Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

18.02.2025

Geschäftszahl

W142 2280826-1

Spruch


W142 2280830-1/11E
W142 2280829-1/9E
W142 2280826-1/9E
Beschluss

römisch eins. Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde der römisch 40 , StA. Demokratische Republik Kongo, vertreten durch Rechtsanwalt römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2023, Zl. 1293469505/220131226, den Beschluss:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde der römisch 40 , StA. Demokratische Republik Kongo, vertreten durch Rechtsanwalt römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2023, Zl. 1293468410/220131242, den Beschluss:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

römisch III. Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch 40 , StA. Demokratische Republik Kongo, vertreten durch Rechtsanwalt römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2023, Zl. 1293468508/220131234, den Beschluss:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

römisch eins.


Text


Begründung:

römisch eins. Verfahrensgang:

Zu den Beschwerdeführerinnen und zum Beschwerdeführer (im Folgenden gemeinsam bezeichnet als: BF):

Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) römisch 40 ist die Mutter der minderjährigen Zweibeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) römisch 40 und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers (im Folgenden: BF3) römisch 40 .

1. Die BF stellten 08.01.2022 gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes Anträge auf internationalen Schutz.

2. Am 21.01.2022 fand vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung unter Beziehung einer Dolmetscherin für Lingala statt. Dabei wurde vonseiten der BF1 zunächst angegeben, dass die BF Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo seien. Die BF seien in römisch 40 geboren worden.

Zur ihren persönlichen Verhältnissen gab die BF1 an, dass sie verwitwet sei und ihre Muttersprache Lingala sei, welche sie in Wort und Schrift beherrsche. Als Religionszugehörigkeit gab sie „Kimbaguiste“ an. An Schulausbildung verfüge sie Volksschule, Hauptschule. Als Berufsausbildung führte sie Friseurin an und sei sie zuletzt Friseurin gewesen. An Familienangehörigen würden die Mutter und zwei Schwestern in römisch 40 leben. Der Wohnsitz der BF1 sei in römisch 40 gewesen. Sie habe ihre Heimat am 05.07.2019 verlassen und sei nach Aufenthalten in Brazzaville, der Türkei sowie Griechenland nach Österreich gereist. Bezüglich ihres Aufenthalts in Griechenland führte sie zusammengefasst an, Schutz bekommen zu haben. Sie sei in Griechenland vergewaltigt worden und habe sie das bei der Polizei angezeigt, sie habe keine Arbeit gehabt und sei in die Prostitution gerutscht, um ihre Kinder zu versorgen. Sie habe wegen ihrer Unterleibsschmerzen ihre Arbeit als Prostituierte nicht mehr machen können. Sie wolle nicht mehr nach Griechenland zurück, weil sie das Leben dort nicht mehr führen wolle und eine andere Arbeit gebe es nicht, um sich und ihre Kinder versorgen zu können.

Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die BF1 an:

„Ich wurde mit dem Tod bedroht. Mein Mann wurde vor meinen Augen ermordet. Ich selber wurde entführt und konnte einen Fluchtweg finden und bin dann aus dem Kongo geflohen. Ansonsten habe ich keine anderen Fluchtgründe.“

Zu Ihren Rückkehrbefürchtungen gab die BF1 an:

„Ich fürchte den Tod, weil ich ein Problem mit dem General namens römisch 40 gehabt habe. Die Leute von dem General haben es geschafft, meinen Bruder zu ermorden, weil er mir zu meiner Flucht geholfen hat. Ich habe Angst um mein Leben, weil dieser General sehr mächtig ist.“

Abschließend führte die BF1 an, dass ihr Antrag auf internationalen Schutz auch für ihre beiden minderjährigen Kinder (die BF2 sowie den BF3) gelte.

3. Im Rahmen der Gesundheitsbefragung gab die BF1 am 21.01.2022 u.a. an, an einer psychischen Erkrankung (Schlafstörung) zu leiden, sie habe bereits im März 2021 einen Selbstmordversuch unternommen. Sie sei des Weiteren im Jahr 2019 im Kongo misshandelt bzw. gefoltert worden. Bezüglich des BF3 wurde in der Gesundheitsbefragung u.a. angeführt, dass jener an Epilepsie leiden würde.

4. Am 15.06.2023 wurde die BF1 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in der Sprache Lingala niederschriftlich einvernommen. Die BF1 gab wie folgt an (F: Leitendes Oran der Amtshandlung; A: BF1):

„[ … ]

F: Die anwesende Dolmetscherin ist (vom Einvernahmeleiter) als Dolmetscher für die Sprache Lingala bestellt und beeidet worden. Sind Sie dieser Sprache mächtig und damit einverstanden in dieser Sprache einvernommen zu werden?

A: Ja, meine Muttersprache ist Lingala

F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände?

A: Nein

Anmerkung: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen können.

F: Fühlen Sie sich heute psychisch und körperlich in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

A: Ja

F: Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

A: ja, ich kann eine Therapieempfehlung eines Psychiaters vorlegen. Ich nehme auch regelmäßige Medikamente ein. Ich nehme auch entzündungshemmende Medikamente ein, bis ich Operiert werde.

F: Was genau fehlt Ihnen?

A: Ich habe Rückenschmerzen.

Anmerkung: Es werden einen Befund des Diagnostik Zentrums sowie einen Befundbericht des LKH Graz für Neurochirurgie vorlegt.

F: Werden Sie in Ihrem Verfahren rechtlich vertreten?

A: Ja, ich werde rechtlich vertreten. Mein Anwalt begleitet mich heute bei der Einvernahme.

F: Die Angaben zu Ihren Flucht-und Asylgründen gelten auch für Ihre beiden minderjährigen Kinder? Oder möchten Sie für Ihre Kinder eigene Fluchtgründe geltend machen?

A: Nein, sie haben keine eigenen Gründe. Aber ich fürchte mich. Ich habe Angst, dass meiner Tochter auch so etwas passieren könnte. So war es gut, dass wir zu dritt geflüchtet sind. Es war die beste Lösung.

[ … ]

Mir wird eine kurze Darstellung des bisherigen Ablaufs des Verfahrens gegeben und Grund und Ablauf der nunmehrigen Einvernahme mitgeteilt.

F: Sind Sie damit einverstanden, dass seitens des BFA eventuell Erhebungen zum Sachverhalt in Ihrem Heimatland durchgeführt werden, wobei Ihre Anonymität gewahrt bleibt?

A: ja

F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

A: Ja.

F: Wurden diese, so wie Sie es gesagt haben am 21.01.2022 korrekt protokolliert und rückübersetzt?

A: Alles was ich gesagt habe, ist richtig protokolliert worden. Jedoch stimmt mein Alter nicht. Aber ich habe Probleme mit dem Kopf und merke mir nicht alles.

F: Wie heißen Sie?

A: Ich heiße römisch 40 .

F: Wann wurden Sie geboren und wo?

A: Ich wurde geboren in der demokratischen Republik Kongo geboren am römisch 40 .

F: Im Zuge der Erstbefragung wurde Ihr Geburtsdatum mit römisch 40 festgelegt. Ist das der Fehler, den Sie korrigieren möchten?

A: Ja.

F: Können Sie irgendwelche Beweismittel für Ihre Identität vorlegen?

A: Nein, ich habe keine Dokumente.

F: Da Sie keine Identitätsdokumente vorlegen, kann Ihr Geburtsjahr dahingehend nicht geändert werden. Sie hätten in den letzten eineinhalb Jahren Zeit gehabt, entsprechende Dokumente zu beschaffen, warum wurden Sie bis dato nicht tätig?

A: Ich habe mit dem Kopf Schwierigkeiten. Ich wusste nicht, dass eine Kopie oder ein Foto auf dem Handy ausreichend sind.

F: Wäre es möglich, zeitnah eine Kopie / Foto von Ihren Dokumenten zu beschaffen?

A: Ja, ich könnte es machen, wenn ich jemanden kontaktiere.

F: Haben Sie noch weitere Dokumente, die Sie heute vorlegen können?

A: Ich habe heute eine Sterbeurkunde mit.

Name: römisch 40 , Todesdatum: 20.06.2019 in römisch 40 , Diagnose: Verletzung durch Schusswaffe, Komplikationen: starker Blutverlust

F: Um wessen Sterbeurkunde handelt es sich hierbei?

A: Das ist die Sterbeurkunde meines Ehemannes.

F: Können Sie mit einer Heiratsurkunde belegen, dass es sich bei der Person um Ihren Ehemann handelte?

A: Nein. Ich habe traditionell geheiratet. Wir haben nicht vor dem Standesamt oder kirchlich geheiratet.

F: Wann und wo haben Sie nach traditionellem Recht Ihre Ehe geschlossen?

A: In römisch 40 .

F: An welchem Tag und Jahr

A: 29.09.2009

F: Wer hat diese Eheschließung bezeugt, welche Personen waren anwesend?

A: Meine Familie, die Familie meines Mannes und Freunde waren anwesend.

F: Wer hat die Eheschließung vollzogen/durchgeführt?

A: Der Onkel meines Vaters. Mein Vater hat ebenfalls etwas gesagt und gesegnet. Es gab eine Verhandlung im Vorfeld. Es wurde ein Brautpreis gezahlt. Das bezeugt, dass wir verheiratet sind, wenn es von beiden Familien akzeptiert wurde. Den Brautpreis hat der Onkel mütterlicherseits und mein Vater erhalten.

F: Welcher Religion gehören Sie an?

A: Ich bin Kimbaguiste.

F: Wie ist Ihr Familienstand und haben Sie Kinder?

A: Ich bin verwitwet und zwei Kinder.

F: Nennen Sie bitte den Namen der Kinder

A: Mein Sohn namens römisch 40 und eine Tochter römisch 40 .

F: Warum führen die Kinder einen unterschiedlichen Familiennamen?

A: Zum Ehren meines Vaters hat mein Sohn seinen Namen. Er ist gestorben als mein Sohn auf die Welt gekommen ist.

F: Wie lautete Ihre genaue Wohnadresse in Ihrer Heimat?

A: Ich habe in der demokratischen Republik Kongo, römisch 40 , Bezirk Badiadingi, römisch 40 . Mit der Hausnummer bin ich mir nicht sicher.

F: Wie lange haben Sie dort gewohnt?

A: Ich habe fünf Jahre dort gewohnt, bis zu meiner Ausreise.

F: Haben Sie eine schulische Ausbildung absolviert?

A: Ich habe die Matura in der Handelsschule (gleichzusetzen wie eine HAK) absolviert.

F: Haben Sie eine berufliche Ausbildung absolviert?

A: Ich habe gearbeitet bei Digital Kongo. Das ist ein Fernsehsender. Ja, ich habe gelernt zu filmen. Ich war Kamerafrau. Das habe ich in einer Schule gelernt.

F: Schildern Sie mir bitte Ihre Lebensbedingungen in Ihrer Heimat.

A: Ich habe gearbeitet und unsere Lebensbedingungen waren gut. Ich habe keine Ausbildung zur Frisörin aber ich habe ein gutes Talent um Haare zu machen (zu flechten). Ich habe einen Platz gehabt, wo ich die Haare geflochten habe. Ich hatte kein eigenes Geschäft. Davon habe ich gelebt. Mein Mann war Elektromechaniker. Die Kinder haben mit Kindergarten begonnen und waren dann in der Volksschule.

F: Welche Angehörigen von Ihren leben noch in römisch 40 ?

A: Meine Mutter, mein Vater ist bereits verstorben.

F: Wissen Sie wann Ihr Vater gestorben ist?

A: Am 03.01.2013

F: Haben Sie noch weitere Angehörige im Heimatland?

A: Ich habe noch zwei Schwestern und einen Halbbruder, welche noch in römisch 40 leben.

F: Haben Sie zurzeit Kontakt mit irgendjemanden zu Hause? (wie – telf., Internet, wie oft)

A: Ab und zu spreche ich mit meinem Halbbruder. Mit meinen Schwestern nicht und einige Male mit meiner Mutter, aber immer, wenn ich mit meiner Mutter spreche, weint meine Mutter.

F: Wann haben Sie Ihren Wohnsitz in Ihrer Heimat endgültig verlassen?

A: Am 05.07.2019

F: Sind Sie legal oder illegal ausgereist?

A: Es war illegal.

F: Wer hat Ihre Ausreise organisiert?

A: Mein älterer Bruder. Er ist jedoch im Jahr 2021 gestorben.

F: Woher hatten Sie das Geld für Ihre Flucht?

A: Ich habe keinen Cent ausgegeben. Die Art wie ich das Haus verlassen habe, hatte ich keine Möglichkeit Geld mitzunehmen.

F: Also hat die Kosten für Ihre Flucht jemand anders übernommen?

A: Ja, mein großer Bruder.

F: Haben Sie in Ihrem Heimatland Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen?

A: Nein, ich persönlich hatte keine Probleme.

F: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?

A: Ich selbst hatte keine Probleme. Die Probleme hat durch meinen Mann begonnen. Er hatte Probleme.

F: Sind Sie Mitglied einer Partei oder parteiähnlichen Organisation?

A: Nein

F: Waren Sie jemals politisch tätig?

A: Nein.

F: Haben Sie in anderen Staaten um Asyl angesucht?

A: Ich habe in Griechenland um Asyl angesucht.

F: Wurden Ihre Fingerabdrücke in einem anderen Land abgenommen

A: Ja, in Griechenland.

F: Haben Sie jemals eine Entscheidung seitens der griechischen Behörden erhalten?

A: Ich habe eine Karte bekommen für die Identität. Ich habe in Griechenland Asyl bekommen.

F: Haben Sie einen Antrag eingebracht oder Asyl erhalten.

A: Ich habe Asyl erhalten.

F: Haben Sie irgendwelche Dokumente oder sonstige Beweismittel, die Sie im bisherigen Verfahren noch nicht vorgelegt haben?

A: Nein, ich habe sonst keine weiteren Dokumente. Ich werde versuchen weitere Dokumente zu beschaffen.

F: Schildern Sie mir nun bitte ausführlich mit allen Details die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben.

A: Ich bin entführt worden. Und ich hatte die Möglichkeit wegzulaufen. Ich wurde geschlagen. Ich habe gesehen, wie mein Mann vor meinen Augen erschossen wurde. Man hat mich an den Schamlippen verletzt und geschnitten. Ich habe Rückenschmerzen wegen den Schlägen. Als ich meinem großen Bruder erzählt habe, hat mein Bruder gesagt, dass wir herausfinden müssten, weshalb dies alles geschehen ist. Aber inzwischen müsste ich weggehen. Ich bin dann mit meinen Kindern nach Brazaville (Kongo) geflüchtet. Mein Bruder hat alles organisiert. Vom Beach (Hafen) sind es etwa 25 Minuten. Mein Bruder hat alles bezahlt, damit ich mit meinen Kindern flüchten kann. Mein Bruder hat mich an andere Leute quasi übergeben. Ich war ca. 2-3 Tage in Brazaville und bin weiter in die Türkei geflüchtet.

F: Wann wurden Sie entführt und wo waren Sie zu dem Zeitpunkt aufhältig?

A: Es war nachts. Ich war bei mir zu Hause. Mein Mann hat für einen Mann namens römisch 40 gearbeitet. Sie haben Autos in den Hafen geholt. Beim Überstellen der Autos wurden die Männer überfallen und diese Autos gestohlen. Auch das Auto, mit dem mein Mann gefahren ist, ist ebenfalls gestohlen worden. Dann haben Autos von römisch 40 gefehlt. Alle Leute, die für römisch 40 gearbeitet haben, hatten dann Probleme, weil die Autos plötzlich gefehlt haben. römisch 40 wollte Geld dafür oder das Auto zurück. Aber mein Mann hatte kein Geld um diese „Schulden“ bei römisch 40 zu bezahlen. Es wurde ihm ein Ultimatum gestellt für zwei Wochen. Aber auch nach zwei Wochen hatte mein Mann kein Geld für das Auto auftreiben können. Diese Männer kamen dann nachts zu uns. Es kamen sieben Männer in der Nacht zu unserem Haus. Sie wollten Geld. Es kam zu einem Streit. Sie haben meinen Mann und mich mit Gewalt zu Boden gestoßen. Vor meinem Mann wurde ich dann von einem der Männer vergewaltigt. Ein zweiter Mann, der ebenfalls schwarz gekleidet war, wollte sich zuerst auch an mir vergehen, aber er hat mir dann die Schamlippen geschnitten. Mein Mann wollte mich verteidigen, weil ich so stark geblutet habe. Es war überall Blut. Und als er aufgestanden ist, ist plötzlich ein Schuss gefallen. Mein Mann wurde getroffen. Ich habe in diesem Moment nicht realisiert, dass mein Mann angeschossen wurde. In dem Moment habe ich mein Bewusstsein verloren. Als ich wieder aufgewacht bin, war ich nicht mehr bei mir zu Hause. Ich wurde entführt. Ich weiß aber nicht, wie lange ich nicht bei Bewusstsein war. Ich war nackt und meine Hände waren seitlich beim Körper weg und die Beine gespreizt. Ich bin aufgewacht und habe bemerkt, dass ich mit Wasser übergossen wurde. Ich war nicht an einem Bett gefesselt, sondern in der Luft. Etwas in der Luft gehängt und bin hin und her geschwungen. Es war dunkel und ich hatte kein Zeitgefühl. Es nicht so, dass mich jemand geschlagen hätte aber dieses hin und her waren wie Schläge, die ich empfunden habe. Es kam jemand in den Raum hat mir gesagt, dass das Kapitel beendet werden müsste. Ich habe es so verstanden, dass mich diese Leute ebenfalls töten wollen. Mir wurde gesagt, dass ich bezahlen sollte, was mein Mann gestohlen hatte. Es kam immer jemand anderes in diesen Raum. Ein Mann kam in den Raum und hat ihr angeboten, dass er mich befreit, wenn ich ihm etwas „Spezielles“ gebe. Er wollte von mir Sex. Ich war müde und verletzt. Ich habe dann gefragt, was er machen würde, wenn ich ihm entgegenkommen würde und mit ihm Sex habe. Ich habe dann den Geschlechtsverkehr mit diesem Mann vollzogen und er hat mir dann tatsächlich geholfen zu flüchtet. Es war ein kleines Waldstück in der Nähe. Es war nachts. Er dort habe ich gemerkt, dass es Nachtzeit ist. In dem Raum hatte ich kein Zeitgefühl. Es war dunkel in dem Raum. Dieser Mann hat mich noch ein Stück begleitet und dann bin ich davongelaufen und kam dann zu einem Platz, wo Menschen aufhältig waren. Ich bin dann gestürzt. Ich war auch nur leicht gekleidet. Ein Mann hat mir geholfen. Ich denke, dass dieser Mann dachte, dass ich verrückt sei. Er gab mir dann etwas zu trinken. Und dann hat er gesagt, dass er mir helfen wird. Er hat mich ebenfalls ein Stück des Weges begleitet. Und dann habe ich gefragt, wo ich mich eigentlich befinden würde. Ich war dann in der Nähe von Bandundu. Dieser Mann hat mit Kohle gehandelt. Es wurden Klein-LKW mit Kohle beladen und dieser Mann hat mich dann mitgenommen nach römisch 40 bis zu Marché de la Liberte. Auf dem Weg hat mich der Mann gefragt, ob ich eine Nummer hätte von jemanden den er kontaktieren könnte. Er hat dann meinen großen Bruder angerufen und als wir angekommen sind, hat mein Bruder auf mich gewartet. Wir sind dann zum Haus meines Bruders gekommen und ich hatte die Möglichkeit mit meinem Bruder alleine zu sprechen. Ich habe meiner Familie nicht viel von der Arbeit meines Mannes erzählt. Dieser römisch 40 war eine hochrangige Person. Als ich meinem Bruder gesagt habe, dass mein Mann für römisch 40 gearbeitet hatte, hat mein Bruder entschieden, dass ich noch am selben Tag weggehen müsste. Gegen 23 Uhr nachts. Ich weiß nicht, ob es sich um einen Freund meines Bruders gehandelt hatte, er hat uns nach Brazaville gebracht. Das war meine Geschichte der Entführung.

F: Was wissen Sie über römisch 40 ? War er ein Geschäftsmann, war er politisch tätig?

A: Er war ein Generalinspektor bei der FARDC. Er war ein Präsident eines Fußballklubs Vita Club.

F: Was ist die FARDC?

A: Das ist Force des Armee de la Republique Democratique du Congo.

F: Wie ist Ihr Mann in Kontakt mit römisch 40 gekommen?

A: Als ich meinen Mann kennengelernt hatte, kannte er römisch 40 bereits.

F: Wie lange war Ihr Mann für römisch 40 tätig?

A: Das kann ich nicht genau sagen. Den ersten Kontakt, den ich wahrgenommen hatte, war wegen dem Fußballklub. Mein Mann war nicht wirklich offen in Bezug auf seine Tätigkeit für römisch 40 .

F: Hat römisch 40 illegale Machenschaften ausgeübt?

A: Mein Mann hat mir immer gesagt, dass alles korrekt sei. Er hat mir das Geld gezeigt, aber bestätigen kann ich nichts. Aber mein Mann war immer sehr bedeckt was die Arbeit betraf. Er hat mich immer wieder darum gebeten, dass ich nichts über seine Arbeit erzählen sollte.

F: Nachdem Sie im Genitalbereich so schwer verletzt wurden und Ihren Erzählungen nach, viel Blut verloren hatten, hätten Sie verbluten müssen.

A: Ich wurde mit Wasser bespritzt und vielleicht habe ich Medikamente bekomme. Da ich keine ordentliche Wundversorgung erhalten habe, sind die Wunden stark vernarbt und alles hängt. Eine Schamlippe hat keine „Form“ mehr. Es ist entstellt.

F: Gibt es diesbezüglich einen Befund bzw. waren Sie in Österreich deswegen beim Arzt?

A: Ich war gestern beim Arzt. Ich habe eine Überweisung bekommen, dass ich einen Frauenarzt aufsuchen sollte.

F: Können Sie sagen, wie lange Sie in diesem Raum festgehalten wurden?

A: Ich wurde am 05.07.2019 bin ich bei meinem Bruder angekommen. Es war ungefähr von 25.06.2019 bis 05.07.2019. Am 05.07.2019 bin ich von zu Hause weggegangen. Ich wurde am 25.06.2019 entführt.

F: Was passierte in der Zwischenzeit mit Ihren Kindern?

A: Die Kinder waren zu Hause im Zimmer als die Männer gekommen sind. Ich habe dann erfahren, dass der Vermieter unseres Hauses meine Kinder genommen hatte und meinen großen Bruder kontaktierte und er hat die Kinder inzwischen zu sich genommen.

F: Mussten Sie den Leichnam Ihres Mannes jemals identifizieren oder haben Sie seine Leiche gesehen?

A: Nein. Aber als ich meinen Bruder, das erste Mal wiedergesehen habe, habe ich sofort gefragt, wo sich römisch 40 befinden würde. Er hat mir gesagt, dass man sich um meinen Mann kümmern würde und er im Krankenhaus sei aber ich müsste mit den Kindern von zu Hause weggehen. Als ich in der Türkei angekommen bin, habe ich von einem Mann, der mich begleitet hatte, habe ich einen Briefumschlag erhalten. Er hat mich gebeten, den Umschlag nicht sofort zu öffnen. Wir haben nach der Ankunft meinem Bruder angerufen und er hat mir gesagt, dass ich einen Umschlag erhalten haben sollte, dort hat mir mein Bruder gesagt, dass im Umschlag ein Foto ist, wo mein Mann zu sehen ist. Mein Bruder wollte nicht, dass ich vor meiner Flucht vom Tod meines Mannes erfahren sollte.

F: Was ist bei diesem Foto zu sehen und können Sie dieses heute als Beweismittel verloren?

A: Nein, ich habe das Foto und etliche andere Dinge auf dem Wasser verloren. Die Sterbeurkunde habe ich erst später erhalten.

F: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

A: Ja.

F: Ist heute alles zur Sprache gekommen, dass Sie erzählen wollten?

A: Ja. Mein Bruder wurde ebenfalls ermordet. Er wollte römisch 40 gerichtlich verfolgen. Er hat den Vorfall zur Anzeige gebracht. Diese Sache wurde nicht wirklich beendet. Es ist nichts dabei herausgekommen. Mein Bruder hat den Vorfall nochmals zur Anzeige gebracht. Dann wurde mein Bruder auf der Straße tot aufgefunden. Er wurde ermordet. Man weiß nicht über seinen Tod. Es gibt somit keine gerichtliche Verfolgung mehr.

F: wie haben Sie vom Tod Ihres Bruders erfahren?

A: Ich wurde angerufen. Mein Halbbruder hat es mir geschrieben.

F: Wann wurde Ihr Bruder ermordet?

A: Am 31.12.2021.

Die rechtliche Vertretung hat nun die Möglichkeit weitere Fragen zu stellen:

F: Sie haben eine Nachricht erhalten, dass Ihr Bruder ermordet wurde. Sie haben es per Nachricht erhalten. Haben Sie diese Nachricht eventuell noch?

A: Nein, ich habe nun ein neues Telefon.

F: Möchten Sie die Feststellungen des BFA Ihr Heimatland betreffend von der anwesenden Dolmetscherin übersetzt bekommen bzw. diese in Kopie mitnehmen und eine schriftliche Stellungnahme innerhalb einer Frist von 2 Wochen dazu abgeben?

A: Der rechtliche Vertreter ersucht um Ausfolgung der Länderfeststellungen. Eine Frist zur Stellungnahme von 14 Tagen wird eingeräumt.

F: Was befürchten Sie im Falle der Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?

A: Ich befürchte den Tod. Mein Mann hatte zwar die meisten Probleme. Aber ich wurde ebenfalls entführt und bin daher Opfer dieser Geschichte und mein Bruder ist wahrscheinlich ebenfalls Opfer dieser Geschichte.

Fragen zur Situation des Asylwerbers in Österreich

F: Wie bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Welche Unterstützungen beziehen Sie?

A: Ich lebe von der Grundversorgung.

F: Beziehen Sie außerdem noch irgendwelche Unterstützungen?

A: keine

F: Haben Sie familiäre Beziehungen in Österreich?

A: Ja, meine beiden minderjährigen Kinder leben ebenfalls hier in Österreich.

F: Haben Sie freundschaftliche Beziehungen in Österreich?

A: Ich habe eine Freundin aus Togo. Wir haben uns beim Elternsprechtag kennengelernt. Sie hat mir auf französischer Sprache etwas erklärt und ich mache ihr ab und zu die Haare.

F: Gehen Sie in Österreich einer Beschäftigung nach?

A: Nein

F: Haben Sie in Österreich Kurse oder sonstige Ausbildungen absolviert?

A: Ich habe schon drei Kurse besucht. Ich kann heute die Bestätigungen vorlegen. Ich befinde mich in der Vorbereitung für den Kurs Niveau B1.

F: Besuchen Ihre Kinder hier in Österreich die Schule?

A: Ja, sie besuchen die Volksschule in Feldkirchen bei Graz.

Anmerkung: Die Schulbesuchsbestätigungen werden zum Akt genommen.

F: Sind Sie in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen in Österreich als Mitglied tätig?

A: Ich gehe manchmal in einen Sportkurs, der wird von dem Verein Danaida angeboten.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Haben Sie noch irgendetwas vorzubringen?

A: Ich habe alles gesagt.

F: Haben Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden?

A: Ja.

Die Niederschrift wird Ihnen nun vom Dolmetscher wortwörtlich rückübersetzt. Im Zuge dieser Rückübersetzung besteht die Möglichkeit, Berichtigungen oder Ergänzungen vorzunehmen.

Anmerkung:

Nach Rückübersetzung:

F: Sind Sie mit dem Inhalt der Niederschrift einverstanden? Wurde alles richtig protokolliert?

A: Das Sterbedatum ist der 25.06.2019 auch wenn es in der Sterbeurkunde anders angeführt ist. Das Geburtsdatum meiner Tochter ist römisch 40 , das wurde nicht gefragt.

[ … ]“

Vorgelegt wurden u.a. betreffend die BF1 eine Therapiebestätigung einer Psychotherapeutin vom 14.06.2023 sowie eine Therapieempfehlung einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 15.03.2023, der zufolge eine Posttraumatische Belastungsstörung bei der BF1 diagnostiziert worden sei und hinsichtlich der Medikation empfohlen wurde, Mirtazapin auf 30 mg zu erhöhen, Atarax 25 mg ½ bei nächtlicher Unruhe und Angst sowie Baldrian Dragee 2-3x täglich bis zu 2 Stück einzunehmen. Des Weiteren wurde vorgelegt ein ambulanter Befundbericht vom 10.11.2022 betreffend die BF1 betreffend Bandscheibenvorfall.

5. Mit Eingabe vom 18.07.2023 sowie 25.07.2023 wurde die (angebliche) Geburtsurkunde der BF1 in Kopie übermittelt.

6. Mit Eingabe vom 14.09.2023 wurde betreffend die BF1 ein Befund einer Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe vorgelegt (u.a. „Labium minor bil. rupturiert“).

7. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 26.09.2023 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkte römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Den BF wurde eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und weiters gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch VI.).

In der Begründung des Bescheides betreffend die BF1 wurde insbesondere ausgeführt
(die Begründungen betreffend die BF2 und den BF3 sind, soweit entscheidungswesentlich, im Wesentlichen inhaltlich gleich abgefasst, und nehmen Bezug auf das Vorbringen der BF1, wobei in den Begründungen der Bescheide betreffend BF2 und BF3 stellenweise Ausführungen betreffend die persönlichen Verhältnisse der BF1 (so etwa wonach „Ihr Geburtsdatum [ … ] von römisch 40 auf römisch 40 geändert“ worden sei), willkürlich eingefügt wurden):

Die BF1 würde an keiner schwerwiegenden lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung leide. Die Feststellung bezüglich ihres allgemeinen Gesundheitszustandes sei aufgrund ihrer glaubhaften Angaben in der Einvernahme beim BFA am 15.06.2023 getroffen worden. Insbesondere habe nicht festgestellt werden können, dass eine Erkrankung ihrer Rückkehr entgegenstehen würde. In der weiteren Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass für die von der BF1 vorgebrachte Traumatisierung, für die sie jedoch keinen ärztlichen Nachweis vorgelegt habe, eine Behandlung in Ihrem Herkunftsstaat verfügbar sei.

In Bezug auf das Fluchtvorbringen der BF1 wurde insbesondere ausgeführt, dass die von ihr vorgebrachten fluchtbegründenden Umstände nicht fähig seien, eine asylrelevante Bedrohung im Herkunftsstaat zu begründen, da das BFA in ihrem Fall weder eine Verfolgung, die von einer staatlichen Behörde ausgehen könne, noch eine dem Herkunftsstaat zurechenbare Verfolgung erkennen könne, zumal die BF1 selbst die Frage, ob Sie mit irgendeiner staatlichen Seite ihres Heimatlandes Probleme gehabt habe, verneint habe. Im Übrigen – so führte das BFA in zwei kurzen Absätzen aus – seien die geschilderten Ereignisse (u.a. Entführung, zugefügte Verletzungen, sexueller Missbrauch durch unbekannte Männer) nicht nachvollziehbar sowie „absolut“ lebensfremd und somit nicht glaubhaft, weshalb der Antrag auf internationalen Schutz aufgrund des Fehlens der Flüchtlingseigenschaft abzuweisen gewesen sei.

Subsidiärer Schutz sei ebenfalls nicht zuzuerkennen gewesen, da im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in der Demokratischen Republik Kongo bestehe. Des Weiteren bestünde ein familiäres Netzwerk im Herkunftsstaat. Auch lägen keine Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG vor. Ebenso sei die Rückkehrentscheidung nach Paragraph 9, Absatz eins -, 3, BFA-VG als zulässig zu erachten.

Es wurden folgende Länderfeststellungen getroffen:

„Politische Lage

Die am 18.2.2006 verkündete Verfassung etablierte ein semipräsidentielles Regierungssystem nach französischem Muster, in dem die Nationalversammlung auf Vorschlag des Präsidenten den Premierminister wählt (AA 15.1.2021; vergleiche ANPI o.D.). Die Abgeordneten werden in freier und geheimer Wahl vom Volk gewählt. Gleiches gilt auch für Mitglieder der Provinzialversammlungen, die ihrerseits die Mitglieder der ersten Kammer des Senats bestimmen. Durch die Verfassung wurden einige föderale Elemente eingeführt (AA 15.1.2021). Der Präsident wird in direkter Wahl für fünf Jahre gewählt (ANPI o.D.; vergleiche FH 28.2.2022), für maximal zwei Amtszeiten (FH 28.2.2022).

Die DR Kongo ist seit 2015 in 26 Provinzen mit eigenen Parlamenten und Regierungen gegliedert. Das Parlament der DR Kongo besteht aus zwei Kammern: Nationalversammlung und Senat. Der Staatspräsident wird direkt gewählt und hat weitreichende Machtbefugnisse. Durch eine Verfassungsänderung wurde 2011 der zweite Wahlgang bei den Präsidentschaftswahlen abgeschafft. Dabei wurde dem Präsidenten das Recht zur Absetzung der Gouverneure und zur Auflösung der Provinzparlamente eingeräumt (AA 28.8.2019).

In der DR Kongo war Joseph Kabila über das verfassungsgemäße Ende seiner (zweiten und der Verfassung zufolge letzten) Amtszeit am 20.12.2016 im Amt verblieben. Die Präsidentschafts-, Parlaments- und Provinzratwahlen fanden mit über zweijähriger Verspätung am 30.12.2018 statt. Überraschend wurde der aus der politischen Opposition stammende Félix Tshisekedi als Wahlgewinner von der nationalen Wahlkommission CENI ausgerufen. Präsident Tshisekedi wurde am 24.1.2019 im Amt des Präsidenten vereidigt (AA 28.8.2019).

Die Abstimmung wurde aufgrund von Wählerunterdrückung und Wahlbetrug heftig kritisiert. Beobachter der katholischen Kirche und der zivilgesellschaftlichen Koalition "Synergy of Citizen Election Observation Missions" berichteten von massivem Betrug und Unregelmäßigkeiten. Eine unabhängige Auszählung durch die Nationale Bischofskonferenz der römisch-katholischen Kirche im Kongo (CENCO), die von unabhängigen Rechnungsprüfern überprüft wurde, ergab, dass Fayulu, ein weiterer Präsidentschaftskandidat 60% der Stimmen erhalten hatte. Wahlbeobachtern wurde in einigen Fällen der Zugang zu den Wahllokalen verweigert und ausländische Beobachter durften nicht teilnehmen. Darüber hinaus wurden 1,2 Millionen Wähler in drei Oppositionsgebieten - dem Beni-Gebiet und Butembo in der Provinz Nord-Kivu sowie Yumbi in der Provinz Mai-Ndombe - von der Stimmabgabe ausgeschlossen (FH 28.2.2022).

Als Folge der Wahlen im Dezember 2018 wurde zwar der oppositionelle UDPS-Kandidat Felix Tshisekedi zum Staatspräsidenten ernannt, im Parlament herrscht jedoch eine erdrückende Übermacht der Parteien rund um das ehemalige Regierungsbündnis FCC. Der FCC kommt auf über 300 Sitze, Tshisekedis Plattform Cach auf 48 und das Oppositionsbündnis Lamuka auf 99 Sitze (AA 15.1.2021).

Die oben genannten Machtverhältnisse führten zu hitzigen Gefechten rund um die Ernennung von wichtigen Regierungsposten. Letztendlich gefundene Kompromisse schafften jedoch nicht die erhoffte politische Stabilität, um dringend notwendige Reformen aktiv anzugehen. Vielmehr schafften die Machtkämpfe zwischen den Regierungspartnern eine Blockadehaltung, welche derzeit noch ungelöst ist (AA 15.2.2021). Die Regierung Ilunga Ilunkamba ist seit 2019 eingesetzt, gemäß den Mehrheitsverhältnissen im Parlament nach den Wahlen vom Dezember 2018 (ANPI o.D.).

Das politische System in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) ist in den letzten Jahren durch die Manipulation des Wahlprozesses durch politische Eliten gelähmt worden. Die Bürger sind nicht in der Lage, grundlegende bürgerliche Freiheiten frei auszuüben (FH 28.2.2022).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             AA - Auswärtiges Amt (28.8.2019): Kongo (Demokratische Republik): Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kongodemokratischerepublik-node/innenpolitik/203252, Zugriff 23.6.2022

-             ANPI - Agence Nationale pour la Promotion des Investissements (o.D.): Régime politique du pays, https://www.investindrc.cd/fr/Regime-politique-du-pays, Zugriff 23.6.2022

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

Sicherheitslage

In Kinshasa und anderen kongolesischen Städten führten in der Vergangenheit wiederholt, teilweise gewalttätige, Proteste gegen die Regierung zur Verwendung scharfer Munition, Todesopfern und Verletzten, sowie zu zahlreichen Festnahmen. Die Sicherheitslage ist instabil. Versammlungen, Proteste und bestimmte Veranstaltungen können, selbst ohne erkennbaren äußeren Anlass, jederzeit zu unvorhersehbaren sicherheitsrelevanten Ereignissen oder gewalttätigen Ausschreitungen führen und scharfe Gegenmaßnahmen zur Folge haben. Dabei muss auch mit weitreichenden Störungen des öffentlichen Lebens sowie einer hohen Präsenz von bewaffneten Sicherheitskräften gerechnet werden (AA 22.6.2022).

Ein unbewältigtes politisches Problem bleiben die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Osten des Landes, insbesondere in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Ituri und Tanganyika, aber auch in den Provinzen Bas-Uélé, Haut-Uélé. Manche Regionen innerhalb dieser Provinzen sind nicht unter der Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte. Die strukturellen Ursachen der Auseinandersetzungen in den Kivu-Provinzen stehen im Zusammenhang mit dem Völkermord in Ruanda und den anschließenden Vertreibungen und Kämpfen auf dem Gebiet der DR Kongo. Bei den nicht abreißenden Konflikten handelt es sich um komplexe soziale Auseinandersetzungen um regionale bzw. lokale Vorherrschaft und den Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen, befeuert von inter-ethnischen Spannungen. Neben den staatlichen Streitkräften ist eine Vielzahl von Milizen bzw. paramilitärischen Verbänden in den Krisenprovinzen des Landes aktiv. Allein in den beiden Kivu-Provinzen sind es nach Zählung der Congo Research Group 120 verschiedene bewaffnete Gruppen (AA 15.1.2021).

Es kommt vor allem in der Hauptstadt Kinshasa, aber auch in anderen Ballungsräumen (Matadi, Bukavu, Goma, Kananga etc.), immer wieder zu schweren Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen Opposition und Sicherheitskräften. In den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Orientale, Ituri, Haut-Uele, Tanganyika, Haut-Lomani, Kasai und Maniema finden häufig kriegerische Handlungen zwischen den zahlreichen Rebellengruppen und der Armee sowie der MONUSCO statt (BMEIA 23.5.2022).

In den Provinzen Bas-Uele, Haut-Uele, Tshopo, Ituri, Nord-Kivu, Süd-Kivu, Maniema, Tanganyika, Haut-Lomami, Haut-Katanga (nur nördliche Gebiete), Lomami, Kasai, Kasai-Central und Kasai Oriental kommt es immer wieder zu gewaltsamen Zwischenfällen zwischen den kongolesischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen, insbesondere der Allied Democratic Force (ADF). Von der kongolesischen Armee wird derzeit eine Großoffensive gegen die ADF durchgeführt, welche zu einer weiteren Zunahme an Gefechten und Gewalt führen kann. Seit 6.5.2021 gilt für die Provinzen Nord-Kivu und Ituri das Kriegsrecht, ein sogenannter „État de Siège“, durch den die zivilen Regierungen temporär durch Militär- und Polizeiregierungen ersetzt werden. Die ohnehin angespannte Sicherheitslage könnte sich vor diesem Hintergrund noch verschärfen (AA 22.6.2022).

Der Konflikt zwischen den Streitkräften der Regierung und den mehr als 15 bedeutenden und miteinander in Verbindung stehenden illegalen bewaffneten Gruppen hält in den östlichen Provinzen des Landes an (USDOS 12.4.2022). Als Reaktion darauf verkündete der Präsident am 6.5.2021 das Kriegsrecht in den Provinzen Ituri und Nord-Kivu, das vom Parlament wiederholt verlängert wurde und bis zum Jahresende 2021 [Anm.: und darüber hinaus] in Kraft blieb. Durch das Kriegsrecht werden Befugnisse von zivilen auf militärische Behörden übertragen, die polizeilichen Befugnisse erweitert, die Zuständigkeit der Militärgerichte auf zivile Straftaten ausgedehnt, bestimmte Grundrechte und -freiheiten eingeschränkt und die Immunität bestimmter gewählter Amtsträger (einschließlich Abgeordneter und Senatoren auf nationaler und Provinzebene) aufgehoben (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Das Kriegsrecht wurde im Laufe des Jahres 2021 verlängert und die Zahl der Gewalttaten und der Vertriebenen, die durch den Konflikt mit den Milizen verursacht wurden, erreichte einen neuen Höchststand (FH 28.2.2022).

Unter Berufung auf das Netzwerk für Menschenrechte (REDHO) berichtete das UN-Informationsradio Okapi, dass die mit Inkraftsetzung des Belagerungszustandes Anfang Mai 2021 zeitweilig vollständig durch die Militärgerichtsbarkeit ersetzte zivile Strafgerichtsbarkeit in der Provinz Nord-Kivu zumindest teilweise wiedereingesetzt wurde (BAMF 13.6.2022).

Die Zivilbevölkerung ist hauptleidtragend. Teile der Bevölkerung werden aufgrund ihrer (angenommenen) Zugehörigkeit zu einer Ethnie (Hutu, Tutsi, Nande, Hunde, und zahlreiche andere) oder einer Sprachfamilie (insbesondere Kinyar-wanda-Sprecher) Opfer von Gewalt. Oftmals sind sie jedoch auch Opfer willkürlicher Gewalttaten. Die Zahl der Binnenvertrieben bleibt auf einem hohen Niveau und Flüchtlinge müssen nicht selten ein- bis zweimal im Monat ihren Aufenthaltsort wechseln und erneut fliehen, weil weitere Plünderungen und Missbrauch drohen. Internationale Bemühungen zur Befriedung der Situation haben bislang noch keine durchschlagende Wirkung erzielen können (AA 15.1.2021).

Die kongolesische Armee, sowie sämtliche Rebellengruppen und Milizen ernähren sich außerdem „aus dem Land“, d.h. sie plündern die Vorräte der Bevölkerung. Nur ein Teil der fliehenden Bevölkerung kann von UN-Organisationen oder NGOs unterstützt werden. Bei Rückkehr in ihre Stammesgebiete droht diesen nicht selten erneute Ausplünderung und physische Gewalt. Insgesamt herrscht in weiten Teilen der Unruheprovinzen des Landes ein Klima der Gewalt und Vertreibung, dem die Zivilbevölkerung weitestgehend schutzlos ausgesetzt ist. Trotz der Bemühungen der Friedensmission der Vereinten Nationen, MONUSCO, bleiben erhebliche Schutzlücken bestehen (AA 15.1.2021).

Laut Medienberichten weist ein am 23.5.2022 vorgestellter parlamentarischer Bericht darauf hin, dass innerhalb von 15 Jahren und nur in den ostkongolesischen Territorien Beni (Provinz Nord- Kivu), Irumu und Mambasa (jeweils Ituri), allesamt Einfluss- und Operationsgebiete der ausländischen, radikal-islamischen bewaffneten Gruppe Forces démocratiques alliées (ADF), mehr als 15.000 Zivilisten getötet wurden. Die Angriffe auf die Zivilbevölkerung zwischen den Jahren 2013 und 2018 hätten zu einer ganz erheblichen Steigerung der zivilen Opferzahlen (über 8.000) im Vergleich zu den Jahren 2008 bis 2012 (150) geführt. In den Jahren 2020 und 2021 hätte die Zahl der zivilen Opfer weiter zugenommen. Während im Jahr 2020 bei insgesamt 989 dokumentierten Angriffen 2.695 zivile Personen getötet worden seien, beziffere sich die Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2021 bei insgesamt 1.019 Angriffen auf 4.428. Die ADF habe verschiedene Orte innerhalb eines Jahres mehrfach angegriffen. Laut Presseberichterstattung der letzten Monate verübte allein die ADF in ihren derzeitigen Einfluss - und Operationsgebieten, vor allem in den Territorien Beni (Nord -Kivu) und Irumu (Ituri) aber auch in den Territorien Djugu und Mambasa (jeweils Ituri), Massaker an der Zivilbevölkerung und weitere Angriffe auf Zivilpersonen, die Vertreibungswellen auslösten. Es kam dabei u.a. zu Entführungen, sexualisierten Gewalttaten sowie Rekrutierungen und Einsätzen von Kindern in bewaffneten Konflikten. Berichte über die Präsenz der ADF in der Provinz Süd-Kivu sind bisher nicht (öffentlich) bekannt geworden. Die US - Überwachungsgruppe Kivu Security Tracker dokumentierte im Zeitraum von Jänner 2022 bis einschließlich 25.5.2022 die ADF u.a. als verantwortlich für mehr als 270 zivile Tote (BAMF 30.5.2022).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt (22.6.2022): Demokratische Republik Kongo - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kongodemokratischerepublik-node/kongodemokratischerepubliksicherheit/203202, Zugriff 22.6.2022

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.6.2022): Briefing Notes, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

-             BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (30.5.2022): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw22-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 29.6.2022

-             BMEIA - Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten (23.5.2022): Reiseinformationen: Kongo - Demokratische Republik, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kongo-dem-rep/, Zugriff 23.6.2022

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

Rechtsschutz/Justizwesen

Während gesetzlich eine unabhängige Justiz vorgesehen ist (USDOS 12.4.2022), ist die Justiz in der Praxis Korruption und politischer Einflussnahme unterworfen (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Beamte und andere einflussreiche Personen unterwerfen Richter häufig der Nötigung. Richtermangel führt zu langwierigen Gerichtsverfahren, insbesondere in den Provinzen. Behörden missachten regelmäßig Gerichtsurteile. Disziplinarkommissionen beschäftigen sich mit zahlreichen Fällen von Korruption und Amtsmissbrauch, die in Entlassungen und Suspendierungen von Richtern münden (USDOS 12.4.2022).

Eine funktionierende und unabhängige Justiz gibt es auch nach dem Präsidentschaftswechsel nicht. Beschäftigte im Justizdienst werden schlecht und unregelmäßig bezahlt und sind häufig korrupt. Die zivile Justiz ist mit den zu bewältigenden Aufgaben überfordert. Nach Einschätzung von nationalen und internationalen Experten, wird es noch Jahre dauern, bis neu ausgebildetes, motiviertes und angemessen bezahltes Justizpersonal die aktuelle Misere beenden könnte. Bemühungen ausländischer Organisationen, diesen Zustand mit Seminaren, Sachspenden etc. zu bessern, zeigen bisher nur geringen Erfolg. Reformen werden versprochen, dürften jedoch Jahrzehnte in Anspruch nehmen, um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen (AA 17.2.2020).

Die Militärjustiz ist für alle Vorgehen von und gegen Soldaten und Polizisten zuständig, sowohl für im Dienst als auch im Privaten begangene Straftaten. Sie ist überlastet, aber bemüht, ihrer Aufgabe, die Straflosigkeit bei Angehörigen der Sicherheitsdienste (Streitkräfte, Polizei) zu bekämpfen, gerecht zu werden. Ihr Personal ist in der Regel besser ausgebildet als das in der Ziviljustiz (AA 17.2.2020).

Die Verfassung sieht das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren, eine unabhängige Justiz und die Unschuldsvermutung für Angeklagte vor, aber diese Rechte werden nicht immer eingehalten. Die Behörden sind verpflichtet, die Angeklagten unverzüglich und ausführlich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu unterrichten, erforderlichenfalls mit freier Verdolmetschung, was jedoch nicht immer geschieht. Angeklagte haben das Recht auf eine Verhandlung innerhalb von 15 Tagen nach Anklageerhebung, doch können die Richter diese Frist auf maximal 45 Tage verlängern. Die Behörden halten sich nur gelegentlich an diese Vorschrift. Die Angeklagten haben das Recht, anwesend zu sein und sich von einem Verteidiger vertreten zu lassen, was seitens der Behörden gelegentlich missachtet wird. Die Angeklagten werden nicht gezwungen, auszusagen oder sich schuldig zu bekennen. Die Angeklagten haben das Recht, Berufung einzulegen, außer in Fällen, in denen es um die nationale Sicherheit, bewaffneten Raub und Schmuggel geht, über die in der Regel das Gericht für Staatssicherheit entscheidet (USDOS 12.4.2022).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

Sicherheitsbehörden

Die primäre Verantwortung zur Rechtsdurchsetzung obliegt der kongolesischen Nationalpolizei (Police National Congolaise – PNC). Diese untersteht dem Innenministerium. Die Nationale Geheimdienstagentur (National Intelligence Agency – ANR) untersteht dem Präsidenten. Ihr obliegt die interne und externe geheimdienstliche Informationsbeschaffung. Die Streitkräfte der DR Kongo (FARDC) sowie der militärische Geheimdienst unterstehen dem Verteidigungsministerium. Sie haben primär Verantwortlichkeit in Bezug auf äußere Sicherheit, in der Praxis liegt ihr Fokus primär auf der inneren Sicherheit. Dem Präsidenten unterstehen die republikanischen Garden (Republican Guard – RG). Dem Innenministerium untersteht das Direktorat für Migration, das, gemeinsam mit der Polizei, für die Grenzkontrollen verantwortlich ist (USDOS 12.4.2022).

Die operative Zusammenarbeit zwischen MONUSCO (UN-Friedensmission in der DR Kongo) und der Regierung im Osten wird fortgesetzt. Die MONUSCO Force Intervention Brigade unterstützte die FARDC-Truppen in Nord-Kivu und den südlichen Ituri-Provinzen. MONUSCO-Kräfte führten Patrouillen zum Schutz von Binnenvertriebenen vor Angriffen bewaffneter Gruppen in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu und Ituri durch (USDOS 12.4.2022). Trotz einer Truppenreduzierung stellt die MONUSCO mit über 16.000 Soldaten und über 1.300 Polizisten nach wie vor eine der größten UN-Friedensmissionen weltweit dar (AA 15.1.2021).

Die Militärgerichte waren in erster Linie für die Untersuchung der Frage zuständig, ob die Tötungen durch die Sicherheitskräfte gerechtfertigt waren, und für die Verfolgung der Täter. Obwohl die Militärjustiz einige SSF-Agenten wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilte, blieb die Straflosigkeit ein ernstes Problem. Die Regierung unterhielt gemeinsame Menschenrechtsausschüsse mit der MONUSCO und nutzte verfügbare internationale Ressourcen, wie das von den Vereinten Nationen durchgeführte Programm zur technischen und logistischen Unterstützung von Militärstaatsanwälten sowie mobile Anhörungen, die von internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) unterstützt wurden (USDOS 12.4.2022).

Die zivilen Behörden üben keine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Das Militär ist notorisch undiszipliniert. Vorfälle von Informations- sowie Waffenaustausch zwischen kongolesischen Soldaten und Rebellengruppen gab es im Jahr 2021 weiterhin. Soldaten und Polizisten begehen regelmäßig schwerwiegende Menschenrechtsvergehen, wie etwa Vergewaltigung und physische Angriffe. Hochrangige Militärs gehen bei solchen Vergehen oft straffrei aus (FH 28.2.2022).

Laut einem Bericht von GlobalSecurity existiert eine richtige kongolesische Armee, gemessen an modernen Kriterien, gar nicht. Vielmehr gibt der Staat nur vor, eine zu haben. Die FARDC wurde 2003 aus verschiedenen bewaffneten Gruppen unterschiedlicher politischer Gruppierungen geformt, die seitdem kaum als einheitlicher Armeekörper in Erscheinung tritt und durch mangelnde Loyalität, Disziplin und eine kaum vorhandene Befehlskette gekennzeichnet ist. Daneben leidet die Armee unter schlechter Ausbildung und schlechtem Kriegsmaterial, Korruption, schwachen Kommandostrukturen, Versorgungsproblemen und unregelmäßiger Bezahlung, was dazu führt, dass Mitglieder der Armee oft in Plünderungen und Überfällen auf Zivilisten, einhergehend mit massiven Menschenrechtsverletzungen und selbst am ständigen Hin- und Her-Wechsel zwischen den Fronten beteiligt sind. Laut MONUSCO hat die kongolesische Armee bedeutende Schritte zur Hebung der Armeedisziplin durch Verfolgung von durch Soldaten begangenen Menschenrechtsverletzungen unternommen. Trotzdem bleibt Straffreiheit in der Armee weiterhin ein großes Problem (GS o.D.).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             GS - GlobalSecurity.org (o.D.): DR Congo Army, http://www.globalsecurity.org/military/world/congo/army.htm, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz kriminalisiert zwar die Anwendung von Folter, dennoch gibt es Berichte, dass die Sicherheitskräfte weiterhin Zivilisten, vor allem Häftlinge, foltern (USDOS 12.4.2022). Gefangene zahlen häufig Bestechungsgelder, um Folter zu vermeiden (FH 28.2.2022).

Viele Beobachter (Menschenrechtsorganisationen, UN-Menschenrechtsbüro, EU-Missionen, NGOs und die Botschaft) gehen davon aus, dass – entgegen dem in Artikel 16, der Verfassung statuierten ausdrücklichen Verbot – Folter in Gefängnissen, Polizeistationen und geheimen Haftanstalten (sogenannte „cachots“) durch Militär und Sicherheitskräfte nach wie vor angewandt wird. Dies betrifft nicht nur die Hauptstadt, sondern auch die Provinzen. Am 20.7.2011 trat ein Gesetz zum Verbot der Folter in Kraft. Kongolesische Menschenrechtsorganisationen begrüßten das Gesetz und mahnten angesichts der fortgesetzten Praxis seine gewissenhafte Umsetzung an (AA 15.1.2021).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

Korruption

Gesetzlich sind Strafen für Korruption durch Beamte zwar vorgesehen, jedoch setzt die Regierung diese Vorgaben nicht effektiv um und korrupte Praktiken sind oft mit Straflosigkeit verbunden. Durch behördliche Korruption auf allen Ebenen sowie in Firmen in Staatsbesitz entgehen der Staatskassa hunderte Millionen US-Dollar pro Jahr (USDOS 12.4.2022).

Korruption ist in der Regierung, den Sicherheitskräften und der Mineralienindustrie weit verbreitet, der öffentliche Dienst und Entwicklungshilfeversuche sind davon unterminiert. Ernennungen zu hochrangigen Positionen in der Regierung sind von Nepotismus geprägt. Rechenschafts-Mechansimen sind schwach, und Straffreiheit ist die Norm (FH 28.2.2022).

Im Jahr 2020 schuf Präsident Tshisekedi die Agentur für die Prävention und Bekämpfung von Korruption (APLC). Als Sonderdienststelle des Präsidialamts ist die APLC für die Koordinierung aller staatlichen Stellen zuständig, die mit der Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche betraut sind, für die Durchführung von Ermittlungen mit den vollen Befugnissen der Kriminalpolizei und für die Überwachung der Übergabe von Korruptionsfällen an die zuständigen Justizbehörden. Die Plattform für den Schutz von Informanten in Afrika stellte fest, dass die Bilanz der APLC durchwachsen ist und keine sichtbaren Ergebnisse zeigt (USDOS 12.4.2022). Der politische Wille zur Korruptionsbekämpfung schien jedoch 2021 nachzulassen und zivilgesellschaftliche Gruppen deckten große Korruptionsfälle in der Regierung des ehemaligen Präsidenten Kabila auf (FH 28.2.2022).

Im aktuellen Ranking von Transparency International für 2021 rangiert die DR Kongo an 169. Stelle bei insgesamt 180 gereihten Ländern (TI 2022).

Quellen:

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             TI - Transparency International (2022): Corruption Perceptions Index 2021, https://www.transparency.org/en/cpi/2021, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen sind aktiv und können grundsätzlich frei agieren. Menschenrechtsorganisationen erfahren auch in der Presse Rückhalt. Im Zuge der Wahlen im Dezember 2018 kam es zu massiven Einschüchterungswellen von Menschenrechtsverteidigern und aktiver Zivilgesellschaft durch staatliche Sicherheitskräfte. Nach Ernennung des neuen Staatspräsidenten Tshisekedi kam es zu ersten Anzeichen einer Entspannung und einem neuen, demokratischeren Umgang mit Menschenrechtsorganisationen. So ordnete der neue Präsident etwa die Entlassung einer Reihe politischer Gefangener an. NGO-Vertretern zufolge geschehen dennoch weiterhin nicht nachvollziehbare Verhaftungen von Aktivisten, insbesondere im, dem Wirkungskreis Kinshasas entzogenen, Osten des Landes. Das Verhältnis zwischen
Menschenrechtsorganisationen und insbesondere der nationalen Polizei PNC bleibt weiterhin angespannt (AA 15.1.2021).

Tausende von NGOs sind in der DR Kongo aktiv, aber viele sehen sich Hindernissen bei ihrer Arbeit ausgesetzt. Vor allem nationale Menschenrechtsverteidiger sind Belästigungen, willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt (FH 28.2.2022). Mitarbeiter des Justizministeriums treffen sich mit nationalen NGOs und antworten gelegentlich auf Anfragen seitens dieser NGOs. Die Regierung kooperiert zwar mit internationalen NGOs und der UNO, aber diese Kooperation ist nicht konsistent (USDOS 12.4.2022).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

Wehrdienst und Rekrutierungen

Es gibt keine allgemeine Wehrpflicht. Desertion kann gem. Artikel 45, des Militärstrafgesetzbuchs mit dem Tod bestraft werden. In den Unruheprovinzen wird Fahnenflucht strenger kontrolliert und verfolgt. Generell werden Deserteure zur Bewährung wieder an die Front geschickt (AA 15.1.2021). Im Alter von 18-45 Jahren freiwilliger (Männer und Frauen) und obligatorischer (nur Männer) Wehrdienst; es ist unklar, in welchem Umfang die Wehrpflicht angewendet wird (Stand 2021) (CIA 14.6.2022).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             CIA - Central Intelligence Agency [USA] (14.6.2022): The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/congo-democratic-republic-of-the/, Zugriff 20.6.2022

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung enthält in ihrem 2. Abschnitt (Artikel 11 ff.) einen umfassenden Grundrechtskatalog. Die Menschenrechtslage bleibt gleichwohl unbefriedigend. Durch Soldaten der FARDC und durch die Milizen kommt es nach wie vor zu willkürlichen Tötungen, körperlichen Misshandlungen, Plünderungen und Zerstörungen. Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der kongolesischen Armee (FARDC), der Sicherheitsdienste und der Polizei sowie der Rebellengruppen treten nach wie vor insbesondere in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Ituri und in Teilen Tanganykas auf. Die Friedensmission der Vereinten Nationen (MONUSCO) und Beobachter aus der Zivilgesellschaft machen die FARDC, die Polizei und den Nachrichtendienst weiterhin für knapp die Hälfte der begangenen Menschenrechtsverletzungen verantwortlich (AA 15.1.2021).

Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehören glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen; erzwungenes Verschwinden; Folter und Fälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Inhaftierung; politische Gefangene oder Häftlinge; ernsthafte Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Missbräuche in Konflikten, darunter Berichten zufolge rechtswidrige oder weit verbreitete Schädigung der Zivilbevölkerung, gewaltsames Verschwindenlassen oder Entführungen, Folter und körperliche Misshandlungen oder Bestrafungen sowie rechtswidrige Rekrutierung oder Einsatz von Kindersoldaten durch illegale bewaffnete Gruppen; usw. (USDOS 12.4.2022).

Gesetzlich ist Pressefreiheit und Meinungsfreiheit vorgesehen, aber die Regierung respektiert dieses Recht nicht immer. Öffentliche Kritik an der Regierung oder ihren Beamten kann zu Einschüchterungen, Drohungen und Verhaftungen führen (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Journalist in Danger (JED), Human Rights Watch (HRW) und andere zivilgesellschaftliche Organisationen haben eine zunehmende Unterdrückung von Journalisten unter Tshisekedis Amtszeit festgestellt. Im Jahr 2021 wurden drei Journalisten ermordet; mindestens 106 weitere wurden inhaftiert, bedroht, angegriffen und zensiert - ein Anstieg um mehr als das Doppelte gegenüber den gemeldeten Übergriffen im Jahr 2020 (FH 28.2.2022).

Die Versammlungsfreiheit ist zwar per Verfassung garantiert, wird aber eingeschränkt (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022), vor allem in den östlichen Landesteilen. Die Verhängung des Belagerungszustandes seit dem 6.5.2021 in den Provinzen Ituri und Nord-Kivu führte zu weiteren Einschränkungen der Versammlungsfreiheit (USDOS 12.4.2022). Demonstrationen finden regelmäßig statt, aber die Teilnehmer riskieren Verhaftungen, Schläge, und tödliche Gewalt (FH 28.2.2022). Kundgebungen und Demonstrationen der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft, die als regierungskritisch galten, werden häufig verboten oder gewaltsam unterdrückt (AI 29.3.2022).

Die Verfassung gewährleistet Vereinigungsfreiheit, und dieses Recht wird seitens der Regierung auch üblicherweise respektiert (USDOS 12.4.2022). Bürger haben das Recht, sich in politischen Parteien zu organisieren. Es gibt Hunderte von Parteien, von denen viele nach ethnischen oder regionalen Gesichtspunkten organisiert sind. Den meisten fehlt es jedoch an nationaler Reichweite und ihre Funktionsfähigkeit ist in der Praxis begrenzt. Oppositionsführer und -anhänger werden häufig eingeschüchtert und in ihrer Bewegungsfreiheit sowie in ihrem Recht, Kampagnen durchzuführen oder öffentliche Veranstaltungen zu organisieren, eingeschränkt (FH 28.2.2022).

NGOs, Zivilgesellschaft und Journalisten, die sich kritisch über die Regierung äußern, sind zwar keiner systematischen staatlichen Verfolgung ausgesetzt, können aber in manchen Landesteilen jederzeit willkürlich durch die Sicherheitspolizei oder Armeedienste verfolgt werden. Der politische Betätigungsraum zeichnete sich nach den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2018 jedoch durch erste Entspannungen und Öffnungen aus. Zuletzt kam es jedoch wieder zu einer Zunahme an einschlägigen Menschenrechtsverstößen (AA 15.1.2021).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Demokratische Republik Kongo 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070244.html, Zugriff 20.6.2022

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

Haftbedingungen

Der Zustand der Gefängnisse ist – auch im Vergleich zu anderen Staaten in Afrika – sehr schlecht (AA 15.1.2021). Die Bedingungen in den meisten Gefängnissen sind hart und lebensbedrohlich (USDOS 12.4.2022) und durch Nahrungsmittelmangel, starke Überbelegung, unangemessene sanitäre Einrichtungen und medizinische Versorgung gekennzeichnet (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 15.1.2021). Die Behörden inhaftieren Männer üblicherweise getrennt von Frauen, Jugendliche hingegen werden gemeinsam mit Erwachsenen untergebracht (USDOS 12.4.2022).

Gefangene zahlen häufig Bestechungsgelder, um Folter zu vermeiden oder ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen; Vergewaltigungen unter Häftlingen sind an der Tagesordnung (FH 28.2.2022).

Die UNJHRO berichtete, dass sich die Bedingungen in den Haftanstalten im Laufe des Jahres 2021 verschlechtert haben, insbesondere in den westlichen Provinzen, wo die Zunahme der Gefangenenpopulation und mangelnde Instandhaltung zum Verfall beigetragen haben. Die UNJHRO verzeichnete bis Juni 2021 insgesamt 154 Todesfälle in Haft, das sind 42 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Unterernährung, schlechte Hygiene, fehlender Zugang zu medizinischer Versorgung und Misshandlungen waren die Hauptursachen für diese Todesfälle. Ein Menschenrechtsaktivist führte den Rückgang der Todesfälle auf die verbesserte Ernährung zurück (USDOS 12.4.2022).

Üblicherweise erlaubte die Regierung dem Roten Kreuz, der UN-Mission MONUSCO und NGOs den Zugang zu offiziellen Haftanstalten des Innenministeriums, jedoch nicht zu Gefängnissen, die von der Republikanischen Garde und vom Geheimdienst betrieben wurden (USDOS 12.4.2022).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit und verbietet Diskriminierungen aufgrund der religiösen Einstellung (USDOS 2.6.2022; vergleiche FH 28.2.2022) und die Regierung respektiert dieses Recht üblicherweise auch in der Praxis (FH 28.2.2022). Grundsätzlich ist die Religionsausübung nicht eingeschränkt (AA 15.1.2021).

Obwohl sich religiöse Gruppen bei der Regierung registrieren lassen müssen, um anerkannt zu werden, arbeiten nicht registrierte Gruppen in der Regel ungehindert. Einige religiöse Einrichtungen, Mitarbeiter und Dienste sind von der Gewalt in Konfliktgebieten betroffen. Trotz allgemeiner Toleranz reagierten die Behörden aggressiv auf Protestaktionen der katholischen Kirche und einiger protestantischer Gruppen nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse im Jahr 2019 (FH 28.2.2022). Die Beziehungen zwischen der Regierung und religiösen Organisationen haben sich nach Angaben von Religionsführern und Medienberichten weiter verbessert, auch wenn es im Zusammenhang mit der Rolle religiöser Gruppen bei der Ernennung des Präsidenten der Wahlkommission zu Spannungen kam (USDOS 2.6.2022).

Die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien - Demokratische Republik Kongo (ISIS-DRC), die im März 2021 von den Vereinigten Staaten als terroristische Organisation eingestuft wurde, operierte weiterhin im Land. ISIS-DRC griff in der Regel wahllos Zivilisten, Krankenhäuser und Schulen in den Provinzen Nord-Kivu und Ituri an, nahm aber gelegentlich auch Kirchen und muslimische Führer ins Visier (USDOS 2.6.2022).

Sowohl in Kinshasa als auch in den Provinzen kommt es immer wieder zu Übergriffen gegen Personen, die der Hexerei beschuldigt werden. Der Hexenglaube ist im Land in allen Bevölkerungsschichten weit verbreitet. Übergriffe geschehen meist durch Privatpersonen und werden von der Polizei nicht geahndet. Opfer sind in der Regel von ihren Eltern wegen des Hexereiverdachts verstoßene Straßenkinder. „Charismatische“ und im Grunde auf Gelderwerb angelegte „freie Kirchen“ im Land – deren Zahl in Kinshasa allein auf 1.500 geschätzt wird – machen sich den Hexenglauben zunutze und befördern ihn noch (AA 15.1.2021).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073974.html, Zugriff 21.6.2022

Ethnische Minderheiten

Insgesamt leben in der Demokratischen Republik Kongo mehr als 200 afrikanische ethnische Gruppen, von denen die meisten Bantu sind; die vier größten Stämme - Mongo, Luba, Kongo (alle Bantu) und die Mangbetu-Azande (Hamitic) - machen etwa 45 % der Bevölkerung aus (CIA 14.6.2022). 80 % der Menschen in der DR Kongo sind Bantu, aber es gibt mehr als 250 ethnische Gruppen im Lande. Zu den anderen Gruppen gehören die Zentralsudanesen/Ubangier, die Miloten und die Pygmäen (WPR 2022).

Quellen:

-             CIA - Central Intelligence Agency [USA] (14.6.2022): The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/congo-democratic-republic-of-the/, Zugriff 20.6.2022

-             WPR - World Population Review (2022): DR Congo Population 2022 (Live), https://worldpopulationreview.com/countries/dr-congo-population, Zugriff 21.6.2022

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Die Verfassung verbietet zwar Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022), Gesetze gewähren Frauen aber nicht die gleichen Rechte wie Männern (USDOS 12.4.2022) bzw. sehen sie sich in der Praxis in fast jedem Aspekt ihres Lebens Diskriminierungen ausgesetzt (FH 28.2.2022).

Gesetzlich ist eine Reihe von Schutzmechanismen für Frauen vorgesehen. Im wirtschaftlichen Bereich dürfen Frauen, ohne die Zustimmung ihrer männlichen Verwandten agieren, Mutterschutz ist vorgesehen, für Diskriminierungen oder Missbrauch von Frauen sind Strafen vorgesehen. Dennoch werden Frauen wirtschaftlich diskriminiert und es gibt gesetzliche Beschränkungen für die Erwerbstätigkeit von Frauen, einschließlich Beschränkungen für als gefährlich geltende Berufe, aber keine Beschränkungen für die Arbeitszeit von Frauen (USDOS 12.4.2022). Das Familienrecht weist den Frauen eine untergeordnete Rolle im Haushalt zu. Junge Frauen suchen zunehmend eine berufliche Tätigkeit außerhalb des Hauses, vor allem in den städtischen Zentren, sind aber mit ungleichen Löhnen und Beförderungen konfrontiert. Wenn die Familien nicht genug Geld haben, um das Schulgeld zu bezahlen, werden Buben oft gegenüber Mädchen bevorzugt, um eine Ausbildung zu erhalten (FH 28.2.2022).

Die Verfassung von 2006 sieht in Artikel 11 und 12 ausdrücklich die Gleichberechtigung der Geschlechter vor. Durch eine Änderung des Familienrechts „Code de la Famille“ wurde 2016 versucht, diesem Verfassungsgrundsatz zu mehr Durchsetzung zu verhelfen. Eine Reihe diskriminierender Pflichten bleiben bestehen, u.a.die Pflicht zum Gehorsam der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann in Artikel 444 des „Code de la Familie“. Jedoch kam es auch zu begrüßenswerten, wenn auch längst überfälligen, Modernisierungen. So ist die Ehefrau nicht mehr verpflichtet, bei ihrem Ehemann zu leben und ihm überall dahin zu folgen, wo er einen Aufenthalt für angebracht hält. Stattdessen richtet sich diese Anforderung nun an beide Ehepartner (Artikel 454,). Größte Herausforderung ist die Implementierung der gesetzlichen Vorgaben in den Alltag der Betroffenen, gerade in ländlicheren Gebieten die oftmals keine Informationen über die gesetzlichen Bestimmungen haben (AA 15.1.2021).

Vergewaltigung steht unter Strafe, aber Opfer erstatten nicht immer Anzeige und das Gesetz wird somit nicht immer umgesetzt. Innereheliche Vergewaltigung ist nicht als Straftatbestand erfasst (USDOS 12.4.2022). Sexualisierte Gewalt kommt häufig vor und ist keineswegs auf die Ostprovinzen beschränkt. Unter dem Druck von Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft werden die Täter seit mehreren Jahren stärker verfolgt, das Problem der Straflosigkeit in diesem Bereich besteht jedoch prinzipiell fort. Zudem werden Vergewaltigungsopfer nicht selten durch die eigene Familie dadurch weiter diskriminiert, dass sie aus der örtlichen Gemeinschaft ausgestoßen, oder zu einer Heirat mit dem Täter gedrängt werden. Daneben sind schätzungsweise 4 bis 10 % der Vergewaltigungsopfer männlichen Geschlechts. Für sie sind die mit sozialer Isolation und Traumatisierung verbundenen Folgen der Tat ebenso schwerwiegend (AA 15.1.2021).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

Alleinstehende Frauen und Mütter

Kongolesische Frauen werden meist mit Müttern gleichgesetzt oder über den Bezug zu einem männlichen Familienmitglied definiert. Frauen werden von sich selbst und von anderen überwiegend als verheiratet mit Kindern definiert und erwachsene Frauen, die nie verheiratet gewesen sind, werden mit Argwohn betrachtet (Davis 2014). Ausgrenzung von Müttern beruht teilweise darauf, dass sie alleinerziehend sind. Das verstößt gegen den Familienkodex und die sozialen Normen. Oft werden diese Frauen nicht als „heiratsfähig“ angesehen, aufgrund der sozioökonomischen Belastung, die mit der Erziehung eines Kindes ohne männlichen Partner einhergeht (Wagner, 13.11.2020).

Ein im Juli 2019 befragter Anwalt aus der DR Kongo gab an, dass es für eine Frau in Kinshasa ein Symbol der Sicherheit und des Respekts ist, männliche Unterstützung zu haben und eine Frau ohne männliche Unterstützung oft herabwürdigender Behandlung und verbaler oder sexueller Belästigung ausgesetzt ist. In einigen Teilen des Landes hat es einige Verbesserungen in Hinsicht auf die Rechte von Frauen gegeben, die Situation für die meisten Frauen ohne männliche Unterstützung bleibt aber schwierig, insbesondere wenn es um die Achtung ihrer Menschenwürde gehe. Alleinstehende Frauen werden oft als wertlos oder revolutionär angesehen, insbesondere, wenn sie versuchen, ihre Rechte zu verteidigen (IRB 3.9.2019).

Es ist für alleinstehende Mütter in einer Umgebung, in der die Schul- und Studiengebühren ohne Rücksicht auf die finanziellen Mittel einer bescheidenen Familie festgelegt würden, eine

Herausforderung, Kinder in die Schule zu schicken (L‘avenir 23.3.2017).

Es ist für alleinstehende Mütter schwierig bis unmöglich finanziell durchzukommen. Um mit der Situation fertig zu werden, wenden diese Frauen verschiedene Methoden an. Einige würden sich mit kleinen Geschäften wie Brotverkauf, Haare flechten, Nähen, usw. durchschlagen. Wenn sie keine gute Ausbildung hätten oder keine Empfehlungen vorweisen könnten, um in einem kongolesischen Unternehmen angestellt zu werden, wo sie sich weiterentwickeln können, wäre ihre Lage existenzbedrohend (L‘avenir 23.3.2017). Sozialwohnungen stehen nicht für alleinstehende Frauen zur Verfügung, sondern nur für Menschen mit politischer oder sozialer Unterstützung (IRB 3.9.2019).

Was den Zugang zu Unterkünften betrifft, so wird berichtet, dass lokale Frauenorganisationen häufig Unterstützungsdienste für Vergewaltigungsopfer anbieten, während internationale humanitäre und Entwicklungsorganisationen psychologische und psychosoziale Unterstützung anbieten (EUAA 25.6.2021).

Quellen:

-             Davis, Laura, et al. (2014): Democratic Republic of Congo - DRC, Gender Country Profile, https://www.lauradavis.eu/wp-content/uploads/2014/07/Gender-Country-Profile-DRC-2014.pdf, Zugriff 21.6.2022

-             EUAA - European Union Agency for Asylum (25.6.2021): Anfragebeantwortung zur Demokratischen Republik Kongo: Lage alleinstehender Frauen, https://www.ecoi.net/en/file/local/2054559/2021_06_EASO_COI_QUERY_DRC_SINGLE_WOMEN.pdf, Zugriff 21.6.2022

-             IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (3.9.2019): Democratic Republic of Congo: Ability to resettle in Kinshasa, particularly for women without male support, including access to housing, jobs and public services (2016-August 2019) [COD106311.FE], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028576.html, Zugriff 21.6.2022

-             L’Avenir (23.3.2017): Se muer en association partagée pour pallier aux besoins du ménage: Une solution pour les femmes sans époux (verfügbar auf Factiva – entnommen der ACCORD AFB a-11424, liegt bei der Staatendokumentation auf)

-             Wagner, K. et al. (13.11.2020): “If römisch eins was with my father such discrimination wouldn’t exist, römisch eins could be happy like other people”: a qualitative analysis of stigma among peacekeeper fathered children in the Democratic Republic of Congo, https://doi.org/10.1186/s13031-020-00320-x, Zugriff 21.6.2022

Kinder

Das Gesetz sieht vor, dass die Staatsbürgerschaft durch Geburt im Land oder dadurch erworben werden kann, dass ein Elternteil einer ethnischen Gruppe angehört, die nachweislich 1960 im Land ansässig war. Nach Angaben von UNICEF registrierte die Regierung etwa 25% der Kinder, die in irgendeiner medizinischen Einrichtung geboren wurden, aber nur 14% der Kinder hatten eine Geburtsurkunde (USDOS 12.4.2022).

Die Verfassung sieht eine gebührenfreie und obligatorische Grundschulbildung vor. Trotz der von Präsident Tshisekedi verfolgten Politik der kostenlosen Grundschulbildung war die Regierung nicht in der Lage, diese konsequent in allen Provinzen anzubieten. Die öffentlichen Schulen erwarteten im Allgemeinen, dass die Eltern zu den Gehältern der Lehrer beitragen. Diese Kosten in Verbindung mit dem möglichen Verlust des Einkommens aus der Arbeit ihrer Kinder, während diese den Unterricht besuchten, führen dazu, dass viele Eltern nicht in der Lage oder nicht bereit sind, ihre Kinder einzuschreiben. UNICEF berichtet, dass etwa 7,6 Millionen Kinder im Alter von fünf bis 17 Jahren nicht zur Schule gehen. Die Hälfte der Mädchen im Alter von fünf bis 17 Jahren besucht keine Schule (USDOS 12.4.2022).

Obwohl das Gesetz die Zustimmung verlangt und die Heirat von Buben und Mädchen unter 18 Jahren verbietet, wurden viele Ehen mit Minderjährigen geschlossen, was zum Teil auf die anhaltende gesellschaftliche Akzeptanz zurückzuführen ist. Die Verfassung stellt die Zwangsheirat unter Strafe. Gerichte können Eltern, die ein Kind zur Heirat zwingen, zu bis zu 12 Jahren Zwangsarbeit und einer Geldstrafe verurteilen. Die Strafe verdoppelt sich, wenn das Kind jünger als 15 Jahre ist; die Vollstreckung ist jedoch begrenzt (USDOS 12.4.2022).

Über die soziale Lage von Kinshasas zahlreichen Straßenkindern existieren keine verlässlichen Angaben. Es ist aber davon auszugehen, dass ihr Alltag durch Armut, Gewalt, Drogenkonsum und Prostitution ebenso geprägt ist wie durch mangelnde medizinische Versorgung bzw. Bildung. Pädophilie wird als Verbrechen gem. Artikel 169, Absatz 4, des Gesetzes zum Schutz von Kindern verfolgt (AA 15.1.2021).

Die meisten Rebellengruppen rekrutieren insbesondere in den Provinzen Nord-Kivu und Ituri
Kindersoldaten. Diese werden vor allem als Köche, Träger, Informanten, zur Verheiratung oder als Sexsklaven eingesetzt. Hauptakteur sind derzeit die Rebellengruppen CODECO und Mai-Mai Mazembe. Überraschend erfolgreich sind Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen für die bewaffneten Gruppen, dank derer es immer wieder zu freiwilligen Freilassungen von Minderjährigen kommt. In den FARDC befinden sich keine Kindersoldaten mehr, die Streitkräfte und das vorgesetzte Ministerium sind nach Auskunft des persönlichen Beauftragten des Staatspräsidenten für den Kampf gegen Kindersoldaten und sexualisierte Gewalt die am besten kooperierenden Institutionen (AA 15.1.2021).

Kinder sind eindeutig die am meisten gefährdete Bevölkerungsgruppe in der Demokratischen Republik Kongo. Obwohl die internationale Gemeinschaft versucht hat, einzugreifen, werden Kinder von allen beteiligten Parteien systematisch und in großem Umfang für den bewaffneten Konflikt im Land rekrutiert, und die DR Kongo hat eine der größten Zahlen von Kindersoldaten in Afrika. Sie werden zum Töten und Foltern ausgebildet und erleben nie eine echte Kindheit. Tausende von kongolesischen Familien wurden infolge des bewaffneten Konflikts getrennt. Die Demokratische Republik Kongo ist auch ein Herkunfts- und Zielland für Kinder, die zu Zwangsarbeit und kommerzieller Sexarbeit gezwungen werden. Es gibt Berichte über kongolesische Mädchen, die in Zelt- oder Hüttenbordellen zwangsprostituiert werden. Die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren ist mit 199 pro 1.000 Lebendgeburten extrem hoch, und Unterernährung ist eine der Hauptursachen für die hohe Sterblichkeitsrate bei Kindern. Mangelndes Wissen, das schlechte Gesundheitssystem und der Mangel an medizinischem Personal, Infrastruktur und Ausrüstung verschlechtern die Lebensbedingungen weiter. Die körperliche und geistige Entwicklung eines Kindes wird durch chronische Unterernährung oft stark beeinträchtigt. Die SOS-Kinderdörfer unterstützen kongolesische Kinder im Land und wollen ihnen Hoffnung und eine bessere Zukunft bieten (SOS o.D.).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             SOS Children’s Villages (o.D.): General information on the Democratic Republic of the Congo, https://www.sos-childrensvillages.org/where-we-help/africa/democratic-republic-congo, Zugriff 22.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

Bewegungsfreiheit

Gesetzlich sind interne Bewegungsfreiheit Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Regierung schränkte diese Rechte manchmal ein (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022).

Die Sicherheitskräfte errichten Sperren und Kontrollpunkte auf Straßen, Flughäfen und Märkten, sowohl aus Sicherheitsgründen als auch um die Bewegungen im Zusammenhang mit den Ebola- und COVID-19-Ausbrüchen zu verfolgen. Der Reiseverkehr war 2021 aufgrund von Vorschriften, mit denen die Verbreitung des COVID-19 eingedämmt werden sollte, erheblich eingeschränkt. Die Sicherheitskräfte schikanieren und erpressen routinemäßig Geld von Zivilisten für angebliche Verstöße und halten sie manchmal fest, bis sie oder ein Verwandter zahlten. Die Regierung verlangt von den Reisenden, dass sie sich bei Inlandsreisen sowie bei der Ein- und Ausreise in die bzw. aus der Stadt an Flughäfen und Häfen Kontrollen unterziehen (USDOS 12.4.2022).

Die Bewegungsfreiheit ist gesetzlich gewährleistet, wird in der Praxis aufgrund von bewaffneten Konflikten und anderen Sicherheitsproblemen stark eingeschränkt. Verschiedene bewaffnete Gruppen und Regierungskräfte erlegen Reisenden illegale Zölle bei der Durchreise durch von ihnen kontrolliertes Gebiet auf (FH 28.2.2022).

Quellen:

-             FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022

-             USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022

Grundversorgung und Wirtschaft

Die Demokratische Republik Kongo ist zwar reich an natürlichen Ressourcen (Bodenschätze, Holz, Wasserkraft, fruchtbare Böden), aber ein armes Land. Bergbauprodukte, insbesondere Kupfer, Diamanten, Gold und Coltan sind die wichtigsten Devisenbringer und die bedeutendste Einnahmequelle des Staates. Die Einwohnerzahl liegt bei 90 Millionen, das BIP pro Kopf bei rund 500 US-Dollar (WKO 2022).

Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt am Rande des Existenzminimums. Großfamilien gelingt es nicht immer, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen. Die Stadtbevölkerung in der Millionenstadt Kinshasa ist immer weniger in der Lage, mit städtischer Kleinstlandwirtschaft und Kleinviehhaltung die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern (AA 15.1.2021). Die Arbeitslosigkeit bei den 15-64-jährigen beträgt 5,4% (WKO 4.2022).

Vor allem Frauen und Kinder müssen mit Kleinsthandel zum Familienunterhalt beitragen. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist für die Bevölkerung in Kinshasa und in den übrigen Landesteilen zwar schwierig und teuer, es herrscht jedoch noch keine akute Unterversorgung. Eine Ausnahme bilden die Unruheprovinzen, da die Vertriebenen oft keine Möglichkeit haben, sich neu anzusiedeln und zumindest eine Subsistenzlandwirtschaft zu betreiben. Ferner können sie von internationalen Hilfsorganisationen wegen der Aktivitäten vieler bewaffneter Gruppen immer noch nicht auf dem gesamten Territorium der DR Kongo versorgt werden. MONUSCO sowie der Staat sind bemüht, die staatliche Autorität flächendeckend zu etablieren. Diese Bemühungen haben auch 2020 erhebliche Rückschläge erlitten (AA 15.1.2021).

Das kongolesische Sozialversicherungssystem stützt sich im Wesentlichen auf die Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS). Diese deckt nur die Arbeitnehmer des formellen Sektors ab, die in Wirklichkeit weniger als 20% der Arbeitnehmer des Landes ausmachen. Die Mehrheit der Kongolesen verlässt sich stattdessen auf einen Sozialschutz, der auf familiären oder anderen informellen Bindungen beruht. Die Vereinten Nationen schätzten, dass im Jahr 2020 25,6 Millionen Bürger der Demokratischen Republik Kongo auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden (BS 23.2.2022).

Rund 27 Millionen Menschen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) sind zwischen September und Dezember 2021 von einer hohen akuten Ernährungsunsicherheit (IPC-Phase 3 oder höher) betroffen, davon rund 6,1 Millionen Menschen von einer kritischen akuten Ernährungsunsicherheit (IPC-Phase 4). Das Land hat weltweit die größte Anzahl von Menschen, die von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sind. Diese Ernährungsunsicherheit ist das Ergebnis einer Kombination aus Konflikten, wirtschaftlichem Niedergang, hohen Lebensmittelpreisen und den anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Obwohl die jüngste Analyse im Vergleich zu den Zahlen des letzten Jahres (27,3 Millionen) eine leichte Verbesserung darstellt, sind die Zahl und der Schweregrad der Fälle weiterhin unannehmbar hoch. Von den insgesamt 179 analysierten Gebieten wurden fünf Gebiete als Notstandsgebiete (IPC-Phase 4) eingestuft, hauptsächlich Djugu (Provinz Ituri), Kamonia und Luebo (Provinz Kasai) sowie Dibaya und Luiza (Provinz Zentral-Kasai). Im Projektionszeitraum von Jänner bis Juni 2022 werden sich voraussichtlich 25,9 Millionen Menschen oder 25% der untersuchten Bevölkerung in der IPC-Phase 3 oder darüber befinden, darunter 5,4 Millionen in der Notlage (IPC-Phase 4). Die Lage in Irumu (Provinz Ituri) und Gungu (Provinz Kwilu) wird sich wahrscheinlich verschlechtern, sodass diese Gebiete als Notstandsgebiete (IPC-Phase 4) eingestuft werden, in denen 65% bzw. 45% der Bevölkerung von kritischer Ernährungsunsicherheit betroffen sind (IPC 10.11.2021).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Congo, DR, https://bti-project.org/en/reports/country-report/COD, Zugriff 21.6.2022

-             IPC - Integrated Food Security Phase Classification (10.11.2021): Democratic Republic of Congo: Acute Food Insecurity and Acute Malnutrition Situation September 2021 - August 2022, https://www.ipcinfo.org/ipc-country-analysis/details-map/en/c/1155280/, Zugriff 21.6.2022

-             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (4.2022): Länderprofil DR KONGO, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-dr_kongo.pdf, Zugriff 21.6.2022

-             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2022): Demokratische Republik Kongo: Informationen zu Wirtschaft, Recht und Steuern sowie Reisen, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/demokratische-republik-kongo-wirtschaft-recht-steuern.html, Zugriff 21.6.2022

Medizinische Versorgung

Die Demokratische Republik Kongo hat eine der höchsten Armutsraten und eines der schlechtesten Gesundheitssysteme in Afrika südlich der Sahara. Der Kampf des Landes mit der Gesundheitsversorgung hängt mit vielen anderen sozioökonomischen Problemen zusammen, mit denen das Land zu kämpfen hat. Die Gesundheitsversorgung im Kongo ist für seine Bürger nicht gewährleistet. Dies ist auf die lang anhaltende Armut und die mangelnde Effizienz des Gesundheitswesens im Lande zurückzuführen. Da es in der DR Kongo keine Krankenhäuser gibt, die eine kostenlose Versorgung anbieten, muss jeder Patient selbst zahlen. Arztrechnungen können zwischen 50 und 100 US-Dollar liegen. Das durchschnittliche Jahresgehalt im Kongo beträgt jedoch nur 400 US-Dollar, was die medizinischen Kosten unerschwinglich macht. Hinzu kommt, dass 71% der Bevölkerung in Armut leben und das Gesetz nicht vorschreibt, dass die Menschen trotz ihrer wirtschaftlichen Lage Zugang zur Gesundheitsversorgung haben (TBG 20.1.2021).

Der bewaffnete Konflikt hat die Fähigkeit des Landes, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, über Jahrzehnte hinweg immer wieder beeinträchtigt. Der mit dem Konflikt verbundene Mangel an Stabilität hat die Situation noch verschlimmert. Auf 10.000 Einwohner kommen 0,28 Ärzte und 1,91 Krankenschwestern und Hebammen im Land. Im Kongo haben sich das Personal im Gesundheitswesen und das Niveau der Versorgung verschlechtert. Es gibt keine Koordinierungsstruktur, die es den Ausbildungseinrichtungen für Gesundheitspersonal ermöglicht, den aktuellen Bedürfnissen des Gesundheitssystems Rechnung zu tragen. In den Ausbildungsstätten fehlt es an materiellen und finanziellen Ressourcen. Die Patienten müssen einen Termin bei ihrem Arzt vereinbaren, um untersucht zu werden. In den meisten Fällen haben die Ärzte nur an bestimmten Tagen in der Woche Sprechstunden. Da es nur wenige Gesundheitszentren mit Ärzten gibt, müssen die Patienten lange warten, bis sie behandelt werden können. Derzeit gibt es im Kongo 401 Krankenhäuser. Darüber hinaus ist der Zugang zur medizinischen Grundversorgung in den Kleinstädten begrenzt, sodass viele Einwohner weiterhin Schwierigkeiten haben, eine angemessene medizinische Versorgung zu erhalten. Diese Krankenhäuser verfügen auch nicht über die notwendigen Geräte und Materialien, um die meisten gesundheitlichen Probleme der Patienten zu lösen. Unter anderem wegen des bewaffneten Konflikts gehen den Krankenhäusern oft wichtige Rezepte und Materialien für verschiedene Leistungen aus (TBG 20.1.2021).

Der Großteil der Bevölkerung kann nicht hinreichend medizinisch versorgt werden. In den entlegenen Landesteilen haben große Teile der Bevölkerung de facto überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Der UNHCR bezeichnet die Gesundheitsversorgung im ganzen Land als katastrophal. Ein funktionierendes Krankenversicherungssystem für die Bevölkerungsmehrheit existiert nicht. Nur im formellen Sektor (ca. 1,5 Mio. Beschäftigte, darunter der öffentliche Dienst) gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Krankenversicherung mit einem sehr eingeschränkten Leistungsspektrum. In der Regel zahlen Arbeitgeber die Behandlungskosten ihrer Beschäftigten. Nur wenn der Patient über die notwendigen Geldmittel verfügt, können die meisten vorkommenden Krankheiten überhaupt diagnostiziert und – mit Einschränkungen – fachgerecht behandelt werden. Für zahlungskräftige Patienten stehen in den großen Städten, vor allem in Kinshasa und Lubumbashi, hinreichend ausgestattete private Krankenhäuser und fachkundige Ärztinnen bzw. Ärzte zur Verfügung. Ebenso gibt es in Kinshasa mehrere Apotheken, die gegen Bezahlung binnen weniger Tage so gut wie alle auf dem europäischen Markt zur Verfügung stehenden Medikamente liefern können (AA 15.1.2021).

Die medizinische Versorgung im Land ist mit der in Europa nicht zu vergleichen, sie ist vielfach technisch und apparativ problematisch, die hygienischen Standards sind oft unzureichend, im unzugänglichen Landesinneren ist eine medizinische Versorgung oft gar nicht verfügbar. In der Hauptstadt Kinshasa sind die meisten Medikamente erhältlich, aber sehr teuer - vorübergehende Engpässe können nie ausgeschlossen werden. In Kinshasa und anderen Städten des Landes sind private Arztpraxen und Kliniken verfügbar (AA 22.6.2022).

In der Demokratischen Republik Kongo kommt es immer wieder zu lokalen Ebola-Fieber-Ausbrüchen vor allem im Osten, seltener im Norden / Nordwesten des Landes. Zuletzt wurden im April 2022 Fälle in der Provinz Equateur gemeldet (AA 22.6.2022).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt (22.6.2022): Demokratische Republik Kongo - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kongodemokratischerepublik-node/kongodemokratischerepubliksicherheit/203202, Zugriff 22.6.2022

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             TBG - The Borgen Project (20.1.2021): Examining the Healthcare System in the Congo, https://borgenproject.org/healthcare-in-the-congo/, Zugriff 22.6.2022

Rückkehr

Es liegen auch keine Erkenntnisse vor, dass allein ein Asylantrag zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen gegen kongolesische Staatsangehörige nach deren Rückkehr geführt habe (AA 15.1.2021).

Abgelehnte und in die DR Kongo zurückgeführte Asylbewerber sowie Kongolesen mit deutschen und anderen ausländischen Pässen werden bei Ankunft am internationalen Flughafen N’Djili/Kinshasa grundsätzlich von Beamten der Einwanderungsbehörde, „Direction Générale de Migration“(DGM), befragt. Ebenfalls werden ankommende Passagiere, die nur mit einem Passersatzpapier einreisen oder als zurückgeführte Personen angekündigt sind, in die Büros der DGM neben der Abflughalle im Flughafengebäude begleitet, wo ihre Personalien aufgenommen werden und ein Einreiseprotokoll erstellt wird. Geprüft wird dabei vornehmlich die Staatsangehörigkeit. Daneben werden die aufliegenden Fahndungslisten abgeglichen. Bei begründeten Zweifeln an der kongolesischen Staatsangehörigkeit oder der Echtheit des ausländischen Passes wird die Einreise verweigert (AA 15.1.2021).

Nach bisherigen Erfahrungen bleiben die betroffenen Personen unbehelligt und können nach der Überprüfung durch die DGM, den Zoll und die Gesundheitsbehörden sowie in besonderen Fällen auch durch den ANR („Agence Nationale de Renseignement“, ziviler Nachrichtendienst) zu ihren Familienangehörigen weiterreisen. Staatliche Repressionen gegen diese Personen wurden dabei bislang in keinem Fall festgestellt. Diese Situation könnte sich jedoch ändern, soweit Rückkehrer sich in der DR Kongo politisch betätigen wollen (AA 15.1.2021).

OFII, die Organisation Française de l’Immigration et de l’Intégration, ist eine staatliche Einrichtung Frankreichs. Diese betreibt in vielen (vorwiegend frankophonen afrikanischen) Staaten Büros zur Reintegrationen von Rückkehrenden aus Frankreich. In die DR Kongo Rückkehrende aus Österreich können die französischen Reintegrationsbüros nutzen (BMI o.D.).

Rückkehrer sind zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf Unterstützung aus dem Familienkreis bzw. durch NGOs (international oder national) oder kirchliche Institutionen angewiesen. Staatliche Hilfe (Aufnahmeeinrichtung, Wohnraum, Sozialhilfe) steht nicht, oder nur sehr begrenzt zur Verfügung. Das Land ist zudem durch nicht abreißende IDP-Bewegungen geprägt, langfristige Rückkehr gibt es insbesondere im Ostkongo nur selten (AA 15.1.2021).


Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022

-             BMI - Bundemsinisterium für Inneres [Österreich] (o.D.): Demokratische Republik Kongo - So funktioniert die Rückreise in Ihre Heimat, https://www.returnfromaustria.at/kongo_drc/kongo_drc_deutsch.html, Zugriff 22.6.2022

Dokumente

Angesichts der weit verbreiteten Korruption der Justiz- und Verwaltungsbehörden kann eine Vielzahl an Dokumenten (Reisepass, Personalausweis, Heirats- und Geburtsurkunde, Ledigkeitsbescheinigung, Scheidungsurteil, Haftbefehl, offizielle Bestätigungsschreiben jeglicher Art) mit vom Besteller vorgegebenem Inhalt von der formal zuständigen Stelle käuflich erworben werden. Zudem werden viele Personenstandsfälle nicht ordnungsgemäß bei den Standesämtern registriert, selbst wenn die Registrierung erfolgt ist, sind ältere Personenstandsregister oft zerstört, da insbesondere während der Plünderungen Anfang der 90er Jahre die Register vieler Standesämter vernichtet wurden (AA 15.1.2021).

Seit Jänner 2016 werden im Kongo neue, biometrische Reisepässe ausgestellt. Diese kosten zwischen 200 und 300 Dollar, abhängig davon, wie schnell der Pass ausgestellt werden soll und wie gut die Verbindungen des jeweiligen Antragstellers ins Außenministeriums sind. Reisepässe sind kein zuverlässiger Nachweis der Identität, da sie entweder mit einem bestimmten Inhalt gekauft werden oder schon die bei ihrer Ausstellung vorzuweisenden Dokumente gefälscht oder inhaltlich unrichtig (z. B. aufgrund einer ohne weitere Nachprüfung ausgestellten „attestation de naissance“) sein können (AA 15.1.2021).

Quelle:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022“

8. Gegen die Bescheide richten sich die rechtzeitig beim BFA eingebrachten Beschwerden der BF.

9. Nach Beschwerdevorlage wurden insbesondere weitere psychiatrische Unterlagen betreffend die BF1 vorgelegt.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.

Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß Paragraph 31, Absatz eins, VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Absatz 3, sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes Paragraph 29, Absatz eins, zweiter Satz, Absatz 4 und Paragraph 30, sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Zu A):

Paragraph 28, Absatz eins bis Absatz 3, VwGVG lautet:

„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Absatz 2, nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“

Seit seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in Paragraph 28, Absatz 3, zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist vergleiche VwGH 20.06.2017, Ra 2017/18/0117; VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123). Die nach Paragraph 28, Absatz 3, zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungs-möglichkeit ist sohin als eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu betrachten, weshalb sie nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Frage kommt vergleiche VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt, bloß ansatzweise ermittelt oder konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden vergleiche VwGH 20.06.2017, Ra 2017/18/0117; VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Paragraph 18, AsylG, der mit "Ermittlungsverfahren" überschrieben ist, regelt, dass die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Bestimmung stellt eine Konkretisierung der aus Paragraph 37, AVG in Verbindung mit Paragraph 39, Absatz 2, AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes vergleiche VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt vergleiche VfSlg. 13.302/1992 mwN, 14.421/1996, 15.743/2000).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung durch Privatpersonen oder private Gruppierungen dann asylrelevant, wenn sie auf einem Konventionsgrund beruht und der Staat nicht willens oder in der Lage ist, diese Verfolgung zu unterbinden. Selbst wenn keine Verfolgung aufgrund eines Konventionsgrundes vorliegt, kann sie dennoch asylrelevant sein, sofern der Herkunftsstaat aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen keinen Schutz gewährt vergleiche VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063).

Vor diesem Hintergrund ist die Argumentation des BFA nicht zutreffend, wonach die von BF1 geschilderten fluchtbegründenden Umstände – unabhängig von deren Wahrheitsgehalt – keine asylrelevante Bedrohung in der Demokratischen Republik Kongo begründen könnten, da das BFA im Fall der BF1 weder eine Verfolgung, die von einer staatlichen Behörde ausgehe, noch eine dem Herkunftsstaat zurechenbare Verfolgung erkennen könne. Zwar hat BF1 bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme angegeben, keine Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt zu haben, doch führte sie sowohl vor dem BFA als auch in ihrer Beschwerde aus, dass ihr Bruder den Vorfall zur Anzeige gebracht habe, dies jedoch folgenlos geblieben sei. In der Folge sei ihr Bruder ermordet worden, ohne dass es eine gerichtliche Verfolgung des Vorfalls gegeben habe.

Unter Berücksichtigung der vom BFA selbst getroffenen Länderfeststellungen kann die Asylrelevanz des Vorbringens von BF1 daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Aus nachfolgenden Gründen muss angenommen werden, dass im gegenständlichen Fall eine Mangelhaftigkeit im Sinne des Paragraph 28, Absatz 3, zweiter Satz VwGVG vorliegt:

Die BF1 brachte bereits vor der belangten Behörde vor, an einer psychischen Erkrankung zu leiden, gab an, regelmäßig Medikamente einzunehmen und legte insbesondere bereits im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme dem BFA eine Therapieempfehlung einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vor, wonach bei der BF1 eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden sei, und ihr insbesondere empfohlen wurde, die Medikation mit Mirtazapin auf 30 mg zu erhöhen und auch Atarax bei nächtlicher Unruhe und Angst einzunehmen. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab die BF1 u.a. auch an, dass sie Probleme mit dem Kopf habe und sich nicht alles merke. Sie habe Schwierigkeiten mit dem Kopf.

Das BFA traf keine nachvollziehbaren Feststellungen insbesondere in Bezug auf die vorgebrachte psychische Erkrankung der BF1, sondern erschöpfte sich festzustellen, dass die BF1 an keiner schwerwiegenden lebensbedrohenden physischen oder psychischen Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung leide, wobei die Feststellung – so die nicht nachvollziehbare Begründung im Bescheid – bezüglich ihres allgemeinen Gesundheitszustandes aufgrund ihrer glaubhaften Angaben in der Einvernahme beim BFA am 15.06.2023 getroffen worden sei. In der weiteren Begründung wird dann (grob aktenwidrig) davon ausgegangen, dass die BF1 selbst angegeben habe, gesund zu sein. Für die von ihr vorgebrachte Traumatisierung, für die sie keinen ärztlichen Nachweis vorgelegt habe (dies ist ebenso aktenwidrig), sei eine Behandlung in ihrem Herkunftsstaat verfügbar.

Ohne fachärztliches psychiatrisches Gutachten kann aber nicht beurteilt werden, ob eine für die Entscheidung relevante psychische Erkrankung vorliegt.

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu berücksichtigen sind (siehe etwa VwGH 28.04.2011, 2011/01/0028; 15. März 2010, Zl. 2006/01/0355, mwN).

Im fortgesetzten Verfahren wird das BFA daher einen Facharzt/eine Fachärztin für Psychiatrie beiziehen müssen, um den aktuellen Gesundheitszustand und die Einvernahmefähigkeit der BF1 zu untersuchen. So ist zu erheben, ob die Verhandlungs- bzw. Vernehmungsfähigkeit der BF1 wegen eines Krankheitsbildes beeinträchtigt und die BF1 in der Lage ist, konsistente Angaben zu ihren Ereignissen aus der Vergangenheit zu machen. Diese Ermittlungsergebnisse sind folglich im Rahmen der Beweiswürdigung zu verwerten (wobei sich das BFA auch mit den vorgebrachten Verletzungen im Genitalbereich der BF1 und den diesbezüglich vorgelegten Befund der Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe erstmals zu beschäftigen hat), und kann erst in der Folge ernsthaft beurteilt werden, ob die BF1 asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt ist. Die pauschale Beurteilung der fluchtauslösenden Schilderungen der BF1 (insbesondere auch im Zusammenhang mit Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung) durch das BFA als nicht nachvollziehbar und „absolut“ lebensfremd, und somit nicht glaubhaft, genügt dem nicht, zumal das BFA den Zustand der BF1 gänzlich unberücksichtigt ließ, diesbezügliche Ermittlungen jedoch in Anbetracht ihres Vorbringens und der vorgelegten Unterlagen dringend angezeigt gewesen wären, diese jedoch unterblieben.

Erst nach Beantwortung dieser Fragen wird das BFA zu erheben haben, ob im Herkunftsstaat der BF1, falls nötig, eine ausreichende Gesundheitsversorgung und Behandlungsmöglichkeiten verfügbar (und auch zugänglich) sind. In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass die belangte Behörde in der Begründung darlegte, dass für die von der BF1 vorgebrachte Traumatisierung eine Behandlung in ihrem Herkunftsstaat verfügbar sei. Diese Feststellung lässt sich jedoch aus den nur allgemeinen Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid keinesfalls ableiten (denen zufolge ist die Gesundheitsversorgung nicht gewährleistet, wird diese gar als katastrophal bezeichnet, und sind die medizinischen Kosten für die durchschnittliche Bevölkerung unerschwinglich), und bedarf es hierzu insbesondere der Einholung aktueller, konkreter Länderberichte in Bezug auf die konkrete Situation der BF1.

Im gegenständlichen Fall ist die angefochtene Entscheidung der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Der Umfang des notwendigerweise noch durchzuführenden und von der belangten Behörde unterlassenen Ermittlungsverfahrens lässt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis gelangen, dass dessen Nachholung durch das Bundesverwaltungsgericht ein Unterlaufen des Instanzenzuges bedeuten würde und daher im vorliegenden Fall nach Paragraph 28, Absatz 3, zweiter Satz VwGVG vorzugehen ist. Dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis iSd Paragraph 28, Absatz 2, Ziffer 2, VwGVG verbunden wäre, kann - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten administrativ-manipulativen Aufwandes - nicht gesagt werden.

Die Voraussetzungen des Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Diese Entscheidung schlägt sich im Wege des Familienverfahrens auch auf die minderjährige BF2 und den minderjährigen BF3 durch.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß Paragraph 24, Absatz 2, Ziffer eins, VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die mit Beschwerde angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich zudem als klar und eindeutig. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2025:W142.2280826.1.00