Bundesverwaltungsgericht
27.08.2024
W215 2168406-3
W215 2168406-3/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , Staatsangehörigkeit Kirgisische Republik, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2023, Zahl 1135587806/220359065, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG), in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012,, Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG, Paragraph 57, AsylG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 86 aus 2021,, Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 145 aus 2017,, Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, (BFA-VG), in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 56 aus 2018, und Paragraph 52, Fremdenpolizeigesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (FPG), in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 110 aus 2019,, und Paragraph 55, FPG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2013,, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, Bundes-Verfassungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, (B-VG), in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 51 aus 2012,, nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. rechtskräftig abgeschlossenes erstes Asylverfahren:
Die Beschwerdeführerin reiste problemlos legal mit ihrem kirgisischen Reisepass und einem von römisch 40 ausgestellten Schengenvisum aus der Kirgisischen Republik aus, nach Österreich ein und stellte am römisch 40 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz.
In ihrer Erstbefragung am römisch 40 gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, sie sei ledig und gehöre der Volksgruppe der Kirgisen an. Sie stamme aus römisch 40 und habe dort von römisch 40 bis römisch 40 die Grundschule und danach von römisch 40 bis römisch 40 die islamische Berufsschule besucht. Sie habe keinen Beruf erlernt und sei Schülerin gewesen. Ihre Eltern und ihr Bruder leben nach wie vor in römisch 40 . Die Beschwerdeführerin behauptete wahrheitswidrig, sie sei am römisch 40 mit dem Zug von römisch 40 nach Moskau gereist und danach mit einem Mikrobus über unbekannte Länder nach Österreich geschleppt worden. Ihre Mutter habe alles organisiert, sie könne nichts Genaueres über die Schleppung angeben. Zu ihren Fluchtgründen führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihre Großeltern väterlicherseits bestimmt hätten, dass sie römisch 40 in eine muslimische Berufsschule gehen solle. Sie sei dann ca. ein Jahr dort hingegangen, habe die Schule aber nicht weiter besuchen wollen, da sie dort fünfmal am Tag hätte beten müssen. Ihre Großeltern hätten gewollt, dass sie mit einem älteren muslimischen Mann zwangsverheiratet werde. Ihre Mutter und die Beschwerdeführerin hätten das nicht gewollt und ihre Mutter habe daraufhin ihre Ausreise organisiert. Im Fall einer Rückkehr habe die Beschwerdeführerin Angst um ihr Leben.
Nach einem Abgleichsbericht zur VIS-Abfrage kam jedoch hervor, dass der Beschwerdeführerin in der Erstbefragung bewusst unwahre Angaben gemacht hatte, da ihr von der römisch 40 Botschaft in römisch 40 ein Schengenvisum für eine einmalige Einreise im Zeitraum vom römisch 40 bis römisch 40 für neun Tage zum Zwecke einer medizinischen Behandlung erteilt worden war. Auf Ersuchen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl übermittelte die römisch 40 Botschaft mit Schreiben vom römisch 40 die von der Beschwerdeführerin im Visaverfahren vorgelegten Unterlagen (Einladungsschreiben des römisch 40 , Antragsformular für ein Schengenvisum für römisch 40 , Reiseversicherung, Kopie des Reisepasses, Schulbesuchsbestätigung, Arbeitsbestätigung der Mutter der Beschwerdeführerin samt Kopien deren Reisepasses, deren Kontobestätigung und eines Sponsorenschreibens, wonach die Mutter für alle Kosten der Beschwerdeführerin in römisch 40 aufkomme, Hotelvoucher und Flugtickets für die Beschwerdeführerin und ihre Mutter, Personalausweis und Vollmacht des Vaters der Beschwerdeführerin, wonach die Mutter für die Dauer des Auslandsaufenthaltes die Obsorge über die Beschwerdeführerin ausübe und ärztliche Bestätigung des römisch 40 der Republik Kirgisistan, wonach die Beschwerdeführerin am römisch 40 wegen einer römisch 40 infolge einer römisch 40 an der römisch 40 vorstellig worden sei.
Am 16.02.2017 wurde die Beschwerdeführerin im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt. Sie gab zu ihren Lebensumständen zusammengefasst an, dass sie in römisch 40 geboren sei. Sie habe sieben Jahre lang eine römisch 40 Schule besucht und sei danach zwei Jahre in eine muslimische Schule gegangen. Ihre Eltern und ihr Bruder leben in römisch 40 , weiters habe sie ihre Großeltern sowie Onkel und Tanten im Herkunftsstaat. Ihre wirtschaftliche/finanzielle Situation sei gut gewesen und es habe ihnen an nichts gefehlt. Ihre Eltern hätten nicht gearbeitet, wie sie den Lebensunterhalt finanziert hätten, wisse die Beschwerdeführerin nicht. Auf Vorhalt, wonach ihre Eltern vor mehreren Jahren erfolglos Asylanträge in Österreich gestellt hätten, gab die Beschwerdeführerin an, sie wisse die Gründe dafür nicht. Sie habe keinen Kontakt zu ihrer Familie, ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie keinen Kontakt haben solle. Die Beschwerdeführerin sei illegal nach Österreich eingereist und könne zu der Organisation der Reise nichts Näheres angeben, das habe alles ihre Mutter gemacht. In römisch 40 sei die Beschwerdeführerin nie gewesen, ihre Mutter habe sie nach Österreich geschickt. Zu ihren Fluchtgründen gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, dass ihre Großeltern väterlicherseits sehr religiös seien und die Beschwerdeführerin gezwungen hätten, in eine muslimische Schule zu gehen. Es sei für die Beschwerdeführerin wie ein Gefängnis gewesen, sie habe mehrmals am Tag beten und einen Hijab tragen müssen. Nachdem sie sich gegen diese Regeln gewehrt und auch schlechte Beziehungen zu ihren Mitschülerinnen gehabt habe, habe ihr Großvater die Beschwerdeführerin von der Schule genommen und gesagt, dass sie heiraten müsse. Die Beschwerdeführerin sei damit nicht einverstanden gewesen und daraufhin habe er sie verprügelt. Ihre Eltern seien zwar auf ihrer Seite gewesen, aber ihre Großeltern hätten nicht auf ihre Eltern gehört. Ihr Vater sei krank und ihre Mutter sei nur die Schwiegertochter und habe sich unterordnen müssen. Deswegen habe die Mutter der Beschwerdeführerin beschlossen, die Beschwerdeführerin hierher zu schicken. Die Beschwerdeführerin wolle auf keinen Fall zurück, ihre Großeltern würden sie umbringen, weil sie die Heirat abgelehnt und Schande über sie gebracht habe.
Der erste Antrag auf internationalen Schutz vom römisch 40 wurde mangels Glaubwürdigkeit der Behauptungen der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2017, Zahl 1135587806/161564972, in Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich des Status des Asylberechtigten sowie in Spruchpunkt römisch II. gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kirgisistan abgewiesen. Der Beschwerdeführerin wurde gemäß Paragraph 57, AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit
§ 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß
§ 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt römisch III.). Es wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt römisch IV.).
Nach einer fristgerecht gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.08.2020, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2020, Zahl 2168406-1/17E, die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und eine Revision für nicht zulässig erklärt. Dieses Erkenntnis wurde der Beschwerdeführerin am 23.12.2020 zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft.
Danach weigerte sich die Beschwerdeführerin ihre Ausreiseverpflichtung nachzukommen und blieb illegal im Bundesgebiet.
2. rechtskräftig abgeschlossenes zweites Asylverfahren:
Die Beschwerdeführerin stellte während ihre illegalen Aufenthalts am 13.01.2021 einen zweiten (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich einer am selben Tag erfolgten Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr bisher angegebener Fluchtgrund, wonach sie Schande über ihren Verlobten und seine Familie gebracht habe, aufrecht bleiben. Bei einer Rückkehr fürchte sie, dass ihr Verlobter sie töte.
Am 02.02.2021 wurde die Beschwerdeführerin im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt und danach mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2021, Zahl 1135587806/210050652, der zweite Antrag auf internationalen Schutz in Spruchpunkt römisch eins. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und in Spruchpunkt römisch II. hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten jeweils gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchpunkt römisch III. wurden gemäß Paragraph 57, AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. In Spruchpunkt römisch IV. wurden gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und in Spruchpunkt römisch fünf. gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Kirgisistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig ist. In Spruchpunkt römisch VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins a, FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht und in Spruchpunkt römisch VII. eine auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.
Nach einer fristgerecht gegen diesen Bescheid vom 17.02.2021 erhobenen Beschwerde wurde, dieser zunächst mit Beschluss vom 09.03.2021 aufschiebende Wirkung zuerkannt und mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2021, Zahl 2168406-2/5E, in Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 28, Absatz 2, Ziffer eins, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 68, Absatz eins, AVG, Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3 und Paragraph 57, AsylG, Paragraph 9, BFA-VG, Paragraph 52, Absatz 2 und Absatz 9, FPG, Paragraph 53, Absatz eins und 2 FPG sowie Paragraph 55, FPG als unbegründet abgewiesen. In Spruchpunkt römisch II. wurde ausgesprochen, dass gemäß
§ 55 Absatz 2, FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Eine Revision wurde gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG für nicht zulässig erklärt. Dieses Erkenntnis wurde der Beschwerdeführerin am 05.10.2021 zugestellt und erwuchst damit in Rechtskraft.
Aber auch danach weigerte sich die Beschwerdeführerin ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen und blieb weiterhin illegal im Bundesgebiet.
3. erstinstanzliches drittes Asylverfahren:
Die Beschwerdeführerin stellte während ihrs illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet am 26.02.2022 im Bundesamt für Fremdenwesen gegenständlichen dritten (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung am selben Tag gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie ihre Fluchtgrüne aus den beiden rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren aufrecht halte und brachte zudem neu vor, dass sie seit Februar 2022 von Kyrk Choro verfolgt werde.
In der niederschriftlichen Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.02.2022 gab die Beschwerdeführerin kurz zusammengefasst an, dass ihre Fluchtgründe aus den ersten beiden Asylverfahren nicht mehr bestünden, aber sie von unbekannten Menschen gedroht worden sei, dass diese die Beschwerdeführerin Kyrk Choro übergeben würden. Das sei eine Organisation die Mädchen verfolge, die sich nicht nach dem islamischen Gesetz richten.
Die Beschwerdeführerin wurde am 25.08.2022 ein weiteres Mal im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl befragt und gab zusammengefasst an, dass sie im Februar 2022 einen römisch 40 eröffnet und Fotos gepostete habe, auf denen sie geraucht, oder die Zunge gezeigt oder freizügig bekleidet gewesen sei und über eine römisch 40 negative Reaktionen bekommen habe. Ein Foto, welches sie auf römisch 40 gepostete habe, hätte ein negatives Kommentar bekommen. Eine private Nachricht habe die Beschwerdeführerin nicht erhalten. Die Beschwerdeführerin habe im Februar 2022 die erste Drohung von Unbekannten auf römisch 40 erhalten, wonach man sie in Kirgisistan umbringen und zu der Organisation „KYRK CHORO“ bringen werde. Nachgefragt gab die Beschwerdeführerin an, sie habe deswegen nie keine Anzeige bei der Polizei gemacht, sondern ersuche stattdessen um Asyl.
Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2023, Zahl 1135587806/220359065, wurde der dritte Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz in Spruchpunkt römisch eins. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG und in Spruchpunkt römisch II. gemäß
§ 8 Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kirgisistan abgewiesen. In Spruchpunkt römisch III. wurden gemäß Paragraph 57, AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. In Spruchpunkt römisch IV. wurden gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen, in Spruchpunkt römisch fünf. gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Kirgisistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig ist und in Spruchpunkt römisch VI. ausgesprochen, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Mit Verfahrensanordnung vom 15.02.2023 wurde der Beschwerdeführerin gemäß
§ 52 Absatz eins, BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
4. Beschwerdeverfahren:
Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2023, Zahl 1135587806/220359065, zugestellt am 22.02.2023, erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht am 10.03.2023 die gegenständliche Beschwerde. Darin wird auszugsweise das bisherige Vorbringen im Verfahren wiederholt und beantragt der Beschwerdeführerin Asyl zu gewähren, in eventu subsidiären Schutz zu gewähren, in eventu festzustellen, dass die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer unzulässig ist, in eventu aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der Beschwerde vom 10.03.2023 waren Kopien eine Schulbesuchsbestätigung einer Handelsakademie für Berufstätige vom römisch 40 beigelegt, einer römisch 40 Stellungnahme vom römisch 40 , ein Email einer Schulkollegin vom 02.03.2023, welche damals nicht dieselbe Klasse, aber die selbe Handelsakademie für Berufstätige besuchte, ein Empfehlungsschreiben einer ehrenamtlichen Lehrerin vom 28.02.2023 die ersucht der Beschwerdeführerin eine Lehre in der Pflegeausbildung zu ermöglichen, sechs Empfehlungsschreiben alle vom 01.03.2023 (zwei aus Wien, zwei aus St. Pölten, eines aus römisch 40 und eine aus Graz), sowie ein Einstellungszusage mit folgendem Wortlaut:
„Mein Name ist römisch 40
Ich werde einstellen wenn Frau römisch 40 eine Arbeitserlaubnis bekommt
Mit freundlichen Grüßen
römisch 40 Restaurant
römisch 40 Wien
01.03.2023 Wien“
Die Beschwerdevorlage vom 14.03.2023 langte am 21.03.2023 im Bundesverwaltungsgericht ein.
Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 14.07.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Zur Beschwerdeverhandlung erschien die Beschwerdeführerin in Begleitung ihres Vertreters. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt hatte sich bereits vorab mit Schreiben vom 17.05.2023 entschuldigt. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.
Am 28.07.2023 langte eine schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin, samt Vorlage von Unterlagen, im Bundesverwaltungsgericht ein
Nach einem Parteiengehör langte am 20.08.2024 eine schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin, samt Vorlage von Unterlagen, im Bundesverwaltungsgericht ein.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
a) Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin:
Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Sie ist Staatsangehörige der Republik Kirgisistan und gehört der Volksgruppe der Kirgisen an. Die Muttersprache der Beschwerdeführerin ist Kirgisisch, sie spricht darüber hinaus sehr gut Russisch. Die Beschwerdeführerin wurde in der römisch 40 , eine Stadt mit mehr als römisch 40 Einwohner, geboren und lebte dort bis zu ihrer Ausreise im römisch 40 mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder im gemeinsamen Haushalt. Die Beschwerdeführerin besuchte von römisch 40 bis römisch 40 eine römisch 40 Grundschule in römisch 40 und war anschließend zwei Jahre in einer moslemischen Berufsschule, ohne einen Beruf zu erlenen.
b) Zum bisherigen Verfahrensverlauf:
Die Beschwerdeführerin reiste als Minderjährige, zusammen mit Ihrer Mutter und einer von ihrem Vater erteilten Vollmacht, problemlos legal mit ihrem kurz davor ausgestellten kirgisischen Reisepass und einem von römisch 40 bis römisch 40 für neun Tage gültigen römisch 40 Schengenvisum aus ihrem Herkunftsstaat und stellte am römisch 40 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz, der wegen ihres nicht glaubhaften Vorberingens mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2017, Zahl 1135587806/161564972, in Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich des Status des Asylberechtigten sowie in Spruchpunkt römisch II. gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, in Verbindung mit
§ 2 Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kirgisistan abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführerin wurde gemäß
§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß
§ 10 Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß
§ 52 Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 46, FPG zulässig ist (Spruchpunkt römisch III.). Es wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt römisch IV.). Nach einer fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde wurde diese, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.08.2020, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2020, Zahl
2168406-1/17E, als unbegründet abgewiesen und eine Revision für nicht zulässig erklärt. Dieses Erkenntnis wurde der Beschwerdeführerin am 23.12.2020 zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft.
Danach weigerte sich die Beschwerdeführerin ihre Ausreiseverpflichtung nachzukommen, blieb illegal im Bundesgebiet und stellte am 13.01.2021 einen zweiten (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2021, Zahl 1135587806/210050652, in Spruchpunkt römisch eins. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und in Spruchpunkt römisch II. hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten jeweils gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. In Spruchpunkt römisch III. wurden gemäß Paragraph 57, AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. In Spruchpunkt römisch IV. wurden gemäß
§ 10 Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und in Spruchpunkt römisch fünf. gemäß
§ 52 Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Kirgisistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig ist. In Spruchpunkt römisch VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß
§ 55 Absatz eins a, FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht und in Spruchpunkt römisch VII. eine auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt. Nach einer fristgerecht gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde diese, nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2021, Zahl 2168406-2/5E, in Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 28, Absatz 2, Ziffer eins, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 68, Absatz eins, AVG,
§ 10 Absatz eins, Ziffer 3 und Paragraph 57, AsylG, Paragraph 9, BFA-VG, Paragraph 52, Absatz 2 und Absatz 9, FPG, Paragraph 53, Absatz eins und 2 FPG und Paragraph 55, FPG als unbegründet abgewiesen. In Spruchpunkt römisch II. wurde ausgesprochen, dass gemäß Paragraph 55, Absatz 2, FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Eine Revision wurde gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG für nicht zulässig erklärt. Dieses Erkenntnis wurde der Beschwerdeführerin am 05.10.2021 zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft.
Danach weigerte sich die Beschwerdeführerin weiterhin ihre Ausreiseverpflichtung nachzukommen und stellte während ihres illegalen Aufenthalts am 26.02.2022 gegenständlichen dritten (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2023, Zahl 1135587806/220359065, in Spruchpunkt römisch eins. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG und in Spruchpunkt römisch II. gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kirgisistan abgewiesen wurde. In Spruchpunkt römisch III. wurden gemäß Paragraph 57, AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. In Spruchpunkt römisch IV. wurden gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen, in Spruchpunkt römisch fünf. gemäß
§ 52 Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Kirgisistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig ist und in Spruchpunkt römisch VI. ausgesprochen, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Nach einer fristgerecht gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhobenen Beschwerde wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt.
c) Zu den Fluchtgründen:
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin jemals Probleme mit kirgisischen Behörden hatte oder haben wird.
Bereits im rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in der Kirgisischen Republik von ihrem Großvater gezwungen werden hätte sollten, einen 20 Jahre älteren Mann zu heiraten oder im Fall ihrer Rückkehr Gewalt durch ihren Großvater ausgesetzt wäre.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin seit Februar 2022 in der Kirgisischen Republik von Kyrk Choro verfolgt wird und bei ihrer Rückkehr von unbekannten Menschen Kyrk Choro übergeben und von diesen geköpft wird, weil sie ein Mädchen ist das sich nicht nach dem islamischen Gesetz richtet.
d) Zur möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat:
Die Beschwerdeführerin reiste problemlos legal mit ihrem kurz davor von den kirgisischen Behörden ausgestellten Reisepass, gemeinsam mit ihrer Mutter und einer Vollmacht ihres Vaters, aus ihrem Herkunftsstaat aus.
Sie hat nie behauptet wegen der aktuelle Sicherheitslage ausgereist zu sein oder deswegen nicht in die Kirgisische Republik zurückkehren zu können, diese hat sich seit ihrer Ausreise nicht verschlechtert und in ihrer Herkunftsregion herrscht nach wie vor die Sicherheitsstufe 02 (laut Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten gibt es sechs Sicherheitsstufen von 01 = gut bis 06 = Reisewarnung).
Die Beschwerdeführerin verwies in der Erstbefragung im dritten Asylverfahren auf ihr Vorbringen im ersten Asylverfahren und in diesem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr in die Kirgisischen Republik Opfer ein von Brautraub werden wird.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin an lebensbedrohlichen Krankheiten leidet und sie hat auch nicht behauptet wegen mangelnder medizinischer Versorgung im Herkunftsstaat nach Österreich gekommen zu sein. Die Beschwerdeführerin leidet an einer römisch 40 und befindet sich deswegen seit römisch 40 in römisch 40 Behandlung. römisch 40 ist eine Fortführung von römisch 40 indiziert. Sie ist aktuell nicht in ärztlicher Behandlung und nimmt von einer römisch 40 verschriebene römisch 40 ein.
Die Beschwerdeführerin wurden in der römisch 40 geboren, hat bis zu ihrer Ausreise im Elternhaus gelebt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin in der Kirgisischen Republik ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit droht oder sie Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und sie in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation gerät. Die Beschwerdeführerin verfügt über Schulbildung im Herkunftsstaat und hat nach wie vor zahlreiche enge Familienangehörige in der Kirgisischen Republik, darunter ihre Eltern und ihren Bruder. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr wieder bei ihrer Familie Unterkunft finden kann und sie diese beim Aufbau einer Existenz unterstützen werden.
e) Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich:
In Österreich leben keine Familienangehörigen der ledigen, alleinstehenden, kinderlosen Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin besuchte bereits in der Kirgisischen Republik sieben Jahre lang eine römisch 40 Grundschule, in Österreich mehrere Deutschkurse, absolvierte am römisch 40 eine Deutschprüfung A2 und bestand am römisch 40 die Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau B1.
Die Beschwerdeführerin schloss am römisch 40 die Übergangsstufe an einer römisch 40 mit geringen Kenntnissen der Unterrichtsprache Deutsch – mit nur einem „befriedigend“ in Ethik, drei „genügend“, vier „nicht genügend“ bzw. „keiner Beurteilung“ in Mathematik - ab und besuchte von römisch 40 bis römisch 40 einen Pflichtschulabschlusskurs; die Abschlussprüfung vom römisch 40 bestand sie mit einem „sehr gut“ in Kreativität und Gestaltung, einem „befriedigend“ in Gesundheit und Soziales und „genügend“ jeweils in Deutsch, Englisch und Mathematik.
Laut Jahreszeugnis einer römisch 40 Fachschule vom römisch 40 , schloss die Beschwerdeführerin die erste Klasse mit vier „nicht genügend“ ab und brach danach ihre Ausbildung ab.
Laut vorgelegtem Semesterzeugnis einer Handelsakademie für Berufstätige vom römisch 40 wurde die nicht berufstätige Beschwerdeführerin in den drei Fächern Englisch einschließlich Wirtschaftssprache, Betriebswirtschaft und Officemanagement samt angewandter Informatik mit „nicht genügend“ beurteilt und verließ danach die Schule.
Die Beschwerdeführerin hat keinen Beruf erlernt, hat in Österreich sowohl die römisch 40 Fachschule als auch die Handelsakademie für Berufstätige abgebrochen, war hier noch nie berufstätigt und lebt seit ihrer ersten Asylantragstellung durchgehend von der österreichischen Grundversorgung.
Die Beschwerdeführerin besucht aktuell weder Deutschkurse noch Fortbildungsveranstaltungen, hilft seit Mai 2023 ehrenamtlich ca. 20 Stunden pro Woche der römisch 40 beim Übersetzen und verbringt die Tage damit, sich mit Freunden zu treffen, Fahrrad zu fahren oder in den Park zu gehen. Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über soziale Kontakte, es liegen jedoch keine besonderen Abhängigkeitsverhältnisse zu Personen in Österreich vor und allfällige freundschaftlichen Beziehungen sind zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich die Beschwerdeführerin ihrer unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste. Nach mehr als sieben Jahren in Österreich kann immer noch keine ausreichende Integration der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet nicht festgestellt werden.
f) Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin:
Politische Lage
Die Einwohnerzahlt der Kirgisischen Republik wird im Jahr 2024 auf mehr als sechs Millionen Einwohne geschätzt (CIA Factbook letzte Aktualisierung 07.08.2024, abgefragt am 22.08.2024). Die Kirgisische Republik hatte im Jahr 2023 geschätzt 6,9 Millionen Einwohner (WKO Länderprofil, Stand August 2024).
Die Kirgisische Republik hat ein präsidentielles Regierungssystem. Präsident Sadyr Japarov hat, nach seiner Wahl am 10.01.2021, am 28.01.2021 das Amt angetreten. Kabinettsvorsteher Akylbek Dschaparow hat am 13.10.2021 sein Amt angetreten (AA Steckbrief vom 06.03.2024, abgefragt am 22.08.2024).
Am 10.01.2021 wurde Präsident Sadyr Japarov bei vorgezogenen Präsidentschaftswahlen mit 79 % der Wählerstimmen zum Staatspräsidenten Kirgisistans gewählt. Dann gab es eine Verfassungsänderung in der das staatliche System umgebaut und eine Präsidialdemokratie (vorher parlamentarische Demokratie) eingeführt wurde. Bei den letzten Parlamentswahlen im November 2021 konnten präsidentennahe Parteien die Mehrheit im Parlament erlangen. Damit konzentriert sich die politische Macht nun im Präsidialamt. Gleichzeitig nimmt der Einfluss des Parlaments ab und die bisher starke Zivilgesellschaft und die freie Presse stehen immer mehr unter Druck (WKO Wirtschaftsbericht Jänner 2024).
Kirgisistan ist seit 1991 unabhängig. Die Republik ist in acht Verwaltungsbereiche gegliedert, davon sieben Regionen: Tschui, Issyk-Kul, Talas, Naryn, Osch, Dschalalabat, Batken und die Hauptstadtregion Bischkek. In das Parlament, Dschogorku Kenesch (deutsch „Oberster Rat“), werden 90 Abgeordnete für jeweils fünf Jahre nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Wahlen und Machtwechsel finden regelmäßig statt. Die Präsidentschaftswahl vom 10.01.2021 konnte Sadir Dschaparow für sich entscheiden. Bei den letzten Parlamentswahlen vom 28.11.2021 erhielten die regierungsnahen Parteien die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (AA politisches Porträt vom 06.03.2024, abgefragt am 22.08.2024).
Am 29.11.2023 verabschiedet das Parlament in erster Lesung die Annahme einer neuen Nationalflagge, die statt der bisherigen wellenförmigen Sonnenstrahlen spitze Sonnenstrahlen aufweist und damit laut den Unterstützer:innen der Initiative weniger an eine Sonnenblume erinnert (Universität Bremen 13.01.2024).
(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Kirgisistan, letzte Aktualisierung 07.08.2024, abgefragt am 22.08.2024, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kyrgyzstan/
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Länderprofil, Stand August 2024, https://www.wko.at/statistik/laenderprofile/lp-kirgisistan.pdf
AA, Auswärtige Amt, Länderinformationen Kirgisistan, Steckbrief vom 06.03.2024, abgefragt am 22.08.2024, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan-node/steckbrief/206736
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Außenwirtschaft Wirtschaftsbericht Kirgisistan, Jänner 2024, https://www.wko.at/oe/aussenwirtschaft/kirgisistan-wirtschaftsbericht.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 161, 13.01.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/161/zentralasienanalysen161.pdf
AA, Auswärtige Amt, Länderinformationen Kirgisistan, politisches Porträt vom 06.03.2024, abgefragt am 22.08.2024, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan-node/politisches-portrait/206926)
Sicherheitslage
Im September 2022 kam es zwischen kirgisischen und tadschikischen Sicherheitskräften zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Todesopfern und Verletzten. Weitere Kampfhandlungen können nicht ausgeschlossen werden. Vor Reisen in die Grenzgebiete zu Tadschikistan - Region Batken und Osh - wird abgeraten. Es besteht ein hohes Sicherheitsrisiko in den Grenzgebieten zu Tadschikistan und Usbekistan. Die Grenze ist stellenweise vermint. Bewaffnete Grenzzwischenfälle können nicht ausgeschlossen werden (Sicherheitsstufe 03). Im Rest des Landes gilt Sicherheitsstufe 02 (BMEIA Stand 22.08.2024).
Im September 2022 kam es in der südlichen Region Batken zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen kirgisischen und tadschikischen Sicherheitskräften mit zivilen Todesopfern und Verletzten. Die Lage blieb seitdem weitgehend stabil, und die Verhandlungen zwischen Kirgisistan und Tadschikistan zur Regelung der noch offenen Grenzfragen werden fortgesetzt. Allerdings ist nicht gesichert, dass diese Ruhe nachhaltig ist (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024).
Nach den schweren Kämpfen an der Grenze zwischen Kirgisistan und Tadschikistan zwischen dem 16.09.2022 und dem 18.09.2022 mit Schwerpunkt um die kirgisische Grenzstadt Batken, haben beide Seiten am Abend des 19.09.2022 ein Waffenstillstandsabkommen vereinbart, in dem laut dem Chef des kirgisischen Staatssicherheitskomitees „Maßnahmen zur Wiederherstellung der Stabilität“ getroffen wurden. Seitdem scheint sich die Situation normalisiert zu haben und es kommt bislang zu keinen Gefechten mehr. Beide Staaten beschuldigten sich gegenseitig der Aggression. Nach neuesten Angaben wurden auf kirgisischer Seite 59 Menschen getötet und 163 verletzt, während die tadschikischen Behörden von insgesamt 41 Todesopfern sprachen (BAMF 26.09.2022).
Aufgrund innenpolitischer und sozialer Spannungen können in ganz Kirgisistan immer wieder Unruhen eintreten. Besonders im Grenzbereich zu Usbekistan und Tadschikistan herrscht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Die Kriminalitätsrate in Kirgisistan ist in den letzten Jahren gestiegen und es wird zu besonderer Vorsicht nach Einbruch der Dunkelheit geraten (WKO Reisen Stand 07.03.2023).
Nach einem bilateralen Treffen zwischen dem GKNB-Vorsitzenden Taschijew und seinem tadschikischen Amtskollegen Jatimow in Batken geben beide Seiten am 12.12.2023 bekannt, sich auf den Verlauf von weiteren 120 km der gemeinsamen Grenze verständigt zu haben, womit nun 90 % der gemeinsamen Grenze delimitiert sind (Universität Bremen 13.01.2024).
Am 16.01.2024 einigen sich, nach siebentägigen Verhandlungen, die topographischen Arbeitsgruppen von Kirgistan und Tadschikistan auf den Verlauf von weiteren 38,35 km gemeinsamer Grenze (Universität Bremen 28.02.2024).
Im gesamten Land kann es aufgrund innenpolitischer und sozialer Spannungen zu Demonstrationen und Protestaktionen – auch mit Gewaltanwendung – kommen. Jene Gefahr besteht besonders in den Grenzregionen zu Usbekistan und Tadschikistan. Es wird dringend geraten, sich von Menschenansammlungen und politischen Kundgebungen fernzuhalten. Die Gefahr terroristischer Angriffe kann nicht ausgeschlossen werden. An belebten Orten und bei besonderen Anlässen wird zur Vorsicht geraten (BMEIA Stand 22.08.2024).
Gewaltsame Zusammenstöße, beispielsweise im Rahmen von Demonstrationen auch kleinerer Gruppen, können nicht ausgeschlossen werden. Dies gilt insbesondere für die Hauptstadt und dicht besiedelte Gebiete des Landes (Süd-Kirgisistan). Insbesondere im Süden des Landes gibt es islamistische Gruppierungen mit potenziell terroristischer Ausrichtung. Anschläge auch auf westliche Einrichtungen sind nicht auszuschließen (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024).
Studierende aus Pakistan und weiteren südasiatischen Ländern verlassen zu Hunderten Kirgisistan, nachdem am 18.05.2024 Hunderte junger kirgisischer Männer Studierendenwohnheime in der Hauptstadt Bischkek gestürmt und ausländische Studierende angegriffen hatten. Auslöser dafür war ein in sozialen Medien veröffentlichtes Video, das eine sich in der Nacht zum 13.05.2024 zugetragene mutmaßliche Auseinandersetzung zwischen kirgisischen Studierenden und ägyptischen Medizinstudierenden zeigte. Das kirgisische Gesundheitsministerium gab am 20.05.2024 bekannt, dass bei den Ausschreitungen in den Studierendenwohnheimen mehr als 40 Personen verletzt wurden. Bis zum 20.05.2024 hatten nach Angaben der kirgisischen Behörden bereits rund 1.200 pakistanische Studierende nach den Unruhen das Land verlassen. Acht Charterflüge von Bischkek in die pakistanischen Städte Islamabad, Lahore und Peshawar brachten am 21.05.2024 weitere Hunderte Studierende aus der Hauptstadt des zentralasiatischen Landes (BAMF 27.05.2024).
Es wird landesweit zu besonderer Vorsicht geraten und empfohlen, nach Einbruch der Dunkelheit nicht unterwegs zu sein. Reisende sollten nur wenig Bargeld und keine Wertgegenstände, wie Schmuck und teure Uhren mitnehmen, Dokumente sollten kopiert werden (BMEIA Stand 22.08.2024).
Auch Ausländer können an stark frequentierten Orten wie Märkten Opfer von Gewalt- und Bandenkriminalität mit Raubüberfällen und Taschendiebstählen werden, doch sind der Deutschen Botschaft Bischkek seit mehreren Jahren keine Vorfälle bekannt geworden, bei denen deutsche Touristen gezielt Opfer eines Überfalls oder Angriffs wurden (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024).
(BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Reiseinformation, Kirgisistan (Kirgisische Republik), unverändert gültig seit 04.03.2024, Stand 22.08.2024, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/kirgisistan
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 26.09.2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw39-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=5
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Kirgisistan Reisen und vor Ort, Stand 07.03.2023, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/nach-kirgisistan-reisen.html
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 161, 13.01.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/161/zentralasienanalysen161.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 162, 28.02.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/162/zentralasienanalysen162.pdf
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 27.05.2024, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2024/briefingnotes-kw22-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=3
AA, Auswärtige Amt, Länderinformationen Kirgisistan, Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024, unverändert gültig seit 11.07.2024, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan-node/kirgisistansicherheit/206738)
Justiz
Die Verfassung und die Gesetze sehen eine unabhängige Justiz vor, aber Richter waren Beeinflussung und Korruption ausgesetzt, was die Unparteilichkeit der Justiz beeinträchtigte. Es gab mehrere Fälle, in denen die Ergebnisse der Gerichtsverhandlungen vorherbestimmt erschienen. Mehrere Quellen, darunter NGOs, Anwälte, Regierungsbeamte und Privatpersonen, behaupteten, dass einige Richter Bestechungsgelder bezahlt haben, um ihre beruflichen Positionen zu erreichen. Viele Anwälte behaupten, dass Bestechungen von Richtern allgegenwärtig seien. Im Allgemeinen werden Gerichtsbeschlüsse von Behörden respektiert. Zahlreiche NGOs beschrieben ständige Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren, einschließlich erzwungener Geständnisse, Anwendung von Folter, Verweigerung des Zugangs zu Rechtsbeiständen und Verurteilungen trotz Mangels von hinreichend schlüssigen Beweisen oder trotz entlastender Beweise. Internationale Beobachter berichten von Drohungen und Gewalttaten gegen Angeklagte und Verteidiger innerhalb und außerhalb von Gerichtssälen sowie von Einschüchterungen von Prozessrichtern durch Angehörige und Freunde der Opfer. Während die Gesetze Angeklagten Rechte gewähren, widersprechen die Sitten und Praktiken in der Justiz regelmäßig der verfassungsmäßigen Unschuldsvermutung und die Ermittlungen im Vorfeld der Verfahren konzentrierten sich fast ausschließlich auf die Sammlung ausreichender Beweise zum Nachweis von Schuld (USDOS 23.04.2024).
Der Oberste Gerichtshof und auch das Verfassungsgericht wurden durch eine weitere Verfassungsänderung dem Präsidenten unterstellt. Anstatt dass die Gerichte ihre Vorsitzenden unabhängig wählen, werden die Vorsitzenden des Obersten Gerichts und des Verfassungsgerichts vom Richterrat und vom Parlament nominiert und vom Präsidenten ernannt. Diese Änderung hatte unmittelbare Auswirkungen: Der ehemalige persönliche Verteidiger des Präsidenten, der erst vor kurzem zum Richter am Obersten Gerichtshof ernannt worden war, wurde zum Vorsitzenden des Gerichts ernannt. Die gesetzlichen Anforderungen an Angehörige der Justiz in Bezug auf eine juristische Ausbildung, juristische Berufserfahrung und die Einhaltung beruflicher Standards gelten weiterhin. Die Qualität und Integrität dieser Institutionen machen sie jedoch zu einer reinen Formalität (BTI 19.03.2024).
Am 03.10.2023 unterzeichnet Präsident Dschaparow ein Gesetz, das dem Präsidenten die Revidierung von Entscheidungen des Verfassungsgerichtes ermöglicht, unter anderem wenn diese „den moralischen und ethischen Werten oder dem öffentlichen Bewusstsein der Menschen im Land widersprechen“ (Universität Bremen 09.11.2023).
(USDOS, United States Department of State, Bericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2023, 23.04.2024, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/kyrgyz-republic/
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 160, 09.11.2023, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/160/zentralasienanalysen160.pdf
BTI, Bertelsmann Stiftung, Kirgisistan, Länderbericht, 19.03.2024, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KGZ)
Sicherheitsbehörden
Die Untersuchung allgemeiner und lokaler Straftaten fällt in die Zuständigkeit des Innenministeriums, während Verbrechen auf nationaler Ebene in die Zuständigkeit des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit (GKNB) fallen, welches auch den Sicherheitsdienst des Präsidenten kontrolliert. Die Generalstaatsanwaltschaft verfolgt sowohl lokale als auch nationale Verbrechen (USDOS 12.04.2022).
(USDOS, United States Department of State, Bericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2021, 12.04.2022, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/kyrgyzstan/)
Korruption
Obwohl das Gesetz strafrechtliche Sanktionen gegen Beamte vorsieht die wegen Korruption verurteilt wurden, setzte die Regierung das Gesetz nicht wirksam um und Beamte, die in korrupte Machenschaften verstrickt waren, blieben straffrei. Es gab zahlreiche Berichte über Korruption in Behörden. Nach Angaben von Transparency International wurden offizielle Korruptionsfälle selektiv untersucht und verfolgt (USDOS 23.04.2024).
Im Jahr 2020 belegte die Kirgisische Republik im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International Platz 124 von 180 (TI 2020) und im Jahr 2021 Platz 144 von 180
(TI 2021). Im Jahr 2022 lag die Kirgisische Republik auf Platz 140 von 180 (TI 2022) und im Jahr 2023 auf Platz 141 von 180 (TI 2023).
Am 12.06.2023 verurteilt ein Gericht in Bischkek Ex-Präsident Kurmanbek Bakijew in absentia wegen Korruption im Zusammenhang mit der Kumtor-Goldmine (Gebiet Issyk-Kul) zu 30 Jahren Freiheitsentzug (Universität Bremen 18.07.2023).
Der Vorsitzende des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit (GKNB), Kamtschibek Taschijew, gibt am 02.11.2023 die Entlassung von 202 Beamten des GKNB wegen Korruption oder anderer Rechtsverstöße bekannt. Laut dem GKNB-Vorsitzenden Taschijew am 28.11.2023 wurden bisher fast 20 ehemalige Spitzenbeamte im Korruptionsfall der Kumtor-Goldmine belangt, „darunter zwei Ex-Präsidenten, vier ehemalige Premierminister und zwei ehemalige Parlamentssprecher“ (Universität Bremen 13.01.2024).
Am 16.01.2024 nimmt die Polizei in Bischkek elf aktive oder ehemalige Journalisten des Investigativkollektivs „Temirov Live“ fest, die unter anderem zu Korruption von Personen im Umfeld von Präsiden Dschaparow recherchiert haben (Universität Bremen 28.02.2024).
Die Zahlung von Bestechungsgeldern zur Vermeidung von Ermittlungen oder Strafverfolgung blieb ein großes Problem auf allen Ebenen der Strafverfolgung. Strafverfolgungsbeamte, insbesondere im Süden des Landes, setzten häufig willkürliche Festnahmen, Folter und die Androhung von Strafverfolgung als Mittel zur Erpressung von Bargeldzahlungen von Bürgern ein (USDOS 23.04.2024).
(TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2020, https://images.transparencycdn.org/images/CPI2020_Report_EN_0802-WEB-1.pdf
TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2021, https://www.transparency.org/en/countries/kyrgyzstan
TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2022, https://www.transparency.org/en/countries/kyrgyzstan
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 159, 18.07.2023, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/159/zentralasienanalysen159.pdf
TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2023, https://www.transparency.org/en/countries/kyrgyzstan
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 161, 13.01.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/161/zentralasienanalysen161.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 162, 28.02.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/162/zentralasienanalysen162.pdf
USDOS, United States Department of State, Bericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2023, 23.04.2024, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/kyrgyz-republic/)
Menschenrechte, NOGs und Ombudsmann
Kirgisistan ist Mitglied in vielen internationalen Gremien und hat seine Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat für die Jahre 2023 bis 2025 erneuert. Es ist Mitglied der OSZE und aller relevanten UN-Gremien. Die meisten dieser Mitgliedschaften scheinen jedoch nur minimale Auswirkungen auf das Verhalten im Land gehabt zu haben, da sie in erster Linie dazu dienten, sein symbolisches Engagement für die internationale Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten (BTI 19.03.2024).
Am 02.06.2023 beginnt in Tscholpon-Ata das zweite EU-Zentralasien-Gipfeltreffen. In seiner Ansprache äußert Präsident Dschaparow, dass eine tatsächliche Integration Zentralasiens in die Weltwirtschaft nur durch intraregionale Konnektivität erreicht werden kann. Demnach ist die geplante Eisenbahn China–Kirgistan–Usbekistan von herausragender Wichtigkeit für Kirgistan. Ein gemeinsam verabschiedetes Kommuniqué aller Teilnehmer bekräftigt die Achtung der UN-Charta und die weitere Entwicklung der interregionalen Partnerschaft. Bei bilateralen Gesprächen zwischen Dschaparow und dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, einigen sich beide Seiten auf eine Vertiefung der Zusammenarbeit „auf der Grundlage von Demokratie, Respekt für Menschenrechte und Herrschaft des Rechts“ (Universität Bremen 18.07.2023).
Am 13.07.2023 verabschiedet das EU-Parlament eine Resolution, die „eine alarmierende Verschlechterung von demokratischen Standards und der Menschenrechtssituation“ in Kirgistan konstatiert und in der die kirgisische Regierung aufgerufen wird, Grundrechte und vor allem jene in Bezug auf Medien- und Redefreiheit zu respektieren. In einer Stellungnahme bezeichnet das kirgisische Außenministerium die Resolution als „voreingenommen und auf einseitigen Einschätzungen beruhend“ (Universität Bremen 09.11.2023).
Am 25.10.2023 verabschiedet das Parlament in erster Lesung eine Reihe von Abänderungen des „Gesetzes über gemeinnützige Organisationen“, die NGOs unter anderem zu zusätzlichen Auskünften verpflichten und solchen NGOs, die Finanzierung aus dem Ausland erhalten, eine Registrierung als „ausländischer Repräsentant“ vorschreiben. Kritiker:innen sehen in den Abänderungen eine Kopie des russischen „Gesetzes über ausländische Agenten“ (Universität Bremen 13.01.2024).
Das Büro des Ombudsmannes agiert als unabhängiger Anwalt für Menschenrechte im Namen von Privatpersonen und NGOs und ist befugt Fälle für eine gerichtliche Überprüfung zu empfehlen. Beobachter berichteten von einer Atmosphäre der Straflosigkeit rund um die Sicherheitskräfte und deren Möglichkeiten unabhängig gegen Bürger vorzugehen reduzierte die Anzahl und Art der Beschwerden, die beim Büro des Ombudsmannes eingereicht wurden. Obwohl das Büro des Ombudsmannes auch dazu dient, Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen entgegenzunehmen und die Beschwerden zur Untersuchung an die zuständigen Stellen weiterzuleiten, stellten sowohl nationale als auch internationale Beobachter die Effizienz des Büros in Frage (USDOS 23.04.2024).
(BTI, Bertelsmann Stiftung, Kirgisistan, Länderbericht, 19.03.2024, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KGZ
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 159, 18.07.2023, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/159/zentralasienanalysen159.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 161, 13.01.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/161/zentralasienanalysen161.pdf
USDOS, United States Department of State, Bericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2023, 23.04.2024, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/kyrgyz-republic/)
Kyrk Choro
Einige Uiguren-Vertreter haben Berichten zufolge Bedenken geäußert, dass das Fehlen einer uigurischen Sprachschule im Land ihre Sprachrechte verletzt. Uiguren wurden auch von nationalistischen kirgisischen Jugendgruppen, wie Kyrk Choro, angegriffen (MRGI 03.2018c).
Während der gesamten COVID-19 Pandemie nutzte die Regierung Berichten zufolge, Sorgen um die öffentlichen Gesundheit als Vorwand, um friedliche Proteste zu verhindern. Am 05.03.2020, während der Vorbereitung des jährlichen Women's March, entschied ein Bezirksgericht, dass die Veranstaltung aufgrund von Bedenken hinsichtlich COVID-19 nicht stattfinden dürfe. Am 06.03.2020 hob das Gericht seine Entscheidung auf und ließ den Marsch zu. Während des Marsches griffen Ultranationalisten die Demonstranten an und in einigen Fällen wurden Frauen physisch attackierten. Die Polizei ließ den Angriff ungestraft zu und verhaftete die friedlichen Demonstranten. Nach den Verhaftungen berichteten mehrere Menschenrechte NGOs, dass Anwälten der Zugang zu ihren Mandanten verweigert wurde. Nach mehreren Stunden ließ die Polizei die Festgenommenen frei, und die Generalstaatsanwaltschaft lehnte es ab, Anklage zu erheben. Am 10.03.2020 wurden Mitglieder der ultranationalistischen Gruppe Kyrk Choro (Vierzig Ritter), die den Marsch angegriffen hatte, für ihre Beteiligung an der Gewalt zu Geldstrafen verurteilt (USDOS Menschenrechtslage im Jahr 2020 vom 30.03.2021).
Der wachsende wirtschaftliche Einfluss Chinas hat eine Flut von Waren in Kirgisistans Geschäfte, chinesische Händler auf die Märkte und Geschäftsleute in die Geschäfte, Restaurants und Clubs gebracht. Die alltägliche Präsenz von Chinesen in den Städten Kirgisistans wird von einer ultranationalistischen Bewegung Kyrk Choro vehement bekämpft, die geschworen hat, die kirgisische Identität, so wie sie sie wahrnimmt, zu verteidigen und zu stärken. Die Kyrk Choro (Vierzig Ritter) haben ihren Namen vom traditionellen kirgisischen Epos Mana, aber zu ihren ca. 5.000 Mitgliedern gehören auch viele Ärzte, Professoren und Anwälte. Sie haben auch Verbindungen zum kirgisischen Innenministerium eingeräumt, obwohl Korruption innerhalb der Regierung ein Ziel ihrer Angriffe ist. Ihr Aktivismus stützt sich auf nationalistische Stimmungen, die vor allem auf der Unzufriedenheit beruht und als Verrat der Regierung an den ethnischen Kirgisen angesehen wird. Die Gruppe behauptete in sozialen Medien und Interviews, dass die kirgisische Regierung „korrupt“ und „pro-chinesisch“ sei, da sie „Geschäftsinteressen über die Menschen stellt“. Konservativere Mitglieder behaupten auch, dass das Manas-Epos, das als Aufbewahrungsort kirgisischer Bräuche, Geschichte und Ethikkodex gilt, die Chinesen als traditionellen Feind der kirgisischen Stämme darstellt. Kyrk Choro verfolgt eine doppelte Strategie, um ihre Vision einer reinen kirgisischen ethnischen Identität voranzutreiben, indem sie Online-Belästigung und -Mobilisierung mit verbaler und physischer Gewalt in der realen Welt, Razzien auf Märkten und Nachtclubs und öffentlichen Demonstrationen kombinieren. Der ehemalige Anführer der Bewegung, Zamirbek Kochorbaev, hat Facebook genutzt, um antichinesische Inhalte zu posten. Die aktivsten Mitglieder von Kyrk Choro tragen oft den traditionellen kirgisischen weißen Filzhut. Zu ihren sichtbarsten Auftritten gehörte eine außergerichtliche Operation im Jahr 2013 zur Überprüfung von Arbeitserlaubnissen und Visa chinesischer Arbeiter, woraufhin die Regierung 35 Menschen abschob. Im Jahr 2014 überfielen sie einen bei chinesischen Auswanderern beliebten Karaoke-Club in der Hauptstadt Bischkek, griffen die anwesenden Chinesen körperlich und verbal an, forderten ihre Dokumente und beschuldigten die kirgisischen Frauen im Raum, Sexarbeiterinnen zu sein. Im Jahr 2019 führten Razzien in einer Reihe chinesischer Unternehmen durch, darunter die in chinesischem Besitz befindliche Ölraffinerie in Kara-Balta, etwa 60 Kilometer außerhalb von Bischkek. Kyrk Choro rechtfertigt diese außergerichtlichen Aktionen mit der Behauptung, dass die kirgisische Regierung ihre Arbeit nicht mache. Nicht alle ethnischen Kirgisen schätzen ihr Handeln (Global Voices, 16.06.2021).
Einige Gruppen, die sowohl aus spontanen Aktivisten als auch aus besser organisierten zivilgesellschaftlichen Verbände, sind in den Bereichen Frauen- und Kinderrechte aktiv. Sie sind jedoch nach wie vor relativ wirkungslos, da ihre Bemühungen um die Förderung der Gleichstellung meist auf taube Ohren in den nationalen Institutionen stoßen. Gleichzeitig haben sich bestimmte lose organisierte, beinahe halb-klandestine Bewegungen, wie die Kyrk Choro Bewegung traditionalistischer Männer, lautstark geäußert, wurden nicht zur Rechenschaft gezogen, wenn sie in Rechte anderer eingegriffen und fanden eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit. Im Allgemeinen sind Aktivistengruppen, die Slogans des patriotischen Nationalismus verbreiten, auf dem Aufstieg und werden zu einem prominenten Wählerkreis unter den Anhängern des neu gewählten Präsident Sadyr Japarov (BTI 2022).
In der Region sind einige länderübergreifende Themen von herausragender Bedeutung für die Zivilgesellschaften. Hierzu gehören insbesondere die Förderung und Verteidigung der Menschenrechte, inklusive der Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit. Dies beinhaltet auch die Überwachung von Menschenrechtsverletzungen und die Unterstützung von Opfern. Weitere Bemühungen umfassen die Stärkung demokratischer Institutionen, die Förderung freier und fairer Wahlen sowie den Kampf gegen Korruption. Zusätzlich konzentrieren sich die Zivilgesellschaften auf die Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und sozialer Ausgrenzung sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen und sozialen Gerechtigkeit. Gleichzeitig besteht ein dringender Bedarf, die Umwelt vor den negativen Auswirkungen von Bergbau, Landwirtschaft und Wasserverschmutzung zu schützen. Die Förderung von Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen stehen im Mittelpunkt zivilgesellschaftlicher Bemühungen zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Region. Im Gesundheitswesen wird die Bereitstellung von Gesundheitsdiensten und der Kampf gegen Gesundheitsprobleme wie HIV/AIDS und Tuberkulose priorisiert. Ebenso ist der Zugang zu Bildung für alle Bevölkerungsgruppen und die Verbesserung des Bildungssystems ein essentielles zivilgesellschaftliches Anliegen. Auch setzen sich zivilgesellschaftliche Organisationen für die Rechte und das Wohlergehen von Migranten und Flüchtlingen angesichts der Migrationsströme innerhalb und aus der Region ein. Schließlich umfasst die Arbeit auch den Schutz und die Förderung der kulturellen Identität und Vielfalt, einschließlich des Schutzes von Minderheitengruppen. Dabei muss jedoch auch anerkannt werden, dass innerhalb der zivilgesellschaftlichen Landschaft durchaus konträre Zielstellungen existieren. Ein Beispiel hierfür ist die Organisation „Kyrk Choro“, die ebenfalls Teil der kirgisischen Zivilgesellschaft ist, im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Gruppen jedoch vor allem ethno-nationalistische Ziele verfolgt. Diese vielfältigen Perspektiven spiegeln die Herausforderungen und Chancen wider, mit denen die zentralasiatischen Zivilgesellschaften und ihre Bemühungen, positive Veränderungen in der Region herbeizuführen, konfrontiert sind (Die Entwicklung der Zivilgesellschaften in Zentralasien, Universität Bremen 13.01.2024).
(MRGI - MRG - Minority Rights Group International (03.2018b): Kyrgyzstan – Uighurs, http:// minorityrights.org/minorities/uighurs-2/, Zugriff des BFA am 08.05.2018 im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit der letzten Kurzinfo vom 23.12.2021)
USDOS, United States Department of State, Bericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2020, 30.03.2021, https://www.state.gov/reports/2020-country-reports-on-human-rights-practices/kyrgyzstan/
Global Voices, In Kirgisistan profitierte eine ultranationalistische Gruppe von der zunehmenden antichinesischen Stimmung 16.06.2021, https://globalvoices.org/2021/06/16/in-kyrgyzstan-an-ultranationalist-group-thrives-on-rising-anti-chinese-sentiment/
BTI, Bertelsmann Stiftung, Kirgisistan, Länderbericht, 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KGZ
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 161, 13.01.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/161/zentralasienanalysen161.pdf)
Meinungs- und Pressefreiheit
Kirgisistan erfreut sich einer vergleichsweise vielfältigen und lebhaften Medienlandschaft und einer aktiven Zivilgesellschaft (AA politisches Porträt 06.03.2024, abgefragt am 22.08.2024).
Laut Kulturministerium vom 12.07.2023 wurden nach einem gerichtlichen Vergleich alle gegen den kirgisischen Dienst von RFE/RL verhängten Beschränkungen wieder aufgehoben, nachdem entsprechende Inhalte von der Website des Outlets entfernt wurden. Die Website war seit Oktober 2022 offiziell wegen „Hassrede“ gesperrt, nachdem RFE/ RL nach den militärischen Auseinandersetzungen zwischen Kirgistan und Tadschikistan an der gemeinsamen Grenze im Ferghanatal 2022 einen Videobeitrag mit Aussagen von Vertretern beider Staaten veröffentlicht hatte (Universität Bremen 09.11.2023).
Am 30.08.2023 weist das Kulturministerium die Sperrung des Videoportales TikTok an, mit Berufung auf namentlich nicht genannte „NGOs“, die auf die „für die psychische Gesundheit von Kindern schädlichen Auswirkungen der Plattform“ hingewiesen haben sollen (Universität Bremen 09.11.2023).
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines Berichtes über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt die Polizei wegen des „Verdachtes auf Kriegspropaganda“ am 15.01.2024 eine Razzia in den Redaktionsräumen des unabhängigen Nachrichten-Outlets 24.kg in Bischkek durch und nimmt die Generaldirektorin Asel Otorbajewa zusammen mit den beiden Chefredakteuren fest (Universität Bremen 28.02.2024).
Am 16.01.2024 nimmt die Polizei in Bischkek elf aktive oder ehemalige Journalisten des Investigativkollektivs „Temirov Live“ fest, die unter anderem zu Korruption von Personen im Umfeld von Präsiden Dschaparow recherchiert haben. Eine Reihe internationaler NGOs und Menschenrechtsgruppen verurteilen die Festnahmen aufs schärfste und fordern die sofortige Freilassung der Journalisten (Universität Bremen 28.02.2024).
Am 18.01.2024 veröffentlicht das US-Außenministerium eine Erklärung, in der es die kirgisischen Behörden auffordert, „sicherzustellen, dass Journalisten ohne unangemessenen Druck oder Schikanen arbeiten können“, nachdem die kirgisische Polizei elf Journalisten unter dem Vorwurf des „Aufrufs zu Ungehorsam und Massenunruhen“ festgenommen hatte. Seit den Verhaftungen haben acht internationale Menschenrechtsgruppen die Regierung in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, das aktuelle Vorgehen gegen unabhängige Journalisten zu beenden (Universität Bremen 28.02.2024).
(AA, Auswärtige Amt, Länderinformationen Kirgisistan, politisches Porträt vom 06.03.2024, abgefragt am 22.08.2024, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan-node/politisches-portrait/206926
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 160, 09.11.2023, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/160/zentralasienanalysen160.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 162, 28.02.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/162/zentralasienanalysen162.pdf)
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
Am 29.09.2023 verlängert ein Gericht in Bischkek abermals ein seit Dezember 2022 geltendes Verbot von Demonstrationen im Zentrum von Bischkek (Universität Bremen 09.11.2023).
Am 21.10.2023 halten in Bischkek ca. 100 Personen eine pro-palästinensische Demonstration ab. Am 28.10.2023 halten in Bischkek ca. 700 bis 1.000 Personen eine pro-palästinensische Demonstration ab. Am 30.11.2023 demonstrieren in mehreren Städten des Landes Einzelhändler:innen gegen die Abschaffung des aktuell gültigen Patentsystems und die Einführung einer Registrierkassenpflicht ab Januar 2024. Präsident Dschaparow reagiert mit der Einsetzung einer Arbeitskommission zur Lösungsfindung. Am 05.12.2023 gibt Präsident Dschaparow vor über 500 Menschen auf dem Dordoi-Markt in Bischkek die Fortführung des aktuellen Patentsystems für Einzelhändler:innen bis Juli 2024 bekannt (Universität Bremen 13.01.2024).
(Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 160, 09.11.2023, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/160/zentralasienanalysen160.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 161, 13.01.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/161/zentralasienanalysen161.pdf).
Todesstrafe
In der Kirgisischen Republik ist für keine Straftat die Todesstrafe vorgesehen. Die Kirgisische Republik hat das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe ratifiziert (AI 16.05.2023).
(AI, Amnesty International, Death Sentences and Executions 2022, 16.05.2023, https://www.amnesty.org/en/documents/act50/6548/2023/en/)
Religion
Die kirgisische Verfassung garantiert die Gewissens- und Religionsfreiheit, das Recht, eine Religion einzeln oder gemeinsam mit anderen Personen auszuüben oder nicht auszuüben sowie das Recht auf Verweigerung der Darlegung der eigenen religiösen Ansichten. Die Verfassung verbietet Handlungen, die zum religiösem Hass aufstacheln. Die Verfassung legt eine Trennung von Religion und Staat fest. Sie verbietet die Gründung religiös begründeter politischer Parteien und die Verfolgung politischer Ziele durch religiöse Gruppen. Die Verfassung verbietet die Einführung einer Religion als Staats- oder Pflichtreligion. Die kirgisischen Gesetze schreiben vor, dass alle Religionen und religiösen Gruppen gleich sind. Sie verbieten „beharrliche Versuche Anhänger einer Religion zu einer anderen zu bekehren“ und „illegale missionarische Aktivitäten“, definiert als missionarische Tätigkeit von Gruppen, die nicht bei der Staatlichen Kommission für religiöse Angelegenheiten (SCRA) registriert sind. Sie verbieten die Beteiligung von Minderjährigen an organisierten, religiösen Gruppen die Proselytismus, d.h. beharrlich versuchen andere zu bekehren, oder illegale missionarische Tätigkeiten betreiben, es sei denn, ein Elternteil erteilt schriftliche Zustimmung (USDOS 30.06.2024).
Laut eigenen Angaben vom 08.08.2023 hat das Staatliche Komitee für Nationale Sicherheit (GKNB) im Gebiet Osch 39 Moscheen und 21 islamische Schulen aufgrund fehlender Registrierung oder Verstößen gegen Brandschutzauflagen schließen lassen. Bereits im Juni hat das GKNB im Gebiet Dschalal-Abad 60 Moscheen ohne Registrierung identifiziert (Universität Bremen 09.11.2023).
(USDOS, United States Department of State, Religionsfreiheit Berichtzeitraum 2023, 30.06.2024, https://www.state.gov/reports/2023-report-on-international-religious-freedom/kyrgyzstan/
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 160, 09.11.2023, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/160/zentralasienanalysen160.pdf)
Sprache
Die Amtssprachen der Kirgisischen Republik sind Kirgisisch und Russisch (WKO Länderprofil, Stand August 2024).
(WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Länderprofil, Stand August 2024, https://www.wko.at/statistik/laenderprofile/lp-kirgisistan.pdf)
Frauen
Frauen genießen die gleichen politischen Rechte und haben einige bemerkenswerte Führungspositionen erreicht, sind aber auch unterrepräsentiert: Bei den Parlamentswahlen 2021 gewannen sie trotz einer Geschlechterquote von 30 Prozent auf den Kandidatenlisten der Parteien nur 18 von 90 Sitzen. Mit einem Gesetz aus dem Jahr 2019 wurde die 30-Prozent-Geschlechterquote auf die lokalen Gemeinderäte ausgeweitet (FH 29.02.2024).
Im Bildungsbereich ist die Gleichstellung der Geschlechter gewährleistet; ein Erbe aus der Sowjetzeit des Landes. Frauen im Tertiärbereich stellen mit einem Verhältnis von 1,2 Frauen zu einem Mann sogar die Mehrheit. Im Jahr 2021 machten Frauen jedoch nur 38,2 % der Erwerbsbevölkerung aus (WDI-Daten der Weltbank). Die Rechte und die Sicherheit der Frauen sind weiterhin in vielen Bereichen gefährdet, wie zahlreiche Fälle von häuslichem Missbrauch und gegen Frauen zeigen. Auch die Wahlchancen von Frauen sind ungleich und die Maßnahme zur Beseitigung dieser Ungleichheit, die obligatorische Frauenquote in den Parteilisten, reserviert nur weniger als 20 % der Parlamentssitze für Frauen (BTI 19.03.2024).
Gesetzliche Verbote von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts am Arbeitsplatz werden nicht wirksam durchgesetzt. Traditionelle Vorurteile benachteiligen Frauen in Bezug auf Bildung und Zugang zu Dienstleistungen (FH 29.02.2024).
In Kirgisistan kam regelmäßigen zu Verletzungen der Rechte und Freiheiten von Frauen, einschließlich körperlicher, sexueller und seelischer Gewalt, sowie zu anhaltenden Ungleichheiten bei der Bezahlung und der beruflichen Beförderung (BTI 19.03.2024).
Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen werden nach wie vor zu wenig gemeldet und Betroffene sehen sich mit zahlreichen Hindernissen beim Zugang zu Hilfsleistungen und Justiz konfrontiert. Dazu gehören unzureichende Schutzunterkünfte und andere grundlegende Hilfe, abweisende Reaktionen der Behörden, Stigmatisierung und Verhalten welches schädliche Stereotype und Praktiken aufrechterhält, auch bei Polizei, Justizbeamten sowie Regierungs- und Religionsführern. In den ersten acht Monaten des Jahres 2023 registrierte das Innenministerium 8.502 Beschwerden über häusliche Gewalt (HRW 11.01.2024).
Am Internationalen Frauentag im März 2023 forderten Demonstranten in Bischkek mehr Maßnahmen von Polizei und Gerichten gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Im September 2023 forderten Parlamentarier härtere Maßnahmen gegen häusliche Gewalt, nachdem der Ex-Mann einer Frau sie brutal mit einem Messer angegriffen hatte, obwohl sie ihn mehrfach wegen Vergewaltigung, körperlicher Gewalt und Drohungen bei der Polizei angezeigt hatte (HRW 11.01.2024).
Am 23.01.2024 unterzeichnet Präsident Dschaparow ein Gesetz, das die Strafen für Sexualdelikte erhöht und in Fällen von Vergewaltigung auch nach einer Versöhnung von Täter und Opfer die Fortführung der Ermittlungen vorschreib (Universität Bremen 28.02.2024).
(FH, Freedom House, Freedom in the World 2024 Kirgisistan, 29.02.2024, https://freedomhouse.org/country/kyrgyzstan/freedom-world/2024
BTI, Bertelsmann Stiftung, Kirgisistan, Länderbericht, 19.03.2024, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KGZ
HRW, Human Rights Watch, World Report 2024, Kirgisistan, 11.01.2024, https://www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/kyrgyzstan
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 162, 28.02.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/162/zentralasienanalysen162.pdf)
Bewegungsfreiheit
Öffentliche Verkehrsverbindungen: Im Inlandsverkehr sowie im grenzüberschreitenden Flug-, Bus- und Bahnverkehr kommt es häufig zu Verspätungen (BMEIA Stand 22.08.2024).
Etwa eine Million kirgisische Staatsangehörige arbeiten unter zum Teil prekären Bedingungen im Ausland, überwiegend in Russland (AA politisches Porträt 06.03.2024, abgefragt am 22.08.2024).
Nach bewaffneten Auseinandersetzungen an der kirgisisch-tadschikischen Grenze wurden die Landgrenzen nach Tadschikistan geschlossen. Die Überquerung zu touristischen Zwecken ist laut Auskunft der kirgisischen Behörden an ausgewählten Grenzübergängen möglich. Dazu ist die Genehmigung der Grenzbehörden erforderlich, die über ortsansässige Reiseveranstalter eingeholt werden kann. Schwierigkeiten bei der Überquerung der kirgisisch-tadschikischen Grenze können nicht ausgeschlossen werden (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024).
Am 21.06.2023 unterzeichnet Präsident Dschaparow ein Gesetz, das den Austausch personenbezogener Daten zwischen Kirgistan, Kasachstan und Russland ermöglicht, etwa bei Fragen zu Migration und Staatsbürgerschaft. Laut Arbeitsminister Kudaibergen Basarbajew am 24.06.2023 können kirgisische Staatsbürger:innen nach der Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens mit der kuwaitischen Regierung demnächst legal in Kuwait arbeiten (Universität Bremen 18.07.2023).
Am 17.10.2023 änderte das Ministerkabinett Visabestimmungen dahingehend, dass ein visafreier Aufenthalt für Bürger:innen entsprechender Staaten erst 60 bzw. 90 Tage nach einem maximalen visafreien Aufenthalt von 60 oder 90 Tagen möglich ist. Zuvor war es für die Bürger:innen entsprechender Staaten möglich, nach 60 oder 90 Tagen kurz aus- und dann wieder einzureisen, um sich praktisch dauerhaft im Land aufhalten zu können (Universität Bremen 13.01.2024).
Die Gesetze sehen Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes vor, erlaubt Auslandsreisen, Auswanderungen sowie Rückkehr und diese Rechte werden im Allgemeinen von der Regierung respektiert. Bürger, die Zugang zu vertraulichen Staatsgeheimnissen hatten, dürfen nicht ins Ausland reisen solange diese Informationen nicht freigegeben werden (USDOS 23.04.2024).
(AA, Auswärtige Amt, Länderinformationen Kirgisistan, Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024, unverändert gültig seit 11.07.2024, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan-node/kirgisistansicherheit/206738
USDOS, United States Department of State, Bericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2023, 23.04.2024, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/kyrgyz-republic/
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 159, 18.07.2023, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/159/zentralasienanalysen159.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 161, 13.01.2024, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/161/zentralasienanalysen161.pdf
AA, Auswärtige Amt, Länderinformationen Kirgisistan, politisches Porträt vom 06.03.2024, abgefragt am 22.08.2024, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan-node/politisches-portrait/206926
BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Kirgisistan (Kirgisische Republik), unverändert gültig seit 21.12.2022, Stand 04.01.2023, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/kirgisistan/)
Medizinische Versorgung
Seit November 2016 ist Kirgisistan offiziell von der WHO als malariafrei erklärt worden. Die medizinische Versorgung entspricht nicht europäischen Verhältnissen (BMEIA Stand 22.08.2024).
Die medizinische Versorgung in Kirgisistan entspricht nicht europäischen Verhältnissen. Ein mit Deutschland vergleichbares Rettungssystem (z.B. per Hubschrauber) mit intensivmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten ist nicht vorhanden. Selbst in der Hauptstadt können Notfälle meist nur unzureichend behandelt werden (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024).
Seit November 2016 ist das ganze Land offiziell von der WHO als malariafrei erklärt worden. Das HIV Vorkommen in der Bevölkerung ist bisher gering (Prävalenz <0,1%). Zu den Hauptrisikogruppen gehören intravenöse Drogenbenutzer und Prostituierte. Tuberkulose stellt in Kirgisistan ein relevantes Gesundheitsproblem dar. Es werden immer noch mehr als 100 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr erfasst. Die Resistenzrate des Tuberkelerregers gegen die üblichen Tuberkulosemedikamente ist relativ hoch. Die von Zecken übertragene virale Hirnhautentzündung Frühsommermeningoenzephalitis FSME bzw. RSSE, Russian SpringSummer Encephalitis, ist im Land äußerst selten, die Datenlage ist allerdings spärlich. Besonders in ländlichen Gebieten werden immer wieder Bruzelloseerkrankungen erfasst. Diese bakterielle, fieberhafte Erkrankung kann durch Kontakt mit kranken Tieren (Schafen, Ziegen, Rinder) oder Genuss von nicht ausreichend gekochten Tierprodukten übertragen werden. Vom Genuss von rohen Milchprodukten ist unbedingt abzuraten. Die hoch fieberhafte Virusinfektion Krim-Kongo-Hämorrhagisches Fieber tritt in Kirgisistan sporadisch auf. Jedes Jahr kommt es in ländlichen Regionen von April - Oktober zu einzelnen, kleinen Ausbrüchen, auch mit tödlichen Verläufen. Übertragen wird das Virus durch Zecken von Nutztieren wie Schafen, Ziegen, Rinder und Kamelen sowie über Blut infizierter Tiere und Menschen. Schutz vor Zecken und Abstand von Tieren wird empfohlen. Jedes Jahr kommt es in ländlichen Regionen zu einzelnen, kleinen Ausbrüchen der bakteriellen Infektion Milzbrand (Anthrax), die überwiegend durch kranke Rinder verursacht werden. Ein Infektionsrisiko besteht nur bei Kontakt mit Vieh, oder Umgang mit deren Produkten (Fellen, rohe Milch- bzw. Fleischprodukte [(AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024]).
(BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Reiseinformation, Kirgisistan (Kirgisische Republik), unverändert gültig seit 04.03.2024, Stand 22.08.2024, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/kirgisistan
AA, Auswärtige Amt, Länderinformationen Kirgisistan, Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024, unverändert gültig seit 11.07.2024, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan-node/kirgisistansicherheit/206738)
Sozialbeihilfen
Formal bleibt Kirgisistan ein sozial orientierter Wohlfahrtsstaat mit klaren Verpflichtungen, die soziale Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten. In der Praxis ist das Land diesen Verpflichtungen seit der Unabhängigkeit jedoch immer wieder nicht nachgekommen. Die neue Verfassung Kirgisistans, die im Jahr 2021 verabschiedet wurde, hat diese Verpflichtungen weiter verschärft, was zum Teil das Ergebnis eines hastig durchgeführten Entwurfsprozesses unter der Leitung populistischer Kräfte ist. Interessant ist ein Thema, welches Ende 2022 im Parlament aufgeworfen wurde, bis Anfang 2023 ungelöst blieb und Artikel 44 der Verfassung betrifft. Eine Bestimmung in diesem Artikel garantiert unmissverständlich, dass alle grundlegenden Zahlungen des Sicherheitsnetzes (z.B. Renten, Invaliditäts- und Arbeitslosengeld) nicht niedriger ist als der gesetzlich festgelegte Mindestwarenkorbindex. Dennoch war die Mindestrentenzahlung zu diesem Zeitpunkt etwa viermal niedriger als der monatliche Mindestpreis für den Warenkorb. Insgesamt hat die wirtschaftliche und soziale Krise angehalten; wobei die COVID-19 Krise deutlich die Schwachstellen im sozialen Sicherheitsnetz aufgezeigt hat. Trotz des erheblichen Anstiegs der Staatsausgaben besteht nach wie vor sozioökonomische Unsicherheit. Bis Ende 2022 werden voraussichtlich mehr als 30 % der Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze leben, was einem Anstieg von über 10 % entspricht. Alles in allem wurde das bisherige Niveau der zugeteilten Sozialversicherungsbeiträge und -rückstellungen fortgesetzt. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung, die Einschreibung in Schulen, Invaliditätszahlungen und alle anderen Standardpaketzahlungen wurden fortgesetzt. Im Vergleich zu Anfang 2023 waren keine nennenswerten wirtschaftlichen Maßnahmen gegen den plötzlichen Anstieg der Armut in Sicht (BTI 19.03.2024).
Arbeitslosengeld: Es müssen mindestens zwölf Monate lang in Folge Beiträge in den letzten drei Jahren vor Beginn der Arbeitslosigkeit einbezahlt worden sein, man muss bei einem Arbeitsamt angemeldet, arbeitsfähig und arbeitswillig sein. Die Leistung kann gekürzt, ausgesetzt oder beendet werden, wenn der Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen die Arbeitsdisziplin entlassen wird, das Arbeitsverhältnis ohne triftigen Grund verlässt, die Bedingungen für eine Arbeitsvermittlung oder Berufsausbildung verletzt oder betrügerische Absichten festgestellt werden. Auch Studierende, die sich in den zwölf Monaten nach Abschluss des Studiums als arbeitslos melden, haben einen Anspruch. Es werden monatlich 250 bis 500 Som für bis zu sechs Kalendermonate ausbezahlt. Ergänzung: 10% des Arbeitslosengeldes werden für jeden Angehörigen ausbezahlt (SSA März 2019).
Kinderbetreuungsgeld (Sozialhilfe): In der Höhe von 700 Som pro Monat wird an Mütter ausbezahlt, für jedes Kind das diese im Alter von unter drei Jahren betreuen (SSA März 2019).
Familienzuschuss (Sozialhilfe, Einkommensabhängig): Für jeden anspruchsberechtigte Kind, das jünger als 16 Jahre (18 Jahre bei Schülern) ist, werden 810 Som pro Monat für jedes anspruchsberechtigte Kind ausbezahlt. Einkommensvoraussetzungen sind, dass das Haushalts-Pro-Kopf-Einkommen, basierend auf dem durchschnittlichen monatlichen Einkommen in den drei Monaten vor der Entstehung des Anspruchs, unter 100% des garantierten Mindestlebensstandards (GM) sein muss. Der GM ist 900 Som pro Monat (Oktober 2016 [SSA März 2019]).
Geburtszuschuss (universell): Für jedes Neugeborene wird eine Pauschale von 4.000 Som ausbezahlt. Der Anspruch muss innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt geltend gemacht werden (SSA März 2019).
Alterspension (Sozialversicherung, fiktive Beitragszusage [NDC] und obligatorisches Einzelkonto): Alter 63 mit mindestens 25 Beschäftigungsjahren bei Männer bzw. Alter 58 mit mindestens 20 Beschäftigungsjahren bei Frauen. Als Beschäftigungsjahre gelten Studienzeiten, Mutterschaftsurlaub, Betreuung von Menschen mit Behinderungen, registrierte Arbeitslosigkeit und andere durch Sonderverordnung genehmigte Urlaubszeiten. Die Anspruchsvoraussetzungen werden für Vollzeitarbeit unter Tage, Vollzeitarbeit unter gefährlichen Bedingungen, Arbeit im Zusammenhang mit der Tschernobyl-Katastrophe, für Mütter mit fünf oder mehr Kindern oder mindestens einem Kind mit einer Behinderung und für kleine Menschen reduziert (SSA März 2019).
Teilpension: Ausbezahlt bei Erreichen der Altersgrenze für die Alterspension mit weniger als 25 Beitragsjahren (Männer) bzw. 20 Jahren (Frauen).
Frühpension: 60 Jahre mit mindestens 40 Jahren Beschäftigungsjahren (Männer) oder Alter 55 Jahre mit mindestens 35 Beschäftigungsjahren (Frauen).
Zuschlag zur Altersrente: Ausbezahlt an Personen ab 80 Jahren, Veteranen des Zweiten Weltkriegs, Katastrophenhelfer von Tschernobyl, Personen mit einer Behinderung der Gruppe römisch eins (erfordert ständige Betreuung), Betreuer von Personen mit einer Behinderung der Gruppe römisch II (vollständig behindert mit einem Mobilitätsverlust von 80%) und Einzelpersonen mit einer Behinderung der Gruppe römisch II. Die Altersrente wird auch in der Russischen Föderation im Rahmen eines bilateralen Abkommens ausgezahlt (SSA März 2019).
Soziale Alterspension (Sozialhilfe): Auszahlung im Alter von 65 Jahren bei Männern und 60 Jahren bei Frauen, die keinen Anspruch auf eine Alterspension haben. Es gibt keine Einkommensprüfung (SSA März 2019).
Invalidenpension (Sozialversicherung und NDC): Je nach Alter der versicherten Person sind ein bis fünf Jahre Versicherungszeiten notwendig, um mit einer Behinderung der Gruppe römisch eins (Vollinvalidität und ständige Betreuung erforderlich), der Gruppe römisch II (Vollinvalidität mit 80% Mobilitätsverlust) oder der Gruppe römisch III (Teilinvalidität mit Verlust der Erwerbsfähigkeit) bewertet zu werden. Eine Expertenkommission des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Entwicklung beurteilt den Grad der Behinderung. Einen Zuschlag für durchgehende Anwesenheit wird bezahlt, wenn der Versicherte die ständige Anwesenheit von anderen zur Erfüllung seiner täglichen Aufgaben benötigt.
Eine Teilinvaliditätspension besteht für Personen, welche nicht die notwendigen Beitragsjahre für eine Vollinvaliditätspension zusammenbekommen (SSA März 2019).
(SSA, United States Social Security Administration, Übersicht über Sozialversicherungssystem, Asia and the Pacific, Kirgisistan 2018, März 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005506/kyrgyzstan.pdf
BTI, Bertelsmann Stiftung, Kirgisistan, Länderbericht, 19.03.2024, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KGZ)
Wirtschaft und Grundversorgung
Die Arbeitslosenquote der 15 bis 64jährigen betrug im Jahr 2020 4,6 %, im Jahr 2022 4, 1 % und im Jahr 2023 4 % (WKO Länderprofil Stand August 2024).
Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt. Etwa eine Million kirgisische Staatsangehörige arbeiten unter zum Teil prekären Bedingungen im Ausland, überwiegend in Russland (AA politisches Porträt 06.03.2024, abgefragt am 22.08.2024).
Kirgisistan ist ein gebirgiger Binnenstaat in Zentralasien mit knapp sieben Millionen Einwohnern und verfügt über wesentliche Vorkommen an Gold, welches auch das wichtigste Exportgut ist. Die Wirtschaft ist stark auf den (Gold-)Bergbau und auf Rücküberweisungen der vielen Arbeitsmigranten angewiesen und das Land weist das zweitniedrigste BIP/Kopf in Zentralasien auf. Die kirgisische Wirtschaft hat sich in den letzten 25 Jahren positiv entwickelt und ist im Zeitraum 1994 bis 2022 – trotz Rückschlägen - im Durchschnitt um 2,85 % p.a. gewachsen. Im Jahr 2020 schrumpfte die Wirtschaft zwar infolge der weltweiten COVID-19 Pandemie um 8,4 %, die Folgejahre brachten hingegen wieder deutliches Wachstum – zuletzt im Jahr 2023 geschätzte 4,7 %. Die Pandemie ist mittlerweile kein Thema mehr, aber die Aussichten für die kirgisische Wirtschaft für die nächsten Jahre sind durchwachsen. Fragen zur politischen Stabilität, fallende Goldpreise, globale Unsicherheit und ein deutliches Leistungsbilanzdefizit (Prognose 2024: 18,8 % des BIP) dämpfen die Wachstumsdynamik. Entsprechend wird für 2024 ein Wachstum von „nur“ 4 % erwartet. Die Basis für eine positive Wirtschaftsentwicklung 2024 sind hohe Goldpreise am Weltmarkt, steigender Handel und Investments (v.a. aus Russland und China) und stabile Remissen. Die Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten aus dem Ausland und Arbeitsmigration sind ein wesentlicher Faktor für Wachstum und Beschäftigung und nehmen auch Druck vom inländischen Arbeitsmarkt. Die Nationalbank Kirgisistans verfolgt eine flexible Wechselkurspolitik mit Inflationsziel (5-7 %). Die Pandemie und der Ukrainekrieg hatten zwar Ende Februar 2022 eine Abwertung des kirgisischen Som (KGS) zur Folge, allerdings hat sich der Wechselkurs rasch wieder stabilisiert (aktuell: 1 USD = 88 KGS). Geringe Staatseinnahmen und Auslandsinvestitionen, hohe Inflation, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sowie der große informelle Sektor bleiben Problemfelder des Landes. Kirgisistan ist anfällig für politische Instabilität und externe Schocks und von der Wirtschaftsentwicklung seiner wichtigsten Wirtschaftspartner Russland, China, Türkei und Kasachstan abhängig. Kirgisistan weist eine hohe Auslandsverschuldung auf (2023: geschätzt 60 % des BIP) und China ist der größte Gläubiger. Um die Lücke in den Staatsfinanzen zu schließen und da die Steuereinnahmen ungenügend sind, ist das Land auf die Remissen von Gastarbeitern angewiesen. Auch werden von internationalen Finanzinstitutionen immer wieder Finanzierungen (inkl. Grants) für das Budget oder wichtige Projekte (z.B. Gesundheitsversorgung, Bildung, Infrastruktur) gewährt. Die lfd. Refinanzierung und Bedienung der Staatsschulden (v.a. in Fremdwährung) stellt die Regierung vor Herausforderungen. Die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen denen Präsident Japarov gegenübersteht sind vielfältig und komplex: Die Absicherung seiner Machtbasis und der Umbau zu einer präsidialen Republik, der schwelende Grenzstreit mit Tadschikistan, Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft bei gleichzeitiger hoher Staatsverschuldung, Inflation und Arbeitslosigkeit sowie die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine verlangen die volle Aufmerksamkeit der Regierung. Daneben bedarf es auch weiterer Maßnahmen zur Bürokratiereform, zum Kampf gegen Schattenwirtschaft und Korruption und zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Sanierung der Staatsfinanzen (WKO Wirtschaftsbericht Jänner 2024).
Am 20.07.2023 gibt Energieminister Taalaibek Ibrajew die Einführung eines Strommangel bedingten Notstandes ab 01.08.2023 bis 31.12.2026 bekannt. Demnach leidet Kirgistan aufgrund eines sehr niedrigen Pegels im Wasserkraftwerk Toktogul (Gebiet Dschalal-Abad) in diesem Jahr unter einem Stromdefizit von drei Mio. kWh, das bis 2026 auf sechs Mio. kWh steigen könnte. Laut News Central Asia am 30.07.2023 haben Kirgistan und China bereits im Mai ein Investitionsabkommen geschlossen, laut dem ein chinesisches Konsortium die drei Mio. US-Dollar teure Kazarman-Kaskade (Gebiet DschalalAbad) bauen wird. Die aus vier Wasserkraftwerken bestehende Kaskade soll ab 2030 jährlich 1160 MW Strom produzieren (Universität Bremen 09.11.2023).
Am 08.10.2023 führt das Ministerium für Wirtschaft und Handel Kirgisistans landesweit eine vorübergehende staatliche Regulierung der Preise für Brot und Backwaren ein, um Preiserhöhungen für diese Produkte zu verhindern und die Zugänglichkeit für die Bevölkerung sicherzustellen (Universität Bremen 09.11.2023).
(AA, Auswärtige Amt, Länderinformationen Kirgisistan, politisches Porträt vom 06.03.2024, abgefragt am 22.08.2024, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan-node/politisches-portrait/206926
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Außenwirtschaft Wirtschaftsbericht Kirgisistan, Jänner 2024, https://www.wko.at/oe/aussenwirtschaft/kirgisistan-wirtschaftsbericht.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 160, 09.11.2023, https://laender-analysen.de/zentralasien-analysen/160/zentralasienanalysen160.pdf
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Länderprofil, Stand August 2024, https://www.wko.at/statistik/laenderprofile/lp-kirgisistan.pdf)
Rückkehr
Es gibt keine Einreisebeschränkungen aufgrund COVID-19, jedoch muss aufgrund der Verbreitung des Coronavirus bei der Einreise weiterhin mit verstärkten Einreisekontrollen und Maßnahmen zur Identifizierung erkrankter Reisender bis hin zu Quarantänemaßnahmen und Einreisesperren gerechnet werden (BMEIA Stand 22.08.2024).
Der Luftverkehr entspricht nicht internationalen Sicherheitsstandards. Alle kirgisischen Luftfahrtunternehmen stehen auf der gemeinschaftlichen Liste unsicherer Fluggesellschaften der EU. Gleichwohl stellen nationale Fluggesellschaften die Verbindung von Bischkek in die entlegenen südlichen Städte (Razzakov, etc.) her. Osch im Süden des Landes und Tamchy am Issyk-Kul verfügen über internationale Flughäfen (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024).
Das Gesetz sieht Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes vor, erlaubt Auslandsreisen, Auswanderungen sowie die Rückkehr und diese Rechte werden im Allgemeinen von der Regierung respektiert (USDOS 23.04.2024).
(BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Kirgisistan (Kirgisische Republik), unverändert gültig seit 21.12.2022, Stand 04.01.2023, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/kirgisistan/
USDOS, United States Department of State, Bericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2023, 23.04.2024, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/kyrgyz-republic/
AA, Auswärtige Amt, Länderinformationen Kirgisistan, Reise- und Sicherheitshinweise Stand 22.08.2024, unverändert gültig seit 11.07.2024, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan-node/kirgisistansicherheit/206738)
2. Beweiswürdigung:
a) Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung im dritten Asylverfahren:
„…R: Ihre Identität konnte bereits im ersten Asylverfahren nach Vorlage Ihres kirgisischen Reisepasses, der Ihnen kurz vor Ihrer problemlosen, legalen Ausreise aus Ihrem Herkunftsstaat von den kirgisischen Behörden ausgestellt wurde, festgestellt werden. Sie haben in der Beschwerdeverhandlung im ersten Asylverfahren angegeben: „P: Ich heiße römisch 40 , geb. römisch 40 , Staatsangehörigkeit Kirgisische Republik. Ich gehöre der Volksgruppe der Kirgisen an.“ (Anmerkung: Verhandlungsschrift vom 21.08.2020 Seite 06). Haben sich seither Ihre persönlichen Daten oder Ihr Familienstand - gemeint ledig und kinderlos - geändert?
P: Nein, es hat sich nicht geändert…“ (Verhandlungsschrift Seite 06)
Danach wurde bis zuletzt in der letzten Stellungnahme vom 19.08.2024 nicht vorgebracht, dass sich daran etwas geändert hätte.
b) Zum bisherigen Verfahrensverlauf:
Die Feststellungen zum bisherigen Verfahrensverlauf ergeben sich aus den Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in allen drei Asylverfahren und den jeweiligen Beschwerdeakten des Bundesverwaltungsgerichts; für eine ausführlichere Darstellung siehe römisch eins. Verfahrensgang.
c) Zu den Fluchtgründen:
Dass nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin jemals Probleme mit kirgisischen Behörden hatte, beruht auf dem Umstand, dass sie problemlos legal über einen internationalen Flughafen mit einem von römisch 40 ausgestellten Schengenvisum, gemeinsam mit ihrer Mutter und einer Vollmacht ihres Vaters, aus der Kirgisischen Republik ausreiste, dies von der Beschwerdeführerin in keinem ihrer Asylverfahren behauptet wurde und derartiges auch nicht aus den Länderfeststellungen hervorgeht.
Die Beschwerdeführerin hat ihre angeblichen Fluchtgründe im ersten Asylverfahre nicht glaubhaft machen können, verwies jedoch in der Erstbefragung erneut auf ihre damaligen Behauptungen, weshalb auf die Beweiswürdigung im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2020, Zahl 2168406-1/17E, Seiten 22 bis 44 verwiesen wird und diese auch zum Inhalt dieses Erkenntnisses erklärt werden:
„…Dass nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin in der Kirgisischen Republik von ihrem Großvater gezwungen werden sollte, einen 20 Jahre älteren Mann zu heiraten und im Fall ihrer Rückkehr Gewalt durch ihren Großvater ausgesetzt wäre, ergibt sich aus den nicht glaubhaften Angaben.
Bereits vorab fiel auf, dass die Familie der Beschwerdeführerin schon vor einigen Jahren versucht hat illegal nach Österreich auszuwandern, jedoch später in ihren Herkunftsstaat zurückkehren musste, weil keine Verfolgung glaubhaft gemacht werden konnte. Für eine sorgfältig vorbereitete Auswanderung der Beschwerdeführerin spricht auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ab ihrer Einschulung sieben Jahre lang in römisch 40 eine römisch 40 Schule besucht hat: „…Ich habe 7 Jahre lange eine römisch 40 Schule, in der römisch 40 , besucht […]
LA: Warum haben Ihre Eltern vor mehreren Jahren einen Asylantrag in Österreich gestellt?
AW: Ich weiß es nicht, ich war damals noch klein, ich war damals erst römisch 40 Jahre alt…“ (niederschriftliche Befragung am 16.02.2017).
Dazu kommt, dass die am römisch 40 geborene Beschwerdeführerin bezüglich Ihres Ausreisegrund nur pauschal angeben konnte, dass sie einen 20 Jahre älteren Mann heiraten hätten sollen. Wenig präzise Angaben wären zwar unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin erst römisch 40 Jahre alt war, auf den ersten Blick nicht weiter verwunderlich bzw. schon auf Grund ihres jungen Altes vorerst nachvollziehbar, auffällig ist dabei aber, dass die Beschwerdeführerin keinerlei Angaben - nicht einmal Name dieses Mannes - machen konnte, obwohl die Ehe mehrere Monate im Voraus geplant worden sein soll bzw. die Beschwerdeführerin erst ca. zwei Monate nach Ankündigung ausreist sein will:
„…LA: Wann haben Sie Kirgistan verlassen?
AW: Am römisch 40 .
[…]
Dann hat mein Großvater mich wieder von der Schule genommen und mir gesagt, dass wenn ich nicht in die Schule gehen will, dass ich dann heiraten muss. […]
Nachgefragt wann das passiert ist, gebe ich an das das im September römisch 40 war […]
Ich sollte nicht gleich verheiratet werden. Meine Mutter sagte zu meinen Großeltern, dass wir noch warten sollen und ich dann im neuen Jahr verheiratete werden soll…“ (niederschriftliche Befragung am 16.02.2017)
Das Bild der Unglaubwürdigkeit wurde dadurch abgerundet, dass diese Behauptungen nicht den tatsächlichen Verhältnissen in der Kirgisischen Republik entsprechen. Wie aus den Feststellungen f zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat, Eheschließungen, unter anderem zusammengefasst hervorgeht, dürfen in der Kirgisischen Republik zwar Jugendliche schon im Alter von 16 und 17 Jahren legal mit Zustimmung der örtlichen Behörden heiraten, aber das Gesetz verbietet unter allen Umständen standesamtliche Ehen vor dem 16. Lebensjahr.
Wenn in der am 10.09.2020 eingelangten schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin Ausführungen zum Brautraub gemacht werden, sind diese nicht geeignet das nicht glaubhafte Vorbringen der Beschwerdeführerin zu unterstützen. Wie aus den Feststellungen f zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat, Eheschließungen, unter anderem zusammengefasst hervorgeht, gibt es zwar Brautentführungen, aber nicht im damaligen Alter der Beschwerdeführerin und war diese laut ihren Angaben nie davon betroffen. Vielmehr hätte es sich um eine geplante Ehe gehandelt und ging offensichtlich auch nicht um finanzielle Gründe, die öfter Motiv für Brautraub sein soll:
„…R: Dennoch mussten Sie nicht zum Lebensunterhalt der Familie beitragen?
P: Wir waren zwar nicht reich, aber meine Familie konnte sich leisten nicht zu arbeiten. Wir haben ganz gut gelebt […]
R: Was wissen Sie über den vorgesehenen Ehegatten, außer dass er älter ist?
P: Nichts, ich habe nur gehört, dass er 20 Jahre älter ist als ich.
[…]
P: Ich wollte nicht, weil er alt war. Ich hätte ihn auch nicht heiraten wollen, wenn er 18 Jahre alt gewesen wäre. Ich wollte einfach nicht heiraten.
R: Sie wollten einfach nicht heiraten, egal wer es gewesen wäre?
P: Ja…“ (Verhandlungsschrift Seiten 08 und 09)
Die Beschwerdeführerin hat bis zu ihrer problemlosen, legalen Ausreise aus der Kirgisischen Republik im Haus ihrer Eltern und nicht etwa bei ihrem Großvater gelebt. Ihre gut situierten Eltern sollen gegen ihre Eheschließung gewesen sein und hätte diese jederzeit auf Grund der kirgisischen Gesetzeslage jederzeit verhindern können. Das Bundesverwaltungsgericht muss somit insgesamt davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin ihren angeblichen Ausreisegrund frei erfunden hat.
In der Gesamtheit betrachtet ist den Schlussfolgerungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zuzustimmen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft ist. Die Beschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, jemals einer wie immer gearteten individuellen und konkreten Verfolgung in der Kirgisischen Republik ausgesetzt gewesen zu sein und es sind auch keine Gründe ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in die Kirgisischen Republik einer solchen ausgesetzt sein sollte…“
Nunmehr behauptete die Beschwerdeführerin, dass sie seit Februar 2022 in der Kirgisischen Republik von Kyrk Choro verfolgt wird und bei ihrer Rückkehr von unbekannten Menschen Kyrk Choro übergeben und von diesen geköpft wird, weil sie ein Mädchen ist das sich nicht nach dem islamischen Gesetz richtet:
„…Seit Februar 2022 bekomme ich über römisch 40 von kirgisischen Leuten, die der Organisation „KYRK CHORO“ angehören, Bedrohungen. Sich haben mich bedroht, wenn ich nach Kirgisistan zurückkehr, werden sie mich umbringen. Sie werden mich Köpfen.
8. Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?
Die Leute die mich über römisch 40 bedroht haben, werden mich wenn ich nach Kirgisistan zurückkehre umbringen…“ (Erstbefragung am 27.02.2022)
„…Unbekannte Menschen haben mir gedroht, dass sie mich KYRK CHORO übergeben. Das ist eine Organisation die Mädchen verfolgt, die sich nicht nach dem islamischen Gesetz richtet…“ (niederschriftliche Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.02.2022)
Es ist nicht zu übersehen, dass die Beschwerdeführer zwar behauptet von Kyrk Choro verfolgt zu werden, sich jedoch nicht ausführlich über ihre Verfolger informierte; obwohl sie von sich aus einen Bezug zum im Internet hat, dort bedroht wurde und monatelang Zeit hatte, sich auf die Beschwerdeverhandlung im dritten (Folge-)Asylverfahren vorzubereiten:
„…R: Was bedeutet der Name Kyrk Choro?
P: Das weiß ich nicht.
R: Laut meinen Informationen soll das sinngemäß Forty Knights/40 Ritter heißt. Wollen Sie dazu etwas angeben?
P: Ich weiß es nicht, ich weiß, dass Kyrk 40 heißt, das andere weiß ich nicht.
R: Wie viele Menschen wurden bisher von Kyrk Choro in der Kirgisischen Republik geköpft und wann war das?
P: Ich war 6 Jahre lang nicht in Kirgisistan und weiß es nicht.
R: In der letzten Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wussten Sie noch nicht allzu viel über Ihre Verfolgern. Sie wurden bereits am 23.05.2023 von diesem Verhandlungstermin in Kenntnis gesetzt und hatten seither ausreichend Zeit sich auf diese Verhandlung in Ihrem dritten Asylverfahren vorzubereiten. Bitte erzählen Sie mir alles, was Sie über Kyrk Choro wissen, z.B. Was ist das für eine Organisation? Wie viele Mitglieder hat Kyrk Choro?
P: Ich weiß, dass diese Organisation homosexuelle verfolgt und dass sie auch junge Frauen verfolgen, die Schande über ihre Volksgruppe bringen.
R: Sind Sie homosexuell?
P: Nein.
R: Können Sie mir sonst noch etwas über Kyrk Choro erzählen?
P: Ich weiß auch noch, dass sie sehr gut von der Politik geschützt werden.
R: Sonst noch etwas?
P: Nein, mehr weiß ich nicht. Ich weiß, dass diese Organisation nur aus Männern besteht.
R: Wissen Sie wie viele Mitglieder oder welche Art von Organisation das ist?
P: Nein.
R: Wenn mich jemand köpfen wollen würde, würde ich persönlich ganz genau wissen wollen, wer das ist und warum man mich köpfen will. Bitte machen Sie konkrete Angaben bezüglich Ihrer Verfolger.
P: Ich kenne diese Leute nicht, aber sie schreiben mir. Sie sagen mir, dass ich mich nicht angemessen verhalte, dass ich rauche. Ich habe auch einmal ein Foto geladen, auf dem man mein Dekolletee sieht, daraufhin wurde ich bedroht.
R: Seit wann gibt es Kyrk Choro?
P: Ich weiß es nicht.
R: Gibt es einen Anführer, oder ist das nur ein freier, nicht organisierter, Zusammenschluss von gleichgesinnten Menschen?
P: Ich weiß, dass sie niemand persönlich gesehen hat, weil sie ihre Gesichter maskieren. Nachgefragt: Ich weiß nicht ob es einen Anführer gibt oder nicht.
R: Haben Sie schon einmal von einem römisch 40 gehört?
P: Ja, das ist eine kirgisische Familie und der Familienname kommt oft vor, es ist ein sehr häufiger Familienname, aber ich kenne niemanden mit diesem Namen.
R: römisch 40 ist ein ehemaliger Sprecher von Kyrk Choro. Als Sie ab Februar 2022 bedroht wurden, war er es nicht mehr. Kennen Sie aktuelle Vertreter von Kyrk Choro?
P: Nein...“ (Verhandlungsschrift Seiten 07 bis 09)
Die Beschwerdeführerin hat keinerlei Probleme mit kirgisischen Behörden und es handelt sich bei Kyrk Choro um eine private, nationalistische Gruppe von ca. 5.000 konservativen Männern, die vor allem versucht traditionelle kirgisische Wert zu bewahren und gegen ausländischen Einfluss auftritt (siehe dazu 1. Feststellungen f zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin Kyrk Choro). Mitglieder von Kyrk Choro haben zwar im März 2020 Frauen beim Women's March körperlich angegriffen und wurden deswegen zu Geldstrafen verurteilt, es ist jedoch nicht bekannt, dass diese private nationalistische Gruppe jemals eine Person geköpft oder auf andere Weise getötet hätte.
Dazu kommt, dass so gut wie jeder Mensch, der sich im Internet und in sozialen Medien exponiert, indem er seine persönliche Meinung kundtut und/oder Fotos postest (eines der Fotos zeigt die Beschwerdeführerin in einem weißen Kleid, welches einen etwas größeren Ausschnitt hat, sodass man ihr Dekolleté sieht, eines zeigt eine ausgestreckte Zunge, ein anderes zeigt die Beschwerdeführerin mit dunkler Sonnenbrille beim Vapen/„Dampfen“ mit einer E-Zigarette, ein weiters zeigt sie mit einer Zigarette,...), von Unbekannten angefeindet, beleidigt, beschimpft und/oder (auch mit dem Umbringen) bedroht wird, was mittlerweile leider ein weltweites Übel darstellt; es gibt niemanden, der davor gefeit wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 12.12.2023, Ro 2003/14/0005-12, unter anderem ausgeführt:
„…Unter „Verfolgung“ iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen vergleiche Artikel 9, Absatz eins, der Statusrichtlinien) vergleiche neuerlich VwGH Ra 2020/01/0025, Rn. 14, mwN).
Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht vergleiche VwGH 16.4.2020, Ra 2019/14/0505, Rn. 15, mwN).
Zur Auslegung des Begriffs der „sozialen Gruppe“ hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung auf Artikel 10, Absatz eins, Litera d, der Status-RL und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH bezogen. Damit das Vorliegen einer „sozialen Gruppe“ im Sinne dieser Bestimmung festgestellt werden kann, müssen nach der Rechtsprechung des EuGH zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen müssen die Mitglieder der Gruppe „angeborene Merkmale“ oder einen „Hintergrund, der nicht verändert werden kann“, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, „die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten“. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der als sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird vergleiche VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0295, Rn. 23, mwN).
Unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird eine Repression verstanden, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten. Nach herrschender Auffassung kann eine soziale Gruppe aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist vergleiche VwGH 3.7.2023, Ra 2023/14/0182, Rn. 23, mwN).
Um das Vorliegen einer Verfolgung aus dem Konventionsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe beurteilen zu können, bedarf es daher sowohl Feststellungen zu den Merkmalen bzw. zur abgegrenzten Identität dieser Gruppe als auch zum kausalen Zusammenhang mit der Verfolgung vergleiche VwGH 14.8.2020, Ro 2020/14/0002, Rn. 14, mwN) …“
Insgesamt reichen die Angaben der Beschwerdeführerin, sich wegen Anfeindungen Unbekannter im Internet verfolgt zu fühlen, in ihrem dritten (Folge-)Asylverfahren nicht aus, eine konkrete Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft zu machen, die in kausalem Zusammenhang mit einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Konventionsgründe steht.
d) Zur möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat:
Die Beschwerdeführerin hat in der Erstbefragung im gegenständlichen Verfahren angegeben ihr Vorbringen aus dem ersten Asylverfahren aufrecht zu halten, damals jedoch ihre angeblichen Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft machen können. Diesbezüglich wird auf die Beweiswürdigung im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2020, Zahl 2168406-1/17E, Seite 44 verwiesen und diese auch zum Inhalt dieses Erkenntnisses erklärt:
„…Wie bereits weiter oben 2. Beweiswürdigung c zu den Asylgründen der Beschwerdeführerin ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin ihre angeblichen Ausreisegründe erfunden. Die Beschwerdeführerin hat nie vorgebracht Opfer von Brautraub gewesen zu sein. Das Bundesverwaltungsgericht geht nicht davon aus, dass die volljährige, ledige Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr automatisch von Brautraub betroffen ist. Wie aus den Feststellungen f zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin, Eheschließungen, unter anderem zusammengefasst hervorgeht, gibt es Brautraub in der Kirgisische Republik, dieser ist jedoch strafbar. Früher drohten bei Brautraub nur drei Jahre Gefängnis und laut einer Umfrage einer NGO im Jahr 2010 unter 268 Betroffenen wussten 77% der Frauen nicht, dass sie sich im Falle ihrer Entführung, um Hilfe an die Polizei oder andere Hilfsorganisation hätten wenden können. Im Jahr 2011 wurde dagegen, allerdings nicht in der Region aus der die Beschwerdeführerin stammt, noch ohne viel Unterstützung demonstriert. Seither hat sich die Lage jedoch geändert. Die Bestimmungen des kirgisischen Strafgesetzbuches, welches im April 2019 in Kraft getreten ist, sehen bei Brautentführung Strafen von zehn Jahren Gefängnis und eine Geldstrafe von 210.000 Soms (3.000 USD) vor. Die Beschwerdeführerin ist zudem längst volljährig und vorgewarnt, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass sie in der römisch 40 , von diesem vor allem in ländlichen Gebieten verbreiteten Phänomen und unter dem Schutz einer nicht gerade armen Familie automatisch Opfer einer derartigen Praktik wird. Das Bundesverwaltungsgericht geht vielmehr davon aus, dass das Risiko im konkreten Fall der Beschwerdeführerin – im Vergleich zu Minderjährigen, die in der Provinz leben und nicht entsprechend vorgewarnt sind -, relativ gering ist...“
Die Beschwerdeführerin hat nicht angegeben an einer lebensbedrohlichen Krankheit zu leiden oder nicht arbeitsfähig zu sein:
„…R: Sind Sie trotz der Angaben in der römisch 40 Stellungnahme, vom römisch 40 in der Lage zu arbeiten oder zur Schule zu gehen?
P: Ja
[…]
R: Leiden Sie immer noch an einer römisch 40 , oder hat Ihre römisch 40 Therapie Österreich ab dem Jahr römisch 40 mittlerweile Wirkung gezeigt?
P: Es geht mir besser
R: Sie haben in der Verhandlung im ersten Asylverfahren zu mir gesagt, dass Sie eine Fachschule für soziale Berufe besuchen und dort eine Ausbildung zur Altenbetreuerin machen wollen (Anmerkung: Verhandlungsschrift vom 21.08.2020 Seite 06). Haben Sie das gemacht?
P: Nein.
R: Sie haben mir damals gesagt, dass Sie Montag und Dienstag ein Praktikum machen. Haben Sie das abgeschlossen und falls ja, was haben Sie danach gemacht?
P: Ich habe das Praktikum abgeschlossen, wann weiß ich jetzt nicht mehr. Danach habe ich die Schule besucht, dann habe ich mich von der Schule (HAK) abgemeldet, das war im römisch 40 . Danach habe ich in römisch 40 begonnen zu arbeiten, ehrenamtlich, unentgeltlich.
R: Wie viele Stunden arbeiten Sie dort?
P: Das ist total unterschiedlich, manchmal drei Stunden bis zu fünf Stunden, von Montag bis Freitag. Ich kann mich nicht erinnern seit wann genau ich dort arbeite, ich glaube, einen Monat nach der Schule habe ich begonnen dort zu arbeiten, aber genau weiß ich es nicht.
R: Warum können Sie, aus römisch 40 Gründen seit römisch 40 nicht zur Schule gehen, aber dennoch arbeiten?
P: Ich habe mit meiner römisch 40 gesprochen und sie sagte, dass das für meinen Organismus sehr viel Stress war, nicht nur die Schule, sondern der negative Bescheid des Bundesamtes.
R: Das zweite Verfahren wurde bereits im September 2021 negativ entschieden und seitdem waren Sie illegal in Österreich und den dritten Antrag auf internationalen Schutz haben Sie am 26.02.2022 gestellt, der Bescheid ist vom 15.02.2023. Sie meinen, dass dieser Bescheid den Stress ausgelöst hat?
P: Ich hatte schon vorher stress, aber der letzte Bescheid hat sich so negativ auf meinen Körper ausgewirkt, dass ich nicht mehr in der Schule lernen konnte.
R: Warum konnten Sie ehrenamtlich arbeiten, aber nicht zur Schule gehen?
P: Die römisch 40 hat mir geraten eine Pause zu machen. Meine römisch 40 Beraterin hat mir erzählt, dass man jemanden für die freiwillige Arbeit im römisch 40 braucht.
R: In der Bestätigung steht, dass Sie erst seit Mai 2023 dort arbeiten.
P: Ich habe schon vorher dort gearbeitet, aber nicht in diesem Ausmaß, seit Mai arbeite ich dort jeden Tag…“ (Verhandlungsschrift Seiten 06 und 12f)
Dass die Beschwerdeführerin an einer römisch 40 erkrankt ist und sich deswegen seit römisch 40 in römisch 40 Behandlung befindet und aus römisch 40 eine Fortführung von römisch 40 indiziert ist, ergibt sich aus den bereits seit dem ersten Asylverfahren vorgelegten Unterlagen. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer jüngsten Stellungnahme vom 19.08.2024 keine neuen medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht und es wird ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin gesundheitlich gut und sie regelmäßig zur römisch 40 gehe, aber keine aktuellen römisch 40 Befunde vorlegen könne, da sich ihre römisch 40 bis Ende September im Ausland befinde. Aktuell sei die Beschwerdeführerin nicht in ärztlicher Behandlung: „Die BF nimmt, die von der römisch 40 verschriebenen römisch 40 ein“.
In diesem Zusammenhang wird auf die Beweiswürdigung im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2020, Zahl 2168406-1/17E, Seite 45 verwiesen und diese zum Inhalt dieses Erkenntnisses erklärt:
„…Ihr Gesundheitszustand ist nicht lebensbedrohlich und aus den Feststellungen f zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat, medizinische Versorgung, geht zusammengefasst zwar hervor, römisch 40
In einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofs vom 24.01.2024, Ra 2021/20/0031-13, wurde zum Thema Gesundheitszustand von Asylwerbern ausgeführt: „…Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Artikel 3, EMRK - auf eine solche bezieht sich das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der hier erfolgten Gewährung von subsidiärem Schutz - eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.
Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt vergleiche zu sämtlichen Aspekten dieser Rechtsprechung VwGH 23.9.2020, Ra 2020/14/0175, mwN).
Zum Erkrankungen betreffenden Aspekt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Urteil (der Großen Kammer) vom 7. Dezember 2021, Savran/Dänemark, 57467/15 (auszugsweise in deutscher Sprache wiedergegeben in NLMR 6/2021, 508 ff), neuerlich (unter Hinweis auf EGMR [Große Kammer] 13.12.2016, Paposhvili/Belgien, 41738/10) betont, dass es Sache des Fremden ist, Beweise vorzulegen, die zeigen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, er wäre im Fall der Durchführung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einem realen Risiko einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt. Erst wenn solche Beweise erbracht werden, ist es Sache der Behörden des ausweisenden Staates, im Zuge der innerstaatlichen Verfahren jeden dadurch aufgeworfenen Zweifel zu zerstreuen und die behauptete Gefahr einer genauen Prüfung zu unterziehen, im Zuge derer die Behörden im ausweisenden Staat die vorhersehbaren Konsequenzen der Ausweisung auf die betroffene Person im Empfangsstaat im Lichte der dort herrschenden allgemeinen Lage und der persönlichen Umstände des Betroffenen erwägen müssen. Die Verpflichtungen des ausweisenden Staats zur näheren Prüfung werden somit erst dann ausgelöst, wenn die oben genannte (hohe) Schwelle überwunden wurde und infolge dessen der Anwendungsbereich des Artikel 3, EMRK eröffnet ist (vom EGMR auch als „Schwellentest“ [„threshold test“] bezeichnet, der bestanden werden muss, damit die weiteren Fragen, wie etwa nach der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit einer angemessenen Behandlung, Relevanz erlangen - vergleiche zum Ganzen etwa VwGH 14.8.2023, Ra 2023/14/0005, mwN)….“
Das Bundesverwaltungsgericht geht im konkreten Fall nicht davon aus, dass bei der Beschwerdeführerin, die in Österreich nicht in ärztlicher Behandlung ist, diese hohe Schwelle überschritten ist, die nach der Rechtsprechung in Bezug auf Erkrankungen zu einer Verletzung des mit Artikel 3, EMRK geschützten Rechts führen könnte. Die Beschwerdeführerin ist weder lebensbedrohlich erkrankt noch im Herkunftsstaat einem realen Risiko ausgesetzt, unter qualvollen Umständen zu sterben. Es wurden auch keine stichhaltigen Gründe glaubhaft gemacht, infolge deren sie mit einem realen Risiko konfrontiert sein würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen würde.
Zur Rückkehr zu ihrer Familie wird ebenfalls auf das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2020, Zahl 2168406-1/17E, Seite 46 verwiesen und die damaligen Ausführungen auch zum Inhalt dieses Erkenntnisses erklärt:
„…Die Beschwerdeführerin verfügt in der Kirgisischen Republik über Schulbildung und hat auch in Österreich die Schule besucht. Sie beherrscht sowohl Kirgisisch als auch Russisch und ist daher auch lokal nicht gebunden. Die Beschwerdeführerin hat ihre Ausreisgründe frei erfunden, diesbezüglich bis zuletzt in der Beschwerdeverhandlung unwahre Angaben gemacht und das Bundeverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass auch die Behauptung, dass die Beschwerdeführerin keinen Kontakt zu ihrer Familie habe, nicht der Wahrheit entspricht (zumal ihre Eltern schon früher nach Österreich auswandern wollten und auch die Reise der Beschwerdeführerin nach Österreich organisiert haben). Nachdem sich nach wie vor die Eltern der Beschwerdeführerin und ihr Bruder, ebenso wie zahlreiche weitere Verwandte, in der Kirgisischen Republik aufhalten ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin zumindest für die Anfangszeit wieder bei ihrer Familie wohnen kann. Die Beschwerdeführerin ist mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut kann dort auf ein weitreichendes familiäres und soziales Netzwerk zurückgreifen…“
Die Beschwerdeführerin hat weder in der letzten Beschwerdeverhandlung noch in ihrer Stellungnahme vom 20.08.2024 angegeben, dass sich seither daran etwas geändert hätte. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführer alle vorgelegten „Postings“/Posts im Internet in ihrer Muttersprache gemacht hat (nicht in Deutsch), was aufzeigt, dass sie immer noch sehr starke Bindungen zu ihrer Heimat hat. Der römisch 40 jährigen Beschwerdeführerin, die laut eigenen Angaben arbeitsfähig ist, ist es zuzumuten nach ihrer Rückkehr ihre Existenzgrundlage durch eigene Arbeit zu sichern. Zudem wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen zu Spruchpunkt römisch II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.
e) Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich:
Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich beruhen auf deren Vorbringen im Lauf ihrer drei Asylverfahren, auf Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Zentrales Fremdenregister, Grundversorgungs-Informationssystem, Strafregister) und schriftlichen Stellungnahmen samt vorgelegten Unterlagen.
Bereits im ersten Asylverfahren wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mehrere Deutschkurse, absolvierte am römisch 40 eine Deutschprüfung A2 und bestand am römisch 40 die Integrationsprüfung auf dem Sprachniveau B1 und laut Jahreszeugnis einer römisch 40 Fachschule vom römisch 40 , die erste Klasse mit vier „nicht genügend“ abgeschlossen und ihre Ausbildung abgebrochen hat. Laut Semesterzeugnis einer Handelsakademie für Berufstätige vom römisch 40 wurde die nicht berufstätige Beschwerdeführerin mit einem „gut“, einem „befriedigend“, vier „genügend“ und drei „nicht genügend“ beurteilt. Die Beschwerdeführerin hat im Herkunftsstaat bereits sieben Jahre lang eine römisch 40 Schule besucht, zudem zeigten sich ihre Deutschkenntnisse in der letzten Beschwerdeverhandlung:
„…R an D: Ab sofort bitte nicht übersetzen.
R: Sind Sie seit Ihrer ersten Asylantragstellung durchgehend in Österreich, oder sind Sie zwischendurch ausgereist?
P: Nein, ich war nur ganze Zeit in Österreich.
R: Leben Familienangehörige in Österreich?
P: Nein mein Familie lebt in mein Heimatland.
R: Leiden Sie immer noch an einer römisch 40 , oder hat Ihre römisch 40 Therapie in Österreich ab dem Jahr römisch 40 mittlerweile Wirkung gezeigt?
P: So wann ich spreche mit meine römisch 40 ich fühle mich besser, ich will einfach leben.
R: Sie haben in der Verhandlung im ersten Asylverfahren zu mir gesagt, dass Sie eine Fachschule für soziale Berufe besuchen und dort eine Ausbildung zur Altenbetreuerin machen wollen. Haben Sie das gemacht?
P: Nein, ich hab dann nur Asylantrag gestellt.
R: Sie haben mir damals gesagt, dass Sie Montag und Dienstag ein Praktikum machen. Haben Sie das abgeschlossen und falls ja, was haben Sie danach gemacht?
P: Also ja, weil dann hab ich mich umgezogen. Also ja ich hab bei uns auf der Straße zwei mal pro Woche gearbeitet bei der römisch 40 , dort haben Obdachlose gelebt.
R: Sie haben in der letzten Erstbefragung, damals waren Sie römisch 40 Jahre alt, angegeben, dass Sie die HAK besuchen und auch in der letzten Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Konnten Sie die Schule erfolgreich abschließen?
P: Nein, ich werde drittes Semester ab September, aber jetzt habe ich kurze von der Schule Pause genommen, weil mein römisch 40 hat gesagt, dass ich habe Stress, weil ich habe eine Allergie bekommen auf ganze Körper und jetzt er sagt es ist große Stress für meinen Körper, ich muss bisschen Pause machen.
R: Von wann stammt das letzte Zeugnis der HAK?
P: römisch 40
R: Danach haben Sie die HAK nicht mehr besucht?
P: Nein.
R: Was haben Sie seit römisch 40 gemacht, wenn Sie nicht die HAK besucht haben?
P: Ich arbeite bei römisch 40 ehrenamtlich, für behinderte Menschen.
R: Warum besuchten Sie eine Schule (HAK) für Berufstätige, wenn Sie nicht arbeiten und den ganzen Tag zum Lernen Zeit haben?
P: Weil für normale HAK ich war schon zu alt. Direktor von unsere Schule hat gesagt, ich muss zur Abendschule gehen…“ (Verhandlungsschrift Seite 09f)
Auch die Feststellungen, wonach die Beschwerdeführerin aktuell weder Deutschkurse noch Fortbildungsveranstaltungen besucht und die Tage damit verbringt ca. 20 Stunde pro Woche unentgeltlich bei der römisch 40 beim Übersetzten zu helfen, sich mit Freunden zu treffen, Fahrrad zu fahren und in den Park zu gehen, ergeben sich aus ihren Angaben in der letzten Beschwerdeverhandlung und der schriftlichen Stellungnahme vom 20.08.2024 ist nicht zu entnehmen, dass sich seither daran etwas geändert hätte.
Die Feststellungen wonach die Beschwerdeführerin keinen Beruf erlernt, in Österreich sowohl die römisch 40 Fachschule als auch eine Handelsakademie für Berufstätige abgebrochen hat und in Österreich noch nie eigenes Einkommen erwirtschaften konnte, ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeverhandlung. Aus einem aktuellen Auszug aus dem Grundversorgungssystem und einem Sozialversicherungsauszug geht hervor, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor keiner Arbeit nachgeht und seit ihrer ersten Asylantragstellung durchgehend von der österreichischen Grundversorgung lebt; für eine ausführliche Interessenabwägung zwischen den privaten und den öffentlichen Interessen am Verbleib in Österreich wird auf 3. Rechtliche Beurteilung zu Spruchpunkt römisch IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.
f) Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin beruhen auf dem in der Beschwerdeverhandlung dargetanen Dokumentationsmaterial und etwas aktuelleren Berichten derselben Quellen. Die Parteien des Beschwerdeverfahrens haben keinen Einwand gegen die Heranziehung dieser Informationsquellen (deren Inhalt sich weder seit dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2020, Zahl 2168406-1/17E, im ersten Asylverfahren noch seit der letzten Beschwerdeverhandlung entscheidungswesentlich geändert hat) erhoben. Die herangezogenen Berichte und Informationsquellen stammen hauptsächlich von staatlichen Institutionen oder diesen nahestehenden Einrichtungen und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, Zweifel an deren Objektivität und Unparteilichkeit aufkommen zu lassen. Die inhaltlich übereinstimmenden Länderberichte befassen sich mit der aktuellen Lage in der Kirgisischen Republik.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Zu Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides wurden der dritte (Folge-)Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen.
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012,, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des
Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins,) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (Paragraph 11, Absatz eins, AsylG).
Wie bereits weiter oben 2. Beweiswürdigung c zu den Fluchtgründen ausgeführt, geht das Bundesverwaltungsgericht nach einer Beschwerdeverhandlung im dritten Asylverfahren davon aus, dass die Beschwerdeführerin weder eine Verfolgung vor ihrer Ausreise noch aktuell im Herkunftsstaat glaubhaft machen kann, die in kausalem Zusammenhang mit einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Konventionsgründe steht, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des gegenständlichen Bescheides abzuweisen ist.
Zu Spruchpunkt römisch II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In Spruchpunkt römisch II. des Bescheides wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kirgisistan gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen.
Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigen einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach
Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden (Paragraph 8, Absatz 2, AsylG).
Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).
Es obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht für den Asylwerber nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu berufen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; 25.04.2017, Ra 2016/01/0307; 23.02.2016, Ra 2015/01/0134).
Der Verwaltungsgerichtshof hat überdies in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, 2019/19/0006-3, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 06.11.2018, 2018/01/0106, zusammengefasst klargestellt, dass Paragraph 8, Absatz eins, AsylG, auch wenn er nicht der Statusrichtlinie entspricht, nach wie vor anzuwenden ist.
Die Beschwerdeführerin reiste problemlos, legal mit ihrem kurz vor der Ausreise ausgestellten kirgisischen Reisepass aus ihrem Herkunftsstaat aus.
Die Beschwerdeführerin hat nie behauptet wegen der Sicherheitslage im Herkunftsstaat ausgereist zu sein und kann wieder zu ihren Eltern in die römisch 40 zurückkehren, wo derzeit die Sicherheitsstufe 02 gilt; siehe dazu weiter oben
2. Beweiswürdigung d zur möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat.
Wie bereits weiter oben 2. Beweiswürdigung d zur möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat ausgeführt, hat sie keine medizinischen Unterlagen vorgelegt, wonach sie an einer lebensbedrohlichen Krankheit leiden würde, ist nicht in ärztlicher Behandlung und hat weder in der letzten Beschwerdeverhandlung noch in der jüngsten Stellungnahme vom 20.08.2024 angegeben, dass sie auf Grund einer Erkrankung gehindert wäre einer Arbeit nachzugehen. Zudem kann die Beschwerdeführerin wieder zu ihrer Familie zurückkehren, die bereits vor vielen Jahren, nach erfolglosen Asylverfahren in Österreich, heimreisen musste und danach mit der Wahl der römisch 40 Schule für die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat deren spätere Auswanderung vorbereitet hat, weshalb davon auszugehen ist, dass ihre Familie die Beschwerdeführerin auch nach ihrer Rückkehr unterstützen wird.
Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine mittlerweile römisch 40 jährige, arbeitsfähige Frau die den größten Teil ihrer erfolgreichen Schullaufbahn in der Kirgisischen Republik absolviert und jedenfalls den bei weitem überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat. Sie hat nie behauptet aus wirtschaftlichen Gründen ausgereist zu sein oder an Hunger oder unter Armut gelitten zu haben.
Aus den aktuellen Länderberichten geht nicht hervor, dass sich die wirtschaftliche Lage im Herkunftsstaat seit der Ausreise der Beschwerdeführerin verschlechtert hätte. Selbst wenn die wirtschaftliche Lage in der Kirgisischen Republik schlechter ist als jene in Österreich, ist es der Beschwerdeführerin zumutbar durch eine notfalls auch weniger attraktive Arbeit den unbedingt notwendigen Lebensunterhalt für sich zu bestreiten. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen etwa, weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, ausgeübt werden können.
Drohende Obdachlosigkeit ist, schon aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin bis Ausreise bei ihren Eltern gelebt hat und diese sie immer unterstützt haben, nicht zu befürchten.
In jedem Fall setzt eine durch die Lebensumstände im Zielstaat bedingte Verletzung des
Art. 3 EMRK eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr voraus. Die bloße Möglichkeit eines dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Nachteils reicht hingegen nicht aus, um Abschiebungsschutz zu rechtfertigen (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174).
Es ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass der arbeitsfähigen Beschwerdeführerin in der Kirgisischen Republik eine extrem schlechte wirtschaftliche Lage und „außergewöhnliche Umstände“ wie etwa Hungertod, unzureichende medizinische Versorgung, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens drohen.
Für die Kirgisische Republik kann auch unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen nicht festgestellt werden, dass in diesem Staat eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw. eine allgemeine politische Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat als unrechtmäßig erscheinen ließe.
Irgendein besonderes „real risk“, dass es durch die Rückführung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle
Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde, kann nicht erkannt werden; außergewöhnliche Umstände im Sinne der Judikatur des EGMR, die gegen eine Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Kirgisische Republik sprechen würden sind nicht erkennbar, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des Bescheides abzuweisen ist.
Zu Spruchpunkt römisch III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In Spruchpunkt römisch III. wurden gemäß Paragraph 57, AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt.
Das Bundesamt hat gemäß Paragraph 58, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012,, die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 86 aus 2021,, ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß
§ 46a Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach
§§ 382b oder 382c EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Da von der Beschwerdeführerin in keinem ihrer Asylverfahren behauptet wurde, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 86 aus 2021,, vorliegen, erweist sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. als unbegründet.
Zu Spruchpunkt römisch IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In Spruchpunkt römisch IV. wurden gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidungen gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen.
Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Nr. 145 aus 2017,, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 des Paragraph 10, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt wird.
Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 145 aus 2017,, hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG).
Gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG ist der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des
Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraph 45, oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG),
BGBl. römisch eins Nr. 100/2005 verfügen, unzulässig wäre. (Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG, in der Fassung
BGBl. römisch eins Nr. 70/2015).
Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.
Betreffend Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin ist Folgendes zu erwägen:
Die Beschwerdeführerin ist nach wie vor ledig, kinderlos, lebte alleine und hat alle Verwandten im Herkunftsstaat zurückgelassen, weshalb im Fall ihrer Rückkehr kein Eingriff in ein Familienleben erkannt werden kann.
Geht man im vorliegenden Fall von einem bestehenden Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich aus, fällt die gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, obwohl sich diese bereits mehr als sieben Jahre in Österreich aufhält, immer noch zu Lasten der Beschwerdeführerin aus und ihre Ausweisung stellt keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK dar.
Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK, ÖJZ 2007, 852ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Artikel 8, EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055).
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen ist insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17.03.2005, G 78/04, zu erwähnen. Demnach ist das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den privaten Interessen bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen. Es ist auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216).
Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041 mit Hinweis auf E 30.08.2011, 2008/21/0605; E 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; E 30.06.2016, Ra 2016/21/0165; VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253-12).
Vorauszuschicken ist, dass bereits weiter oben 3. Rechtliche Beurteilung zu Spruchpunkt römisch II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ausgeführt wurde, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor über sehr starke Bindungen zum Herkunftsstaat verfügt, hat sie doch den bei weitem überwiegenden Teil ihres Lebens in der Kirgisischen Republik verbracht, hat dort jahrelang erfolgreich die Schule besucht und betreibt die sozialen Medien nach wie vor in ihrer Muttersprache.
Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass die Beschwerdeführerin von ihren Eltern als noch Minderjährige nach Österreich geschickt wurde und mittlerweile römisch 40 Jahre alt ist. Sie hat zwar bereits mehr als sieben Jahre und noch dazu eine prägende Zeit in Österreich verbracht, diese Zeit jedoch nicht zur umfassenden Integration genutzt. Zudem muss sie sich vorwerfen lassen, dass sie ab ihrer ersten Asylantragstellung am römisch 40 bewusst unwahre Angaben zur angeblichen Verfolgung im Herkunftsstaat gemacht hat, sich nach rechtskräftigem Abschluss ihres ersten Asylverfahrens am 17.12.2020 weigerte ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen und illegal in Österreich blieb. Seither hat die Beschwerdeführerin noch zwei (Folge-)Anträge auf internationalen Schutz gestellt, um ihren weiteren Aufenthalt in Österreich zu erzwingen und bewusst die fremdenrechtlichen Einwanderungs- und Aufenthaltsbestimmungen zu umgehen; damit zeigt sie auf, dass sie die österreichische Rechtsordnung nicht respektiert.
Die Beschwerdeführerin spricht zwar (nicht zuletzt, weil sie sieben Jahre lang im Herkunftsstaat eine römisch 40 Schule besucht hat) verständlich Deutsch, hat in Österreich aber keine Berufsausbildung gemacht. Sie war in Österreich nie selbsterhaltungsfähig und lebt seit ihrer ersten Asylantragstellung ausschließlich von der österreichischen Grundversorgung. Eine wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet ist immer noch nicht ersichtlich und mangels Berufsausbildung, als seit Jahren volljährige, ungelernte Hilfsarbeiterin die noch nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, in absehbarer Zeit in Österreich nicht zu erwarten.
Es liegen keine besonderen Abhängigkeitsverhältnisse zu Personen in Österreich vor und allfällige freundschaftliche Beziehungen sind zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich die Beschwerdeführerin ihrer unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste. Insgesamt kann immer noch keine ausreichende Integrationsverfestigung der Beschwerdeführerin in Österreich glaubhaft gemacht werden und aus dem Privatleben sind nach wie vor keine objektiven Gründe ersichtlich, die einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würden.
Der Beschwerdeführerin ist es nicht verwehrt, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG in Zukunft legal in das Bundesgebiet einzureisen. Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung - die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht bzw. wiederholte Asylantragstellungen und die mit Einbringung von Asylanträgen verbundenen vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen dürfen -, wiegen jedenfalls schwerer als das Interesse der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich.
Nach Maßgabe der Interessenabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG, in der Fassung
BGBl. römisch eins Nr. 56/2018, überwiegt nach wie vor das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ihre persönlichen Interessen am Verbleib und es liegt durch die angeordnete Rückkehrentscheidung keine Verletzung des
Art. 8 EMRK vor, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch IV. des Bescheides abzuweisen ist.
Zu Spruchpunkt römisch fünf. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In Spruchpunkt römisch fünf. wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass Abschiebungen der Beschwerdeführerin nach Kirgisistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig ist.
Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 145 aus 2017,, ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012,, ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des
§ 8 Absatz eins, AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde bereits verneint (siehe 3. Rechtliche Beurteilung zu Spruchpunkt römisch II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl).
Gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012,, ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG). Die Beschwerdeführerin kann nicht glaubhaft machen, dass sie in asylrelevante Probleme in der Kirgisischen Republik hatte oder in Zukunft bekommen wird (siehe 2. Beweiswürdigung c zu den Fluchtgründen sowie 3. Rechtliche Beurteilung zu Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl).
Die Abschiebung ist schließlich gemäß Paragraph 50, Absatz 3, FPG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 122 aus 2009,, unzulässig, solange dieser die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für die Kirgisische Republik nicht.
Insgesamt ist daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch fünf. des Bescheides abzuweisen.
Zu Spruchpunkt römisch VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In Spruchpunkt römisch VI. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, FPG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 38 aus 2011,, wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß Paragraph 55, Absatz 2, FPG, in der Fassung
BGBl. römisch eins Nr. 87/2012, 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da derartige besondere Umstände von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht wurden, ist die Frist vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, Bundesgesetzblatt Nr. 10 aus 1985, (VwGG), in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013,, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im konkreten Fall ist die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG, in der Fassung
BGBl. römisch eins Nr. 51/2012, nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der Beweiswürdigung wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin weder eine Verfolgung noch eine Gefährdung im Fall ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat glaubhaft machen kann. Es liegt auch keine ausreichende Integration in Österreich vor. Dieses Erkenntnis beschäftigt sich vor allem mit der Erforschung und Feststellung von Tatsachen und es ergaben sich im Lauf des Verfahrens keine Hinweise auf das Vorliegen von ungeklärten Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.
ECLI:AT:BVWG:2024:W215.2168406.3.00