Bundesverwaltungsgericht
10.03.2025
W241 2290331-1
W241 2290331-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch RA Mag. römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2024, Zl. 1320619805-222614487, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.03.2025 zu Recht:
A)
römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 21.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.2. In seiner Erstbefragung am 21.08.2022 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi als Fluchtgrund an, dass er sich für das Christentum interessiert hätte und deshalb im Iran verfolgt werde.
1.3. Bei seiner Einvernahme am 25.04.2023 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi, machte der BF Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen im Iran sowie zu seinen Fluchtgründen den Iran betreffend.
Ferner gab er an, dass er nunmehr in Österreich den christlichen Glauben lebe und regelmäßig in die Kirche gehe. Er versuchte hierauf, verschiedene Fragen betreffend seinen Glaubenswechsel zu beantworten.
1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 08.03.2024 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt römisch II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt römisch IV. gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Iran gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF in den Iran. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.
Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF in den Iran. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus Paragraph 55, FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse – im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen – glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation im Iran wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.
Eine Änderung seiner inneren Überzeugung, sodass man von einer echten Konversion zum Christentum sprechen könnte, hätte nicht festgestellt werden können.
Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage im Iran nicht drohe.
1.5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein.
In der Beschwerdebegründung wurde erneut auf das Interesse des BF am christlichen Glauben und seine Konversion verwiesen.
1.6. Im Verfahren vor dem BVwG wurden ein Taufschein vom 18.08.2024 und diverse Integrationsunterlagen vorgelegt.
1.7. Das BVwG führte am 06.03.2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi durch, zu der der BF in Begleitung seiner gewillkürten Vertretung und eines Zeugen ( römisch 40 , Pastor der Freikirche römisch 40 Wien) persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.
Dabei machte der BF Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen im Iran und seiner Zugehörigkeit zur protestantischen Pfarrgemeinde. Ferner wurde dem BF diverse Fragen betreffend seinen Glaubenswechsel und die christliche Religion gestellt und der Zeuge einvernommen.
Des Weiteren legte der BF Unterstützungsschreiben und eine Bestätigung der Kirche des BF vom 02.03.2025 vor.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
● Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA sowie die Beschwerde
● Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation)
● Einvernahme des BF und eines Zeugen im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 06.03.2025
● Einsicht in die vom BF vorgelegten Schriftstücke.
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:
3.1. Zur Person des BF:
3.1.1. Der BF führt den Namen römisch 40 , geboren am römisch 40 , ist Staatsangehöriger des Iran und ledig. Seine Eltern sind im Iran wohnhaft, eine Schwester lebt in Großbritannien. Die Muttersprache des BF ist Farsi, er spricht auch schon gutes Deutsch.
Der BF verließ den Iran im Jahr 2022 und reiste illegal in Österreich ein. Er stellte am 21.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
3.1.2. Der BF wurde als schiitischer Moslem im Iran geboren, hat sich aber während seines Aufenthaltes in Österreich zunehmend dem protestantischen Christentum zugewandt. Er wurde am 18.08.2024 in der Freikirche römisch 40 Wien getauft und ist damit förmlich dem Christentum beigetreten und vom Islam abgefallen.
Nunmehr ist er praktizierender Angehöriger der Freikirche römisch 40 Wien und aktiv am christlichen Leben beteiligt, indem er regelmäßig die Gottesdienste besucht sowie am Leben und Veranstaltungen der Pfarrgemeinde teilnimmt.
Die Freikirche römisch 40 Wien gehört zur Freien Christengemeinde – Pfingstgemeinde in Österreich.
Bei einer Rückkehr in den Iran würde der BF nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben.
3.2. Im Entscheidungszeitpunkt kann im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für konvertierte Christen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in den Iran auf Grund seiner nunmehr christlichen Religion keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegt.
Dem BF steht als vom Islam zum Christentum Konvertierten keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
3.3. Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss des BF hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
3.4 Zur Lage im Herkunftsstaat der BF (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.10.2024):
1. Politische Lage
Letzte Änderung 2024-10-17 15:22
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (FAZ 24.3.2023). Sie kombiniert republikanisch-demokratische Elemente mit einem theokratischen System, wobei die theokratischen Aspekte die republikanischen Prinzipien größtenteils überschatten und untergraben (BS 19.3.2024). Das Kernkonzept der Verfassung ist die "Rechtsgelehrtenherrschaft" (velayat-e faqih). Nach schiitischem Glauben gibt es einen verborgenen Zwölften Imam, den als Erlöser am Jüngsten Gericht von Gott gesandten Muhammad al-Mahdi (BPB 10.1.2020). Gemäß diesem Prinzip soll ein schiitischer Theologe praktisch in Stellvertretung des seit dem Jahr 874 im Verborgenen weilenden Mahdi agieren und die Geschicke des Gemeinwesens lenken (BAMF 5.2022). Darauf aufbauend schuf Ajatollah Ruhollah Khomeini 1979 ein auf ihn zugeschnittenes Amt, das über allen gewählten Organen steht und somit die republikanischen Verfassungselemente des Präsidenten und des Parlaments neutralisiert: das Amt des "Herrschenden Rechtsgelehrten" (vali-ye faqih), dessen Inhaber auch "Revolutionsführer" (rahbar) genannt wird. Der Revolutionsführer übt quasi stellvertretend für den Zwölften Imam bis zu dessen Rückkehr die Macht aus (BPB 10.1.2020).
Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter, religiöser Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche EB 8.8.2024). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 14.3.2024), ist höchste Autorität des Landes, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und ernennt den Leiter des Justizwesens sowie des staatlichen Rundfunks und die Mitglieder des Schlichtungsrats (FH 2024). Ihm unterstehen die Islamischen Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC [Korps der Islamischen Revolutionsgarden]) inkl. der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. In der Hand religiöser Stiftungen und der "Garden" liegen mächtige Wirtschaftsunternehmen, die von der infolge der US-Sanktionen wachsenden Schattenwirtschaft profitieren (ÖB Teheran 11.2021). Dem Revolutionsführer steht ein auf 5.000 Personen geschätztes Büro (beyt-e rahbari) mit einer militärischen und nachrichtendienstlichen Abteilung zur Verfügung, um über die aktuellen Entwicklungen informiert zu bleiben. Zur ideologisch-politischen Überwachung stützt er sich auf die Struktur der "Vertreter des Revolutionsführers" (nemayandegan) und der ideologisch-politischen Büros, denen noch die Freitagsprediger in den wichtigsten Moscheen des Landes hinzuzurechnen sind (Posch/LVAk 7.2024).
Die ultimative Macht liegt trotz der in der Islamischen Republik Iran abgehaltenen Wahlen in den Händen des Obersten Führers und den nicht gewählten Institutionen unter seiner Kontrolle. Diese Institutionen, einschließlich der Sicherheitskräfte und der Justiz, spielen eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung von abweichenden Meinungen und anderen Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten. Nach den Anti-Regierungs-Protesten unter dem Motto "Frau, Leben, Freiheit", die durch den Tod von Jina Mahsa Amini in Gewahrsam der Sittenpolizei im Jahr 2022 ausgelöst worden waren, haben die iranischen Behörden mit ausgedehnten Maßnahmen durchgegriffen (FH 2024). Revolutionsführer Khamenei ist oberste Entscheidungsinstanz, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Die Revolutionsgarden, die direkt dem Revolutionsführer unterstehen, bleiben militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor (AA 15.7.2024).
Entscheidende Gremien sind der vom Volk direkt gewählte Expertenrat sowie der Wächterrat (ÖB Teheran 11.2021). Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der "Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 14.3.2024). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 11.2021). Er sollte die Arbeit des Revolutionsführers kontrollieren. In der Praxis scheint er die Entscheidungen des Revolutionsführers jedoch nicht herauszufordern (FH 2024). Der Expertenrat wird zwar direkt von der Bevölkerung gewählt, jedoch müssen die Kandidaten zunächst vom Wächterrat bestätigt werden (BS 19.3.2024). Sechs der zwölf Mitglieder des Wächterrats sind vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte (klerikale) Juristen, die vom Parlament bestätigt werden müssen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (ÖB Teheran 11.2021), er überwacht die Übereinstimmung der vom Parlament verabschiedeten Gesetze mit dem islamischen Recht (Scharia) (BS 19.3.2024), ist jedoch noch wesentlich mächtiger (ÖB Teheran 11.2021). Er entscheidet, wer bei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen antreten darf (BS 19.3.2024). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2020).
Der Präsident ist nach dem Revolutionsführer der zweithöchste Amtsträger im Staat. Er bildet ein Regierungskabinett, das vom Parlament bestätigt werden muss (FH 2024). Das iranische Regierungssystem ist damit ein semipräsidiales und an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (ÖB Teheran 11.2021), der jeweils für zwei hintereinanderfolgende Amtszeiten zur Wahl antreten darf (FH 2024). Der Präsident ist für das tagespolitische Geschäft zuständig und hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik des Landes (BBC 8.10.2022). Seine Macht ist allerdings vergleichsweise beschränkt, vor allem in Sicherheitsfragen (BBC 8.10.2022; vergleiche BPB 10.1.2020). Die Befugnisse des gewählten Präsidenten werden durch den Revolutionsführer und andere nicht gewählte Behörden eingeschränkt (FH 2024), wie auch durch das Parlament (BBC 8.10.2022).
Das Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, genannt Majles, wird ebenfalls alle vier Jahre gewählt. Es hat gewisse legislative Kompetenzen und kann Ministern das Vertrauen entziehen (ÖB Teheran 11.2021). Das Parlament ist die gesetzgebende Institution Irans. Allerdings muss bei Gesetzesvorhaben die Vereinbarkeit mit der islamischen Rechtstradition beachtet werden. Gesetzesvorschläge kommen von den Ministern oder den Abgeordneten (DW 16.6.2021). Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz kann vom Wächterrat so lange an das Parlament zurückverwiesen werden, bis es seinen Vorstellungen entspricht (DW 16.6.2021; vergleiche FH 2024). Der Wächterrat weist oftmals Gesetze zurück, die er als "unislamisch" ansieht (FH 2024). Die Kandidaten für Parlamentssitze erhalten ihre Unterstützung nicht von Parteien, sondern von klerikalen und wirtschaftlichen Interessengruppen (DW 16.6.2021; vergleiche FP 7.3.2024).
Jüngste Wahlen
Nachdem der 2021 gewählte Präsident Ebrahim Raisi am 19.5.2024 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam (Standard 20.5.2024), wurden für Ende Juni Neuwahlen für das Präsidentenamt angesetzt (Zeit Online 20.5.2024). Der Wächterrat hat unter 80 Bewerbern sechs Kandidaten zur Wahl zugelassen (Tagesschau 9.6.2024). Ausgeschlossen wurden vor allem Bewerber, die als moderat oder reformorientiert gelten (BAMF 10.6.2024), auch wenn mit Massoud Pezeshkian ein Kandidat antreten durfte, der den Reformisten zugerechnet wird (IRINTL 12.6.2024; vergleiche Guardian 11.6.2024). Pezeshkian gewann die Stichwahl um das Präsidentenamt am 5.7.2024 mit einem Stimmenanteil von 53 % gegen den konservativen Kandidaten Saeed Jalili. Die Wahlbeteiligung betrug fast 50 %, nachdem sie im ersten Wahldurchgang nur bei 40 % gelegen hatte (Soufan 8.7.2024).
Pezeshkian erhielt - auch mangels Alternativen - die Unterstützung des Reformlagers. Es gelang ihm, bei der Wahl eine Allianz aus Reformern und moderaten Konservativen zu bilden (FA 16.7.2024; vergleiche ICG 26.6.2024), allerdings hatte er nie tiefgreifende Verbindungen zu reformorientierten Parteien oder Gruppen. Er wird auch als "konservativer Reformer" beschrieben (Orient römisch 21 11.7.2024), und verschiedene Beobachter bezweifeln, dass es unter seiner Führung zu tiefgreifenden Änderungen in der iranischen Politik kommen wird (Orient römisch 21 11.7.2024, IRINTL 17.7.2024, Chatham 8.7.2024, FA 16.7.2024). Seinem im August vom Parlament bestätigten Kabinett (IRINTL 21.8.2024) gehören der Geheimdienst- wie auch Justizminister der vorherigen Regierung des Hardliners Ebrahim Raisi an (IRJ 11.8.2024). Diese und andere Nominierungen wurden von Reformern kritisiert (IRJ 11.8.2024; vergleiche Standard 12.8.2024).
Die letzten Parlamentswahlen fanden am 1.3.2024 statt, wobei der Wettbewerb im Wesentlichen zwischen Hardlinern und unauffälligen Konservativen stattfand, die alle ihre Loyalität zu den revolutionären Idealen bekundeten, während einflussreiche Gemäßigte und Konservative der Wahl fernblieben und Reformisten die Wahl als nicht frei und unfair bezeichneten (REU 4.3.2024; vergleiche FP 7.3.2024). Der für die Kandidatenselektion zuständige Wächterrat hatte im Vorfeld massenhaft Kandidaten disqualifiziert (Standard 4.3.2024; vergleiche IRINTL 23.1.2024) und die Namen der schlussendlich antretenden Kandidaten wurden weniger als zwei Wochen vor der Wahl bekannt gegeben. Der Wahlkampf dauerte nur zehn Tage, sodass die Wähler wenig Zeit hatten, um die Kandidaten kennenzulernen (NYT 28.2.2024). Aktivisten wie auch Oppositionsgruppen haben im Vorfeld zu einem Boykott der Wahlen aufgerufen (REU 4.3.2024; vergleiche NYT 28.2.2024), was auch zu Verhaftungen geführt hat (Standard 4.3.2024). Die Wahlbeteiligung lag landesweit bei 41 %, was die niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Parlamentswahl seit 1979 darstellt (REU 4.3.2024). Sie hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen (Clingendael 3.6.2024). Die Wahlbeteiligung wird sowohl von Anhängern als auch Kritikern der Regierung als Gradmesser für die Legitimität des Regimes angesehen (NYT 28.2.2024).
Am 1.3.2024 wurde auch der Expertenrat neu gewählt (Standard 4.3.2024; vergleiche REU 4.3.2024). Die Wahlen wurden vom Regime dafür genützt, den Expertenrat zu verjüngen (Standard 4.3.2024). Die 88 Mitglieder des auf acht Jahre gewählten Gremiums bestimmen den religiösen Führer, eine Aufgabe, von der angenommen wird, dass sie der Expertenrat in Anbetracht des gesundheitlichen Zustands des über 80-jährigen Ayatollahs Khamenei in dieser Amtszeit auch wahrnehmen wird müssen. Durch die Auswahl der zur Wahl stehenden Kandidaten wurde sichergestellt, welche politische Richtung gewinnt. Es wurden nur Kandidaten im Sinne Khameneis und seines islamistischen geistlichen Erbes zugelassen, von denen erwartet wird, dass sie im Fall seines Ablebens "keine Schwierigkeiten machen" und nicht auf reformerische Ideen kommen (Standard 4.3.2024; vergleiche Tagesschau 11.2.2024).
Demokratische Teilhabe und Proteste
Präsident, Parlament und Expertenrat werden in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 15.7.2024; vergleiche FH 2024). In kaum einem anderen Land des Nahen Ostens kam es in der Vergangenheit jedoch zu derart umkämpften Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die bestehenden programmatischen Differenzen spiegelten einen Pluralismus wider, der allerdings phasenweise aufs Schärfste bedroht war (BPB 31.1.2020b). Nach demokratischen Maßstäben gibt es in Iran weder freie noch faire Wahlen, aber lange Zeit durften verschiedene systemtreue Gruppen antreten. Infolgedessen haben verschiedene politische Lager die Regierung gebildet, darunter Hardliner ebenso wie sogenannte Reformer und Gemäßigte. Dies änderte sich ab 2019 und wurde bei den Parlamentswahlen 2020, vor allem aber bei den Präsidentschaftswahlen 2021 sichtbar (Clingendael 3.6.2024; vergleiche NYT 28.2.2024).
Der Tod von Mahsa Amini im September 2022, der weitverbreitete Proteste auslöste, fand bereits im Kontext einer Wende zur schärferen Durchsetzung von "islamischen Werten" statt. Dies wird auch damit in Verbindung gebracht, dass das Regime beim Ableben von Khamenei mit einem Übergangsszenario konfrontiert werden wird, bei dem die Entscheidungsträger nichts dem Zufall überlassen wollen (Standard 4.3.2024). In dieser Hinsicht befindet sich die Islamische Republik Iran laut einer Expertin in einer "kritischen Übergangsphase" (Zamirirad/SWP 19.4.2023). Die Präsidentschaftswahlen im Juli 2024 fielen allerdings wettbewerbsorientierter aus als von manchen zu Beginn vorhergesagt (ISPI 27.6.2024). Mit Pezeshkian gewann ein vom Reformlager unterstützter Kandidat, was manche Beobachter überraschend fanden (FA 16.7.2024), ebenso wie allein schon dessen Zulassung zur Präsidentschaftswahl (TWI 18.7.2024), nachdem ihm eine Kandidatur bei den zuvor stattfindenden Parlamentswahlen zuerst verweigert und dann erst nach einer persönlichen Intervention Khameneis erlaubt worden war (FA 16.7.2024). Beobachter deuteten die Erlaubnis zur Präsidentschaftskandidatur unter anderem als Versuch, die erwartete niedrige Wahlbeteiligung zu heben (TWI 18.7.2024; vergleiche EPC 15.7.2024).
Frauen haben das aktive Wahlrecht, werden bei der politischen Teilhabe allerdings mit bedeutsamen rechtlichen, religiösen und kulturellen Hindernissen konfrontiert. Nach Interpretation des Wächterrats verwehrt die iranische Verfassung es Frauen, die Ämter des Revolutionsführers oder Präsidenten, Funktionen im Experten-, Wächter- und Schlichtungsrat sowie manche Richterposten anzutreten (USDOS 23.4.2024). Frauen sind in der Politik, einschließlich der Regierung, deutlich unterrepräsentiert (FH 2024). Bei den Parlamentswahlen 2024 waren 1.713 der insgesamt 15.200 Kandidaten Frauen. Gegenüber den Parlamentswahlen im Jahr 2020 hat sich ihre Anzahl damit allerdings mehr als verdoppelt (NYT 28.2.2024). Dem Kabinett von Pezeshkian gehört mit Farzaneh Sadegh-Mavaljerd als Ministerin für Straßenbau und Stadtentwicklung eine Frau an (IRINTL 21.8.2024). Sie ist die zweite Frau in der Geschichte der Islamischen Republik, die ein Ministeramt bekleidet (IRJ 11.8.2024).
Unter 40-Jährige, die etwa drei Viertel der iranischen Bevölkerung ausmachen, waren bislang größtenteils von jeglicher politischen Partizipation ausgeschlossen. Politische Ämter werden überwiegend von Männern der ersten Generation der Elite der Islamischen Republik - den heute über 70-jährigen Gründungsvätern - und der zweiten Generation - den heute über 60-jährigen Veteranen des Iran-Irak-Kriegs sowie Vertretern der Revolutionsgarden - regiert (BPB 31.1.2020b).
Nachdem viele Iraner in den Wahlen keine Möglichkeit mehr sehen, einen grundlegenden Wandel herbeizuführen, wandten sie sich aktiveren Formen des Widerstands zu. Sowohl 2017/2018 als auch 2019/2020 gab es landesweite Proteste großen Ausmaßes, eine Entwicklung, die es seit der Grünen Bewegung 2009 nicht mehr gab. Während die Massenproteste im Jahr 2009 hauptsächlich von der städtischen Mittelschicht getragen und von Reformisten angeführt worden waren, wurden die Demonstrationen von 2017/2018 und 2019/2020 weitgehend von Haushalten mit geringerem Einkommen unterstützt und standen mit keinen politischen Gruppierungen in Verbindung (Clingendael 3.6.2024). Im September 2022 löste der Tod von Mahsa Amini durch die Sittenpolizei eine noch nie dagewesene Welle des Protests und der Solidarität im ganzen Land aus. Zum ersten Mal gingen Menschen unterschiedlichen Alters, ethnischer Herkunft und sozialer Schichten gemeinsam auf die Straße (Clingendael 3.6.2024; vergleiche UNHRC 19.3.2024). Die Proteste, die insbesondere von Frauen, jungen Menschen und marginalisierten Ethnien - insbesondere Kurden und Belutschen - getragen wurden, zeichneten sich durch ihre Dezentralität, die Bedeutung von zivilem Ungehorsam und Flashmobs als Protestform - insbesondere durch Frauen, die ihr Kopftuch ablegen - und, wie vor allem in europäischen Debatten oft bemängelt wird, durch fehlende Organisations- und Führungsstrukturen aus (BPB 16.2.2023). Die fehlenden Führungsstrukturen waren sowohl Stärke als auch Schwäche der Proteste, bei denen das Internet und soziale Medien eine große Rolle zur Mobilisierung und Verbreitung der Protestbotschaften spielten: Einerseits machen die fehlenden Führungsstrukturen staatliche Repression schwieriger, andererseits erschweren sie auch die Herausbildung einer Bewegung, welche eine politische Alternative zum derzeitigen System darstellen könnte (FR24 16.12.2022; vergleiche USIP 6.9.2023a).
Bis zum Sommer 2023 sind die Straßenproteste schließlich abgeflaut (USIP 6.9.2023b) - wobei es rund um den Jahrestag von Aminis Tod im September 2023 zu Demonstrationen kam, denen die Sicherheitsbehörden in manchen Fällen gewaltsam begegneten (FH 2024), und auch anlässlich des Jahrestags 2024 in mehreren Städten in West-Aserbaidschan und Kurdistan Streiks stattfanden (IRINTL 15.9.2024). Die Islamische Republik blieb weiterhin funktionsfähig und im Zuge der Proteste konnte nicht beobachtet werden, dass eine Einheit des hochkompetitiven iranischen Sicherheitsapparats geschwächelt oder sich illoyal verhalten hätte (Posch/Chatham 5.5.2023). Abgesehen von gezielten Zugeständnissen an bestimmte Gruppen hat die Regierung nicht mit grundlegenden Reformen auf die Proteste reagiert (FES 3.2024). Die Regierung ist darauf bedacht, ihre Anhängerschaft zu halten, versucht aber auch, Menschen am Rande der Gesellschaft zu Anhängern der Islamischen Republik zu machen. So haben die staatlichen Medien jüngst beispielsweise neue Fernsehsendungen produziert und eine größere Anzahl von Gästen eingeladen, um heikle politische Themen zu diskutieren. Die Regierung möchte aufgeschlossen und sympathisch erscheinen, um ein gewisses Maß an Legitimität aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen. Die Regierungsvertreter sind sich allerdings darüber im Klaren, dass die Legitimität des Regimes erodiert ist, insbesondere seit der gewaltsamen Niederschlagung der landesweiten Demonstrationen, die durch den Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam im Jahr 2022 ausgelöst worden waren (USIP 17.11.2023). Mit Stand April 2024 sind die Proteste abgeklungen, aber die dort artikulierten Missstände bleiben weiterhin bestehen (CRS 22.4.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2112796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.3.2024): Iran: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/iran-node/politisches-portrait/202450, Zugriff 13.6.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (10.6.2024): Briefing Notes KW 24, https://www.ecoi.net/en/document/2110781.html, Zugriff 13.6.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2022): Länderreport 52 Iran: Konversion und Evangelikalismus aus der Sicht der staatlichen Verfolger, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079128/Deutschland._Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge,_Iran_-_Konversion_und_Evangelikalismus_aus_der_Sicht_der_staatlichen_Verfolger,_01.05.2022._(Länderreport___52).pdf, Zugriff 16.3.2023
BBC - British Broadcasting Corporation (8.10.2022): Who is in charge of Iran?, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-57260831, Zugriff 24.3.2023
BPB - Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (16.2.2023): Der revolutionäre Prozess in Iran, https://www.bpb.de/themen/naher-mittlerer-osten/iran/518072/der-revolutionaere-prozess-in-iran/, Zugriff 24.3.2023
BPB - Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (31.1.2020b): Machtgefüge Iran: Kleriker, Garden – und eine Generation ohne Einfluss, https://www.bpb.de/themen/naher-mittlerer-osten/iran/40113/machtgefuege-iran-kleriker-garden-und-eine-generation-ohne-einfluss/, Zugriff 24.3.2023
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2. Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-10-17 15:21
Verglichen mit Nachbarstaaten wie dem Irak, Libanon, Syrien und Afghanistan hat Iran eine sehr starke Zentralregierung mit einem komplexen Institutionengefüge. Das Gewaltmonopol liegt bei staatlichen und halbstaatlichen Institutionen, die das Regime ausmachen. Irans territoriale Integrität wird immer wieder durch angebliche Drohnenangriffe und größere Explosionen infrage gestellt. Gelegentlich flammen Grenzstreitigkeiten (z. B. mit Afghanistan im Juli 2022) und Streitigkeiten bezüglich passierender Schiffe in der Straße von Hormuz mit dem Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf (BS 19.3.2024).
Iran sieht sich mit terroristischen Bedrohungen durch verschiedene Oppositionsgruppen konfrontiert, einerseits durch separatistische Aufstandsbewegungen in seinen Grenzregionen, wo arabische, belutschische und kurdische ethnische Minderheiten leben, und andererseits durch transnationale Gruppierungen wie dem Islamischen Staat (IS). Zu den separatistischen Gruppierungen zählen beispielsweise das Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz (ASMLA) und die Ahvaz National Resistance in Khuzestan sowie Jaysh al-Adl (JAA) in Sistan und Belutschistan. In den kurdischen Gebieten agieren verschiedene Gruppierungen, darunter die Partiya Jiyana Azad a Kurdistane [Partei für ein freies Leben in Kurdistan] (PJAK), die einen bewaffneten Aufstand gegen die iranischen Sicherheitskräfte führen und manchmal auch Anschläge verüben (ISPI 26.2.2024).
Der IS hat sich seit 2017 zu vier Anschlägen in Iran bekannt. Die Anschläge richteten sich vor allem gegen sogenannte "high-profile"-Ziele, also Ziele mit hoher Symbolwirkung (BBC 5.1.2024). Unter anderem werden dem IS zwei Anschläge auf den Shah-Cheragh-Schrein in Shiraz [Provinz Fars] im Oktober 2022 und August 2023 zugeschrieben, bei denen insgesamt 14 Menschen starben, wobei sich der IS selbst nur zu ersterem der beiden Anschläge bekannte (BBC 5.1.2024; vergleiche AJ 13.8.2023, Guardian 13.8.2023). Bei einem Anschlag in der Stadt Kerman [Provinz Kerman] am 3.1.2024 starben fast 100 Menschen und über 200 wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich während einer Gedenkfeier anlässlich des Todestags von Qassem Soleimani (IRINTL 3.1.2024; vergleiche Soufan 4.1.2024), dem 2020 durch einen US-Drohnenangriff getöteten Befehlshaber der für Auslandsoperationen der Revolutionsgarden zuständigen Quds-Kräfte (BBC 4.1.2024; vergleiche AP 4.1.2024), der einer der Architekten der iranischen Politik in der Region war (BBC 4.1.2024; vergleiche Soufan 4.1.2024). Der IS bekannte sich zu dem Anschlag, wobei laut Informationen eines US-amerikanischen Nachrichtendienstes der Ableger des IS in Afghanistan, der Islamische Staat Khorasan Provinz (ISKP), für den Anschlag verantwortlich war (REU 5.1.2024; vergleiche FAZ 12.1.2024). Der ISKP hat seine Strategie nach der Machtübernahme der Taliban 2021 teils geändert und seine Operationsgebiete sowie Rekrutierungsbestrebungen "internationalisiert" (Conversation 11.1.2024; vergleiche FAZ 12.1.2024). Er verfügt über Personal, das u. a. in Iran, Pakistan und Russland operieren kann, weil es sich dort auskennt und die Landessprachen spricht. Seit der Gründung der Organisation 2014/2015 sind neben Afghanen vor allem Pakistaner sehr stark vertreten. Es gelang dem ISKP jedoch auch, einige sunnitische Iraner zu rekrutieren, die ohne größere Probleme die Grenzen zwischen Afghanistan, Pakistan und Iran überqueren und in Iran operieren können. Hinzu kommen Jihadisten aus zentralasiatischen Staaten, die seit den 1990ern in Afghanistan aktiv sind und sich seit 2015 dem IS angeschlossen haben (SWP 21.6.2024). Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem IS in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 2.10.2024; vergleiche TWI 31.10.2022).
Teheran fürchtet Unruhen unter den ethnischen und religiösen Minderheiten in den Randgebieten Irans. Fast alle Kurden im Nordwesten und Belutschen im Südosten des Landes sind Sunniten, ebenso eine substanzielle Minderheit der Araber im Südwesten. Diese Volksgruppen gelten der schiitischen Islamischen Republik als Sicherheitsrisiko, unterliegen vielfältigen Diskriminierungen und stehen oft in Opposition zum Regime. Sie scheinen eine besonders große Gefahr zu sein, weil ihre Siedlungsgebiete an den Außengrenzen Irans liegen. Daher sorgt sich die iranische Führung, Nachbarn könnten im Konfliktfall versuchen, die Minderheiten gegen den Staat zu mobilisieren (SWP 9.3.2024) und bezichtigt ausländische Mächte, v. a. Israel, die USA und manche Golfstaaten, separatistische oppositionelle Gruppierungen in Iran zu unterstützen, die das Land destabilisieren sollen (ISPI 26.2.2024).
In der Provinz Sistan und Belutschistan kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen (AA 2.10.2024), insbesondere sunnitischen Militanten und Drogenschmugglern (Arabiya 17.1.2024). Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt, es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 2.10.2024). Seit Dezember 2023 haben die Aufständischenaktivitäten im Südosten Irans zugenommen. Die belutschische jihadistische Gruppierung Jaysh al-Adl [JAA, auch JUA] hat seitdem zahlreiche Anschläge verübt (ISW 2.10.2024; vergleiche LWJ 1.10.2024), wobei insbesondere Sicherheitskräfte, aber auch andere Vertreter staatlicher Institutionen ins Visier genommen werden, darunter etwa Richter und andere Justizbeamte (Zenith 26.1.2024). Beispielsweise im April 2024 führte die Gruppierung einen Großangriff bzw. komplexen Angriff auf Stützpunkte der Revolutionsgarden in Sistan und Belutschistan durch, bei denen insgesamt mehr als 20 Personen ums Leben kamen (ISW 4.4.2024, Tagesschau 4.4.2024). Weitere von der JAA beanspruchte Angriffe fanden im Mai, August, September (BAMF 16.9.2024) und Anfang Oktober 2024 statt (LWJ 1.10.2024; vergleiche IRINTL 1.10.2024, ISW 2.10.2024).
Die Aktivitäten der JAA haben auch mehrfach zu diplomatischen Spannungen zwischen Iran und Pakistan geführt, zeitweise kam es zu einer militärischen Eskalation zwischen den beiden Ländern (LWJ 1.10.2024). Im Jänner 2024 führten die Revolutionsgarden einen Raketenangriff auf eine angebliche Stellung der JAA auf pakistanischem Staatsgebiet durch (IRINTL 17.1.2024; vergleiche BBC 18.1.2024), woraufhin die pakistanischen Streitkräfte mehrere Ziele in der Ortschaft Saravan in der iranischen Provinz Sistan und Belutschistan angriffen, bei denen es sich nach pakistanischen Angaben um "terroristische Verstecke" handelte (IRINTL 18.1.2024; vergleiche BBC 18.1.2024). Die JAA operiert vor allem von Pakistan aus (IRINTL 17.1.2024; vergleiche AnA 18.1.2024).
In Sistan und Belutschistan, wo 2023 länger Proteste stattfanden als in anderen Landesteilen (RFE/RL 18.1.2022), wurde zuletzt auch von gezielten Tötungen durch unbekannte Täter berichtet, welche die belutschische NGO Haalvash privaten, im Auftrag des Regimes tätigen Milizen zuschrieb (Haalvash 4.6.2024). Die belutschische NGO Baloch Campaign, die laut einem Experten bezüglich der Lage in Sistan und Belutschistan eine verlässliche Quelle ist (EXBEL 13.6.2024), berichtete von 150 Tötungen von Zivilisten durch bewaffnete Männer im Jahr 2023 (BALCAM 12.6.2024). Während Sistan und Belutschistan für seine Stammesstrukturen berüchtigt ist, lässt die große Zahl von Morden durch bewaffnete Einzelpersonen und Gruppen laut dem Experten die ernsthafte Vermutung zu, dass der Staat und seine Milizen hinter diesen Angriffen stecken, um Angst in der Gesellschaft zu schüren. Die Islamische Republik hat seit 1979 Stämme in den Kurden- und Belutschengebieten bewaffnet, in dem Wissen, dass die Waffen von den Stammesangehörigen häufig auch zur Beilegung von Stammesfehden und persönlichen Streitigkeiten eingesetzt werden (EXBEL 13.6.2024).
Die Grenze [zu Afghanistan und Pakistan] ist durchlässig, größtenteils gebirgig und eine wichtige Schmuggelroute für Drogen und andere Waren, die das organisierte Verbrechen anzieht (DFAT 24.7.2023; vergleiche BAMF 10.7.2023, AlMon 14.4.2024). Weiters sind die Beziehungen zwischen der iranischen Regierung und der Taliban-Regierung in Afghanistan teils angespannt (DFAT 24.7.2023). Seit die Taliban im August 2021 die Kontrolle übernommen haben, liefern sich iranische Soldaten und Taliban-Sicherheitskräfte entlang der gemeinsamen Grenze immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen (DFAT 24.7.2023; vergleiche Caspian 1.5.2024, IRINTL 25.4.2024).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, Personal der Justiz und Angehörige des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt (AA 2.10.2024). Die Sicherheitskräfte sind in den Provinzen Kurdistan, Kermanshah und West-Aserbaidschan in großer Zahl präsent (MBZ 9.2023). In dieser von Kurden bewohnten Region an der Grenze zum Irak und der Türkei (Izady/Gulf 2000 o.D.) kam es zu einigen bewaffneten Zusammenstößen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Mitgliedern kurdischer Parteien, die Stützpunkte im Nordirak haben, manchmal auch mit Toten und Verletzten auf beiden Seiten (MBZ 9.2023), auch wenn die [meisten] der in der Kurdistan Region Irak (KRI) ansässigen iranischen kurdischen Oppositionsparteien ein Abkommen mit der dortigen Regierung geschlossen haben, die KRI nicht als Basis für Angriffe auf Iran zu nutzen (Clingendael 3.7.2024). Entlang der Grenze wird weiters immer wieder vom Beschuss von Schmugglern oder Kolbars durch iranische Sicherheitskräfte berichtet (Hengaw 1.8.2024, HRW 8.7.2024, IRINTL 24.3.2024).
Iranisch-israelischer Konflikt
Die Lage ist im Zusammenhang mit dem Konflikt im Nahen Osten volatil und die weitere Entwicklung [mit Stand 3.10.2024] ungewiss (EDA 2.10.2024; vergleiche AA 2.10.2024), nachdem Iran am 1.10.2024 rund 180 Raketen auf Israel abgefeuert hat. Der Angriff war nach Angaben der Revolutionsgarden ein Vergeltungsschlag für den Tod von führenden Hisbollah- und Hamas-Mitgliedern durch Israel (ORF 1.10.2024).
Israel und Iran haben einen jahrelangen Schattenkrieg geführt, bei dem sie gegenseitig Einrichtungen angriffen, ohne die Verantwortung dafür zu übernehmen (BBC 19.4.2024). So hat Israel seit 2010 angeblich mindestens zwei Dutzend Operationen - darunter Attentate, Drohnenangriffe und Cyberangriffe - gegen Iran durchgeführt (USIP 30.1.2023). Die meisten Ziele standen im Zusammenhang mit dem umstrittenen Atomprogramm Teherans, das Israel als existenzielle Bedrohung betrachtet, jedoch wurden auch Raketenproduktionsstätten und für Auslandsoperationen zuständige iranische Kommandeure anvisiert (USIP 30.1.2023; vergleiche TIS 29.12.2023). Im Dezember 2023 (FR24 18.12.2023; vergleiche NZZ 2.1.2024) und Februar 2024 wurde auch von Angriffen auf die iranische Energieinfrastruktur berichtet, die manche Israel zuschrieben (NYT 16.2.2024).
Iran hat eine lange Geschichte der Unterstützung von terroristischen [und anti-israelischen] Organisationen wie der Hisbollah, der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad (JPOST 27.2.2023). Das Regime unterstützt auch verschiedene "Widerstands"-Milizen im Irak (TWI 20.12.2023), in Syrien, im Jemen und auch in Bahrain (CFR 11.12.2023). Die Unterstützung derartiger Gruppierungen ist seit 1979 eine Säule der Außenpolitik der Islamischen Republik (CRS 6.9.2024) und beinhaltet umfangreiche finanzielle und logistische Hilfe (TWI 20.12.2023). Im Zentrum des iranischen Netzwerks steht die libanesische Hisbollah. Sie half Iran auch bei der Unterstützung des Regimes von Bashar al-Assad im Bürgerkrieg in Syrien, wo sie andere Milizen zur Verteidigung des Regimes heranzog (CFR 11.12.2023). Die geografische Ausdehnung von Irans Allianznetz ist mit Stand Jänner 2024 so groß wie nie zuvor seit der Islamischen Revolution 1979. Die mit Iran verbündeten Milizen agieren laut dem Experten Walter Posch selbstständig. Doch bei allen Aktionen gibt es Spuren, die zurück nach Iran führen (NZZ 2.1.2024).
Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 haben die Spannungen in der Region zugenommen (CRS 6.9.2024; vergleiche BBC 16.1.2024). Die iranischen Stellvertretermilizen greifen Israel vor allem durch massenhaften Raketen- und Drohnenbeschuss an (IRINTL 18.9.2024). Seit Oktober 2023 kommt es beispielsweise zu regelmäßigem Beschuss zwischen der Hisbollah und den israelischen Streitkräften, was zur Evakuierung von Gebieten in Nordisrael und dem Südlibanon führte, die Zehntausende Einwohner betrafen (CRS 6.9.2024), und Israel Anfang Oktober 2024 zum Beginn einer Bodenoperation auf libanesischem Staatsgebiet veranlasste (ISW 2.10.2024). Israel führt jedoch auch gezielte Tötungsoperationen durch (IRINTL 18.9.2024), denen beispielsweise der Leiter des politischen Flügels der Hamas Ismael Haniyeh Ende Juli 2024 bei einer Bombenexplosion in einem Gästehaus der Revolutionsgarden in Teheran (NYT 4.8.2024), oder Fuad Shukr, ein hochrangiger Hisbollah-Kommandant, in Beirut zum Opfer fiel (Soufan 1.8.2024). Am 17. und 18.9.2024 explodierten simultan Tausende von der Hisbollah verwendete Pager und Funkgeräte, was zu 37 Todesopfern und rund 3.000 Verletzten führte (WDR 19.9.2024). Unter den Verletzten befand sich auch der iranische Botschafter in Beirut, was die engen Beziehungen zwischen der Hisbollah und Iran noch weiter verdeutlichte (IRINTL 18.9.2024). Nach Angaben von US-amerikanischen und anderen Regierungsvertretern waren die Pager von Israel mit Sprengstoff präpariert worden (NYT 17.9.2024; vergleiche WDR 19.9.2024). Am 27.9.2024 wurde der Anführer der Hisbollah Hassan Nasrallah bei israelischen Luftschlägen in Beirut getötet, wobei neben Hisbollah-Mitgliedern auch mehrere Kommandeure der Revolutionsgarden bei dem Angriff starben (Soufan 30.9.2024).
Der vormalige Schattenkrieg zwischen Iran und Israel hat sich zu immer offeneren und direkten bewaffneten Auseinandersetzungen ausgeweitet (CRS 6.9.2024). Während Iran seit Langem bewaffnete Gruppen, die Israel angreifen, beliefert und auch anderweitig unterstützt, hat die Führung des Landes bis 2024 nie einen direkten Angriff der eigenen Streitkräfte von iranischem Territorium aus gegen Israel für sich beansprucht (und anscheinend auch tatsächlich nicht unternommen) (CRS 6.9.2024). Anfang Oktober 2024 feuerte Iran jedoch zum zweiten Mal in diesem Jahr ballistische Raketen direkt auf Israel ab, die größtenteils abgefangen wurden, auch wenn unter anderem Militärbasen getroffen wurden (BBC 3.10.2024). Das einzige bekannte Todesopfer war im Westjordanland durch herabfallende Raketenteile getötet worden (ORF 1.10.2024).
Laut US-Angaben war der Umfang des Angriffs mit beinahe 200 ballistischen Raketen "doppelt so groß", wie jener im April 2024 (BBC 3.10.2024), als Iran nach einem israelischen Angriff auf ein iranisches Konsulatsgebäude in Damaskus am 1.4.2024 erstmals rund 300 Raketen und Drohnen direkt von iranischem Staatsgebiet auf Israel abfeuerte (BBC 19.4.2024). Iran behauptete im April, Nachbarländer, Israel und die USA 72 Stunden vor dem Raketenangriff gewarnt zu haben, was von irakischen, jordanischen und türkischen Regierungsvertretern bestätigt und von den USA bestritten wurde (REU 15.4.2024). Nach dem Raketenangriff vom 1.10.2024 behauptete der iranische Außenminister, dass die USA über die eidgenössische Botschaft in Teheran vor dem bevorstehenden Angriff gewarnt worden wären (MEHR 2.10.2024). Angesichts der israelischen Aktivitäten im Libanon sowie der Tötungen von Haniyeh und Nasrallah war eine Antwort aus Teheran schon erwartet worden (Soufan 2.10.2024). Aus Sicht mancher Experten sollte der Raketenangriff eher als Botschaft gesehen werden, denn als Versuch, ernsthaften Schaden anzurichten. Während es unwahrscheinlich ist, dass der Angriff Israel abschrecken wird, könnte er Iran laut Experten dabei helfen, die Unterstützung seiner Verbündeten aufrecht zu halten (NYT 2.10.2024). Auf den Angriff im April hatte Israel mit Angriffen auf Flugabwehrbatterien im Zentraliran geantwortet (BBC 2.10.2024a). Es wird erwartet, dass Israel auf den jüngsten iranischen Angriff antworten wird, derzeit [Stand 3.10.2024] ist allerdings noch unklar, in welchem Ausmaß (BBC 2.10.2024b). Die jüngsten Entwicklungen verdeutlichen, dass die sich zuspitzende Rivalität zwischen Iran und Israel die regionale Sicherheitslage prägen (FA 14.5.2024).
Quellen
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3. Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung 2024-06-26 16:06
Das Recht ist in allen Rechtsbereichen umfassend kodifiziert, so etwa das Zivilrecht, das Familien- und Erbrecht oder das Strafrecht. Die iranischen Gerichte müssen auf der Grundlage dieser Gesetze Recht sprechen. Die Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz ist somit formal gewahrt (LTO 26.10.2022). Der Grundsatz der Rechtmäßigkeit ist zwar durch die Verfassung geschützt, aber mit einem Vorbehalt versehen. In Artikel 167 der Verfassung, einem der umstrittensten Artikel, heißt es, dass die Richter verpflichtet sind, sich zu bemühen, jeden Fall auf der Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden (Islamic Law Blog 22.11.2015). Im Falle des Fehlens, der Unzulänglichkeit, der Kürze oder der Widersprüchlichkeit der Gesetze müssen die Richter den Fall jedoch auf der Grundlage der maßgeblichen islamischen Quellen und der authentischen Fatwas (fatāwā) entscheiden, um zu verhindern, dass ein Fall unentschieden bleibt (Islamic Law Blog 22.11.2015; vergleiche USDOS 23.4.2024).
Artikel 57, der Verfassung verleiht dem Revolutionsführer weitreichende Aufsichtsbefugnisse über das Justizwesen (BS 19.3.2024). Er ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative (Artikel 157, Verf.) (FH 2024; vergleiche AA 30.11.2022), der wiederum für die Ernennung und Entlassung der Gerichtsleiter (Soltani/Shooshinasab 8.2022) und von Richtern zuständig ist (BS 19.3.2024). Die ebenfalls in der Verfassung festgeschriebene Unabhängigkeit der Gerichte (AA 30.11.2022) und das Gebot der Gewaltenteilung sind in der Praxis somit stark eingeschränkt (AA 30.11.2022; vergleiche BS 19.3.2024).
Während die Gerichte innerhalb des herrschenden Establishments ein gewisses Maß an Autonomie genießen, wird das Justizsystem regelmäßig als Instrument eingesetzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 2024). Der Sicherheitsapparat (AA 30.11.2022) - insbesondere die Revolutionsgarden und ihr Nachrichtendienst (BS 19.3.2024) - nehmen v. a. in politischen Fällen massiven Einfluss auf Urteilsfindung und Strafzumessung (AA 30.11.2022; vergleiche BS 19.3.2024). Das Justizwesen ist geprägt von Korruption (AA 30.11.2022; vergleiche USIP 1.8.2015). Es wird von Fällen berichtet, in denen Richter bestochen wurden, um Gerichtsprozesse zu beeinflussen (IrWire 28.4.2021).
Die Behörden verletzen routinemäßig grundlegende Verfahrensstandards, insbesondere in politisch heiklen Fällen (FH 2024) und vor Revolutionsgerichten (HRW 11.1.2024a). Aktivisten werden ohne Haftbefehl verhaftet, auf unbestimmte Zeit ohne förmliche Anklage festgehalten und ihnen wird der Zugang zu einem Rechtsbeistand oder jeglicher Kontakt zur Außenwelt verweigert (FH 2024; vergleiche AI 27.3.2023). Insbesondere in der Untersuchungsphase von Verfahren schränken die Behörden das Recht von Verhafteten auf Zugang zu einem Rechtsbeistand regelmäßig ein (HRW 11.1.2024a). Viele werden später in Prozessen, die manchmal nur ein paar Minuten dauern, aufgrund vager Sicherheitsvorwürfe verurteilt (FH 2024), wobei zu den Prozessen "Geständnisse" als Beweise zugelassen werden, die unter Folter erpresst worden sind (HRW 11.1.2024a; vergleiche AI 27.3.2023).
Rechtsschutz ist nur eingeschränkt gegeben (AA 30.11.2022). Es gibt Fälle von Rechtsanwälten, welche Dissidenten vertraten und daraufhin inhaftiert und mit einem Berufsverbot belegt worden sind, oder dazu gezwungen wurden, das Land zu verlassen, um einer Strafverfolgung zu entgehen (FH 2024; vergleiche AA 30.11.2022). Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert (AA 30.11.2022). Eine Rechtsanwältin, die in der Vergangenheit Angeklagte in politischen Fällen vor Revolutionsgerichten vertreten hat, berichtete unter anderem von permanenter Überwachung, sobald derartige Fälle übernommen werden. Auch drohen manchen Rechtsanwälten derzeit sehr lange Haftstrafen (MRAI 19.6.2023). Der Anwalt Amirsalar Davoudi, der u. a. politische Gefangene vertrat und öffentlich Missstände im Justizsystem anprangerte, wurde 2019 beispielsweise zu 30 Jahren Haft verurteilt (IHRNGO 1.12.2022), was auf andere Anwälte äußerst abschreckend wirkt (MRAI 19.6.2023).
In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer (Iranian Bar Association; IBA), deren Unabhängigkeit die Judikative einzuschränken versucht. Anwälte der IBA sind staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen ausgesetzt (AA 30.11.2022). Um eine Anwaltslizenz zu erhalten, mussten Anwärter bislang unter anderem eine Prüfung bei der IBA ablegen (MBZ 9.2023; vergleiche Soltani/Shooshinasab 8.2022). Im August 2023 verabschiedete das iranische Parlament ein Gesetz, das die Kontrolle zur Erteilung von Anwaltslizenzen an das Ministerium für Industrie, Bergbau und Handel übertrug (MBZ 9.2023).
Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen. Fälle von Sippenhaft existieren, meistens in politischen Fällen. Üblicher ist jedoch, dass Familienmitglieder unter Druck gesetzt werden, um im Sinne einer Unterlassung politischer Aktivitäten auf die Angeklagten einzuwirken (AA 30.11.2022).
Während es an allen iranischen Gerichten bestimmte Probleme gibt, sind die Revolutionsgerichte besonders dafür berüchtigt, selbst die grundlegendsten Rechte nicht einzuhalten (MRAI 19.6.2023). Strafverfahren vor den Revolutionsgerichten finden oft hinter verschlossenen Türen unter dem Vorsitz von Geistlichen statt, ohne dass Standardgarantien eines Strafverfahrens, wie etwa die Gewährung von Zeit und Zugang zu Anwälten zur Vorbereitung einer Verteidigung, gewährleistet sind (Conversation 13.1.2023). Laut Menschenrechtsgruppen und internationalen Beobachtern werden vor Revolutionsgerichten, die im Allgemeinen die Fälle politischer Gefangener anhören, routinemäßig grob unfaire Gerichtsprozesse ohne ordnungsgemäße Verfahren abgehalten; es werden vorab festgelegte Urteile verkündet und Hinrichtungen für politische Zwecke befürwortet. Diese unlauteren Praktiken treten Berichten zufolge in allen Phasen der Strafverfahren vor den Revolutionsgerichten auf (USDOS 23.4.2024). Die Revolutionsgerichte haben sich bei der Verurteilung von Personen im Zusammenhang mit den Protesten seit September 2022 auf unter Folter oder durch andere Zwangsmittel erzwungene Geständnisse als Beweismittel gestützt, unter anderem auch bei Todesurteilen (UNHRC 7.2.2023).
Anwälte benötigen vor Revolutionsgerichten in der Regel schon alleine dafür eine Erlaubnis der Richter, um den Gerichtssaal betreten zu können. Anwälten von Personen, die in der Vergangenheit wegen mohārebeh angeklagt waren, wurde manchmal die Teilnahme am Prozess verweigert. In anderen sicherheitsrelevanten Fällen durften sie teilnehmen, aber ihr Recht auf eine angemessene Verteidigung wurde eingeschränkt (Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021). Eine Novelle der Strafprozessordnung im Jahr 2015 höhlte die ohnehin begrenzten Beschuldigtenrechte bei Prozessen wegen Vergehen gegen die nationale Sicherheit weiter aus. Den Beschuldigten und ihren Anwälten wurde mit der Novelle beispielsweise das Recht auf eine Kopie der Gerichtsakten verweigert (MRAI 19.6.2023) und Angeklagte dürfen zumindest im Anfangsstadium des Verfahrens (AA 30.11.2022) - dem Untersuchungsstadium (MRAI 19.6.2023) - nur aus einer Liste mit vom Staat zugelassenen und damit mutmaßlich systemfreundlichen Anwälten auswählen (AA 30.11.2022; vergleiche MRAI 19.6.2023). In dieser bedeutsamen Prozessphase werden oftmals sensible Informationen aufgedeckt, diese Einschränkung der Auswahl gibt Anlass zur Sorge über die Fairness und Transparenz der Prozesse (MRAI 19.6.2023).
Die Revolutionsgerichte sehen meist davon ab, das Urteil an die Angeklagten zu übermitteln. In der Regel laden sie den Anwalt des Angeklagten vor Gericht und verlesen das Urteil. Solche Urteile sind folglich auf der elektronischen Datenbank Adliran nicht zugänglich. Rechtsanwälte dürfen Urteile lediglich direkt bei Gericht lesen und sich dort Notizen machen (Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021).
Anmerkung: s. Kap. "Dokumente, Meldewesen und Personenstandsregister" für Informationen zur Justizdatenbank Adliran und SANA.
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.11.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083021/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_(Stand_18.11.2022),_30.11.2022.pdf, Zugriff 2.2.2023 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Iran 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089407.html, Zugriff 30.3.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105885/country_report_2024_IRN.pdf, Zugriff 26.3.2024
Conversation - Conversation, The (13.1.2023): Iran executions: the role of the ‘revolutionary courts’ in breaching human rights, https://theconversation.com/iran-executions-the-role-of-the-revolutionary-courts-in-breaching-human-rights-197534, Zugriff 30.3.2023
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Iran, https://freedomhouse.org/country/iran/freedom-world/2024, Zugriff 1.3.2024
HRW - Human Rights Watch (11.1.2024a): World Report 2024 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103132.html, Zugriff 6.3.2024
IHRNGO - Iran Human Rights (1.12.2022): Amirsalar Davoudi, https://iranhr.net/en/people/5530/, Zugriff 28.11.2023
IrWire - Iran Wire (28.4.2021): "Tea Money" for Contracts: New Study Lifts Lid on Iran's Bribery Culture, https://iranwire.com/en/features/69432/, Zugriff 28.3.2023
Islamic Law Blog - Islamic Law Blog (22.11.2015): Between Law and Sharīʿa: Hudūd and the Principle of Legality (Part römisch II), https://islamiclaw.blog/2015/11/22/between-law-and-shariʿa-hudud-and-the-principle-of-legality-part-ii/, Zugriff 15.12.2023
Landinfo/CEDOCA/SEM - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen], Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien], Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (12.2021): IRAN Criminal procedures and documents, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064888/joint_coi_report._criminal_procedures_and_documents_20211206.pdf, Zugriff 17.3.2023
LTO - Legal Tribune Online (26.10.2022): Ein Wächterrat voller Macht, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/iran-staat-proteste-islam-rahbar-pflicht-frau-hejab/, Zugriff 15.12.2023
MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (9.2023): Algemeen ambtsbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098089/Algemeen ambtsbericht Iran van september 2023.pdf, Zugriff 30.11.2023
MRAI - Menschenrechtsanwältin aus Iran (19.6.2023): Interview, via Videotelefonie
Soltani/Shooshinasab - Soltani, Mohammad, Shooshinasab, Nafiseh (8.2022): UPDATE: An Overview of the Iranian Legal System, https://www.nyulawglobal.org/globalex/Iran_Legal_System_Research1.html, Zugriff 15.12.2023
UNHRC - United Nations Human Rights Council (7.2.2023): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2088389/G2301095.pdf, Zugriff 14.3.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107731.html, Zugriff 3.5.2024
USIP - United States Institute of Peace [USA] (1.8.2015): The Islamic Judiciary, https://iranprimer.usip.org/resource/islamic-judiciary, Zugriff 30.3.2023
4. Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung 2024-10-08 11:15
In Iran gibt es eine Vielzahl verschiedener Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden (Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021). Hierbei gibt es einige Besonderheiten, die auf die "revolutionäre Natur" des Regimes zurückzuführen sind, nämlich das Nebeneinanderbestehen von traditionellen staatlichen Waffenträgern, wie Armee und Polizei, mit revolutionären Institutionen. Diese Situation führt zu Duplizierungen, Überlappungen und unklaren Kompetenzzuteilungen sowie institutioneller Konkurrenz. Gleichzeitig herrscht seit Jahren das Bemühen, diese Parallelität zu rationalisieren und unterschiedlichen Institutionen unterschiedliche Aufgaben zuzuweisen, sodass heute von einer laufenden Fusionierung aller Elemente ausgegangen werden muss (Posch/LVAk 7.2024).
Das Strafverfolgungskommando (FARAJA) [sprich: FARADSCHA; Farmandehi-ye Entezami-ye Jomhuri-ye Eslami-ye Iran], das dem Innenministerium untersteht, stellt die uniformierte Polizei des Landes und ist dem Präsidenten verantwortlich, so wie auch das Informations- oder Geheimdienstministerium (VAJA) [sprich: VADSCHA; Vezarat-e Etela’at-e Jomhuri-ye Eslami-ye Iran] (wobei auch das englischsprachige Akronym MOIS weit verbreitet ist). Gemeinsam mit dem Korps der Islamischen Revolutionsgarden [Sepah-e Pasdaran-e Enqhelab-e Islami - englischsprachiges Akronym: IRGC], das direkt dem Obersten Führer untersteht, sind FARAJA und VAJA/MOIS für die innere Sicherheit und die Strafverfolgung im Land zuständig. Die Basij, eine aus Freiwilligen bestehende paramilitärische Gruppierung, agieren zum Teil unter den Revolutionsgarden als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug (CIA 27.8.2024).
Die Militärkräfte unterteilen sich in das Korps der Revolutionsgarden und die reguläre Armee (Artesh [Artesh-e Jomhuri-ye Eslami-ye Iran]) (CIA 27.8.2024). Die Artesh ist ein Vermächtnis der Sicherheitsbehörden aus der Schah-Zeit. Sie existiert neben den Revolutionsgarden, die 1979 von Khomeini als regimetreue Truppe gegründet wurden (CRS 26.1.2024) und konzentriert sich in erster Linie auf die Verteidigung der iranischen Grenzen und Hoheitsgewässer gegen Bedrohungen von außen. Die Revolutionsgarden haben dem gegenüber einen umfassenderen Auftrag, nämlich die iranische Revolution gegen jegliche Bedrohung von außen oder innen zu verteidigen (CIA 27.8.2024). Die Revolutionsgarden sind im iranischen Sicherheitsapparat die mächtigste Kraft (BS 19.3.2024), aber auch vom Regime anerkannte Bürgerwehren üben Gewalt aus, wenn es z. B. um die Niederschlagung von Straßenprotesten geht (BS 19.3.2024; vergleiche IrWire 25.9.2022). Der Oberste Führer - und nicht der Präsident - ist der oberste Befehlshaber über alle Streitkräfte. Er kann Krieg oder Frieden erklären und Militäroperationen genehmigen (DIA 2019). Iran hat eine starke Zentralregierung mit einem komplexen institutionellen Gefüge. Das Gewaltmonopol liegt bei den staatlichen und halbstaatlichen Einheiten, die das Regime bilden (BS 19.3.2024).
Die Informationen zur Truppenstärke der iranischen Streitkräfte variieren. Rund 400.000 Soldaten dienen in den regulären Streitkräften und rund 150.000-190.000 in den Revolutionsgarden, davon 5.000-15.000 bei den Quds-Kräften (CIA 27.8.2024; vergleiche IRJ 1.2.2021). Die Basij haben mit Stand 2023 geschätzte 90.000 aktive paramilitärische Kräfte (CIA 27.8.2024), wobei Schätzungen über die Zahl der Basij-Mitglieder insgesamt weit auseinandergehen und bis zu mehreren Millionen reichen (ÖB Teheran 11.2021).
Behandlung der Zivilbevölkerung
In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS 23.2.2018). Die kurdische Region ist das am stärksten militarisierte Gebiet Irans. Die Regierung überwacht die Bevölkerung dort durch ein Netzwerk von Kontrollpunkten (DIS 7.2.2020).
Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen, darunter Folter, Verschwindenlassen und Gewaltakte gegen Demonstranten und Umstehende bei öffentlichen Demonstrationen (USDOS 23.4.2024). Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie Basij de facto willkürlich handeln können. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen können den Unwillen zufällig anwesender Basij bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basij können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 11.2021). Bei der brutalen Durchsetzung von Regeln wie der Kopftuchpflicht für Frauen, die im September 2022 Auslöser der Proteste war, stehen laut dem Iran-Experten Walter Posch nicht unbedingt die regulären Polizeieinheiten im Fokus, sondern "überambitionierte Freiwillige", die sich normalerweise aus den Basij-Milizen rekrutieren. Sie nennen sich die "Hezbollahis" [Anm.: nicht gleichzusetzen mit der libanesischen Hisbollah], also "Parteigänger Gottes", und vertreten dabei das islamische Prinzip des "Gebieten des Guten, Verbieten des Schlechten" (al-amr bi-l-maʿrūf wa-n-nahy ʿani-l-munkar). Die Polizei hat wenig Anreiz, Frauen vor Willkür zu schützen und sich mit den politisch bestens vernetzten Hezbollahis anzulegen (Zenith 21.9.2022).
Quellen
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105885/country_report_2024_IRN.pdf, Zugriff 26.3.2024
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (27.8.2024): The World Factbook - Iran, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/iran/, Zugriff 30.9.2024
CRS - Congressional Research Service [USA] (26.1.2024): Iran: Background and U.S. Policy, https://crsreports.congress.gov/product/pdf/R/R47321, Zugriff 3.4.2024
DIA - Defense Intelligence Agency (2019): Iran Military Power, https://www.dia.mil/Portals/110/Images/News/Military_Powers_Publications/Iran_Military_Power_LR.pdf, Zugriff 3.4.2024
DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (7.2.2020): Iranian Kurds, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report on Iranian Kurds Feb 2020.pdf, Zugriff 13.3.2023
DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (23.2.2018): IRAN House Churches and Converts, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 16.3.2023
IRJ - Iran Journal (1.2.2021): Aus der Schwäche wuchs ihre Macht, https://iranjournal.org/wirtschaft/geschichte-der-revoltuionsgarde/2, Zugriff 28.3.2023
IrWire - Iran Wire (25.9.2022): Explainer: The Islamic Republic of Iran's Architecture of Suppression, https://iranwire.com/en/society/107906-explainer-the-islamic-republic-of-irans-architecture-of-suppression/, Zugriff 13.5.2024
Landinfo/CEDOCA/SEM - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen], Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien], Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (12.2021): IRAN Criminal procedures and documents, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064888/joint_coi_report._criminal_procedures_and_documents_20211206.pdf, Zugriff 17.3.2023
ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islamische Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich]
Posch/LVAk - Posch, Walter (Autor), Landesverteidigungsakademie [Österreich] (Herausgeber) (7.2024): Der iranische Sicherheitsapparat, https://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/buch_der_iranische_sicherheitsapparat_posch_web.pdf, Zugriff 13.8.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107731.html, Zugriff 3.5.2024
Zenith - Zenith (21.9.2022): Die unverhüllte Wahrheit über Irans Regime, https://magazin.zenith.me/de/politik/die-islamische-republik-und-der-tod-von-mahsa-amini-iran, Zugriff 27.3.2023
5. Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung 2024-06-19 10:25
Die iranische Verfassung (IRV) vom 15.11.1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Artikel 4, IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene "Hohe Rat für Menschenrechte" untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten "Pariser Prinzipien" (AA 30.11.2022).
Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Menschenrechtslage, insbesondere der politischen und bürgerlichen Rechte, wobei sich der Spielraum für zivilgesellschaftliches Engagement im Menschenrechtsbereich in den letzten Jahren erheblich verengt hat (ÖB Teheran 11.2021). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition, jedoch auch immer wieder gegen die islamisch definierten (GIZ 2020). Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamische Grundsätze infrage stellt. Dies ist besonders ausgeprägt bei Gruppierungen, welche die Interessen religiöser oder ethnischer Minderheiten vertreten. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände vergleiche Artikel 279 bis 288 IStGB) sowie Staatsschutzdelikte (insbesondere Artikel eins bis 18 des 5. Buches des IStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, laufen Gefahr der Spionage beschuldigt zu werden. Strafverfolgung erfolgt selbst bei niedrigschwelliger Kritik oftmals willkürlich und selektiv (AA 30.11.2022).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.11.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083021/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_(Stand_18.11.2022),_30.11.2022.pdf, Zugriff 2.2.2023 [Login erforderlich]
GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (2020): Iran: Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2023
ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islamische Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich]
6. Todesstrafe
Letzte Änderung 2024-10-04 13:08
Iran ist im weltweiten Vergleich nach China jenes Land, in welchem die Todesstrafe am häufigsten vollzogen wird (FH 2024). Die NGOs Iran Human Rights (IHRNGO) und Amnesty International (AI) zählten im Jahr 2023 834 (IHRNGO 5.3.2024) bzw. 853 Hinrichtungen (AI 4.4.2024). Gegenüber dem Vorjahr ist das eine Steigerung von rund 43 % (IHRNGO 5.3.2024) bzw. 48 %, gegenüber dem Jahr 2021 eine Steigerung von 172 % (AI 4.4.2024). Die genaue Anzahl der Hinrichtungen ist aufgrund der intransparenten Vorgehensweise der iranischen Behörden nicht bekannt (UNHRC 7.2.2023). 2023 wurden beispielsweise nur 15 % der von IHRNGO gezählten Hinrichtungen von den Behörden öffentlich bekannt gegeben (IHRNGO 5.3.2024). Die Anzahl der Hinrichtungen ist seit dem Amtsantritt von Präsident Raisi [im Jahr 2021] gestiegen (FH 2024).
Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Moharebeh" (Waffenaufnahme gegen Gott) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB Teheran 11.2021); des weiteren auf terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z. B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslims mit einer Muslimin. Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden. Nach Kenntnis des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland ist es jedoch in den letzten 20 Jahren zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen [Anm.: s. dazu auch Kap. Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen] (AA 30.11.2022). Vergewaltigungsopfer können neben den Tatbeständen der "Unsittlichkeit" und des "unmoralischen Verhaltens" auch wegen Ehebruchs belangt werden, für das die Todesstrafe verhängt werden kann (USDOS 23.4.2024). Die Todesstrafe wird u. a. für Straftaten verhängt, die gemäß Völkerrecht nicht zu den "schwersten Verbrechen" zählen sowie für Handlungen, die international nicht als Straftaten anerkannt sind (AI 24.4.2024; vergleiche UNHRC 9.2.2024).
Regierung und NGOs sind bemüht, Hinrichtungen durch die Erleichterung des Blutgeld-Prozesses zu verhindern. Es werden z. B. mit Spendenaufrufen Blutgelder gesammelt [Anm.: Blutgeld, auch diyah, kann bei sog. qisas-Verbrechen zur Anwendung kommen, s. dazu Kap. Rechtsschutz / Justizwesen] (ÖB Teheran 11.2021).
Nach den Aufzeichnungen von IHRNGO wurden die Hinrichtungen durch die iranische Justiz im Jahr 2023 anteilsmäßig aufgrund der folgenden Vergehen vollzogen:
56 % der Hinrichtungen (471 in absoluten Zahlen) erfolgten demnach aufgrund von Verurteilungen wegen Drogenvergehen, 34 % (282) wegen Mordes, 5 % (39) wegen Moharebeh oder "Korruption auf Erden" [mofsad/efsad fe-l-arz] und 2 % (20) wegen Vergewaltigung. Zwei Personen wurden aufgrund von Verurteilungen wegen Blasphemie hingerichtet, eine Person nach einer Verurteilung wegen Ehebruchs (IHRNGO 5.3.2024). Gemäß der Zählung von AI wurden im Jahr 2023 mindestens 545 Personen für Handlungen hingerichtet, die gemäß internationalem Recht nicht mit der Todesstrafe geahndet werden sollten, darunter Handlungen, die durch das Recht auf Privatsphäre und Meinungs-, Religions- oder Glaubensfreiheit geschützt sind, zu weit gefasste und vage formulierte Anklagen, die nicht dem Legalitätsprinzip entsprechen, sowie Drogendelikte und andere Straftaten, die keine "vorsätzliche Tötung" beinhalten. Dies betraf 64 % aller von AI erfassten Hinrichtungen (AI 4.4.2024).
2017 trat eine Änderung des Strafgesetzes für Drogendelikte in Kraft, welche die Todesstrafen im Bereich der Drogenkriminalität auf bestimmte Fallkonstellationen beschränkte. Bagatelldelikte sind damit von der Todesstrafe ausgenommen. Entsprechend sank die Zahl der Hinrichtungen für Drogenkriminalität nach dieser Gesetzesänderung zunächst stark (AA 30.11.2022; vergleiche AI 4.4.2024). Seit Oktober 2021 ist, vermutlich wegen vermehrter Drogenkriminalität auch durch die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan und damit einhergehender fehlender Grenzkontrollen auf afghanischer Seite (AA 30.11.2022), und mit der Einsetzung von neuen Spitzenbeamten im Justizwesen durch Präsident Raisi (AI 4.4.2024), ein erneuter Anstieg bei der Zahl an Hinrichtungen wegen Drogenkriminalität zu verzeichnen (AA 30.11.2022; vergleiche IHRNGO 5.3.2024, AI 4.4.2024). Es ist außerdem davon auszugehen, dass es beim Kampf gegen Drogenhandel und Schmuggel vor allem in den Grenzregionen Sistan-Belutschistan und Kurdistan regelmäßig zu außergerichtlichen Hinrichtungen kommt (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche HRANA 8.2.2023).
Das iranische Regime setzt die Todesstrafe als Mittel der politischen Unterdrückung gegen Demonstranten, Dissidenten und ethnische Minderheiten ein (AI 24.4.2024; vergleiche IHRNGO 5.3.2024). Laut den Aufzeichnungen von IHRNGO besteht eine Korrelation zwischen der Anzahl an Hinrichtungen und politischen Ereignissen (IHRNGO 5.3.2024). In direktem Zusammenhang mit den Protesten ab September 2022 wurden bis Jänner 2024 mindestens neun Demonstranten hingerichtet (BBC 23.1.2024; vergleiche OHCHR 24.1.2024) und vier weitere Personen zum Tod verurteilt (BBC 23.1.2024). 15 weitere Personen laufen Gefahr, zum Tod verurteilt zu werden (UNHRC 9.2.2024; vergleiche BBC 23.1.2024). Die gegen die Demonstranten erhobenen Anklagen betrafen Sicherheitsvergehen oder Mord, in einigen Fällen kam es auch zu Doppelbestrafung. Alle Anklagen - bis auf eine - standen im Zusammenhang mit dem Tod von Streitkräften. Den mit 84 % gegenüber dem Vorjahr deutlichen Anstieg an Hinrichtungen aufgrund von Drogenvergehen im Jahr 2023 bringt IHRNGO ebenfalls mit den "Frau, Leben, Freiheit"-Protesten ab September 2022 in Verbindung. Viele der wegen Drogenvergehen Hingerichteten stammen aus marginalisierten Gruppen und ethnischen Minderheiten, insbesondere jener der Belutschen (IHRNGO 5.3.2024). Obwohl sie nur rund fünf Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen, waren mindestens 29 % der im Jahr 2023 wegen Drogenvergehen hingerichteten Personen Belutschen [Anm.: s. u. a. Kap. Belutschen zur Rolle der Belutschen bei den Protesten] (AI 4.4.2024; vergleiche UNHRC 9.2.2024).
Iran ist eines der wenigen Länder weltweit, die noch die Todesstrafe für jugendliche Straftäter anwenden, auch wenn dies internationalen Verträgen widerspricht, welche von Iran unterzeichnet worden sind (IHRNGO 5.3.2024). Das 2013 verabschiedete iranische Strafgesetzbuch (IStGB) definiert das "Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit" für Kinder ausdrücklich als das Alter der Reife nach der Scharia, was bedeutet, dass Mädchen über neun Mondjahren und Buben über 15 Mondjahren für eine Hinrichtung infrage kommen, wenn sie wegen hadd- oder qisas-Verbrechen verurteilt werden [s. Kap. Rechtsschutz / Justizwesen für Begriffserklärungen] (IHRNGO 5.3.2024; vergleiche UNHRC 9.2.2024). Gemäß Artikel 91 IStGB kann ein Richter bei hadd- oder qisas-Vergehen von unter-18-Jährigen von der Verhängung einer Todesstrafe jedoch absehen, wenn Zweifel an der geistigen Reife und Einsicht des Verurteilten bestehen. Laut IHRNGO ist diese Bestimmung vage formuliert und wird inkonsistent angewendet (IHRNGO 5.3.2024). 2023 wurden je nach Quellen mindestens eine (UNHRC 9.2.2024, AI 4.4.2024) oder mindestens zwei Personen unter 18 Jahren hingerichtet (IHRNGO 5.3.2024). Vier weitere Personen, die im Jahr 2023 hingerichtet wurden, waren zum Tatzeitpunkt unter 18 Jahre alt (AI 4.4.2024).
Gemäß dem vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzten Sonderberichterstatter über die Menschenrechtslage in Iran wurden Todesurteile nach Verfahren gefällt, die gegen die Prinzipien eines ordnungsgemäßen oder fairen Prozesses verstoßen. Personen wurden vor ihrer Hinrichtung gefoltert und misshandelt, ihnen wurde häufig der Zugang zu einem Anwalt verweigert, und Anwälte durften ihre Mandanten nicht verteidigen (UNHRC 9.2.2024). Dies betraf laut Menschenrechtsorganisationen Urteile gegen Protestteilnehmer (HRW 11.1.2024a; vergleiche BBC 18.1.2023, BBC 23.1.2024). IHRNGO dokumentierte jedoch auch, dass beinahe alle im Rahmen ihres jährlichen Berichts zur Todesstrafe erfassten, wegen Drogenvergehen verhafteten Gefangenen Folter ausgesetzt waren und ihnen der Zugang zu einem Anwalt verweigert wurde (IHRNGO 5.3.2024). Nach der Zählung von AI wurden im Jahr 2023 mindestens 520 Personen (61 %) nach Todesurteilen vor Revolutionsgerichten hingerichtet, wobei den Angeklagten vor Revolutionsgerichten, in deren Zuständigkeitsbereich Vergehen gegen die nationale Sicherheit und mit Drogenbezug fallen, systematisch das Recht auf einen fairen Prozess verweigert wird (AI 4.4.2024).
Während die iranischen Behörden Hinrichtungen zuletzt nicht mehr öffentlich durchgeführt hatten (ÖB Teheran 11.2021), fanden im Dezember 2022 wieder öffentliche Hinrichtungen von Protestteilnehmern statt (NBC 19.12.2022) und 2023 wurden insgesamt sieben Männer öffentlich hingerichtet (AI 4.4.2024).
Die Familien hingerichteter Gefangener wurden nicht immer über geplante Hinrichtungen informiert, und wenn doch, dann oft nur sehr kurzfristig. Die Behörden verweigerten den Familien häufig die Möglichkeit, Bestattungsriten durchzuführen oder rechtzeitig eine unparteiische Autopsie vornehmen zu lassen (USDOS 23.4.2024). Die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 30.11.2022).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.11.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083021/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_(Stand_18.11.2022),_30.11.2022.pdf, Zugriff 2.2.2023 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (24.4.2024): Amnesty International Report 2023/24; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Iran 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107919.html, Zugriff 3.5.2024
AI - Amnesty International (4.4.2024): "Don't Let Them Kill Us" Iran's Relentless Execution Crisis Since the 2022 Uprising, https://www.amnesty.ch/de/laender/naher-osten-nordafrika/iran/dok/2024/massive-zunahme-der-hinrichtungen-amnesty-fordert-moratorium-fuer-todesstrafe/mde-13-7869-2024-dont-let-them-kill-us-irans-relentless-execution-crisis-since-the-2022-uprising.pdf, Zugriff 4.4.2024
BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2024): Mohammad Ghobadlou: Iran executes protester with mental health condition, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-68068233, Zugriff 28.3.2024
BBC - British Broadcasting Corporation (18.1.2023): Iran protests: 15 minutes to defend yourself against the death penalty, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-64302726, Zugriff 21.3.2023
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Iran, https://freedomhouse.org/country/iran/freedom-world/2024, Zugriff 1.3.2024
HRANA - Human Rights Activists News Agency (8.2.2023): On February 7, IRGC forces killed at least five cross-border fuel carriers (Sookhtbar) by shooting in Iranshahr, Sistan and Baluchestan Province., https://www.en-hrana.org/five-cross-border-fuel-carrier-sookhtbar-killed-by-irgc-forces/?hilite=sookhtbar, Zugriff 22.3.2023
HRW - Human Rights Watch (11.1.2024a): World Report 2024 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103132.html, Zugriff 6.3.2024
IHRNGO - Iran Human Rights (5.3.2024): 2023 Annual Report on the Death Penalty in Iran: at Least 834 Executions, https://iranhr.net/media/files/Iran_Human_Rights-Annual_Report_2023.pdf, Zugriff 8.3.2024
NBC - NBC News (19.12.2022): 'They want to create fear': Struggling to crush unrest, Iran turns to public executions, https://www.nbcnews.com/news/world/iran-executions-crush-anti-government-protests-rcna61411, Zugriff 21.3.2023
ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islamische Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich]
OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (24.1.2024): Iran: Sharp spike in use of death penalty, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/01/iran-sharp-spike-use-death-penalty, Zugriff 28.3.2024
UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.2.2024): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran* , **, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105262/g2401259.pdf, Zugriff 8.3.2024
UNHRC - United Nations Human Rights Council (7.2.2023): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2088389/G2301095.pdf, Zugriff 14.3.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107731.html, Zugriff 3.5.2024
7. Religionsfreiheit
Letzte Änderung 2024-10-04 13:09
In Iran leben schätzungsweise rund 88,4 Millionen Menschen (CIA 22.5.2024), von denen nach offiziellen Angaben ungefähr 99 % dem Islam angehören. Etwa 90 % der Bevölkerung sind demnach Schiiten, ca. 9 % sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq (Yaresan) und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (STDOK 3.5.2018; vergleiche USDOS 15.5.2023). Im Rahmen einer viel beachteten und breit diskutierten (NYMAG 21.10.2022) Onlinebefragung der Organisation Gamaan aus dem Jahr 2020, an der sich 40.000 innerhalb Irans lebende Iraner sowie rund 10.000 im Ausland lebende Iraner beteiligt haben, wurden folgende Einstellungen bzw. religiösen Ausrichtungen angegeben: nur rund 32 % der Bevölkerung bekennen sich zum Schiitentum, 5 % zum Sunnitentum und rund 8 % zum Zoroastrismus. 9 % identifizierten sich dagegen als Atheisten, 7 % als "spirituell" und 6 % als Agnostiker. Andere gaben an, dem Sufismus, Humanismus, Christentum, dem Baha'i-Glauben oder dem Judentum zu folgen (Anteile zwischen rd. 0,1 und 3 %) und rund 22 % der Befragten wollten sich mit keiner der genannten Gruppierungen identifizieren (GAMAAN 25.8.2020). Auch wenn nicht genau gesagt werden kann, inwiefern die von Gamaan vorgelegten Zahlen auf die Gesamtbevölkerung Irans umlegbar sind, zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zum nationalen Zensus. Aus der Studie lässt sich eine erosionsartige Fragmentierung des religiösen Feldes zumindest bei den befragten Iranern ablesen. Interessant ist unter anderem die Vielfalt an verschiedenen Glaubensbekenntnissen von Konfessionslosigkeit und Atheismus, beides eigentlich Tabus in einer offiziell islamischen Gesellschaft wie der iranischen, über Zoroastrismus und Trends zu spirituellen und esoterischen Sekten, bis hin zum Agnostizismus, zu sufischen Bewegungen, den Bahai und zum Christentum. Letztere stellen laut der Studie lediglich eine relativ kleine Gruppe dar (BAMF 5.2022). In einer im Jänner 2024 geleakten (Amwaj 3.4.2024), vom Informationsministerium (MOIS) in Auftrag gegebenen, unter Verschluss gehaltenen Umfrage gaben 70 % der Befragten an, sich ein säkulares Regierungssystem zu wünschen. Eine Mehrheit lehnte die gesetzlich verordnete Hijab-Pflicht für Frauen ab (Standard 1.3.2024).
Nachstehender Karte können die Hauptsiedlungsgebiete der größten Glaubensgruppen in Iran entnommen werden. Demnach leben Sunniten mehrheitlich in den Grenzregionen im äußersten Nordwesten Irans, im Norden in einem Gebiet an der Grenze zu Turkmenistan [Provinz Golistan] sowie im Süden bei Bandar-e Abbas [Provinz Hormuzgan] und an der Grenze zu Pakistan sowie zum Südwesten Afghanistans [in Iran: Provinz Sistan und Belutschistan]. Der größte Teil des Landes wird mehrheitlich von Schiiten bewohnt. Minderheitengruppen wie Zoroastrier, Bahai, Juden und Sikhs werden auf der Karte nicht dargestellt; insbesondere in urbanen Zentren ist die Bevölkerung sehr heterogen und kann auf dieser Karte nicht dargestellt werden (BMI/BMLVS 2017).
Laut Verfassung ist Iran eine islamische Republik und der schiitische Zwölfer- oder Ja'afari-Islam ist die offizielle Staatsreligion. Die Verfassung schreibt vor, dass alle Gesetze und Vorschriften auf "islamischen Kriterien" und einer offiziellen Auslegung der Scharia beruhen müssen. In der Verfassung heißt es, dass die Bürger alle menschlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte "in Übereinstimmung mit islamischen Kriterien" genießen sollen (USDOS 15.5.2023). Für Frauen bedeutet dies beispielsweise unter anderem eine allgemeine Kopftuchpflicht in der Öffentlichkeit, die [unter anderem] im Zuge der Proteste anlässlich des Todes von Mahsa Amini von vielen Protestierenden abgelehnt wurde und in den Fokus der Auseinandersetzung zwischen dem Regime und seinen Gegnern geriet (Tagesschau 6.10.2022). Gleichwohl dürfen die in Artikel 13, der iranischen Verfassung anerkannten 'Buchreligionen': Christentum, Judentum und Zoroastrismus ihren Glauben in ihren Gemeinden relativ frei ausüben (AA 30.11.2022; vergleiche ÖB Teheran 11.2021). In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie (AA 30.11.2022). Die Freiheiten bei der Glaubensausübung sind allerdings von der Auslegung religiöser Gelehrter abhängig. Darüber hinaus lassen die Mehrdeutigkeit und die Auslegungsfähigkeit von Gesetzen den Richtern oft Raum für willkürliche Entscheidungen, was die Gefährdung von Minderheitengemeinschaften erhöht (IrWire 4.3.2024).
Die Lehrpläne aller öffentlichen und privaten Schulen müssen einen Kurs über die schiitischen Lehren enthalten. Sunnitische Schüler, sowie jene, die einer anerkannten religiösen Minderheit angehören, müssen die Kurse über den schiitischen Islam belegen und bestehen, obwohl sie auch separate Kurse über ihre eigenen religiösen Überzeugungen belegen können. Anerkannte religiöse Minderheitengruppen, mit Ausnahme der sunnitischen Muslime, dürfen Privatschulen betreiben (USDOS 15.5.2023).
Anhänger religiöser Minderheiten unterliegen Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Lediglich schiitische Muslime dürfen in vollem Umfang am politischen Leben teilnehmen (AA 30.11.2022; vergleiche MRG 24.11.2022). Sunniten werden v. a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert (ÖB Teheran 11.2021). Die Diskriminierung am Arbeitsplatz ist durch die Praxis des gozinesh institutionalisiert, ein obligatorisches Prüfverfahren, dem sich jeder unterziehen muss, der eine Beschäftigung im öffentlichen oder halbstaatlichen Sektor sucht. Dies beinhaltet eine Bewertung der Befolgung des Islam und der Loyalität gegenüber der Islamischen Republik durch die potenziellen Arbeitnehmer (MRG 24.11.2022; vergleiche UNHRC 19.3.2024). Die Bewerber müssen dabei das Prinzip der Herrschaft des Rechtsgelehrten (Velayat-e Faqih) anerkennen (UNHRC 19.3.2024), das es im sunnitischen Islam [sowie nichtislamischen Religionen] nicht gibt (USDOS 23.4.2024). Die gozinesh-Kriterien schließen nicht nur Anhänger nicht anerkannter Religionen von der Arbeitssuche aus, sondern benachteiligen auch Sunniten und alle, die Ansichten vertreten, die den offiziellen Werten der Islamischen Republik zuwiderlaufen (MRG 24.11.2022; vergleiche UNHRC 19.3.2024).
Nichtmuslime sehen sich im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 30.11.2022; vergleiche IrWire 4.3.2024). Verfassungsrechtlich anerkannte Minderheiten haben auch bei Mord oder Unfalltod nicht die gleichen Rechte wie Muslime. Nach dem islamischen Strafgesetzbuch (IStGB) haben die Hinterbliebenen eines Opfers das Recht, Vergeltung oder Entschädigung zu verlangen, wenn das Opfer Muslim ist. Wenn das Opfer einer anderen [anerkannten] Religion angehört, muss der Täter lediglich Lösegeld zahlen (IrWire 4.3.2024).
Anerkannte religiöse Minderheiten (Zoroastrier, Juden, Christen) werden diskriminiert, sie sind in ihrer Religionsausübung jedoch nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Sie haben gewisse rechtlich garantierte Minderheitenrechte (ÖB Teheran 11.2021). Im Parlament sind beispielsweise fünf der insgesamt 290 Sitze für ihre Vertreterinnen und Vertreter reserviert: zwei für armenische Christen, einer für Juden, einer für Zoroastrier und einer für assyrische Christen (Zeit Online 19.1.2023; vergleiche FH 2024). Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär ernannt werden (USDOS 15.5.2023) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 2024).
Für nicht anerkannte religiöse Gruppen gibt es keine rechtlichen Schutzgarantien. Diese Gruppierungen - z. B. Baha'i, Sabäer-Mandäer, Yaresani [Anm.: auch Ahl-e Haqq] (MRG 24.11.2022; vergleiche BAMF 5.2022), Anhänger fernöstlicher oder esoterischer Philosophien und Kulte (IRINTL 25.1.2022), konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten - werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche OpD 2024).
Das Ministerium für Kultur und islamische Führung und das MOIS überwachen religiöse Aktivitäten. Die Revolutionsgarden überwachen auch Kirchen (USDOS 15.5.2023) und Gottesdienste (OpD 2024). Die iranische Regierung verfolgt Angehörige religiöser Minderheiten bisweilen unter dem Vorwand, diese seien eine Gefahr für die nationale Sicherheit, und nicht, weil sie beispielsweise Christen sind (CNEN 4.2.2023). Führende Vertreter von Minderheitengruppen und Aktivisten werden oftmals unter dem allgemeinen Vorwurf der Bedrohung der "öffentlichen Moral" oder der nationalen Sicherheit zu langen Haftstrafen oder zum Tod verurteilt (MRG 24.11.2022; vgl.OpD 2024).
Auch oppositionelle schiitische Geistliche und muslimische Sekten sind der Verfolgung ausgesetzt (ÖB Teheran 11.2021). Zur Sanktionierung von Vergehen wie "Irrlehre", "Abweichung" und "Propaganda" durch Geistliche besteht ein Sondergericht, das über eine eigene Polizei, Strafprozessordnung, Gefängnisse und einen eigenen Strafkatalog verfügt, zu dessen Strafen etwa Verbote, Seminare abzuhalten oder die Kleriker-Robe in der Öffentlichkeit zu tragen ebenso gehören wie Verbannung, Haftstrafen und Todesurteile (Qantara 16.5.2023). Das Sondergericht für Geistliche untersteht direkt dem Revolutionsführer und ist, wie auch die Revolutionsgerichte, in der Verfassung nicht vorgesehen (USDOS 15.5.2023).
Ethnische und religiöse Minderheiten, die jahrzehntelang unter systemischer und systematischer Diskriminierung und Verfolgung gelitten haben, waren von der Welle der Repression seit Beginn der Proteste im September 2022 unverhältnismäßig stark betroffen [Anm.: s. u. a. Unterkap. Sunniten für weitere Informationen]. Unter anderem verwehrten die iranischen Behörden Angehörigen von getöteten Protestteilnehmern Begräbnisse nach ihren religiösen Riten zu vollziehen (UNHRC 7.2.2023). Obwohl diese Vorkommnisse nicht völlig neu waren, kam es im Zuge der Proteste auch vermehrt zu Übergriffen auf schiitische Geistliche, die aufgrund der umfassenden Politisierung von Religion mit dem iranischen Regime gleichgesetzt werden und als Vollstrecker von dessen politischen Zielen fungieren (INSS 18.5.2023; vergleiche Qantara 16.5.2023).
Muslimische Geistliche rufen manchmal zu Gewalt gegen religiöse Minderheiten auf (OpD 2024). Dabei ist die iranische Gesellschaft weniger fanatisch als ihre Führung (OpD 2024; vergleiche NLM 23.2.2023). Dies ist zum Teil auf den weitverbreiteten Einfluss des gemäßigteren Sufi-Islams zurückzuführen sowie auf den Stolz des iranischen Volkes auf seine vorislamische persische Kultur (OpD 2024). Dennoch wird mitunter von bedrohlicher Diskriminierung von Nicht-Schiiten seitens des familiären oder gesellschaftlichen Umfelds berichtet (ÖB Teheran 11.2021). Religiöse Familien üben Druck auf Familienmitglieder aus, die sich vom Islam abgewandt haben und Christen geworden sind (OpD 2024).
Nach Einschätzung des australischen Außenministeriums sind nicht praktizierende iranische Muslime einem geringen Risiko behördlicher oder gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt, insbesondere in den Großstädten (DFAT 24.7.2023). Der Besuch von Moscheen ist in Iran beispielsweise nicht weit verbreitet, verglichen mit anderen muslimischen Ländern (Moaddel/FTJ 2022; vergleiche MRAI 19.6.2023, Amwaj 3.4.2024), und Personen werden nicht per se als Atheisten betrachtet, weil sie keine Moscheen aufsuchen. Dies gilt auch im ländlichen Bereich. Auch halten sich viele Iraner im Privaten nicht strikt an die Fastenregeln des Ramadan. Solange die Fastenregeln nicht in der Öffentlichkeit gebrochen werden, führte dies bislang üblicherweise zu keinen Problemen (MRAI 19.6.2023). Der Konsum von Speisen und Getränken sowie Rauchen in der Öffentlichkeit während des Ramadan kann nach Artikel 638, des iranischen Strafgesetzbuchs (IStGB) jedoch mit Strafen wie Peitschenhieben sowie Haft geahndet werden (IRINTL 13.3.2024a). Während des Ramadan im Frühling 2024 wurde eine Anzahl an Restaurants und Geschäften aufgrund von Fastenverstößen geschlossen (IrWire 8.4.2024). Nachdem das [vorislamische] persische Nowruz-Fest in diesem Jahr während des Fastenmonats Ramadan stattfand, wurden die Regeln für Restaurants gegenüber den Vorjahren allerdings gelockert, sodass diese ihre üblichen Öffnungszeiten beibehalten durften, wenn auch mit verhängten Fenstern (IRINTL 13.3.2024a). Der Nowruz-Freudentag "Sizdah-bedar", der üblicherweise mit Familienausflügen ins Grüne sowie Feiern mit Tanz und Musik begangen wird, fiel mit dem islamischen Trauertag anlässlich der Ermordung des ersten schiitischen Imams Ali Ibn-Abi-Talib zusammen. Regimenahe Medien verkündeten, dass Parks und Freizeitanlagen an diesem Tag geschlossen werden würden, für den Abend, nach dem Fastenbrechen dagegen Unterhaltungsprogramme vorgesehen seien. Von offiziellen Stellen wurde beides dementiert. In vielen Teilen Irans wurden an diesem Tag Sicherheitskräfte mobilisiert, um die Bürger an der Feier des "Sizdah-bedar" zu hindern. Nach Einschätzung einer Teheraner Gastautorin des Iran Journal waren sich die Verantwortlichen selbst nicht sicher, wie sie mit dieser Situation umgehen sollten (IRJ 2.4.2024).
Nach dem Gesetz dürfen Nicht-Muslime nicht missionieren oder versuchen, einen Muslim zu einem anderen Glauben zu bekehren. Das Gesetz betrachtet diese Aktivitäten als Bekehrungsversuche, die mit dem Tod bestraft werden können (USDOS 15.5.2023). Das Parlament höhlte das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit 2021 weiter aus, indem es zwei neue Paragrafen in das IStGB aufnahm, wonach die "Diffamierung staatlich anerkannter Religionen, iranischer Bevölkerungsgruppen und islamischer Glaubensrichtungen" sowie "abweichende erzieherische oder missionarische Aktivitäten, die dem Islam widersprechen" mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren und/oder einer Geldstrafe geahndet werden können (AI 29.3.2022; vergleiche HRW 4.2024). Die vage formulierten Straftatbestände in den Artikeln 499 bis und 500 bis IStGB ermöglichen es den Behörden, Angehörige von nicht anerkannten Religionsgruppen, wie z. B. den Baha'i, für ihre Religionsausübung zu verurteilen, wenn sie diese als den islamischen Prinzipien widersprechend ansehen (HRW 4.2024). Das Regime betrachtet auch fernöstliche oder esoterische Philosophien und Kulte kritisch (IRINTL 25.1.2022). Unter anderem wurde auch ein Yogalehrer wegen "Propaganda gegen die Heiligtümer des Islam" vor einem Revolutionsgericht angeklagt, wobei seine Rechtsanwältin angab, die Behörden hätten seine Tätigkeit als Meditations- und Yogalehrer fälschlicherweise als islamfeindlich interpretiert (RFE/RL 7.11.2023).
Menschen, deren Eltern von den Behörden als Muslime eingestuft wurden, laufen Gefahr, willkürlich inhaftiert, gefoltert oder wegen "Apostasie" mit der Todesstrafe belegt zu werden, wenn sie andere Religionen oder atheistische Überzeugungen annehmen [Anm.: s. Unterkapitel Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen für weitergehende Informationen] (AI 24.4.2024; vergleiche ÖB Teheran 11.2021).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.11.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083021/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_(Stand_18.11.2022),_30.11.2022.pdf, Zugriff 2.2.2023 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (24.4.2024): Amnesty International Report 2023/24; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Iran 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107919.html, Zugriff 3.5.2024
AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Iran 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070223.html, Zugriff 14.3.2023
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BMI/BMLVS - Bundesministerium für Inneres [Österreich], Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport [Österreich] (2017): Atlas: Middle East & North Africa, https://www.ecoi.net/en/file/local/1408000/90_1487770786_2017-02-bfa-mena-atlas.pdf, Zugriff 27.8.2024
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (22.5.2024): Iran - The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/iran/, Zugriff 31.5.2024
CNEN - Christian Network Europe News (4.2.2023): Iran sees Christian as threat to national security, https://cne.news/article/2509-iran-sees-christian-as-threat-to-national-security, Zugriff 16.3.2023
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (24.7.2023): DFAT Country Information Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2095685/country-information-report-iran.pdf, Zugriff 4.1.2024
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GAMAAN - Group for Analyzing and Measuring Attitudes in Iran, The (25.8.2020): IRANIANS’ ATTITUDES TOWARD RELIGION: A 2020 SURVEY REPORT, https://gamaan.org/wp-content/uploads/2020/09/GAMAAN-Iran-Religion-Survey-2020-English.pdf, Zugriff 31.5.2023
HRW - Human Rights Watch (4.2024): "The Boot on My Neck" Iranian Authorities’ Crime of Persecution Against Baha’is in Iran, https://www.hrw.org/sites/default/files/media_2024/03/iran0424 web.pdf, Zugriff 10.6.2024
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8. Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung 2024-10-04 13:09
Nur etwa jeder zweite Iraner hat Persisch als Muttersprache; die Bezeichnungen Iraner und Perser sind keineswegs identisch und Iran ist seit drei Jahrtausenden ein Vielvölkerstaat (BPB 13.1.2020). Angehörige ethnischer Minderheiten machen insgesamt ca. die Hälfte der iranischen Bevölkerung aus, darunter Azeris, Kurden, Gilaki und Mazandarani, Araber, Turkmenen, Luren, Belutschen, Zaza, Armenier, Assyrer und Georgier (AA 30.11.2022). Nach anderen Angaben gehören schätzungsweise 30 bis 35 von insgesamt rund 80 Millionen Iranern einer ethnischen Minderheit an. Der Staat veröffentlicht dazu keine Zahlen – aus Furcht vor Missbrauch durch außenpolitische Gegner, aber auch um bei den Minoritäten selbst keine Forderungen zu ermutigen (BPB 13.1.2020).
Berechnungen zufolge stellen Azeris etwa 20 % der Bevölkerung, Kurden 10 %, Luren 6 %, Araber und Belutschen je 2 %, Turkmenen 1 %. Ferner wohnen mehrere Millionen Afghanen dauerhaft in Iran, viele bereits in der zweiten Generation (BPB 13.1.2020). Die Minderheiten leben keineswegs nur in jenen Regionen, die ihren jeweiligen Namen tragen, wie etwa Kurdistan oder Aserbaidschan. Irans Ethnien- und Sprachenkarte ähnelt einem bunt gemusterten Teppich [Anm.: vergleiche Karte unten] (BPB 13.1.2020; vergleiche Izady/Gulf 2000 o.D.), wobei die meisten dieser Minderheiten in den Grenzprovinzen leben und Verbindungen zu Ethnien in Nachbarstaaten wie Irak, Aserbaidschan, Pakistan (FP 19.10.2022) und Afghanistan haben (MRG 6.2018).
Die ethnischen Minderheiten sind vorwiegend auch religiöse Minderheiten (UNHRC 19.3.2024). Zu den sunnitischen ethnischen Minderheiten des Landes zählen die Turkmenen im Nordosten, die Kurden im Westen, Araber im Südwesten und Belutschen im Südosten (DW 7.4.2024).
Die Verfassung gewährt allen ethnischen Minderheiten gleiche Rechte und erlaubt die Verwendung von Minderheitensprachen in den Medien. Das Gesetz gewährt den Bürgern das Recht, ihre eigenen Sprachen und Dialekte zu lernen, zu verwenden und zu unterrichten (USDOS 23.4.2024). Trotzdem erleben Vertreter ethnischer Minderheiten verschiedene Formen von Diskriminierung (FH 2024; vergleiche USDOS 23.4.2024), einschließlich Einschränkungen bei der Verwendung ihrer Sprachen. Vertreter nicht-persischer ethnischer Minderheiten und insbesondere nicht-schiitischer religiöser Minderheiten erhalten nur selten höhere Regierungsposten, und ihre politische Vertretung ist nach wie vor schwach (FH 2024). Persisch ist die vorherrschende Sprache im Land, und das Sprechen anderer Sprachen ist in Schulen, Medien und im öffentlichen Leben verboten oder stark eingeschränkt, auch wenn es Bemühungen gab, um die sprachliche und kulturelle Diversität in Iran beispielsweise durch die Einführung einiger Kurse für Minderheitensprachen an Schulen und Universitäten zu fördern (TGP 21.2.2023). Nach dem iranischen Personenstandsgesetz können die Behörden zudem die Registrierung von Namen ablehnen, wobei die Entscheidung, ob ein Name zulässig ist oder nicht, häufig im Ermessen der örtlichen Behörden liegt. Das Gesetz wurde jedoch systematisch dazu benutzt, um ethnischen und religiösen Minderheiten die Wahl des Namens für ihre Kinder zu verweigern (Jadaliyya 1.11.2022; vergleiche VOA 19.5.2022). Viele Iraner haben daher zwei Namen - einen, der in juristischen Dokumenten verwendet wird, und einen anderen für Familie und Freunde (VOA 19.5.2022).
Bei der Behandlung gibt es auch Unterschiede zwischen den ethnischen Gruppen: Aserbaidschaner sind beispielsweise seit Jahrhunderten eine Säule der iranischen Verwaltung und in jüngerer Vergangenheit haben Mitglieder der Gemeinde wichtige Machtpositionen ausgefüllt, indem sie beim Militär und bei den Revolutionsgarden dienten (MEI 27.2.2024; vergleiche USDOS 23.4.2024). Jedoch berichteten auch Aserbaidschaner von Übergriffen auf Aktivisten und die Verweigerung von turksprachigen Namen für Kinder (USDOS 23.4.2024).
Von Minderheiten bevölkerte Regionen wie Khuzestan, Kurdistan und Sistan-Baluchestan bleiben wirtschaftlich unterentwickelt (MRG 24.11.2022). Sie wurden seit Jahrzehnten bei staatlichen Investitionen, der Entwicklung der Infrastruktur und bezüglich Beschäftigungsmöglichkeiten vernachlässigt (AGSIW 14.10.2022; vergleiche AA 30.11.2022). Im Vergleich zum persisch dominierten Zentrum sind sie mit großen Schwierigkeiten konfrontiert, darunter Armut, schlechter Zugang zu staatlichen Dienstleistungen, Umweltzerstörung und Wasserknappheit (FP 19.10.2022). Ethnische Minderheiten, insbesondere Ahwazis, Aseris und Luren, beschwerten sich regelmäßig darüber, dass die Regierung natürliche Ressourcen, vor allem Wasser, aus den von Minderheiten bewohnten Regionen abzweigt und damit Misswirtschaft betreibt, was zu Umweltzerstörung und einer weiteren Marginalisierung dieser Gruppen führt (USDOS 23.4.2024).
Die Anzahl an Inhaftierungen (FP 19.10.2022) und Hinrichtungen ist in Regionen mit hohem Bevölkerungsanteil von ethnischen Minderheiten vergleichsweise hoch (IHRNGO 5.3.2024), wobei in diesem Zusammenhang insbesondere die ethnischen Gruppen der Belutschen und Kurden genannt werden (AI 4.4.2024; vergleiche IHRNGO 5.3.2024). Auch die Mehrheit der 2023 wegen ihrer politischen Zugehörigkeit Hingerichteten gehörte einer ethnischen Minderheit an, wobei Kurden hierbei die größte Gruppe darstellen, gefolgt von Belutschen und Arabern. Laut der NGO Iran Human Rights (IHRNGO) könnte eine Erklärung dafür sein, dass die Behörden mehr Gewalt anwenden, um Angst zu schüren, weil der Widerstand in der Bevölkerung in diesen Regionen größer ist. Während der landesweiten Proteste nach der Ermordung von Jina (Mahsa) Amini waren die kurdischen Regionen und Belutschistan die Gebiete mit den am längsten anhaltenden Protesten (IHRNGO 5.3.2024). Die Sicherheitskräfte setzten bei der Protestniederschlagung in den Regionen mit Minderheitenbevölkerung besonders brutale und militarisierte Gewalt ein, was zu einer höheren Zahl von Todesopfern führte (UNHRC 19.3.2024). Fast die Hälfte aller auf der Straße getöteten Demonstranten stammte aus Belutschistan, Kurdistan und anderen kurdischen Städten in anderen Provinzen (IHRNGO 5.3.2024; vergleiche UNHRC 7.2.2023). Die Behörden betreiben gezielte Propaganda, bei der sie ihre Kritiker in Regionen mit ethnischen Minderheiten als Separatisten bezeichnen, und die Präsenz bewaffneter Gruppen in diesen Regionen macht es den Behörden leichter, Todesurteile unter dem Vorwand der Bekämpfung von Terrorismus und Separatismus zu rechtfertigen. IHRNGO geht außerdem davon aus, dass die lokalen Justizbehörden in Gebieten mit schwierigen sozioökonomischen Bedingungen - wie in den von ethnischen Minderheiten bewohnten Provinzen Kurdistan, West-Aserbaidschan, Ost-Aserbaidschan und Sistan und Belutschistan - gesetzloser und willkürlicher vorgehen als anderswo (IHRNGO 5.3.2024).
Ahwazi-Araber, Belutschen und Kurden waren 2023 auch überproportional von heimlichen Hinrichtungen betroffen (AI 4.4.2024). Grenzüberschreitende Schmuggler, die in Kurdistan als Kolbars und in Belutschistan als Sookhtbars bekannt sind, werden seit Jahrzehnten außergerichtlich hingerichtet, wobei in diesem Zusammenhang auf die beschränkten Verdienstmöglichkeiten bzw. Armut in den von ihnen bewohnten Gebieten verwiesen wird (NLM 8.11.2022; vergleiche IRINTL 24.3.2024).
Sowohl vor als auch nach der Revolution rechtfertigten iranische Regierungen die "Politik der eisernen Faust" in den Randgebieten des Landes als Mittel zur Wahrung der territorialen Integrität Irans (Stimson 27.2.2023; vergleiche BPB 13.1.2020). Das Regime verfolgt (vermeintlich und tatsächlich) militante, separatistische Gruppierungen. Jedoch werden auch Personen, die sich für den Erhalt der sprachlichen oder kulturellen Identität einsetzen, oft als Separatisten verfolgt und teils zu langen Haftstrafen verurteilt (AA 30.11.2022). Einer Minderheit angehörende Aktivisten werden regelmäßig verhaftet und aufgrund willkürlicher Anschuldigungen zur Wahrung der nationalen Sicherheit in Prozessen verfolgt, die in keiner Weise internationalen Standards entsprechen (HRW 11.1.2024a). Das Regime versuchte, die Forderungen nicht-persischer ethnischer Gruppen im Rahmen der Proteste ab September 2022 als Separatismus zu delegitimieren (BS 19.3.2024; vergleiche NLM 8.11.2022), während Experten eine noch nie da gewesene Solidarität zwischen den persischen und nicht-persischen Gemeinschaften des Landes sahen (NLM 8.11.2022; vergleiche Stimson 27.2.2023, BS 19.3.2024).
Anmerkung, Informationen zur Protestwelle ab September 2022 können insb. auch dem Kapitel Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition entnommen werden.
Quellen
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BPB - Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (13.1.2020): Vielvölkerstaat Iran: Das Misstrauen der Regierung, https://www.bpb.de/themen/naher-mittlerer-osten/iran/303146/vielvoelkerstaat-iran-das-misstrauen-der-regierung/, Zugriff 14.3.2023
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9. Relevante Bevölkerungsgruppen
a. Frauen
Letzte Änderung 2024-06-26 16:07
Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie hinsichtlich der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis inzwischen verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen - v. a. in den abgelegeneren - Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Insbesondere junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten (GIZ 12.2020b).
Bei den landesweiten Protesten ab September 2022 spielten Frauen und Mädchen eine zentrale Rolle (AI 27.3.2023). Amini war kurz vor ihrem Tod von der Sittenpolizei wegen angeblicher Verstöße gegen die Bekleidungsvorschriften für Frauen verhaftet und laut Augenzeugenberichten geschlagen worden (BBC 16.9.2022). Den Protesten unter der weitverbreiteten Parole: "Frau, Leben, Freiheit" (in kurdischer Sprache: "Jin, Jîyan, Azadî") (NatGeo 17.10.2022), die im Wesentlichen von Frauen gestartet wurden (EN 1.2.2023), schlossen sich Iraner und Iranerinnen aller Altersgruppen und Ethnien an, wobei sie v. a. von den jüngeren Generationen auf die Straße getragen wurden (NatGeo 17.10.2022). Viele Gegnerinnen der Regierung drücken ihren Protest auch durch zivilen Ungehorsam aus, etwa indem sie den Kopftuchzwang ignorieren (Spiegel 19.1.2023). Die Behörden verhafteten im Rahmen der Massenproteste Tausende von Menschen, darunter Prominente, Menschenrechtsaktivisten und andere, die ihre Unterstützung für die Bewegung durch Beiträge in den sozialen Medien oder durch die öffentliche Missachtung der Hijab-Pflicht, die zu Mahsa Aminis Verhaftung und Tod geführt hatte, zum Ausdruck brachten (FH 2024). 2023 haben die Behörden ihre Bemühungen zur Durchsetzung der Hijab-Pflicht wieder intensiviert (HRW 11.1.2024a).
Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen also vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden (AA 30.11.2022). Frauen haben das aktive Wahlrecht (USDOS 23.4.2024), sind jedoch von einigen staatlichen Funktionen (u. a. Richteramt, Staatspräsident) gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen (AA 30.11.2022; vergleiche USDOS 23.4.2024) und in der Politik unterrepräsentiert (FH 2024).
Iran hat die "Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau" (CEDAW) als einer von wenigen Staaten weltweit nicht unterzeichnet (FNS 8.12.2022; vergleiche UNHRC o.D.) und der iranische Bildungsminister hat beispielsweise die Agenda 2030 für Bildung der UNESCO, die sich gegen Geschlechterdiskriminierung im Bildungswesen einsetzt, als der iranischen Kultur widersprechend bezeichnet (IRINTL 5.5.2024).
Rechtliche Stellung von Frauen
Die iranische Verfassung schreibt eine "Gleichberechtigung aller vor dem Gesetz" vor, allerdings steht diese zugleich unter dem Vorbehalt der Ziele der Islamischen Republik, die nur unter "Beachtung der islamischen Normen" erreicht werden können. Da alle einfachgesetzlichen Normen mit der Scharia vereinbar sein müssen und in Iran einer traditionellen Rechtsauslegung der Scharia gefolgt wird, kommt es v. a. in den Bereichen zum Ehe- und Scheidungsrecht, dem Sorgerecht und bei Erbschaftsangelegenheiten zu erheblichen Benachteiligungen für Frauen (BAMF 1.2023). Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-) Frau als dem (Ehe-) Mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 30.11.2022; vergleiche AI 24.4.2024, HRW 11.1.2024a, BAMF 1.2023).
Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vormundes) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen [Anm.: s. Kap. Bewegungsfreiheit für weitere Informationen.] (HRW 11.1.2024a; vergleiche BAMF 1.2023). Nach dem Gesetzbuch für Zivilrecht hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 11.1.2024a). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Mädchen bereits mit neun Jahren strafmündig (Buben mit 15 Jahren) (AA 30.11.2022; vergleiche ÖB Teheran 11.2021). Zeugenaussagen von Frauen werden nur zur Hälfte gewichtet (AA 30.11.2022; vergleiche FH 2024), und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (FH 2024; vergleiche ÖB Teheran 11.2021). Selbst Kfz-Versicherungen zahlen bei Personenschäden von Frauen nur die Hälfte. Auch erben Frauen nur die Hälfte des Erbanteils von Männern (ÖB Teheran 11.2021).
Kleidungsvorschriften und kulturelle Teilhabe
Dem Gesetz nach müssen alle Frauen in Iran ab einem Alter von neun Jahren die islamischen Bekleidungsvorschriften in der Öffentlichkeit einhalten (BAMF 7.2020). Artikel 638 des iranischen Strafgesetzbuchs (IStGB) stellt die Missachtung der Hijab-Regeln und die Verletzung der Geschlechtertrennung als sündige oder unanständige öffentliche Handlungen unter Strafe und ist ein Eckpfeiler der geschlechtsspezifischen, systematischen Unterdrückung (JS 11.4.2024). Frauen, die in der Öffentlichkeit ohne "angemessene Kleidung", wie z. B. einen Stoffschal über dem Kopf (Hijab) und einem Kurzmantel (Manteau), oder einen Tschador [bodenlanger Umhang, der nur das Gesicht freilässt] auftreten, können zu Auspeitschung oder einem Bußgeld verurteilt werden (USDOS 23.4.2024), Artikel 638, IStGB sieht auch Haftstrafen zwischen zehn Tagen und zwei Monaten vor (IStGB 15.7.2013). Für Männer gibt es keine entsprechenden Bestimmungen im Strafgesetzbuch (USDOS 23.4.2024). Diese und andere Vorschriften ermächtigen verschiedene Stellen am Arbeitsplatz, im Bildungs- und Gesundheitswesen und in kulturellen Einrichtungen, ein breites Spektrum an Disziplinarmaßnahmen und Einschränkungen gegen Frauen zu verhängen, die sich nicht an die Hijab-Pflicht und die Vorschriften zur Geschlechtertrennung halten (JS 11.4.2024).
Im Juni 2023 hat das Parlament das sogenannte "Hijab- und Keuschheitsgesetz" beschlossen (IRINTL 12.5.2024), das bislang allerdings nicht offiziell in Kraft getreten ist (Standard 13.4.2024), da es vom Wächterrat mehrfach an das Parlament zurückverwiesen wurde (IrWire 13.3.2024). Der Gesetzentwurf sieht eine Verschärfung der Strafen für Frauen vor, die sich in der Öffentlichkeit nicht an die Bekleidungsvorschriften halten (JS 11.4.2024; vergleiche IrWire 13.3.2024). In Extremfällen können sogar bis zu 15 Jahre Haft und umgerechnet mehr als 5.000 Euro Strafe verhängt werden. Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, sollen auch mit Berufsverboten von bis zu 15 Jahren belegt werden können, und die Justiz soll die Befugnis erhalten, ein Zehntel ihres Vermögens zu beschlagnahmen (taz 20.9.2023). Unter Strafe gestellt werden auch Handlungen wie das Veröffentlichen unverhüllter Fotos in sozialen Medien, Proteste gegen Hijab-Vorschriften oder die Zusammenarbeit mit ausländischen Medien und Regierungen gegen die Hijab-Pflicht. Geschäftsinhabern drohen Geldstrafen, Schließung und Lizenzentzug (JS 11.4.2024). Der Gesetzesentwurf sieht auch eine Verschärfung der Überwachungsmaßnahmen zur Einhaltung der Hijab-Gesetzgebung vor, unter anderem mittels Überwachungskameras und Gesichtserkennungssoftware (IRINTL 27.5.2024), sowie die Bereitstellung von umfangreichen Haushaltsmitteln für die Einrichtung einer zentralen Stelle im Innenministerium, an die Ministerien, Staatsorgane und Strafverfolgungsbehörden ihre Einhaltung der Hijab- und Keuschheitsvorschriften melden müssen. Obwohl das Gesetz offiziell noch nicht in Kraft getreten ist, werden viele dieser Maßnahmen schon umgesetzt (JS 11.4.2024).
Amnesty International dokumentierte beispielsweise Konfiskationen von Autos wegen angeblicher Hijab-Verstöße durch Frauen, wie auch Zugangsverweigerungen zu öffentlichen Verkehrsmitteln, wobei manche Frauen Textnachrichten erhielten und strafrechtlich verfolgt wurden, da sie von Überwachungskameras ohne Hijab bzw. in nicht konformer Kleidung gefilmt worden waren. Manche Frauen wurden nur verwarnt, andere zur Teilnahme an einem "Sittenunterricht" verpflichtet. Eine Betroffene berichtete von der Konfiskation ihres Laptops und strafrechtlicher Verfolgung aufgrund von in den sozialen Medien veröffentlichten Bildern (AI 6.3.2024). Um die Zahl der Strafverfahren zu verringern, kommen Frauen bei Verstößen in vielen Fällen mit einer Verwarnung davon (DIS 3.2023). Auch wenn es in der Regel nur zu Verwarnungen kommt, ist die sogenannte Sittenpolizei in Iran jedoch gefürchtet. Bei Kontrollen soll sie regelmäßig Gewalt anwenden (AA 30.11.2022). Es wird von Fällen berichtet, bei denen Frauen von "Hijab-Durchsetzern" oder Polizeikräften verprügelt wurden (IrWire 16.5.2024). Weiters kommt es zu Schließungen von Cafés, Restaurants und Geschäften, die Frauen ohne Hijab bedient haben (IrWire 16.5.2024; vergleiche NYT 5.5.2023). Einige Besitzer verweigern die Bedienung von Frauen mit losem Kopftuch aufgrund des Drucks der Sicherheitsbehörden daher. Die Politik der Islamischen Republik zielt darauf ab, Frauen die Präsenz im städtischen Raum zu verweigern (IrWire 16.5.2024). Im April 2024 kündigten die Sicherheitsbehörden die "Operation Nour" ("Licht") an, in deren Rahmen Frauen verstärkt wegen Hijab-Verstößen verhaftet werden. Berichten zufolge haben die Behörden Hunderte von Einrichtungen geschlossen, weil sie die Hijab-Pflicht nicht durchgesetzt haben (UANI o.D.; vergleiche IrWire 16.5.2024). Frauen, die sich an Online- und Offline-Kampagnen gegen die Hijabpflicht beteiligt haben, wurden auch wegen Sicherheitsdelikten angeklagt, da sie den Hijab in der Öffentlichkeit nicht korrekt getragen hatten (DIS 3.2023).
Gleichwohl ignorieren viele Frauen, v. a. in den Städten, trotz etwaiger Gegenmaßnahmen weiterhin die Einhaltung der Kopftuchpflicht (BAMF 4.12.2023; vergleiche IRINTL 12.5.2024). Seit Mai 2023 entwickelten sich beispielsweise die U-Bahnstationen in Teheran zu Kampffeldern zwischen Gegnerinnen und Befürwortern des verpflichtenden Hijabs. Frauen, die grüne Schulterschärpen mit der Aufschrift "Orientierungsbotschafterinnen" tragen, halten dort Frauen an, die kein Kopftuch tragen, und ermahnen sie zur Einhaltung der Hijab-Pflicht (IRINTL 25.11.2023), wobei sich manche der Frauen über eine harte Behandlung durch diese "Botschafterinnen" beschwerten (IrWire 23.11.2023). Die Behörden sind noch mehr in Alarmbereitschaft, seit eine 17-Jährige [lt. manchen Quellen auch 16-Jährige] im Oktober nach einer Konfrontation mit der Sittenpolizei in der Teheraner U-Bahn gestorben ist (RFE/RL 6.11.2023). Laut Zeugenaussagen war die junge Frau, die kein Kopftuch trug, von einer Hijab-Vollstreckerin gestoßen worden, sodass sie mit dem Kopf auf einen Metallgegenstand fiel. Sie verlor daraufhin das Bewusstsein und verstarb nach einigen Wochen im Koma (TIME 28.10.2023; vergleiche RFE/RL 6.11.2023).
Laut offiziellen Statistiken sind rund 70 % der iranischen Bevölkerung gegen den verpflichtenden Hijab (BAMF 1.2023).
Zahlreiche Beschränkungen zielen auf Frauen in Sport und Kultur ab (Verbot des Singens außer im Chor, Verbot des Tanzens, Verbot des Zugangs zu Fußballstadien, etc.) (ÖB Teheran 11.2021). Frauen ist es untersagt, in der Öffentlichkeit allein zu singen. Tanzen in der Öffentlichkeit ist nicht ausdrücklich verboten, doch können Personen strafrechtlich verfolgt werden, wenn die Behörden ihre Handlungen für unanständig oder unmoralisch halten. Es gab mehrere Berichte über Mädchen, die 2023 verhaftet wurden, nachdem sie Videos von sich beim Tanzen ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit veröffentlicht hatten. In vielen Fällen wurde Frauen der Besuch von Sportveranstaltungen untersagt, obwohl Frauen an nach Geschlechtern getrennten Sportarten teilnehmen dürfen (USDOS 23.4.2024). Seit 1979 wird Frauen der Zutritt zu großen Fußballstadien verwehrt. Auf Druck der FIFA und anderer Organisationen durften Frauen in den letzten Jahren bei einer Handvoll nationaler Spiele anwesend sein. Im August 2022 durften sie zum ersten Mal ein Ligaspiel besuchen (AJ 25.8.2022). Im Mai 2024 wurde wieder von Zutrittsverboten von Frauen zu einem Stadion berichtet (IrWire 16.5.2024). Im Februar 2024 wurde beispielsweise von einem in der Provinz Khorasan Razavi erlassenen Verbot berichtet, das die Sportausübung von Frauen in Parks einschränkt (IrWire 6.2.2024).
Wirtschaftliche Teilhabe
Mehr als die Hälfte der Universitätsabsolventen sind Frauen, die Arbeitslosenrate von Frauen ist jedoch doppelt so hoch wie jene der Männer (FA 2.2.2023). Nur etwa 14 % aller Frauen über 15 Jahren sind in Iran laut den aktuellsten Daten (2023) berufstätig (WB 6.2.2024a), während es unter den Männern geschätzte 71 % sind (WB 6.2.2024b). Die Arbeitslosenrate von Frauen ist doppelt so hoch wie jene von Männern (USDOS 23.4.2024). Frauen sehen sich am Arbeitsmarkt im Hinblick auf Beschäftigungschancen und gleiche Bezahlung mit Diskriminierung konfrontiert. Außerdem dürfen sie bestimmte Berufe nicht ausüben (z. B. das Richteramt) (BS 19.3.2024). Die ultrakonservative Regierung wird die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt nicht vorantreiben, weil sie die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie stärken und die Geburtenrate erhöhen will (AA 30.11.2022). Der Zugang zum Arbeitsmarkt und die beruflichen Möglichkeiten für Frauen sind durch soziale und rechtliche Regelungen eingeschränkt, mit dem Ziel der Beschränkung von Frauen auf deren Rolle als Mutter und Ehefrau. Oftmals wird von Frauen das Einverständnis des Ehemannes oder Vaters verlangt, um eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können. Gesetzlich kann ein Ehemann seiner Ehefrau jederzeit verbieten, arbeiten zu gehen. Stellenausschreibungen werden oft geschlechtsspezifisch nur für Männer ausgeschrieben. Regelmäßig werden Frauen nach Rückkehr aus der neunmonatigen Karenz gekündigt. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern den gewerkschaftlichen Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen. Konservative Politiker haben in der Vergangenheit mehrmals versucht, die Erwerbstätigkeit von Frauen weiter einzuschränken oder in manchen Sektoren zu verbieten (ÖB Teheran 11.2021).
Zugang zum Bildungswesen
Obwohl der Grundschulbesuch bis zum Alter von elf Jahren für alle kostenlos und verpflichtend ist, berichten Medien und andere Quellen über eine geringere Einschulung in ländlichen Gebieten, insbesondere bei Mädchen. Sie können von der Schulpflicht ausgenommen werden, wenn sie verheiratet sind (USDOS 23.4.2024). Auf der einen Seite gibt es an den Schulen eine institutionalisierte Ungleichheit der Geschlechter, welche die Qualität der Bildung, die Frauen erhalten, aktiv beeinträchtigt. Alle Schulen sind nach Geschlechtern getrennt, sowohl in Bezug auf Schüler als auch auf Lehrer. Es ist bekannt, dass iranische Schulbücher Bilder und Schriften enthalten, die Frauen zugunsten von Männern diskriminieren. Ferner wird berichtet, dass dreimal so viele Mädchen im schulpflichtigen Alter keine Bildung erhalten wie Buben (BAMF 7.2020; vergleiche AIC 12.7.2022). Im November 2023 kündigte der iranische Bildungsminister Pläne für eine grundlegende Umgestaltung des iranischen Bildungssystems mit der Einführung geschlechtsspezifischer Lehrbücher für männliche und weibliche Schüler an (RFE/RL 13.11.2023; vergleiche IRINTL 5.5.2024). Andererseits hat Iran immense Fortschritte in den Bereichen Alphabetisierung von Frauen, Grundschulbildung und Hochschulbildung gemacht. Am bemerkenswertesten ist die weibliche Dominanz in der tertiären Bildung (AIC 12.7.2022). Im regionalen Vergleich bietet das iranische Bildungssystem daher etwas mehr Möglichkeiten für Frauen (BS 19.3.2024). Fast 60 % der Studenten sind weiblich (TEHT 27.6.2023; vergleiche SRF 22.10.2022), wobei es für Frauen Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Studienfächern gibt (Zeit Online 10.3.2023). Universitäten bieten mehrheitlich den gemeinsamen Zugang für Männer sowie Frauen an. Es gibt jedoch einige Universitäten in Iran, die lediglich für Männer oder Frauen zugänglich sind (BAMF 7.2020). Im Oktober 2023 wurde von Studentenprotesten an der Technischen Universität (Sharif) gegen Maßnahmen zur Geschlechtertrennung in einzelnen Fakultäten und universitären Einrichtungen berichtet. Zu Beginn des laufenden akademischen Jahres sind im Zuge vermehrter Kontrollen der Einhaltung islamischer Bekleidungsvorschriften auch Maßnahmen zur Geschlechtertrennung im akademischen Umfeld verstärkt worden (BAMF 16.10.2023).
Massenvergiftungsfälle an Mädchenschulen
Vor allem zwischen November 2022 und April 2023 wurde von Fällen von Massenvergiftungen, vorwiegend an Mädchenschulen, berichtet (IRINTL 7.10.2023). Im Herbst 2023 wurden weitere Fälle in mehreren Städten bekannt (IRINTL 4.11.2023; vergleiche IRINTL 7.10.2023). Nach Regierungsangaben wurden von November 2022 bis November 2023 insgesamt rund 13.000 Mädchen mit Symptomen von Gasvergiftungen medizinisch behandelt (IRINTL 4.11.2023). Es kam zu mindestens einem Todesopfer (IRINTL 7.10.2023). Der Ausbruch an Mädchenschulen, der erstmals in der heiligen Stadt Ghom gemeldet wurde, löste erneute Proteste gegen die Regierung aus (USIP 16.3.2023). Auch aufgrund der Proteste von Eltern haben die Behörden inzwischen eingeräumt, dass es sich um vorsätzliche Vergiftungen handeln könnte (Zeit Online 10.3.2023; vergleiche USIP 16.3.2023). Über die Täter und Motive gibt es nur Spekulationen (Zeit Online 10.3.2023; vergleiche IRINTL 4.11.2023). Die Beispiellosigkeit dieser Ereignisse und ihre zeitliche Nähe zu den landesweiten Protesten, an denen sich Schülerinnen aktiv beteiligten, ließen viele Medien, Nichtregierungsorganisationen und andere zu dem Schluss kommen, dass die Vergiftungen in den Schulen darauf abzielten, den Widerstand zu unterdrücken und den Mädchen und ihren Familien, Angst einzujagen bzw. sie für ihre Beteiligung an der Protestbewegung zu bestrafen (UNHRC 19.3.2024).
Reproduktive Rechte
Nach dem Ende des iranisch-irakischen Krieges (1980-1988), in dem die Familien ermutigt wurden, mehr Kinder zu bekommen, befürchtete die iranische Führung, dass das Bevölkerungswachstum des Landes die Ressourcen übersteigen könnte. Daher begann sie mit der Umsetzung landesweiter Familienplanungsprogramme. Unter der Leitung des damaligen Obersten Führers Ruhollah Khomeini ermutigte die Regierung Familien, nur ein oder zwei Kinder zu haben, riet von Schwangerschaften bei Minderjährigen ab, stellte kostenlos Kondome zur Verfügung und subventionierte Vasektomien, neben anderen Initiativen. Selbst in ländlichen Gebieten hatten Frauen und Schwangere im Allgemeinen verlässlichen Zugang zu Gesundheitsuntersuchungen in Kliniken und anderen Diensten zur Familienplanung (WP 1.12.2021). In einer Zeit des Bevölkerungsrückgangs scheint sich das Kalkül verschoben zu haben (WP 1.12.2021; vergleiche BNE 17.5.2024). Am 1.11.2021 wurde ein neues Gesetz zur "Verjüngung der Gesellschaft und zum Schutz der Familie" verabschiedet, das von neun UN-Sonderberichterstattern und Menschenrechtsmechanismen als menschenrechtswidrig bezeichnet worden ist (ÖB Teheran 11.2021). Das Gesetz weist die Behörden an, dem Bevölkerungswachstum Priorität einzuräumen. Diese Politik umfasst Maßnahmen wie das Verbot der freiwilligen Sterilisation und das Verbot der kostenlosen Verteilung von Verhütungsmitteln durch das öffentliche Gesundheitssystem. Das Gesetz sieht auch vor, dass Inhalte über Familienplanung in Universitätslehrbüchern durch Materialien über eine "islamisch-iranische Lebensweise" ersetzt werden sollten (USDOS 23.4.2024). Legale Abtreibungen können nur mehr mit offizieller Erlaubnis durchgeführt werden. Trotz drohender Strafen werden illegale Abtreibungen im Untergrund durchgeführt, und der Staat tut sich schwer, das Gesetz durchzusetzen. Verschiedene offizielle Schätzungen beziffern die Anzahl der durchgeführten Abtreibungen in Iran auf jährlich 250.000 bis 650.000 Fälle (IRINTL 13.3.2024b).
Der Staat gewährt Opfern von sexueller Gewalt keinen Zugang zu Diensten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Notfallverhütung und Postexpositionsprophylaxe [Anm.: zur Ansteckungsvermeidung von sexuell übertragbaren Krankheiten] sind nicht routinemäßig als Teil der klinischen Behandlung von Vergewaltigungen verfügbar. Gemäß dem Menschenrechtsbericht des US-amerikanischen Außenministeriums gibt es keine Berichte über Zwangsabtreibungen, es existieren jedoch vereinzelte Berichte über unfreiwillige Sterilisationen seitens der Behörden. Die Menschenrechtsorganisation Haalvash berichtete beispielsweise über Fälle von Frauen in der Provinz Sistan und Belutschistan, denen nach einer Geburt ohne ihre Zustimmung die Gebärmutter entfernt wurde (USDOS 23.4.2024).
Schutz vor Gewalt
Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen (AA 30.11.2022). Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Gesetze zur Verhinderung und Bestrafung geschlechtsspezifischer Gewalt existieren nicht (AA 30.11.2022; vergleiche MRAI 19.6.2023) und häusliche Gewalt ist gesetzlich nicht verboten. Die Behörden betrachteten den Missbrauch in der Ehe und innerhalb der Familie als Privatsache und sprachen nur selten öffentlich darüber (USDOS 23.4.2024). Im April 2023 billigte das Parlament die Grundsätze eines Gesetzesentwurfs mit dem Titel "Verteidigung der Würde und Schutz von Frauen vor Gewalt", der bereits seit über einem Jahrzehnt vorlag. Einige der Bestimmungen wurden zur weiteren Prüfung an die zuständigen Parlamentsausschüsse verwiesen. Der Text wurde jedoch abgeschwächt, um den Begriff "Gewalt" streichen zu können. Das geänderte Gesetz definiert weder häusliche Gewalt als eigenständigen Straftatbestand, noch stellt es Kinderehen oder Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe. Auch gewährleistet es nicht, dass Männer, die ihre Frauen oder Töchter ermorden, angemessen bestraft werden (AI 24.4.2024). Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht (ÖB Teheran 11.2021).
Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe. Das Gesetz betrachtet Geschlechtsverkehr innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat. Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie staatliche Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (USDOS 23.4.2024). Eine ehemals in Iran tätige Rechtsanwältin mit umfangreichem Erfahrungsschatz in diesem Bereich gab an, dass sie ihren Klientinnen bei sexuellen Übergriffen oder Vergewaltigung nie dazu riet, diese anzuzeigen, da sie dann Gefahr laufen, außerehelicher Beziehungen beschuldigt zu werden. Hinzu kommt, dass der Zugang zu Rechtsberatung oftmals eingeschränkt ist und Rechtsanwälte teuer sind. Während sich Personen in Strafrechtssachen zwar an die Rechtsanwaltsvereinigung wenden können, ist die Qualität der vom Staat gestellten Pflichtverteidiger im Allgemeinen eher schlecht. Sie sind unterbezahlt und ihnen fehlt in derartigen Fällen oftmals die Expertise. Dies hat zu einer Vielzahl an Problemen bei Steinigungs- und Selbstverteidigungsfällen von Frauen geführt (MRAI 19.6.2023).
Ehrenmorde
Unter Ehrenmord (qatl-e namusi) wird ein Mord verstanden, der innerhalb einer Familie, von einem Vater, einem Ehemann oder einem sonstigen männlichen Verwandten begangen wird, um ein Familienmitglied (in der Regel Frauen und Mädchen) zu bestrafen, das den Ruf und die Ehre der Familie beschädigt hat. Typische Ursachen für die Beschädigung der Familienehre sind vor- oder außerehelicher Geschlechtsverkehr, Vergewaltigung, Widerstand gegen eine Zwangsverheiratung und die Weigerung, eine arrangierte Ehe einzugehen (BAMF 1.2023). Ehrenmorde werden nach Angaben einer Frauenrechtlerin oftmals unter Zustimmung oder gar Unterstützung der Familie begangen. Familienmitglieder, die sich dagegen aussprechen, berichten später, unter Druck gesetzt worden zu sein, keine Anzeige zu erstatten oder mit den Medien zu reden (IRJ 18.5.2024). Ehrenmorde, die von einem Vater, Großvater oder einem männlichen Verwandten begangen werden, gehören nach Artikel 301, des Iranischen Strafgesetzbuchs (IStGB) 2013 nicht zu den Qisas-Strafen (Vergeltungsstrafrecht) [Anm.: s. Kap. "Rechtsschutz / Justizwesen" für Begriffserklärungen zu Hadd, Qisas, Ta'zir und Diyah]. Stattdessen sind hier die Zahlung eines Blutgelds [Diyah] sowie Ta'zir- bzw. Ermessensstrafen vorgesehen. Nur wenn nach Artikel 612, IStGB 1996 der Ehrenmord eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Gesellschaft darstellt, wird der Täter zu einer Freiheitsstrafe von drei bis zu zehn Jahren verurteilt. Nach Artikel 630, IStGB 1996 wird ein Ehemann nicht nach dem Vergeltungsstrafrecht (Qisas) bestraft, wenn er seine Ehefrau beim Ehebruch mit einem anderen Mann erwischt und tötet bzw. sich sicher ist, dass es sich um keine Vergewaltigung handelt. Auch entfällt in diesem Fall die Zahlung eines Blutgeldes (Diyah). Wird die Ehefrau von einem anderen Mann vergewaltigt (Ehebruch gegen den Willen der Ehefrau), kann der Ehemann nur den Täter straffrei töten (BAMF 1.2023).
Ehrenmorde sind v. a. in den ländlichen Gebieten verbreitet und richten sich meistens gegen Frauen und Mädchen. Größtenteils werden sie in den folgenden Provinzen verzeichnet: West-Aserbaidschan, Kurdistan, Kermanshah, Ilam, Lurestan und Khuzestan. Hier leben v. a. arabische, kurdische und lurische Bevölkerungsgruppen (BAMF 1.2023). Die genaue Zahl solcher Morde in Iran ist nicht bekannt und wird unter Verschluss gehalten (IRINTL 17.10.2023). Die Teheraner Tageszeitung Shargh berichtete Ende 2023, dass 2022 und 2023 offiziellen Angaben zufolge 165 Frauen in Iran sogenannten "Ehrenmorden" zum Opfer gefallen seien. In den ersten zwei Monaten des laufenden Jahres sollen weitere 27 Opfer dazugekommen sein. Frauenrechtlerinnen schätzen die Anzahl dieser Morde als wesentlich höher ein (IRJ 18.5.2024). Viele Fälle tauchen in den Statistiken auch als Selbstmord auf (IRJ 18.5.2024; vergleiche BAMF 1.2023).
Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)
Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) ist gesetzlich verboten (UNFPA 3.2024). Daten zur Verbreitung von FGM in Iran sind nur begrenzt verfügbar. Die Praxis kommt vor allem in den Provinzen Westaserbaidschan, Kurdistan, Kermanshah und Hormuzgan vor und wird insbesondere mit den Sorani sprechenden Shafi'i-Kurden in Verbindung gebracht (Ahmady 2022). UNFPA berichtet vereinzelt von Fällen von FGM innerhalb der sunnitischen Minderheit. Die iranische Mehrheitsgesellschaft lehnt FGM ab (AA 30.11.2022) und gemäß Daten aus dem Zeitraum 2009-2014 hat die Verbreitung von FGM auch in den vier genannten Provinzen abgenommen (Ahmady 2022).
Quellen
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b. Kinder
Letzte Änderung 2024-06-26 16:07
Iran hat das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit dem islamischen Recht) (CRC) und das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie (CRC-OP-SC) ratifziert (AA 28.1.2022; vergleiche UNHRC o.D.). Nach einer Häufung von sogenannten Ehrenmorden hat das Parlament 2020 ein Gesetz verabschiedet, das den Schutz von Kindern vor Gewalttaten auch durch Verwandte stärken soll (AA 30.11.2022). Das Gesetz "zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen" enthält neue Strafen für bestimmte Handlungen, welche die Sicherheit und das Wohlergehen eines Kindes beeinträchtigen, einschließlich körperlicher Schäden und der Verhinderung des Zugangs zu Bildung. Das Gesetz ermöglicht es den Behörden auch, Kinder in Situationen, die ihre Sicherheit ernsthaft gefährden, umzusiedeln. Das Gesetz geht jedoch nicht auf einige der schwerwiegendsten Bedrohungen für Kinder in Iran ein, wie Kinderehen oder die Verhängung der Todesstrafe (HRW 13.1.2021).
Mündigkeit und Behandlung im Strafwesen
Nach Anmerkung 1 zu Paragraph 1210, Zivilgesetzbuch (IZGB) beträgt das Volljährigkeitsalter für Knaben 15 Jahre, während die Volljährigkeit für Mädchen mit Vollendung des neunten Lebensjahres eintritt. Neben der Volljährigkeit gehört zur Geschäftsfähigkeit grundsätzlich auch die davon unabhängig zu beurteilende Reife. Gem. Paragraph 1208, IZGB ist diejenige Person unreif, deren Verfügungen über das eigene Vermögen oder die finanziellen Rechte unvernünftig sind. Nach dem zwischenzeitlich aufgehobenen Paragraph 1209, IZGB wurde bei Mädchen und Buben bis zum Ablauf des 18. Lebensjahrs die fehlende Reife vermutet. Obgleich die nötige Reife seit Aufhebung des Paragraph 1209, IZGB gesondert bestimmt werden muss, erfolgt in der Praxis keine gesonderte Feststellung. Vielmehr wird der aufgehobene Paragraph 1209, IZGB faktisch weiterhin angewendet. Die Unterscheidung in Anknüpfung an das Geschlecht in Bezug auf das Eintreten von Volljährigkeit findet sich ebenfalls im Strafgesetzbuch (IStGB) wieder. Demnach erreichen Mädchen mit neun und Knaben mit 15 Mondjahren die Strafmündigkeit (Artikel 147, IStGB) (BAMF 7.2020).
Im "Kapitel über die Strafen" des iranischen Strafgesetzbuches finden sich detaillierte Vorschriften, wie mit Jugendlichen umzugehen ist. Bei Straftaten, die mit Ta'zir-Strafen bedroht sind [Anm.: s. Kap. "Rechtsschutz / Justizwesen" für Begriffserklärungen zu Hadd, Qisas und Ta'zir], wird gegen Kinder und Jugendliche unter 15 Mondjahren eine Reihe von Erziehungsmaßnahmen verhängt, zwischen zwölf und 15 Jahren sind auch leichte Strafen möglich, wie die Ermahnung durch den Richter oder eine Selbstverpflichtung, keine Straftaten mehr zu begehen. Bei schweren und mittelschweren Straftaten ist die Unterbringung in einem Erziehungszentrum für drei Monate bis zu einem Jahr, unabhängig von den ebenso vorgesehenen milderen Strafen, möglich (Artikel 88, IStGB). Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren werden mit Unterbringung in einer Erziehungsanstalt bestraft, die bei schweren Straftaten bis zu fünf Jahren dauern kann. Bei mittelschweren und leichten Straftaten kann stattdessen eine Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit verhängt werden (Artikel 89, IStGB). Bei den Hadd- und Qisas-Delikten wird eine Person, welche die Strafmündigkeit erreicht hat, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, und das Wesen der Straftat und ihres Verbots nicht erfasst hat, oder an deren geistiger und seelischer Reife Zweifel bestehen, je nach den Umständen mit denselben Strafen wie bei Ta'zir-Delikten bestraft (Artikel 91, IStGB). Zur Feststellung derartiger Zweifel kann das Gericht das Gutachten eines Gerichtsmediziners einholen; es kann sich aber auch jedes anderen Mittels bedienen (gesetzliche Erläuterung zu Artikel 91, IStGB). Das bedeutet, dass es beispielsweise Verwandte, Nachbarn, Lehrer oder andere Personen aus dem nahen Umfeld befragen kann. Damit hat das Gericht aber einen so großen Spielraum, dass es die schweren Hadd- und Qisas-Strafen bei Personen unter 18 Jahren fast immer vermeiden kann (BAMF 7.2020). Verurteilte können für Verbrechen, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen haben, jedoch hingerichtet werden (FH 2024). Die Verhängung der Todesstrafe ist gegen männliche Jugendliche ab dem 15. Lebensjahr, für Mädchen ab dem neunten Lebensjahr möglich und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden (AA 30.11.2022). 2023 wurden mindestens zwei jugendliche Straftäter hingerichtet (IHRNGO 5.3.2024; vergleiche AI 4.4.2024). Diese Vorgehensweise widerspricht dem von Iran unterzeichneten Übereinkommen über die Rechte des Kindes (CRC) (UNHRC 7.2.2023; vergleiche IHRNGO 5.3.2024).
Strafverfahren von unter-18-Jährigen werden gemäß Artikel 304, der iranischen Strafprozessordnung vor einem Gericht für Kinder und Heranwachsende behandelt (BAMF 7.2020).
In Gefängnissen sind Erwachsene und Minderjährige oftmals nicht getrennt untergebracht (AA 30.11.2022; vergleiche ÖB Teheran 11.2021).
Heirat von Minderjährigen
Anmerkung, Die drei in der iranischen Verfassung anerkannten Buchreligionen Judentum, Christentum und Zoroastrismus genießen in Fragen des Ehe- und Familienrechts verfassungsrechtlich Autonomie (AA 30.11.2022) und dürfen somit ihr eigenes Personenstandsrecht anwenden, das allerdings der iranischen Gesetzgebung zur öffentlichen Ordnung entsprechen muss (McGlinn 2001). Auch Sunniten dürfen ihr eigenes Personenstandsrecht anwenden bzw. müssen in Personenstandsfragen sunnitische Gerichte anrufen (MRAI 19.6.2023). Bezüglich dieser Rechtsbereiche wird nachstehend vor allem auf die im Iranischen Zivilgesetzbuch (IZGB) geregelte Situation der schiitischen Mehrheitsgesellschaft sowie der nicht anerkannten Religionsgruppen, denen das Recht auf ein eigenes Ehe- und Familienrecht nicht zugesprochen wird, eingegangen.
Das gesetzliche Heiratsmindestalter in Iran beträgt 13 Jahre für Mädchen und 15 Jahre für Buben. Doch auch unterhalb dieser Altersgrenzen kann eine Ehe geschlossen werden, wenn es "im Interesse des Kindes" liegt und die Eltern und ein Gericht zustimmen (IRJ 18.5.2024; vergleiche USDOS 23.4.2024). Eltern dürfen ihre adoptierten Kinder heiraten, sofern ein Gericht zustimmt (AA 30.11.2022). Aus Sicht der vier sunnitischen Rechtsschulen, die gem. Artikel 12, der Verfassung hierzu eigene Personalstatuten haben, beträgt das Mindestheiratsalter bei Mädchen neun Jahre und bei Buben neun bis zwölf Jahre. Dies ist einer der Gründe, weshalb gerade in den von Sunniten besiedelten Gebieten, die als religiöse Minderheit in Iran gelten, Ehen von Mädchen im Kindesalter besonders häufig vorkommen. Obwohl es in den letzten Jahren vielfältige Reformvorhaben gegeben hat, die Gesetze zur Kinderehe in Iran zu ändern, scheiterten diese Vorhaben am Widerstand der konservativen Regierungsmitglieder (BAMF 1.2023). Laut Menschenrechtsgruppen hat ein staatliches "Heiratsdarlehen"-Programm vielmehr dazu beigetragen, dass die Anzahl der Kinderehen zwischen 2019 und 2022 angestiegen ist, da es arme Familien, die ihre Töchter verheiraten wollen, finanziell unterstützt (USDOS 23.4.2024).
Die meisten iranischen Frauen heiraten nicht vor ihren Zwanzigern, und das durchschnittliche Heiratsalter von Männern lag 2014 laut staatlichen iranischen Quellen bei 28 Jahren. Dennoch werden Hunderte Mädchen unter 13, oder sogar unter zehn Jahren, von ihren Familien zwangsverheiratet (USIP 4.8.2023). Zwischen 2017 und 2022 wurden rund 184.000 Ehen von Mädchen unter 15 Jahren registriert (IRINTL 24.12.2023). Zwangsverheiratungen von Minderjährigen kommen vor allem in ländlichen Gebieten vor. Dies betrifft meistens Mädchen und dient der finanziellen Entlastung der Familie (AA 30.11.2022). Kinderehen sind vor allem in den von ethnischen und religiösen Minderheiten bewohnten Randprovinzen stark verbreitet. So kommen diese besonders häufig in den sechs Provinzen Sistan und Belutschistan, Khuzestan, Khorasan Razavi, Golestan, Kerman und Ost-Aserbaidschan vor (BAMF 1.2023; vergleiche USDOS 20.3.2023). Ursache von Kinderehen sind konservative religiöse und kulturelle Hintergründe; die Angst um eine Verletzung der Familienehre durch vorehelichen Geschlechtsverkehr; Drogensucht; Landflucht; ein niedriger Bildungsstand (BAMF 1.2023) und Armut als ein Hauptgrund in benachteiligten Gebieten (IRINTL 24.12.2023; vergleiche BAMF 1.2023).
Das gesetzliche Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr ist das gleiche wie für die Ehe, da Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe illegal ist. Es gibt keine speziellen Gesetze zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern, da solche Straftaten entweder unter die Kategorie Kindesmissbrauch oder Sexualdelikte des Ehebruchs fallen. Das Gesetz geht nicht direkt auf sexuelle Belästigung ein und sieht auch keine Strafe dafür vor. Die Unklarheit zwischen den gesetzlichen Definitionen von Kindesmissbrauch und sexueller Belästigung kann dazu führen, dass Fälle von sexueller Belästigung von Kindern nach dem Gesetz über Ehebruch verfolgt werden. Zwar gibt es keine gesonderte Bestimmung für die Vergewaltigung eines Kindes, doch kann das Verbrechen der Vergewaltigung unabhängig vom Alter des Opfers mit dem Tod bestraft werden (USDOS 23.4.2024).
Bildungswesen
Anmerkung, s. Kap. Frauen für Informationen zum Zugang von Mädchen und jungen Frauen zum Bildungswesen, einschließlich Informationen zu Massenvergiftungsfällen an Mädchenschulen, die in zeitl. Nähe zur Protestwelle ab September 2022 stattfanden.
Iran ist ein Land, in dem die Bildung einen hohen Stellenwert genießt (BAMF 7.2020). Iranische Schulen bieten sowohl Männern als auch Frauen eine qualitativ hochwertige Ausbildung in Natur- und Geisteswissenschaften, die mit anderen Ländern in der Region vergleichbar ist. Das iranische Schulsystem kann in zwei Grundstufen unterteilt werden: Grund- und Sekundarschulbildung. Viele Familien entscheiden sich jedoch dafür, ihr Kind auch in der Vorschule anzumelden, wobei etwa 64 % der Kinder im Alter von fünf Jahren die Vorschule besuchen. In Iran umfasst die Grundschule eine sechsjährige Schulzeit, die bei den meisten Kindern im Alter von sechs Jahren beginnt. Die Grundschulbildung ist verpflichtend und kostenlos, weshalb 99,8 % der iranischen Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren in Grundschulen eingeschrieben sind. Nach Abschluss der Grundschule treten iranische Schüler in die Sekundarstufe ein, die in zwei Phasen unterteilt ist: Sekundarstufe römisch eins und Sekundarstufe römisch II. Die Sekundarstufe römisch II ist in drei Zweige unterteilt: einen akademischen, einen technischen und einen beruflichen. Ob Schüler den akademischen Zweig antreten können, wird durch ihre Prüfungsergebnisse am Ende des Sekundarstufe römisch eins bestimmt. Alle drei Zweige umfassen einen Zeitraum von drei Jahren mit Absolvierung eines der Bildungsgänge, die zum Erwerb der Hochschulreife führen. Darüber hinaus erhalten diejenigen Schüler und Schülerinnen, die entweder den technischen oder den beruflichen Weg absolvieren, ein "Technikerzertifikat". Um den tertiären, akademischen Bildungsweg fortzusetzen, muss eine nationale standardisierte Aufnahmeprüfung absolviert werden, der "Konkur". Nur rund 10 % der Prüfungsabsolventinnen und -absolventen bekommen einen Platz an einer öffentlichen Universität. Der tertiäre Bildungsweg bleibt in Iran jedoch sehr beliebt: Fast 60 % der Iraner im Alter von 18 bis 22 Jahren sind an einer postsekundären Bildungseinrichtung eingeschrieben. In Iran findet die Hochschulbildung in einer Kombination aus öffentlichen und privaten Einrichtungen statt. Öffentliche tertiäre Einrichtungen sind meist kostenfrei, während private Einrichtungen üblicherweise Studiengebühren verlangen (AIC 12.7.2022).
Kindern, die keinen staatlichen Identitätsnachweis besitzen, wird das Recht auf Bildung verweigert. Der Gebrauch von Minderheitensprachen als Unterrichtssprache an Schulen ist nicht erlaubt (USDOS 23.4.2024). Nach Angaben der iranischen Statistikbehörde waren rund 930.000 Kinder und Jugendliche im aktuellen Schuljahr gezwungen, ihre Ausbildung abzubrechen, was mit der steigenden Armut im Land in Verbindung gebracht wird. Die meisten der Betroffenen (rd. 550.000) waren zwischen 15 und 17 Jahre alt (RFE/RL 27.3.2024).
Auswirkungen der Protestwelle auf das Bildungswesen
Irans Schulen, insbesondere Mädchenschulen, wurden zu Brennpunkten der Unruhen, nachdem Mahsa Amini im September 2022 wegen eines Verstoßes gegen die Hijabpflicht in Polizeigewahrsam genommen wurde und kurz darauf verstarb (RFE/RL 13.11.2023). Im Zusammenhang mit den Protesten nach dem Tod von Mahsa (Jina) Amini wurden [bis November 2022] 23 staatliche Übergriffe auf höhere Schulen in Städten in ganz Iran dokumentiert, bei denen Milizangehörige in Zivil und Geheimdienstagenten Schüler verhörten, schlugen und durchsuchten oder Schulbehörden Schüler bedrohten oder angriffen (NYT 14.11.2022). Bei Razzien an Universitäten wurden zwischen September 2022 und Juni 2023 mindestens 720 Studenten verhaftet (FH 2024), auch wenn manche anschließend wieder freigelassen wurden (UNGA 6.10.2023). Die gewaltsame Niederschlagung der Proteste an den Universitäten wurde oftmals nicht direkt von der Polizei oder den Revolutionsgarden durchgeführt, sondern vom universitären Zweig der Basij-Miliz, der Student Basij Organisation (SBO) (NLM 20.4.2023).
Das Regime antwortete nicht nur mit Razzien an Schulen, sondern entließ und verhaftete unter anderem auch Lehrer. Der iranische Bildungsminister gab nach Beginn des akademischen Jahres 2023/2024 bekannt, dass fast 20.000 Schuldirektoren ausgetauscht worden seien, um an den Schulen "einen Wandel herbeizuführen" (RFE/RL 13.11.2023). Im Oktober 2023 wurde von staatlicher Seite mitgeteilt, dass an iranischen Schulen ein Mangel von mindestens 250.000 bis 300.000 Lehrkräften drohe, wobei die Anzahl in den verschiedenen Provinzen unterschiedlich hoch ausfalle (BAMF 13.11.2023). Im Rahmen von landesweit angelegten Umstrukturierungen des Hochschulsystems wurden ca. 32.000 außerordentliche Universitätslehrkräfte von ihren Positionen an Zweigstellen der Islamischen Azad-Universität ausgeschlossen. Die Universität mit Sitz in Teheran ist ein privates Universitätssystem, dessen Präsident direkt vom Revolutionsführer ernannt wird. Es verfügt über ein umfangreiches Netzwerk von Bildungseinrichtungen mit 367 Campusstandorten landesweit (BAMF 16.10.2023).
Behandlung von Jugendlichen im Zusammenhang mit den Protesten ab September 2022
Junge Menschen haben bei den Protesten ab September 2022 eine herausragende Rolle gespielt und waren von der anschließenden Niederschlagung betroffen (WP 1.12.2022b). Die Regierung hat auf die Proteste von Jugendlichen mit der gleichen Taktik reagiert, die sie gegen Erwachsene anwendet. Laut Menschenrechtsgruppen, Anwälten und Eltern wurden einige erschossen und zu Tode geprügelt (NYT 14.11.2022), andere wurden festgenommen und gemeinsam mit Erwachsenen inhaftiert, Minderjährige wurden verhört und bedroht (NYT 14.11.2022; vergleiche AI 12.2023). Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHRNGO) wurden in den ersten beiden Monaten der Proteste über 60 Minderjährige von Sicherheitskräften getötet (IHRNGO 27.12.2022), bis zum 20.2.2023 erhöhte sich ihre Zahl laut der Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) auf 71. 181 unter-18-Jährige wurden verhaftet (HRANA 21.2.2023; vergleiche DIS 3.2023). Die iranischen Behörden bestätigten die umfassende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an den Protesten, sowie ihre Überrepräsentation unter den Festgenommenen (UNHRC 7.2.2023; vergleiche AI 16.3.2023). Amnesty International dokumentierte Fälle von Minderjährigen, die im Zuge der Proteste festgenommen und in Haft gefoltert, vergewaltigt und sexuell missbraucht worden sind (AI 16.3.2023; vergleiche AI 12.2023). Von den sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen waren Buben wie auch Mädchen betroffen (AI 12.2023).
Kinderarbeit
Das iranische Recht verbietet Kinderarbeit bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres; bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gibt es diverse Einschränkungen (z. B. keine Schwer-/Nachtarbeit). In Familienbetrieben lässt das Gesetz allerdings die Beschäftigung von Kindern unter 15 Jahren zu. Der iranische Staat schätzt, dass zwei (AA 30.11.2022) bis drei Millionen Kinder arbeiten (USDOS 15.6.2023), nach inoffiziellen Schätzungen sind bis zu sieben Millionen Kinder betroffen (v. a. afghanische Geflüchtete) (AA 30.11.2022; vergleiche USDOS 15.6.2023). Afghanische Kinder, hauptsächlich Buben, werden gezwungen, als billige Arbeits- und Haushaltskräfte tätig zu sein, was oft mit schuldenbasiertem Zwang, Bewegungseinschränkungen, Nichtzahlung von Löhnen und körperlicher oder sexueller Misshandlung verbunden ist. Nach Angaben eines iranischen Regierungsvertreters aus dem Jahr 2021 dürfte die Anzahl der arbeitenden Kinder durch die COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen wirtschaftlichen Abschwung zugenommen haben (USDOS 15.6.2023). Nach offiziellen Statistiken leben über zwei Millionen Kinder in Iran auf der Straße. Viele von ihnen sind als Straßenverkäufer tätig. Politische Initiativen, Straßenkinder in ihre Familien zurückzubringen, verliefen nicht erfolgreich (AA 30.11.2022). Die Revolutionsgarden sollen Tausende von in Iran lebenden afghanischen Migranten mithilfe von Zwangstaktiken für den Kampf in Syrien rekrutiert haben (FH 2024; vergleiche USDOS 15.6.2023). Unter den Rekrutierten sollen sich Kinder im Alter von 14 Jahren befinden (FH 2024). Die Revolutionsgarden und die mit ihr verbundenen paramilitärischen Basij-Milizen setzten Kinder im Alter von zwölf bis 17 Jahren auch zur Aufstandsbekämpfung während der umfangreichen Proteste 2022 und Anfang 2023 ein (USDOS 15.6.2023).
Menschenhandel
Aufgrund der mangelnden Transparenz der Regierung bezüglich des Menschenhandels in Iran, insbesondere im Hinblick auf Frauen und Mädchen, werden keine Statistiken vorgelegt (NCRI 21.4.2021). Die Regierung meldete keine Strafverfolgungsmaßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels, und Beamte verüben weiterhin ungestraft Delikte in Bezug auf Menschenhandel, darunter die Zwangsrekrutierung und der Einsatz von Kindern und Erwachsenen in bewaffneten Konflikten in der Region. Das iranische Recht stellt nicht alle Formen des Menschenhandels unter Strafe. Ein Gesetz aus dem Jahr 2004 stellte den Menschenhandel durch Androhung oder Anwendung von Gewalt, Nötigung, Machtmissbrauch oder Ausnutzung der schutzlosen Lage des Opfers zum Zwecke der Prostitution, Sklaverei oder Zwangsheirat unter Strafe. Im Widerspruch zur Definition des Menschenhandels nach internationalem Recht verlangte das Gesetz eine Verbringung, um den Straftatbestand des Menschenhandels zu erfüllen, und verlangte in Fällen von sexuellem Kinderhandel den Nachweis von Gewalt, Betrug oder Nötigung (USDOS 15.6.2023).
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WP - Washington Post, The (1.12.2022b): Minors in Iran could face death penalty on protest-related charges, https://www.washingtonpost.com/world/2022/12/01/iran-minors-death-penalty-protests/, Zugriff 4.4.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich]
c. Sexuelle Orientierung und Genderidentität
Letzte Änderung 2024-06-26 16:07
Historisch gesehen hatte Iran eine paradoxe Beziehung zu gleichgeschlechtlichem Verlangen und gleichgeschlechtlicher Intimität, die zwischen Akzeptanz und Ablehnung eines solchen Verhaltens schwankte. Die Islamische Revolution von 1979 verstärkte dabei die Intoleranz, Verfolgung und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Intimität (Sato/Alexander 2.2021). Angehörige sexueller Minderheiten erfahren regelmäßig Diskriminierungen, Belästigungen und Missbrauch (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AI 24.4.2024) - auch durch nicht-staatliche Akteure, wie Familienmitglieder, und durch die Gesellschaft (ÖB Teheran 11.2021). Das Gesetz stuft homosexuelle Männer und Transgender-Frauen als psychisch krank ein und befreit sie aus diesem Grund von der ansonsten für männliche Bürger geltenden Wehrpflicht. In den Militärausweisen ist der Unterabschnitt des Gesetzes aufgeführt, der die Befreiung vorschreibt, wodurch homosexuelle oder transsexuelle Personen identifiziert und dem Risiko körperlicher Misshandlung und Diskriminierung im Alltag ausgesetzt werden, einschließlich der Gefahr der Verhaftung (USDOS 23.4.2024). Aus Furcht vor Bestrafung werden Missbrauchsfälle Homosexueller nicht angezeigt (ÖB Teheran 11.2021). Angehörige sexueller Minderheiten werden belästigt und diskriminiert, obwohl über das Problem aufgrund der Kriminalisierung und des verborgenen Charakters dieser Gemeinschaft in Iran wenig berichtet wird (FH 2024). Sogenannte Konvertierungsbehandlungen, die Folter und anderen Misshandlungen gleichkommen, sind staatlich anerkannt und werden nach wie vor häufig angewandt, auch bei Minderjährigen (AI 24.4.2024). Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Genderidentität ist nicht verboten (USDOS 23.4.2024).
Das iranische Strafgesetzbuch (IStGB) stellt alle sexuellen Beziehungen außerhalb der traditionellen Ehe unter Strafe (FH 2024; vergleiche USDOS 23.4.2024). Nach verschiedenen Paragrafen des IStGB können bestimmte gleichgeschlechtliche Handlungen mit Auspeitschung oder dem Tod bestraft werden (Sato/Alexander 2.2021; vergleiche ILGA World o.D.), wobei die Bestrafung von gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern zumeist schwerwiegender ist als jene für Frauen (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche Böll 21.5.2024) und die Beweisanforderungen hoch sind (AA 30.11.2022). Laut dem Menschenrechtsbericht des US-amerikanischen Außenministeriums wurden 2023 keine derartigen Strafen verhängt (USDOS 23.4.2024). Aufgrund der mangelnden Transparenz des Gerichtswesens lässt sich der Umfang der strafrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen wegen Homosexualität allerdings nicht eindeutig bestimmen. Homosexuelle Handlungen werden in der Praxis meist in Verbindung mit anderen Strafbeständen verfolgt (AA 30.11.2022).
Aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und sozialer Ausgrenzung ist ein öffentliches "Coming out" selten (AA 30.11.2022). Die meisten Mitglieder der iranischen LGBTIQ-Gemeinschaft (lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Personen) sieht sich dazu gezwungen, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen. Oft führen sie ein Doppelleben (RFE/RL 5.3.2024). In westlich geprägten Teilen des Landes werden homosexuelle Beziehungen de facto geduldet bzw. ignoriert. Lesbische Frauen aus traditionellen, armen Familien sehen sich aus sozio-ökonomischen Gründen oder vonseiten der Familie häufig gedrängt, einen Mann zu heiraten (AA 30.11.2022).
Die Regierung zensiert alle Materialien, die sich auf den Status oder das Verhalten von sexuellen Minderheiten beziehen. Die Behörden blockieren insbesondere Webseiten oder Inhalte von Webseiten, die sich mit Themen in Bezug auf sexuelle Minderheiten befassen, einschließlich der Zensur von Wikipedia-Seiten (USDOS 23.4.2024). Ein Einsatz für die Rechte von Homosexuellen ist kaum möglich und wird von den Sicherheitsbehörden genau beobachtet (AA 30.11.2022).
Transsexualität ist seit 1987 erlaubt, wird aber laut Gesetz als Geisteskrankheit definiert (ÖB Teheran 11.2021). Eine Fatwa Ayatollah Khomeinis gestattet Geschlechtsumwandlungen für "diagnostizierte" Transgender-Personen (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche DW 16.5.2021). Diese sind also zulässig, und entsprechende Operationen werden subventioniert (HRW 11.1.2024a; vergleiche DW 16.5.2021), auch wenn es weiterhin geistliche Autoritäten gibt, die geschlechtsangleichenden Operationen kritisch gegenüberstehen (Böll 21.5.2024). Geschlechtsumwandlungen oder -angleichungen gelten häufig als Weg, von der Heterosexualität abweichende sexuelle Orientierungen oder Identitäten in die Legalität zu bringen. Iran hat nach Thailand die höchste Rate an Geschlechtsumwandlungen weltweit (AA 30.11.2022). Khomeinis Fatwa ermöglichte Operationen, um eine rechtliche Anerkennung des Geschlechts zu erreichen, verweigerte nichtbinären Individuen aber gleichzeitig volle Selbstbestimmung und Handlungsmacht (Böll 21.5.2024). Es gibt Berichte, die darauf hinweisen, dass nichtbinäre Personen unter Druck gesetzt werden, sich für ein Geschlecht zu entscheiden (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche USDOS 23.4.2024), um ihre sexuelle Orientierung ausleben zu können (ÖB Teheran 11.2021). Nichtbinäre und von der Norm abweichende Personen sind mit einer weitverbreiteten sozialen Stigmatisierung und staatlichen Angriffen konfrontiert, insbesondere wenn sie keine rechtliche Anerkennung ihres Geschlechts erlangt haben oder in ihrem Auftreten nicht den traditionellen Geschlechternormen entsprechen (ILGA World o.D.). Internetplattformen und Menschenrechtsaktivisten weisen regelmäßig auf die gesellschaftliche und soziale Verfolgung von Transgender-Personen hin (AA 30.11.2022).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.11.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083021/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_(Stand_18.11.2022),_30.11.2022.pdf, Zugriff 2.2.2023 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (24.4.2024): Amnesty International Report 2023/24; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Iran 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107919.html, Zugriff 3.5.2024
Böll - Heinrich Böll Stiftung (21.5.2024): Unterdrückte Stimmen, wachsende Bewegung: Der Kampf für LGBTQ+-Rechte im Iran, https://www.boell.de/de/2024/05/21/unterdrueckte-stimmen-wachsende-bewegung-der-kampf-fuer-lgbtq-rechte-im-iran, Zugriff 4.6.2024
DW - Deutsche Welle (16.5.2021): How transgender people navigate Iran, https://www.dw.com/en/iran-how-transgender-people-survive-ultraconservative-rule/a-57480850, Zugriff 3.4.2023
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Iran, https://freedomhouse.org/country/iran/freedom-world/2024, Zugriff 1.3.2024
HRW - Human Rights Watch (11.1.2024a): World Report 2024 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103132.html, Zugriff 6.3.2024
ILGA World - International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association World, the (o.D.): ILGA World Database: Iran, https://database.ilga.org/iran-lgbti, Zugriff 3.4.2024
ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islamische Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich]
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (5.3.2024): Tehran Tells Transgender People To Avoid 'Busy' Areas, Highlighting Difficulties Faced By LGBT Community, https://www.rferl.org/a/iran-transgender-warning-lgbt-tehran/32849165.html, Zugriff 3.4.2024
Sato/Alexander - Sato, Mai, Alexander, Christopher (2.2021): STATE-SANCTIONED KILLING OF SEXUAL MINORITIES, https://bridges.monash.edu/ndownloader/files/26686841, Zugriff 4.4.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107731.html, Zugriff 3.5.2024
10. Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung 2024-10-04 13:16
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen, Flüchtlinge und Gefangene (USDOS 23.4.2024).
Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Ehemänner ins Ausland reisen (USDOS 23.4.2024; vergleiche FH 2024), während unverheiratete und geschiedene Frauen sowie Witwen [über 18 Jahre] keine Erlaubnis ihres Vaters oder eines männlichen Vormunds benötigen, um zu reisen (CEDOCA 30.3.2020). Ehefrauen können jedoch Ehevertragsklauseln mit ihrem Ehemann vereinbaren, um eine generelle Ausreisegenehmigung zu erhalten (BAMF 1.2023; vergleiche IrWire 2.11.2019). Die Ausreisegenehmigung durch den Ehemann muss in Form einer beim Notariat eingetragenen Vollmacht erfolgen (Eli Gasht 14.3.2024). Ehemänner können die Genehmigung jederzeit zurückziehen (HRW 11.1.2024a; vergleiche Eli Gasht 14.3.2024). Die Väter von unverheirateten Frauen sowie Ehemänner von verheirateten Frauen können ein Ausreiseverbot für Frauen beantragen, auch wenn diese einen Reisepass erhalten haben (MBZ 9.2023). Für die Ausstellung eines Reisepasses an Frauen mit einem iranischen Ehepartner oder Kindern unter 18 Jahren ist die schriftliche Zustimmung des Ehepartners oder Vaters erforderlich (IRIMFA o.D.; vergleiche Eli Gasht 14.3.2024, BAMF 7.2020). Wenn der Ehemann oder Vater nicht anwesend ist, hat sich die Frau bei einem Wunsch zur Ausreise an die zuständige Behörde des Außenministeriums zu wenden, sofern keine schriftliche Erlaubnis vorliegt (BAMF 7.2020; vergleiche IRIMFA o.D.). Geschiedene oder verwitwete Frauen benötigen keine Zustimmungserklärung, um einen Reisepass zu erhalten (Eli Gasht 14.3.2024).
Bestimmte Gruppen, wie Angestellte in sensiblen Bereichen, iranische Studenten im Ausland und alle Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren, die ihren Militärdienst noch nicht abgeleistet haben, benötigen eine besondere Ausreisebewilligung (Landinfo 21.1.2021 vergleiche CEDOCA 10.5.2023). Wehrpflichtige müssen eine Kaution hinterlegen, um ausreisen zu dürfen (Ekhtebar 22.4.2024). Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhielten, müssen entweder das Stipendium zurückzahlen oder erhalten eine befristete Ausreisegenehmigung. Die Regierung schränkt die Auslandsreisen einiger religiöser Führer, Angehöriger religiöser Minderheiten und Wissenschaftler in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker, Künstler sowie Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen (USDOS 23.4.2024).
Laut einer vom niederländischen Außenministerium befragten vertraulichen Quelle kann ein vom Staatsanwalt bei Gericht eingebrachter Antrag auf ein Ausreiseverbot von der Person, gegen die das Ausreiseverbot verhängt worden ist, nicht im SANA-System eingesehen werden (MBZ 9.2023). Eine auf Rechtsfragen spezialisierte iranische Nachrichtenseite gibt an, dass Ermittler nach dem Strafprozessrecht ein Ausreiseverbot als gerichtliche Überwachungsanordnung in zwei Schritten erlassen können, einmal vor dem Kontakt zum Beschuldigten und zum anderen nach dem Kontakt zum Beschuldigten. Ausreiseverbote können laut dieser Quelle unter Umständen schon im SANA-System eingesehen werden. Ausreiseverbote (neben strafrechtlichen Gründen und o. g. Ausreiseverboten für Frauen z. B. wegen Bank- oder Steuerschulden sowie für Personen mit "schlechtem Ruf") können ggf. auf der Website der Staatlichen Organisation für die Registrierung von Urkunden und Grundstücken (SSAA), des Finanzamts, oder persönlich beim Passamt überprüft werden (Ekhtebar 22.4.2024).
Zur rechtmäßigen Ausreise aus der Islamischen Republik Iran benötigen iranische Staatsangehörige einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (AA 30.11.2022). Die Reisepässe werden bei der Ein- und Ausreise am Grenzübergang gestempelt. Fehlt der Ausreisestempel bei der erneuten Einreise nach Iran, führt dies zu einer Befragung. Illegale Ausreisen werden, so weiter nichts vorliegt, üblicherweise mit Geldstrafen geahndet (MBZ 9.2023).
Iraner können innerhalb Irans grundsätzlich frei reisen (MBZ 9.2023). Zu den Gerichtsurteilen gehört jedoch manchmal die interne Verbannung nach der Haftentlassung. So werden Personen daran gehindert, in bestimmte Provinzen zu reisen. Flüchtlinge dürfen sich nur in bestimmten Provinzen bewegen oder ansiedeln [Anm.: s. Kap. Afghanen in Iran für weitere Informationen] (USDOS 23.4.2024).
Ausweichmöglichkeiten
Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Zivile und militärische Verwaltungsstrukturen arbeiten effektiv. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 30.11.2022).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.11.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083021/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_(Stand_18.11.2022),_30.11.2022.pdf, Zugriff 2.2.2023 [Login erforderlich]
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.2023): Länderreport 56 Iran: Rechtliche Situation der Frauen, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/683479/683484/6029645/24047468/-/Deutschland._Bundesamt_f�r_Migration_und_Fl�chtlinge,_Iran_-_Rechtliche_Situation_der_Frauen,_01.01.2023._(L�nderreport___56).pdf, Zugriff 3.4.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.2020): Länderreport 28 Iran: Frauen Rechtliche Stellung und gesellschaftliche Teilhabe, https://coi.euaa.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_28_Iran_July-2020.pdf, Zugriff 3.4.2023
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CEDOCA - Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (30.3.2020): IRAN Treatment of returnees by their national authorities, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040853/COI_Focus_Iran_Treatment of_returnees_by_their_national_authorities_30032020_update_ENG.pdf, Zugriff 3.4.2023
Ekhtebar - Ekhtebar (22.4.2024): روش های استعلام ممنوع الخروجی [Methoden zur Ermittlung der Ausgangssperre], https://www.ekhtebar.ir/روش-های-استعلام-ممنوع-الخروجی/, Zugriff 6.6.2024
Eli Gasht - Eli Gasht (14.3.2024): اجازه خروج از کشور برای بانوان به چه صورت است؟ [Was ist die Ausreiseerlaubnis für Frauen?], https://www.eligasht.com/Blog/travelguide/اجازه-خروج-از-کشور-برای-بانوان/, Zugriff 6.6.2024
FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Iran, https://freedomhouse.org/country/iran/freedom-world/2024, Zugriff 1.3.2024
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IRIMFA - Islamic Republic of Iran Ministry of Foreign Affairs (o.D.): ارسال رضایتنامه صدور گذرنامه و خروج همسر و فرزندان [Übermittlung der Einwilligung zur Passausstellung und Ausreise des Ehepartners und der Kinder], https://mfa.gov.ir/portal/helpdeskdata/5000/344/ارسال-رضایتنامه-صدور-گذرنامه-و-خروج-همسر-و-فرزندان, Zugriff 6.6.2024
IrWire - Iran Wire (2.11.2019): Permission to Travel — A Nightmare for Many Iranian Women, https://iranwire.com/en/features/66384/, Zugriff 3.4.2023
Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (21.1.2021): Iran Mottagelse og behandling av returnerte asylsøkere, https://www.ecoi.net/en/file/local/2044498/Iran-temanotat-Mottagelse-og-behandling-av-returnerte-asylsokere-.pdf, Zugriff 13.3.2023
MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (9.2023): Algemeen ambtsbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098089/Algemeen ambtsbericht Iran van september 2023.pdf, Zugriff 30.11.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107731.html, Zugriff 3.5.2024
11. Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung 2024-06-26 16:06
Die Wirtschaft zeichnet sich durch ihren Kohlenwasserstoff-, Landwirtschafts- und Dienstleistungssektor sowie eine bemerkenswerte staatliche Präsenz in der verarbeitenden Industrie und den Finanzdienstleistungen aus. Iran steht weltweit an zweiter Stelle, was die Größe der Erdgasreserven betrifft, und bei den nachgewiesenen Rohölreserven an vierter Stelle (WB 20.10.2022). Obwohl die iranische Wirtschaft für ein erdölexportierendes Land relativ diversifiziert ist (WB 20.10.2022; vergleiche BPB 15.5.2020) und über ein Reservoir gut ausgebildeter Arbeitskräfte verfügt (BPB 15.5.2020), hängen die Wirtschaftstätigkeit und die Staatseinnahmen von den Öleinnahmen ab und sind daher volatil (WB 20.10.2022; vergleiche BPB 15.5.2020).
Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80 % der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, für die restlichen 20 % ist der private und kooperative Sektor verantwortlich (BS 19.3.2024). Die iranische Wirtschaft steht allerdings nicht einfach unter der Kontrolle der iranischen Regierung. Institutionen, die mit Hoheitsorganen abseits der Regierung (den Revolutionsgarden und dem Haus des Obersten Führers) verbunden sind, kontrollieren große Teile der Wirtschaft des Landes (EPC 28.3.2023; vergleiche BS 19.3.2024). Eine wichtige Säule im Machtapparat des Regimes sind die Bonyads (LMD 2020), wirtschaftlich mächtige religiöse, revolutionäre und militärische Stiftungen (BS 19.3.2024), die für sich beanspruchen, eine Vielzahl von Aktivitäten im Zusammenhang mit Sozialarbeit, Beratungs-, Sozial- und Rehabilitationsdiensten durchzuführen (MEI 29.1.2009). Die Bonyads werden direkt oder indirekt vom Obersten Führer kontrolliert. Dadurch sind sie strukturell vom Wettbewerb abgeschirmt und verzerren die Grundsätze des freien Marktes. Diese Einrichtungen genießen zahlreiche Privilegien, darunter Steuerbefreiungen und exklusiven Zugang zu lukrativen staatlichen Aufträgen (BS 19.3.2024). Die Revolutionsgarden sind mit einigen der Bonyads eng verbunden (MEI 3.5.2022). Sie sind wirtschaftlich ebenso aktiv und haben ihre eigenen finanziellen, wirtschaftlichen, industriellen und landwirtschaftlichen Zweige. Das Wirtschaftskonglomerat Khatam al-Anbiya, das sich im Besitz der Revolutionsgarden befindet, hat es geschafft, ein Monopol auf große Infrastrukturprojekte in Iran aufzubauen (MEI 7.6.2022). Die Vermengung der politischen mit der wirtschaftlichen Sphäre hat eine staatliche Verteilungs- und Klientelpolitik gefördert, die mit hoher Korruption einhergeht (BPB 31.1.2020a; vergleiche MEI 7.6.2022).
Mit einem Pro-Kopf-BIP von 4.669,6 USD im Jahr 2022 [letztverfügbare Daten] zählt die Weltbank die Islamische Republik Iran zu den Ländern in der Kategorie "niedriges mittleres Einkommen" (WB o.D.). Laut dem Human Development Index (HDI) des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) befindet sich Iran mit einem Indexwert von 0,780 für das Jahr 2022 unter den Ländern mit einem hohen Entwicklungsstand. Der HDI misst den Entwicklungsstand von Staaten anhand der Faktoren "langes und gesundes Leben", "Zugang zu Bildung" und "menschenwürdige Lebensstandards für die Bevölkerung". Während die Indexwerte für Iran im Zeitraum 1990-2017 gestiegen sind, nahmen sie danach wieder ab. 2022 stieg der Indexwert erstmals wieder im Vergleich zum Vorjahr und erreichte ungefähr das Niveau von 2020 (UNDP 13.3.2024).
Das iranische Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist 2022/2023, d. h. im iranischen Kalenderjahr [1401], das im März 2023 endete, um 3 % gewachsen (Amwaj 23.2.2024) und auch 2024 wird ein reales BIP-Wachstum von 3 % erwartet (IMF 4.2024). In USD ausgedrückt ist der nominale Wert der Wirtschaft 2022/2023 jedoch gesunken (Amwaj 23.2.2024). Das BIP-Wachstum des Landes, gemessen in konstanten Dollar-Kursen, ist seit den frühen 2010er-Jahren weitgehend unverändert geblieben und das BIP pro Kopf liegt bei Kaufkraftparität etwa 10 % unter dem Niveau der späten 2000er-Jahre (FES 3.2024).
Der Rial (IRR) hat seit der Verhängung der US-Sanktionen im Jahr 2018 auf dem freien Markt von rund 42.000 zu 1 USD auf bis zu 580.000 zu 1 USD Anfang 2024 abgewertet (IRINTL 29.1.2024a; vergleiche Bonbast 23.2.2024). Der niedrige IRR-Kurs verteuert vor allem Importe auf breiter Front (BAMF 13.2.2023). Aufgrund der Inflation profitieren gewöhnliche Iraner vom BIP-Wachstum in ihrem täglichen Leben nicht viel (FDD 30.11.2023). Die geschätzte Inflationsrate der durchschnittlichen Konsumentenpreise liegt 2024 bei 37,5 % (IMF 4.2024), wobei sie seit 2021 immer über 40 % ausmachte (IMF 4.2024; vergleiche WB 24.8.2023). Die hohe Inflation trifft Haushalte mit geringem Einkommen unverhältnismäßig stark, da deren Ausgaben für Lebensmittel und Wohnen etwa 80 % ihres Budgets ausmachen, während ihre Reallöhne sinken (WB 24.8.2023). Gemäß dem Recherchedienst des iranischen Parlaments hat die Hälfte der iranischen Bevölkerung 2022/2023 den empfohlenen täglichen Kalorienbedarf (2.100 Kalorien) nicht erreicht, was unter anderem mit der hohen Inflation für Nahrungsmittelpreise in Verbindung gebracht wurde (IrWire 30.4.2024).
Entsprechend der von der Weltbank für Iran verwendeten Definition der Armutsgrenze (Verfügbarkeit von mindestens 6,85 USD tägl.) befanden sich im Jahr 2022 21,9 % der Iraner unter der Armutsgrenze. Die Armut hat damit seit 2020 abgenommen, als noch 29,3 % der Iraner weniger als 6,85 USD täglich zur Verfügung hatten (WB 4.2024). Nach Angaben des iranischen Ministeriums für Kooperativen, Arbeit und Wohlfahrt befanden sich im Jahr 2022 dagegen 35 % der iranischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze (Amwaj 8.2.2024), während ein bekannter iranischer Ökonom im Mai 2023 sogar von einem Anteil von 50 % sprach (IRINTL 20.5.2023; vergleiche BNE 1.8.2023). Iran hat seit 1979 bemerkenswerte Fortschritte bei der Armutsbekämpfung gemacht, der Zeitraum zwischen 2010 und 2020 gilt jedoch als verlorenes Jahrzehnt hinsichtlich des Wirtschaftswachstums, als fast zehn Mio. Iraner in die Armut abgerutscht sind (WB 11.2023). Trotz eines allgemeinen Rückgangs der Armut zwischen 2020 und 2022 gibt es nach wie vor regionale Unterschiede, insbesondere gegenüber den ländlichen und südöstlichen Regionen. So galt 2022 mehr als ein Drittel der Bevölkerung in ländlichen Gebieten als arm. Die Ungleichheiten wurden durch anhaltende Dürre und Wasserknappheit noch verschärft. Die südöstlichen Provinzen, insbesondere Sistan und Belutschistan, sind von großer Armut betroffen, die deutlich über dem nationalen Durchschnitt liegt (WB 4.2024).
Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen ist im ganzen Land nahezu flächendeckend, mit Ausnahme des Zugangs zu modernen Abwassersystemen und zum Internet, wo es eine große Kluft zwischen ländlichen und städtischen Haushalten gibt (WB 11.2023). Die Grundversorgung ist gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch ein enger Familienzusammenhalt sowie das islamische Spendensystem beitragen (AA 30.11.2022).
Ein Grund für die schlechte wirtschaftliche Leistung Irans sind die europäischen und amerikanischen Wirtschaftssanktionen. Sie wurden Anfang der 2010er-Jahre verschärft, bis 2015 das Atomabkommen mit Iran (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) ausgehandelt wurde, das teilweise Sanktionsentlastungen enthielt. Nach dem Rückzug der Regierung von US-Präsident Donald Trump aus dem Atomabkommen im Jahr 2018 wurden die Sanktionen von den USA einseitig wieder eingeführt und in den folgenden zwei Jahren weiter verschärft. Auch die EU und andere westliche Länder verschärften ihre Sanktionen im Zuge der "Frau-Leben-Freiheit"-Proteste im Jahr 2022 (FES 3.2024) und nach dem Hamas-Angriff vom 7.10.2023 wurden weitere Sanktionen gegen mit Iran verbundene Personen und Organisationen verhängt (Soufan 14.5.2024). Iranische Banken sind seit der Wiedereinführung der Sanktionen im Jahr 2018 vom SWIFT-System ausgenommen (MEE 30.1.2023; vergleiche BS 19.3.2024). Damit wurden sie vom globalen Finanzsystem effektiv ausgeschlossen (BS 19.3.2024).
Quellen
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12. Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 2024-06-25 14:26
Grundsätzlich entspricht die medizinische Versorgung, insbesondere in ländlichen Gebieten, nicht (west-)europäischen Standards. Das Land hat in den Jahrzehnten seit der Revolution 1979 allerdings viel in das nationale Gesundheitssystem investiert (AA 30.11.2022). Seit damals hat sich das Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert allen Bürgern das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen (ÖB Teheran 11.2021). Auf nationaler Ebene ist das Gesundheitsministerium für die Leitung, Politikgestaltung, Planung, Finanzierung und Steuerung der Programme zuständig (IOM 11.2023).
Fast die gesamte Landbevölkerung hat Zugang zu primären Gesundheitsdiensten, die in Gesundheitshäusern und ländlichen Gesundheitszentren erbracht werden. Auf Provinzebene sind die Universitäten für medizinische Wissenschaften und die Gesundheitsdienste die wichtigsten staatlichen Einrichtungen, die die Menschen mit Gesundheitsdiensten versorgen und ihre Bedürfnisse im Bereich der individuellen, kollektiven und ökologischen Gesundheit erfüllen. Auf städtischer und ländlicher Ebene ist ein Bezirksgesundheitsnetz, bestehend aus einem Bezirksgesundheitszentrum, städtischen und ländlichen Gesundheitszentren, Gesundheitsposten und Gesundheitshäusern, mit dieser Aufgabe betraut. Neben den Universitäten für medizinische Wissenschaften und den Gesundheitsdiensten wird ein Teil der Leistungen von Versicherungsgesellschaften und den Provinz- und Bezirkseinheiten der Social Welfare Organization [Anm.: State Welfare Organization (SWO), Behzisti] erbracht (IOM 11.2023). Staatliche Institutionen wie die Iranian National Oil Corporation, die Justiz und Revolutionsgarden betreiben ihre eigenen Krankenhäuser (Landinfo 12.8.2020). Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche Landinfo 12.8.2020). Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z. B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 11.2021).
Selbst in ländlichen Gebieten haben 85 % der Bevölkerung Zugang zur primären Gesundheitsversorgung, 90 % werden mit sauberem Trinkwasser versorgt, 80 % sind an entsprechende Sanitäranlagen angeschlossen. Dennoch haben bei Weitem nicht alle Zugang zu komplexen, spezialisierten und damit auch teureren Diensten (AA 30.11.2022). Die spezialisierte, medizinische Versorgung, gerade bei Notfällen oder Unfällen, ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 31.5.2024). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede zwischen den Regionen. Gesundheitsdienste sind geografisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 11.2021).
Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 11.2021). Alle Krankenhäuser sind verpflichtet, Notfälle rund um die Uhr aufzunehmen (IOM 11.2023). Ein zuverlässig funktionierendes Rettungswesen besteht auch in den Städten nicht überall (AA 31.5.2024).
Alle iranischen Staatsbürger, einschließlich der Rückkehrenden, haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) und weitere Gesundheitsdienste. Die beiden am weitesten verbreiteten Arten von primären Krankenversicherungen sind Tamin Ejtemaei und Salamat [Anm.: auch Universal Public Health Insurance (UPHI)]. Die Erstversicherung deckt die Kosten für Medikamente, medizinische und Krankenhausleistungen, Impfungen usw. ab. Kosmetische Operationen fallen nicht unter den Versicherungsschutz und können vom Versicherer nicht unterstützt werden. Unternehmen müssen ihre Angestellten bei Tamin Ejtemaei versichern (IOM 11.2023), der "Krankenversicherung der Sozialversicherung" (bimeh-ye darmani-ye ta’min-e ejtema’i), die von der Social Security Organization (SSO) bereitgestellt wird [Anm.: s. zur Sozialversicherung Kap. Sozialbeihilfen] (Landinfo 12.8.2020). Darüber hinaus ist unter bestimmten Bedingungen auch eine freiwillige Versicherung über Tamin Ejtemaei möglich. Bei der Salamat-Versicherung wird die finanzielle Situation des Antragstellers geprüft und auf dieser Grundlage die Höhe der Versicherungsprämie berechnet. In einigen Fällen kann die Versicherungsgebühr entfallen. Salamat-Versicherte haben keinen Anspruch auf eine Versicherung bei Tamin Ejtemaei. Die Versicherung umfasst auch nur medizinische Leistungen in öffentlichen und universitären medizinischen Zentren. Es gibt eine spezielle Salamat-Versicherung für Dorf- und Kleinstadtbewohner (Orte unter 20.000 Einwohnern), die für die Versicherten kostenlos ist, da der Staat die Versicherungsgebühr übernimmt, und mit der sich die Versicherten in öffentlichen medizinischen Zentren versorgen lassen können. Weiters existiert auch ein Versicherungsschutz für seltene Krankheiten, mit der Personen, die an seltenen Krankheiten leiden, einen Teil der Behandlungskosten abdecken können (IOM 11.2023). Über Salamat, bzw. den Versicherungsträger Iran Health Insurance Organization (IHIO), sind auch öffentliche Bedienstete und Studenten versichert (Landinfo 12.8.2020). Die meisten Regierungsbehörden betreiben außerdem eigene Sozialleistungszentren, die unter anderem Gesundheitsdienste für ihre Bediensteten bereitstellen (SAIS Rethinking Iran 2023). Neben den öffentlichen Krankenversicherungen gibt es auch private mit unterschiedlichen Prämien je nach Versicherungsschutz (IOM 11.2023; vergleiche Landinfo 12.8.2020). Wohltätigkeitsorganisationen, u. a. die "Imam Khomeini Stiftung", kümmern sich um nicht versicherte Personen - etwa mittellose Personen oder nicht anerkannte Flüchtlinge [Anm.: s. Kap. Afghanen in Iran zur Gesundheitsversorgung für afghanische Staatsbürger in Iran] (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche Landinfo 12.8.2020).
Die peripheren Einheiten (Gesundheitshäuser/ländliche Gesundheitszentren) auf dem Gelände der medizinischen Universitäten bieten kostenlose Gesundheitsdienste an. In den anderen Einrichtungen nehmen die Patienten die von ihnen benötigten Leistungen in Anspruch, indem sie einen Teil des Betrags auf der Grundlage ihrer Krankenversicherung bezahlen (IOM 11.2023). Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind, und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen noch immer Selbstbehalte von den versicherten Personen geleistet werden (ÖB Teheran 11.2021). Aufgrund des Budgetdefizits vieler Sozialversicherungsträger werden durchschnittlich nur rund 30 % der Gesundheitsausgaben von öffentlicher Hand gedeckt, für den Rest müssen die Patienten selbst aufkommen (Amwaj 29.4.2024). Es ist davon auszugehen, dass sich eine Vielzahl an Haushalten keine ausreichende Gesundheitsversorgung leisten kann (ÖB Teheran 11.2021).
Der private Sektor ist vor allem in den größeren Städten vertreten und bietet denjenigen, die private Krankenhäuser und Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen möchten, verschiedene Preiskategorien. In den öffentlichen Krankenhäusern sind fast alle Gesundheitsleistungen zu einem niedrigeren Preis erhältlich und können von der Krankenversicherung [z.T., s.o.] übernommen werden. Aufgrund der langen Aufnahmezeiten, der überfüllten öffentlichen Zentren und der besseren Leistungen in privaten Gesundheitszentren ziehen es die Menschen jedoch möglicherweise vor, mehr zu bezahlen und sich an private Gesundheitseinrichtungen zu wenden (IOM 11.2023).
Iran verwendet interne Referenzpreise für Arzneimittel, was bedeutet, dass Arzneimittel zum Preis des Referenz-Arzneimittels erstattet werden und die Patienten die Möglichkeit haben, teurere Arzneimittel zu kaufen und die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Der Erstattungspreis wird von der Regierung festgelegt, während Hersteller, Händler oder Einzelhändler ihren eigenen Arzneimittelpreis festlegen können (Landinfo 12.8.2020).
Obwohl die US-Sanktionen gegen Iran den humanitären Handel ausnehmen, gibt es faktisch Transaktionshindernisse, die die Einfuhr bestimmter Arzneimittel verhindern (BNE 13.8.2023; vergleiche IRINTL 29.1.2024b). Es kommt daher zu Engpässen bei der Einfuhr einiger spezieller Medikamentengruppen (IOM 11.2023; vergleiche IRINTL 29.1.2024b), Anfang 2024 konnten bestimmte Medikamente aus Devisenmangel nicht importiert werden (IrWire 12.1.2024). Dennoch besteht im öffentlichen Gesundheitswesen Irans laut IOM kein ernsthafter Mangel an Medikamenten, Fachärzten oder Ausrüstung (IOM 11.2023). Nach Angaben eines iranischen Behördenvertreters beschränken sich die Einfuhren im pharmazeutischen Sektor auf Medikamente für seltene Krankheiten, während andere Medikamente zur Gänze lokal produziert werden oder auf Rohmaterialien aus dem Ausland angewiesen sind (BNE 13.8.2023). Iranische Ärzte waren mitunter auch gezwungen, auf lokal hergestellte Nachahmungen spezialisierter ausländischer Arzneimittel zurückzugreifen, von denen viele von minderer Qualität sind und zu lebensverändernden Komplikationen und sogar zum Tod von Patienten geführt haben (Intercept 12.6.2023). Der erhebliche Anstieg der Preise für pharmazeutische Rohstoffe in den letzten Jahren hat zudem zu einem exorbitanten Anstieg der Arzneimittelpreise und der Ausgaben der Bürger geführt (BNE 13.8.2023; vergleiche IOM 11.2023, IRINTL 29.1.2024b). Der Rote Halbmond wurde als Anlaufstelle für die Einfuhr bestimmter Medikamente bestimmt und stellt diese für bestimmte Patienten über ausgewiesene Apotheken bereit. Im Allgemeinen sind die meisten Medikamente in Iran erhältlich. Einige Medikamente sind jedoch aufgrund der Sanktionen sehr teuer. Medikamente werden in der Regel nur in kleinen Mengen abgegeben, um einen Weiterverkauf auf dem Schwarzmarkt zu vermeiden (IOM 11.2023).
Das iranische Gesundheitssystem sieht sich mit einer erheblichen Abwanderung von medizinischen Fachkräften ins Ausland konfrontiert (IRINTL 19.3.2024; vergleiche RFE/RL 26.8.2023), was unter anderem mit wirtschaftlichen Härten, beruflichen Zwängen und einem Mangel an sozialen und politischen Freiheiten in Verbindung gebracht wird. Nach Angaben eines Mitglieds des Zentralrats der iranischen Krankenpflegeorganisation verlassen jährlich zwischen 2.500 und 3.000 Krankenpfleger Iran, was die Belastung des ohnehin schon unter Druck stehenden Systems noch weiter erhöht (IRINTL 19.3.2024).
Quellen
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AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.11.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083021/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_(Stand_18.11.2022),_30.11.2022.pdf, Zugriff 2.2.2023 [Login erforderlich]
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IRINTL - Iran International (29.1.2024b): Iranian Official Acknowledges Medication Shortages For War Veterans, https://www.iranintl.com/en/202401296683, Zugriff 26.2.2024
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Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (12.8.2020): Iran: The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf, Zugriff 15.3.2023
ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islamische Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich]
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (26.8.2023): Iran Grapples With Exodus Of Health-Care Professionals, https://www.rferl.org/a/iran-doctors-exodus-health-care-crisis/32565878.html, Zugriff 26.2.2024
SAIS Rethinking Iran - Rethinking Iran Initiative at The Johns Hopkins’ School of Advanced International Studies (2023): Civilian Pain Without a Significant Political Gain, https://www.rethinkingiran.com/iran-sanctions-reports/economic-sanctions-welfare-system-9gynw-ad4hy, Zugriff 19.2.2024
13. Rückkehr
Letzte Änderung 2024-10-08 14:09
Die iranische Regierung verfolgt seit langem die Politik, keine zwangsweisen Rückführungen zuzulassen. Freiwillige Rückführungen sind möglich und werden manchmal von den rückführenden Regierungen oder der Internationalen Organisation für Migration (IOM) unterstützt. In Fällen, in denen eine iranische diplomatische Vertretung vorübergehende Reisedokumente ausgestellt hat, werden die Behörden über die bevorstehende Rückkehr der Person informiert (DFAT 24.7.2023).
Es gibt nur wenige Informationen über die Situation von Iranern, die [dauerhaft] nach Iran zurückkehren, im Allgemeinen und von zurückgekehrten Antragstellern auf internationalen Schutz im Besonderen (CEDOCA 10.5.2023). Zum Thema Rückkehrer gibt es nach wie vor kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche CEDOCA 10.5.2023). In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und bei Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglich vorgebrachten Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr (ÖB Teheran 11.2021).
Bis zur Niederschlagung der Proteste im Herbst 2022 gab es keine Hinweise darauf, dass Asylwerber bzw. anerkannte Flüchtlinge oder deren in Iran lebende Familien infolge einer Kontaktaufnahme mit iranischen Auslandsvertretungen, z. B. in Deutschland, beispielsweise zur Beantragung eines neuen iranischen Passes, Repressalien ausgesetzt waren. Aufgrund der Zunahme des Interesses iranischer Dienste an regimekritischen Aktivitäten auch außerhalb Irans ist diese Gefahr für Regimekritiker (einschließlich Asylwerber bzw. anerkannter Flüchtlinge) bei einer Kontaktaufnahme mit zuständigen iranischen Auslandsvertretungen deutlich gestiegen [Anm.: s. das Unterkapitel Rückkehr / Exiliraner, Behandlung von Aktivisten bei Rückkehr, Auswirkungen der Protestwelle von 2022 für Informationen zur Behandlung von Regimekritikern bzw. politisch aktiven Iranern] (AA 15.7.2024).
Dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland sind keine Fälle bekannt, in denen allein aufgrund einer Asylantragstellung im Ausland eine Benachteiligung erfolgt ist (AA 15.7.2024). Eine von der belgischen Herkunftstländerrechercheeinheit CEDOCA im Jänner 2023 durchgeführte Recherche zu diesbezüglichen Fällen blieb ergebnislos (CEDOCA 10.5.2023). Im Allgemeinen schenken die Behörden abgelehnten Asylwerbern bei ihrer Rückkehr nach Iran wenig Beachtung. Das australische Außenministerium geht davon aus, dass ihre Aktivitäten (einschließlich Beiträgen in sozialen Medien über Aktivitäten vor Ort) von den Behörden nicht routinemäßig untersucht werden. Die Behörden können allerdings in den sozialen Medien einsehbare Aktivitäten von in Australien (oder anderswo) bekannten Iranern überprüfen (DFAT 24.7.2023) und laut einem von CEDOCA befragten Experten wird es immer üblicher, dass die Behörden Rückkehrer anweisen, ihre Konten in sozialen Netzwerken offenzulegen (CEDOCA 10.5.2023). Einer vom niederländischen Außenministerium konsultierten Quelle zufolge befragen die Behörden fast jede Person, von der sie wissen, dass sie einen Asylantrag gestellt hat, um herauszufinden, was der Grund für den Asylantrag war und ob sich die Person nicht politisch oder religiös betätigt hat. Ob Rückkehrer im Ausland einen Asylantrag gestellt haben, können die Behörden beispielsweise durch Angehörige oder Freunde der Betroffenen erfahren, durch abgehörte Kommunikation oder aufgrund einer Durchsicht von Inhalten in den sozialen Medien (MBZ 9.2023).
Es gibt leicht unterschiedliche Ansichten darüber, was das Interesse der Behörden an einem abgelehnten Asylwerber wecken könnte. Allgemein herrscht der Eindruck vor, dass diejenigen, die vor ihrer Ausreise aus Iran Gegenstand negativer behördlicher Aufmerksamkeit waren, bei ihrer Rückkehr mit Reaktionen rechnen müssen. Als weiterer Faktor wird die Art der Informationen genannt, welche Behörden über die Aktivitäten einer Person im Ausland erhalten haben, und ob diese Aktivitäten dem Regime schaden - oder ihm möglicherweise nützen - könnten (Landinfo 21.1.2021). Einer Quelle zufolge spielt der ethnische oder religiöse Hintergrund oder die sexuelle Orientierung eines Rückkehrers für sich genommen keine Rolle. Einer anderen Quelle zufolge können diese Faktoren eine kumulierende Wirkung haben (MBZ 31.5.2022; vergleiche MBZ 9.2023).
Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Insbesondere in Fällen, in denen Iran illegal verlassen worden ist, muss jedoch mit einer Befragung gerechnet werden. Im Rahmen der Befragung wird der Reisepass regelmäßig einbehalten und eine Ausreisesperre ausgesprochen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem zurückgeführte Personen im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden (AA 15.7.2024). Wenn Personen mit einem Laissez-Passer anstelle eines regulären Reisedokuments ins Land zurückkehren, kann dies zu Befragungen führen, da dies bedeuten könnte, dass die betroffenen Personen illegal ausgereist sind und/oder im Ausland um internationalen Schutz angesucht haben (CEDOCA 10.5.2023; vergleiche MBZ 9.2023). Ebenso kann es zu Befragungen führen, wenn bei einer erneuten Einreise kein Ausreisestempel im Reisepass vermerkt ist (MBZ 9.2023). Im Falle einer illegalen Ausreise ist die häufigste Strafe eine Geldstrafe oder eine Gefängnisstrafe auf Bewährung, es sei denn, die Person wird zusätzlich anderer Straftaten verdächtigt (CEDOCA 10.5.2023; vergleiche MBZ 9.2023). Wenn die Person Iran illegal verlassen hat, um einer strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen, oder in kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel und Menschenhandel sowie Aktivitäten militanter Gruppen an der Grenze verwickelt ist, ist die Reaktion wesentlich schärfer (CEDOCA 10.5.2023).
Einige Mitglieder der iranischen Diaspora kehren regelmäßig nach Iran zurück, zum Beispiel für einen Urlaub oder um Verwandte zu besuchen (MBZ 9.2023). Andere Auslandsiraner schrecken aus Angst, aufgrund ihrer politischen Aktivitäten oder regimekritischer Äußerungen inhaftiert oder an einer Ausreise gehindert zu werden, vor Reisen nach Iran zurück (IRINTL 9.1.2024). Manche Iraner können nach Iran ein- und ausreisen, obwohl das angesichts ihres öffentlichen Profils verwunderlich ist. Manche betreiben Regimepropaganda und/oder wurden möglicherweise vom Regime angeworben. Es ist schwer zu durchschauen, wer nach Iran reisen kann, und wer nicht, auch ist die Vorgehensweise nicht unbedingt kohärent (Posch 5.7.2024). Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob jemand nach der Rückkehr befragt wird. Oft wird erst im Laufe der Zeit klar, ob eine echte Bedrohung vorliegt (MBZ 31.5.2022). Iranreisende müssen seit einiger Zeit verstärkt damit rechnen, dort willkürlich verhaftet und in diesem Fall auch angeklagt zu werden. Ferner nutzten die iranischen Dienste auch 2023 offenbar bevorzugt gezielte nachrichtendienstliche Ansprachen mit dem Zweck einer Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit iranischen Nachrichtendiensten. Dies gilt insbesondere für Personen, die durch iranische Stellen mit einer oppositionellen Gruppierung in Verbindung gebracht werden oder bei denen Kontakte zu Personen aus der oppositionellen Szene vermutet werden (BMIH 18.6.2024; vergleiche BMI/DSN 17.5.2024). Auch besteht die Gefahr, dass Mobilfunkgeräte und Informations- und Kommunikationshardware ausgelesen oder manipuliert werden (BMIH 18.6.2024).
Iran erkennt Doppelstaatsbürgerschaften nicht an (USDOS 11.1.2024) und ist dafür bekannt, Doppelstaatsbürger als Geiseln zu nehmen, und sie in seinen Verhandlungen mit anderen Ländern, insbesondere westlichen Staaten, als Verhandlungsmasse einzusetzen (IRINTL 9.1.2024). Eine Reihe von Doppelstaatsbürgern, die nach Iran zurückkehrten, werden so im Land festgehalten (CHRI 22.1.2022; vergleiche BBC 7.6.2022, IrWire 14.2.2024).
Das iranische Außenministerium hat im Dezember 2021 ein Webportal eingerichtet, auf dem Iraner, die sich im Ausland aufhalten und eine Rückkehr nach Iran erwägen, ihre Daten hochladen können, woraufhin ihnen mitgeteilt wird, ob sie sicher und ungehindert ein- und ausreisen können oder ob es offene Fälle gegen sie gibt. Allerdings ist nicht jeder in der iranischen Diaspora davon überzeugt, dass dieses System funktioniert und dass er oder sie ohne Bedenken nach Iran reisen kann. Ein Grund dafür ist, dass nicht alle iranischen Nachrichtendienste koordiniert zusammenarbeiten und daher immer die Möglichkeit besteht, dass Rückkehrer dennoch aufgegriffen werden (IRINTL 7.1.2022; vergleiche MBZ 9.2023).
Im April 2022 kündigte das Amt für Personenstandswesen an, hinkünftig "smarte" Identitätsnachweise an im Ausland lebende Iraner auszustellen. Antragsteller können sich unter anderem im iranischen Konsulat in Wien registrieren lassen, um den Identitätsnachweis zu erhalten (TEHT 10.4.2022).
Anmerkung: s. Kap. Doppelbestrafung, im Ausland begangene Vergehen, Verurteilung in Abwesenheit für Informationen zu Doppelbestrafung und Verurteilung in Abwesenheit.
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2112796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024
BBC - British Broadcasting Corporation (7.6.2022): Who are the dual nationals jailed in Iran?, https://www.bbc.com/news/uk-41974185, Zugriff 13.3.2023
BMI/DSN - Bundesministerium für Inneres [Österreich], Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (17.5.2024): Verfassungsschutzbericht 2023, https://www.dsn.gv.at/501/files/VSB/180_2024_VSB_2023_V20240517_BF.pdf, Zugriff 24.5.2024
BMIH - Bundesministerium des Innern und für Heimat [Deutschland] (18.6.2024): Verfassungsschutzbericht 2023, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/vsb2023-BMI24018.pdf?__blob=publicationFile&v=10, Zugriff 13.8.2024
CEDOCA - Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (10.5.2023): Iran Surveillance van de diaspora door de Iraanse autoriteiten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092670/coi_focus_iran._surveillance_van_de_diaspora_door_de_iraanse_autoriteiten_20230510.pdf, Zugriff 21.7.2023
CHRI - Center for Human Rights in Iran (22.1.2022): New Interrogations at Iran’s Airports, Jailing of Dual Citizens Challenge Officials’ Calls for Expatriates to Return, https://iranhumanrights.org/2022/01/new-interrogations-at-irans-airports-jailing-of-dual-citizens-challenge-officials-calls-for-expatriates-to-return/, Zugriff 13.3.2023
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (24.7.2023): DFAT Country Information Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2095685/country-information-report-iran.pdf, Zugriff 4.1.2024
IRINTL - Iran International (9.1.2024): Judiciary Chief Claims Iranians Abroad Want To Return But Lack Trust, https://www.iranintl.com/en/202401095533, Zugriff 7.6.2024
IRINTL - Iran International (7.1.2022): Intelligence Officers Interrogate Iranian Expats Arriving In Tehran, https://www.iranintl.com/en/202201077358, Zugriff 13.3.2023
IrWire - Iran Wire (14.2.2024): Iranian-British National Jailed in Iran for Half a Year, https://iranwire.com/en/prisoners/125350-iranian-british-national-jailed-in-iran-for-half-a-year/, Zugriff 7.6.2024
Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (21.1.2021): Iran Mottagelse og behandling av returnerte asylsøkere, https://www.ecoi.net/en/file/local/2044498/Iran-temanotat-Mottagelse-og-behandling-av-returnerte-asylsokere-.pdf, Zugriff 13.3.2023
MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (9.2023): Algemeen ambtsbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098089/Algemeen ambtsbericht Iran van september 2023.pdf, Zugriff 30.11.2023
MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (31.5.2022): Algemeen ambtsbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073802/Algemeen ambtsbericht Iran 2022-05.pdf, Zugriff 13.3.2023
ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islamische Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich]
Posch - Posch, Walter (5.7.2024): Telefongespräch
TEHT - Tehran Times, The (10.4.2022): Home Society Economy Politics Sports Culture International Multimedia Tourism Identity cards to be issued for Iranian expats, https://www.tehrantimes.com/news/471524/Identity-cards-to-be-issued-for-Iranian-expats, Zugriff 13.3.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (11.1.2024): Iran International Travel Information, https://travel.state.gov/content/travel/en/international-travel/International-Travel-Country-Information-Pages/Iran.html, Zugriff 7.6.2024
14. Dokumente, Meldewesen und Personenstandsregister
Letzte Änderung 2024-06-26 16:06
Alle iranischen Staatsbürger erhalten bei der Geburtsregistrierung ein Ausweisheft (Shenasnameh) [auch: Familienbuch/Stammbuch] (Landinfo 5.1.2021; vergleiche DFAT 24.7.2023). Dieses ist in zwei Versionen erhältlich: eines für Kinder bis zu 15 Jahren und eines für Personen über 15 Jahren. Das Shenasnameh wird bei Änderungen des Familienstandes und der Familienverhältnisse aktualisiert. Darüber hinaus stellen die iranischen Behörden für iranische Staatsbürger über 15 Jahren einen nationalen Personalausweis aus (Kart-e melli). Dabei handelt es sich inzwischen um eine elektronische Chipkarte, die allmählich zum wichtigsten Ausweisdokument der Iraner im täglichen Leben geworden ist (Landinfo 5.1.2021). Sie ist beispielsweise zur Beantragung von Reisepässen, Führerscheinen und für Bankgeschäfte notwendig (DFAT 24.7.2023). Sowohl das Shenasnameh als auch die Kart-e melli werden von der Nationalen Organisation für Zivilregistrierung (NOCR) ausgestellt. Die Pass- und Einwanderungspolizei stellt Reisepässe auf der Grundlage von Shenasnameh und Kart-e melli aus (Landinfo 5.1.2021).
Nach Angaben des australischen Außenministeriums haben iranische Identitätsdokumente Sicherheitsmerkmale, deren Fälschung aufwendig ist, sodass diese für die meisten Iraner unerschwinglich sind (DFAT 24.7.2023). Während die neuesten Ausgaben des Shenasnameh und der Kart-e melli über fortschrittlichere Sicherheitsstandards als die Vorgängermodelle verfügen, sind allerdings auch noch alte Versionen in Gebrauch, die weitaus leichter manipuliert werden können (Landinfo 5.1.2021). Andere Arten von Dokumenten, wie z. B. Ausweise für die Wehrdienstbefreiung, sind technisch anfälliger für Fälschungen, da sie weniger robuste Sicherheitsmerkmale haben, allerdings sind sie ebenfalls teuer. Papierdokumente, wie z. B. Gerichtsurkunden, Vorladungen und Grundstücksurkunden sind dagegen relativ leicht durch betrügerische Mittel zu erhalten (DFAT 24.7.2023).
Die österreichische Botschaft in Teheran und das deutsche Auswärtige Amt geben an, dass mit falschen Angaben erstellte Dokumente in Iran einfach erhältlich sind (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AA 30.11.2022). Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen. Dies betrifft laut Auswärtigem Amt insbesondere das Shenasnameh. So ist es relativ einfach, in ein echtes Shenasnameh ein anderes Geburtsdatum eintragen zu lassen. Bei Kindern, die außerehelich geboren werden, wird zumeist ein beliebiger Name als Vater eingetragen, um die Kinder vor Benachteiligungen in der Schule und im Erwachsenenleben zu schützen. Frauen lassen sich nach einer Scheidung häufig ein neues Shenasnameh ausstellen, aus der die gescheiterte Ehe nicht hervorgeht (AA 30.11.2022).
Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden (ÖB Teheran 11.2021). Auch für Justizunterlagen wie Urteile, Vorladungen etc. kann eine mittelbare Falschbeurkundung nicht ausgeschlossen werden. Denn einerseits ist auch das Justizsystem korruptionsanfällig, andererseits ist es in der iranischen Kultur nicht unüblich, auf der Grundlage von Beziehungsgeflechten Hilfeleistungen und Gefälligkeiten zu erbringen. Sofern die Dokumente in der Justizdatenbank [Adliran, s. unten] hinterlegt sind, kann von deren Echtheit ausgegangen werden (AA 30.11.2022).
Meldewesen und Personenstandsregister
Es gibt kein, etwa mit dem deutschen, vergleichbares Meldewesen (AA 30.11.2022).
Es gibt ein zentral angelegtes, elektronisches Personenstandsregister (Saseman-e sabt-e Ahwal keschwar), in das Geburt, Eheschließung/Scheidung und Tod eingetragen werden. Registereinträge können von dem jeweiligen Bezirksamt für Personenstandsangelegenheiten erteilt werden. Auskünfte über die bei der Ehe grundsätzlich geschlossenen Eheverträge können zudem von dem Notar erteilt werden, bei dem sie geschlossen worden sind (AA 30.11.2022).
Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf, nachdem zuvor die Identität durch Polizei- und Informationsdienste festgestellt worden ist. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 30.11.2022).
SANA-System/Justizdatenbank Adliran
Durch die sukzessive Digitalisierung des Justizsystems können seit Ende 2016 Justizdokumente über das sog. SANA-System [bzw. in der Datenbank Adliran] abgerufen werden (AA 30.11.2022). Das SANA-System ist eine elektronische Rechtsdatenbank der Justiz, die zur Registrierung und Verfolgung von Fällen dient. Über das SANA-System können ein Anwalt oder sein Mandant auf die Dokumente eines Falles zugreifen (MBZ 9.2023). Seit 2019 werden Justizdokumente in allen Provinzen in der Regel fast ausschließlich über diese Datenbank kommuniziert vergleiche Artikel 175, iranische StPO in der Fassung von 2013/14) (AA 30.11.2022). Personen können relevante Rechtsdokumente jedoch auch über die traditionelle Zustellungsmethode erhalten, d. h. durch einen persönlich anwesenden Gerichtsvollzieher (Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021).
Wenn jemand vor Gericht erscheinen muss, wird er per SMS benachrichtigt, dass ein Brief im SANA-System vorhanden ist. Sollte der Betroffene kein SANA-Konto haben, wird eine Benachrichtigung in Papierform ausgestellt. Darin wird darauf hingewiesen, dass sich der Adressat über das SANA-System für die weiteren Schritte registrieren muss (MBZ 9.2023). Auch Dritte können auf die Justizdokumente einer Person zugreifen, wenn sie die zehnstellige "nationale Nummer" des Benutzers (den Benutzernamen) und das sechsstellige temporäre Passwort haben, das per SMS zugesandt wird. So kann jeder, einschließlich Familienmitgliedern und Rechtsvertretern eines Beschuldigten, auf die in der Datenbank gespeicherten Informationen zugreifen und Dokumente ausdrucken, so sie die Zugangsdaten dazu besitzen (Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021; vergleiche MBZ 9.2023). Rechtsanwälte können allerdings auch persönlich bei Gericht erscheinen und um Kopien von Akteninhalten ansuchen, so diese vom Gericht zur Akteneinsicht freigegeben wurden (Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021).
Angeklagte erhalten bei Fällen, die vor Revolutionsgerichten verhandelt werden, üblicherweise keine Dokumente aus den Strafakten. Militärgerichte, die Straftaten von Angehörigen der Streitkräfte bei der Dienstausübung verhandeln, sind gesetzlich dazu verpflichtet, Dokumente zu Urteilen im SANA-System bereitzustellen. Laut einer vom niederländischen Außenministerium befragten Quelle hängt es jedoch vom jeweiligen Fall ab, ob ein Urteil eines Militärgerichts im SANA-System sichtbar ist. Bei sensiblen Fällen können die Gerichte die Bediensteten auffordern, persönlich zur Urteilseinsicht zu erscheinen (MBZ 9.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.11.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 18. November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083021/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_(Stand_18.11.2022),_30.11.2022.pdf, Zugriff 2.2.2023 [Login erforderlich]
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (24.7.2023): DFAT Country Information Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2095685/country-information-report-iran.pdf, Zugriff 4.1.2024
Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (5.1.2021): Iran Passports, ID and civil status documents, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2021/01/Iran-Passports-ID-and-civil-status-documnents-05012021.pdf, Zugriff 9.2.2023
Landinfo/CEDOCA/SEM - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen], Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien], Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (12.2021): IRAN Criminal procedures and documents, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064888/joint_coi_report._criminal_procedures_and_documents_20211206.pdf, Zugriff 17.3.2023
MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (9.2023): Algemeen ambtsbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098089/Algemeen ambtsbericht Iran van september 2023.pdf, Zugriff 30.11.2023
ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islamische Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich]
4. Beweiswürdigung:
Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des BVwG.
4.1. Zur Person des BF und zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
4.1.1. Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen, seinen Angaben vor dem BFA und in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des BF, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor dem BFA und in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Farsi und die Kenntnis der geografischen Gegebenheiten des Iran.
Die Identität des BF steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.
4.1.2. Die Ausführungen zur Ausreise nach Österreich stützen sich auf seine eigenen Angaben. Eine Überprüfung dieser Angaben erübrigt sich, da sie für das Fluchtvorbringen nicht weiter relevant waren.
4.1.3.1. Das BVwG erachtet das Vorbringen des BF zur Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen (Konversion vom Islam zum Christentum) aus folgenden Erwägungen als glaubhaft:
Die Feststellungen hinsichtlich der Zugehörigkeit des BF zur protestantischen Freikirche römisch 40 Wien stützen sich auf die vorgelegten Beweismittel (Taufschein, Bestätigungsschreiben) und die Angaben des BF sowie eines Zeugen im Verfahren (Einvernahme des BF sowie Befragung des Zeugen in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2025).
Auch zu seiner Integration hat der BF Aussagen gemacht und Belege vorgelegt, die in einer Zusammenschau geeignet sind, die Seriosität der vom BF gemachten Angaben hinsichtlich seiner Lebensumstände in Österreich glaubhaft zu machen.
Der BF konnte durch seine Aussagen und die vorgelegten Dokumente glaubhaft machen, dass er sich hier in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung dem protestantischen Christentum zugewandt hat. Es sind im Verfahren auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des BF zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr hat der BF durch seine Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und durch die Vorlage der Taufbescheinigung glaubhaft dargelegt, dass er sich auf Grund einer persönlichen Entscheidung vom Islam abgewandt und aus innerer religiöser Überzeugung dem Christentum zugewendet haben.
Es kann auch der belangten Behörde nicht gefolgt werden, wenn diese ausführt, der BF weise kein überwiegendes Interesse am Christentum auf und sei aufgrund seiner religiösen Praxis in Österreich eine innere Überzeugung nicht erkennbar. So konnte der Zeugenaussage von römisch 40 , Pastor der Freikirche römisch 40 Wien, der dem BF Taufunterricht gegeben und ihn getauft hat, entnommen werden, dass der BF regelmäßig an Gottesdiensten in der Freikirche römisch 40 Wien teilnimmt und sein christlicher Glaube einen wichtigen Teil seines Lebens einnimmt. Der BF geht kirchlichen Aktivitäten nach und ist in der Glaubensgemeinschaft gut integriert. Der Zeuge gab weiters an, keine Zweifel an dem nachhaltig vollzogenen Glaubenswechsel des BF zu haben, welcher aus seiner Sicht eine ehrliche Hinwendung zum christlichen Glauben durchgemacht hat.
Darüber hinaus hat der BF auch mit seinen Antworten auf ihm gestellte Fragen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG betreffend die christliche Lehre und Lebensweise im Verfahren glaubhaft dargelegt, dass die Konversion des BF zum christlichen Glauben nicht bloß asylzweckbezogen zum Schein erfolgt wäre. Hinweise darauf, dass der BF die von ihm in der Verhandlung wiedergegebenen Glaubensinhalte auswendig gelernt haben könnte, ohne sie zu verinnerlichen, ergaben sich nicht, sondern es entstand der Eindruck, dass sich der BF tatsächlich und aus eigenem Antrieb für das protestantische Christentum und dessen Lehren interessiert.
4.1.3.2. Der BF hat auch glaubhaft vorgebracht, dass er die Tatsache, dass er sich zum Christentum bekenne, nicht verleugne und somit im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht zum Islam zurückkehren werde. Im Falle einer Rückkehr in den Iran hat der BF aus diesem Grund mit Verfolgung zu rechnen.
Somit kam in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eindeutig zu Tage, dass, insbesondere aufgrund der vollzogenen Taufe, des Interesses des BF für die christliche Religion, der Regelmäßigkeit der Gottesdienstbesuche und seines Engagements in der Pfarrgemeinde kein Zweifel daran besteht, dass der BF aus innerer Überzeugung die Konversion vollzogen hat und dem christlichen Glauben angehört. Der Glaubenswechsel ist als ernsthaft einzustufen. Eine Konversion zum Schein kann in diesem konkreten Fall ausgeschlossen werden.
4.1.3.3. Aufgrund des Umstandes, dass der BF seine Zugehörigkeit und seine Glaubensausübung im Bereich der protestantischen Kirche glaubhaft machen konnte, war eine weitere Erörterung von Geschehnissen im Iran im Detail obsolet und erübrigt sich daher eine weitere Auseinandersetzung mit diesen.
4.2. Die Feststellungen zur Freikirche römisch 40 Wien werden auf Basis der Verordnung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend die Anerkennung der Anhänger des Bundes der Baptistengemeinden, des Bundes Evangelikaler Gemeinden, der ELAIA Christengemeinden, der Freien Christengemeinde – Pfingstgemeinde (der die Freikirche römisch 40 Wien angehört) und der Mennonitischen Freikirche in Österreich als Kirche (Religionsgesellschaft) vom 28.06.2013, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 250 aus 2013,, getroffen. Mit dieser Verordnung wurden die Anhänger dieser Gemeinden als Kirche mit der Bezeichnung „Freikirchen in Österreich“ anerkannt. Mit dem Status als anerkannte Kirche oder Religionsgemeinschaft kommt den Freikirchen in Österreich die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu.
4.3. Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das BVwG kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Diesen Länderinformationen ist zu entnehmen, dass im Iran der schiitische Islam Staatsreligion ist. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Laut iranischer Verfassung hat ein muslimischer Bürger des Iran nicht das Recht, seinen Glauben zu wechseln oder aufzugeben. Apostasie ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand der Apostasie zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung selbst auf islamischen Kriterien beruhen müssen. In der Verfassung ist zwar eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss und werden Richter nach religiösen Kriterien ernannt. Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt.
Anerkannte religiöse Minderheiten – ua. auch Christen – werden diskriminiert und konvertierte Christen werden in unterschiedlichem Grad verfolgt. Diese Länderinformationen berichten über Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen. Konvertiten sähen sich Schikanen und Beobachtungen ausgesetzt und würden die Behörden unverhältnismäßig oft Christen verhaften. Viele dieser Verhaftungen würden während Razzien bei religiösen Zusammentreffen bei denen die Behörden auch religiöses Eigentum beschlagnahmen, passieren.
Diese Länderfeststellungen über den Iran stützen die Feststellung, dass der BF als Konvertit zum christlichen Glauben mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung wegen seiner nunmehr christlichen Religion zu befürchten hat.
Aufgrund der sich aus den Länderfeststellungen ergebenden Situation von Konvertiten im gesamten iranischen Staatsgebiet steht dem BF auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
Der BF hat diese Feststellungen nicht in substantiierter Weise bestritten, zumal sie mit auch die Grundlage für die Gewährung von Asyl an den BF darstellen.
5. Rechtliche Beurteilung:
5.1. Anzuwendendes Recht:
Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.
Gemäß Paragraph 6, Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 10 aus 2013, in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.
Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.
Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß Paragraph 15, AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.
Gemäß Paragraph 18, AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
5.2. Rechtlich folgt daraus:
Zu Spruchteil A):
5.2.1. Die gegenständliche, zulässige Beschwerde wurde rechtzeitig beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 16.04.2024 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.
5.2.2. Zur Beschwerde:
Dem Vorbringen in der Beschwerde war im Hinblick auf die Gewährung von Asyl aufgrund der vom BF glaubhaft gemachten Konversion vom Islam zum Christentum Erfolg beschieden.
5.2.3. Zu den Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides:
5.2.3.1. Zu Paragraph 3, AsylG (Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß Paragraph 3, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974, (in der Folge GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; Neufassung) verweist.
Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG) gesetzt hat.
Die mit 01.01.2016 in Kraft getretenen Absatz 4 bis 4b des Paragraph 3, AsylG, die gemäß Paragraph 75, Absatz 24, für Asylanträge gelten, die nach dem 15.11.2015 gestellt worden sind, lauten:
„(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.
(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (Paragraph 5, BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.
(4b) In einem Familienverfahren gemäß Paragraph 34, Absatz eins, Ziffer eins, gilt Absatz 4, mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.“
Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse vergleiche VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vergleiche auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein vergleiche dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; VwGH 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe vergleiche VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird vergleiche VwGH 01.06.1994, 94/18/0263; VwGH 01.02.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370; VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503 und 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne des Artikel eins, Abschnitt C Ziffer 5, GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, 98/20/0399; VwGH 03.05.2000, 99/01/0359).
Innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative:
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl vergleiche z.B. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; VwGH 15.03.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer „inländischen Flucht- oder Schutzalternative“ (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539).
5.2.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der GFK aber nicht abgeleitet werden (VwGH, 09.11.1995, Zl. 94/19/1414). Es sind darüber hinaus gehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, Zl. 99/20/0203; 21.09.2000, Zl. 98/20/0557).
Gemäß Artikel 5, Absatz 2, der sog. Status-Richtlinie RL 2003/83/EG kann die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftsstaates beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion (allenfalls sogar mit der Todesstrafe) belegt zu werden (VwGH 24.10.2001; Zl. 99/20/0550; 19.12.2001, Zl. 2000/20/0369; 17.10.2002; Zl. 2000/20/0102; 30.06.2005, Zl. 2003/20/0544).
In Ermangelung eines christlichen Taufaktes kommt es nicht darauf an, ob der Asylwerber aus Sicht einer christlichen Glaubensgemeinschaft auch ohne Taufe zu dieser zu zählen ist, sondern ob die religiöse Einstellung des Asylwerbers (sei es auch ohne vollzogene Taufe) im Heimatstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würde (VwGH 30.06.2005, Zl. 2003/20/0544).
Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist nicht auszuschließen, dass der BF bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist.
Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10, Absatz eins, b RL 2011/95/EG, kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte "forum internum" zu beschränken.
Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen sohin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10, Absatz eins, b RL 2011/95/EG geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung („forum externum“) des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein.
Nach der Überzeugung des BVwG könnte der BF im Falle seiner Rückkehr in den Iran keine wie im Verfahren dargelegte Glaubensbetätigung vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder der Vornahme von Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder gar im Falle des Versuches, andere vom Christentum überzeugen zu wollen, würde sich der BF der beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen.
5.2.3.3. Im vorliegenden Fall ergibt sich daher bei Zugrundelegung der Angaben des BF und obiger Sachverhaltsdarstellung, dass der BF aufgrund seiner Religionszugehörigkeit bei seiner Rückkehr in sein Heimatland Gefahr läuft, asylrelevant verfolgt zu werden.
Nach den getroffenen Feststellungen ist von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus Gründen der Religion, auszugehen.
Infolge des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich das Vorliegen einer zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Verfolgungsgefahr aufgrund religiöser Elemente.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist aufgrund der Tatsache, dass die Verfolgung im gesamten Staatsgebiet vom Iran von staatlichen Behörden ausgeht, im vorliegenden Fall auszuschließen.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der BF den Flüchtlingsbegriff des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK erfüllt, da er sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der politischen Gesinnung bzw. religiösen Gründen verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Da auch keiner der in Artikel eins, Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, war Asyl zu gewähren.
Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sich aus dem Akteninhalt auch keine Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit eines Ausschlussgrundes nach Paragraph 6, AsylG ergeben.
5.2.4. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu Spruchteil B):
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), Bundesgesetzblatt Nr. 10 aus 1985, in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
ECLI:AT:BVWG:2025:W241.2290331.1.00