Vereinten Nationen, dass die Schulen zwar in ganz Syrien wiedereröffnet wurden, die ,,volatile Sicherheitslage" jedoch den Schulbesuch in einigen Gebieten beeinträchtigte. Der Zugang zu den Schulen wurde durch nicht explodierte Kriegsreste erschwert. Einige Schulen sind nach der Offensive gegen Präsident Baschar al-Assad am 8. Dezember 2024 zu Unterkünften für neu Vertriebene geworden. Etwa 68.000 Kinder in Aleppo und anderen Gouvernements konnten keine Schule besuchen, da viele Schulen als Sammelunterkünfte für Vertriebene genutzt wurden. Nach Angaben der lnternational Crisis Group ,,setzten lnterimsbeamte im Eiltempo Änderungen des Lehrplans für islamische Bildung durch." lm Januar 2025 wiesen Quellen darauf hin, dass die Behörden Anderungen des Lehrplans für Schulen einführten, ohne die Gesellschaft in den Prozess einzubeziehen, und in einigen Fällen Verweise auf das Assad-Regime durch religiöse Texte ersetzten.
1.3.3. Auszug aus dem EUAA Interim Country Guidance vom Juni 2025
Die vorliegenden Auszüge liegen bislang in englischer Sprache im Original vor und werden anschließend in freier Übersetzung wiedergegeben:
Women Sitzung 35-38)
Gender-based violence (GBV) existed in Syria before 2011, but the civil war has reportedly increased its frequency, changing its nature, increasing its scope and multiplying the perpetrators involved. Women and girls have been subjected to different forms of violence amounting to persecution such as physical, psychological, emotional, sexual, and domestic violence, sexual exploitation and sex trafficking, as well as forced or early marriage, denial of economic resources or education, restrictions on movement and exploitation, arbitrary arrests, torture, enforced disappearances and displacements as well as extrajudicial killings and executions.
Even though the risk associated with the Assad regime has vanished, other actors of persecution such as the Syrian National Army (SNA), the Syrian Democratic Forces (SDF, the Islamic State of Iraq and Levant (ISIL) and Other non-State actors are still present and operating and there is no information available indicating that their approach towards women and girls has changed. Furthermore, perpetrators of violence against women and girls are also their family members, community and the society at large. HTS had subjected women and girls to arbitrary arrests and detentions for violations of the strict dress code and restrictions on freedom of movement. Punishments ranged from corporal punishments, such as lashing, to execution. Killings and enforced disappearance were also reported.
While the approach of The Transitional Administration regarding women’s rights and representation is still unclear, there have been continued reports of killings and other human rights violations including sexual and gender-based violence by various non-state actors both in public and private spheres. With almost every third Syrian family being headed by a woman, divorced and widowed women are at risk of forced marriages and face societal restrictions and discrimination. Reports also indicate that forced and child marriage increased during the conflict as a negative coping mechanism.
[…]
Nach freier Übersetzung:
Frauen Sitzung 35-38)
Geschlechtsspezifische Gewalt (GBV) gab es in Syrien schon vor 2011, aber der Bürgerkrieg hat Berichten zufolge ihre Häufigkeit erhöht, ihre Art verändert, ihr Ausmaß vergrößert und die Zahl der beteiligten Täter vervielfacht. Frauen und Mädchen waren verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt, die einer Verfolgung gleichkommen, wie körperliche, psychische, emotionale, sexuelle und häusliche Gewalt, sexuelle Ausbeutung und Sexhandel sowie Zwangs- oder Frühehen, Verweigerung von wirtschaftlichen Ressourcen oder Bildung, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Ausbeutung, willkürliche Verhaftungen, Folter, gewaltsames Verschwindenlassen und Vertreibungen sowie außergerichtliche Tötungen und Hinrichtungen.
Auch wenn die Gefahr, die vom Assad-Regime ausgeht, verschwunden ist, sind andere Akteure wie die Syrische Nationalarmee (SNA), die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), der Islamische Staat im Irak und in der Levante (ISIL) und andere nichtstaatliche Akteure immer noch präsent und tätig, und es liegen keine Informationen vor, die darauf hindeuten, dass sich ihr Vorgehen gegenüber Frauen und Mädchen geändert hat. Darüber hinaus sind die Täter, die Gewalt gegen Frauen und Mädchen ausüben, auch ihre Familienmitglieder, die Gemeinschaft und die Gesellschaft insgesamt.
Die HTS hatte Frauen und Mädchen willkürlich festgenommen und inhaftiert, weil sie gegen die strenge Kleiderordnung und die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit verstoßen hatten. Die Strafen reichten von körperlichen Strafen, wie Auspeitschen, bis hin zur Hinrichtung. Auch über Tötungen und gewaltsames Verschwindenlassen wurde berichtet.
Während der Ansatz der Übergangsregierung in Bezug auf die Rechte der Frauen und die Vertretung noch unklar ist, gab es immer wieder Berichte über Tötungen und andere Menschenrechtsverletzungen einschließlich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt durch verschiedene nichtstaatliche Akteure sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich. Da fast jede dritte syrische Familie von einer Frau geführt wird, sind geschiedene und verwitwete Frauen von Zwangsverheiratungen bedroht und sehen sich gesellschaftlichen Einschränkungen und Diskriminierung ausgesetzt. Berichten zufolge haben Zwangs- und Kinderheiraten während des Konflikts zugenommen und stellen einen negativen Bewältigungsmechanismus dar.
[…]
Children Sitzung 38-40)
Children have been subjected to different forms of violence amounting to persecution such as killing, maiming, exploitation, torture, sexual violence, abduction, organ trafficking, domestic violence, recruitment by armed groups, forced marriage. Even though the risk associated with the Assad regime has vanished, other actors of persecution such as, the Syrian National Army (SNA), the Syrian Democratic Forces (SDF), theIslamic State of Iraq and Levant (ISIL) and Other non-State actors, including unspecified armed actors, are still present and operating and there is no information available indicating that their approach towards children has changed. Furthermore, perpetrators of violence against children are also their family members, community and the society at large. HTS had subjected children to forced recruitment and had used them as ‘human shields, suicide bombers, snipers, and executioners’. There is, at the time of writing, no specific information as to the treatment of children by as The Transitional Administration.
As of December 2024, an estimated 7.5 million children in Syria were in need of humanitarian assistance and around 6.4 million in need of psychological help. Due to the poor economic situation, child labour and child marriage remained prevalent coping mechanisms (see also the section on Women and girls). As of January 2025, there were some 2.4 million children out of school and an additional million at a risk of dropping out. Children were also particularly affected by a lack of civil documentation. Children of women heads of households were at an increased risk of statelessness due to the inability to register their births. Instances of recruitment of children by the SDF and by the Revolutionary Youth Movement have been reported.
[…]
Nach freier Übersetzung:
Kinder Sitzung 38-40)
Kinder sind verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt, die einer Verfolgung gleichkommen, wie Tötung, Verstümmelung, Ausbeutung, Folter, sexuelle Gewalt, Entführung, Organhandel, häusliche Gewalt, Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen und Zwangsheirat. Auch wenn die Gefahr, die vom Assad-Regime ausgeht, verschwunden ist, sind andere Verfolgungsakteure wie die Syrische Nationalarmee (SNA), die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), der Islamische Staat im Irak und in der Levante (ISIL) und andere nichtstaatliche Akteure, einschließlich nicht näher bezeichneter bewaffneter Akteure, nach wie vor präsent und aktiv, und es liegen keine Informationen vor, die darauf hindeuten, dass sich ihr Vorgehen gegenüber Kindern geändert hat. Darüber hinaus sind die Täter, die Gewalt gegen Kinder ausüben, auch deren Familienmitglieder, die Gemeinschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen. Die HTS hatte Kinder zwangsrekrutiert und sie als „menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Scharfschützen und Henker“ eingesetzt. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts liegen keine spezifischen Informationen über die Behandlung von Kindern durch die Übergangsverwaltung vor.
Im Dezember 2024 benötigten schätzungsweise 7,5 Millionen Kinder in Syrien humanitäre Hilfe und etwa 6,4 Millionen Kinder psychologische Unterstützung. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage waren Kinderarbeit und Kinderheirat nach wie vor weit verbreitete Bewältigungsmechanismen (siehe auch den Abschnitt über Frauen und Mädchen). Im Januar 2025 gingen etwa 2,4 Millionen Kinder nicht zur Schule und eine weitere Million war von einem Schulabbruch bedroht. Kinder waren auch besonders vom Mangel an zivilen Dokumenten betroffen. Kinder von weiblichen Haushaltsvorständen waren einem erhöhten Risiko der Staatenlosigkeit ausgesetzt, da sie ihre Geburten nicht registrieren lassen konnten. Es wurde von Fällen der Rekrutierung von Kindern durch die SDF und die Revolutionäre Jugendbewegung berichtet.
[…]
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, in aktuelle Länderinformationen und durch Einvernahme der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung.
2.1. Zu den Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer:
Die Feststellungen zu den Namen und Geburtsdaten der Beschwerdeführer ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus dem vorgelegten Personalausweis (Übersetzung AS 67) und den vorgelegten Geburtsurkunden vergleiche Original BF1 AS 45 ff und Übersetzungen AS 73 ff).
Dass der BF1 und die BF2 die Eltern der BF3, BF4, BF5 und BF6 sind, resultiert aus den glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des BF1 und der BF2, sodass die Feststellung unzweifelhaft getroffen werden konnte.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Sprache und Konfession des BF1 und der BF2 basieren auf den diesbezüglich glaubhaften Ausführungen des BF1 und der BF2 im gesamten Verfahren vergleiche Niederschrift BFA AS BF1 27/30 und BF2 61/64; Verhandlungsprotokoll Sitzung 7/8 und 13).
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer sowie ihren Familienangehörigen im Herkunftsland beruhen auf den Angaben im erstinstanzlichen Verfahren bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vergleiche Niederschrift BFA BF1 AS 33 und BF2 66; Verhandlungsprotokoll Sitzung 8 und 14, Eheauszug BF1 AS 77).
Die Feststellungen zur Schuldbildung und zu den Universitätsabschlüssen des BF1 und der BF2 sowie zur beruflichen Vergangenheit des BF1 und, dass die BF2 nicht berufstätig war, basieren auf den gleichbleibenden Angaben des BF1 und der BF2 im gesamten Verfahren sowie auf den vorgelegten Dokumenten vergleiche Niederschrift BFA BF1 AS 31 und BF2 AS 65; Verhandlungsprotokoll Sitzung 8 und 14; Dokumente AS 209).
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt zu ihrer Familie in Aleppo haben, ergibt sich aus den Angaben des BF1 und der BF2 in der mündlichen Verhandlung vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 8 und 14).
Die Feststellungen zu den Aufenthalten in Aleppo, in den Vereinigten Arbaischen Emiraten, in Saudi Arabien und in Idlib ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben des BF1 und der BF2 sowohl vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung vergleiche Niederschrift BFA BF1 AS 31 und BF2 AS 64; Verhandlungsprotokoll Sitzung 7 und 13).
Die festgestellten Geburtsorte der BF3, BF4, BF5 und BF6 basieren auf den Angaben des BF1 und der BF2 vor dem BFA sowie auf den vorgelegten Geburtsurkunden vergleiche Niederschrift BFA AS 32; Dokumente im Original AS 45 ff und Übersetzung AS 73 ff).
Die Feststellungen der starken Bindungen zu Aleppo und der fehlenden Bindungen zu Idlib beruhen auf den Angaben der BF1 und des BF2 vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung. Insbesondere gab der BF1 an, dort geboren und aufgewachsen zu sein und die Schule und Universität dort besucht zu haben. Während des Studiums habe er auch die BF2 kennengelernt, die ebenso in Aleppo studiert habe. Die BF1 und der BF2 hätten dort auch geheiratet und die erste Tochter (BF3) sei dort geboren. Zudem gaben sie auch an, dass sowohl die gesamte in Syrien verbliebene Familie des BF1 als auch der BF2 in Aleppo leben würde. Der BF1 führte außerdem aus, dass er bei einer vermeintlichen Rückkehr nach Aleppo zurückkehren würde, da er sich in Idlib wie ein Flüchtling gefühlt habe, weil er dort keine Verwandten gehabt habe und fremd gewesen sei vergleiche Niederschrift BFA BF1 AS 30-32 und BF2 AS 65; Verhandlungsprotokoll Sitzung 8/13 und 14). Die BF2 ist zwar laut ihren eigenen Angaben in römisch 40 geboren und aufgewachsen, aus ihren Angaben geht jedoch hervor, dass sie seitdem nicht mehr dort gewesen ist und keiner ihrer Verwandten mehr dort lebt vergleiche Niederschrift BFA BF2 AS 64; Verhandlungsprotokoll Sitzung 13 ff).
Der BF1 zeigte im Rahmen der mündlichen Verhandlung Aleppo auf der https://syria.liveuamap.com/ vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 7).
Aleppo befand sich laut den Länderinformationen und der https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html vor dem Machtwechsel im Dezember 2024 unter der Kontrolle des ehemaligen Assad-Regimes. Seit dem Machtwechsel befindet sich Aleppo gemäß den Länderinformationen und der https://syria.liveuamap.com/ unter der Kontrolle der von der HTS geführten Übergangsregierung.
Der Geburtsort der BF2, römisch 40 , im Gouvernement Al Raqqa, befindet sich laut ttps://syria.liveuamap.com/ unter der Kontrolle der kurdischen Streitkräfte.
Die Feststellungen zur Einreise und zur Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich folgen aus dem Akteninhalt, insbesondere der Erstbefragung.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer subsidiär schutzberechtigt sind, ergibt sich aus den angefochtenen Bescheiden.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den Angaben des BF1 und der BF2 vor der belangten Behörde. Die BF2 gab vor dem BFA an, dass sie eine Schilddrüsenunterfunktion habe und deshalb Medikamente nehme, ansonsten jedoch gesund sei vergleiche Niederschrift BFA BF1 AS 29, BF2 AS 64). Gegenteiliges ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
Die Unbescholtenheit des BF1 und der BF2 geht aus den amtswegig eingeholten Strafregisterauszügen hervor. Hinsichtlich BF3, BF4, BF5 und BF6 wurden wegen deren Minderjährigkeit solche nicht eingeholt.
2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:
2.2.1. Die Machtübernahme durch die HTS im Dezember 2024 ergibt sich aus den Länderfeststellungen im Einklang mit der https://syria.liveuamap.com/.
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen des BF1:
2.2.2.1. Die Feststellungen zum Wehrdienst beruhen auf den Länderinformationen der Staatendokumentation Syrien aus dem COI-CMS, Version 12, vom 08.05.2025, woraus sich ergibt, dass vor Dezember 2024, sohin vor der Machtübernahme durch die HTS, für männliche syrische Staatsangehörige im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes in der syrischen Armee des ehemaligen syrischen Assad-Regimes gesetzlich verpflichtend war.
Aus den Länderinformationen ist zu entnehmen, dass die ehemaligen Soldaten der syrischen Armee von der von der HTS geführten Übergangsregierung außer Dienst gestellt wurden und für alle Wehrpflichtigen, die in der ehemaligen syrischen Armee gedient haben, eine Generalamnestie erlassen wurde.
Dass der BF1 den bei der ehemaligen syrischen Armee verpflichtenden Wehrdienst nicht abgeleistet hat geht aus den gleichbleibenden Angaben des BF1 vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht hervor vergleiche Niederschrift BFA AS 35). Dem BFA legte der BF1 ein Wehrdienstbuch vor (AS 45 ff).
Der Machtverlust und der Verlust der territorialen Kontrolle über beinahe sämtliche ehemals regimekontrollierte Gebiete bedingt, dass es dem ehemaligen Assad-Regime nicht mehr möglich ist Wehrdienstpflichtige zu rekrutieren oder die Verfolgung von Regimegegnern zu betreiben. Bezogen auf den Fall des BF1 bedeutet dies, dass er seitens des ehemaligen syrischen Assad-Regimes keine Verfolgung aufgrund einer allfälligen Wehrdienstverweigerung im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland oder eine zwangsweise Rekrutierung in die syrische Armee des ehemaligen Assad-Regimes zu fürchten hat.
Vor dem Hintergrund, dass der BF1 den damals verpflichtenden Wehrdienst nicht abgeleistet hat, kann dahingestellt bleiben inwiefern die nunmehr HTS-geführte Regierung Syriens eine (Straf)verfolgung ehemaliger Kämpfer des Assad-Regimes bzw. Assad-Anhänger tatsächlich betreibt und durchsetzt und im Falle der Nichtahndung der Verbrechen von Assad-Loyalisten weiterhin eine Verfolgungsgefahr für die Beschwerdeführer, vordergründig den BF1, bestünde.
2.2.2.2. Zudem brachte der BF1 vor dem BFA vor, dass es eine Woche vor dem Erdbeben in Syrien zu einem Entführungsversuch gegen seine Tochter (BF4) gekommen sei.
In der mündlichen Verhandlung gab der BF1 dazu an, dass die BF4 von einer Person angehalten worden sei und diese gesagt habe, dass sie die BF4 mit dem Auto nachhause fahren werde. Die Person habe nach dem Namen des Vaters gefragt, worauf die BF4 gesagt habe, dass sie die Tochter von Zaher sei. Dann sei die BF3 gekommen, woraufhin die Person weggangen sei, als sie gemerkt habe, dass die BF3 nach der BF4 suche vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 10).
Die BF2 führte hingegen in der mündlichen Verhandlung aus, dass eine fremde Person zur BF4 gesagt habe, dass sie mit dem BF1 befreundet sei, dieser in der Arbeit sei und sie nicht abholen könne. Er sagte zudem, dass er sie deshalb nachhause fahren würde, BF3 und BF5 seien bereits im Auto. Als die BF3 und der BF5 nach der BF4 gerufen hätten, habe die Person Angst gehabt, habe die Hand der BF4 losgelassen und sei schnell weggegangen vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 16).
Abgesehen von diesen Widersprüchen, gab der BF1 außerdem an, dass der Entführungsversuch zirka eine Woche vor seiner Ausreise passiert sei vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 10). Dies ist dahingehend unstimmig, da die BF2 mit den BF3, BF4, BF5 und BF6 laut eigenen, auch im Hinblick auf die Asylantragstellung am 27.02.2023 plausiblen Angaben bereits im Februar 2023 ausreiste, der BF1 jedoch, nach eigenen und ebenso im Hinblick auf die Asylantragstellung am 01.06.2023 nachvollziehbaren Angaben, aufgrund des Erdbebens noch länger in Syrien geblieben sei und erst am 12.05.2023 vergleiche Niederschrift BFA AS 34) ausgereist sei.
Der BF1 und die BF2 sagten selbst, sie seien bei diesem Vorfall nicht dabei gewesen vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 16) und habe es ähnliche Vorfälle nicht mehr gegeben.
Das Vorbringen ist aufgrund der Ungereimtheiten nicht glaubhaft, außerdem würde selbst bei einer Wahrunterstellung den Beschwedeführern aufgrund dieses Vorbringens bei einer vermeintlichen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine asylrelevante persönliche Verfolgung drohen. Das vorgebrachte Geschehen hätte sich in Idlib ereignet und würde bei einer Rückkehr nach Aleppo nicht mit einer Bedrohung durch diese Person zu rechnen sein.
Es wird dennoch nicht verkannt, dass laut den Länderinformationen die Versorgungs- und Sicherheitslage derzeit insofern volatil ist, als Syrien seit 2020, trotz eines deutlichen Rückgangs der Militäroperationen, eine drastische Verschlechterung der Wirtschaftslage, einen Anstieg der Arbeitslosenquote, einen Rückgang der öffentlichen Dienstleistungen, einen Anstieg der Lebenshaltungskosten und Preise sowie eine Verschärfung der Armut, Entbehrung und Ernährungsunsicherheit erlebt. Diese Verschlechterung wurde vorangetrieben durch die Konfliktparteien, die in ihren jeweiligen Kontrollgebieten materielle und personelle Ressourcen durch Monopole, Inbesitznahme, Korruption, Schmuggel, Drogenhandel, Plünderungen, ungerechte Ausbeutung natürlicher Ressourcen usw. zugunsten der Konflikteliten umleiteten. Aufgrund der schlechten Versorgungs- und Sicherheitslage in Syrien haben die Beschwerdeführer subsidiären Schutz erhalten.
Sofern der BF1 daher vorbrachte, dass Raubüberfälle auf der Straße in Idlib stattfinden würden vergleiche Niederschrift BFA AS 36), die allgemeine Lage in Syrien nicht stabil sei und es häufig auch zu Problemen zwischen den Kurden und Arabern kommen würde vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 9/10), ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen und nochmals darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer aufgrund der instabilen Sicherheits- und Versorgungslage subsidiären Schutz erhalten haben.
2.2.2.3. Vor dem BFA gab er außerdem an, dass er Mitglied der Baath Partei gewesen sei. Er habe jedoch keine Probleme gehabt, es sei eine passive Mitgliedschaft gewesen. Jeder Schüler und Student sei automatisch Mitglied gewesen. Er sei ein einfacher Bürger und habe mit Politik nichts zu tun vergleiche Niederschrift BFA AS 35 bis 37).
In der mündlichen Verhandlung ergänzte er auf Nachfrage, dass die Baath Partei der syrischen Regierung angehört habe. Die Mitgliedschaft habe in den ersten Jahren der Mittelschule, mit 13-14 Jahren begonnen. Es sei Pflicht gewesen. Er habe jährlich Gebühren gezahlt, auf der Universität jedoch nicht mehr, wodurch er nicht wisse, ob er noch Mitglied gewesen sei oder nicht vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 8).
Aus dieser Mitgliedschaft, die laut eigenen Angaben, nur eine verpflichtende Mitgliedschaft in der Schulzeit gewesen ist, bereits Jahrzehnte her ist und vom BF1 nur passiv ausgeübt wurde, kann, in Einklang mit den Länderberichten, keine Verfolgungsgefahr durch die Übergangsregierung in Syrien gefolgert werden. Der BF1 betonte selbst, dass er nie deswegen Probleme gehabt habe und auch sonst nie politisch aktiv gewesen sei vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 8). So ist daraus zu resultieren, dass er auch während seines siebenjährigen Aufenthaltes in Idlib unter der HTS-Kontrolle keine Probleme deswegen hatte und auch durch die von der HTS geführte Übergangsregierung keine Probleme haben würde.
2.2.2.4. Dafür, dass dem Beschwerdeführer im (hypothetischen) Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine reale Verfolgungsgefahr im Zusammenhang mit einer Zwangsrekrutierung seitens der von der HTS geführten Übergangsregierung drohen würde, sind im Verfahren keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen, brachte der Beschwerdeführer außerdem nicht vor und ist dies daher nicht maßgeblich wahrscheinlich.
Sofern in der Stellungnahme vom 09.07.2025 vorgebracht wurde, dass die Schwelle, von der HTS als oppositionell betrachtet zu werden, erkennbar gering sei, so ist darauf hinzuweisen, dass der BF1 und die BF2 keine Handlungen vorbrachten oder sich solche aus dem Verfahren ergeben hätten, die von der HTS bzw. von der Übergansgregierung als oppositionell eingestuft werden könnten. So gab der BF1 selbst an, dass er mit Politik nichts zu tun habe vergleiche Niederschrift BFA AS 35 bis 37). Aus dem Verfahren ergab sich auch nicht, dass die Beschwerdeführer Alawiten wären, dies brachten sie auch nicht vor. Eine Verfolgungsgefahr von Seiten der durch die HTS geführten Übergangsregierung ist daher auch aufgrund dessen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu verneinen.
2.2.3. Zum Fluchtvorbringen der BF2:
2.2.3.1. Aufgrund des Machtverlustes des ehemaligen syrischen Assad-Regimes ist keine drohende Verfolgungsgefahr der BF2 durch das ehemalige syrische Assad-Regime anzunehmen.
2.2.3.2. Zum vorgebrachten Entführungsversuch der BF4 ist auf die obigen Ausführungen (siehe 2.2.2.2.) zu verweisen.
2.2.3.3. Sofern in der Stellungnahme vom 09.07.2025 vorgebracht wurde, dass die Schwelle, von der HTS als oppositionell betrachtet zu werden, erkennbar gering sei, so ist darauf hinzuweisen, dass die BF2 und der BF1 keine Handlungen vorbrachten oder sich solche aus dem Verfahren ergeben hätten, die von der HTS bzw. von der Übergansgregierung als oppositionell eingestuft werden könnten. So gab die BF2 selbst an, nie politisch aktiv oder Mitglied einer Partei gewesen zu sein vergleiche Niederschrift BFA AS 67). Aus dem Verfahren ergab sich auch nicht, dass die Beschwerdeführer Alawiten wären, dies brachten sie auch nicht vor. Eine Verfolgungsgefahr von Seiten der durch die HTS geführten Übergangsregierung ist daher auch aufgrund dessen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu verneinen.
2.2.3.4. Die BF2 brachte vor dem BFA vor, dass sie in Idlib Probleme bekommen habe vergleiche Niederschrift BFA AS 67). Insbesondere führte sie aus, dass sie 2018, als sie in Idlib gewesen seien, nach Aleppo gegangen sei, um Reisepässe und Führerschein zu verlängern. Beim Standesamt hätten sie nach ihrem Mann gefragt und warum er keinen Militärdienst leiste. Sie hätten ihr die Dokumente entzogen. Ihr Mann habe ihr abgeraten dort hinzugehen, weil jede Frau Vergewaltigung in Kauf nehmen müsse. Sie sei jedoch nicht vergewaltigt worden. In Idlib habe es keine Sicherheit gegeben. Tag und Nacht seien bewaffnete Männer auf der Straße gewesen. Sie habe auch Burka tragen müssen, was sie nicht gewollt hätte. Deshalb sei sie mehrmals von den Islamisten belästigt worden. In Idlib gäbe es Entführungen und Belästigungen gegen Frauen vergleiche Niederschrift BFA AS 68).
In der mündlichen Verhandlung gab die BF2 an, dass sich Frauen in Syrien nicht frei fühlen würden und die Freiheit eingeschränkt sei. Damals sei die HTS in Idlib an der Macht gewesen. Vielleicht seien die Frauen noch immer nicht frei vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 15).
Die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer führte zudem aus, dass nicht absehbar sei, wie die HTS nun vorgehe und ob sie tatsächlich moderater geworden sei. Derzeit seien keine ausreichenden Informationen vorhanden. Die Übergangsregierung sei für willkürliche Verhaftungen, auch von Kindern und Frauen, verantwortlich. Frühere Berichte würden darlegen, dass die HTS zumindest bisher teils brutal gegen Andersdenkende vorgegangen sei. Sie sei für Tötungen, Folter willkürliche Verhaftungen sowie für die Anwendung sexualisierter Gewalt verantwortlich. Außerdem sei es zu weiteren Einschränkungen der Rechte der Frauen gekommen. In den von den HTS kontrollierten Gebieten werde Sharia-Recht angewendet. Es drohe ihnen in Syrien Diskriminierung, Rechtlosigkeit und Gewalt, welche einer asylrelevanten Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen gleichkomme vergleiche Stellungnahme vom 21.05.2025, OZ 8).
Auf Nachfrage, was die BF2 unter Freiheit der Frauen verstehe, antwortete sie, dass Frauen die Möglichkeit hätten, Berufe auszuüben und an verschiedenen Aktivitäten teilzunehmen vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 16). Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die BF2 selbst angab, in Syrien nicht gearbeitet zu haben vergleiche Niederschrift BF2 AS 65) und auch in Österreich nicht ehrenamtlich zu arbeiten. Zur Verhandlung ist sie mit Kopftuch, ohne sichtbaren Haaransatz, erschienen vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 16).
Es wird nicht verkannt, dass Frauen und Kinder durch die Folgen des Bürgerkrieges besonders betroffen sind. Nicht zu übersehen ist auch, dass sich gemäß EUAA Syria Country Focus vom März 2025 und dem EUAA Interim Country Guidance vom Juni 2025 bereits ein konservatives Frauenbild durchzusetzen scheint.
Aus dem EUAA Syria Country Focus vom März 2025 und dem EUAA Interim Country Guidance vom Juni 2025 geht außerdem hervor, dass Frauen ohne männliche Unterstützung zu den schutzbedürftigen Gruppen zählen und unverhältnismäßig stark von den Konflikten in Syrien betroffen sind. In diesem Zusammenhang wurde seitens des Gerichts Einsicht in die EUAA Country Focus vom Juli 2025 genommen und hat sich nach Durchsicht keine maßgebliche Veränderung ergeben.
Die BF2 ist mit dem BF1 verheiratet und würde bei einer vermeintlichen Rückkehr jedoch nicht als alleinstehende Frau ohne männliche Unterstützung angesehen werden. Die BF2 brachte keine Lebensweise ihrerseits in Österreich vor, die in Syrien derzeit nicht auch möglich wäre vergleiche Verhandlungsprotokoll vom 29.04.2025 Sitzung 8-10).
Der BF1 gab außerdem an, dass sich die von der HTS geführte Übergangsregierung besser als zuvor in Idlib verhalte, sie hätten eine neue Regierung gebildet und würden sehr aufpassen. Damals, vor dem Umsturz wäre die BF2 belästigt worden, sie hätte ihr Gesicht verschleiern sollen. Das habe sich durch die neue Regierung geändert vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 11). Auch die Mutter und Schwester der BF1 seien wieder nach Aleppo zurückgekehrt vergleiche Verhandlungsprotokoll Sitzung 8). Laut BF1 gäbe es dort auch keine Verfolgung vergleiche Niederschrift BFA AS 33).
Die Angst der BF2, entführt und vergewaltigt zu werden, gründet sich nicht auf eigene Erfahrungen hinsichtlich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt. Sie gab selbst an, weder entführt noch vergewaltigt worden zu sein und hielt ihr Vorbringen dahingehend sehr allgemein und generalisierend vergleiche Niederschrift BFA AS 68). Sofern sie vorbrachte, dass sie von Männern auf der Straße belästigt worden sei, ist auszuführen, dass auch diese Schilderungen sehr detaillos und vage waren und eine konkret wahrzunehmende asylrelevante sexuelle oder geschlechtsspezifische Gewalt der BF2 als Frau in der Gesamtschau der Länderinformationen und hinsichtlich der persönlichen Situation der BF2 nicht anzunehmen ist.
2.2.4. Zum Fluchtvorbringen der BF3 und BF4:
2.2.4.1. Aufgrund des Machtverlustes des ehemaligen syrischen Assad-Regimes ist keine drohende Verfolgungsgefahr der BF3 und BF4 durch das ehemalige syrische Assad-Regime anzunehmen.
2.2.4.2. Hinsichtlich der Tatsache, dass die BF3 und BF4 minderjährige Mädchen sind, ist zu betonen, dass die besondere Betroffenheit von Frauen und Kindern durch die Folgen des Büergerkriegs nicht verkannt wird. Nicht zu übersehen ist auch, dass sich in Syrien gemäß dem EUAA Syria Country Focus vom März 2025 und dem EUAA Interim Country Guidance vom Juni 2025 bereits ein konservatives Frauenbild durchzusetzen scheint.
Außerdem geht aus EUAA Syria Country Focus vom März 2025 und EUAA Interim Country Guidance vom Juni 2025 hervor, dass Frauen und Mädchen ohne männliche Unterstützung zu den schutzbedürftigen Gruppen zählen und unverhältnismäßig stark von den Konflikten in Syrien betroffen sind.
In diesem Zusammenhang wurde seitens des Gerichts Einsicht in die EUAA Country Focus vom Juli 2025 genommen und hat sich nach Durchsicht keine maßgebliche Veränderung ergeben.
BF3 und BF4 würden jedoch bei einer vermeintlichen Rückkehr im Familienverband zurückkehren und damit den Schutz der Eltern und weiterer Familienmitglieder vor Ort in Anspruch nehmen können. Eine diesbezüglich wahrzunehmende Gefährdung lässt sich aus den Länderinformationen aktuell nicht entnehmen.
2.2.4.3. Zum vorgebrachten Entführungsversuch der BF4 ist auf die obigen Ausführungen (siehe 2.2.2.2.) zu verweisen.
2.2.4.4. Sofern in der Stellungnahme vom 09.07.2025 vorgebracht wurde, dass die Schwelle, von der HTS als oppositionell betrachtet zu werden, erkennbar gering sei, so ist darauf hinzuweisen, dass die BF2 und der BF1 keine Handlungen vorbrachten oder sich solche aus dem Verfahren ergeben hätten, die von der HTS bzw. von der Übergansgregierung als oppositionell eingestuft werden könnten. So gaben der BF1 und die BF2 an, nie politisch aktiv gewesen zu sein. Aus dem Verfahren ergab sich auch nicht, dass die Beschwerdeführer Alawiten wären, dies brachten sie auch nicht vor. Eine Verfolgungsgefahr von Seiten der durch die HTS geführten Übergangsregierung ist daher auch aufgrund dessen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu verneinen.
2.2.5. Zum Fluchtvorbringen des BF5 und BF6:
2.2.5.1. Die Feststellungen zum Wehrdienst beruhen, wie bereits oben ausgeführt (siehe Punkt 2.2.2.1.), auf den Länderinformationen der Staatendokumentation Syrien aus dem COI-CMS vom 08.05.2025.
Aufgrund des minderjährigen Alters konnte festgestellt werden, dass der BF5 und BF6 noch nicht im ehemals wehrpflichtigen Alter sind.
Aufgrund des Machtverlustes des ehemaligen syrischen Assad-Regimes ist außerdem keine drohende Verfolgungsgefahr des BF5 und BF6 durch das ehemalige syrische Assad-Regime anzunehmen.
2.2.5.2. Hinsichtlich der Tatsache, dass der BF5 und BF6 noch minderjährig sind, ist nicht zu verkennen, dass Kinder im Konflikt in Syrien durchgehend besonders schwer betroffen waren und sehr unter den Folgen des Bürgerkrieges litten. Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des Bürgerkrieges leiden Kinder nach wie vor, wie aus den Länderinformationen hervorgeht.
BF5 und BF6 würden jedoch bei einer vermeintlichen Rückkehr im Familienverband zurückkehren und damit den Schutz der Eltern und weiterer Familienmitglieder vor Ort in Anspruch nehmen können. Eine diesbezüglich wahrzunehmende Gefährdung lässt sich aus den Länderinformationen aktuell nicht entnehmen.
2.2.5.3. Sofern in der Stellungnahme vom 09.07.2025 vorgebracht wurde, dass die Schwelle, von der HTS als oppositionell betrachtet zu werden, erkennbar gering sei, so ist darauf hinzuweisen, dass die BF2 und der BF1 keine Handlungen vorbrachten oder sich solche aus dem Verfahren ergeben hätten, die von der HTS bzw. von der Übergansgregierung als oppositionell eingestuft werden könnten. So gaben der BF1 und die BF2 an, nie politisch aktiv gewesen zu sein. Aus dem Verfahren ergab sich auch nicht, dass die Beschwerdeführer Alawiten wären, dies brachten sie auch nicht vor. Eine Verfolgungsgefahr von Seiten der durch die HTS geführten Übergangsregierung ist daher auch aufgrund dessen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu verneinen.
2.2.6. Auch die Ausreise aus Syrien, der Aufenthalt sowie die Asylantragstellung in Österreich führen mangels gefahrenerhöhender Umstände entsprechend den aktuellen Länderinformationen im Beschwerdefall nicht per se mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung der Beschwerdeführer durch die von der HTS geführten Übergangsregierung.
2.2.7. Dass die (hypothetische) Rückkehr nach Aleppo über einen von der Übergangsregierung kontrollierten Grenzübergänge, auf dem ebenso von der Übergangsregierung kontrollierten Landweg möglich ist, und die Beschwerdeführer Aleppo erreichen können, ohne mit anderen Gruppierungen als der HTS in Kontakt zu kommen, ergibt sich aus den in der Karte https://syria.liveuamap.com/ ersichtlichen Machtverhältnissen in Übereinstimmung mit den vorliegenden Länderinformationen.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien eingetreten ist.
Bezugnehmend auf EUAA Country Focus vom Juli 2025 ist anzumerken, dass seitens des Gerichts Einsicht genommen wurde und hat sich nach Durchsicht keine im gegenständlichen Fall zu berücksichtigende maßgebliche Veränderung zu der vorliegenden EUAA Country Focus vom März 2025 und EUAA Country Guidance vom Juni 2025 ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheids erhobene Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig, sie ist jedoch nicht begründet:
Zu A) Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten
3.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Artikel eins, Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).
Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG 2005 ist der Antrag abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005) offensteht oder er einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK anzusehen, sondern nur solche Maßnahmen, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen vergleiche Artikel 9, Absatz eins, der Statusrichtlinie; vergleiche VwGH 27.09.2022, Ra 2021/01/0305). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.05.2021, Ra 2019/19/0428 mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss; auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann vergleiche VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asyl-werber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlings-konvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht vergleiche VwGH 23.01.2019, Ra 2018/01/0442, mwN). Die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung muss in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen vergleiche VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001).
Entscheidend ist, ob die betroffene Person vor dem Hintergrund der zu treffenden aktuellen Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung des VwG bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste vergleiche VwGH 07.03.2023, Ra 2022/18/0284) Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).
Für die Zuerkennung des Asylstatus ist es zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person vor dem Hintergrund der zu treffenden aktuellen Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste vergleiche VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212, mwN).
Zur Auslegung des Begriffs der „sozialen Gruppe“ hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung auf Artikel 10, Absatz eins, Litera d, der Status-RL und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH bezogen. Damit das Vorliegen einer „sozialen Gruppe“ im Sinne dieser Bestimmung festgestellt werden kann, müssen nach der Rechtsprechung des EuGH zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen müssen die Mitglieder der Gruppe „angeborene Merkmale“ oder einen „Hintergrund, der nicht verändert werden kann“, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, „die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten“. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der als sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird vergleiche VwGH vom 11.12.2019, Ra 2019/20/0295).
Unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird eine Repression verstanden, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten. Nach herrschender Auffassung kann eine soziale Gruppe aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist vergleiche VwGH vom 03.07.2023, Ra 2023/14/0182).
Um das Vorliegen einer Verfolgung aus dem Konventionsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe beurteilen zu können, bedarf es daher sowohl Feststellungen zu den Merkmalen bzw. zur abgegrenzten Identität dieser Gruppe als auch zum kausalen Zusammenhang mit der Verfolgung vergleiche VwGH 14.8.2020, Ro 2020/14/0002, Rn. 14, mwN) vergleiche VwGH vom 12.12.2023, Ro 2023/14/0005).
Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob dem Asylwerber dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm - sollte dies der Fall sein - im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht vergleiche etwa VwGH vom 09.03.2023, Ra 2022/19/0317; VwGH vom 25.08.2022, Zl. Ra 2021/19/0442). Zur Bestimmung der Heimatregion kommt in diesem Sinn der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat vergleiche EASO, Richterliche Analyse, Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes [2018], 83; vergleiche idS auch VwGH 27.6.2016, Ra 2016/18/0055). In Fällen, in denen der Asylwerber nicht auf Grund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang auf Grund einer Vertreibung seinen dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatte und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen vergleiche VwGH 30.04.2021, Zl. Ra 2021/19/0024, Rz. 8; VwGH 25.02.2020, Zl. Ra 2019/19/0192, Rz. 24). Das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach Paragraph 11, Absatz eins, AsylG 2005 ist im Hinblick auf Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 erst dann zu prüfen, wenn glaubhaft ist, dass einem Asylwerber „in der Heimatregion seines Herkunftsstaats“ Verfolgung im Sinn des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht vergleiche etwa VwGH 25.05.2020, Zl. Ra 2019/19/0192).
3.2. Unter Zugrundelegung der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur war als Heimatregion/Herkunftsregion der Beschwerdeführer im Herkunftsland Aleppo anzusehen, das derzeit aufgrund des Machtwechsels im Dezember 2024 im Einflussgebiet der durch die HTS geführten Übergangsregierung liegt. Obige Feststellungen und die beweiswürdigenden Ausführungen zeigen, dass keine Zweifel an der Heimatregion der Beschwerdeführer bestehen.
3.3. Wie bereits in der Beweiswürdigung hinreichend dargelegt wurde, ist es den BF1 und BF2 nicht gelungen, individuelle Gründe für die Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung aller Beschwerdeführer, auch der minderjährigen BF3, BF4, BF5 und BF6 in der Heimatregion/Herkunftsregion glaubhaft darzutun.
Als Verfolgungshandlung gilt etwa die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikel 12, Absatz 2, der Statusrichtlinie fallen vergleiche Artikel 9, Absatz 2, Litera e, der Statusrichtlinie).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen (VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001 mwN).
Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Würde der Wehrdienst zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen zwingen, kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe eine asylrelevante Verfolgung darstellen vergleiche VwGH 03.05.2022, Ra 2021/18/0250 sowie VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, jeweils mwN).
3.4. Zu BF1:
3.4.1. Eine Einziehung des BF1 zum ehemals verpflichtenden Wehrdienst bei der ehemaligen syrischen Armee des Assad-Regimes ist – wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt – aufgrund der Machtübernahme durch die HTS im Dezember 2024 – auszuschließen.
3.4.2. Der BF4 drohte, wie festgestellt und beweiswürdigend dargelegt, keine Entführung und droht dem BF1 deshalb auch keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität in Zusammenhang mit dieser Behauptung.
3.4.3. Ebenso droht dem BF1, wie festgestellt und beweiswürdigend erörtert, keine Verfolgungsgefahr von Seiten der durch die HTS geführten Übergangsregierung aufgrund der ehemaligen verpflichtenden Mitgliedschaft in der Baath Partei während seiner Schul- und Studienzeit.
3.4.4. Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, setzten die Beschwerdeführer auch keine Handlungen, die von den HTS bzw. der Übergangsregierung als oppositionell eingestuft werden könnten, und sind auch sonst keine glaubhaften Gründe dargelegt worden, die eine Verfolgung durch die von der HTS geführten Übergangsregierung begründen könnten. Auch ist eine Zwangsrekrutierung durch die HTS, wie oben dargelegt, nicht maßgeblich wahrscheinlich.
3.5. Zur BF2:
3.5.1. Eine Verfolgung durch das ehemalige syrische Assad-Regime ist, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, aufgrund des Machtwechsels im Dezember 2024 und aufgrund fehlender sonstiger glaubhafter Fluchtgründe, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
3.5.2. Der BF4 drohte, wie festgestellt und beweiswürdigend dargelegt, keine Entführung und droht der BF2 deshalb auch keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität in Zusammenhang mit dieser Behauptung.
3.5.3. Da, wie festgestellt und beweiswürdigend dargelegt, die Beschwerdeführer nie politisch aktiv gewesen sind und auch sonst keine Handlungen dargelegt worden sind, die von den HTS oder von deren geführter Übergangsregierung als oppositionell eingestuft werden könnten, ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch von keiner Verfolgung durch die von der HTS geführten Übergangsregierung auszugehen.
3.5.4. Ebenso ist, entsprechend den Feststellungen und der Beweiswürdigung, eine konkret wahrzunehmende geschlechtsspezifische oder sexuelle Gefährdung der BF2 als Frau in der Gesamtschau der Länderinformationen und hinsichtlich der persönlichen Situation der BF2 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht anzunehmen.
Im gegenständlichen Fall führte das Ermittlungsverfahren zu dem Ergebnis, dass die BF2 seit ihrer Einreise in Österreich keine "westliche Lebensweise" angenommen hat, die einen wesentlichen Bestandteil ihrer Identität und einen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Syrien darstellen würde. Den bisherigen Aktivitäten und der Lebensweise der BF2 seit ihrer Einreise ist insgesamt nicht zu entnehmen, dass diese einen "westlichen", selbstbestimmten Lebensstil anstrebt oder bereits pflegt. Auch eine entsprechende innere Wertehaltung konnte nicht glaubhaft gemacht werden.
Nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, führt zudem dazu, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden muss vergleiche VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0301).
Auch nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen vergleiche VwGH vom 12.12.2023, Ro 2023/14/0005).
Die BF2 ist, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, mit dem BF1 verheiratet und würde bei einer vermeintlichen Rückkehr nicht als alleinstehende Frau ohne männliche Unterstützung angesehen werden. Wie festgestellt und beweiswürdigend dargelegt, führt die BF2 keine Lebensweise, die nicht auch in Syrien möglich wäre. Die BF2 erfüllt daher nicht die Kriterien, um einer sozialen Gruppe, deren asylrelevante Verfolgung drohen würde, zugehörig zu sein.
3.6. Zu der BF3 und BF4:
3.6.1. Eine Verfolgung durch das ehemalige syrische Assad-Regime ist, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, aufgrund des Machtwechsels im Dezember 2024 und aufgrund fehlender sonstiger glaubhafter Fluchtgründe, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
3.6.2. Eine Gefährdung im Zusammenhang mit dem minderjährigen Alter der BF3 und BF4 ist, wie festgestellt und beweiswürdigend erörtert, derzeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. BF3 und BF4 würden bei einer vermeintlichen Rückkehr im Familienverband zurückkehren und damit den Schutz der Eltern und weiterer Familienmitglieder vor Ort in Anspruch nehmen können.
3.6.3. Der BF4 drohte, wie festgestellt und beweiswürdigend dargelegt, keine Entführung und droht der BF3 und BF4 deshalb auch keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in ihre körperliche Integrität in Zusammenhang mit dieser Behauptung.
3.6.4. Da, wie festgestellt und beweiswürdigend dargelegt, die Beschwerdeführer nie politisch aktiv gewesen sind und auch sonst keine Handlungen dargelegt worden sind, die von den HTS oder von deren geführter Übergangsregierung als oppositionell eingestuft werden könnten, ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch von keiner Verfolgung durch die von der HTS geführten Übergangsregierung auszugehen.
3.7. Zu den BF5 und BF6:
3.7.1. Eine Einziehung des BF5 und BF6 zum ehemals verpflichtenden Wehrdienst bei der ehemaligen syrischen Armee des Assad-Regimes ist – wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt – aufgrund der Minderjährigkeit, daher des nicht wehrpflichtigen Alters, und auch aufgrund der Machtübernahme durch die HTS im Dezember 2024 – auszuschließen.
3.7.2. Eine Gefährdung im Zusammenhang mit dem minderjährigen Alter des BF5 und BF6 ist, wie festgestellt und beweiswürdigend erörtert, derzeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. BF5 und BF6 würden bei einer vermeintlichen Rückkehr im Familienverband zurückkehren und damit den Schutz der Eltern und weiterer Familienmitglieder vor Ort in Anspruch nehmen können.
3.7.3. Der BF4 drohte, wie festgestellt und beweiswürdigend dargelegt, keine Entführung und droht dem BF5 und BF6 deshalb auch keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in deren körperliche Integrität in Zusammenhang mit dieser Behauptung.
3.7.4. Da, wie festgestellt und beweiswürdigend dargelegt, die Beschwerdeführer nie politisch aktiv gewesen sind und auch sonst keine Handlungen dargelegt worden sind, die von den HTS oder von deren geführter Übergangsregierung als oppositionell eingestuft werden könnten, ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch von keiner Verfolgung durch die von der HTS geführten Übergangsregierung auszugehen.
3.8. Den Beschwerdeführern droht, wie bereits festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, auch keine Verfolgung aufgrund der illegalen Ausreise, des Aufenthaltes und der Asylantragstellung in Österreich.
3.9. Wie festgestellt und beweisgewürdigt, ist den Beschwerdeführern die (hypothetische) Rückkehr in die Herkunftsregion/Heimatregion Aleppo über einen von der Übergangsregierung kontrollierten Grenzübergänge, auf dem ebenso von der Übergangsregierung kontrollierten Landweg, ohne mit anderen Gruppierungen in Kontakt zu kommen, möglich.
3.10. Zusammenfassend wurde keine Verfolgung der Beschwerdeführer dargelegt bzw. glaubhaft gemacht, die auf einem der in Artikel eins, A Ziffer 2, GFK genannten Konventionsgründe – nämlich Verfolgung aufgrund der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – beruht. Den Beschwerdeführern ist es nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien glaubhaft zu machen.
Aufgrund der aktuellen Lage in Syrien und deren individuellen Situation wurde den Beschwerdeführern bereits der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide sind daher gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Die Entscheidung hängt nicht von einer Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu betrachten.
Im Vorbringen der Beschwerdeführer findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
ECLI:AT:BVWG:2025:W260.2300844.1.00