Bundesverwaltungsgericht
13.05.2024
W196 2277600-1
W196 2277600-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SAHLING als Einzelrichterin über
die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , Staatsangehöriger von Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2023, Zl. 1294416408-220227592 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2024 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AslyG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ein Staatsangehöriger von Somalia, der Volksgruppe der Geledi und dem Islam zugehörig, ledig gelangte (spätestens) am 06.02.2022 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab in der niederschriftlichen Erstbefragung nach dem AsylG durch die LPD Steiermark Fremden- und Grenzpolizeiliche Abteilung (FGA) Polizeiinspektion Graz Paulustor-FGP u.a. an er sei mit einem gefälschtenn Reisepass aus seinem Heimatland ausgereist. Er sei 21 Jahre alt und in Godey aufgewachsen, habe 8 Jahre die Schule besucht und als Landwirt gearbeitet.
Zu seinem Fluchtgrund befragt erzählte der Beschwerdeführer an, die terroristische Gruppe Al-Shabaab habe sein Heimatland eingenommen und seinen Vater getötet. Somalia sei nicht sicher für den Beschwerdeführer, weswegen er sich entschlossen habe sein Land zu verlassen.
2. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.05.2023, gab der Beschwerdeführer an, er sei von keiner gerichtlichen Untersuchung oder einem Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen. Er sei Staatsangehöriger von Somalia, gehöre der Volksgruppe römisch 40 , dem Subclan römisch 40 und dem Islam an, sei ledig und habe keine Kinder. Er sei am römisch 40 in Afgooye geboren worden und dort aufgewachsen. Er habe acht Jahre die Grundschule besucht.
Der Beschwerdeführer brachte folgende Schreiben/Dokumente in Vorlage: Kursbestätigung (Basisbildung Knittelfeld 2018-2023“ ausgestellt von Urania Steiermark am 10.05.2023; Teilnahmebestätigung an einem ehrenamtlichen Deutschkurs ausgestellt am 21.03.2023 von Ingrid Marksteiner; Teilnahmebestätigung „ Steirische Jugendcollege“ ausgestellt am 24.04.2023 von ISOP, Teilnahmebestätigung „ Interkulturelles Begegnungscafe ausgestellt von Martina Pratter Frei, Empfehlungsschreiben von Michael Kern vom 24.04.2023, Sechs Din A 4 Blätter mit Farbfotos (Fotos vom Fußballspielen in Knittelfeld). Er bestreite in Österreich seinen Lebensunterhalt mit Hilfe der Grundversorgung.
Er habe Somalia mit Hilfe eines gefälschten Reisepasses verlassen und sei von Mogadishu nach Istanbul geflogen. In Mogadischu habe er sich eine Woche im Bezirk Shibis bei römisch 40 aufgehalten. Sie seien früher Nachbarn in Afgooye gewesen.
In seinem Heimatland würde seine Mutter in Afgooye leben. Sein Vater sei 2021 und seine Schwester römisch 40 sei 2008 wegen der Dürre verstorben. Er habe einen Onkel vs. SeineTante vs. sei voriges Jahr verstorben. Er habe noch eine Tante ms. Alle würden in Afgooye leben. Er stehe nur in Kontakt mit seiner Mutter.
Gesundheitlich gehe es ihm gut. Er leide an einer Allergie und könne kein Hühnerfleisch essen. Diese Allergie habe sich erst in Österreich bemerkbar gemacht.
Er habe seinen Lebensunterhalt durch Arbeit auf ihrer Landwirtschaft erarbeitet und Hilfstätigkeiten angenommen. Seine wirtschaftliche Lage im Heimatland sei nicht gut gewesen. Bei der Ausreise aus Somalia sei die Lage schlecht gewesen, denn es sei Dürre gewesen. Seine Familie habe eine kleine Landwirtschaft besessen, für das Haus haben sie Miete zahlen müssen. Seine Mutter verdiene sich zurzeit als Putzfrau ihren Lebensunterhalt in Somalia.
Befragt erklärte er, er habe im Herkunftsland, oder hier keine Strafrechtsdelikte begangen. Er habe in seinem Heimatland keine Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt. Es sei kein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig gewesen. Er sei weder in Haft gewesen oder festgenommen worden. Er sei kein Mitglied einer Partei oder parteiähnlichen Organisation gewesen.
Befragt zu seinen Fluchtgründen erzählte der Beschwerdeführer er habe sein Heimatland wegen der Al-Shabaab sowie wegen der Dürre verlassen. Sonst habe es keine Gründe gegeben.
Die Al Shabaab habe wollen, dass er sich ihnen anschließe. Sie seien zur seiner Mutter gekommen und vorgebracht, er solle sich ihnen anschließen und für seine Religion kämpfen. Sie haben auch mit dem Beschwerdeführer gesprochen. Seine Mutter und der Beschwerdeführer haben dieses Ansinnen abgelehnt, weswegen es zu Problemen gekommen sei.
Männer der Al-Shabaab hätten zwei Mal vorgesprochen. Das erste Mal im August 2021, das zweite Mal eine Woche danach.
Der Beschwerdeführer erzählte, das erste Mal sei es Abend gewesen und er und seine Mutter haben sich zu Hause aufgehalten. Es seien drei, ihm unbekannte Männer gekommen. Sie hätten an der Tür geklopft und ihm mitgeteilt, dass er sich ihnen anschließen müsse. Sie haben zu der Mutter des Beschwerdeführers gesagt, dass der Beschwerdeführer sich ihnen anschließen müsse, um mitzukämpfen. Sie würden der Mutter des Beschwerdeführers bei finanziellen Problemen helfen. Danach seien sie gegangen.
Befragt gab der Beschwerdeführer an, dass die Regierung zu dieser Zeit die Vorherrschaft in Afgooye gehabt habe. Am nächsten Morgen seien der Beschwerdeführer und seine Mutter zur nächsten Polizeistelle gegangen und haben eine Anzeige gemacht. Sie hätten keine Anzeigenbestätigung erhalten, so etwas gebe es in Somalia nicht.
Der zweite Vorfall mit der Al Shabaab habe sich eine Woche danach, Ende August 2021 zugetragen. Es sei Nachmittag gewesen und sie seien gekommen. Sie hätten sie geschlagen, ohne mit ihnen zu sprechen. Sie hätte gesagt, dass sie niemand schützen könne, auch nicht die Regierung. Alle Nachbarn seien Zeugen des Vorfalls gewesen. Seine Mutter sei anwesend gewesen und habe auch einen Schlag abbekommen. Es seien sechs Männer gewesen. Sie haben eine Kalaschnikow besessen. Mit dem Holm sei der Beschwerdeführer geschlagen worden. Er habe am Kopf geblutet. Dieser Vorfall habe eine Stunde gedauert. Danach sei er ins Krankenhaus gebracht worden und habe sich in etwa vier Tage dort aufgehalten. Nach seinem Krankenhausaufenthalt sei er für etwa einen Monat nach Hause zurückgekehrt und im Oktober 2021 über Mogadischu ausgereist. Bei diesem Aufenthalt zu Hause habe es keine Probleme mehr gegeben. Die Al-Shabaab habe dem Beschwerdeführer eine Frist bis Ende Oktober gesetzt um sich ihnen anzuschließen. Dazu hätte er in den Stadtteil Tor Torow, von Afgooye gehen müssen.
Nach dem zweiten Vorfall habe er aus Angst auf eine Anzeige bei der Polizei verzichtet. Er sei nach Österreich gekommen, weil es ein sicheres und demokratisches Land sei. Er wolle sich in Österreich integrieren, die Sprache lernen und arbeiten.
Er könne nicht in sein Heimatland zurückkehren, er habe Angst vor der Al-Shabaab und vor der Dürre.
Der Beschwerdeführer verzichtete darauf eine Stellungnahme zu den allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zu seinem Heimatland zu geben. Er habe alles Wichtige gesagt.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD Steiermark, Außenstelle Graz wies mit Bescheid vom 03.08.2023, IFA-Zahl/Verfahrenszahl 1294416408/220227592 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG), (Spruchpunkt römisch eins.) ab. Dem Beschwerdeführer wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, zuerkannt. (Spruchpunkt römisch II.) Es wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.)
Die belangte Behörde konnte keine asylrelevante Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einerbestimmten sozialen Gruppe feststellen. Die belangte Behörde habe keine Bedrohung bzw. Verfolgung durch die Al Shabaab festgestellt können. Der Beschwerdeführer habe keine glaubhafte Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorgebracht, auch aus der Aktenlage bzw. im Laufe des Verfahrens habe keine asylrelevanten Gründe festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe vor Sicherheitsbehörde in der Ersteinvernahme u.a. von der Ermordung seines Vaters durch die Al Shabaab berichtet. Vor dem BFA habe der Beschwerdeführer zu diesem angeblich einschneidenden Ereignis nichts vorgebracht. Dies lasse darauf schließen, dass die diesbezüglichen Angaben nicht der Wahrheit entsprechen würden. Bei der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer nicht erwähnt, dass er für die Al Shabaab kämpfen hätten sollen. Dies jedoch bei der Befragung durch das BFA vorgebracht. Aufgrund der differierenden und lebensfremden Angaben zu den Fluchtgründen sei die belangte Behörde davon ausgegangen, dass das Vorbringen nicht der Wahrheit entspreche.
Für den Beschwerdeführer bestehe jedoch eine Rückkehrgefährdung aufgrund der derzeitigen allgemeinen sehr schlechten Versorgungslage. Zwar würden in seinem Heimatland nahe Angehörige (Mutter, Geschwister….) leben, mit denen der Beschwerdeführer in Kontakt stehe, jedoch sei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass diese bei einer Rückkehr den Beschwerdeführer nicht ausreichend unterstützen könnten.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die BBU GmbH, vertreten durch Mag. Florian Kraschitzer, auschließlich gegen die Spruchpunkte römisch eins. fristgerecht Beschwerde. Die belangte Behörde hätte mangelhaft ermittelt sowie mangelhafte Länderfeststellungen dem Verfahren zugrunde gelegt.
6. Am 09.04.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistung GmbH, für diese Mag. Ehab MANSOUR und eine Dolmetscherin teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde war entschuldigt nicht erschienen.
Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen einschließlich der Beschwerde aufrecht. Er gab an er sei psychisch und physisch in der Lage der mündlichen Verhandlung zu folgen.
Befragt zu seinem Fluchtgrund, erzählte der Beschwerdeführer, er komme aus Afgooye. „Es gibt einen Fluss in Afgooye und der Fluss teilte die Stadt in zwei Teilen. Ich komme aus dem Stadtteil, wo Maymay-Dialekt gesprochen wird. Eine Al-Shabbab Gruppe lebt dort. Es gibt schon Al-Shabbab-Mitglieder im anderen Teil der Stadt, aber weniger, als in unserem Stadtteil. Sie leben dort unter dem Volk versteckt. Al-Shabbab Gruppe rekrutiert die jungen Leute, um diese an die Kampffront zu bringen oder Attentate für sie durchzuführen, z.B. Selbstmord, Anschlag. Eines Tages am Abend um 19:00 Uhr am 20.08.2021 ist die Al-Shabbab zu uns nach Hause gekommen. Sie haben mit uns beide gesprochen, meine Mutter und ich waren zu Hause. Mein Vater ist bereits verstorben. Als Familienangehörige habe ich nur meine Mutter.“
Auf die Frage des Bundesverwaltungsgerichts woran sein Vater verstorben sei, antwortete der Beschwerdeführer, er sei von der Al-Shabbab getötet worden. „Mein Vater hatte ein Feld gepachtet und er hat auf diesem Feld angebaut und Al-Shabbab hat von ihm Zakat verlangt. Mein Vater konnte sich das nicht leisten, weil das Feld nicht genügend Ernte gebracht hat und sie haben das als Verweigerung betrachtet und haben ihn deshalb getötet. Das war im Jahr 2015.“
Seine Mutter habe dann die Wäsche für die Leute gewaschen und er habe auf den Feldern von den anderen gearbeitet, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Es sei sehr schlecht gewesen.
Die Al-Shabaab habe seiner Mutter gesagt, dass er für den Islam arbeiten müsse. „Das waren vier Al-Shabbab Männer, sie waren vermummt und mir unbekannt. Sie haben das erwähnt, dass sie von der Al-Shabbab sind und sie sagten, dass ich mitkommen soll. Sie haben mich nicht gleich mitgenommen und sagten mir, sie werden mich beim nächsten Mal mitnehmen, aber sie haben keinen genauen Tag erwähnt. Sie sagten mir ich muss zur Kriegsfront gehen und kämpfen. Ich soll gegen ihre Gegner kämpfen, damit meinten sie die Regierung und alle anderen, die gegen Al-Shabbab sind. Nachdem sie gegangen sind, war ich sehr besorgt. Es ist mir psychisch sehr schlecht gegangen. Ich habe mich wie eine tote Person gefühlt.“
Die Al-Shabaab habe seiner Mutter gesagt, dass der Beschwerdeführer nach „Torotorow“ kommen sollte. In „Torotorow“ sei das Ausbildungslager der Al-Shabaab.
„Am 15.09. sind sie dann wiedergekommen. Es war das nächste Monat, nach dem ersten Vorfall. Ich saß dann vor unserer Hütte, vor unserem Hof. So ist das üblich in Somalia. Al-Shabbab Männer sind plötzlich gekommen und haben mich geschlagen. Sie haben mich mit dem Gewehrkolben geschlagen und meinten, warum bin ich nicht zu ihnen gekommen, so wie sie es mir gesagt haben. Meine Mutter ist dann aus der Hütte hinausgekommen und hat mich umarmt, um mich zu schützen. Dann haben sie uns beide geschlagen. Sie sagten mir, ich werde mein Leben verlieren, wenn ich dort nicht hinkomme. Sie werden mich und meine Mutter töten. Wenn wir ablehnen für die Al-Shabbab zu arbeiten, die Leute die für die Religion kämpfen und so heißt das, dass wir ihre Gegner unterstützen. Wir sind Anhänger ihrer Feinde.“
Die Mutter des Beschwerdeführers habe die Männer der Al-Shabaab angefleht, ihren einizigen Sohn bei ihr zu lassen. „Nachdem sie uns geschlagen haben, sagten sie uns wir wollen nicht für den Islam kämpfen, aber wir werden sehen, was uns passieren würde, wir werden dann ein Beispiel für die anderen werden. Alle anderen haben zugeschaut, wie sie uns gnadenlos geschlagen haben. Sie verstehen es nicht, wenn jemand sagt ich will das nicht machen, dann soll man es lassen. Sie haben mich verprügelt und sie sind danach gegangen und haben mich in einem sehr schlechten Zustand zurückgelassen. In dem anderen Stadtteil von Afgooye gibt es ein Polizeilager und ein Gefängnis. Ich bin dort hingegangen. Da habe ich dann eine Anzeige erstattet und erzählte, was passiert ist, nämlich, dass die Al-Shabbab immer wieder kommt und uns bedroht. Niemand hat dann was dagegen gemacht. Keiner war davon interessiert. Manchmal denkt man, dass die Polizei selbst auf der Seite von Al-Shabbab ist. Meine Mutter war auch dabei. Meine Mutter hat mich dann mitgenommen und zum Spital gebracht. Ich war eine Zeit lang im Spital.“
„Aufgrund der Verletzungen, die mir Al-Shabbab hinzugefügt hat. Überall am Körper haben sie mich geschlagen, so dass ich Blutergüsse hatte. Am Rücken, auf die Beine, am Bauch. Ich verbrachte 15 Tage bis einem Monat im Krankenhaus. Mir ist deshalb sehr schlecht gegangen. Ich hatte Fieber. Ich konnte nicht mehr gehen. In dieser Zeit habe ich gehört, dass die Al-Shabbab bei uns zu Hause waren, weil sie gehört haben, dass wir sie angezeigt haben. So ca. am 20.10.2021 habe ich Afgooye verlassen. Es wurde ein Visum für mich dann besorgt. Meine Mutter wurde von anderen Leuten geholfen und so wurde die Reise organisiert und später habe ich Somalia verlassen.“
Befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe sich mindestens 15 Tage im Krankenhaus aufgehalten. Er sei nie mehr nach Hause zurückgekehrt. Er sei vom Spital aus ausgereist. „Ich bin zu einem Auto gegangen und bin gleich nach Mogadischu gebracht worden. … Ein Schlepper hat meine ganze Reise organisiert. … Leute haben meiner Mutter geholfen und ihr das Geld gegeben.“ Er kenne diese Leute nicht, die seiner Mutter finanziell geholfen haben, diese Reise zu finanzieren. Es seien gefälschte Dokumente besorgt worden, mit Hilfe dieser der Beschwerdeführer das Land habe verlassen können.
Einmal im Monat oder jeden zweiten Monat stehe er mit seiner Mutter in telefonisch in Kontakt. Seine Mutter sei 42 Jahre alt, lebe in Afgooye, ihr Gesundheitszustand habe sich aufgrund des Diabetes verschlechtert.
Auf die Frage des Bundesverwaltungsgerichts antwortete der Beschwerdeführer, seine Mutter habe ihm erzählt, dass sich die Al-Shabaab wieder bei ihr gemeldet habe. „Sie haben sie geschlagen und fragten nach mir. Sie sagten ihr, sie werden es schaffen mich dann zu erwischen.“ Seine Mutter habe gesagt, dass sie nicht wissen würde wo sich der Beschwerdeführer aufhalte. Zu diesem Zeitpunkt sei er schon weggewesen. Es wäre gut, wenn er seiner Mutter helfen könnte.
Die Mutter des Beschwerdeführers habe der Al-Shabaab nicht mitgeteilt, dass er das Land verlassen habe. Die Al-Schabaab glaube noch immer, dass sich der Beschwerdeführer im Land aufhalten würde. Anfänglich seien sie öfter zu der Mutter des Beschwerdeführers nachschauen gekommen. Jetzt nicht mehr.
Seine Mutter sei nicht wo anders hingezogen, denn „die Al-Shabaab Mitglieder sind wie Ameisen verbreitet in Somalia, unter dem Volk. Man kann nicht wissen, wer ein Al-Shabbab Mitglied ist. Sogar der Freund kann ein Al-Shabaab Mitglied sind.“ Die Al-Shabbab Mitglieder würden versteckt unter den Leuten leben und auf einmal Selbstmordanschläge begehen.
Er habe sich geweigert der Al-Shabaab anzuschließen. „Mein Gott, das sind Leute die einem die Kehle durchschneiden. Wie könnte ich mit solchen Leuten arbeiten? Sie sind keine Menschen. Sie sind keine normalen Menschen.“
Auf die Frage des Bundesverwaltungsgerichts antwortete der Beschwerdeführer er sei eine Woche in Mogadischu, in Shibis bei einem Bekannten seiner Mutter geblieben und von dort aus über die Türkei mit einem Flugzeug ausgereist. Er sei nicht länger in Mogadischu geblieben, weil er Angst gehabt habe, getötet zu werden. Mogadischu sei nicht sicher. Dort gebe es immer wieder Auseinandersetzungen.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers beinhaltend die niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, die Beschwerde, die Angaben in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie durch Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger, dem Clan römisch 40 , dem Subclan römisch 40 zugehörig, ledig und moslemischen Glaubens. Der Beschwerdeführer hat acht Jahre die Grundschule besucht. Er hat keine Berufsausbildung. Er hat seinen Lebensunterhalt in Somalia in der Landwirtschaft und mit Hilfe von Gelegenheitsjobs verdient.
Zu seinen Fluchtgründen können mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden.
Der Beschwerdeführer gelangte nach irregulärer Einreise (spätestens) am 06.02.2022 nach Österreich, wo er sogleich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Er leidet unter keinerlei gesundheitlich oder psychischen Problemen und führt kein Familienleben in Österreich. Der Beschwerdeführer ist unbescholten.
Zur Lage im Herkunftsstaat Somalia wird verfahrensbezogen Folgendes festgestellt:
Länderinformation der Staatendokumentation: Somalia 2024-01-08
Politische Lage Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 15.5.2023). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2022a).
Süd-/Zentralsomalia, Puntland Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Staatlichkeit: Somalia wird als der am meisten gescheiterte Staat der Welt beschrieben, das Land verfügt über keine einheitliche Regierung. Seit dem Zusammenbruch des autoritären Regimes von Mohamed Siad Barre im Jahr 1991 kämpft Somalia darum, eine Regierung zu bilden (Rollins/HIR 27.3.2023). Nach anderen Angaben ist Somalia zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind demnach sehr schwach, wesentliche Staatsfunktionen können von ihnen nicht ausgeübt werden. Es gibt jedenfalls keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 15.5.2023). Denn obwohl das Land nominell von Präsident Hassan Sheikh Mohamud regiert wird, steht ein Großteil des Landes nicht unter staatlicher Kontrolle. Al Shabaab kontrolliert fast 70 % von Süd-/Zentralsomalia (Rollins/HIR 27.3.2023).
Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, ihren Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag (nach westlicher Konzeption des Nationalstaates) in und um Mogadischu auch nur teilweise nachzukommen, geschweige denn ein landesweites Gewaltmonopol zu errichten. Sie bietet ihren Bürgern derzeit nur wenige wesentliche Dienstleistungen an. Die ständige Instabilität bleibt ein prägendes Merkmal des Lebens. Viele Menschen verlassen sich hinsichtlich grundlegender Dienstleistungen und Schutz weiterhin auf bestehende traditionelle, informelle Institutionen (Sahan/SWT 5.6.2023). Denn der Staat leidet an gescheiterten Institutionen, vom Gesundheitswesen bis zu den Sicherheitskräften. Persönlichkeitsorientierter Politik wird Vorrang gewährt. Informelle politische und Clanbeziehungen dominieren einen fragilen Staat. Und die immer noch offene institutionelle Lücke wird durch eine Reihe anderer Akteure – darunter al Shabaab – aufgefüllt (Sahan/Awad 28.8.2023).
Die Bundesregierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 2023a), da sie nur wenige Gebiete kontrolliert (BS 2022a). Gleichzeitig gilt Somalia als eines der korruptesten Länder der Welt und die Regierung ist zum Überleben stark auf internationale Hilfe angewiesen (Rollins/HIR 27.3.2023). Die Unfähigkeit, gegen die endemische Korruption vorzugehen, behindert den Staatsbildungsprozess und den Aufbau von Institutionen; der politische Machtkampf hat das Vertrauen der Bevölkerung in bestehende staatliche Institutionen weiter geschwächt, die politischen Konflikte haben die Kluft zwischen den Fraktionen vergrößert (BS 2022a).
Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten (USDOS 12.4.2022). Seit 2016 und 2017 die fünf Bundesstaaten gegründet wurden, stockt der Verfassungsprozess. Grundlegende Fragen des Staatsaufbaus sind nicht geklärt. Dies lähmt staatliches Handeln und fördert politische Spannungen zwischen Mogadischu und den föderalen Gliedstaaten, weil eben die Verfassungsgebung und Kompetenzverteilung noch immer nicht abgeschlossen sind (AA 15.5.2023).
Regierung: Unter der bestehenden Übergangsverfassung aus dem Jahr 2012 wird der Präsident für eine Amtszeit von vier Jahren von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments gewählt. Der Präsident teilt sich seine exekutive Macht mit dem Premierminister, der wiederum nur mit Unterstützung des Parlaments arbeiten kann (FH 2023a).
2017 wurde Farmaajo als Präsident gewählt, sein Mandat endete eigentlich Anfang 2021 (FH 2023a), er regierte aber bis Mai 2022 weiter (AA 15.5.2023). Somalia stürzte in eine schwere Verfassungs- und politische Krise (Sahan/Bryden 9.2.2021), in deren Folge es in Mogadischu zwischen Kräften der Regierung und Kräften der Opposition auch zu Kampfhandlungen kam (UNSC 19.5.2021). Mit der erneuten Wahl des ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud (2012-2017) am 15.5.2022 wurde der Wahlprozess mit großer Verzögerung abgeschlossen. Trotz aller Bekundungen konnten die - eigentlich für Ende 2020 geplanten - Parlamentswahlen nicht demokratisch gestaltet werden. Stattdessen wurde wieder auf einen Selektionsprozess ähnlich wie bei den Wahlen 2016 zurückgegriffen (AA 15.5.2023; vergleiche ÖBN 11.2022). Es gab 33 Kandidaten für das Präsidentenamt, darunter eine Frau. Die Präsidentschaftswahlen selbst wurden als friedlich und transparent bezeichnet (UNSC 1.9.2022a). In der letzten Wahlrunde erhielt Farmaajo 110 Stimmen, Hassan Sheikh Mohamud 214 Stimmen (FH 2023a). Der Wahlsieg wurde allgemein akzeptiert (AA 15.5.2023; vergleiche UNSC 1.9.2022a). Am 9.6.2022 wurde der neue Präsident ins Amt eingeführt (UNSC 1.9.2022a). Hamza Abdi Barre trat im Juni 2022 sein Amt als Premierminister an. Im August 2022 wurde ein neues Kabinett bestehend aus 75 Ministern, stellvertretenden Ministern und Staatsministern ernannt (FH 2023a). Gleichzeitig arbeitet die Regierung vermehrt mit Sonderbeauftragten. Damit sollen mitunter Akteure der vormaligen Regierung umgangen werden (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Zudem musste Hassan Sheikh viele seiner Unterstützer inkludieren, damit diese nicht zur Opposition wechseln. Insgesamt ist die Regierung laut einer Quelle ausgewogen (DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023).
Parlament, Wahlen und Demokratie: Die provisorische Verfassung sieht ein Zweikammernparlament mit einem 275-köpfigen Unterhaus und einem 54 Senatoren umfassenden Oberhaus vor (HIPS 1.11.2021). Die Mitglieder zum Oberhaus werden von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt. Die Wahlen zum Oberhaus begannen im Juli 2021 und konnten nach Monaten der Streitigkeiten im November 2021 abgeschlossen werden (FH 2023a). Sie wurden auf voller Breite manipuliert, nur um 15 der 54 Sitze gab es tatsächlich einen Wettstreit. Die meisten Senatoren sind nunmehr de facto von den Präsidenten der Bundesstaaten nominierte (HIPS 8.2.2022) Alliierte, Freunde und manchmal auch Familienangehörige. Insgesamt hat es sich nicht um einen glaubwürdigen Wahlbewerb gehandelt, der Vorgang kann kaum als "Wahl" bezeichnet werden (HIPS 1.11.2021).
Bei der Wahl zum Unterhaus wählen Älteste und Gruppen der Zivilgesellschaft eines bestimmten Subclans Wahlmänner, welche als Delegierte dann wiederum einen Abgeordneten küren. Senatoren und Abgeordnete wählen schlussendlich den Präsidenten. Der Manipulation sind Tür und Tor geöffnet (FP 22.9.2021). Eigentlich war für die Wahlen vorgesehen, dass jeder einzelne Unterhausabgeordnete von 101 Wahldelegierten seines Clans gewählt wird (2017 waren es 51 Delegierte pro Sitz). Später wurde die Zahl auf 67 Delegierte pro Sitz gesenkt (HIPS 1.11.2021). Insgesamt wurden die Wahlen durch innenpolitische Streitigkeiten für mehr als ein Jahr verzögert. Die Abgeordneten wurden in indirekter Wahl von Delegierten gewählt (AA 15.5.2023; vergleiche UNSC 13.5.2022). In diesem Wahlsystem spielt eine begrenzte Anzahl an Volksvertretern eine sehr eingeschränkt demokratische Rolle (BS 2022a). Es musste eine allseits akzeptierte Repräsentation der verschiedenen Clans sowie der Gliedstaaten sichergestellt werden, was den Prozess der Delegiertenbestimmung sehr langwierig und intransparent machte. Die Legitimität der letzten Wahlprozesse war noch weitestgehend akzeptiert. Der derzeitige Prozess wird von verschiedenen nationalen und internationalen Politikern und Beobachtern hinsichtlich seiner Legitimität in Frage gestellt (AA 15.5.2023). Tatsächlich ist es auf breiter Front zu Wahlmanipulationen gekommen (HIPS 8.2.2022; vergleiche ÖBN 11.2022) bzw. gab es zahlreiche Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten und einen Mangel an Transparenz (UNSC 8.2.2022) sowie hinsichtlich Bestechung (AA 15.5.2023; vergleiche Sahan/SWT 18.8.2023). Der Wahlvorgang wird von einer Quelle als die korrupteste, intransparenteste und teuerste Wahl in der jüngeren Geschichte Somalias bezeichnet. Viele der Abgeordneten haben demnach ihre Stimme an den Höchstbietenden verkauft (Sahan/SWT 18.7.2022; vergleiche FH 2023a).
Am 28.4.2022 wurde der Wahlprozess der am 29.7.2021 begonnenen Parlamentswahlen abgeschlossen (AA 15.5.2023). Alle 275 Abgeordneten zum Unterhaus waren gewählt, 20 % davon sind Frauen (UNSC 13.5.2022). Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den [sogenannten] kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 20.3.2023; vergleiche AA 15.5.2023; ÖBN 11.2022; BS 2022a). Seit dem Jahr 2000 gilt diese 4.5-Formel, die eigentlich dazu bestimmt war, Somalia vorübergehend Stabilität zu verleihen. Allerdings hat sie sich bezüglich der Entwicklung des Landes als kontraproduktiv erwiesen. Denn mit ihr sind Clanzugehörigkeit und -Loyalität wieder wichtiger geworden als die Loyalität zum Staat (Sahan/SWT 28.3.2022). Zudem sind im Rahmen der 4.5-Formel die Toppositionen der Bundesregierung für Darod und Hawiye reserviert (ACLED 28.7.2023). Trotzdem sorgt dieses System dafür, dass viele Clans repräsentiert werden (Sahan/SWT 16.6.2023). Nach Angabe eines Experten ist das 4.5-System zwar in vielerlei Hinsicht unfair; doch es ist gegenwärtig jenes System, das wenigstens ein Minimum an Stabilität garantiert (AQ21 11.2023).
Seit Jahrzehnten hat es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder nationaler Ebene mehr gegeben (AA 15.5.2023; vergleiche FH 2023a). In Süd-/Zentralsomalia gibt es keine demokratischen Institutionen. Somalia ist keine Wahldemokratie und hat auch keine strikte Gewaltenteilung, auch wenn die Übergangsverfassung eine Mehrparteiendemokratie und Gewaltenteilung vorsieht (BS 2022a). Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung demokratisch nicht legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clanstrukturen) vergeben (AA 15.5.2023). Eine andere Quelle gibt zu bedenken: Auch wenn sie nicht wirklich frei und fair waren, so haben die in den letzten zwei Jahrzehnten in Somalia durchgeführten indirekten Wahlen zu Ergebnissen geführt, die im Allgemeinen von den politischen Akteuren und der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert wurden. So wurden durch einen - gewaltfreien - Wahlprozess jeweils schwache, aber akzeptierte Institutionen geschaffen (HIPS 1.11.2021). Generell sind zwar immer wieder progressive Bemühungen zu beobachten, jedoch scheint der Druck der konservativen Eliten im Land oftmals größer zu sein als das tatsächliche Bewusstsein in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte (ÖBN 11.2022).
Im Mai 2023 wurde beschlossen, dass am 30.6.2024 Kommunalwahlen und am 30.11.2024 Wahlen auf Bundesstaatsebene stattfinden sollen. Beide Wahlen sollen als allgemeine Wahlen durchgeführt werden (UNSC 15.6.2023; vergleiche Sahan/SWT 9.6.2023). Dies scheint allerdings unrealistisch (Sahan/SWT 9.6.2023).
Aktuelle politische Lage: Der Präsident setzt auf ein klares und geregeltes Verhältnis zwischen der Bundesregierung und den Bundesstaaten - auch wenn dabei noch ein weiter Weg zu gehen sein wird. Hassan Sheikh versucht zudem, Versäumnisse der Vorgängerregierung aufzuholen. Er hat in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit mehr Gesetzesvorschläge (z.B. zum Nachrichtendienst, zur Stromversorgung, zur Fischerei) im Parlament zur Abstimmung gebracht als sein Vorgänger in fünf Jahren (BMLV 1.12.2023). Seine moderat-islamische politische Ausrichtung (BMLV 1.12.2023; vergleiche Sahan/SWT 28.6.2022) entspricht de facto der Ausrichtung der Muslimbruderschaft (BMLV 1.12.2023). Der Präsident stützt sich dabei auf die von ihm gegründete politische Partei, Union for Peace and Development (AQ13 6.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023), der fast alle vom Präsidenten ernannten Personen angehören und über deren Inhalte wenig bekannt ist (AQ13 6.2023), und die islamische Gruppierung Damul Jadiid (Neues Blut) (BMLV 1.12.2023).
Präsident Hassan Sheikh hat von seinem Vorgänger eine politisierte, parteiische und unfähige Bürokratie geerbt. Die Nabad iyo Nolol (N&N, Friede und Leben), die Partei von Ex-Präsident Farmaajo, hat fünf Jahre damit verbracht, die Verwaltung zu zentralisieren (Sahan/SWT 17.6.2022). Zudem hatte die salafistische al I'tisaam unter Präsident Farmaajo an Macht gewonnen. Die Gruppe erachtet die Demokratie als Verletzung der Scharia (Sahan/SWT 5.9.2022) und gilt als ideologischer Bruder von al Shabaab (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023). Al I'tisaam verfolgt de facto die gleichen Ziele wie al Shabaab – aber ohne Gewalt. Dafür versucht die Gruppe die Wirtschaft zu beeinflussen. Gleichzeitig gibt es zwischen beiden Gruppen einen Dialog (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Mit dieser Nähe ist unter Farmaajo die Grenze zwischen Regierung und Rebellen verschwommen. Al Shabaab hat damals mitunter auch Gegner des Präsidenten angegriffen und getötet. Präsident Hassan Sheikh ist eindeutig gegen al Shabaab eingestellt (IO-D/STDOK/SEM 4.2023), die Bundesregierung dem Kampf gegen die Gruppe verpflichtet (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Der Präsident hat die internationale Gemeinschaft und Clanmilizen mobilisiert und war damit relativ erfolgreich. Größerer Teile von Galmudug und HirShabelle konnten so eingenommen werden (IO-D/STDOK/SEM 4.2023).
Um den Einfluss von N&N zu tilgen und eine inklusive Politik umzusetzen, wird es Zeit brauchen. Gleichzeitig wird N&N alles daran setzen, von Hassan Sheikh vorangetriebene Reformen zu sabotieren (Sahan/SWT 17.6.2022). Folglich ist das Machtzentrum Somalias nach der Machtübernahme durch den neuen Präsidenten paralysiert. Eine Elite im Wettstreit stehender islamistischer Fraktionen, die allesamt dem Föderalismus abgeneigt sind, versucht, Reformen zu hintertreiben oder rückgängig zu machen. Präsident Hassan Sheikh möchte eine eigene Fraktion, Damul Jadiid, stärken. Insgesamt ist die Politik in Somalia zunehmend in der Hand von Eliten und fraktioniert (Sahan/SWT 28.6.2022). Ex-Präsident Farmaajo nutzt massiv die Sozialen Medien, um gegen Präsident Hassan Sheikh zu agieren (AQ14 8.2023; vergleiche DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023). Andererseits besteht der Verdacht, dass jene Personen, die zuletzt wegen Korruption verfolgt worden sind, aufgrund politischer Rivalitäten verfolgt werden. Die Vorgangsweise bedeutet, dass die NISA nach wie vor politisch agiert (AQ14 8.2023).
Es läuft ein verzweifelter Kampf um die Macht zwischen Damul Jadiid und der Gegenseite (Daljir) (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Vierzehn Monate nach Beginn der Amtszeit von Hassan Sheikh deutet alles auf Zwietracht hin. Grundlegende Brüche beginnen wieder zum Vorschein zu kommen (Sahan/SWT 7.7.2023). Eine direkte, ernste Konfrontation ist demnach nicht auszuschließen, und die Regierung wankt (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Der Präsident steht am Rand; er muss die Offensive gegen al Shabaab gewinnen, sonst gewinnt die Gegenseite an Stärke. römisch fünf.a. Abgaal sind dabei, die Pläne des Präsidenten zu manipulieren (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Und es ist nicht auszuschließen, dass Farmaajo nur deshalb friedlich sein Amt geräumt hat, um nach Hassan Sheikh wieder an die Macht zurückzukehren (DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023).
Generell ist die politische Landschaft durch ein komplexes Zusammenspiel von Clandynamiken, regionalen Rivalitäten und Machtkämpfen auf oberen Ebenen gekennzeichnet. Clanbasierte Politik und Identitäten haben die Bildung politischer Allianzen und Konflikte im ganzen Land erheblich beeinflusst. Verschiedene Fraktionen und regionale Regierungen wetteifern um die Macht, was zu politischer Fragmentierung und einem Mangel an kohärenter Regierungsführung geführt hat. Der erste nennenswerte Ausdruck der Zwietracht in der aktuellen Regierung kam im Jänner 2023, als Puntland sich bis zur Verabschiedung der endgültigen somalischen Verfassung für unabhängig von der Bundesregierung erklärt hatte. Im Juni 2023 verkündete der ehemalige Gouverneur Ali Jeyte Osman einseitig die Trennung der Region Hiiraan vom Bundesstaat HirShabelle. Im Bundesstaat SWS kam es zu Spannungen in Baraawe, und auch in der zum Bundesstaat Jubaland gehörenden Region Gedo sind erneut Spannungen aufgetreten (Sahan/SWT 7.7.2023).
Föderalisierung: Die Übergangsverfassung sieht föderale Strukturen mit zwei Regierungsebenen vor: Die Bundesregierung (Federal Government) sowie die Bundesstaaten (Federal Member States), welche auch Lokalregierungen umfassen (SIDRA/Salim 1.12.2022). Seit damals sind sechs Entitäten durch die Bundesregierung als Bundesstaaten anerkannt worden: Puntland, Galmudug, Jubaland, South West State (SWS) und HirShabelle. Jeder dieser Bundesstaaten hat eine eigene Verfassung. Somaliland wird als sechster Bundesstaat erachtet (UNHCR 22.12.2021). Die Hauptstadtregion Benadir (Mogadischu) verbleibt als Banadir Regional Administration/BRA unter direkter Kontrolle der Bundesregierung (HIPS 8.2.2022). Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clanbalance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (STDOK 8.2017).
Ein Jahrzehnt nach Einführung der föderalen Verfassung gibt es nur geringe Fortschritte hinsichtlich der Implementierung funktionierender Beziehungen zwischen den Regierungsebenen. Die Judicial Service Commission sowie das Verfassungsgericht wurden immer noch nicht eingerichtet, es gibt keine Möglichkeit, Konflikte zwischen den Regierungsebenen geregelt zu lösen. Die Verfassungen der Bundesstaaten widersprechen teilweise der Bundesverfassung, was wiederum zu Spannungen in den Beziehungen zwischen den Regierungsebenen führt. So sieht z.B. die puntländische Verfassung diplomatische Beziehungen des Bundesstaates vor, obgleich die Außenpolitik laut Bundesverfassung bei der Bundesregierung liegt (SIDRA/Salim 1.12.2022). Gleichzeitig wurden zahlreiche Befugnisse nicht geklärt. Das betrifft die Verteidigung, welche militärischen Truppen und Polizeieinheiten vor Ort eingesetzt werden können, die Frage der Ressourcenverteilung, die Verteilung von internationalen Hilfsgeldern. Auch Entwicklungszusammenarbeitsprojekte werden über die Zentralregierung in Mogadischu abgewickelt, und die Verteilung auf die Regionen ist strittig, ebenso die Fragen, wer welche Hoheiten über welche Verträge hat (ACCORD 31.5.2021).
Präsident Farmaajo hatte versucht, die Macht wieder zu zentralisieren (TNYT 14.4.2021). Unter der neuen Regierung sind die Spannungen zwischen den Bundesstaaten und der Regierung vorerst weitestgehend abgeflaut (BMLV 1.12.2023; vergleiche ÖBN 11.2022). Eine Ausnahme bildet Puntland, das die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung aufgekündigt hat (BMLV 1.12.2023). Trotzalledem hat sich der National Consultative Council (NCC) im Jahr 2023 bereits zweimal getroffen. Dieser umfasst die Führungen von Bundesregierung und Bundesstaaten (UNSC 15.6.2023). Bei den NCCs war Puntland nicht vertreten (UNSC 15.6.2023; vergleiche DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023).
Demokratie - Bundesstaaten: Die Bundesstaaten nutzen bei der Bildung ihrer Legislative ebenfalls Clan-basierte Machtteilungssysteme statt direkter Wahlen (FH 2023a). Abgesehen von Puntland werden sich die Wahlen in den Bundesstaaten Galmudug, HirShabelle, Jubaland und dem SWS verzögern. Die Parlamente dieser Bundesstaaten haben letztes Jahr beschlossen, die Amtszeit der jeweiligen Präsidenten auf fünf Jahre zu verlängern (ACLED 28.7.2023). Sowohl in Jubaland als auch im SWS gibt es diesbezüglich Widerstand der Opposition. Fast jeder Bundesstaat erlebt derzeit irgendeine Form von politischem Aufruhr aufgrund von Meinungsverschiedenheiten im Wahlzeitplan. Galmudug bereitet sich auf Wahlen vor und wartet gleichzeitig auf die Möglichkeit einer verlängerten Amtszeit des Präsidenten, und die Verfassungskrisen in Puntland gehen weiter (Sahan/SWT 22.9.2023).
Quellen
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AQ13 - Anonyme Quelle 13 (6.2023): Bei der Quelle handelt es sich um einen analytischen Newsletter;
AQ14 - Anonyme Quelle 14 (8.2023): Bei der Quelle handelt es sich um einen analytischen Newsletter;
AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche;
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Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Jubaland wurde im Jahr 2013 gebildet, damals wurde auch Ahmed Mohamed Islam 'Madobe' zum Präsidenten gewählt (HIPS 2021). Bei der Präsidentenwahl im Jahr 2019 hat die damalige Bundesregierung versucht, Madobe durch einen loyalen Präsidenten abzulösen. Dieser Versuch scheiterte, und Ahmed Madobe wurde - bei einer umstrittenen Wahl - als Präsident bestätigt (HIPS 8.2.2022). Im August 2022 hat das Parlament in Kismayo die Verfassung von Jubaland geändert und das eigene sowie das Mandat von Präsident Madobe bis August 2024 verlängert. Dies wurde (UNSC 1.9.2022b) und wird von der Opposition kritisiert. Eigentlich wäre die Amtszeit im August 2023 zu Ende gegangen (Sahan/SWT 14.6.2023). Die Lage in Jubaland ist relativ ruhig. Die nächstes Jahr stattfindenden Wahlen können aber neue Probleme mit sich bringen (DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023). Die in der Region Gedo neugebildete Union of Presidential Candidates um den ehemaligen Vizepräsidenten Fartag zeigt, dass es nach wie vor eine aufrechte Opposition der Marehan zu Madobe gibt (BMLV 1.12.2023).
Auch wenn Jubaland offiziell der Bundesregierung untersteht, stellt der Bundesstaat in der Realität ein weitgehend unabhängiges Gebilde dar, das von einer signifikanten Präsenz kenianischer Truppen gestützt wird (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vergleiche BS 2022a). Überhaupt hängt Präsident Madobe stark von Kenia ab (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Andererseits überschneiden sich in diesem Bundesstaat sowohl komplexe regionale und nationale Politik als auch Clanbeziehungen. Jubaland wird von vielen Clans bewohnt, aber die beiden dominanten Clans sind die Marehan (v.a. in Gedo) und die Ogadeni (v.a. in Lower Juba) (Sahan/SWT 14.6.2023). Dies sind die beiden Pole in Jubaland. Historisch haben diese beiden Clans kaum Gemeinsamkeiten. Sie spielen seit Jahren Äthiopien und Kenia gegeneinander aus, denn auch zwischen diesen beiden Ländern gibt es eine ständige Rivalität um regionale Machtansprüche (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Das vorrangige Ziel der Regierung von Jubaland ist die Herstellung der Autorität über das gesamte beanspruchte Gebiet – gegenüber jedermann, egal ob al Shabaab, Regierung oder Clans (BMLV 1.12.2023).
In Gedo kam es im Juni 2023 zu politischen Unruhen, als der Präsident einen neuen Gouverneur und vier Stellvertreter für die Region ernannt hat. Die amtierende Regierung von Gedo hatte die Ernennungen abgelehnt (ACLED 30.6.2023). Nach wochenlangen Spannungen um die von Madobe eingesetzte neue Verwaltung lenkten die Marehan ein und akzeptierten den neuen Gouverneur. Auch der nunmehrige Ex-Gouverneur erklärte seine Unterstützung für Madobe. Es sollen dafür erhebliche Geldmittel an Vertreter der Marehan geflossen sein (BMLV 1.12.2023). Die Akzeptanz des neuen Gouverneurs hängt offenbar auch an der Unterstützung der Bundesregierung für Madobe und an der Gleichgültigkeit Äthiopiens (Sahan/SWT 12.7.2023). Oppositionelle in Jubaland haben darüber geklagt, dass die Bundesregierung Druck auf die Behörden in Gedo ausübt, damit diese mit Präsident Madobe kooperieren. Demnach hat die Bundesregierung gedroht, Gehälter einzubehalten (HO 9.7.2023). Viele Politiker Gedos und auch viele Einwohner stehen trotzdem auch weiterhin in Opposition zur Verwaltung Madobes (Sahan/SWT 12.7.2023). Eine Quelle erklärt, dass die Marehan von Äthiopien abhängig sind. Zudem verfügt bei der Frage von Gedo die politische Seite von Ex-Präsident Farmaajo über maßgeblichen Einfluss (DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023).
In Kismayo hat sich die Verwaltung durch Jubaland gefestigt und diese funktioniert. Dies gilt auch für die Kooperation mit anderen Clans und deren Beteiligung an Regierungsaufgaben. Die Kooperation kenianischer Truppen mit lokalen Sicherheitskräften ist mit ein Grund für die in Kismayo gegebene, relative Stabilität (BMLV 1.12.2023).
Quellen
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BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
BS - Bertelsmann Stiftung (2022a): BTI 2022 Country Report Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069667/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 6.10.2023;
DIPL-X/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Diplomatic Source römisch zehn (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
GITOC/Bahadur - Jay Bahadur (Autor), Global Initiative Against Transnational Organized Crime (Herausgeber) (8/12/2022): Terror and Taxes. Inside al-Shabaab’s revenue-collection machine, https://globalinitiative.net/wp-content/uploads/2022/12/AS-protection-economies.-WEB.pdf, Zugriff 9.10.2023;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (8/2/2022): State of Somalia Report 2021, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2021-English-version.pdf, Zugriff 6.10.2023;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (2021): State of Somalia Report 2020, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2020-Final-2.pdf, Zugriff 9.10.2023;
HO - Hiiraan Online (9/7/2023): Jubbaland politicians form Union of Presidential Candidates in Nairobi, https://www.hiiraan.com/news4/2023/July/192166/jubbaland_politicians_form_union_of_presidential_candidates_in_nairobi.aspx?utm_source=hiiraan&utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 9.10.2023;
IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
MAEZA/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Mitarbeiter einer Organisation für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
Sahan/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Sahan (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (12/7/2023): Gedo and Jubaland: A Tentative Reconciliation, in: The Somali Wire Issue No. 564, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (14/6/2023): Political Discontent in the Gedo Region of Jubland State, in: The Somali Wire Issue No. 553, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
UNSC - United Nations Security Council (1/9/2022b): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/665], https://www.ecoi.net/en/file/local/2078696/N2257941.pdf, Zugriff 9.10.2023;
South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Der SWS wurde in den Jahren 2014/2015 etabliert (HIPS 2021). Abdulaziz Hassan Mohamed 'Laftagareen' wurde 2018 ins Amt gewählt, nachdem sein Konkurrent im Wahlkampf, der ehemalige hohe Funktionär der al Shabaab und nunmehrige Bundesreligionsminister, Mukhtar Robow, in Haft gesetzt worden war. Der Rat der Präsidentschaftskandidaten des SWS stellte sich gegen die Ambition Laftagareens. Zudem ist in Baidoa eine Miliz namens Salvation Army of South West aufgetreten, die der Opposition zuzurechnen ist. Die Amtszeit von Laftagareen war im April 2020 vom Parlament verlängert worden (TEA 25.12.2022) - und zwar bis 2024 (HIPS 24.3.2023). Die Opposition erklärt dazu, dass es dafür keine Rechtsbasis gegeben hat (TEA 25.12.2022). Bei Unruhen im Dezember 2022 waren mindestens zehn Menschen getötet und zwanzig weitere verletzt worden, als Kräfte der Opposition mit den Sicherheitskräften zusammenstießen (Halbeeg 2.1.2023; vergleiche HIPS 24.3.2023). Die Bundesregierung, zu der gute Beziehungen bestehen, hat zwischen den Streitparteien vermittelt (DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche Halbeeg 2.1.2023). Im Feber 2023 wurde ein Abkommen zur weiteren Regelung des Wahlablaufs geschlossen. Dieses war durch die Vermittlung des Vorsitzenden des Bundesparlaments zwischen Laftagareen und der Opposition geschlossen worden. Das Abkommen sieht die Wahl der Parlamentsabgeordneten durch die Clanältesten im Zeitraum November bis Dezember 2023 und die anschließende Wahl des Regionalpräsidenten durch das Parlament im Jänner 2024 vor (HIPS 24.3.2023). Beim im Mai 2023 tagenden NCC wurde allerdings vereinbart, dass die Wahltermine aller Bundesstaaten harmonisiert und auf den 30.11.2024 gelegt werden sollen - mit voller Unterstützung von Präsident Laftagareen. Dabei handelt es sich zwar nur um einen rechtlich nicht bindenden Vorschlag, trotzdem wurde damit für Unruhe gesorgt (BMLV 1.12.2023).
Aus anderen Gründen kam es im Juni 2023 zu Auseinandersetzungen zwischen clanbasierten Sicherheitskräften über die Steuererhebung, wobei Angehörige der somalischen Armee (v.a. Hawiye), mit Polizeikräften des SWS (v.a. Rahanweyn) in Lower Shabelle zusammengestoßen sind (ACLED 30.6.2023). Man wirft Laftagareen vor, als Taktik, seine Macht im Griff zu behalten, absichtlich alle bedeutenden Offensiven gegen al Shabaab zu verzögern. Prominente Politiker stoßen sich an der Machtkonzentration in den Familien- und Clannetzwerken von Laftagareen (Sahan/SWT 22.9.2023).
Politisch hat die Regierung des SWS bedeutende Fortschritte bei der Dezentralisierung der Macht und der Bildung von Bezirksräten gemacht, namentlich in Waajid, Diinsoor, Xudur, Berdale und Baraawe (HIPS 24.3.2023). In den Gebieten, die in Bay von der Regionalregierung kontrolliert werden, funktioniert die Verwaltung einigermaßen. Beim Aufbau der Verwaltung konnten seit 2021 keine weiteren Fortschritte erzielt werden (BMLV 1.12.2023).
Quellen
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (30/6/2023): Somalia: Political Turmoil Threatens the Fight Against Al-Shabaab, https://acleddata.com/2023/06/30/somalia-situation-update-june-2023-political-turmoil-threatens-the-fight-against-al-shabaab/, Zugriff 26.9.2023;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
DIPL-X/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Diplomatic Source römisch zehn (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (24/3/2023): State of Somalia 2022 Report, Year in Review, https://8v90f1.p3cdn1.secureserver.net/wp-content/uploads/2023/03/SOS-REPORT-2022-The-Year-in-Review.pdf, Zugriff 4.10.2023;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (2021): State of Somalia Report 2020, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2020-Final-2.pdf, Zugriff 9.10.2023;
Halbeeg - Halbeeg (2/1/2023): Gov’t forms technical committee to facilitate South West reconciliation conference, https://en.halbeeg.com/2023/01/02/govt-forms-technical-committee-to-facilitate-south-west-reconciliation-conference/, Zugriff 9.10.2023;
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (22/9/2023): Competing electoral timelines, in: The Somali Wire Issue No. 595, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
TEA - The East African (25/12/2022): Somalia stares at old problem on term limits for state leaders, https://www.theeastafrican.co.ke/tea/news/east-africa/somalia-stares-at-old-problem-on-term-limits-4065452, Zugriff 9.10.2023;
Banadir Regional Administration (BRA; Mogadischu)
Letzte Änderung 2024-01-03 07:56
Benadir ist die einzige Region, über welche die Bundesregierung volle Kontrolle ausübt. Die Übergangsverfassung sieht vor, dass das Bundesparlament über den Status der Region Benadir - und damit den Status von Mogadischu - entscheiden muss. Bislang wurde keine Entscheidung gefällt, der Status von Benadir bleibt unklar (HIPS 8.2.2022). Der Status von Mogadischu ist eines der wichtigsten, nach wie vor unentschiedenen politischen Themen (SDP/SPA 14.9.2022). Da die Hauptstadt direkt der Bundesregierung untersteht, ernennt der somalische Präsident Bürgermeister (gleichzeitig Gouverneur von Benadir) und Stellvertreter (HIPS 8.2.2022; vergleiche SDP/SPA 14.9.2022) sowie alle District Commissioners. Zudem verwaltet die Bundesregierung alle in der Stadt eingehobenen Erträge (SDP/SPA 14.9.2022).
De facto wird Mogadischu von der Bundesregierung verwaltet (SDP/SPA 14.9.2022) und steht unter deren direkter Kontrolle. Diese wehrt sich auch dagegen, dass Benadir ein eigener Bundesstaat wird. Dadurch würde sie stark an Einfluss verlieren (HIPS 8.2.2022). Derzeit die BRA verfügt über eine funktionierende Regionalregierung und wird vom Bürgermeister von Mogadischu geführt (AI 13.2.2020). Die BRA konnte ihre Autorität innerhalb der Mischung informeller Machtmakler in Mogadischu langsam stärken. So werden z.B. Mietverträge zwischen IDP-Siedlungen und Grundbesitzern – zuvor mündlich – nunmehr schriftlich niedergelegt und bei der BRA hinterlegt. Damit ist auch die Zahl der Zwangsräumungen zurückgegangen (NH 17.8.2023).
In Mogadischu spielen die Hawiye/Abgaal sowie die Hawiye/Habr Gedir und die Hawiye/Murusade aufgrund der Bevölkerungsstruktur auch weiterhin eine dominierende Rolle (BMLV 1.12.2023).
Quellen
AI - Amnesty International (13/2/2020): "We live in perpetual fear": Violations and Abuses of Freedom of Expression in Somalia [AFR 52/1442/2020], https://www.ecoi.net/en/file/local/2024685/AFR5214422020ENGLISH.PDF, Zugriff 9.10.2023;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (8/2/2022): State of Somalia Report 2021, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2021-English-version.pdf, Zugriff 6.10.2023;
NH - New Humanitarian, The (17/8/2023): ‘There’s no future in this IDP camp’: Why Somalia’s crisis needs a rethink, https://www.ecoi.net/de/dokument/2096012.html, Zugriff 9.10.2023;
SDP/SPA - Somali Dialogue Platform, Somali Public Agenda (14/9/2022): Policy options for resolving th status of Mogadishu, Policy paper SDP.F20.05, https://somalipublicagenda.org/wp-content/uploads/2022/09/SPA_Policy_Paper_03_ENGLISH-in-partnership-with-Somali-Dialogue-Platform.pdf, Zugriff 9.10.2023;
HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle)
Letzte Änderung 2024-01-03 07:57
HirShabelle wurde 2016 etabliert (HIPS 8.2.2022), und zwar auf Basis einer vermittelten Union der Hawiye-Clans von Hiiraan und Middle Shabelle (USDOS 12.4.2022). Allerdings hatte es auch Stimmen für einen eigenständigen Bundesstaat Hiiraan gegeben (HIPS 8.2.2022). Die Clans der Hawadle, Galje’el und andere in Hiiraan sind mit der Dominanz des Bundesstaates durch die Harti/Abgaal nicht zufrieden (Sahan/SWT 30.6.2023).
Im November 2020 wurde mit Ali Gudlawe ein neuer Präsident gewählt (HO 11.11.2020). Dessen Wahl wurde als Bruch des informellen Machtteilungsabkommens zwischen den beiden in HirShabelle dominanten Clans Abgaal und Hawadle erachtet (HIPS 8.2.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022). Danach kam es zu Spannungen zwischen der Regierung von HirShabelle und der Region Hiiraan. In Opposition trat eine Bewegung der Jareer/Bantu (HO 16.2.2021) sowie General Huud seitens der Hawadle (USDOS 12.4.2022; vergleiche HO 16.2.2021) während Gudlawe die Hawiye/Abgaal repräsentiert (USDOS 12.4.2022). Aufgrund von Kampfhandlungen war der politische Konflikt über die Machtteilung im Bundesstaat ursprünglich völlig in den Hintergrund getreten, und zwar aufgrund der seit Juni 2022 geführten Kämpfe gegen al Shabaab. Dies liegt vermutlich auch an der wesentlichen Rolle, die der Gouverneur der Region Hiiraan, Ali Jeyte Osman (Hawiye/Hawadle) und die aus den Hawadle rekrutierten Macawiisley-Selbstschutzmilizen als Hauptträger des Kampfes gegen al Shabaab in Hiiraan gespielt haben (BMLV 9.2.2023).
Trotzdem gibt es weiterhin Spannungen zwischen dem Präsidenten von HirShabelle und Ali Jeyte. Die beiden sind wegen der Besteuerung (Sahan/SWT 30.6.2023; vergleiche ACLED 30.6.2023), der Ressourcenverteilung und wegen Checkpoints aneinander geraten (Sahan/SWT 30.6.2023). Im Juni 2023 wurde der beliebte Gouverneur durch den Präsidenten seines Amtes enthoben. Ali Jeyte hatte zuvor die Macawiisley im Kampf gegen al Shabaab organisiert (Sahan/SWT 30.6.2023; vergleiche Halbeeg 25.6.2023, ACLED 30.6.2023). Dadurch wurde eine politische Krise ausgelöst. Jeyte hat sich geweigert, zurückzutreten (Sahan/SWT 30.6.2023); und in Belet Weyne wurde eine Interimsregierung des selbstproklamierten Bundesstaates Hiiraan eingerichtet (Halbeeg 25.6.2023). Derweil hat al Shabaab versucht, einen Keil zwischen die Ältesten der Hawadle und Ali Jeyte zu treiben (Sahan/SWT 30.6.2023). Es gab Spannungen in Belet Weyne, und es kam zur Positionierung unterschiedlicher Hawadle-Milizen; Spannungen gab es auch zwischen Teilen der Hawadle (ACLED 30.6.2023). Im Oktober 2023 hat der somalische Präsident Ali Jeyte zum Koordinator für die „community forces“ (also die Macawiisley) ernannt. Damit wurden die erneuten Spannungen in Hiiraan bzw. HirShabelle wesentlich entschärft. Innerhalb der Hawadle hat sich die Lage wieder beruhigt (BMLV 1.12.2023). Offen in diesem Zusammenhang ist, wie sich die Machtverhältnisse v.a. in Hiiraan verschieben werden, sobald westlich des Shabelle Rivers ebenfalls gegen al Shabaab vorgegangen wird. Hier sind v.a. Angehörige der Hawiye/Gugundhabe (Subclans: Galje'el, Baadi Adde und Jajele) ansässig, die sich zu erheblichen Teilen mit al Shabaab arrangiert haben und in der Regionalverwaltung von Hiiraan bislang nicht berücksichtigt wurden (BMLV 9.2.2023).
Zwischenzeitlich war sowohl in den von HirShabelle in Middle Shabelle kontrollierten Gebieten als auch in Belet Weyne eine Verbesserung der Verwaltung zu verzeichnen. Doch sind die schon im Zuge der Bildung des Bundesstaates neu zutage getretene Clankonflikte wieder aufgeflammt. Die Clans in Middle Shabelle stehen größtenteils hinter der Regionalverwaltung. In Belet Weyne hingegen treffen Vertreter von HirShabelle nach wie vor auf unverminderte Ablehnung. De facto ist der Bundesstaat geteilt, auch wenn die Verwaltung von HirShabelle auch in Hiiraan arbeitet und funktioniert (BMLV 1.12.2023).
Quellen
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (30/6/2023): Somalia: Political Turmoil Threatens the Fight Against Al-Shabaab, https://acleddata.com/2023/06/30/somalia-situation-update-june-2023-political-turmoil-threatens-the-fight-against-al-shabaab/, Zugriff 26.9.2023;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9/2/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (8/2/2022): State of Somalia Report 2021, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2021-English-version.pdf, Zugriff 6.10.2023;
HO - Hiiraan Online (16/2/2021): Hiiraan resistance faction gives HirShabelle Gov't officials 48 hrs to exit from Beletweyne, https://www.hiiraan.com/news4/2021/Feb/181682/hiiraan_resistance_faction_gives_hirshabelle_government_48_hrs_to_withdraw_vp_from_beletweyne.aspx, Zugriff 9.10.2023;
HO - Hiiraan Online (11/11/2020): HirShabelle parliament elects Ali Guudlaawe as new president, https://www.hiiraan.com/news4/2020/Nov/180667/hirshabelle_parliament_elects_ali_guudlaawe_as_new_president.aspx, Zugriff 9.10.2023;
Halbeeg - Halbeeg (25/6/2023): Beledweyne is no flight zone, Ali Jeyte, https://en.halbeeg.com/2023/06/25/beledweyne-is-no-flight-zone-ali-jeyte/, Zugriff 26.6.2023;
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (30/6/2023): Hiiraan in Turmoil - Implications, in: The Somali Wire Issue No. 559, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
USDOS - United States Department of State [USA] (12/4/2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071126.html, Zugriff 4.10.2023;
Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Galmudug wurde im Jahr 2015 geschaffen (HIPS 2021). Galmudug ist hinsichtlich der Clanzusammensetzung sehr heterogen. Den Großteil der Bevölkerung stellen dort elf Subclans aus drei der großen Clanfamilien. Beherrschend sind v.a. die Habr Gedir, Marehan, Murusade und Duduble (Sahan/Abdi 12.7.2021).
Die Staatsversammlung in Dhusamareb wählte am 2.2.2020 Ahmed Abdi Kariye 'Qoorqoor' zum Präsidenten (UNSC 13.2.2020). Im September 2022 hat das Parlament von Galmudug seine eigene Amtszeit und die von Präsident Qoorqoor um ein weiteres Jahr auf fünf Jahre verlängert (HIPS 24.3.2023).
2022 gab es weiterhin Verhandlungen hinsichtlich des (politischen) Status' der ASWJ (FH 2023a). Die ASWJ ist nach einer kurzen Phase der Reorganisierung [siehe Sicherheitslage] de facto ausgeschaltet und zerschlagen. Sie trat 2022 zwar in Erscheinung, um Unterstützung für die Operation gegen al Shabaab zu zeigen, ist aber weiterhin in Galmudug kein politischer Faktor. Ansonsten ist der Kampf gegen al Shabaab aktuell der bestimmende Faktor in Galmudug (BMLV 1.12.2023).
Quellen
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
FH - Freedom House (2023a): Freedom in the World 2023 - Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094399.html, Zugriff 6.10.2023;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (24/3/2023): State of Somalia 2022 Report, Year in Review, https://8v90f1.p3cdn1.secureserver.net/wp-content/uploads/2023/03/SOS-REPORT-2022-The-Year-in-Review.pdf, Zugriff 4.10.2023;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (2021): State of Somalia Report 2020, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2020-Final-2.pdf, Zugriff 9.10.2023;
Sahan/Abdi - Sahan (Herausgeber), Rashid Abdi (Autor) (12/7/2021): Galmudug: römisch eins t Didn’t Have to be This Way, in: The Somali Wire Issue No. 182, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
UNSC - United Nations Security Council (13/2/2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/121], https://www.ecoi.net/en/file/local/2025872/S_2020_121_E.pdf, Zugriff 9.10.2023;
Puntland (Bari, Nugaal, Teile von Mudug)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Puntland hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Es strebt nicht nach Unabhängigkeit von Somalia, hat sich aber eine entsprechende Option offengelassen. Heute ist Puntland einer von fünf Bundesstaaten Somalias – allerdings mit größerer Autonomie (AA 15.5.2023; vergleiche BS 2022b). Der Bundesstaat kann auf eigene staatliche Institutionen zurückgreifen, um Sicherheit und Verwaltung umzusetzen. Dabei agiert Puntland nahezu unabhängig von der Bundesregierung und boykottiert auch oft deren Entscheidungen (PGN 10.2020). Der Bundesstaat hat sich aus dem somalischen Staatsbildungsprozess weitgehend zurückgezogen. Zudem verfügt Puntland über eine größere finanzielle Unabhängigkeit von der Bundesregierung (AA 15.5.2023). Puntland hat einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert (AA 15.5.2023). Zudem beherrscht Puntland fast alle eigenen Landesteile. Damit ist Puntland der stabilste und am meisten entwickelte Bundesstaat Somalias (BS 2022b).
Anfang 2019 wählte das Parlament Saed Abdullahi Deni zum neuen Präsidenten. Der bisherige Präsident Abdiweli Mohamed Ali 'Gaas' wurde abgewählt, er akzeptierte die Niederlage (USDOS 12.4.2022). Die erste Amtsperiode von Präsident Deni endet im Jänner 2024 (Sahan/SWT 28.10.2022). Puntland verfolgt den Plan, im Jänner 2024 allgemeine Wahlen durchzuführen. Bis dato dienen die Parlamentarier eher der Regierung, als dass sie Volksvertreter darstellen würden. Zudem soll die Staatsgewalt künftig dezentralisiert werden (PP 18.8.2022). Parteien orientierten sich an Clanlinien und wohlhabenden Vorsitzenden, das Wahlverhalten spiegelt die Clanzusammensetzung der Bezirke wider. Eine inhaltliche Ausrichtung bzw. ein Wettbewerb der Parteien war nicht erkennbar (AA 15.5.2023). Das Wahlsystem in Puntland ist bislang stark Clan-bezogen. Die Majerteen-Clans erhalten den Präsidenten; die Dhulbahante den Vizepräsidenten; und die Warsangeli den Parlamentssprecher. Das Amt des Präsidenten rotiert zwischen Subclans der Majerteen (ACLED 28.7.2023).
Die von der Regierung angesetzte Wählerregistrierung für die angesetzten allgemeinen Lokalwahlen 2023 stieß in Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung. Diesbezüglich kam es am 6.2.2023 in Garoowe zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. Zwei Gründe für die Ablehnung der Wählerregistrierung sind einerseits die bei den Wahlen 2021 festgestellte Korruption und andererseits die teilweise Ablehnung des Wahl- und Parteiensystems. Der aktuellen Regierung von Präsident Deni ist es nicht gelungen, diese Ablehnung zu beschwichtigen oder auszuräumen (BMLV 9.2.2023).
Am 25.5.2023 hat Puntland erfolgreich seine ersten direkten Kommunal- bzw. Gemeinderatswahlen seit 53 Jahren durchgeführt (HO 3.7.2023; vergleiche Sahan/SWT 26.5.2023). Insgesamt haben 3.775 Kandidaten von sieben politischen Parteien um 774 Sitze gekämpft. Allerdings haben einige einflussreiche Politiker und Mitglieder von Oppositionsgruppen in der Region Nugaal in Puntland die Wahlen boykottiert und die Übergangswahlkommission von Puntland gezwungen, die Wahlen in drei der 33 Bezirke, darunter auch in der Landeshauptstadt Garoowe, zu verschieben (HO 3.7.2023). Nach anderen Angaben wurden die Wahlen in 33 Bezirken durchgeführt und in drei Bezirken verschoben (ACLED 28.7.2023). Die Übergangswahlkommission hat erklärt, dass bei den Lokalwahlen ca. 173.000 der 385.000 registrierten Wähler tatsächlich auch gewählt haben (FTL 27.5.2023).
Die Gewinner der Wahl - namentlich Kaah, Mideeye und Sincad - werden als politische Parteien eingetragen. 17 % der gewählten Vertreter waren weiblich (UNSC 15.6.2023). Manche der im Mai gewählten Personen konnten aufgrund der politischen Unstimmigkeiten ihre Mandate nicht übernehmen (Sahan/SWT 30.8.2023). Zudem hatte die Opposition – u.a. die Partei Horseed, Mustaqbal und Ifeye – die Wahlen boykottiert. Im Vorfeld der Wahlen gab es politische Streitigkeiten und auch Gewalt (Sahan/SWT 26.5.2023).
Ende Juni 2023 hat das Parlament den Wahlprozess (Artikel 56, der Verfassung) geändert. Präsident und Vizepräsident sollen demnach nicht mehr vom Parlament, sondern in direkten Wahlen gewählt werden. Zudem sollen mehr Parteien zugelassen werden (HO 26.6.2023). Präsident Deni steht unter dem Verdacht, seine Amtszeit verlängern zu wollen (Sahan/SWT 26.6.2023a; vergleiche Sahan/SWT 30.8.2023). Der Versuch von Deni, die kontroversen Verfassungsänderungen durchzusetzen, hat eine bewaffneter Reaktion ausgelöst. Die tödliche Gewalt in Garoowe zwischen Oppositionskräften unter der Führung von Danaab-General Jim’aale Jama’ Takaar und regionalen Streitkräften von Puntland markiert eine besorgniserregende Eskalation. Auslöser war der vorgeschlagene Schritt zu einer Verfassungsänderung. Namentlich sollte Artikel 46 geändert werden, um die Zahl der registrierten politischen Parteien von drei auf fünf zu erhöhen; sowie Artikel 79, um die Amtszeit des Präsidenten zu verlängern. Der erste Änderungsantrag soll demnach den Einfluss der Oppositionsparteien schwächen, und der zweite soll Denis Amtszeit ausdehnen. Die Opposition lehnt beide Maßnahmen strikt ab (Sahan/SWT 26.6.2023a; vergleiche ACLED 30.6.2023). Die Spannungen sind im Juni 2023 eskaliert, mindestens 26 Menschen wurden bei Zusammenstößen zwischen Oppositions- und Regierungskräften in Garoowe getötet (ACLED 30.6.2023).
Die politische Lage in Puntland bleibt also weiterhin von den Auseinandersetzungen um die Abhaltung der anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen geprägt. Punkte wie die Wählerregistrierung, Wahltermine oder zugelassene Parteien werden in öffentlichen Aussagen gerne ins Treffen geführt bzw. beanstandet. Tatsächlich geht es bei dem Konflikt aber darum, dass einer der mächtigen Subclans der Darod / Majerteen / Mohamud Saleebaan (nämlich die Issa Mohamud) darauf besteht, dass der Präsidentenkreislauf zuerst beendet wird, bevor über allgemeine Wahlen oder Ähnliches gesprochen wird (BMLV 1.12.2023). Von den drei großen Clans der Majerteen / Ali Saleeban haben bereits zwei je zweimal den Präsidenten gestellt. Der dritte ist erst einmal zum Zug gekommen. Man will folglich erst dann allgemeine Wahlen haben, wenn auch der dritte Clan bedient worden ist. Deni hingegen forciert Wahlen. Dies hat zu den Unruhen geführt und sorgt weiter für Unruhe (BMLV 14.9.2023; vergleiche Sahan/SWT 30.8.2023). Tatsächlich können sich die Majerteen nicht darauf einigen, wer Puntland kontrollieren soll. Seit Wochen schwelt ein Streit über die Pläne des Präsidenten von Puntland, seine Amtszeit zu verlängern, was gegen eine informelle Machtteilungsvereinbarung zwischen mehreren Subclans der Majerteen verstoßen würde (NLM/Barnett 7.8.2023). Politiker und Oppositionsparteien haben vor dem Verfassungsgerichtshof von Puntland gegen die Verfassungsänderungen geklagt (Sahan/SWT 30.8.2023).
Gemäß einer Quelle vom 11.12.2023 hat Präsident Deni im Streit um die Wahlen nachgegeben. Demnach wird am 8.1.2024 durch die 66 Abgeordneten ein neuer Präsident gewählt werden (Sahan/SWT 11.12.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15/5/2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092375/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_April_2023%29%2C_15.05.2023.pdf, Zugriff 2.10.2023 [Login erforderlich];
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (28/7/2023): Situation Update; July 2023; Somalia: Political Crisis Deepens Amid Transition to Direct Elections, https://acleddata.com/2023/07/28/somalia-situation-update-july-2023-electoral-crisis-deepens-as-somalia-transitions-to-direct-elections/, Zugriff 26.9.2023;
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (30/6/2023): Somalia: Political Turmoil Threatens the Fight Against Al-Shabaab, https://acleddata.com/2023/06/30/somalia-situation-update-june-2023-political-turmoil-threatens-the-fight-against-al-shabaab/, Zugriff 26.9.2023;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (14/9/2023): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9/2/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
BS - Bertelsmann Stiftung (2022b): BTI 2022 Country Report Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2069667.html, Zugriff 4.10.2023;
FTL - Facility for Talo and Leadership (27/5/2023): TPEC Says Only 172,874 Voters Took Part in May 25 Polls, https://www.ftlsomalia.com/tpec-says-only-172874-voters-took-part-in-may-25-polls/, Zugriff 2.10.2023;
HO - Hiiraan Online (3/7/2023): Delegation of former Prime Ministers arrives in Garowe to resolve election dispute, https://www.hiiraan.com/news4/2023/July/192087/delegation_of_former_prime_ministers_arrives_in_garowe_to_resolve_election_dispute.aspx?utm_source=hiiraan&utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 4.7.2023;
HO - Hiiraan Online (26/6/2023): Puntland regional Parliament announces changes to presidential election process, https://www.hiiraan.com/news4/2023/Jun/191995/puntland_regional_parliament_announces_changes_to_presidential_election_process.aspx?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter, Zugriff 2.10.2023;
NLM/Barnett - James Barnett (Autor), New Lines Magazine (Herausgeber) (7/8/2023): Inside the Newest Conflict in Somalia’s Long Civil War, https://newlinesmag.com/reportage/inside-the-newest-conflict-in-somalias-long-civil-war/, Zugriff 2.10.2023;
PGN - Political Geography Now (10.2020): Somalia Control Map & Timeline - October 2020, per e-
- Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (28/10/2022): The future of one-person, one-vote elections in Puntland, in: The Somali Wire Issue No. 469, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
UNSC - United Nations Security Council (15/6/2023): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2023/443], https://www.ecoi.net/en/file/local/2094041/N2316278.pdf, Zugriff 2.10.2023;
USDOS - United States Department of State [USA] (12/4/2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071126.html, Zugriff 4.10.2023;
Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2023). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, wird die Lage über die Kontrolle geringer Teilgebiete von Puntland von al Shabaab beeinflusst - und in noch geringeren Teilen vom Islamischen Staat in Somalia - während es hauptsächlich an Clandifferenzen liegt, wenn Puntland tatsächlich keinen Zugriff auf gewisse Gebiete hat. In Süd-/Zentralsomalia ist die Situation noch viel komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (BMLV 1.12.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 sind Hargeysa, Berbera, Burco, Garoowe und – in gewissem Maße – Dhusamareb sichere Städte. Alle anderen Städte variieren demnach von einem Grad zum anderen. Auch Kismayo selbst ist sicher, aber hin und wieder gibt es Anschläge. Bossaso ist im Allgemeinen sicher, es kommt dort aber zu gezielten Attentaten. Dies gilt auch für Galkacyo (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle sind Baidoa, Jowhar und Belet Weyne diesbezüglich innerhalb des Stadtgebietes wie Kismayo zu bewerten (BMLV 1.12.2023). Laut einer anderen Quelle sind alle Hauptstädte der Bundesstaaten relativ sicher (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).
Eine Quelle gibt die Lage mit Stand 23.1.2023 folgendermaßen wieder:
PGN 23.1.2023
Eine andere Quelle vermittelt ein ähnliches Bild und verortet auch "violent events linked to al Shabaab" für das Jahr 2022:
Williams/ACSS 17.4.2023
Quellen
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (2023): Curated Data - Africa (6 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
PGN - Political Geography Now (23/1/2023): Special Preview: Somalia Control Map – Full Report Forthcoming, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf, https://controlmaps.polgeonow.com/2023/01/al-shabaab-controlled-territory-2023-map-somalia/, Zugriff 10.10.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official römisch zehn (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
Williams/ACSS - Africa Center for Strategic Studies (Herausgeber), Wendy Williams (Autor) (17/4/2023): Reclaiming Al Shabaab’s Revenue, https://africacenter.org/spotlight/reclaiming-al-shabaabs-revenue, Zugriff 7.11.2023;
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Die Sicherheitslage bleibt volatil (BS 2022a), mit durchschnittlich 234 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Monat (Zeitraum Feber-Juni 2023). Insgesamt gab es im Zeitraum 8.2.-7.6.2023 935 Vorfälle, davon 355 mit terroristischem Hintergrund. Al Shabaab führt immer wieder komplexe Angriffe durch, so etwa am 19. und 22.4. in Bud Bud und Masagway (Galgaduud) und am 26.5. in Buulo Mareer (Lower Shabelle). U.a. bei Sprengstoffanschlägen kommen Menschen ums Leben oder werden verletzt (UNSC 15.6.2023). Weiterhin führt der Konflikt zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (ÖBN 11.2022). Im o.g. Zeitraum waren 11 % der davon Betroffenen Zivilisten. Die Zahl an terroristischen Vorfällen war im ersten Quartal 2023 überdurchschnittlich. Am meisten von Sprengsätzen betroffen waren in diesem Zeitraum Mogadischu/Benadir, Lower Shabelle, Hiiraan und Lower Juba. Mogadischu wird immer wieder auch von indirektem Feuer der al Shabaab getroffen (UNSC 15.6.2023). Im Zusammenhang mit der laufenden Offensive am meisten betroffen sind Middle Shabelle, Mudug, Galgaduud und Hiiraan (ACAPS 17.8.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023). Die österreichische Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einem bewaffneten Konflikt (ÖBN 11.2022), während das deutsche Auswärtige Amt von Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Zuständen in vielen Teilen Süd-/Zentralsomalias berichtet (AA 15.5.2023).
In den vergangenen Jahren wurden Offensiven gegen al Shabaab durchgeführt, die sich zunächst aus militärischer Sicht als erfolgreich erwiesen haben. Anfängliche territoriale Erfolge bringen aber oft eine weitaus schwierigere Herausforderung mit sich: die Stabilisierung eroberter Gebiete. Das Versäumnis, befreite Gebiete wirksam zu stabilisieren, hat wiederholt zum Rückzug von Regierungskräften geführt. Und das Versäumnis, gespaltene Gemeinschaften zu versöhnen, hat dazu geführt, dass auch in Absenz von al Shabaab neue Konflikte entstehen konnten. So wurde al Shabaab etwa im Rahmen der Operation Badbaado in Lower Shabelle in den Jahren 2019–2020 aus mehreren Städten vertrieben. Drei Jahre danach kämpft die Bundesregierung aber immer noch darum, die befreiten Gebiete zu stabilisieren. Hilfsleistungen und staatliche Dienstleistungen bleiben unzureichend und oberflächlich (Sahan/SWT 4.8.2023). Generell hat es die Bundesregierung nach wie vor nicht geschafft, die Reichweite staatlicher Institutionen in Bezug auf die Bereitstellung von Dienstleistungen für Bürger und den Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums über Mogadischu hinaus auszuweiten (BMLV 1.12.2023). Ein Experte merkt allerdings an, dass sich sowohl die Verwaltung der Bundesregierung als auch die Bundesarmee verbessert haben, und dadurch bei der Bevölkerung der Widerstandswille gegen al Shabaab gewachsen ist (AQ21 11.2023).
ATMIS hält in Kooperation mit der somalischen Armee, regionalen Sicherheitskräften sowie mit regionalen und lokalen Milizen die Kontrolle über die seit 2012 eroberten Gebiete (BS 2022a). Die somalische Regierung und ATMIS können keinen Schutz vor allgemeiner oder terroristischer Kriminalität im Land garantieren (AA 20.10.2023).
Generell ist die Regierung nicht in der Lage für Sicherheit zu sorgen. Dafür ist sie in erster Linie auf ATMIS, aber auch auf Unterstützung anderer Staaten angewiesen (BMLV 9.2.2023; vergleiche BS 2022a). Dabei wurde ATMIS im Juni 2023 um 2.000 Mann reduziert, die nächste Truppenreduktion um 3.000 Mann steht mit Ende Dezember 2023 an. Die Ausbildung neuer Soldaten für die Bundesarmee machte 2023 gute Fortschritte, es mussten aber auch hohe Verluste hingenommen werden. Das größte Problem derzeit ist neben der Truppenstärke die fehlende Ausrüstung (schwere Waffen, Luftkomponente, etc.) (BMLV 1.12.2023). Nach Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 ist das Szenario, wonach al Shabaab bei einem Abzug von ATMIS das Land übernimmt, nicht mehr plausibel (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine weitere Quelle gibt an, dass die Bundeskräfte nach einem Abzug von ATMIS nicht kollabieren werden, und al Shabaab nicht nach Mogadischu zurückkehren wird (Think/STDOK/SEM 4.2023). Eine weitere Quelle erklärt, dass es für al Shabaab nun sehr schwer geworden ist, die Bundesregierung zu überrennen (AQ21 11.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass nur bei völligem Wegfall jeglicher externen Unterstützung der Fall eintreten könnte, dass die Bundesregierung zusammenbricht (BMLV 1.12.2023).
Macawiisley-Offensive: Gegen Ende der Amtsperiode von Ex-Präsident Farmaajo war al Shabaab stärker denn je (Bryden/TEL 8.11.2021). Insgesamt konnte die Gruppe unter Ausnutzung der politischen Instabilität im Jahr 2021 in Galmudug, HirShabelle, Jubaland und dem SWS sogar Geländegewinne erzielen (HIPS 8.2.2022). Die Situation war lange Zeit statisch (THLSC 20.3.2023). Doch seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten im Mai 2022 und dem Beschluss der USA, wieder Truppen in Somalia zu stationieren, haben die militärischen Operationen gegen al Shabaab zugenommen (UNSC 10.10.2022). Die im August 2022 begonnene neue Offensive baut auf die gestiegene Unzufriedenheit bzw. Entfremdung der Lokalbevölkerung in einigen Gebieten Zentralsomalias mit al Shabaab. Die Gruppe hat lokale Clans genötigt, Buben zu übergeben, hat trotz der anhaltenden Dürre weiterhin Steuern eingetrieben, hat zu gewaltsamen Maßnahmen und Kollektivstrafen gegriffen (ICG 21.3.2023) und lokale Clans gezwungen, der Gruppe Frauen und Mädchen zuzuführen. Letztendlich hat sich al Shabaab im Zuge der Dürre als wenig hilfreich erwiesen (Sahan/SWT 23.9.2022).
Mehrere Subclans Zentralsomalias haben al Shabaab schon zuvor Widerstand geleistet (ICG 21.3.2023) - laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 bereits ab 2018 (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Manche Clans haben später aber Abkommen mit al Shabaab geschlossen, was zu einer Form der Koexistenz geführt hat. So wurde al Shabaab etwa bei den Hawiye / Habr Gedir / Saleban, die in Galmudug leben, toleriert. Aufgrund der politischen Streitigkeiten in Mogadischu konnte al Shabaab in Zentralsomalia expandieren. 2019 forderte die Gruppe junge männliche Rekruten. Dies war für die streng im Sufismus verankerten Saleban zuviel. Die Verweigerung der Rekrutierungen stieß eine Konfliktspirale an (ICG 21.3.2023), lokale (Clan-)Milizen, die Macawiisley, begannen eine Revolte gegen al Shabaab (Sahan/SWT 23.9.2022). Als Letztere den Hauptort der Saleban, Baxdo, im Juni 2022 angriff, töteten Saleban-Milizen schätzungsweise 70 Kämpfer der al Shabaab. Ein anderes Beispiel sind die Hawiye / Hawadle in Hiiraan, die nie gute Beziehungen zu al Shabaab hatten. Als Letztere 2021 die Straße von Belet Weyne nach Galmudug unterbrach, und Belet Weyne damit von mehreren Seiten abgeschnitten war, wuchs der Zorn der Lokalbevölkerung (ICG 21.3.2023). Die Unterdrückung der Hawadle und anderer Clans durch al Shabaab bildete also das Rückgrat der erfolgreichen Offensive (Sahan/SWT 13.9.2023).
Während vorherige Offensiven immer von ATMIS bzw. AMISOM geführt worden waren, handelte es sich dieses Mal um eine somalische Offensive. An der Spitze des Kampfes standen die Macawiisley. Sie kennen das Terrain und die Bevölkerung und sind motiviert für ihr eigenes Gebiet zu kämpfen (Economist 3.11.2022; vergleiche Sahan/SWT 4.8.2023, ICG 21.3.2023). Diese lokalen Milizen, die von den UN "community defence forces" genannt werden (UNSC 15.6.2023) und die sich v.a. aus Hawiye zusammensetzen, haben in ihrem Kampf gegen al Shabaab die Bundesregierung um Hilfe gerufen (Detsch/FP 23.8.2023). Nach anderen Angaben wurde die erfolgreiche Offensive der Clans von der Bundesregierung mehr oder weniger "gekapert" (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Die Bundesarmee bot und bietet den Macawiisley Aufklärung, Informationen und Versorgung, ATMIS und die USA sowie türkische Drohnen geben Luftunterstützung (Economist 3.11.2022; vergleiche ICG 21.3.2023, Researcher/STDOK/SEM 4.2023, IO-D/STDOK/SEM 4.2023); u.a. kamen auch die Spezialeinheiten Danaab und Gorgor zum Einsatz (IO-D/STDOK/SEM 4.2023).
Jedenfalls befand sich al Shabaab in der Defensive. Koordinierte Bundes- und regionale Kräfte eroberten zusammen mit den Macawiisley rasch Teile des von al Shabaab kontrollierten Territoriums, darunter mehrere Städte und wichtige Routen (Sahan/SWT 7.6.2023). Es konnten die größten territorialen Gewinne seit Mitte der 2010er-Jahre erzielt werden. Bundesarmee und lokale Milizen haben al Shabaab aus signifikanten Teilen Zentralsomalias vertrieben (ICG 21.3.2023; vergleiche Economist 3.11.2022, Sahan/SWT 13.9.2023). Die Offensive wird als größter Erfolg seit der vollständigen Einnahme von Mogadischu im Jahr 2011 erachtet (Detsch/FP 23.8.2023). Die Gebietsgewinne wurden in der ersten Phase der Offensive - bis etwa Jänner 2023 - erzielt. Al Shabaab wurde aus mehreren Gebieten in den Regionen Middle Shabelle, Hiiraan, Galgaduud und Mudug vertrieben und verlor die Kontrolle über mehrere strategische Städte wie die Hafenstadt Xaradheere (Mudug), Ceel Dheere, Adan Yabaal (BBC 15.6.2023; vergleiche ICG 21.3.2023), Galcad und Runirgod (Galgaduud und Middle Shabelle). Diese Städte wurden fast 15 Jahre lang von al Shabaab kontrolliert und leisteten einen erheblichen Beitrag zu ihren Finanzen (BBC 15.6.2023). Zudem verlor die Gruppe die Kontrolle über Orte wie Tedan, Rage Ceele, Gulane, Darusalaam und Mabah (Sahan/SWT 15.9.2023). Insgesamt hat die Bundesregierung mehr als 100 Orte einnehmen können (ACLED 15.9.2023) - insgesamt ein Drittel des Gebietes der Gruppe (VOA/Maruf 28.3.2023). Während früher vorwiegend Städte erobert wurden, hat man diesmal außerdem versucht, al Shabaab auch aus dem Zwischengelände zu vertreiben (BBC 15.6.2023). Die Möglichkeit dazu war durch die Teilnahme von Clanmilizen und Ältesten gegeben (Sahan/SWT 4.8.2023).
Die Gruppierung der al Shabaab in Galmudug und Hiiraan wurde von jener im Süden getrennt (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Zudem hält al Shabaab derzeit keine Räume oder Orte mehr an der Küste in Galmudug oder HirShabelle, allerdings wird diese auch nicht lückenlos von der Regierung kontrolliert (BMLV 1.12.2023). Trotzdem ist dies hinsichtlich von Waffenlieferungen aus dem Jemen und dem Iran von Bedeutung (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Durch die Gebietsgewinne seitens der Regierung wurde al Shabaab von lukrativen Handelsrouten abgedrängt (Economist 3.11.2022). Die Gruppe kann nun teilweise nicht mehr einfach aus dem ländlichen Raum heraus zu Hauptrouten vordringen und diese blockieren oder Konvois angreifen. Insgesamt wurde die Zahl an Angriffen reduziert: Al Shabaab selbst hat angegeben, im Zeitraum Oktober 2022 bis Jänner 2023 monatlich durchschnittlich 153 Anschläge und Angriffe durchgeführt zu haben; im Zeitraum Feber bis April 2023 waren es demnach hingegen durchschnittlich nur 104 (BBC 15.6.2023). Für den Zeitraum Juli-Oktober 2023 werden folgende Zahlen für Süd-/Zentralsomalia angegeben: 150 Gefechte und 60 Vorfälle mit Sprengstoff monatlich. Im November gab es aufgrund der Regenfälle einen merklichen Rückgang von 50 % (BMLV 1.12.2023).
Eine Darstellung der Offensive mit Stand 9.4.2023:
Rafal R./X 9.4.2023
Operation Black Lion (OBL): Die sogenannte Frontline States Task Force ist eine regionale Initiative von Nachbarstaaten Somalias. Diese ist mit ATMIS übereingekommen, die Zusammenarbeit im Kampf gegen al Shabaab zu verstärken (ATMIS 6.8.2023; vergleiche GO 9.8.2023). Am 1.2.2023 verkündeten der somalische Präsident und die sogenannten "Frontstaaten" (Kenia, Äthiopien, Dschibuti) eine Einigung zur Entsendung zusätzlicher Truppen dieser Länder. Damit hätte die von der Regierung geplante OBL unterstützt werden sollen (Sahan/SWT 3.7.2023; vergleiche UNSC 15.6.2023). Diese sollte sich auf Jubaland und insbesondere auf Middle Juba konzentrieren. In der Vergangenheit ging es maßgeblich um die Eindämmung von al Shabaab; im Raumen von OBL steht deren Vernichtung im Vordergrund (GO 9.8.2023; vergleiche Detsch/FP 23.8.2023). Al Shabaab soll so weit dezimiert bzw. ihr die relevanten finanziellen Pfründe ausgetrocknet werden, dass die Gruppe für Somalia und die Nachbarstaaten keine Gefahr mehr darstellt. Damit soll gleichzeitig der Abzug von ATMIS ermöglicht werden (ATMIS 6.8.2023; vergleiche IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Die Regierung versucht, für OBL ein gemeinsames Kommando von Bund und Bundesstaaten einzurichten (GN 28.8.2023).
Tatsächlich waren bis Anfang Juli 2023 hinsichtlich einer neuen Offensive kaum Fortschritte zu beobachten (Sahan/SWT 3.7.2023), die Frontlinie verblieb für Monate statisch (Sahan/STDOK/SEM 4.2023), "they took a break" (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Der tatsächliche Zeithorizont für künftige Offensiven ist ungewiss (BMLV 14.9.2023; vergleiche Sahan/SWT 1.9.2023). Somalia hat sich diesbezüglich von den Nachbarstaaten abhängig gemacht (AQ21 11.2023). Es bleibt unklar, ob Kenia, Äthiopien und Dschibuti – wie im Jänner 2023 vereinbart – tatsächlich zusätzliche Truppen für eine nächste Phase der Offensive entsenden werden (GN 28.8.2023; vergleiche IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Dschibuti hat bereits erklärt, nur mit Material und Gerät unterstützen zu wollen. Kenia wird Truppen keinesfalls östlich des Juba einsetzen und nur mitmachen, wenn Äthiopien dies auch tut; Äthiopien wiederum kann aufgrund der internen Probleme u.U. gar keine Truppen freimachen (BMLV 14.9.2023; vergleiche Sahan/SWT 1.9.2023). Zudem sind die Clans am Juba in Südsomalia weniger organisiert, schlechter bewaffnet und auch in geringerem Maße bereit, den Kampf gegen al Shabaab aufzunehmen (Detsch/FP 23.8.2023; vergleiche ICG 21.3.2023, Economist 3.11.2022). Viele dieser Clans befinden sich tendenziell auf der Seite von al Shabaab - wenn auch teils durch Nötigung (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). In diesem Sinne ist die Regionalregierung auch weitaus weniger bereit, die Clans im selben Maß zu bewaffnen, wie dies in HirShabelle oder Galmudug der Fall war (BMLV 1.12.2023). Die Kräfte im SWS sind zu schwach, um eine Offensive führen zu können. Ein Experte erklärt, dass eine neue Offensive bei gleichzeitigem Auffüllen von durch ATMIS geräumten Stützpunkten auf keinen Fall möglich sein wird. Neu aufgestellte Brigaden der Bundesarmee sind qualitativ nicht in der Lage, sich gegen al Shabaab zu verteidigen. Folglich kann OBL in Südsomalia erst stattfinden, wenn die Offensive in Zentralsomalia beendet und al Shabaab dort besiegt ist (BMLV 14.9.2023).
Trend: Nach den Erfolgen der Macawiisley-Offensive hat man es wieder nicht geschafft, erobertes Gebiet ausreichend abzusichern. Dort wo die Bundesarmee in Richtung neuer Ziele abgerückt ist, konnte al Shabaab teils schnell wieder an Einfluss gewinnen (Sahan 22.3.2023). Ein Grund dafür ist das Fehlen von Darawish-Kräften, die mit lokalen Gegebenheiten und der Lokalbevölkerung vertraut sind (Sahan 22.3.2023; vergleiche Sahan/SWT 9.8.2023, INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Generell stehen keine bzw. zu wenige leistungsfähige und verlässliche Truppen zur Verfügung, um diese Orte zu halten, wenn die Angriffstruppen weiterziehen (BMLV 1.12.2023). Die Macawiisley erfüllen eine wichtige Hilfsfunktion, man kann sich jedoch nicht darauf verlassen, dass sie als wirksame Haltetruppe in neu eroberten Gebieten dienen (Sahan/SWT 9.8.2023). Zudem könnten sie sich selbst zum Problem entwickeln: Sie sind schwer zu kontrollieren (IO-D/STDOK/SEM 4.2023) und können jahrelang schwelende Clankonflikte befeuern (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).
Gleichzeitig ist es kontraproduktiv, al Shabaab nur mit militärischer Gewalt zu bekämpfen, weil die Gruppe in vielen Bereichen als Pseudostaat agiert. Da al Shabaab nämlich Güter und Dienste zur Verfügung stellt, besteht nach Angriffen auf die Gruppe die Gefahr, dass lebenswichtige Hilfe und öffentliche Dienste gestört und dadurch vulnerable Gemeinschaften im Stich gelassen werden (Rollins/HIR 27.3.2023). Zudem kennen viele Menschen dort kein anderes System, als jenes von al Shabaab. Viele erachteten die Gruppe als Befreier. Sie haben so lange unter al Shabaab gelebt, dass es großer Anstrengungen bedarf, um die Gehirnwäsche rückgängig zu machen und eine Akzeptanz der neuen Verhältnisse zu erlangen. Doch das geschieht nicht automatisch, es braucht dafür die Zurverfügungstellung gewisser Dienste (DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023). Tatsächlich gibt es keine Kapazitäten, um die befreiten Gebiete zu administrieren (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023, Sahan/STDOK/SEM 4.2023), und man hat es versäumt, eine adäquate Verwaltung für neu eingenommene Gebiete vorzubereiten (AQ21 11.2023). Vor Ort gibt es entweder überhaupt keine Verwaltungsstrukturen mehr oder aber eine rudimentäre Verwaltung über die Clans (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Vielen Gemeinden, die "befreit" worden sind, werden keine sinnvollen grundlegenden Dienstleistungen zur Verfügung gestellt. Die Bundesarmee hat zwar eine Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln aufgebaut – dies aber zusätzlich zu ihrer bereits bestehenden Doppelfunktion, nämlich Gebiete zu räumen und zu halten (Sahan/SWT 9.8.2023). So geben mehrere Quellen der FFM Somalia 2023 an, dass das Hauptproblem der Offensive die Nachhaltigkeit ist (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche Researcher/STDOK/SEM 4.2023, UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023, DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023). Die neu befreiten Gebiete brauchen Stabilität (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Die Menschen dort brauchen Rechtsstaatlichkeit, Wasser, Infrastruktur, medizinische Versorgung, Lehrer - zumindest all das, was zuvor von al Shabaab geboten worden ist (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023). Bei einem Vakuum und ohne funktionierende Verwaltung (Sahan/STDOK/SEM 4.2023) sowie einer Überdehnung der Regierungskräfte kann al Shabaab bald wieder Raum gewinnen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Doch auch bis etwas aufgebaut werden kann, müssen die Gebiete gehalten werden (DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023).
Nach anderen Angaben tut die Regierung ihr bestes, um die Bevölkerung zumindest in einigen Gebieten mit Medikamenten und Nahrungsmittelhilfe zu versorgen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle hat die Regierung verstanden, dass sie nicht alleine mit militärischen Mitteln gewinnen kann (GO 25.8.2023). Sie stützt sich bei ihrer Offensive daher wesentlich auf Clans, um die Unterstützung lokaler Gemeinden zu mobilisieren (GO 25.8.2023; vergleiche ACAPS 17.8.2023). Zudem werden Gemeinden und Älteste eingebunden, und es wird versucht, grundlegende Dienste zur Verfügung zu stellen (GO 25.8.2023). So wurde etwa in Galmudug ein Programm zur Rehabilitierung von Schulen in neu eroberten Gebieten eingerichtet, die Städte Ceel Dheere, Galcad und Xaradheere stehen dabei im Fokus (Halqabsi 27.8.2023). In wichtigen Orten, wie Adan Yabaal (Middle Shabelle) und Maxaas (Hiiraan) gibt es Stabilisierungsmaßnahmen (z.B. Installation von Solarleuchten, Bau von Verwaltungsgebäuden), in anderen neu eingenommenen Gebieten, darunter Xaradheere und Ceel Dheere (Galgaduud), Verteilung von Hilfsgütern und Wassertransporte (UNSC 15.6.2023).
Die Beziehungen der Bundesregierung zu manchen im Kampf gegen al Shabaab erfolgreichen Clans (v.a. die Hawadle) haben sich aufgrund politischer Verwerfungen abgekühlt. Al Shabaab konnte daraus Vorteile ziehen und hat mit einigen Clanmilizen in HirShabelle und Galmudug Abkommen ausgehandelt. Während al Shabaab nun versucht, den einen Teil der Hawiye gegen die Bundesregierung zu mobilisieren (v.a. Habr Gedir Mohamud Hirab, Murusade und Abgal Wacaysle), versucht die Bundesregierung, den anderen Teil (z.B. Habr Gedir) gegen al Shabaab in Stellung zu bringen (ACLED 15.9.2023). Al Shabaab hat versucht sich anzupassen – etwa im Umgang mit der Lokalbevölkerung. Die Gruppe setzt nun mehr auf Anreize als auf Zwang und Erpressung. Bereits Ende Dezember 2022 wurde mit Teilen der Saleban ein neues Abkommen geschlossen (ICG 21.3.2023). Gleichzeitig schürt al Shabaab unter den Clans Angst, dass fremde Clanmilizen über sie herzufallen drohen. Diese Propaganda dient auch als Rekrutierungsmittel, z.B. bei den Murusade in Zentralsomalia (BMLV 14.9.2023). Spannungen in neu eroberten Gebieten haben teils zu Kampfhandlungen zwischen Clans geführt (AQ21 11.2023).
Dahingegen konnte auch der Präsident neue Clankräfte mobilisieren. Zudem haben sich mehrere Brigaden der Bundesarmee neu organisiert. Insgesamt steht eine äußerst komplexe Säuberungsoffensive in Zentralsomalia bevor, die durch die Gebietsverluste Ende August noch komplizierter geworden ist (Sahan/SWT 13.9.2023). Denn die Front der Offensive im südlichen Galmudug ist Ende August 2023 zusammengebrochen (Sahan/SWT 1.9.2023). Schon seit Anfang 2023 (Ende der ersten Phase der Offensive) mussten die Regierungstruppen erhebliche Rückschläge hinnehmen, dadurch wurde die zweite Phase der Offensive verzögert (Sahan/SWT 7.6.2023). Ein verheerender Angriff der al Shabaab auf Kräfte der Bundesarmee im Dorf Osweyne hat einen kaskadenartigen Rückzug der Armee aus mehreren strategisch relevanten Städten ausgelöst – darunter Bud Bud, Galcad und Wabxo. Auch aus Ceel Buur hat sich die Armee zurückgezogen, al Shabaab ist dort wieder eingezogen (Sahan/SWT 1.9.2023; vergleiche ACLED 15.9.2023) und hat die Kontrolle über Teile der verlorenen Gebiete wiedererlangt. Teils haben sich Sicherheitskräfte und Clanmilizen aus Angst vor Angriffen der al Shabaab zurückgezogen (ACLED 15.9.2023). Anderswo haben sich Clanmilizen aufgrund politischer Querelen zurückgezogen, etwa aus einigen Orten in Hiiraan (ACAPS 17.8.2023). Der Konkurrenzkampf zwischen den Clans um die Kontrolle über befreite Gebiete in Teilen von HirShabelle löste etwa wochenlange angespannte Auseinandersetzungen und in einigen Fällen tödliche Zusammenstöße aus. Viele befreite Gebiete sind mittlerweile wieder in einen Zustand der Halbanarchie zurückgekehrt, ohne dass eine klare Autorität erkennbar wäre. Dies hat die Armee überdehnt, und sie hat dadurch auch die Kontrolle über mehrere FOBs verloren (Sahan/SWT 9.8.2023).
Auch die FOBs von ATMIS haben bisher entscheidend zum Halten und zur Sicherung einiger von al Shabaab befreiter Gebiete beigetragen (Sahan/SWT 23.6.2023; vergleiche ACAPS 17.8.2023). ATMIS ist maßgeblich an der Kontrolle des Territoriums beteiligt. Zudem bietet die Mission Munition sowie medizinische und logistische Unterstützung. römisch fünf.a. in städtischen Gebieten fungiert ATMIS als Haltetruppe und ist für die Sicherheit der somalischen Führung und der Wirtschaftsquellen des Landes, einschließlich Häfen und Flughäfen, maßgeblich verantwortlich. Dahingegen konzentrieren sich die somalischen Sicherheitskräfte auf das Vordringen in weniger besiedelte Gebiete. ATMIS wird aber Stück für Stück reduziert. Ein fortgesetzter Abzug der Mission verringert die Fähigkeit der somalischen Kräfte, zurückeroberte Gebiete zu halten und zu kontrollieren. Bei einer Ausweitung der Offensive verringert sich diese Fähigkeit noch weiter, weil die Zahl der zu sichernden Standorte zunimmt. Daher ist mit einer Intensivierung der Angriffe durch al Shabaab zu rechnen (ACAPS 17.8.2023). Die Bundesarmee ist zunehmend überdehnt (Sahan/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Mit Ende September wäre ATMIS planmäßig um 3.000 Mann auf 14.626 reduziert worden (ATMIS 27.8.2023), sechs Stützpunkte wären davon betroffen gewesen (BMLV 1.12.2023). Am 19.9.2023 hat Somalia bei den UN allerdings eine 90-tägige vorübergehende "technische Pause" beim Abzug von ATMIS erbeten, damit Mogadischu sich von den jüngsten Rückschlägen auf dem Schlachtfeld erholen und sich neu organisieren kann (Sahan/SWT 25.9.2023). Dieser Aufschub ist gewährt worden. Demnach muss ATMIS bis Ende des Jahres 2023 3.000 Mann abziehen (BMLV 1.12.2023). Die entsprechende Finanzierung ist allerdings unklar (AQ21 11.2023).
Dementsprechend ist die Hoffnung, dass bald ein größerer Vorstoß in den Süden Somalias möglich sein würde, ist dadurch geschwunden (Sahan/SWT 1.9.2023). Es wird geschätzt, dass die Regierung in den letzten Monaten über 3.000 Soldaten verloren hat (Sahan/SWT 25.9.2023). Jedenfalls hat ein Mangel an Kräften der Regierung dazu geführt, dass sich al Shabaab in einigen der befreiten Gebiete wieder einrichtet, was wiederum Versuche, eine Zivilverwaltung und grundlegende Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, erschwert (Sahan/SWT 22.5.2023). Zudem hat al Shabaab auf die Offensive mit Terror reagiert. Alleine im Jänner 2023 detonierte die Gruppe in Städten Zentralsomalias zwölf in Fahrzeugen verbaute Sprengsätze (ICG 21.3.2023). Insgesamt ist die Offensive dort am erfolgreichsten, wo der Widerstand der Lokalbevölkerung gegen al Shabaab am größten ist. Dort wo der lokale Widerstand geringer ist, tun sich die Regierungskräfte in der Offensive ungleich schwerer. In diesem Sinne kann die gesamte Offensive als eine Serie von Kriegen zwischen einzelnen Clans und al Shabaab charakterisiert werden, wobei die Regierungskräfte die Clans unterstützen (ICG 21.3.2023).
Insgesamt ist also die Offensive seit Anfang 2023 zum Stillstand gekommen (Sahan/SWT 4.9.2023; vergleiche Sahan/SWT 23.6.2023). Al Shabaab hat diese Pause genutzt, um sich zu konsolidieren (Weiss/LWJ 6.10.2023), um Rekrutierung und Ausbildung zu intensivieren, Erpressungsaktivitäten auszuweiten und Angriffe auf hochwertige Ziele zu verstärken (Sahan/SWT 3.7.2023; vergleiche ACLED 30.6.2023). Die Gruppe hat flexibel auf die Offensive reagiert: Kämpfer und Waffen wurden aus bedrohten Gebieten abgezogen und dort gesammelt, wo lokale Gemeinden der Gruppe positiv gegenüberstehen (BBC 15.6.2023). Die übliche Ramadan-Offensive wurde 2023 nicht durchgeführt, um Kräfte für die anstehenden Kämpfe aufzusparen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Laut zweier Quellen ist al Shabaab nun stärker als zuvor (BMLV 1.12.2023; vergleiche Sahan/SWT 3.7.2023). Die letzten Monate waren geprägt von zusätzlichen Rekrutierungen, wobei al Shabaab gleichzeitig größere Verluste vermeiden konnte – anders als die Bundesarmee. Selbst während der intensiven Phase der Gefechte erlitt die Gruppe geringere Verluste als ihr Gegner (BMLV 1.12.2023). Im September 2023 hat al Shabaab so viele Selbstmordattentate versucht und ausgeführt wie in keinem Monat zuvor: 14, drei davon wurden vereitelt. Die Hälfte der Attentate ereignete sich in Zentralsomalia (Weiss/LWJ 6.10.2023).
Al Shabaab überrannte einen Stützpunkt von Danaab in Galcad (Galmudug) und einen Stützpunkt der Bundesarmee in Janay Abdale in der Nähe von Kismayo (Sahan/SWT 3.7.2023). Zudem griff die Gruppe im Mai 2023 den ugandischen ATMIS-Stützpunkt in Buulo Mareer an, Dutzende Soldaten wurden getötet (BBC 15.6.2023; vergleiche Soufan 3.7.2023). Am 7.6.2023 führte al Shabaab einen (weniger erfolgreichen) Angriff gegen äthiopische Truppen in Doolow. Am 9.6.2023 stürmten Kämpfer das Pearl Beach Hotel in Mogadischu, der erste größere Angriff dort innerhalb von drei Monaten. Mindestens 15 Menschen kamen dabei ums Leben (BBC 15.6.2023). Alles deutet darauf hin, dass es al Shabaab in den letzten Monaten gelungen ist, mehr Waffen und Munition zu erbeuten als in den vier Jahren zuvor (Sahan/SWT 3.7.2023). Gleichzeitig haben politische Streitigkeiten eine weitere Offensive der Bundesregierung verzögert (ACLED 15.9.2023; vergleiche ACAPS 17.8.2023). Am 13.7.2023 hat al Shabaab die Kontrolle über den Stützpunkt der Bundesarmee und jubaländischer Darawish in Geriley (Gedo) übernommen. Dieser Stützpunkt, der nur 12 km von der kenianischen Grenze entfernt liegt, war nur zwei Wochen vorher von ATMIS (Kenia) geräumt und an die Bundesarmee übergeben worden. Der Stützpunkt war von den Kenianern fast ein Jahrzehnt lang besetzt worden (Sahan/SWT 21.7.2023). Bemannt werden übergebene FOBs von in Uganda, Eritrea oder Ägypten schlecht ausgebildeten neuen Brigaden, die nicht in der Lage sind, sich zu verteidigen. Von den bisher übergebenen FOBs wurden Stand Mitte September bereits sechs von al Shabaab vernichtet. Dieses Vorgehen hat System, denn solche Stützpunkte wieder aufzubauen und aufzufüllen – mit Männern, Ausrüstung und Material – ist für die Bundesarmee mit sehr großem Aufwand verbunden (BMLV 14.9.2023; vergleiche Sahan/SWT 25.9.2023). Al Shabaab hat also im August 2023 eine eigene Offensive begonnen, um die Gewinne der Bundesarmee wieder aufzulösen. Dazu hat die Gruppe auch einen Brückenkopf am Ostufer des Shabelle eingerichtet (Rafal R./X 9.4.2023).
Zentralsomalia aus Sicht des ISW vom 4.10.2023:
ISW/Karr 4.10.2023
Durch Konflikte Vertriebene: Mitte November wurde angegeben, dass 2023 über 1,5 Millionen Menschen zu Vertriebenen im Land geworden sind, 473.000 davon aufgrund von Dürre und 419.000 aufgrund von Überschwemmungen. Ca. 600.000 wurden durch Konflikte vertrieben. Die meisten neuen IDPs aufgrund von Konflikten gab es - abseits von Somaliland - 2023 bis Mitte November in den Regionen Galgaduud (101.000), Mudug (82.000), Lower Shabelle (53.000) und Middle Shabelle (48.000). Dahingegen wurden in Benadir/Mogadischu (800), Bari (1.000) und Hiiraan (2.000) deutlich weniger Menschen neu vertrieben (UNHCR 2023).
Al Shabaab [siehe auch Al Shabaab] stand gemäß Aussagen des Experten Rashid Abdi vom November 2022 mit dem Rücken zur Wand. Die Gruppe hatte viele Gebiete verloren und stand gleichzeitig einer Revolte mehrere Clans gegenüber. Damit befand sich auch das Wirtschaftsimperium al Shabaab unter Druck (GN 5.11.2022; vergleiche BMLV 9.2.2023). Die Gruppe hatte in den ersten Monaten der Offensive zig Millionen US-Dollar und laut einer Quelle 1.200 (Gorfayn 27.3.2023), laut somalischen Regierungsangaben vom Juni 2023 sogar 3.000 getötete und 3.700 verletzte Kämpfer zu verkraften. Laufende Erfolge von al Shabaab lassen hinsichtlich dieser Zahlen allerdings Skepsis aufkommen (BBC 15.6.2023). Trotz der nominell hohen Verluste, die al Shabaab durch Luftangriffe und Gefechte zugefügt worden sind, hat die Gruppe jedenfalls keinen Mangel an Kämpfern. Zumindest ist es nicht gelungen, Angriffe von al Shabaab auf Militärstützpunkte einzudämmen. Sie ist auch immer noch in der Lage, Angriffe in Mogadischu, gegen Stützpunkte der ATMIS und über die Grenzen der ATMIS-Mitgliedsstaaten Äthiopien und Kenia hinweg zu verüben (Soufan 3.7.2023). Al Shabaab greift weiterhin regierungsnahe Kräfte und Ziele sowie Zivilisten im ganzen Land an. Die Gruppe übt Druck auf Zivilisten aus, ihre extremistische Ideologie zu unterstützen (USDOS 15.5.2023). Angegriffen werden Regierungseinrichtungen und Sicherheitskräfte, aber auch Hotels, Märkte und andere öffentliche Einrichtungen (AA 20.10.2023). In Zentralsomalia hält sich al Shabaab weiterhin im freien Gelände zwischen den Ortschaften auf und greift bei jeder Gelegenheit die Orte selbst bzw. die Bewegungen zwischen den Ortschaften an. Insgesamt haben die militärischen Kräfte der al Shabaab in Zentralsomalia zwar hohe Verluste hinnehmen müssen, sind aber bei Weitem nicht geschlagen (BMLV 1.12.2023).
Al Shabaab verwendet gewalttätige, extremistische Taktiken. Die Gruppe bleibt die signifikanteste Bedrohung für Frieden, Stabilität und Sicherheit. Sie ist in hohem Maß anpassungsfähig und mobil und kann ihren Einfluss auch in Gebieten außerhalb der eigenen Kontrolle geltend machen. Die Gruppe bedient sich neben politischen und kriminellen Mitteln (wie Einschüchterung, Erpressung, etc.) zur Kontrolle der Bevölkerung im militärischen Bereich zur Erreichung der Ziele der gesamten Bandbreite der asymmetrischen Kriegsführung. Mit unterschiedlichen Methoden gelingt es al Shabaab, die Bevölkerung zu kontrollieren, Einfluss auf die Politik zu nehmen und in Süd-/Zentralsomalia für ein Klima der Angst zu sorgen: Kontrolle großer Gebiete; sogenannte Hit-and-Run-Angriffe gegen Städte und militärische Positionen; Ausnutzung von Clanstreitigkeiten mit einer Taktik des "teile und herrsche"; Unterbrechung von Hauptversorgungsrouten und Blockade von Städten; und in wichtigen Städten (z.B. Mogadischu, Baidoa, Galkacyo, Jowhar) gezielte Attentate, Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen und Mörserangriffe. Zusätzlich ist die Gruppe auch weiterhin in der Lage, größere - sogenannte "komplexe" - Angriffe durchzuführen. Al Shabaab verfolgt eine klassische Guerilla-Doktrin: Die Einkreisung von Städten aus dem ländlichen Raum heraus (BMLV 1.12.2023).
Als al Shabaab an den Fronten an Boden verloren hat, steigerte die Gruppe ihre terroristischen Aktivitäten. Dadurch soll suggeriert werden, dass die Gruppe jederzeit an jedem Ort zuschlagen kann (Sahan/SWT 14.12.2022). Beim Einsatz von improvisierten Sprengsätzen ist hinsichtlich der Anzahl in den letzten Jahren keine Veränderung eingetreten. Allerdings sind die Opferzahlen seit 2020 stetig nach oben gegangen. Im Jahr 2020 wurden 501 Menschen durch improvisierte Sprengsätze getötet; 2021 waren es 669; und in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 gab es mindestens 855 Opfer (UNSC 10.10.2022). Auch die Zahl an terroristischen Vorfällen im ersten Quartal 2023 war überdurchschnittlich. Es wurden 61 Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen gezählt (höchste Zahl seit 2017), bei denen 291 Menschen ums Leben gekommen sind. Als Reaktion auf die anhaltende Offensive werden häufig Regierungs- und lokale Clanmilizen ins Visier genommen. Am meisten davon Sprengsätzen betroffen waren Mogadischu/Benadir, Lower Shabelle, Hiiraan und Lower Juba. Mogadischu ist immer wieder auch von indirektem Feuer der al Shabaab betroffen (UNSC 15.6.2023).
Während eines Großteils der Trump-Jahre konnten Kämpfer der al Shabaab aufgrund der Intensität der Luftangriffe nicht in Konvois reisen (Sahan/SWT 2.8.2023). Heute ist besorgniserregend, wie leicht sich die Gruppe in weiten Teilen Somalias bewegen kann, z.B. als sie Anfang Juli 2023 den Stützpunkt der Bundesarmee in Geriley (Gedo) angegriffen hat (Sahan/SWT 2.8.2023; vergleiche BMLV 14.9.2023). Al Shabaab ist nun wieder in der Lage, Hunderte Kräfte zu konzentrieren, um Stützpunkte der Bundesarmee oder ihrer Verbündeten zu vernichten (BMLV 14.9.2023).
Kampfhandlungen: In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es regelmäßig zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. ATMIS und al Shabaab (AA 15.5.2023; vergleiche AA 20.10.2023, ÖBN 11.2022). Die aktuelle Offensive konzentriert sich im Wesentlichen auf die Regionen Galgaduud, Hiiraan, Middle Shabelle und Mudug. Sie soll zu einem späteren Zeitpunkt auf den SWS und Jubaland ausgeweitet werden (ACAPS 17.8.2023; vergleiche AA 15.5.2023). Auch entlang der Hauptversorgungsrouten unterhält al Shabaab weiterhin Angriffe, und die Gruppe hat einige davon einnehmen können (USDOS 20.3.2023). Die Schwerpunkte sicherheitsrelevanter Vorfälle verlagern sich aber mitunter. So gibt ACLED für den Zeitraum 27.5.-23.6.2023 Lower Shabelle als Schwerpunkt an (ACLED 30.6.2023). Für Juli-September 2023 wird der Schwerpunkt der Kampfhandlungen mit Galgaduud und Middle Shabelle angegeben. Insgesamt verzeichnet ACLED im Zeitraum 22.7. bis 8.9.2023 375 sicherheitsrelevante Vorfälle. Davon war die überwiegende Mehrheit direkte Kampfhandlungen (230) und Explosionen (100) (ACLED 15.9.2023).
Gebietskontrolle: Innerhalb der letzten zehn Jahre ist es der Regierung und den Truppen von AMISOM/ATMIS gelungen, die Kontrolle über viele Teile des Landes zurückzuerlangen (THLSC 20.3.2023). Al Shabaab wurde erfolgreich aus den großen Städten gedrängt (ÖBN 11.2022). Während ATMIS und die Armee die Mehrheit der Städte halten, übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes die Kontrolle aus oder kann dort zumindest Einfluss geltend machen (USDOS 15.5.2023; vergleiche BBC 15.6.2023). Gleichzeitig hat al Shabaab die Fähigkeit behalten, in Mogadischu zuzuschlagen (USDOS 15.5.2023). Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias befinden sich also teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle von al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 15.5.2023). In Baidoa und Jowhar hat sie stärkeren Einfluss. Ihre Verbündeten kontrollieren viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin. Viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und ATMIS sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Gebessert hat sich die Lage in Ost-Hiiraan und in Middle Shabelle, wo auch Bewegungen zwischen den Orten möglich sind (BMLV 1.12.2023). In Gebieten, in welchen al Shabaab keine direkte Kontrolle ausübt - sei es wegen der Präsenz von somalischen oder internationalen Sicherheitskräften, sei es wegen der Präsenz von Clanmilizen - versucht die Gruppe die lokale Bevölkerung und die Ältesten durch Störoperationen entlang der Hauptversorgungsrouten zu bestrafen bzw. deren Unterstützung zu erzwingen (UNSC 6.10.2021; vergleiche BMLV 1.12.2023, AQ21 11.2023). Gegen einige Städte unter Regierungskontrolle hält al Shabaab Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2023). Als "Inseln" zu bezeichnen sind etwa Xudur, Waajid, Diinsoor, Wanla Weyne und Baraawe (BMLV 1.12.2023). In den zuletzt von der Regierung eroberten Gebieten findet sich die Bundesarmee v.a. in kritischen Teilen - etwa entlang der Hauptversorgungsrouten (Sahan/STDOK/SEM 4.2023).
Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia befinden sich unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss von al Shabaab. Die wesentlichen, von al Shabaab verwalteten und kontrollierten Gebiete sind:
1. das Juba-Tal mit den Städten Buale, Saakow und Jilib; de facto die gesamte Region Middle Juba;
2. Jamaame und Badhaade in Lower Juba;
3. größere Gebiete um Ceel Cadde und Qws Qurun in der Region Gedo;
4. Gebiete nördlich und entlang des Shabelle in Lower Shabelle, darunter Sablaale und Kurtunwaarey;
5. der südliche Teil von Bay mit Ausnahme der Stadt Diinsoor;
6. Gebiete rechts und links der Grenze von Bay und Hiiraan, inklusive der Stadt Tayeeglow;
7. die südliche Hälfte von Galgaduud mit der Stadt Ceel Buur (PGN 23.1.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023); nach neueren Angaben reicht das Gebiet dort nur ein Stück nach Galgaduud hinein (IO-D/STDOK/SEM 4.2023);
8. sowie die Region Bakool abzüglich eines Streifens entlang der äthiopischen Grenze und der Städte Xudur und Waajid (BMLV 1.12.2023).
In Süd-/Zentralsomalia kann kein Gebiet als frei von al Shabaab bezeichnet werden. – Insbesondere durch die Infiltration mit verdeckten Akteuren kann al Shabaab nahezu überall aktiv werden. Ein Vordringen größerer Kampfverbände von al Shabaab in unter Kontrolle der Regierung stehende Städte kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch ATMIS und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor. Städte mit konsolidierter Sicherheit – i.d.R. mit Stützpunkten von Armee und ATMIS – können von al Shabaab zwar angegriffen, aber nicht eingenommen werden. Immer wieder gelingt es al Shabaab, kurzfristig kleinere Orte oder Stützpunkte einzunehmen, um sich nach wenigen Stunden oder Tagen wieder zurückzuziehen (BMLV 1.12.2023). Al Shabaab hat sich – in begrenztem Ausmaß – fähig gezeigt, Territorien, die bereits durch die Bundesarmee und ATMIS befreit wurden, wieder zurückzuerobern. In der Vergangenheit war das Scheitern, eroberte Territorien erfolgreich zu halten, mit dem Mangel an Polizeipräsenz in den eroberten Gebieten und der allgemein schlechten Moral in der Bundesarmee verbunden, die auf sehr geringe und oftmals verzögerte Besoldung zurückzuführen war (ÖBN 11.2022).
Andere Akteure: Kämpfe zwischen Clans und Subclans, insbesondere um Wasser- und Landressourcen sind weit verbreitet, insbesondere in den Regionen Hiiraan, Galmudug, Lower und Middle Shabelle bzw. in Regionen, in denen die Regierung oder staatliche Behörden schwach oder nicht vorhanden sind (ÖBN 11.2022). Es kommt immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen untereinander (AA 20.10.2023) sowie zwischen Milizen einzelner Subclans bzw. religiöser Gruppierungen (AA 15.5.2023). Bei durch das Clansystem hervorgerufener (teils politischer) Gewalt kommt es auch zu Rachemorden und Angriffen auf Zivilisten (USDOS 20.3.2023). Generell sind Clan-Auseinandersetzungen üblicherweise lokal begrenzt und dauern nur kurze Zeit, können aber mit großer - generell gegen feindliche Kämpfer gerichteter - Gewalt verbunden sein (BMLV 1.12.2023).
Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 15.5.2023). Gewaltakte durch bewaffnete Gruppen und Banden und Armutskriminalität sind im gesamten Land weit verbreitet. Bewaffnete Überfälle, Autoraub („Carjacking“), sexueller Missbrauch und auch Morde kommen häufig vor (AA 20.10.2023).
Im Zeitraum August 2022 bis Juni 2023 erwähnen die Berichter der UN nur einen Angriff des sogenannten Islamischen Staats in Somalia (ISIS), namentlich die Ermordung eines hochrangigen Beamten in Mogadischu mit einem improvisierten Sprengsatz (UNSC 16.2.2023; vergleiche UNSC 15.6.2023). ISIS ist in Puntland weiterhin präsent, verfügt jedoch nicht über die Fähigkeit, große Gebiete zu kontrollieren oder bedeutende Operationen durchzuführen (UNSC 31.7.2023).
Zivile Opfer: Al Shabaab ist für einen Großteil der zivilen Opfer verantwortlich [siehe Tabelle weiter unten]. Nach eigenen Angaben greift al Shabaab einfache Zivilisten nicht gezielt an (C4/Jamal 15.6.2022; FDD/Roggio 11.10.2023). Laut einer Quelle trifft es zwar zu, dass al Shabaab bei Sprengstoffanschlägen meist nicht mutwillig Zivilisten angreift und diese Taktik im Vergleich zu anderen Gruppen gezielter anwendet; dennoch wählt sie in regelmäßigen Abständen Ziele aus, bei denen die Gruppe weiß, dass viele Zivilisten Kollateralschäden erleiden werden - etwa bei Angriffen auf Hotels, Kaffee- oder Teehäuser, Restaurants oder belebte Straßenkreuzungen (FDD/Roggio 11.10.2023). Jedenfalls gelten die meisten Anschläge außerhalb von Mogadischu den somalischen Sicherheitskräften und vermehrt auch Führungspersonen aus Clans, die sich dem Kampf gegen al Shabaab verpflichtet haben (AA 15.5.2023). Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (BMLV 9.2.2023).
Allgemein ist die Datenlage zu Zahlen ziviler Opfer unklar und heterogen. Der Experte Matt Bryden veranschaulicht dies mit den Angaben mehrerer Organisationen. So gab es laut UNMAS (Mine Action Service) 2020 wesentlich weniger zivile Tote und Verletzte: 454 zu 1.140 im Jahr 2019. Dahingegen berichtet US-AFRICOM von 776 Vorfällen mit insgesamt 2.395 Opfern im Jahr 2020 und 676 Vorfällen mit 1.799 Opfern 2019. US-AFRICOM zählt zivile und militärische Opfer zusammen. Dementsprechend wären 2020 wesentlich mehr Sicherheitskräfte untern den Opfern gewesen als Zivilisten – ein Widerspruch zu den Angaben der UN, wonach Zivilisten die Hauptlast der Sprengstoffanschläge tragen würden. Dies wird auch von ATMIS bestätigt: Demnach richteten sich 2019 28 % der Anschläge direkt gegen Zivilisten, 2020 waren es 20 % (Sahan/Bryden 6.4.2021).
Von der UN werden die Zahlen ziviler Opfer (Tote und Verletzte) wie folgt angegeben:
(UNSC 15.6.2023; UNSC 16.2.2023; UNSC 1.9.2022b; UNSC 13.5.2022; UNSC 8.2.2022; UNSC 11.11.2021; UNSC 10.8.2021; UNSC 19.5.2021; UNSC 17.2.2021; UNSC 13.11.2020; UNSC 13.8.2020; UNSC 13.5.2020; UNSC 13.2.2020)
Die letzte halbwegs glaubwürdige Volkszählung wurde im Jahr 1975 durchgeführt - auch diese mit signifikanten Einschränkungen (Sahan/SWT 10.5.2023). Neueste Schätzungen gehen von rund 17 Millionen Einwohnern aus (IPC 13.12.2022). In diesem Zusammenhang lag die Quote getöteter oder verletzter Zivilisten in Relation zur Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia zuletzt bei 1:10.235 [Anm.: Rechnung auf Basis der in vorgenannten Quellen angegebenen Zahlen].
Luftangriffe: Immer wieder kommt es zu Luftschlägen, v.a. durch die USA. Unter der Trump-Regierung wurden innerhalb von vier Jahren fast 220 Luftangriffe durchgeführt (Sahan/SWT 2.8.2023). Dahingegen waren es 2021 nur elf (HRW 13.1.2022) und 2022 15 (BMLV 9.2.2023). Im Zeitraum Jänner-August 2023 waren es 13 (Sahan/SWT 2.8.2023). Bei Luftangriffen auf al Shabaab und den ISIS sind zwischen 2017 und 2021 ca. 1.000 Kämpfer getötet worden (HIPS 2021). Auch Kenia führt nach wie vor Luftschläge in Somalia durch, z.B. am 22.6.2022 im Grenzgebiet von Gedo zu Kenia (GN 22.6.2022); und es kommt auch zu äthiopischen Luftangriffen (VOA 8.8.2022), z.B. am 30.7.2022 in der Region Bakool (SG 31.7.2022). Nach Angaben somalischer Armeevertreter sind auch türkische Drohnen bei Operationen gegen al Shabaab aktiv (VOA/Maruf 30.11.2022). Generell hat die Zahl an Luftangriffen aber erheblich abgenommen, die durchgeführten konzentrieren sich auf höherrangige Angehörige der al Shabaab (BMLV 1.12.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20/10/2023): Somalia: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/somalia-node/somaliasicherheit/203132#content_1, Zugriff 20.10.2023;
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15/5/2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092375/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_April_2023%29%2C_15.05.2023.pdf, Zugriff 2.10.2023 [Login erforderlich];
ACAPS - Assessment Capacities Project, The (17/8/2023): Risk of worsening existing humanitarian needs in conflict-affected areas; Anticipatory analysis, https://www.acaps.org/fileadmin/Data_Product/Main_media/20230817_ACAPS_anticipatory_analysis_Somalia_ATMIS_withdrawal.pdf, Zugriff 8.11.2023;
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (15/9/2023): Situation Update September 2023; Somalia: The Government and al-Shabaab Vie for the Support of Clan Militias, https://acleddata.com/2023/09/15/somalia-situation-update-september-2023-the-government-and-al-shabaab-vie-over-the-support-of-clan-militias/, Zugriff 8.11.2023;
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (30/6/2023): Somalia: Political Turmoil Threatens the Fight Against Al-Shabaab, https://acleddata.com/2023/06/30/somalia-situation-update-june-2023-political-turmoil-threatens-the-fight-against-al-shabaab/, Zugriff 26.9.2023;
AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche;
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Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Jubaland kontrolliert nur Teile des eigenen Gebietes. Middle Juba wird weiterhin von al Shabaab dominiert. Die Region Gedo steht nicht auf einer Linie mit der Führung von Präsident Madobe, und nur zwei von sechs Bezirken in Lower Juba stehen unter der Kontrolle von Jubaland (Sahan/SWT 14.6.2023; vergleiche Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche PGN 23.1.2023). Den ländlichen Raum kontrolliert weitgehend al Shabaab. Auch die Gebiete zwischen Afmadow und Kismayo sowie zwischen der kenianischen Grenze und Kismayo werden von der Gruppe kontrolliert (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche PGN 23.1.2023). Nach anderen Angaben befindet sich die Verbindung Kismayo-Afmadow-Kenia unter Kontrolle der Regierung. Jubaland nahm mit Anfang Feber 2023 den Kampf gegen al Shabaab wieder auf. Derzeit konzentrieren sich die Operationen auf den Unterlauf des Juba-Flusses. Laut Präsident Madobe ist die Einnahme von Buale das Ziel Jubalands (BMLV 1.12.2023).
Lower Juba: Die Region steht in Teilen unter Kontrolle von ATMIS, der kenianischen Armee, Kräften von Jubaland; und al Shabaab. Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Tabta, Dif, Koday und Kolbiyow werden von Regierungskräften und ATMIS kontrolliert. Jamaame steht unter Kontrolle von al Shabaab; dies gilt auch für den nördlichen Teil Lower Jubas. Auch Badhaade und das Umland in Richtung Norden werden von al Shabaab kontrolliert (PGN 23.1.2023). Die Front zu al Shabaab verläuft an der Straße Richtung Jamaame bei Bar Sanguuni, wo auch immer wieder Angriffe stattfinden (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Afmadow und Dhobley sind Bastionen von Jubaland, dort gibt es starke Checkpoints und eine große Präsenz. Beide Städte können laut einer Quelle als ziemlich sicher bezeichnet werden (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). In Dhobley befinden sich das Kommando der Kenianer und ein Ausbildungslager, in Afmadow, Tabda und Bilis Qooqaani jeweils Stützpunkte. Diese Achse - inkl. Hosingow - kann als relativ sicher (BMLV 1.12.2023) und hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 9.2.2023).
Kismayo: Die Stadt gilt als sicher (AJ 14.9.2022) bzw. friedlich (BMLV 1.12.2023; vergleiche Majid/Abdirahman/LSE 26.3.2021). Die Stadt hat hinsichtlich Sicherheit das Niveau von Garoowe (Puntland) erreicht. Der einzige Unterschied ist, dass die Front hier erheblich näher ist. Das letzte auffällige Ereignis hinsichtlich der Sicherheitslage in Kismayo war die Unruhe rund um die Wiederwahl von Präsident Madobe im Jahr 2019 (BMLV 1.12.2023). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass Kismayo eine der sichersten Städte in Somalia außerhalb Somalilands und sicherer als Städte in Puntland ist (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Eine weitere Quelle erklärt, dass es sehr sicher ist, sich in Kismayo aufzuhalten, auch wenn es hin und wieder zu Anschlägen kommt (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass Kismayo definitiv nicht der sicherste Dienstort ist, aber die Lage dort besser ist, als beispielsweise in Baidoa (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). In der Stadt wird versucht, Clanstreitigkeiten friedlich zu lösen. Die Bevölkerung hat verstanden, dass sie von einer Friedensdividende profitiert (BMLV 1.12.2023). Es gibt ein funktionierendes Gerichtssystem (Majid/Abdirahman/LSE 26.3.2021), die Regierung gilt als relativ stabil (BMLV 1.12.2023; vergleiche ACCORD 31.5.2021). Ihr ist es zudem gelungen, eine Verwaltung zu etablieren. Diese ist gefestigt und funktioniert (BMLV 1.12.2023).
In Kismayo gibt es kenianische Kräfte. Die Sicherheitskräfte von Jubaland haben eine gute Reputation und eine starke Präsenz in der Stadt (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Regierungskräfte kontrollieren Kismayo, es gibt ausreichend Sicherheitskräfte. Der Aufbau von Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt. Die Polizei wurde in den letzten Jahren von AMISOM bzw. ATMIS, Kenia und UN ausgebildet, sie hat ein relativ gutes Ausbildungsniveau erreicht. Es gibt eine klare Trennung zwischen Polizei und anderen bewaffneten Kräften (BMLV 1.12.2023). Die Sicherheitskräfte in Kismayo bauen auch auf Informationen aus der Bevölkerung. Die Bedrohungslage durch al Shabaab in der Stadt wurde reduziert (NMG 25.10.2022; vergleiche Majid/Abdirahman/LSE 26.3.2021). Durch die fähige nachrichtendienstliche und Sicherheitsstruktur wurde auch die Kriminalität eingeschränkt (Majid/Abdirahman/LSE 26.3.2021). Das verhängte Waffentrageverbot in der Stadt wird umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde. Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismayo entsprechend gut funktioniert. Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen (BMLV 1.12.2023). Jubaland kontrolliert etwa einen Umkreis von 30 km um Kismayo (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023, BMLV 1.12.2023, PGN 23.1.2023). Hier ist es Jubaland gelungen, ein sicheres Umfeld zu schaffen (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Gemäß einer anderen Quelle handelt es sich hingegen nur um einen Umkreis von 15 km (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Ein Mitarbeiter einer Organisation für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit gibt an, dass sich die eigenen internationalen Mitarbeiter in Kismayo bei Tag in der ganzen Stadt normal bewegen können. Es gibt kaum Einschränkungen. Bestimmte Einschränkungen gibt es für IDP-Lager am Rande der Stadt, größere Einschränkungen für solche außerhalb der Stadt. Entlang des Juba bewegen sich Mitarbeiter dieser Organisation bis Goobweyn. Allerdings gibt es im Schnitt jedes Monat eine Woche, in welcher die Sicherheitsbestimmungen verschärft und damit die Bewegungen für internationale Mitarbeiter komplett eingeschränkt werden (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023).Al Shabaab ist nur sehr eingeschränkt in und um Kismayo aktiv. Die Gruppe hat keinen großen Einfluss in der Stadt. Dies beweist auch, dass die Kooperation zwischen Polizei und Bevölkerung funktioniert (BMLV 1.12.2023; vergleiche Majid/Abdirahman/LSE 26.3.2021). Anschläge durch al Shabaab in Kismayo sind zur Seltenheit geworden (BMLV 1.12.2023). In der Stadt gibt es keine derartige „Besteuerung“ der Wirtschaft, wie al Shabaab dies etwa in Mogadischu praktiziert. Es gibt keine direkte Besteuerung von Gütern in der Stadt oder am Hafen. Trotzdem profitiert die Gruppe stark vom Hafen und kann Einkommen generieren, da sie Güter an Checkpoints außerhalb der Stadt besteuert (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).Rückkehrer aus Kenia kommen primär nach Kismayo. Gegenwärtig ist die Zahl an neuen Rückkehrern nicht sehr groß. Das Zusammenleben der Bevölkerung mit IDPs bzw. von Bevölkerung und Rückkehrern funktioniert relativ gut. Für al Shabaab sind Rückkehrer kein Ziel (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Die Regierung von Jubaland hat es geschafft, die Stadt für alle ehemaligen Einwohner zugänglich zu machen - und zwar aus zahlreichen vormals streitenden Clans. Gleichzeitig wurde aber das Risiko von Clankämpfen reduziert (Majid/Abdirahman/LSE 26.3.2021). Präsident Madobe setzt sich auch außerhalb von Kismayo für Vermittlungen zwischen Clans ein. So etwa im Gebiet von Dif, wo es im Juni 2022 zu Auseinandersetzungen gekommen ist (RKIS 27.6.2022). Zur Bekräftigung der Vermittlungsversuche wurden dorthin auch Darawish-Truppen entsandt (MUST 8.6.2022).
Middle Juba: Die ganze Region und alle Bezirkshauptstädte (Buale, Jilib, Saakow) stehen unter Kontrolle der al Shabaab (PGN 23.1.2023; vergleiche Sahan/SWT 14.6.2023). Jilib ist de facto die Hauptstadt der Gruppe (C4/Jamal 15.6.2022).Gedo: Die Städte Baardheere, Belet Xaawo, Doolow, Luuq und Garbahaarey sowie die Orte Ceel Waaq und Buurdhuubo werden von Regierungskräften und ATMIS kontrolliert. Die Orte und das Umland von Ceel Cadde und Qws Qurun befinden sich unter Kontrolle von al Shabaab. Dies gilt weitgehend auch für das übrige Zwischengelände der Region (BMLV 1.12.2023; vergleiche PGN 23.1.2023). Die Städte Luuq, Garbahaarey, Doolow und Baardheere können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Die Grenzstadt Doolow sowie Luuq werden als sicher erachtet. Diese Städte und das direkte Grenzgebiet zu Äthiopien sind relativ frei von al Shabaab und stabil. Auch Garbahaarey gilt als stabil. Ceel Waaq wird – als einziger Teil von Gedo – von Sicherheitskräften Jubalands und kenianischen Truppen kontrolliert (BMLV 1.12.2023). In Teilen von Gedo steht die Bundesarmee, in anderen Teilen stehen mit Jubaland alliierte bewaffnete Gruppen (DIPL-X/STDOK/SEM 4.2023). Entlang der Grenze zu Äthiopien wurde die Liyu Police aus der äthiopischen Somali Region durch Truppen der äthiopischen Armee ersetzt (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche BMLV 14.9.2023). Mit Bezug auf al Shabaab gibt es seit 2021 keine wesentlichen Veränderungen. Die Gruppe nutzt die von ihr in Gedo gehaltenen Gebiete v.a. als Ausgangsbasis für Angriffe in Kenia (BMLV 1.12.2023).
Vorfälle: In den Regionen Lower Juba (1,038.602), Middle Juba (366.851) und Gedo (938.249) leben nach Angaben einer Quelle 2,343.702 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2021 insgesamt 34 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie violence against civilians). Bei 20 dieser 34 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2022 waren es 21 derartige Vorfälle (davon 12 mit je einem Toten) (ACLED 2023). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und "violence against civilians" ergeben sich für 2022 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): Lower Juba 0,67; Gedo 1,07; Middle Juba 1,09;In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2022 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie violence against civilians, in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt
ACLED 2023 (und Vorgängerversionen)
Quellen
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31/5/2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf, Zugriff 17.5.2022;
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (2023): Curated Data - Africa (6 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
AJ - Al Jazeera (14/9/2022): From Dadaab to Mogadishu: More refugees return to rebuild Somalia, https://www.aljazeera.com/features/2022/9/14/from-dadaab-to-mogadishu-returnee-refugees-build-new-somalia, Zugriff 10.10.2023;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (14/9/2023): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9/2/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
C4/Jamal - Channel 4 (Herausgeber), Osman Jamal (Autor) (15/6/2022): Inside Al Shabaab: The extremist group trying to seize Somalia (Video), https://www.channel4.com/news/inside-al-shabaab-the-extremist-group-trying-to-seize-somalia, Zugriff 10.10.2023;
DIPL-X/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Diplomatic Source römisch zehn (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
IPC - Integrated Food Security Phase Classification (13/12/2022): Nearly 8.3 million people across Somalia face Crisis (IPC Phase 3) or worse acute food insecurity outcomes, https://reliefweb.int/attachments/fc2d405c-ca29-4526-ad96-6618c2756192/Multi-Partner-Technical-Release-on-Updated-IPC-Analysis-for-Somalia-fo-October-2022-to-June-2023-Final-%28English%29-13-Dec-2022.pdf, Zugriff 10.10.2023;
MAEZA/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Mitarbeiter einer Organisation für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
MUST - Mustaqbal Media (8/6/2022): Jubbaland deploys troops to quell clan skirmishes in Lower Juba, https://mustaqbalmedia.net/en/jubbaland-deploys-troops-to-quell-clan-skirmishes-in-lower-juba/, Zugriff 10.10.2023;
Majid/Abdirahman/LSE - London School of Econonomics and Political Science (Herausgeber), Nisar Majid (Autor), Khalif Abdirahman (Autor) (26/3/2021): The Kismayo Bubble - Justice and Security in Jubbaland, http://eprints.lse.ac.uk/109317/2/The_kismayo_bubble_updated.pdf, Zugriff 10.10.2023;
NMG - Nation Media Group (25/10/2022): Inside plans to pull regional troops out of war-torn Somalia, https://nation.africa/africa/news/inside-plans-to-pull-regional-troops-out-of-war-torn-somalia-3997552, Zugriff 10.10.2023;
PGN - Political Geography Now (23/1/2023): Special Preview: Somalia Control Map – Full Report Forthcoming, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf, https://controlmaps.polgeonow.com/2023/01/al-shabaab-controlled-territory-2023-map-somalia/, Zugriff 10.10.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
RKIS - Radio Kismaayo (27/6/2022): Jubbaland state President set to visit Giriley and Diif today to finalize peace agreement between warring clans, https://radiokismayo.so/2022/06/27/jubbaland-state-president-set-to-visit-giriley-and-diif-today-to-finalize-peace-agreement-between-warring-clans/, Zugriff 10.10.2023;
Researcher/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Researcher (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (14/6/2023): Political Discontent in the Gedo Region of Jubland State, in: The Somali Wire Issue No. 553, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official römisch zehn (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Die Verwaltung des SWS beansprucht die Kontrolle über 14 Bezirke. In Wirklichkeit kontrolliert sie einige städtische Gebiete in diesen 14 Bezirken, während al Shabaab die ländlichen Gebiete und vier Bezirke vollständig kontrolliert (Sahan/SWT 24.7.2023). In den größeren von der Regierung kontrollierten Städten besteht eine grundlegende Verwaltung. Es gibt Bürgermeister, eine lokale Rechtsprechung und Ordnungskräfte. Die Regierung konnte mit internationaler Unterstützung ihre eigene, lokal rekrutierte Armee, die South West State Special Police Force (SWSSPF), weiter ausbauen. Diese wird von Äthiopien versorgt. Hauptträger des Kampfes in Bay ist mittlerweile die Bundesarmee (BMLV 1.12.2023).
Al Shabaab unterhält Checkpoints an den wichtigen Hauptversorgungsrouten. Damit werden humanitäre Hilfe, Bewegungsfreiheit und Gütertransport eingeschränkt (HIPS 24.3.2023). Sicheres Reisen erfolgt über den Luftweg. Alle Verbindungsstraßen nach Baidoa werden von al Shabaab kontrolliert. Selbst gepanzerte Fahrzeuge werden mit dem Flugzeug eingeflogen, weil der Straßentransport aus Mogadischu als zu gefährlich eingestuft wird (BMLV 1.12.2023). Da der SWS maßgeblich von den Häfen Kismayo und Mogadischu abhängig ist, müssen Güter durch von al Shabaab kontrolliertes Gebiet transportiert werden (HIPS 8.2.2022). Von den zehn Bezirken, aus denen die Regionen Bay und Bakool bestehen, wurden nur drei noch nie zuvor einer Blockade ausgesetzt. In den anderen sieben kam es wiederholt zu Blockaden, die die Bewohner dazu zwangen, Hilfe und Güter per Luftbrücke oder Eselskarren zu erhalten. Die drei, die nicht blockiert wurden, sind Buur Hakaba, Baidoa und Berdale (Sahan/SWT 21.8.2023).
Al Shabaab bleibt in der Lage, die somalische Armee und ATMIS im Gebiet anzugreifen. Nach wie vor mangelt es den Regierungskräften an Kapazitäten, um erobertes Gebiet auch zu halten (BMLV 1.12.2023). Im Jahr 2022 haben mehrere kleinere Siedlungen immer wieder die Kontrolle gewechselt. Dies gilt etwa für Daynuuney (HIPS 24.3.2023), eine 25 km außerhalb von Baidoa gelegene Stadt an der Straße nach Mogadischu, die Stand Juli 2023 von al Shabaab kontrolliert wurde (Sahan/SWT 14.7.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023); oder auch für Goof Gaduud Buurey (HIPS 24.3.2023), das (Stand November 2023) von der Regierung kontrolliert wird. Sowohl Daynuuney wie auch Goof Gaduud Buurey sind Schüsselstellungen für die Sicherheit und Kontrolle von Baidoa. Beide Orte (bzw. die dort gelegenen FOBs) sind hart umkämpft und haben ebenfalls in den letzten Monaten mehrfach den Besitzer gewechselt (BMLV 1.12.2023).
Staatlicherseits gibt es im SWS so gut wie keine militärischen Operationen gegen al Shabaab (Sahan/SWT 13.9.2023). Ohne politischen Konsens rund um Präsident Laftagareen ist es höchst unwahrscheinlich, dass die großen Clans des SWS und deren Milizen sich vollständig an der bereits verzögerten Phase römisch II der Offensive im SWS und in Jubaland beteiligen werden (Sahan/SWT 22.9.2023).
Stößt al Shabaab auf den Widerstand lokaler Clanmilizen, so wie dies bei den Leysan (Rahanweyn) in Bay und Bakool oder den Galja'el (Hawiye) in Lower Shabelle geschehen ist, und wo es kaum Schutz durch Sicherheitskräfte gibt, dann entführt die Gruppe mitunter Älteste, und es kommt zur Zwangsvertreibung ganzer Dörfer (BMLV 9.2.2023; vergleiche UNSC 6.10.2021).
Lower Shabelle: Wanla Weyne, Afgooye, Qoryooley, Merka und Baraawe befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS, Kurtunwaarey und Sablaale werden von al Shabaab kontrolliert (PGN 23.1.2023; vergleiche Sahan/SWT 21.8.2023). Dies gilt auch für große Teile des Hinterlandes nördlich des Shabelle (PGN 23.1.2023) bzw. des ländlichen Raumes (Sahan/SWT 21.8.2023). Lower Shabelle ist nach wie vor von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen den Städten liegt im Fokus der al Shabaab. Zwischen Afgooye und Merka kann die Gruppe weiterhin das Gelände zwischen den größeren Orten, die mehrheitlich unter Regierungskontrolle sind, nutzen (BMLV 1.12.2023).
Anfang 2021 eskalierte der Konflikt zwischen al Shabaab und dem Clan der Galje’el (Hawiye). Al Shabaab vertrieb in Lower Shabelle dabei ca. 1.500 Haushalte aus 11 Dörfern. Im Zuge dieser Strafaktion ermordete die Gruppe zwei Menschen und setzte mehrere Dutzend Wohnstätten in Brand. Auch gegen Angehörige der Shanta Alemod (Rahanweyn) ging al Shabaab vor (UNSC 6.10.2021). Auch Mitte 2021 kam es im Gebiet zwischen al Shabaab, Galja'el, Shanta Alemod und Digil/Mirifle zu Auseinandersetzungen. Milizen der Galja'el beteiligten sich an Vergewaltigungen, Brandschatzungen, Plünderungen und Landraub (USDOS 12.4.2022).
Afgooye liegt aufgrund seines strategischen Wertes im ständigen Fokus aller Konfliktparteien - die Stadt gilt als Schlüssel zu Mogadischu. Trotzdem kann Afgooye hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Die Lage in der Stadt hat sich in den vergangenen Monaten verbessert (BMLV 1.12.2023).
Merka kann hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 1.12.2023). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass Habr Gedir und Biyomaal in Merka nunmehr ohne größere Animositäten zusammenleben - ein großer Fortschritt. Die Stadt ist demnach friedlich, neue Polizeistationen wurden errichtet. Al Shabaab verfügt in Merka nur noch über wenig Einfluss, während die Gruppe sich im landwirtschaftlichen Teil des Bezirks frei bewegen kann. Insgesamt hat sich die Situation in Merka in den letzten sieben Jahren signifikant verbessert (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).
Aus Baraawe gibt es auch weiterhin nur wenige sicherheitsrelevante Meldungen (BMLV 1.12.2023). Im Juni 2023 kam es dort zu Auseinandersetzungen zwischen Kräften der Armee und Darawish des SWS (MUST 18.6.2023). Dabei sind mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen (HO 14.6.2023). Die Darawish setzen sich v.a. aus Rahanweyn zusammen, die Kräfte der Armee in Baraawe werden v.a. von Hawiye dominiert (Horn 14.6.2023).
Bay: Die großen Städte - Baidoa, Buur Hakaba, Diinsoor - werden von Regierungskräften und ATMIS kontrolliert, dies gilt auch für Qansax Dheere und Berdale (PGN 23.1.2023). Die drei erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Im Umfeld der Stadt Diinsoor, die als Frontstadt bezeichnet werden kann, ist al Shabaab aktiv (BMLV 1.12.2023). Ab Feber 2022 hat al Shabaab wiederholt Armee- und ATMIS-Stützpunkte in Diinsoor angegriffen und dort auch zunehmend Gewalt gegen Zivilisten angewendet. Im März 2022 haben die Einwohner die Stadt temporär geräumt (UNSC 10.10.2022) - aufgrund von Feindseligkeiten von al Shabaab. Mehr als 17.000 Menschen sind damals geflohen. Am 5.2.2022 konnte al Shabaab Diinsoor sogar für kurze Zeit besetzen; immer wieder wurde die Stadt auch mit Mörsern beschossen (UNSC 13.5.2022).
Al Shabaab kontrolliert große Teile von Bay (PGN 23.1.2023). Die Straße nach Baidoa bleibt demnach für Zwecke der Regierung geschlossen. Die Kontrolle über den an der diesbezüglichen Straße gelegenen Ort Leego ungewiss (BMLV 1.12.2023; vergleiche PGN 23.1.2023).
Die Sicherheitslage in Baidoa ist stabil, die Stadt wird als relativ sicher beschrieben. Es gibt dort regelmäßig Sicherheitsoperationen und Razzien durch Sicherheitskräfte (BMLV 1.12.2023). Auch laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 ist Baidoa sicher (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle der FFM erklärt, dass sich das eigene lokale Personal normal in der Stadt bewegt – weil es eben muss. Die Routen nach Baidoa sind fallweise gänzlich durch al Shabaab blockiert. Zudem setzt al Shabaab gegen die Stadt auch Steilfeuer (Mörser) ein. Zudem sind die IDP-Lager am Rand von Baidoa demnach "regelrecht von al Shabaab verseucht." In den aufgrund der Dürre stark gewachsenen IDP-Lagern wird durch die Gruppe auch rekrutiert (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023).
Die Einsatzfähigkeit der SWS Police Force (SWSPF) hat sich nach der Aufnahme lokaler Rekruten verbessert. In Baidoa sind zudem eine sogenannte Formed Police Unit und einzelne Polizisten von ATMIS stationiert. Diese Polizisten bilden die lokale Polizei nicht nur aus, sondern unterstützen sie auch im Einsatz. Gleichzeitig ist Baidoa auf die Anwesenheit der äthiopischen ATMIS-Truppen angewiesen. Al Shabaab ist in der Lage, Baidoa in der Nacht zu infiltrieren (BMLV 1.12.2023).
Am 22.12.2022 kam es in Baidoa zu politisch motivierten Auseinandersetzungen mit mindestens zehn Todesopfern und zwanzig Verletzten (HIPS 24.3.2023; vergleiche Halbeeg 2.1.2023). Letztendlich konnten die Differenzen auf dem Verhandlungsweg gelöst werden (HIPS 24.3.2023).
Al Shabaab hat im Juli 2023 eine zehntägige Blockade gegen Baidoa aufrecht erhalten (Sahan/SWT 21.8.2023). LKW mit Nahrungsmittelhilfe wurden an Checkpoints außerhalb der Stadt zurückgewiesen. Niemand durfte ohne besondere Erlaubnis der al Shabaab Güter in die Stadt bringen (Sahan/SWT 14.7.2023). In und um Baidoa gibt es aber fast 500 IDP-Lager mit fast 600.000 Bewohnern (HIPS 24.3.2023; vergleiche Sahan/SWT 21.8.2023), die mitunter von Hilfe abhängig sind. Mit der Belagerung hat die Gruppe ihre Stärke unter Beweis gestellt und gleichzeitig ihre Bereitschaft demonstriert, die Bevölkerung einer Stadt katastrophalen humanitären und wirtschaftlichen Bedingungen auszusetzen (Sahan/SWT 21.8.2023).
Bakool: Ceel Barde, Yeed, Xudur und Waajid werden von Regierungskräften und ATMIS kontrolliert (PGN 23.1.2023). Die drei letztgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Ein mindestens 20 km breiter Grenzstreifen an der Grenze zu Äthiopien, der von durch Äthiopien gesponserte, lokale Clanmilizen beherrscht wird, ist frei von al Shabaab. Große Teile von Bakool werden von al Shabaab kontrolliert, darunter auch die Städte Rab Dhuure und Tayeeglow (BMLV 1.12.2023; vergleiche PGN 23.1.2023). In Xudur aber auch in Waajid befinden sich Stützpunkte der Armee. Außerdem operieren in Bakool unabhängige Clanmilizen. Die Verwaltung von Bakool steht massiven Problemen gegenüber, um die Bevölkerung zu erreichen (BMLV 1.12.2023). Xudur ist von einer Blockade betroffen. Gütertransporte werden immer wieder angegriffen (HRW 12.1.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023). Die Versorgungsstraße nach Xudur wird nur fallweise freigekämpft. Insgesamt gibt es in Bakool nur geringe Kampfhandlungen (BMLV 1.12.2023).
Im Juli und August 2022 kam es in den Gebieten von Yeed, Ato und Washaaqo zu schweren Kämpfen zwischen äthiopischer Liyu-Police und al Shabaab (VOA/Maruf 20.7.2022; vergleiche UNSC 1.9.2022b). Diese Angriffe, die auch nach Äthiopien hinein zielten und von Bakool ausgegangen sind, weisen darauf hin, dass al Shabaab hier relativ einfach stärkere Kräfte (in diesem Fall rund 1.100 Mann) zusammenziehen kann (BMLV 9.2.2023). Nach Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 sind entlang der Grenze zu Äthiopien die Liyu seither durch Kräfte der äthiopischen Armee ersetzt worden (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle bestätigt dies (BMLV 14.9.2023).
Mitte Juni 2023 sind mindestens zehn Personen ums Leben gekommen, als in Ceel Barde Kämpfe zwischen Darawish und Kräften der Bundesarmee ausgebrochen sind. Bei den Darawish, einer von der EU, Großbritannien und den UN ausgebildeten und ausgerüsteten Polizeieinheit, handelt es sich v.a. um Rahanweyn; bei den Kräften der Armee v.a. um Ogadeni, die von Äthiopien ausgebildet worden sind. Die Frage über die Kontrolle von Ceel Barde war schon immer zwischen den beiden Clans umstritten (Horn 14.6.2023).
Vorfälle: In den Regionen Bakool (492.487), Bay (1,287.587) und Lower Shabelle (1,425.393) leben nach Angaben einer Quelle 3,205.467 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2021 insgesamt 55 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie violence against civilians). Bei 44 dieser 55 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2022 waren es ebenfalls 55 derartige Vorfälle (davon 39 mit je einem Toten) (ACLED 2023). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und "violence against civilians" ergeben sich für 2022 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): Bakool 0,41; Bay 1,24; Lower Shabelle 2,60
In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2022 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie violence against civilians, in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt:
ACLED 2023 (und Vorgängerversionen)
Quellen
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (2023): Curated Data - Africa (6 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (14/9/2023): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9/2/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (24/3/2023): State of Somalia 2022 Report, Year in Review, https://8v90f1.p3cdn1.secureserver.net/wp-content/uploads/2023/03/SOS-REPORT-2022-The-Year-in-Review.pdf, Zugriff 4.10.2023;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (8/2/2022): State of Somalia Report 2021, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2021-English-version.pdf, Zugriff 6.10.2023;
HO - Hiiraan Online (14/6/2023): Fatal clash in Barawe sparks condemnation from federal lawmakers, https://www.hiiraan.com/news4/2023/Jun/191798/fatal_clash_in_barawe_sparks_condemnation_from_federal_lawmakers.aspx?utm_source=hiiraan&utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 11.10.2023;
HRW - Human Rights Watch (12/1/2023): World Report 2023 - Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085494.html, Zugriff 10.11.2023;
Halbeeg - Halbeeg (2/1/2023): Gov’t forms technical committee to facilitate South West reconciliation conference, https://en.halbeeg.com/2023/01/02/govt-forms-technical-committee-to-facilitate-south-west-reconciliation-conference/, Zugriff 9.10.2023;
Horn - Horn Observer (14/6/2023): At least 10 killed as rival armed groups clash in Elbarde town of Somalia, https://hornobserver.com/articles/2261/At-least-10-killed-as-rival-armed-groups-clash-in-Elbarde-town-of-Somalia, Zugriff 11.10.2023;
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MAEZA/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Mitarbeiter einer Organisation für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
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PGN - Political Geography Now (23/1/2023): Special Preview: Somalia Control Map – Full Report Forthcoming, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf, https://controlmaps.polgeonow.com/2023/01/al-shabaab-controlled-territory-2023-map-somalia/, Zugriff 10.10.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
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UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official römisch zehn (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
UNSC - United Nations Security Council (10/10/2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], https://www.ecoi.net/en/file/local/2081261/N2263844.pdf, Zugriff 11.10.2023;
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UNSC - United Nations Security Council (6/10/2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849), https://reliefweb.int/attachments/17a953bc-861a-348a-a59b-1e182f053030/S_2021_849_E.pdf, Zugriff 12.10.2023;
USDOS - United States Department of State [USA] (12/4/2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071126.html, Zugriff 4.10.2023;
VOA/Maruf - Voice of America (Herausgeber), Harun Maruf (Autor) (20/7/2022): Al-Shabab Attacks Somali Towns Close to Ethiopian Border, https://www.voanews.com/a/al-shabab-attacks-somali-towns-close-to-ethiopian-border-/6667670.html, Zugriff 11.10.2023;
Banadir Regional Administration (BRA; Mogadischu)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Die Sicherheitslage in Mogadischu ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass al Shabaab Angriffe auf Behörden und ihre Unterstützer verübt. Zugleich stecken hinter der Gewalt in der Stadt neben al Shabaab auch Regierungskräfte, der sogenannte Islamische Staat in Somalia (ISIS) und Unbekannte (Landinfo 8.9.2022). In der Stadt befinden sich die Polizei, die Präsidentengarde, die Bundesarmee, die National Intelligence and Security Agency (NISA), private Sicherheitskräfte und Clanmilizen in unterschiedlichem Umfang im Einsatz (Sahan/SWT 6.9.2023). Nichtstaatliche Sicherheitskräfte, darunter Clan-Milizen, üben trotz wiederholter Versuche, sie auf Linie zu bringen, erheblichen Einfluss in der Stadt aus. Die Teile dieser Patchwork-Sicherheitsarchitektur konkurrieren regelmäßig um Checkpoints und den Zugang zu Ressourcen (Sahan/SWT 6.9.2023).
Noch vor zehn Jahren kontrollierte al Shabaab die Hälfte der Stadt, die gleichzeitig Schauplatz heftiger Kämpfe war (BBC 18.1.2021; vergleiche Sahan/SWT 18.1.2022). 2011 war Mogadischu eine halb entleerte Ruinenstadt, Einschusslöcher, zerstörte Häuser und Milizen in Kampfwagen prägten das Bild. Es gab keinerlei staatliche Dienste (Sahan/SWT 18.1.2022). Seit 2014 ist das Leben nach Mogadischu zurückgekehrt (SRF 27.12.2021) und die Stadt befindet sich unter Kontrolle von Regierung und ATMIS (PGN 23.1.2023). Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen zehn Jahren im Allgemeinen verbessert (Sahan/SWT 6.9.2023). Immer neue Teile von Mogadischu werden wieder aufgebaut. Er herrscht große Aktivität, viel Geld wird investiert (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Nun ist Mogadischu eine pulsierende Stadt mit hohen Apartmentblocks und Einkaufszentren. Der berühmte Lido-Strand ist am Wochenende voll mit Familien. Historische Gebäude und Monumente wurden renoviert und sind der Öffentlichkeit zugänglich. Unzählige Kaffeehäuser sind aus dem Boden geschossen. Der private und der öffentliche Sektor sind aufgrund der relativen Stabilität der Stadt stark gewachsen. Sechs Banken und Dutzende internationaler Firmen haben in Mogadischu eine Niederlassung eröffnet. Es gibt Investitionsmöglichkeiten, und es sind neue Arbeitsplätze entstanden (Sahan/SWT 18.1.2022). Die Stimmung der Menschen in der Stadt ist laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 relativ positiv. Dies hat mit den Bemühungen der Regierung im Kampf gegen al Shabaab zu tun (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Nach der Wahl von Hassan Sheikh Mohamed hat sich die Atmosphäre in Mogadischu dramatisch verändert, die Stadt ist ruhiger geworden (Sahan/SWT 8.6.2022).
Generell haben sich seit 2014 die Lage für die Zivilbevölkerung sowie die Kapazitäten der Sicherheitsbehörden verbessert (BMLV 9.2.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 hat sich die Sicherheitslage in der Stadt seit 2017 weiter verbessert (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle der FFM ist die Lage heute ähnlich wie 2017, jedenfalls aber besser als etwa 2012-2014 (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Ein andere Quelle erklärt, dass sich die Sicherheitslage in Mogadischu im Jahr 2023 gegenüber 2022 verbessert hat und auch besser ist als 2016 oder 2017 (BMLV 14.9.2023). Mehrere lokale Quellen der norwegischen COI-Einheit beschrieben im Mai 2022 die Sicherheitsentwicklungen in der Stadt als positiv. Jedenfalls ist die Zahl an Vorfällen und Todesopfern in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben. Diesbezüglich muss zudem berücksichtigt werden, dass gleichzeitig die Zahl an Einwohnern deutlich gestiegen ist (Landinfo 8.9.2022). So hat UNFPA die Einwohnerzahl im Jahr 2014 mit 1,65 Millionen angegeben (UNFPA 10.2014), während die Zahl im Jahr 2022 auf fast 2,9 Millionen geschätzt wird (IPC 13.12.2022). Laut UN leben in Mogadischu nun mehr als 900.000 IDPs (Sahan/SWT 6.9.2023).
Die Stadt hat 17 Bezirke und mehrere sogenannte "residential areas", die noch nicht zu Bezirken gemacht worden sind. In jedem Bezirk gibt es eine Polizeistation, in der ganzen Stadt mit ca. 18.000 Mann ausreichend Sicherheitskräfte (Sahan/SWT 7.11.2022), davon 5.000-6.000 Polizisten. In jedem Bezirk gibt es eine Polizeistation (Sahan/SWT 6.9.2023). Seit April 2022 wird eine neue paramilitärische Einheit in Mogadischu eingesetzt (RD 10.4.2023). Dabei handelt es sich um in Uganda ausgebildete Kräfte (JOWH 10.4.2023). Diese Militärpolizei - eine Einheit der Bundesarmee - wurde mit der Stabilisierung Mogadischus beauftragt (FTL 14.4.2023; vergleiche JOWH 10.4.2023). Es kommt nun auch in Außenbezirken zu Razzien, etwa am 24.8.2023 in Heliwaa, Yaqshiid und Warta Nabadda. Dabei arbeitet die Polizei mitunter mit der Militärpolizei zusammen (Halqabsi 24.8.2023). Mit der Operation "Ciiltire" soll die Sicherheitslage in Mogadischu weiter verbessert werden. In diesem Rahmen soll auch das neue Waffengesetz (Capital Arms Control Act), das den illegalen Waffenverkauf und -Besitz in der Hauptstadt reduzieren soll, durchgesetzt werden. Involviert sind die Polizei und die Militärpolizei sowie Sicherheitskräfte der Region Benadir (Halqabsi 18.4.2023). Der Einsatz der 2.000 Mann der Militärpolizei ist ein massiver Beitrag für die Sicherheitslage in der Stadt. Die Einheit kümmert sich u.a. um die militärische Sicherung von Mogadischu (BMLV 14.9.2023). Allerdings reicht die gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte weiterhin nicht aus, um Aktivitäten der al Shabaab gänzlich zu unterbinden (BMLV 1.12.2023). Auch eine weitere Quelle vertritt die Ansicht, dass die somalischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage sind, der von al Shabaab ausgehenden Bedrohung für die gesamte Region Benadir entgegenzutreten (UNSC 10.10.2022). Unter den Sicherheitskräften herrscht mangelnde Koordination und Kommunikation, dafür aber Korruption. Und gleichzeitig erschweren fehlende Personalausweise und Register (etwa für Fahrzeuge) und Adressen die Sicherheitskontrolle (Sahan/SWT 7.11.2022). Zudem ist die Polizei nicht unbedingt effizient und diszipliniert (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023) und zudem überfordert. Sie musste in den vergangenen Jahren mit einem wachsenden Drogenmilieu und Bandenwesen sowie mit al Shabaab und einer zunehmenden Politisierung der Sicherheitskräfte unter dem Ex-Präsident Farmaajo kämpfen. Seit der Stationierung der o.g. von Uganda ausgebildeten Kräfte gibt es aber zunehmend Versuche, z.B. illegale Checkpoints zu räumen (Sahan/SWT 6.9.2023). Die Sicherheitskräfte können zudem nun großteils jene Gebiete kontrollieren, in welchen al Shabaab zuvor ungehindert agieren konnte. Zuvor verfügte die Bundesregierung nicht flächendeckend über ausreichend staatliche Institutionen hinsichtlich der Bereitstellung von Dienstleistungen für Bürger und den Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums. Die diesbezügliche Lage hat sich gebessert (BMLV 1.12.2023).
Gleichzeitig bietet die Stadt für al Shabaab alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele. Innerhalb der Stadt hat sich die Sicherheit zwar verbessert, al Shabaab kann aber nach wie vor Anschläge durchführen. Andererseits gilt es als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurückerlangt. In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)Rekrutierung zu entziehen (BMLV 1.12.2023).
Noch im Jahr 2022 sind Quellen davon ausgegangen, dass Mogadischu im Falle eines Abzugs von ATMIS die Rückkehr von al Shabaab drohte (Robinson/TGO 27.1.2022; vergleiche Meservey/RCW 22.11.2021). Nun aber haben zwei Quellen der FFM Somalia 2023 angegeben, dass sie diese Gefahr nicht (mehr) sehen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche Think/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine weitere Quelle geht nicht davon aus. Demnach ist nunmehr ein rascher Zusammenbruch des Staates nur noch dann zu erwarten, wenn jegliche externe Unterstützung eingestellt wird (BMLV 1.12.2023).
Al Shabaab kontrolliert in Mogadischu keine Gebiete (AQ21 11.2023), ist aber im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich (BMLV 9.2.2023). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 1.12.2023; vergleiche INGO-F/STDOK/SEM 4.2023, Landinfo 8.9.2022). In den Außenbezirken hat al Shabaab größeren Einfluss, auch die Unterstützung durch die Bevölkerung ist dort größer (BMLV 1.12.2023). Die Gruppe verfügt in Mogadischu über keine nennenswerte institutionelle Präsenz. Trotzdem erhebt die Gruppe den Zakat (islamische Steuer) von Unternehmen in der Stadt. Zudem macht al Shabaab ihre Präsenz insofern bemerkbar, dass sie ihre Form der "Moral" umsetzt. So tötete die Gruppe beispielsweise Anfang März 2023 zehn Personen, denen der Verkauf von Drogen in den Stadtbezirken Yaqshiid und Dayniile vorgeworfen worden war (Sahan/SWT 6.9.2023).
Bei allen Möglichkeiten, über welche al Shabaab verfügt, so hat die Gruppe in Mogadischu kein freies Spiel. Regierungskräfte sind in allen Bezirken der Stadt präsent – etwa mit Checkpoints; und es werden Razzien durchgeführt. Die Anzahl an Mitgliedern, Unterstützern und Ressourcen in Mogadischu sind begrenzt, und daher muss al Shabaab diesbezügliche Prioritäten setzen (Landinfo 8.9.2022). Quellen der FFM Somalia 2023 erklären: Al Shabaab ist weiter abgedrängt worden und daher kommen komplexe Angriffe seltener vor. Ein Stadtviertel nach dem anderen wurde gesichert, Häuserblock für Häuserblock durchsucht (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). An den Kontrollpunkten an Straßen wird ein großer Aufwand bei Durchsuchungen betrieben (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). In Dayniile sind keine Flaggen der al Shabaab mehr zu sehen. Die Polizei ist nun in der ganzen Stadt vertreten – auch an der Peripherie (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Die Arbeit der Regierung ist laut einer Quelle beeindruckend. Demnach antworten Menschen in der Stadt teilweise nicht mehr auf Anrufe durch al Shabaab (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Üblicherweise galt, dass al Shabaab jede Person töten konnte, die sie töten wollte. Nunmehr gilt dies laut einer Quelle nicht mehr uneingeschränkt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle erklärt, dass die Fähigkeiten von al Shabaab, sich in der Stadt zu bewegen und Menschen gezielt zu töten, durch Sicherheitsmaßnahmen eingeschränkt worden sind (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Der Austausch des Personals an den Checkpoints der Regierung hat zur Einschränkung der Fähigkeiten von al Shabaab erheblich beigetragen. Zuvor bestochene und/oder infiltrierte Checkpoints wurden so für die Gruppe wertlos. Laut Expertenmeinung herrscht ein Krieg um Mogadischu, der nicht unbedingt mit Kugeln geführt wird. Die Bundesregierung versucht al Shabaab mit Maßnahmen - Checkpoints, Einschränkung der Finanzoperationen, Bekämpfung der Justiz von al Shabaab - von ihren "steuerlichen" Pfründen in der Stadt zu entkoppeln. Al Shabaab wiederum setzt sich dagegen zur Wehr. Dieser Kampf ist noch nicht entschieden (AQ21 11.2023).
Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Gruppe in Mogadischu aktiv Deserteure sucht und liquidiert (Landinfo 8.9.2022; vergleiche BMLV 9.2.2023). Laut einer Quelle rekrutiert al Shabaab in der Stadt auch keine neuen Mitglieder (Landinfo 8.9.2022). Nach Angaben einer anderen Quelle ist aufgrund des massiven Bevölkerungsanstiegs und der zahlreichen Jugendlichen ohne Auskommen für al Shabaab ohnehin ein großes Rekrutierungspotenzial gegeben, das auch genutzt wird (BMLV 9.2.2023).
Die Zahl an Angriffen der al Shabaab ist Anfang des Jahres 2023 gefallen, Mogadischu hat eine relative ruhige Periode durchlebt. Die Stationierung neuer Sicherheitskräfte an Checkpoints am Stadtrand hat zur Abschreckung von al Shabaab beigetragen. Die Gruppe analysiert ihre neue Situation und reorganisiert sich. Die niedrige Zahl an Gewaltvorfällen in den Monaten März-Mai 2023 darf aber nicht zur Annahme verleiten, dass die Kapazitäten von al Shabaab signifikant geschädigt worden wären (AQ20 5.2023). Die relative Flaute bei Angriffen der al Shabaab in Mogadischu im ersten Halbjahr 2023 endete mit der Wiederaufnahme der Regierungsoffensive in Zentralsomalia. Die Gruppe hat ihre gezielten Angriffe auf staatsnahe Personen und Sicherheitskräfte wieder aufgenommen (Sahan/SWT 6.9.2023). Seit Mitte des Jahres 2023 kommt es wieder vermehrt zu Hit-and-Run-Angriffen auf Checkpoints der Sicherheitskräfte, v.a. aus Dayniile heraus. Damit möchte al Shabaab Präsenz zeigen. Die Gruppe ist nicht aus der Stadt verschwunden. Aber es gibt weniger Anschläge, al Shabaab spürt den Druck in Zentralsomalia (BMLV 14.9.2023). Trotzdem verbreitet die Gruppe auch weiterhin Angst (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Mogadischu ist eine Großstadt und steht zur Infiltrierung offen. Es ist schwer auszumachen, wer zu al Shabaab gehört und wer nicht (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Die Gruppe ist in der Lage, jede Person in Mogadischu ausfindig zu machen. Demnach herrscht bei den Bürgern die Angst, dass jederzeit etwas passieren könnte (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Ein Mitarbeiter einer internationalen NGO gibt an, dass er und Kollegen Drohanrufe bekommen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Die Gruppe kann immer noch den Sitz des Präsidenten mit Mörsern beschießen. Und es gibt auch weiterhin gezielte Attentate (IO-D/STDOK/SEM 4.2023) und Anschläge auf Regierungstruppen und ATMIS (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab ist also auch weiterhin in der Stadt aktiv. Die Gruppe hat zahlreiche Informanten innerhalb der Sicherheitskräfte (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche INGO-C/STDOK/SEM 4.2023), auch relevante Verwaltungsstrukturen gelten als unterwandert (Landinfo 8.9.2022; vergleiche INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab verlangt von Geschäftsleuten in der Stadt die Zahlung von "Steuern" (Mohamed/VOA 9.11.2022; vergleiche Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Zwischen Mai und Juli 2022 erhielten zahlreiche Besitzer von gemauerten oder mehrstöckigen Häusern eine Zahlungsaufforderung von al Shabaab. Dabei liegt die jährliche Abgabe zwischen 100 und 300 US-Dollar. Zudem wird die Errichtung von Häusern besteuert. Für Zahlungsverzögerungen drohen Strafzahlungen (Mohamed/VOA 9.11.2022). Al Shabaab war zumindest 2022 in der Lage, nahezu im gesamten Stadtgebiet verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben und die Bevölkerung einzuschüchtern (Sahan/SWT 7.11.2022).
Zivilisten: Im Zeitraum Jänner 2020 bis November 2022 gab es mehr als 166 Vorfälle, wo Sprengsätze innerhalb der Stadt detoniert sind oder aber gefunden und entschärft werden konnten (Sahan/SWT 7.11.2022). Die Gruppe ist zudem weiterhin in der Lage, in Mogadischu auch größere Sprengstoffanschläge durchzuführen (BMLV 1.12.2023). Üblicherweise zielt al Shabaab mit Angriffen auf Sicherheitskräfte und Vertreter des Staates ["officials"] (UNSC 6.10.2021). Zivilisten stellen im Allgemeinen kein Ziel von Angriffen der al Shabaab dar (Landinfo 8.9.2022). Sie leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Jene, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt (BMLV 9.2.2023). Und natürlich besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und damit zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (BMLV 1.12.2023; vergleiche Landinfo 8.9.2022). Denn al Shabaab greift auch jene Örtlichkeiten an, die von Regierungsvertretern und Wirtschaftstreibenden sowie Sicherheitskräften frequentiert werden, z.B. Restaurants, Hotels oder Einkaufszentren (BS 2022a; vergleiche Landinfo 8.9.2022). Ein ausschließlich von der Durchschnittsbevölkerung frequentierter Ort ist kein Ziel der al Shabaab. Die Hauptziele von al Shabaab befinden sich in den inneren Bezirken: militärische Ziele, Regierungseinrichtungen und das Flughafenareal. Die Außenbezirke hingegen werden von manchen als die sichersten Teile der Stadt erachtet, da es dort so gut wie nie zu größeren Anschlägen kommt. Allerdings kommt es dort öfter zu gezielten Tötungen (BMLV 1.12.2023). 70 % der von ACLED aufgezeichneten gewalttätigen Zwischenfälle in Mogadischu im Zeitraum Jänner 2021 bis Juni 2022 richteten sich gegen militärische Ziele. Viele dieser Angriffe ereigneten sich in den Außenbezirken der Stadt. Letztendlich widmet die Gruppe Zufallsopfern aber wenig Aufmerksamkeit. Sie erachtet bei Angriffen getötete Zivilisten als Märtyrer (Landinfo 8.9.2022).
Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Am Stadtrand ist die Unterstützung größer, die meisten Bewohner haben al Shabaab gegenüber aber eine negative Einstellung. Sie befolgen die Anweisungen der Gruppe nur deshalb, weil sie Repressalien fürchten. Al Shabaab agiert wie eine Mafia: Sie droht jenen mit ernsten Konsequenzen, welche sich Wünschen der Gruppe entgegensetzen (BMLV 1.12.2023; vergleiche FIS 7.8.2020).
Auf die Frage nach den größten Gefahren im täglichen Leben in Mogadischu erklärt eine Quelle der FFM Somalia 2023: Erstens Erpressung durch al Shabaab; die Gruppe versucht immer, an Geld zu kommen. Daher besteht immer das Risiko, von ihr einen Drohanruf oder eine bedrohliche Textnachricht zu erhalten. Zweitens besteht für einen Durchschnittsbürger zwar kein Risiko, gezielt angegriffen zu werden; aber natürlich besteht immer das Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle nennt dieses Risiko („wrong place, wrong time“). Demnach werden Normalbürger nicht angegriffen. Es muss immer ein bestimmtes Interesse an einer Person herrschen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle gibt zu bedenken, dass man sich in Mogadischu nicht so leicht verstecken, nicht einfach isolieren kann. Man besucht die Familie, geht auf den Markt oder ins Spital etc. Personen sind demnach einfach aufzuspüren (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Zum Ziel werden jene, die für die Regierung arbeiten. Diese Personen brauchen geeigneten Schutz. Auch Journalisten tragen ein höheres Risiko, insbesondere jene, die sich kritisch zu al Shabaab geäußert haben. Üblicherweise wird gezielt eine Person angegriffen, nicht aber deren Familienmitglieder (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).
Bewegungsfreiheit: Die Menschen wissen um die Gefahr bestimmter Örtlichkeiten und versuchen daher, diese zu meiden. Sie bewegen sich in der Stadt, vermeiden aber unnötige Wege. Für viele Bewohner der Stadt ist die Instabilität Teil ihres Lebens geworden. Sie versuchen, Gefahren auszuweichen, indem sie Nachrichten mitverfolgen und sich gegenseitig warnen (FIS 7.8.2020). An neuralgischen Punkten der Stadt befinden sich Checkpoints, allerdings weniger als früher. An den Einfahrtsstraßen wird jedes Fahrzeug kontrolliert. Insgesamt wird an diesen Straßensperren professioneller vorgegangen als noch vor einigen Jahren. Präsident Hassan Sheikh Mohamud hat die Auflösung der meisten innerstädtischen Checkpoints angeordnet. Größere Einschränkungen gibt es aktuell nur mehr bei besonderen Anlässen - dies wird mittlerweile aber im Vorfeld angekündigt (BMLV 9.2.2023). Immer wieder kommt es zu Angriffen von Regierungskräften auf Fahrer und Passagiere von Tuk-Tuks und anderen Fahrzeugen. Oft ereignen sich derartige Vorfälle an Checkpoints. Die Zugehörigkeit zu einem starken Clan oder Verbindungen zu mächtigen Personen in der Stadt können an Checkpoints oder beim Zusammentreffen mit Regierungskräften von Vorteil sein. Als starke Clans erachtet werden in Mogadischu v.a. die Hawiye / Abgaal und die Hawiye / Habr Gedir (Landinfo 8.9.2022). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass Mogadischu hinsichtlich der Clanzugehörigkeit generell als kosmopolitisch erachtet werden kann. Eine Rolle spielt der Clan allerdings bei sozialen Angelegenheiten, bei Eheschließungen, beim Ringen um Macht, in der Politik (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).
Quellen der FFM Somalia 2023 berichten: Einige Checkpoints werden von NISA kontrolliert (z.B. am Flughafen); innerhalb der Stadt aber meist von der Polizei. Die neu eingesetzte Militärpolizei unterhält Kontrollpunkte in den Vororten und Ausfallstraßen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Für normale Bürger gibt es hinsichtlich der Bewegungsfreiheit allgemein keine Probleme in Mogadischu (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Clan oder Geschlecht spielen hier keine Rolle (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche INGO-F/STDOK/SEM 4.2023, UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Frauen können sich auch problemlos alleine bewegen, nur spät in der Nacht könnte es hier zu Sicherheitsproblemen kommen. Insgesamt haben alle Menschen die gleichen Probleme: Die Freiheit wird manchmal durch Straßensperren massiv eingeschränkt – etwa an Feiertagen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) oder wenn wichtige Delegationen in der Stadt sind. Wenn gerade kein besonderer Anlass gegeben ist, gibt es für beide Geschlechter und alle Clans Bewegungsfreiheit (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle fragen Polizisten an Checkpoints häufig um ein Trinkgeld, um die Bezahlung ihres Essens, um Zigaretten. Tatsächlich werden aber nur Autos – und hier meist die Fahrer – kontrolliert, Fußgänger und Tuk-Tuks können passieren (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).
Gewaltkriminalität: Es gibt Bandenwesen und Straßenkriminalität. Teile von Karaan, Heliwaa und Yaqshiid bzw. alle Ränder der Stadt sind hoher Kriminalität ausgesetzt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Für Zivilisten besteht nach wie vor die Sorge vor Raubüberfällen und Gewalt, insbesondere nachts. Dabei ist die Ermordung von Raubopfern keine Seltenheit. Dies steht insbesondere im Zusammenhang mit dem Aufstieg von Jugendbanden (bekannt als "ciyaal weero" oder "aggressive Kinder") seit 2021 (Sahan/SWT 6.9.2023; vergleiche INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Diese Gangs haben ursprünglich Passagiere von Tuk-Tuks (Bajaj) tyrannisiert. Sie haben geraubt, was die Menschen gerade bei sich hatten (Sahan/SWT 27.7.2022). Viele Gang-Mitglieder nehmen auch Drogen oder trinken Alkohol (Sahan/SWT 27.7.2022; vgl.Sahan/SWT 29.8.2022). Die gestiegene Zahl an Delikten wie Diebstahl und Raub ist teilweise der Beschaffungskriminalität zuzurechnen (Sahan/SWT 29.8.2022). Diesen Gangs werden mittlerweile aber auch andere Verbrechen vorgeworfen, darunter sexuelle Übergriffe (Sahan/SWT 6.9.2023; vergleiche Sahan/SWT 27.7.2022), Raubüberfälle und Morde (Sahan/SWT 27.7.2022). Gleichzeitig sind Jugendgangs nach Gebieten organisiert und reklamieren verschiedene Teile der Stadt für sich (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche Sahan/SWT 29.8.2022), was zu weiterer Gewalt führt (Sahan/SWT 29.8.2022). Denn mit zunehmender Ausbreitung haben sie begonnen, sich gegenseitig zu bekämpfen. Zwar hat die Polizei bei Razzien immer wieder Gang-Mitglieder festgenommen, diese kamen aber - vermutlich durch Bestechung - immer frei, bevor ihnen der Prozess gemacht worden ist (Sahan/SWT 27.7.2022). Manche Sicherheitskräfte beteiligen sich an den Gangs, manche sind in den Drogenhandel involviert (Sahan/SWT 29.8.2022).
In Mogadischu kommt es mitunter auch zu Landkonflikten, z.B. im August 2023 in Xamar Weyne. Dort wurden in Folge von Gewalt auch mehrere Menschen vertrieben (Sahan/Gedo 7.8.2023).
Bei manchen Vorfällen ist unklar, von wem oder welcher Gruppe die Gewalt ausgegangen ist; Täter und Motiv bleiben unbekannt. Es kommt zu Rachemorden zwischen Clans, zu Gewalt aufgrund wirtschaftlicher Interessen oder aus politischer Motivation. Lokale Wirtschaftstreibende haben in der Vergangenheit auch schon al Shabaab engagiert, um Auftragsmorde durchzuführen. Mit Stand 2020 berichtet die finnische COI-Einheit: Die Bewohner haben eine hohe Hemmschwelle, um sich an die Polizei zu wenden. Das Vertrauen ist gering. Die Fähigkeit der Behörden, bei kleineren Delikten wie etwa Diebstahl zu intervenieren, ist derart gering, dass Menschen keinen Nutzen darin sehen, Anzeige zu erstatten. Hat eine Person Angst vor al Shabaab, dann kann ein Hilfesuchen bei der Polizei - aufgrund der Unterwanderung selbiger - die Gefahr noch verstärken. Die Polizei ist auch nicht in der Lage, Menschen bei gegebenen Schutzgeldforderungen seitens al Shabaab zu unterstützen (FIS 7.8.2020). Nach neueren Angaben ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei aufgrund der neu eingesetzten Kräfte gestiegen. Auch wenn diese streng genommen der Bundesarmee angehören, heben sie das Ansehen der Sicherheitskräfte. Sowohl Polizei als auch Bundesarmee bleiben aber weiterhin von al Shabaab unterwandert (BMLV 1.12.2023).
Der sogenannte Islamische Staat in Somalia (ISIS) verfügt in Mogadischu nur über sehr begrenzten Einfluss. Die Gruppe versucht u.a. auf dem Bakara-Markt Steuern einzutreiben (Landinfo 8.9.2022). Im Jänner 2022 haben Geschäftsleute auf dem Markt aus Protest dagegen für einige Tage ihre Geschäfte geschlossen (Landinfo 8.9.2022; vergleiche Sahan/SWT 17.8.2022). Die Gruppe hatte zuvor jeden Händler, der kein Schutzgeld abführt, mit dem Tod bedroht (Sahan/SWT 17.8.2022).
Vorfälle: In Benadir/Mogadischu leben nach Angaben einer Quelle 2,874.431 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2021 insgesamt 85 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 79 dieser 85 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2022 waren es 105 derartige Vorfälle (davon 94 mit je einem Toten) (ACLED 2023). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und violence against civilians ergeben sich für 2022 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): 3,7.
2022 waren besonders die Bezirke Dayniile (74 Vorfälle), Hodan (39), Dharkenley (36), Yaqshiid (35), Wadajir/Medina (33) und Karaan (30), in geringerem Ausmaß die Bezirke und Hawl Wadaag (18), Heliwaa (14), Wardhiigleey (11) und Xamar Jabjab (10) von tödlicher Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2022 v.a. in den Bezirken Dayniile (16 Vorfälle) und in geringerem Ausmaß in Dharkenley (12), Wadajir/Medina (12), Hodan (10) und Karaan (10) von gegen sie gerichteter, tödlicher Gewalt betroffen (ACLED 2023).
In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2022 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie "violence against civilians", in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt:
ACLED 2023 (und Vorgängerversionen) ACLED 2023 (und Vorgängerversionen) ACLED 2023 (und Vorgängerversionen)
Quellen
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AQ20 - Anonyme Quelle 20 / Analysten zur Sicherheitslage in Somalia (5.2023): Lagebericht;
AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche;
BBC - British Broadcasting Corporation (18/1/2021): Somali concern at US troop withdrawal, https://www.bbc.com/news/world-africa-55677077, Zugriff 11.10.2023;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (14/9/2023): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9/2/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
BS - Bertelsmann Stiftung (2022a): BTI 2022 Country Report Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069667/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 6.10.2023;
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Halqabsi - Halqabsi News (18/4/2023): Somali Government Announces New Security Operation “Ciiltire” to Strengthen Mogadishu’s Security, https://halqabsi.com/2023/04/somali-government-announces-cilltire/, Zugriff 12.10.2023;
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SRF - Schweizer Radio und Fernsehen (27/12/2021): Ein Staat ohne Macht - Somalia: Leben im gescheiterten Staat, https://www.srf.ch/news/international/ein-staat-ohne-macht-somalia-leben-im-gescheiterten-staat, Zugriff 11.10.2023;
Sahan/Gedo - Gedo Times (Autor), Sahan (Herausgeber) (7/8/2023): Banaadir Governor addresses Mogadishu land disputes, in: The Somali Wire Issue No. 575, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
Sahan/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Sahan (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (6/9/2023): Securing Mogadishu, in: The Somali Wire Issue No. 588, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
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Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (29/8/2022): Mogadishu’s gang proliferation, in: The Somali Wire Issue No. 444, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (17/8/2022): The threat that locally organised clan militias pose to Al-Shabaab, in: The Somali Wire Issue No. 439, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (27/7/2022): The rise of Mogadishu’s street gangs, in: The Somali Wire Issue No. 431, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (8/6/2022): Editor’s Pick – Somalia’s new president seeks peace at home and abroad, in: The Somali Wire Issue No. 400, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (18/1/2022): The rise of Mogadishu’s street gangs, in: The Somali Wire Issue No. 309, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
Think/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Think Tank (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
UNFPA - United Nations Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 – Somalia, https://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Population-Estimation-Survey-of-Somalia-PESS-2013-2014.pdf, Zugriff 11.10.2023;
UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official römisch zehn (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
UNSC - United Nations Security Council (10/10/2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], https://www.ecoi.net/en/file/local/2081261/N2263844.pdf, Zugriff 11.10.2023;
UNSC - United Nations Security Council (6/10/2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849), https://reliefweb.int/attachments/17a953bc-861a-348a-a59b-1e182f053030/S_2021_849_E.pdf, Zugriff 12.10.2023;
HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Die Macht der Regierung von HirShabelle reicht in alle Gebiete östlich des Shabelle und jedenfalls die Regionalhauptstädte Jowhar und Belet Weyne. Die Macawiisley haben beeindruckende Erfolge gegen al Shabaab erzielt und die Gruppe weitgehend aus den östlichen Teilen von Hiiraan und Middle Shabelle verdrängt (BMLV 1.12.2023). Quellen der FFM Somalia 2023 geben an, dass Busse zwischen Mogadischu und Belet Weyne und weiter nach Dhusamareb und Galkacyo verkehren. Es gibt nur wenige Checkpoints, an den Eingängen der Städte wird kontrolliert (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023); die Straße ist offen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle gibt an, dass die Route immer noch gefährlich ist und Menschen mit dem Flugzeug reisen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Eine aktuellere Quelle erklärt, dass sich die Lage entlang der Verbindung von Jowhar nach Belet Weyne nach Rückschlägen der Regierungstruppen im September 2023 wieder verschlechtert hat, diese ist aber nicht mit der schlechten Lage vor der Offensive 2022 vergleichbar. Generell hat sich die Lage in Ost-Hiiraan und in Middle Shabelle verbessert. Hier sind in weiten Gebieten auch Bewegungen zwischen den Orten möglich (BMLV 1.12.2023).
Zur laufenden Offensive in Zentralsomalia siehe Süd-/Zentralsomalia, Puntland .
Hiiraan: Belet Weyne, Buulo Barde und Jalalaqsi befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS (PGN 23.1.2023). Die beiden erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Im Nordwesten Hiiraans ist al Shabaab nur in geringer Stärke präsent. Vor allem der Bereich entlang der somalisch-äthiopischen Grenze ist aktuell als sicher anzusehen (BMLV 1.12.2023). Gemäß Regierungsangaben haben die Hawadle in Hiiraan alle Teile ihres Clangebiets von al Shabaab zurückerobert (Economist 3.11.2022). Nur noch das südwestliche Hiiraan befindet sich unter Kontrolle von al Shabaab (PGN 23.1.2023). Die Verbindung von Jowhar nach Belet Weyne ist grundsätzlich offen. Zwischen Buulo Barde und Belet Weyne ist es in den letzten Monaten aber wiederholt zu Zusammenstößen gekommen, die mit den Versuchen von al Shabaab, Truppen über den Shabelle nach Osten zu verlegen, zusammenhängen. Die Ortschaften entlang der Straße befinden sich jedenfalls nicht unter Kontrolle von al Shabaab (BMLV 1.12.2023).
Auch eine Quelle der FFM Somalia 2023 gibt an, dass sich die Erreichbarkeit von Hiiraan nach der Offensive verbessert hat. Tatsächlich verfügt die Regierung aber nicht über ausreichend Ressourcen, um jedes Dorf abzusichern. Trotzdem sich die Situation entlang der Hauptroute also verbessert hat, gibt es nach wie vor sogenannte Hit-and-Run-Angriffe und Hinterhalte. Aus Sicherheitsgründen bevorzugen manche Menschen weiterhin den Luftweg. Normalbürger können aber auch den Landweg nutzen und tun dies auch (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle berichtete allerdings schon im September 2022, dass die Verbindung von Belet Weyne nach Buulo Barde sicher ist (FTL 27.9.2022); eine weitere Quelle gibt im Juni 2023 an, dass Bürger zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt ohne Angst vor al Shabaab auf dieser Straße reisen können (Sahan/SWT 7.6.2023). Die meisten der wichtigen Verbindungsstraßen befinden sich unter Kontrolle der Regierung (Economist 3.11.2022).
In Belet Weyne ist die Sicherheitslage unverändert vergleichsweise stabil, es kommt nur sporadisch zu Gewalt oder Attacken der al Shabaab. In der Stadt befinden sich das Regionalkommando der Bundesarmee sowie Stützpunkte dschibutischer ATMIS-Truppen und der äthiopischen Armee. Zusätzlich gibt es einzelne Polizisten und Teile einer Formed Police Unit von ATMIS. Zudem gibt es eine relativ starke Bezirksverwaltung und lokal rekrutierte Polizeikräfte. Clankonflikte werden nicht in der Stadt, sondern mehrheitlich außerhalb ausgetragen. Die in Belet Weyne vorhandene Präsenz der al Shabaab scheint kaum relevant (BMLV 1.12.2023). Anfang Oktober 2022 führte al Shabaab in Belet Weyne einen dreifachen Sprengstoffanschlag gegen einen Militärstützpunkt und das Hauptquartier der Lokalregierung durch. Dabei wurden mehr als 20 Personen getötet, darunter der Vizegouverneur von Hiiraan und der Gesundheitsminister der Region (VOA 3.10.2022).
Middle Shabelle: Jowhar, Balcad, Adan Yabaal und Cadale befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS (PGN 23.1.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023). Die beiden erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 1.12.2023). Auch in Adan Yabaal gibt es eine Garnison der Bundesarmee. Ansonsten findet sich die Armee nur in kritischen Gebieten - also entlang der Hauptversorgungsrouten (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab wurde im Dezember 2022 au der Bezirkshauptstadt Adan Yabaal vertrieben. Die Stadt war seit 2016 eine wichtige Bastion der Gruppe (VOA 6.12.2022). In Middle Shabelle befindet sich lediglich noch ein schmaler Streifen im Nordwesten, westliche des Shabelle an der Grenze zu Hiiraan, unter Kontrolle von al Shabaab (PGN 23.1.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023).
Jowhar gilt als relativ ruhig. Dort befinden sich das Brigadekommando der burundischen ATMIS-Kräfte und ein Bataillon dieser Truppen (BMLV 1.12.2023). Am 17.7.2022 verübte al Shabaab einen schweren Anschlag auf ein Hotel, unter den Toten fanden sich zwei hohe Staatsvertreter (UNSC 1.9.2022b).
Im Bezirk Cadale waren im November 2022 Clanauseinandersetzungen ausgebrochen, nachdem sich al Shabaab aus dem Gebiet zurückgezogen hatte. Auslöser war ein Landkonflikt, es gab Dutzende Tote (HO 29.11.2022; vergleiche FTL 18.11.2022). Die somalische Regierung hat Sicherheitskräfte entsandt (RD 1.12.2022), Friedensverhandlungen wurden in Gang gesetzt (FTL 18.11.2022). In den nachfolgenden Monaten ist die Lage im Bezirk ruhig verblieben (BMLV 1.12.2023).
Vorfälle: In den beiden Regionen Hiiraan (420.060) und Middle Shabelle (961.554) leben nach Angaben einer Quelle 1,381.614 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2021 insgesamt 32 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 24 dieser 32 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2022 waren es 36 derartige Vorfälle (davon 28 mit je einem Toten) (ACLED 2023). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und violence against civilians ergeben sich für 2022 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): Middle Shabelle 1,04; Hiiraan 6,12;
In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2022 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie "violence against civilians", in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt:
ACLED 2023 (und Vorgängerversionen)
Quellen
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (2023): Curated Data - Africa (6 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
Economist - Economist, The (3/11/2022): Somali clans are revolting against jihadists, https://www.economist.com/middle-east-and-africa/2022/11/03/somali-clans-are-revolting-against-jihadists, Zugriff 18.10.2023;
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FTL - Facility for Talo and Leadership (27/9/2022): Convoy Carrying Hiiraan Governor Arrives Safely in Buulebarde Town, https://www.ftlsomalia.com/convoy-carrying-hiiraan-governor-arrives-safely-in-buulebarde-town/, Zugriff 18.10.2023;
HO - Hiiraan Online (29/11/2022): Family of five massacred in Warsheikh district, https://www.hiiraan.com/news4/2022/Nov/188900/family_of_five_massacred_in_warsheikh_district.aspx?utm_source=hiiraan&utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 18.10.2023;
INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
IPC - Integrated Food Security Phase Classification (13/12/2022): Nearly 8.3 million people across Somalia face Crisis (IPC Phase 3) or worse acute food insecurity outcomes, https://reliefweb.int/attachments/fc2d405c-ca29-4526-ad96-6618c2756192/Multi-Partner-Technical-Release-on-Updated-IPC-Analysis-for-Somalia-fo-October-2022-to-June-2023-Final-%28English%29-13-Dec-2022.pdf, Zugriff 10.10.2023;
PGN - Political Geography Now (23/1/2023): Special Preview: Somalia Control Map – Full Report Forthcoming, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf, https://controlmaps.polgeonow.com/2023/01/al-shabaab-controlled-territory-2023-map-somalia/, Zugriff 10.10.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
RD - Radio Dalsan (1/12/2022): Somalia deploys Gor Gor Special Force to contain inter-clan wars, https://www.radiodalsan.com/somalia-deploys-gor-gor-special-force-to-contain-inter-clan-wars/, Zugriff 18.10.2023;
Researcher/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Researcher (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
Sahan/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Sahan (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (7/6/2023): Countering Al-Shabaab Encroachment on Somalia’s Forward Operating Bases, in: The Somali Wire Issue No. 550, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
UNSC - United Nations Security Council (1/9/2022b): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/665], https://www.ecoi.net/en/file/local/2078696/N2257941.pdf, Zugriff 9.10.2023;
VOA - Voice of America (6/12/2022): Somali Army Dislodges Al-Shabab From Key Stronghold, https://www.voanews.com/a/somali-army-dislodges-al-shabab-from-key-stronghold-/6864706.html, Zugriff 18.10.2023;
VOA - Voice of America (3/10/2022): At Least 20 Killed in Central Somalia Blasts, https://www.voanews.com/a/car-bombs-rock-somali-town-at-center-of-mobilization-against-al-shabab-/6773383.html, Zugriff 18.10.2023;
Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Generell hat die Regierung von Galmudug die Kontrolle über die Städte Dhusamareb, Cadaado, Matabaan und Cabudwaaq. Die Städte Dhusamareb und Guri Ceel sind weitgehend frei von al Shabaab. In Dhusamareb befindet sich das Hauptquartier einer Division der Bundesarmee sowie eine Garnison von ATMIS-Truppen aus Dschibuti; letztere soll allerdings mittelfristig abgezogen werden. Die Städte Cadaado und Galkacyo können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 1.12.2023). Zwei Quellen der FFM Somalia 2023 bezeichnen Dhusamareb als sicher (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Ende August 2023 ist es in mehreren Städten von Galmudug (u.a. in Galkacyo, Guri Ceel, Cabudwaaq und Balanbaale) zu öffentlichen Demonstrationen gegen al Shabaab und in Unterstützung der Regierungsoffensive gekommen (Halqabsi 28.8.2023).
Zur laufenden Offensive in Zentralsomalia siehe Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Ahlu Sunna Wal Jama’a (ASWJ): ASWJ ist eine moderate Sufi-Miliz (AA 15.5.2023). Sie griff im Mai 2022 Regierungsposten in Dhusamareb an (HIPS 24.3.2023). Die staatlichen Kräfte konnten ASWJ vertreiben und sind in Richtung Bohol nachgestoßen (UNSC 1.9.2022a), ASWJ wurde besiegt (HIPS 24.3.2023). Die Spannungen haben sich mit der (neuerlichen) mehrheitlichen Auflösung der ASWJ gelegt. Generell hat die Gruppe kein politisches Gewicht mehr (BMLV 9.2.2023). Die im Jänner 2023 erschienene Lagekarte von PGN verortet verbliebene Kräfte der ASWJ lediglich im Ort Bohol in Galgaduud (PGN 23.1.2023).
Clans: Im August 2022 kam es in den Bezirken Cabudwaaq und Cadaado zu mehrere Tage anhaltenden Kämpfen zwischen zwei Clans. Der Konflikt hatte sich um Brunnen und Weiderechte entflammt und wurde schließlich mit Unterstützung durch die Regierung von Galmudug bzw. durch die Entsendung von Sicherheitskräften beendet. Die Kämpfe forderten mehr als ein Dutzend Todesopfer (RD 28.8.2022).
Gebietskontrolle und al Shabaab: Cadaado, Dhusamareb, Cabudwaaq, Hobyo, Xaradheere und Ceel Dheere befinden sich unter Kontrolle von ATMIS und/oder Regierungstruppen (PGN 23.1.2023). Al Shabaab wurde von der Hauptverbindungsroute Belet Weyne - Dhusamareb abgedrängt und auch von der Küste und aus den Orten Ceel Huur, Hobyo und Xaradheere verdrängt. Ceel Dheere, Galcad und Xaradheere wurden alle am 16.1.2023 von Regierungskräften eingenommen (BMLV 9.2.2023). Allerdings fielen Ceel Dheere, Galcad und Ceel Buur danach wieder an al Shabaab (BMLV 1.12.2023).
Im Zentrum der Region Mudug (westlich der Linie Wisil - Miroon bzw. südlich der Achse Baxdo - Dhusamareb befinden sich noch Räume von al Shabaab. Gleiches gilt in Galgaduud für die Gebiete im Nordwesten der gedachten Linie Ceel Dheere - Galcad - Maxaas. Der Großraum Ceel Buur bis Xiindheere gilt als Gebiet der al Shabaab (BMLV 1.12.2023). Die Kontrolle von al Shabaab beschränkt sich damit auf den Bezirk und die Stadt Ceel Buur sowie auf Teile der Bezirke Ceel Dheere und Xaradheere (PGN 23.1.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023).
Galkacyo: Puntland und Galmudug haben im Juni 2020 eine Einigung erzielt, um vergangene Streitpunkte beizulegen (PGN 10.2020). Die Sicherheitslage in Galkacyo hat sich seit Anfang 2021 stabilisiert. Generell hat sich die Kooperation zwischen den Verwaltungen und Sicherheitskräften von Galmudug und Puntland wesentlich verbessert, dadurch konnten auch Mitglieder der al Shabaab in Galkacyo aufgespürt und verhaftet werden. Ob al Shabaab in Galkacyo Steuern eintreibt, ist unklar; es kommt sehr selten zu Attentaten. Die Gruppe hat dort an Kraft eingebüßt und konnte weder im Nord- noch im Südteil der Stadt die Unterstützung der Bevölkerung mobilisieren (BMLV 9.2.2023).
Eine Quelle der FFM Somalia 2023 bezeichnet Galkacyo als nicht stabil (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab verübt weiterhin Attentate in der Stadt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl.INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Zwei Quellen erklären, dass sich die Situation in der Stadt gebessert hat, nicht aber am Stadtrand und in den Dörfern des Umlandes (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023). Es gibt dort immer noch Einfluss von und Angst vor al Shabaab, und auch nach wie vor Clankonflikte (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle hat die Gruppe im Norden von Galmudug einen schwächeren Zugriff als im Süden des Landes (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Jedenfalls haben die politischen Probleme in Puntland auch Auswirkungen auf die Lage in Galkacyo. An der Grenze von Galmudug zu Puntland gibt es anhaltende Clankonflikte. Dies hat sich zuletzt wieder im Oktober 2023 rund um Galdogob zwischen Lelkase und Habr Gedir / Sa'ad erwiesen (BMLV 1.12.2023).
Vorfälle: In den beiden Regionen Galgaduud (689.872) und Mudug (1,317.403) leben nach Angaben einer Quelle 2,007.275 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2021 insgesamt 43 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 28 dieser 43 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2022 waren es 51 derartige Vorfälle (davon 33 mit je einem Toten) (ACLED 2023). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und violence against civilians ergeben sich für 2022 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): Mudug 1,52; Galgaduud 4,49;
In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2022 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie "violence against civilians", in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankun
gsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt:
AcLED 2023 (und Vorgängerversionen)
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15/5/2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092375/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_April_2023%29%2C_15.05.2023.pdf, Zugriff 2.10.2023 [Login erforderlich];
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (2023): Curated Data - Africa (6 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9/2/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (24/3/2023): State of Somalia 2022 Report, Year in Review, https://8v90f1.p3cdn1.secureserver.net/wp-content/uploads/2023/03/SOS-REPORT-2022-The-Year-in-Review.pdf, Zugriff 4.10.2023;
Halqabsi - Halqabsi News (28/8/2023): Demonstrations Across Galmudug Show Support for Anti-Al-Shabaab Offensive, https://halqabsi.com/2023/08/demonstrations-in-galmudug-support-anti-alshabaab-offensive/, Zugriff 7.11.2023;
INGO-C/STDOK/SEM - Internationale NGO C (Autor), Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
IPC - Integrated Food Security Phase Classification (13/12/2022): Nearly 8.3 million people across Somalia face Crisis (IPC Phase 3) or worse acute food insecurity outcomes, https://reliefweb.int/attachments/fc2d405c-ca29-4526-ad96-6618c2756192/Multi-Partner-Technical-Release-on-Updated-IPC-Analysis-for-Somalia-fo-October-2022-to-June-2023-Final-%28English%29-13-Dec-2022.pdf, Zugriff 10.10.2023;
MAEZA/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Mitarbeiter einer Organisation für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
PGN - Political Geography Now (23/1/2023): Special Preview: Somalia Control Map – Full Report Forthcoming, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf, https://controlmaps.polgeonow.com/2023/01/al-shabaab-controlled-territory-2023-map-somalia/, Zugriff 10.10.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
PGN - Political Geography Now (10.2020): Somalia Control Map & Timeline - October 2020, per e-Mail, https://controlmaps.polgeonow.com/2020/10/somalia-map-of-al-shabaab-control/, Zugriff 7.7.2022 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
RD - Radio Dalsan (28/8/2022): Somali Army intervenes as two militia groups clash in Galguduud, Link ungültig [liegt in der Staatendokumentation auf], https://www.radiodalsan.com/en/76809/2022/08/somali-army-intervenes-as-two-militia-groups-clash-in-galguduud/, Zugriff 12.9.2022;
UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official römisch zehn (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
UNSC - United Nations Security Council (1/9/2022a): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/665], https://www.ecoi.net/en/file/local/2078696/N2257941.pdf, Zugriff 6.10.2023;
Puntland (Bari, Nugaal, Teile von Mudug)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
[Zu Auseinandersetzungen im Grenzgebiet zu Somaliland (v.a. Sool) siehe Somaliland und Unterkapitel.]
Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 ist Puntland im Wesentlichen stabil (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Clanmilizen spielen eine untergeordnete Rolle, wenngleich sie weiterhin präsent sind (AA 15.5.2023). Die wichtigsten Clans sind in das staatliche Gefüge Puntlands eingebunden, obgleich die Streitigkeiten um die Wählerregistrierung diesbezüglich manche Fragen aufwerfen (BMLV 9.2.2023). Allerdings sind die Grenzen im Süden und Nordwesten nicht klar definiert. Dies führt mitunter zu kleineren Scharmützeln, an der Grenze zu Somaliland auch zu schwereren Auseinandersetzungen. So kommt es etwa um die Stadt Galkacyo fallweise zu Auseinandersetzungen (AA 15.5.2023). Generell sind die Städte in Puntland sicherer als ländliche Gegenden. So konnte etwa die Wählerregistrierung in den östlichen Bezirken nur unter Beteiligung der Sicherheitskräfte durchgeführt werden (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).
Im Juni 2023 kam es in Garoowe zu Kampfhandlungen zwischen Clan- und Sicherheitskräften [siehe weiter unten]. Die Gewalt ließ schnell nach, die Ältesten des Majerteen-Clans verhandelten einen vorläufigen Waffenstillstand. Doch die allgemeinen politischen Spannungen nehmen noch lange nicht ab (Sahan/SWT 26.6.2023b).
Fallweise kommt es auch in Puntland zu Anschlägen durch al Shabaab und den Islamischen Staat in Somalia (ISIS) - insbesondere in und um Bossaso (AA 15.5.2023). Hier kommt es zur gezielten Tötung von Geschäftsleuten, aber auch von Politikern und einflussreichen Menschen, die der Regierung nahestehen (ACCORD 31.5.2021). Nach Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 sind Personen in Garoowe und Bossaso vor al Shabaab einigermaßen sicher, die Gruppe kann dort 'nicht einfach machen, was sie will' - auch wenn es zu Drohungen kommt (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle bestätigt diese Informationen (BMLV 1.12.2023).
In Garoowe gibt es hinsichtlich al Shabaab wenig nennenswerte Vorfälle, die Stadt wird als nahezu frei von al Shabaab beschrieben (BMLV 1.12.2023). Quellen der FFM Somalia 2023 erklären, dass Garoowe relativ stabil (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) bzw. eine sichere Stadt ist (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle erklärt, dass sich die Sicherheitslage in Garoowe aber verschlechtert hat, und die Lage dort schlechter bewertet wird als etwa in Hargeysa. Für internationale Mitarbeiter sind die Auflagen in Garoowe jedenfalls größer, lokale Mitarbeiter bewegen sich frei (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023).
Wegen der innenpolitischen Auseinandersetzungen kam es aber in den letzten Monaten wiederholt zu bewaffneten Auseinandersetzungen in der Stadt (v.a. zwischen unterschiedlichen Teilen der Streit- und Sicherheitskräfte), denen auch Zivilisten zum Opfer gefallen sind (BMLV 1.12.2023). So wurden etwa am 20.6.2023 bei schweren Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften mindestens 26 Personen getötet und 30 verletzt worden - darunter Zivilisten. Ausgebrochen waren die Gefechte nach einer Parlamentssitzung zu den kommenden Wahlen in Puntland und damit verbundenen Verfassungsänderungen (REU 20.6.2023; vergleiche AJ 21.6.2023). Am 19.11.2023 verlegten Teile der Puntland Maritime Police Force nach Garoowe, um die Sicherheitslage in den Griff zu bekommen - eine außergewöhnliche Maßnahme (BMLV 1.12.2023).
Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass Bossaso nicht als stabil zu bezeichnen ist (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle ist Bossaso generell sicher (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Es kommt dort aber zu gezielten Attentaten (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche Researcher/STDOK/SEM 4.2023) und zu Angriffen auf Unternehmen. Einige gezielte Tötungen stehen direkt mit Geldforderungen in Zusammenhang. Insgesamt agiert al Shabaab hier aber nicht so systematisch wie im Süden, dafür mischt hier auch ISIS mit (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Zudem ist es 2022 in Bossaso zu Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften gekommen. Dieser Konflikt ist zwar vorbei, er kann aber jederzeit wieder ausbrechen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).
Al Shabaab kontrolliert in Puntland keine relevanten Gebiete, sondern ist nur in wenigen, schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten (AA 15.5.2023; vergleiche PGN 23.1.2023, INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Von dort aus unternimmt die Gruppe - meist kleinere - Operationen ins Umland. Manchmal sickern Insurgenten nach Bossaso ein, wo sie in gewissem Ausmaß auch tatsächlich eine Bedrohung darstellen, und wo es öfters v.a. zu kleineren Anschlägen kommt. Zumindest in Bossaso treibt al Shabaab auch Steuern ein. Insgesamt haben sich Präsenz und Aktivitäten der Gruppe in Puntland in den letzten Jahren nicht verändert. Al Shabaab verfügt in Puntland über finanzielle Netzwerke sowie über Möglichkeiten zur Rekrutierung, Propaganda und Indoktrination. Beim Einheben von Steuern in Bossaso konkurriert al Shabaab mit dem ISIS [siehe unten] (BMLV 1.12.2023). Überhaupt schwächen sich die zwei Gruppen in Puntland gegenseitig, indem sie sich bekämpfen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023).
Generell ist al Shabaab in Puntland aber mangels Ressourcen und Kapazitäten in ihren Aktivitäten eingeschränkt (BMLV 9.2.2023; vergleiche IO-D/STDOK/SEM 4.2023, INGO-F/STDOK/SEM 4.2023) - auch wenn die Gruppe dort über die relevanten Vorgänge informiert ist (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Zudem hat Puntland bemerkenswerte Kapazitäten aufgebaut. Durch die Glaubwürdigkeit der bestehenden Institutionen entstand Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung. Dies wiederum erschwert al Shabaab ihre Operationen (Schwartz/HO 12.9.2021). Laut einer Quelle sind in jüngerer Vergangenheit Hunderte Kämpfer der Gruppe nach Nordsomalias und an die Grenze zu Somaliland entsendet worden. Die meisten davon finden sich demnach in Bari in Puntland (Sahan/SWT 22.5.2023).
Der sogenannte, von Abdiqadir Mumin geführte Islamische Staat in Somalia (ISIS) ist weiterhin in Puntland präsent, verfügt jedoch nicht über die Fähigkeit, große Gebiete zu kontrollieren oder bedeutende Operationen durchzuführen (UNSC 31.7.2023). Diese IS-Fraktion kontrolliert keine Gebiete, sondern ist nur in wenigen, schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten (AA 15.5.2023; vergleiche PGN 23.1.2023). Nach unterschiedlichen Schätzungen verfügt die Gruppe über 100-200 (UNSC 31.7.2023), 150-300 (BMLV 9.2.2023), 200-250 (Sahan/SWT 8.9.2023) oder ca. 250-300 Kämpfer (VOA/Maruf 14.3.2023; vergleiche USDOS 15.5.2023). Im Jahr 2019 betrug die Stärke noch 340 Mann, diese ist aber nach Verlusten zurückgegangen (UNSC 6.10.2021). Dem ISIS mangelt es an Fähigkeiten, größere Aktionen durchzuführen. Außerdem leidet er an Abgängen (BMLV 9.2.2023). Die Eliminierung eines Strategen des ISIS im Jänner 2023 durch eine Operation der USA in Puntland war für die Gruppe ein schwerer Schlag (JF 31.3.2023).
Die IS-Fraktion befindet sich im Gebiet um die Almiskat-Berge (PGN 23.1.2023; vergleiche VOA/Maruf 14.3.2023). Nach Angaben des US-Außenministeriums kassierte der ISIS im Jahr 2022 fast zwei Millionen US-Dollar an Erpressungssteuern, was jedoch einen Rückgang von 500.000 US-Dollar gegenüber 2021 bedeutet (Sahan/SWT 8.9.2023). Die Gruppe kann sich in Puntland nicht frei bewegen und konnte bislang selbst in Bossaso keine permanente Präsenz aufbauen (BMLV 9.2.2023). Generell wechselt die Gruppe zwischen Höhlen und Ansiedlungen und hat keine brauchbare Operationsbasis (VOA/Maruf 14.3.2023). In Bossaso verfügt er nur über Sympathisanten. Allerdings stattet der ISIS Geschäftstreibenden in Bossaso regelmäßige Besuche ab, um Abgaben einzutreiben (BMLV 9.2.2023). Mitte 2023 gab es Berichte, wonach Geschäfte in Bossaso aufgrund des Drucks des ISIS geschlossen blieben. Es gab Erpressungsanrufe und mindestens ein Geschäft wurde Ziel eines Angriffs. Die Geschäftswelt von Bossaso hat sich im August mit der Verwaltung der Region Bari getroffen, um gegen die Erpressungen zu protestieren. Auch wenn die Erpressung von Unternehmern in Bossaso besorgniserregend ist, stellt ISIS keine wesentliche Bedrohung für die allgemeine Sicherheit Somalias dar (Sahan/SWT 8.9.2023).
Die Berichte des UN-Sicherheitsrates aus dem ersten Halbjahr 2023 beinhalten nur zwei Einträge zu Aktivitäten des ISIS in Puntland: Im Jänner kam es im Bezirk Bossaso zu einem Scharmützel mit puntländischen Sicherheitskräften (UNSC 16.2.2023); und im Feber zu einem missglückten Anschlag ebendort (UNSC 15.6.2023). Seit März 2023 gibt es zudem wieder Berichte über Zusammenstöße zwischen al Shabaab und dem ISIS - mit erheblichen Opfern (Sahan/SWT 22.5.2023; vergleiche Sahan/SWT 8.9.2023).
Vorfälle: In den beiden Regionen Nugaal (572.139) und Bari (1,102.760) leben nach Angaben einer Quelle 1,674.896 Millionen Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2021 insgesamt zehn Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei neun dieser zehn Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2022 waren es acht derartige Vorfälle (davon alle mit je einem Toten) (ACLED 2023). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und violence against civilians ergeben sich für 2022 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): Bari 0,45; Nugaal 0,52;
In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2022 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie "violence against civilians", in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt:
ACLED 2023 (und Vorgängerversionen)
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15/5/2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092375/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_April_2023%29%2C_15.05.2023.pdf, Zugriff 2.10.2023 [Login erforderlich];
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31/5/2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf, Zugriff 17.5.2022;
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (2023): Curated Data - Africa (6 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
AJ - Al Jazeera (21/6/2023): Armed factions in Somalia’s Puntland agree ceasefire after clash, https://www.aljazeera.com/news/2023/6/21/armed-factions-in-somalias-puntland-agree-ceasefire-after-clash, Zugriff 18.10.2023;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9/2/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail;
INGO-C/STDOK/SEM - Internationale NGO C (Autor), Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
IPC - Integrated Food Security Phase Classification (13/12/2022): Nearly 8.3 million people across Somalia face Crisis (IPC Phase 3) or worse acute food insecurity outcomes, https://reliefweb.int/attachments/fc2d405c-ca29-4526-ad96-6618c2756192/Multi-Partner-Technical-Release-on-Updated-IPC-Analysis-for-Somalia-fo-October-2022-to-June-2023-Final-%28English%29-13-Dec-2022.pdf, Zugriff 10.10.2023;
JF - Jamestown Foundation, The (31/3/2023): Bilal al-Sudani’s Death Weakens Islamic State Influence in Somalia, Terrorism Monitor Volume: 21 Issue: 7, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089872.html, Zugriff 18.10.2023;
MAEZA/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Mitarbeiter einer Organisation für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
PGN - Political Geography Now (23/1/2023): Special Preview: Somalia Control Map – Full Report Forthcoming, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf, https://controlmaps.polgeonow.com/2023/01/al-shabaab-controlled-territory-2023-map-somalia/, Zugriff 10.10.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich];
REU - Reuters (20/6/2023): 36 dead in violence in Somalia's Puntland and Lower Shabelle regions, https://www.reuters.com/world/africa/fighting-erupts-somalias-puntland-regional-parliament-debates-voting-changes-2023-06-20/, Zugriff 18.10.2023;
Researcher/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Researcher (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (8/9/2023): Beyond Puntland: The Islamic State in Somalia, in: The Somali Wire Issue No. 589, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (26/6/2023b): Puntland adrift, in: The Somali Wire Issue No. 558, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (22/5/2023): Al-Shabaab terrorism in the region, in: The Somali Wire Issue No. 543, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich];
Schwartz/HO - Stephen Schwartz (Autor), Hiiraan Online (Herausgeber) (12/9/2021): Somalia’s Leaders Need to Seize Immediately the Lessons of Afghanistan, https://hiiraan.com/op4/2021/sept/183881/somalia_s_leaders_need_to_seize_immediately_the_lessons_of_afghanistan.aspx, Zugriff 18.10.2023;
UNSC - United Nations Security Council (31/7/2023): Seventeenth report of the Secretary-General on the threat posed by ISIL (Da’esh) to international peace and security and the range of United Nations efforts in support of Member States in countering the threat [S/2023/568], https://www.ecoi.net/en/file/local/2095987/N2321007.pdf, Zugriff 25.9.2023;
UNSC - United Nations Security Council (15/6/2023): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2023/443], https://www.ecoi.net/en/file/local/2094041/N2316278.pdf, Zugriff 2.10.2023;
UNSC - United Nations Security Council (16/2/2023): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2023/109], https://www.ecoi.net/en/file/local/2087441/N2303721.pdf, Zugriff 16.10.2023;
UNSC - United Nations Security Council (6/10/2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849), https://reliefweb.int/attachments/17a953bc-861a-348a-a59b-1e182f053030/S_2021_849_E.pdf, Zugriff 12.10.2023;
USDOS - United States Department of State [USA] (15/5/2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091895.html, Zugriff 18.10.2023;
VOA/Maruf - Voice of America (Herausgeber), Harun Maruf (Autor) (14/3/2023): Officials Warn Against Underestimating Al-Shabab and IS in Somalia, https://www.voanews.com/a/officials-warn-against-underestimating-al-shabab-and-is-in-somalia-/7004684.html, Zugriff 19.10.2023;
Al Shabaab
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Zur Offensive in Zentralsomalia siehe Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Al Shabaab ist mit al-Qaida affiliiert (THLSC 20.3.2023) und wird häufig und korrekterweise als die größte zu al-Qaida zugehörige Gruppe bezeichnet (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023). Die Gruppe weist eine stärkere innere Kohärenz auf als die Bundesregierung und einige der Bundesstaaten. Al Shabaab nutzt erfolgreich lokale Missstände, um taktische Allianzen zu schmieden und Kämpfer zu rekrutieren (Sahan/SWT 27.3.2023). Die Gruppe erkennt die Bundesregierung nicht als legitime Regierung Somalias an (UNSC 10.10.2022) und lehnt die gesamte politische Ordnung Somalias, die sie als unislamisch bezeichnet, ab (Sahan/SWT 9.6.2023). Al Shabaab wendet eine Strategie des asymmetrischen Guerillakriegs an, die bisher sehr schwer zu bekämpfen war. Zudem bietet die Gruppe in den Gebieten unter ihrer Kontrolle Sicherheit und eine grundlegende Regierungsführung (Sahan/SWT 27.3.2023).
Al Shabaab ist eine mafiöse Organisation, die Schutzgelder im Austausch für Sicherheits-, Sozial- und Finanzdienstleistungen verlangt. Ihre konsequente Botschaft ist, dass die Alternative - die Bundesregierung - eigennützig und unzuverlässig ist (Sahan/SWT 25.8.2023). Die Gruppe ist weiterhin eine gut organisierte und einheitliche Organisation mit einer strategischen Vision: die Eroberung Somalias (BMLV 9.2.2023) bzw. die Durchsetzung ihrer eigenen extremen Interpretation des Islams und der Scharia in "Großsomalia" (USDOS 15.5.2023) und der Errichtung eines islamischen Staates in Somalia (CFR 6.12.2022). Al Shabaab ist eine tief verwurzelte, mafiöse Organisation, die in fast allen Facetten der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik integriert ist (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Die Gruppe ist vermutlich die reichste Rebellenbewegung in Afrika (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 finanziert al Shabaab die al-Qaida - und nicht anders herum (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Ausländische Kämpfer haben nur noch einen begrenzten Einfluss in der Gruppe; und die Beziehungen zur al-Qaida haben sich nachhaltig geändert (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Der Anführer von al Shabaab ist Ahmed Diriye alias Sheikh Ahmed Umar Abu Ubaidah (BBC 15.6.2023). Al I'ttisam gilt als ideologischer Bruder von al Shabaab (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023).
Al Shabaab kontrolliert auch weiterhin den größeren Teil Süd-/Zentralsomalias (BMLV 9.2.2023; vergleiche Rollins/HIR 27.3.2023) und übt auf weitere Teile, wo staatliche Kräfte die Kontrolle haben, Einfluss aus. Nachdem al Shabaab in den vergangenen zehn Jahren weiter Gebiete verlustig ging, hat sich die Gruppe angepasst. Ohne Städte physisch kontrollieren zu müssen, übt al Shabaab durch eine Mischung aus Zwang und administrativer Effektivität dort Einfluss und Macht aus (BMLV 9.2.2023). Gleichzeitig ist die Zahl der unter direkter Kontrolle von al Shabaab lebenden Menschen laut einer (anonymen) Quelle drastisch zurückgegangen. Früher lebten noch rund eine Million Menschen in deren Gebieten, heute sind es - v.a. aufgrund von Abwanderungen und Flucht im Rahmen der Dürre - noch etwa 500.000 (AQ21 11.2023).
Verwaltung: Während al Shabaab terroristische Aktionen durchführt und als Guerillagruppe agiert, versucht sie unterhalb der Oberfläche eine Art Verwaltungsmacht zu etablieren - z.B. im Bereich der humanitären Hilfe und beim Zugang zu islamischer Gerichtsbarkeit (ACCORD 31.5.2021; vergleiche FP 22.9.2021). römisch fünf.a. bei der Justiz hat al Shabaab geradezu eine Nische gefunden. Im Gegensatz zur Regierung ist al Shabaab weniger korrupt, Urteile sind konsistenter und die Durchsetzbarkeit ist eher gegeben (FP 22.9.2021). Bei der Durchsetzung von Rechtssprüchen und Kontrolle setzt al Shabaab vor allem auf Gewalt und Einschüchterung (BS 2022a). [Zur Gerichtsbarkeit der al Shabaab siehe auch Süd-/Zentralsomalia, Puntland]
Im eigenen Gebiet hat die Gruppe umfassende Verwaltungsstrukturen geschaffen (AQ21 11.2023; vergleiche BS 2022a). Dort übt al Shabaab alle Grundfunktionen einer normalen Regierung aus: Sie hebt Steuern ein, bietet Sicherheit und sorgt mitunter für Sozialhilfe für bedürftige Bevölkerungsgruppen (Rollins/HIR 27.3.2023). Al Shabaab ist es gelungen, dort ein vorhersagbares Maß an Besteuerung, Sicherheit, Rechtssicherheit und sozialer Ordnung zu etablieren und gleichzeitig weniger korrupt als andere somalische Akteure zu sein sowie gleichzeitig mit lokalen Clans zusammenzuarbeiten (Schwartz/HO 12.9.2021). Die Gruppe investiert daher in lokale Regierungssysteme. Al Shabaab setzt Zwang und Überredung ein, um die Treue zum Clan zu erzwingen. Im Gegenzug bietet die Gruppe ihre eigene Art von "Recht und Ordnung" sowie bescheidene Grunddienstleistungen (Sahan/SWT 30.6.2023). Durch das Anbieten öffentlicher Dienste - v.a. hinsichtlich Sicherheit und Justiz - genießt al Shabaab in einigen Gebieten ein gewisses Maß an Legitimität. Mit der Hisba verfügt die Gruppe über eine eigene Polizei (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Offensichtlich führt al Shabaab auch eine Art Volkszählung durch. Auf den diesbezüglich bekannten Formularen müssen u.a. Clan und Subclan, Zahl an Kindern in und außerhalb Somalias, Quelle des Haushaltseinkommens und der Empfang von Remissen angegeben werden (UNSC 10.10.2022). Völkerrechtlich kommen al Shabaab als de-facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihr kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 15.5.2023).
Die Gebiete von al Shabaab werden als relativ sicher und stabil beschrieben, bei einer Absenz von Clankonflikten und geringer Kriminalität (BMLV 9.2.2023; vergleiche JF 18.6.2021). Die Unterdrückung von Clankonflikten ist ein Bereich, in welchem die Gruppe Erfolge erzielen konnte. Z.B. wurde ein Waffenstillstand zwischen Clans in den Distrikten Adan Yabaal und Moqokori, HirShabelle, durchgesetzt; und in Galmudug hat al Shabaab Älteste bestraft, deren Clanmitglieder sich an Clankriegen beteiligt haben (SW 3.2023). Al Shabaab duldet nicht, dass irgendeine andere Institution außer ihr selbst auf ihren Gebieten Gewalt anwendet, sie beansprucht das Gewaltmonopol für sich. Jene, die dieses Gesetz brechen, werden bestraft. Al Shabaab unterhält ein rigoroses Justizsystem, welches Fehlverhalten – etwa nicht sanktionierte Gewalt gegen Zivilisten – bestraft. Daher kommt es kaum zu Vergehen durch Kämpfer der al Shabaab. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BMLV 9.2.2023). Hinsichtlich Korruption ist die Gruppe sehr aufmerksam (AQ21 11.2023).
Insgesamt nimmt die Gruppe im Vergleich zur Regierung effizienter Steuern ein, lukriert mehr Geld, bietet ein höheres Maß an Sicherheit, eine höhere Qualität an Rechtsprechung (Bryden/TEL 8.11.2021). Al Shabaab hat etwa als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie Gesundheitszentren eingerichtet und führt sogar Schulen und Programme, um Mitglieder zur Ausbildung an Universitäten im Ausland zu schicken (Rollins/HIR 27.3.2023). Zudem ermöglicht al Shabaab Fortbildungsmöglichkeiten – auch für Frauen. In Jilib gehen laut einer Quelle Mädchen zur Schule, und Frauen werden von al Shabaab durchaus ermutigt, einer Arbeit nachzugehen (C4/Jamal 15.6.2022). Gemäß anderer Angaben schränkt al Shabaab die Freiheiten von Frauen und Mädchen allgemein stark ein, bietet aber in einigen Fällen eine anders nicht vorhandene Form des Schutzes vor sexueller Gewalt und Entführung (SW 3.2023).
Clans: Mitunter konsultieren lokale Verwalter der al Shabaab auch Clanälteste oder lassen bestehende Bezirksstrukturen weiter bestehen (USDOS 20.3.2023). Andererseits nutzt al Shabaab auch Spannungen und Clankonflikte aus, um eigene Ziele zu erreichen (AQ21 11.2023; vergleiche SPC 9.2.2022). Dies beruht jedoch auf Gegenseitigkeit, denn auch manche Clans nutzen al Shabaab, um politische Vorteile zu erlangen oder sich an Rivalen zu rächen (SPC 9.2.2022). Gemäß den Angaben einer Quelle der FFM 2023 hat sich al Shabaab etwa gezielt an Minderheiten gewendet, die nicht von der Regierung repräsentiert werden. Die Gruppe hat sich so im Süden die Loyalität jeder einzelnen Minderheit erkauft (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Generell steht bei Entscheidungen immer die Sicherheit des eigenen Clans als höchstes Ziel im Vordergrund. Manche Clans schließen sich freiwillig al Shabaab an; mit anderen Clans hat al Shabaab Abkommen geschlossen (AQ21 11.2023). Und wieder andere Clans werden mit Zwang und Gewalt in Partnerschaft zu al Shabaab gehalten. Die Gruppe organisiert mitunter Feiern zur Ernennung neuer Clanältester (Nabadoon, Suldaan, Ugaas, Wabar) und stattet Letztere mit z.B. einem Fahrzeug und einer Waffe aus. Dies geschah beispielsweise bei somalischen Bantu im Bezirk Jamaame, aber auch bei Elay, Wa’caysle, Sheikhal oder Mudulod (UNSC 6.10.2021). Dazu erklärt eine Quelle der FFM Somalia 2023, dass al Shabaab in den meisten Teilen Süd-/Zentralsomalias über 'eigene' Älteste verfügt. Es werden parallele Clanführungsstrukturen unterhalten - und zwar in allen Gebieten, in denen al Shabaab aktiv ist. Manchmal sind dann die eigentlichen Ältesten zur Flucht gezwungen. Die von al Shabaab eingesetzten Ältesten dienen der Konfliktlösung und polizeilicher Arbeit sowie dem Standeswesen (Eheschließungen, Scheidungen). Sie können vor den Gerichten der al Shabaab auch eigene Clanmitglieder vertreten. Und wenn ein Clanmitglied ein Problem mit al Shabaab hat, dann wendet es sich an den entsprechenden Ältesten, der sich wiederum an al Shabaab wendet (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).
Rückhalt: Trotz des Einflusses, den die Gruppe in weiten Teilen Somalias ausüben kann, folgen nur wenige Somali der fremden und unflexiblen Theologie, den brutalen Methoden zur Kontrolle und der totalitären Vision von Staat und Gesellschaft (Sahan/SWT 30.6.2022). Es gibt einige wenige, ideologisch positionierte Anhänger; Personen, die religiös gebildet sind und sich bewusst auf dieser Ebene mit al Shabaab solidarisieren. Es gibt aber eine viel größere Anzahl von Menschen, die pragmatisch agieren. Sie akzeptieren al Shabaab als geringeres Übel (ACCORD 31.5.2021). Die Präsenz von al Shabaab bietet besorgten Gemeinden eine Form der Schirmherrschaft und des Schutzes, welche die somalische Regierung nur sporadisch gewähren kann. Die Gruppe verspricht Vorteile und faire Behandlung für diejenigen, die ihren Geboten folgen. Allen anderen droht sie mit Vergeltung (Sahan/SWT 25.8.2023).
Stärke: Die Hälfte der Mitglieder von al Shabaab stellt den militärischen Arm (jabhat), welcher an der Front gegen die somalische Regierung und ATMIS bzw. AMISOM kämpft. Die andere Hälfte sind entweder Polizisten, welche Gesetze und Gerichtsurteile durchsetzen und Verhaftungen vornehmen; oder Richter. Außerdem verfügt al Shabaab in der Regierung, in der Armee und in fast jedem Sektor der Gesellschaft über ein fortschrittliches Spionagenetzwerk (Maruf/Westminster 14.11.2018). Der Gouverneur von Bakool gibt im März 2023 an, dass seiner Einschätzung nach al Shabaab über mindestens 20.000 Kämpfer verfügt. Der nationale Sicherheitsberater des Präsidenten gibt die Zahl hingegen mit 10.000 von einst 14.000, die es noch vor einigen Jahren gewesen sind (VOA/Maruf 14.3.2023). Auch eine andere Quelle berichtet von 14.000 - "doppelt so viele wie noch vor drei Jahren". Allerdings finden sich demnach darunter viele zwangsrekrutierte Kinder (Detsch/FP 23.8.2023). Das US-Afrikakommando berichtet von 10.000 Kämpfern (Sahan/SWT 8.9.2023). Eine andere Quelle berichtet im von einer Stärke von 7.000-12.000 Mann (JF 31.3.2023); eine weitere Quelle bestätigt diese Zahl (BMLV 9.2.2023). Schließlich nennt eine Quelle eine Zahl von 5.000-10.000 gut bewaffneten Kämpfern (Williams/ACSS 17.4.2023) und eine letzte 7.000 "Vollzeitkämpfer" (AQ21 11.2023). Die Kämpfe der letzten Monate haben bei al Shabaab erhebliche Spuren hinterlassen. Die Angaben der Bundesregierung von angeblich 3.500 getöteten Kämpfern von al Shabaab seit Juni 2022 müssen allerdings angezweifelt werden. Zur Kompensation rekrutiert die Gruppe jedenfalls neue Kräfte (BMLV 1.12.2023). Insgesamt sind die Zahlen also sehr unterschiedlich. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass al Shabaab über zahlreiche "Teilzeitkräfte" und "Freiberufler" verfügt, die nur bei Bedarf zum Einsatz kommen. Ein Experte schätzt die Gesamtzahl allen verfügbaren Personals auf 25.000-30.000 (AQ21 11.2023).
Generell hat al Shabaab die somalische Gesellschaft dermaßen tief infiltriert, dass es schwierig oder sogar unmöglich ist, zu erkennen, wer Mitglied der Gruppe ist. Hinzugezählt werden die Kämpfer der Armee (jabahat), die Agenten des Amniyat und die Polizisten (Hisba); alle Schätzungen zur Größe von al Shabaab scheinen sich auf dieses Personal zu konzentrieren. Doch die Gruppe verfügt auch über einen beträchtlichen Kader, der nicht direkt an der Gewalt beteiligt ist, aber für die Reichweite der Organisation in Somalia gleichermaßen wichtig ist. Es handelt sich um eine komplexe Organisation, die eine Mischung aus Terroristengruppe, Rebellenorganisation, Mafia und Schattenregierung ist. Und es gibt Personal für all diese Funktionen. Al Shabaab beschäftigt u.a. Verwaltungsbeamte, Richter und Steuereintreiber. Der Amniyat verfügt neben Agenten über Doppelagenten, Quellen und Informanten, die in die Institutionen, die Wirtschaft und die ganze Gesellschaft Somalias eingedrungen sind. Einige arbeiten heimlich, in Teilzeit oder auf Ad-hoc-Basis mit der Gruppe zusammen. Sie bewegen Nachschub, überbringen Nachrichten und berichten über alles - von der Zusammenarbeit mit der Regierung bis hin zur Wirtschaftstätigkeit. Es ist unmöglich, sie zu zählen (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023).
Die Gruppe ist technisch teilweise besser ausgerüstet als die SNA und kann selbst gegen ATMIS manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen. Außerdem verfügt al Shabaab mit dem Amniyat über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk (BMLV 1.12.2023). Der Amniyat ist die wichtigste Stütze der al Shabaab, und diese Teilorganisation hat ihre Fähigkeiten in den vergangenen Jahren ausgebaut. Er ist auch für die Erhebung ausnützbarer Clanrivalitäten zuständig (JF 18.6.2021). Al Shabaab verfügt jedenfalls über ein extensives Netzwerk an Informanten und ist in der Lage, der Bevölkerung Angst einzuflößen (UNSC 6.10.2021; vergleiche INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Auch Namen von Nachbarn und sogar die Namen der Verwandten der Nachbarn werden in Datenbanken geführt (Maruf/Westminster 14.11.2018).
Gebiete: Al Shabaab verfügt weiterhin über ein starkes Hinterland (AQ21 11.2023). Die Gruppe wurde zwar aus den meisten Städten vertrieben, bleibt aber auf dem Land in herausragender Position bzw. hat sie dort eine feste Basis. Zudem schränkt sie regionale sowie Kräfte des Bundes auf städtischen Raum ein, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, sich zwischen den Städten frei zu bewegen (BMLV 1.12.2023). Al Shabaab kontrolliert Gebiete in den Regionen Lower Juba und Gedo (Jubaland); Bakool, Bay und Lower Shabelle (SWS); Hiiraan und - in sehr geringem Maße - Middle Shabelle (HirShabelle); Galgaduud und - in sehr geringem Maße - Mudug (Galmudug). Die Region Middle Juba wird zur Gänze von al Shabaab kontrolliert (PGN 23.1.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023).
Gemeinschaften, die unter der Kontrolle von al Shabaab stehen, werden häufig vom Rest Somalias und von der internationalen Unterstützung abgekoppelt. Die Kontrollpunkte und Blockaden der militanten Gruppe schränken den Personen- und Warenverkehr ein (Sahan/SWT 15.9.2023). In Gebieten, die an von der Regierung kontrollierte und von al Shabaab unter Blockade gestellte Städte grenzen, hat die Gruppe strenge Regeln hinsichtlich ökonomischer und beruflicher Tätigkeiten eingeführt. Al Shabaab setzt diese mit Drohungen und Gewalt durch und bestraft jene, die diese Regeln brechen (UNSC 10.10.2022).
Kapazitäten: Prinzipiell hat al Shabaab wiederholt gezeigt, dass sie gegenüber Druck anpassungsfähig und in der Lage ist, sich zurückzuziehen und neu zu formieren, bevor sie zurückschlägt (Sahan/SWT 4.8.2023). Al Shabaab ist weiterhin in der Lage, komplexe Angriffe z.B. in und um Mogadischu durchzuführen. Die Fähigkeit der Gruppe, Waffen zu beschaffen und Kämpfer neu zu verteilen, bleibt weitgehend intakt (Sahan/SWT 22.5.2023). Dabei geht die Einflusssphäre der Gruppe über jene Gebiete, die sie tatsächlich unter Kontrolle hat, hinaus (UNSC 10.10.2022). Der Amniyat hat die Politik, lokale Behörden, Betriebe und Gemeinschaften unterwandert. Dies gilt auch für die NISA (Geheimdienst) und die Polizei. Bis zu 30 % der Polizisten in Mogadischu sind demnach kompromittiert (Williams/ACSS 17.4.2023).
Al Shabaab hat jedoch nicht genügend Kapazitäten, um ständig und überall präsent zu sein. Das Einsatzgebiet von der Gruppe ist fast so groß wie Deutschland. In diesem weitläufigen und infrastrukturell wenig erschlossenen Gebiet muss die Gruppe mit ca. 10.000 bewaffneten Kämpfern auskommen. Das bedeutet, dass al Shabaab zu keinem Zeitpunkt eine permanente Kontrolle über alle strategisch wichtigen Punkte ausüben kann. Die Gruppe kann nicht alle wichtigen Straßen kontrollieren, kann nicht in allen Orten des Hinterlandes mit permanenter Präsenz aufwarten, kann sich nicht um alle Konflikte vor Ort gleichzeitig kümmern (ACCORD 31.5.2021). Gemäß einer Quelle verfügt al Shabaab bei Clans über Verbindungsleute (Kilmurry/RUSI 1.4.2022); laut einer anderen Quelle hält al Shabaab in ihrem Gebiet vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen und zielt damit in erster Linie auf das Einheben von Steuern ab und übt Einfluss aus (Landinfo 21.5.2019). Eine andere Quelle erklärt, dass, auch wenn es dort keine permanenten Stationen gibt, die Polizei von al Shabaab regelmäßig auch entlegene Gebiete besucht. Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuzuschlagen, bzw. kann sie sich auch in vielen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (BMLV 1.12.2023). Al Shabaab funktioniert in nahezu ganz Südsomalia als Schattenregierung bzw. -Verwaltung (GITOC/Bahadur 8.12.2022). "Kontrolliert" wird - wie es ein Experte ausdrückt - durch "exemplarische Gewalt", etwa bei Körperstrafen; durch das Streuen von Gerüchten; durch terroristische Anschläge zur Einschüchterung der Bevölkerung. All das erfolgt aber nur so intensiv und so oft, wie es nötig ist, um die lokale Bevölkerung zu erschrecken und dafür zu sorgen, dass ein Großteil der Menschen sich tatsächlich - zwangsläufig - mit der Herrschaft von al Shabaab arrangiert (ACCORD 31.5.2021). Dort wo al Shabaab nicht in der Lage ist, ein angemessenes Maß an Gewaltandrohung glaubhaft darstellen zu können, sind die Erpressungsversuche auch weniger erfolgreich. So lehnen etwa Wirtschaftstreibende, die ausschließlich in Baidoa und Kismayo agieren, Zahlungsforderungen mitunter ab (Williams/ACSS 17.4.2023). Zudem hat die Gruppe aus vergangenen Fehlern gelernt und so die Kontrolle über einige Gebiete zurückerlangt, die sie 2022 verloren hat. Einige Übereinkommen mit Clans in Zentralsomalia wurden wieder aufgenommen. Al Shabaab hebt weiter illegale Steuern ein, ohne dabei so weit zu gehen, lokale Clans zu gewalttätigem Widerstand zu provozieren. Die Gruppe ist nun darauf bedacht, die Gemeinschaften, von denen sie abhängig ist, nicht zu sehr auszubeuten (Sahan/SWT 12.6.2023).
Al Shabaab gilt als "wohlhabend", verfügt über einen finanziellen Polster und damit auch über einen Hebel hinsichtlich Neurekrutierungen (AQ21 11.2023).
Steuern bzw. Schutzgeld [siehe auch Risiko in Zusammenhang mit Schutzgelderpressungen ("Steuern")]: In den Gebieten der al Shabaab gibt es ein zentralisiertes Steuersystem. Die Besteuerung scheint systematisch, organisiert und kontrolliert zu erfolgen (BS 2022a). Al Shabaab führt ein Register über den Besitz "ihrer" Bürger, um darauf jährlich 2,5 % Zakat zu beanspruchen (Williams/ACSS 17.4.2023). Das Steuersystem der Gruppe hat sich immer mehr entwickelt – bis hin zu Eigentumssteuern (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).
Schätzungen von Experten zufolge nimmt al Shabaab alleine an Checkpoints pro Jahr mehr als 100 Millionen US-Dollar ein (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vergleiche Williams/ACSS 17.4.2023). Laut einer anderen Schätzung kann al Shabaab jährlich bis zu 120 Millionen US-Dollar generieren (VOA 17.5.2022). Nach anderen Angaben geht die US-amerikanische Regierung davon aus, dass al Shabaab alleine in Mogadischu bis zu 100 Millionen US-Dollar im Jahr einbringt (Detsch/FP 23.8.2023). Gemäß Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 lukriert die Gruppe sogar rund 180 Millionen US-Dollar pro Jahr - bei Ausgaben von nur etwa 100 Millionen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Eine weitere Quelle bestätigt diese Angaben (Rollins/HIR 27.3.2023). Al Shabaab investiert einen Teil ihres Budgets in Immobilien und Klein- und Mittelbetriebe (Williams/ACSS 17.4.2023).
Ein Teil der Einkünfte wird an einem Netzwerk an Straßensperren eingehoben. Insgesamt ist al Shabaab in der Lage, in ganz Süd-/Zentralsomalia erpresserisch Zahlungen zu erzwingen - auch in Gebieten, die nicht unter ihrer direkten Kontrolle stehen (UNSC 6.10.2021). Die Gruppe hebt in 10 von 18 somalischen Regionen Steuern ein (Williams/ACSS 17.4.2023). Eingehoben werden Steuern und Gebühren etwa auf die Landwirtschaft, auf Fahrzeuge, Transport und den Verkauf von Vieh (BS 2022a; vergleiche UNSC 6.10.2021); sowie auf manche Dienstleistungen (HIPS 2020). Al Shabaab erhebt Steuern auf Importe (Williams/ACSS 17.4.2023). Für jeden Container, der in Mogadischu anlandet, müssen Abgaben an al Shabaab entrichtet werden. Die Gruppe erpresst Schutzgeld auf alles, was 'segelt, rollt oder sich bewegt' (Detsch/FP 23.8.2023) sowie vom Bauwesen bzw. von Baufirmen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023) und am Immobiliensektor generell (Williams/ACSS 17.4.2023). Auch Beamte und kleine Unternehmen müssen Geld abführen (Detsch/FP 23.8.2023). Dieser Faktor belegt aber auch den Pragmatismus von al Shabaab als mafiöser Organisation, wo Geld vor Ideologie gereiht wird (HI 1.10.2020).
Die Höhe der Steuer ist oft verhandelbar. Jedenfalls haben die Menschen de facto keine Wahl, sie müssen al Shabaab bezahlen (WP 31.8.2019). Wirtschaftstreibende nehmen die Macht von al Shabaab zur Kenntnis und zahlen Steuern an die Gruppe – auch weil die Regierung sie nicht vor den Folgen beschützen kann, die bei einer Zahlungsverweigerung drohen (Bryden/TEL 8.11.2021). Denn al Shabaab agiert wie ein verbrecherisches Syndikat (Weiss/FDD 11.8.2021). Die Gruppe baut auf ihre Reputation der Omnipräsenz und Einschüchterung - typisch für eine mafiöse Organisation. Der Zakat wird vom Amniyat durchgesetzt – und zwar durch Einschüchterung und Gewalt. Bei Zahlungsverweigerung droht die Ermordung (Williams/ACSS 17.4.2023). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass es al Shabaab in der Vergangenheit diesbezüglich zu weit getrieben hat. In manchen Landesteilen war die Gruppe zu gierig und brachte die Bevölkerung gegen sich auf. Al Shabaab schreckt nicht davor zurück, Menschen durch Gewalt gefügig zu machen. Menschen werden entführt, Vieh weggenommen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Teilweise flieht die Bevölkerung vor der Besteuerung (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle gibt an, dass al Shabaab in Folge des Aufstands der Macawiisley nun einen weniger autoritären Umgang mit den Clans pflegt und sich die Gruppe demnach den Umständen angepasst hat (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).
Wirtschaftsmacht al Shabaab - Quellen der FFM Somalia 2023 erklären: Mit einer neuen Gesetzgebung hat die Regierung Zahlungen an al Shabaab verboten; zudem gibt es entsprechende Kampagnen gegen Zahlungen an die Gruppe (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Zusätzlich droht die Regierung den Wirtschaftstreibenden, und einige von ihnen haben in Mogadischu aufgehört, Geld an al Shabaab abführen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vergleiche INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Die Bundesregierung bekämpft die Gruppe also auf finanzieller Ebene. Auch einige Konten von al Shabaab wurden eingefroren (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Nun versucht die Gruppe, in den Gebieten unter ihrer Kontrolle so viel wie möglich von der Bevölkerung zu erpressen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Tatsächlich gibt es bei der finanziellen Bekämpfung von al Shabaab allerdings erhebliche Schwierigkeiten (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Die ganze Wirtschaft ist von al Shabaab abhängig, wenn es z.B. um den Warentransport geht (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Zudem sind die tief wurzelnden Strukturen der Gruppe im Wirtschaftsbereich Mogadischus nur schwer zu beseitigen (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Die ganze Wirtschaft in der Hauptstadt zahlt Steuern an al Shabaab (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Und auch viele Menschen führen weiterhin 'Steuern' an die Gruppe ab, weil sie nicht davon ausgehen, dass die Regierung in der Lage ist, sie vor al Shabaab zu schützen. Denn bis zuletzt galt: Bei Nichtzahlung drohen Konsequenzen, z.B. die Zerstörung von Eigentum oder Betriebsmitteln. Oder aber al Shabaab sorgt dafür, dass Unternehmen keine Aufträge mehr erhalten. Wirtschaftstreibende verschweigen es üblicherweise, wenn sie Geld an al Shabaab abführen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).
Die Rebellion von al Shabaab hat mit 20 Jahren die durchschnittliche Lebensdauer von Rebellionen überstiegen. Möglicherweise sucht die Gruppe neue Orientierung. Al Shabaab ist kaum mehr in der Lage, die ideologische Karte zu spielen bzw. die Idee der Schaffung eines islamischen Staates zu propagieren. Sie schafft sich also ein Wirtschaftsimperium, denn al Shabaab verfügt über entsprechende Kompetenzen. Morde gegen Bezahlung scheinen für al Shabaab zum Geschäftsmodell zu werden. Zudem hat die Gruppe in vielen Sparten investiert, Reichtümer angehäuft (Sahan/STDOK/SEM 4.2023) und betreibt einige Unternehmen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Mittlerweile erscheint die Gruppe eher als "Wagner-style mafia" (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle erklärt, dass al Shabaab außerhalb des eigenen Gebietes wie ein Kartell bzw. wie eine Mafia agiert. Für al Shabaab ist es nicht schwierig, eine Telefonnummer zu bekommen. So kann die Gruppe jede Person erreichen. In Mogadischu rufen sie z.B. Mitarbeiter einer Quelle an und sagen: "Kommen Sie zum Ort römisch zehn und geben sie uns 2.000 US-Dollar." In anderen Gebieten hat al Shabaab einen direkteren Zugriff (IO-D/STDOK/SEM 4.2023).
Quellen
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Ausländische Kräfte
Letzte Änderung 2023-03-17 07:41
Im April 2022 hat die African Union Transition Mission in Somalia (ATMIS) von der African Union Mission in Somalia (AMISOM) übernommen, nachdem dies vom UN Security Council (RVI 9.6.2022; vergleiche UNSC 13.5.2022, Absatz 62,) und zuvor vom Sicherheitsrat der Afrikanischen Union so beschlossen wurde (UNSC 13.5.2022, Absatz 62,). AMISOM war zuvor seit 2007 in Somalia aktiv (ISS 29.3.2022). Das Mandat von ATMIS umfasst die Umsetzung des Somali Transition Plans und die Übertragung der Verantwortung für die Sicherheit an somalische Kräfte und Institutionen mit Ende 2024 (RVI 9.6.2022). Das vorläufige Mandat von ATMIS erstreckt sich auf ein Jahr (UNSC 13.5.2022, Absatz 62,) und ist mehr oder weniger mit jenem von AMISOM ident (RVI 9.6.2022; vergleiche ACLED 14.4.2022). Das militärische Mandat umfasst: die Ausführung gezielter Operationen in Tandem mit somalischen Sicherheitskräften, um al Shabaab und andere terroristische Gruppen zu bekämpfen; in Tandem mit somalischen Sicherheitskräften Städte zu halten und die dort ansässige Bevölkerung zu schützen und die Sicherheit zu gewährleisten; Hauptversorgungsrouten zu sichern und einzunehmen; die Kapazitäten somalischer Sicherheitskräfte zu entwickeln, damit diese Ende 2024 die Verantwortung übernehmen können (ATMIS 2022a).
Auch hinsichtlich der Truppenstärke ist ATMIS mit AMISOM vergleichbar, die Aufstellung soll aber ein mobileres und agileres Vorgehen gegen al Shabaab gewährleisten (RVI 9.6.2022; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 8; ISS 29.3.2022). ATMIS bzw. AMISOM gelten als mächtigster Gegner der al Shabaab (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 6). Die Truppe trägt einerseits seit Jahren die Führung im Kampf gegen al Shabaab und andererseits schützt sie die Bundesregierung (BBC 18.1.2021), die in großem Maße von den Kräften der ATMIS abhängig ist (BS 2022, Sitzung 4; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 9; BBC 18.1.2021).
ATMIS ist in fünf Sektoren geteilt: Sektor 1 (Mogadischu und Umland; Lower Shabelle / Uganda); Sektor 2 (Middle und Lower Juba / Kenia); Sektor 3 (Bakool, Bay und Gedo / Äthiopien); Sektor 4 (Hiiraan und Galgaduud / Dschibuti); Sektor 5 (Middle Shabelle / Burundi); Sektor 6 (Teile von Lower Juba und Lower Shabelle / Kenia und Äthiopien) (NMG 25.10.2022). ATMIS hat eine militärische, eine polizeiliche und eine zivile Komponente. Truppenstellerstaaten für die militärische Komponente sind gegenwärtig Uganda, Burundi, Dschibuti, Kenia und Äthiopien mit einem Mandat für 18.586 Mann (ATMIS 2022a; vergleiche ATMIS 2022b). Die Stärke beträgt seit Feber 2020: Äthiopien: 3.902; Burundi: 3.715; Dschibuti: 1.691; Kenia: 3.654; Uganda: 5.513; Hauptquartier: 111. Seit Ende 2020 verfügt AMISOM bzw. ATMIS über eine zusätzliche Luftkomponente von vier Hubschraubern, die von Uganda gestellt werden. Diese dienen v. a. für Verbindung, Versorgung und medizinische Notfälle. Insgesamt verfügt ATMIS über sieben militärische Luftfahrzeuge, zwölf wären autorisiert (BMLV 9.2.2023). Bis Ende 2022 war eigentlich ein Abzug von 2.000 Mann projektiert (ATMIS 2022a). Der UN Sicherheitsrat hat im Dezember 2022 allerdings einem Aufschub dieses Teilabzugs zugestimmt, dieser wurde auf Ende Juni 2023 verschoben (Xinhua 22.12.2022). Danach soll ATMIS Stück für Stück abgezogen werden, die letzten 9.586 Mann dann Ende 2024 (BMLV 9.2.2023; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 8).
ATMIS wird maßgeblich von der EU finanziert (ÖB 11.2022, Sitzung 8; vergleiche NMG 25.10.2022; Halbeeg 7.7.2022). Seit 2007 hat die EU fast 2,3 Mrd. Euro für AMISOM bzw. ATMIS ausgegeben und wird die Truppe - und maßgeblich den Sold - auch weiterhin maßgeblich finanzieren (TET 7.7.2022; vergleiche Halbeeg 7.7.2022) während die UN für logistische Unterstützung sorgt (ISS 29.3.2022; vergleiche UNSC 1.9.2022, Absatz 82 f, f,). Die Ausbildung für ATMIS erfolgt laufend auch im Rahmen der Einsatzvorbereitung in den Herkunftsländern und in Somalia, maßgeblich durch Großbritannien, die USA, Frankreich und die EU. In manchen Gebieten kooperiert ATMIS eng mit lokalen Milizen oder anderen Kräften (BMLV 9.2.2023).
Im Land befindet sich auch eine auf 1.040 Polizisten mandatierte ATMIS-Polizeikomponente unterschiedlicher afrikanischer Teilnehmerstaaten (Uganda, Nigeria, Ghana, Sierra Leone, Kenia und Sambia) (ATMIS 2022c). ATMIS bietet spezielle Ausbildung und Beratung für die somalische Polizei, unterstützt diese bei Patrouillen und beim Schutz relevanter Infrastruktur; und bei der Bekämpfung gewaltsamer Extremisten und im Falle sozialer Unruhen (ATMIS 14.7.2022). Außerdem sind die ATMIS-Polizisten hinsichtlich der strategischen Führung und der Erstellung von Policies von großer Bedeutung (NMG 25.10.2022).
Neben ATMIS sind in Somalia noch andere militärische Kräfte aus dem Ausland aktiv, u.a. TURKSOM (türkisches Ausbildungszentrum in Mogadischu); die Kapazitätsbildungsmission der EU; die britische Mission Tangham; und Truppen der USA (UNSC 10.10.2022, Absatz 98,). Zur Zahl der bilateral auf somalischem Territorium operierenden äthiopischen Truppen gibt es unterschiedlichste Angaben. Denn Äthiopien hat auch diese Truppenteile mit dem grünen Barett von ATMIS ausgestattet. Eine Quelle berichtet von geschätzten 3.500 Mann in Gedo, Hiiraan und Galmudug (BMLV 9.2.2023). Eine andere Quelle berichtet von 2.000 äthiopischen Truppen, die nach einem Vorstoß von al Shabaab nach Äthiopien wieder verstärkt worden sind. Hunderte Soldaten wurden demnach in die Region Gedo entsandt (VOA 8.8.2022).
Zuvor abgezogene äthiopische Truppen wurden zumindest an der Grenze durch rund 1.500 Mann Liyu Police aus dem äthiopischen Somali Regional State ersetzt (BMLV 9.2.2023). Eine andere Quelle spricht von mehreren Tausend Mann - außerhalb des ATMIS-Kontingents Äthiopiens (VOA 20.7.2022). Damit ist die Liyu Police wieder verstärkt in Somalia aktiv (MM 3.8.2022). Liyu-Stützpunkte finden sich etwa in Yeed, Ato und Washaaqo. Die Liyu-Police dient den bilateral in Somalia befindlichen äthiopischen Streitkräften als Grenzschutz und zur Sicherung des Nachschubs (VOA 20.7.2022).
Die USA haben die Eliteeinheit Danaab ausgebildet (BBC 1.6.2022). Allerdings wurden die US-Truppen abgezogen, dieser Abzug war mit Mitte Jänner 2021 offiziell abgeschlossen (PGN 2.2021, Sitzung 12f). 2022 wurde die Entscheidung zum Abzug revidiert. Nun sollen wieder bis zu 500 Soldaten in Somalia stationiert werden (BBC 1.6.2022; vergleiche AQ10 5.2022), um somalische Truppen auszubilden, zu beraten und auszurüsten. Sie werden in Bali Doogle stationiert – samt Drohnen und Hubschraubern (AQ10 5.2022). Zusätzlich befinden sich im Land 50 Soldaten aus Großbritannien. Diese führen ein Trainingsprogramm für somalische Kräfte in Baidoa durch (BMLV 9.2.2023; vergleiche PGN 12.2021). Es gibt Hinweise darauf, dass die Türkei in Somalia auch über Kampfdrohnen verfügt (UNSC 10.10.2022, Absatz 96,), die auch gegen al Shabaab eingesetzt werden (VOA 30.11.2022).
Quellen:
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf, Zugriff 17.5.2022
ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (14.4.2022): ACLED Regional Overview – Africa (2-8 April 2022), https://reliefweb.int/attachments/7880e955-4b9c-3348-a9ac-2939500cd371/acleddata.com-Regional%20Overview%20Africa%202-8%20April%202022.pdf, Zugriff 29.6.2022
AQ10 - Anonyme Quelle 10 (5.2022): Bei der Quelle handelt es sich um einen analytischen Newsletter
ATMIS (14.7.2022): ATMIS deploys 160 officers to support the Somali Police Force in law and order, https://atmis-au.org/atmis-deploys-160-officers-to-support-the-somali-police-force-in-law-and-order/, Zugriff 2.8.2022
ATMIS - African Union Transition Mission in Somalia (2022a): Military Component, https://atmis-au.org/military-component/, Zugriff 15.7.2022
ATMIS - African Union Transition Mission in Somalia (2022b): Homepage, https://atmis-au.org/, Zugriff 15.7.2022
ATMIS - African Union Transition Mission in Somalia (2022c): Police Component, https://atmis-au.org/police-component/, Zugriff 15.7.2022
BBC - BBC News (1.6.2022): US troops back in Somalia to fight al-Shabab, https://www.bbc.com/news/world-africa-61631439, Zugriff 24.6.2022
BBC - BBC News (18.1.2021): Somali concern at US troop withdrawal, https://www.bbc.com/news/world-africa-55677077, Zugriff 24.6.2022
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9.2.2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail
BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 15.3.2022
Halbeeg (7.7.2022): EU approves €2.3m to support AU forces in Somalia, https://en.halbeeg.com/2022/07/07/eu-approves-e2-3m-to-support-au-forces-in-somalia/, Zugriff 28.7.2022
ISS - Institute for Security Studies / Dessu, Meressa K. (29.3.2022): römisch eins s the AU mission in Somalia changing in name only? https://issafrica.org/iss-today/is-the-au-mission-in-somalia-changing-in-name-only#:~:text=The%20African%20Union%20(AU)%2C,to%20the%20Somali%20Security%20Forces, Zugriff 15.7.2022
MM - Mustaqbal Media (3.8.2022): Residents of Yeed, Aato and Washaaqo desert homes due to fear of fight between Liyu Police and Al-Shabaab, https://mustaqbalmedia.net/en/residents-of-yeed-aato-and-washaaqo-desert-homes-due-to-fear-of-fight-between-liyu-police-and-al-shabaab/, Zugriff 13.9.2022
NMG - Nation Media Group (25.10.2022): Inside plans to pull regional troops out of war-torn Somalia, https://nation.africa/africa/news/inside-plans-to-pull-regional-troops-out-of-war-torn-somalia-3997552, Zugriff 14.11.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2082923/SOMA_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 5.12.2022
PGN - Political Geography Now (12.2021): Somalia Control Map & Timeline - December 2021, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://controlmaps.polgeonow.com/2021/12/who-controls-somalia-crisis-timeline/, Zugriff 27.6.2022
PGN - Political Geography Now (2.2021): Somalia Control Map & Timeline - February 2021, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://controlmaps.polgeonow.com/2021/02/somalia-control-map-2021/, Zugriff 11.7.2022
RVI - Rift Valley Institute (9.6.2022): A Year in the Horn of Africa: Latest Developments in Ethiopia, Eritrea, Somalia, Somaliland and Djibouti, https://riftvalley.net/news/year-horn-africa-latest-developments-ethiopia-eritrea-somalia-somaliland-and-djibouti, Zugriff 15.7.2022
TET - The European Times (7.7.2022): EU support to the African Union Mission in Somalia with €120 million, https://www.europeantimes.news/2022/07/eu-support-to-the-african-union-mission-in-somalia-with-e120-million/, Zugriff 15.7.2022
UNSC - UN Security Council (10.10.2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], https://www.ecoi.net/en/file/local/2081261/N2263844.pdf, Zugriff 6.12.2022
UNSC - UN Security Council (1.9.2022): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/665], https://www.ecoi.net/en/file/local/2078696/N2257941.pdf, Zugriff 24.11.2022
UNSC - UN Security Council (13.5.2022): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/392], https://reliefweb.int/attachments/02e8f544-fa6f-47fe-80a1-6f7ee9d6c94e/N2233663.pdf, Zugriff 27.5.2022
VOA - Voice of America / Harun Maruf (30.11.2022): Somalia Military Rebuilding Shows Signs of Improvement, https://www.voanews.com/a/somalia-military-rebuilding-shows-signs-of-improvement/6856894.html, Zugriff 15.12.2022
VOA - Voice of America / Mohamed Dhaysane (8.8.2022): Ethiopia Deploys New Troops into Neighboring Somalia, https://www.voanews.com/a/ethiopia-deploys-new-troops-into-neighboring-somalia-/6693095.html, Zugriff 13.9.2022
VOA - Voice of America / Harun Maruf (20.7.2022): Al-Shabab Attacks Somali Towns Close to Ethiopian Border, https://www.voanews.com/a/al-shabab-attacks-somali-towns-close-to-ethiopian-border-/6667670.html, Zugriff 13.9.2022
Xinhua (22.12.2022): UN Security Council delays drawdown of AU transition mission in Somalia, https://english.news.cn/20221222/d1accc446e2b4b6f9b8be9dcb9b18d00/c.html#:~:text=UNITED%20NATIONS%2C%20Dec.%2021%20(,(ATMIS)%20for%20six%20months, Zugriff 5.1.2023
Somalische Kräfte
Letzte Änderung 2023-03-17 07:48
Der Sicherheitssektor ist sehr relevant, 80 % der öffentlichen Stellen befinden sich in diesem Bereich, zwei Drittel der Staatsausgaben (AA 28.6.2022, Sitzung 9). - Nach anderen Angaben fließen jedenfalls mehr als die Hälfte dorthin (HIPS 4.2021, Sitzung 20). Der Sicherheitssektor präsentiert sich nach wie vor als Mischung aus Truppen auf Clanbasis und neuen, durch externe Akteure wie die Türkei ausgebildeten Verbänden (BMLV 9.2.2023). Die Gesamtzahl der Sicherheitskräfte wird 2021 mit ca. 40.000 angegeben (HIPS 4.2021, Sitzung 28). Nach anderen Angaben sind die Sicherheitskräfte unter der Regierung von Präsident Farmaajo mithilfe externer Unterstützung stark expandiert. Demnach hat Somalia mit 53.000 Mann auf Bundesebene und ca. 23.000 auf Ebene der Bundesstaaten mehr staatliches Sicherheitspersonal als notwendig und finanzierbar ist. Trotzdem ist die Aufnahme und Ausbildung weiterer 22.500 Soldaten in Planung (Sahan 29.6.2022).
Der Bundesregierung ist es nicht gelungen, das Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen (BS 2022, Sitzung 6), obwohl in den vergangenen Jahren Milliarden an US-Dollar in die Ausbildung und Ausrüstung von tausenden Soldaten, Polizisten und Geheimdienstmitarbeitern investiert worden sind. Trotzdem sind die Sicherheitskräfte Somalias auch nach 15 Jahren immer noch schwach und werden für politische Zwecke eingesetzt (HIPS 4.2021, Sitzung 4/8). Die Kräfte des Bundes werden als in „alarmierender Weise disfunktional“ beschrieben (Bryden 8.11.2021). Die somalischen Sicherheitskräfte sind jedenfalls noch zu schwach und schlecht organisiert, um selbstständig - ohne internationale Unterstützung - die Sicherheit im Land garantieren zu können (BMLV 9.2.2023; vergleiche SRF 27.12.2021).
Sie sind stark fragmentiert (AA 28.6.2022, Sitzung 10; vergleiche HIPS 4.2021, Sitzung 4/8), für die militärische Organisation gibt es kein zentrales Kommando (HIPS 3.2021, Sitzung 16). Zudem sind die Sicherheitskräfte von al Shabaab unterwandert (BMLV 9.2.2023; vergleiche GO 25.3.2021; AQ10, 5.2022), und die Loyalität vieler Sicherheitskräfte liegt eher beim eigenen Clan bzw. der patrilinearen Abstammungsgruppe als beim Staat (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 29). Zudem wurde der Sicherheitssektor unter dem ehemaligen Präsidenten Farmaajo darauf getrimmt, dass nicht al Shabaab bekämpft, sondern politische Rivalen unterdrückt werden konnten. Loyale und unterqualifizierte Personen wurden auf relevante Stellen gehoben, die Führung der Sicherheitskräfte politisiert (Sahan 29.6.2022). Seither hat sich die Koordination von Aktivitäten und Operationen des Sicherheitsapparats gebessert, wie die Operationen gegen al Shabaab in Zentralsomalia gezeigt haben (BMLV 9.2.2023).
Zivile Kontrolle, Verantwortlichkeit, Ansehen: Es mangelt an effektiver Kontrolle ziviler Behörden über die Sicherheitskräfte (USDOS 12.4.2022, Sitzung 1) bzw. entziehen sich Aktionen der staatlichen Sicherheitskräfte oftmals der zivilen Kontrolle. Dies gilt insbesondere für die NISA. Gleichzeitig bekennt sich die Regierung zu ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen (AA 28.6.2022, Sitzung 21/9). Bei der Polizei wurde das Police Oversight Committee (POC) eingerichtet, das durch Polizisten begangenen Vergehen nachgehen soll (UNOHCHR 25.11.2022). Die justizielle Verantwortlichkeit einzelner Mitglieder der Sicherheitsorgane ist zumeist schwach bis inexistent (AA 28.6.2022, Sitzung 9). Denn auch wenn die Regierung Schritte unternimmt, um öffentlich Bedienstete - v.a. Polizisten und Soldaten - zu bestrafen, bleibt Straflosigkeit die Norm (USDOS 12.4.2022, Sitzung 2). Obwohl es eigene Militärgerichte gibt, bleiben Vergehen durch Armeeangehörige häufig ungeahndet (AA 28.6.2022, Sitzung 15). Allerdings gibt es immer wieder Beispiele, wo Sicherheitskräfte zur Verantwortung gezogen werden [siehe Kapitel Folter].
Die Ausbildung im Menschenrechtsbereich wird zwar international unterstützt; es muss aber weiterhin davon ausgegangen werden, dass der Mehrzahl der regulären Kräfte die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns nur äußerst begrenzt bekannt sind. Dies gilt insbesondere für regierungsnahe Milizen (AA 28.6.2022, Sitzung 9). Maßnahmen zur Verhinderung willkürlicher Verhaftungen werden weder von der Polizei noch von der NISA oder militärischen Institutionen beachtet. Zudem wird deren Arbeit von Korruption unterminiert (FH 2022a, F2). Da die Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung oft auch als Gewalt- und nicht als Sicherheitsakteure auftreten (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 29), genießen sie insgesamt keinen guten Ruf bei der Bevölkerung (AA 28.6.2022, Sitzung 10; vergleiche ACCORD 31.5.2021, Sitzung 29).
Polizei: Die nationale Polizei untersteht dem Ministerium für innere Sicherheit (USDOS 12.4.2022, Sitzung 1). Neben der Bundespolizei führt jeder Bundesstaat eigene regionale Polizeikräfte. Die Kräfte sind jeweils dem Bundes- bzw. dem bundesstaatlichen Ministerium für innere Sicherheit unterstellt (SIDRA 12.2022, Sitzung 14). Die genaue Größe der somalischen Polizei ist unbekannt. Laut offiziellen Angaben stehen 11.000 Polizisten auf der Gehaltsliste des dafür zuständigen Ministeriums für innere Sicherheit. Die große Mehrheit dieser Polizisten versieht ihren Dienst in Mogadischu und Umgebung (HIPS 4.2021, Sitzung 7). Nach anderen Angaben umfasst die Polizei mittlerweile 37.000 Mann, wovon ungefähr die Hälfte der Bundespolizei zuzurechnen ist (Sahan 29.6.2022).
Weitere verfügbare Zahlen hierzu [inkl. Polizei einzelner Bundesstaaten]:
● Benadir/Mogadischu: Stand September 2021 - ca. 11.000 Mann;
● Galmudug: mindestens 700;
● HirShabelle: ca. 600;
● Jubaland: Stand vom August 2017 - 500-600; allerdings bildet Kenia jedes Halbjahr 100-200 neue Polizisten aus;
● South West State: Zwischen 1.000 bis 1.100 (BMLV 9.2.2023).
Im Bereich der Polizeiausbildung bestehen Trainingsschulen von ATMIS und UNSOM, bilaterale Initiativen (v. a. zur Ausbildung von Polizeikräften in Mogadischu), Unterstützung durch UNDP und UNODC sowie IOM (ÖB 11.2022, Sitzung 9). Im Joint Police Programme unterstützen die UN, die EU, Deutschland und Großbritannien den Aufbau der Polizei. So haben z. B. die UN die Führungsausbildung für 500 höherrangige Polizisten aus Süd-/Zentralsomalia und Puntland unterstützt (UNSC 1.9.2022, Absatz 68,). ATMIS hat im Zeitraum 2009-2022 8.167 Polizisten in Somalia ausgebildet (FTL 17.9.2022; vergleiche ATMIS 25.8.2022), und zwar in Jubaland, HirShabelle, dem SWS und Mogadischu, auf regionaler und Bundesebene. Die Ausbildung umfasst u. a. auch Menschenrechte und Prävention von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt. Zudem wurden Polizeistationen neu gebaut oder renoviert und Ausrüstung zur Verfügung gestellt (ATMIS 25.8.2022). In Jubaland hat Anfang Oktober der fünfte Lehrgang von 150 Polizisten die Grundausbildung abgeschlossen. Die Ausbildung erfolgte durch ATMIS in Kismayo und umfasste u. a. auch Menschenrechte, geschlechtsspezifische Themen, öffentliche Ordnung und Tatortuntersuchungen (RD 4.10.2022). Überhaupt unterstützt ATMIS die somalische Polizei auch bei der Ausbildung hinsichtlich Menschenrechten. So wurden etwa im Dezember 2022 zwei Dutzend Polizisten als Trainer ausgebildet, die ihrerseits 300 Polizisten in HirShabelle hinsichtlich Menschenrechten ausbilden sollen (ATMIS 28.12.2022). Die UN unterstützen den Aufbau der Polizei im Bundesstaat HirShabelle (FTL 18.9.2022). Über das Joint Police Programme werden Kapazitäten für die Somali Police Force aufgebaut. Im Berichtszeitraum Feber bis Mai 2022 erwähnt der Bericht des UN-Sicherheitsrats die Ausbildung von 300 Polizisten für Jubaland und von 400 für Galmudug. Außerdem wurden zwölf neue Polizeistationen in Jubaland, HirShabelle, Benadir, Galmudug und Puntland ausgestattet (UNSC 13.5.2022, Absatz 69,). Polizisten werden u. a. auch in Ruanda ausgebildet bzw. weitergebildet. So durchliefen sechs somalische Polizisten den Police Senior Command and Staff Course in Ruanda (RD 15.7.2022). Auch Dschibuti bildet in Kooperation mit Italien Polizisten aus (RD 12.12.2022). UNODC führt Ausbildungslehrgänge für Polizisten durch, diese Maßnahme wird von den USA finanziert (FTL 19.11.2022).
Polizeikapazitäten: Die Strafverfolgungsbehörden sind schwach (SPC 9.2.2022). Es gibt kein zentrales Strafregister. Dies erschwert es den Sicherheitskräften, Untersuchungen durchzuführen. Polizeistationen führen handschriftliche „Vorfallsbücher“ („occurrence books“) (Sahan 16.9.2022). Die Bezahlung erfolgt meist nur unregelmäßig, dies fördert die Korruption (AA 28.6.2022, Sitzung 9). Im Fall einer kriminalitätsbedingten Notlage fehlen weitgehend funktionierende staatliche Stellen, die Hilfe leisten könnten. Die Polizei verfügt zwar über einige Kapazitäten, hat aber auch Probleme, sich an den Menschenrechten zu orientieren. Dass die Bevölkerung die Polizei nicht unbedingt als eine Kraft erachtet, welche sie schützt, scheint sich in manchen größeren Städten langsam zu ändern. Dort wurden Polizeikräfte lokal – und die lokale Clandynamik berücksichtigend – rekrutiert. Das hat zu Verbesserungen geführt. Dies betrifft etwa Kismayo, Jowhar oder Belet Weyne (BMLV 9.2.2023). In Einzelfällen funktioniert auch die Kooperation unterschiedlicher Polizeieinheiten in Süd-/Zentralsomalia. So wurde etwa im Dezember 2022 in Mogadischu ein Mann verhaftet, der von der Polizei in Gedo wegen einer Vergewaltigung gesucht worden war (HO 26.12.2022). In HirShabelle wird die Polizei in erster Linie in den größeren Städten und an Checkpoints entlang von nach Jowhar führenden Hauptverbindungsstraßen zum Einsatz gebracht (ATMIS 25.8.2022).
Die Türkei hat die paramilitärische Polizei-Spezialeinheit Haramcad (Gepard) ausgebildet und mit modernen Waffen, Ausrüstung und gepanzerten Fahrzeugen ausgestattet (Bryden 8.11.2021; vergleiche Sahan 29.6.2022). Haramcad umfasst ca. 1.200 Mann (Sahan 29.6.2022). Diese Einheit wird allgemein als fähig erachtet, wurde allerdings von der Regierung Farmaajo u. a. eingesetzt, um interne Gegner auf Linie zu bringen (HIPS 2021, Sitzung 28). Damals war die Einheit dem Kommando der NISA (siehe unten) unterstellt, nunmehr steht sie wieder unter dem Kommando der Polizei (BMLV 9.2.2023).
Armee: Das Verteidigungsministerium ist für die Kontrolle der Armee verantwortlich (USDOS 12.4.2022, Sitzung 1). Es wurde versucht, diverse Milizen zu einer Armee unter Führung der Bundesregierung zu fusionieren (Reuters 19.2.2021). Die Regierungstruppen bestehen hauptsächlich aus Clanmilizen (LI 8.9.2022; vergleiche Robinson 27.1.2022), deren Loyalität in erster Linie beim eigenen Clan liegt (LI 8.9.2022); bzw. waren viele militärische Einheiten der Bundesarmee ursprünglich Clanmilizen (WP 10.12.2022). Anders ausgedrückt ist die Linie zwischen der Bundesarmee und Clanmilizen sehr schmal. Ein Soldat kann an einem Tag im Interesse des Landes arbeiten und am nächsten im Interesse seines Clans oder einer politischen Gruppe (BBC 1.6.2022). Jedenfalls zeigt die Bundesarmee nur wenige Merkmale einer effektiven Armee im westlichen Sinne. Ausländische Militärhilfe ist stark an Eigennutz gebunden, unterschiedliche politische Akteure werden gegeneinander ausgespielt. Als Resultat bietet sich ein Bild von einerseits Brigaden auf Clanbasis, die den Großteil der Truppen stellen und eigentlich dem eigenen Clan zur Verfügung stehen; und andererseits durch vom Ausland unterstützten, nur teilweise mit der Bundesarmee verbundenen Kräften wie Danaab (USA), Gorgor (Türkei), Haramcad, Gashaan, sowie von Eritrea (Robinson 27.1.2022), den Vereinten Arabischen Emiraten, Katar, Großbritannien, der EU, Uganda, Kenia, Dschibuti und anderen Staaten ausgebildeten Kräften. Folglich sieht man auf der Straße auch ein breites Spektrum an Uniformen und Waffen (BBC 1.6.2022).
Korruption ist verbreitet (FH 2022a, F2). Soldaten werden durch Nepotismus aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit befördert und/oder um ihre Loyalität zu erlangen. Dies zerstört die Moral der Sicherheitskräfte und lenkt ihre Loyalität in Richtung der Clans (HIPS 4.2021, Sitzung 4/28). Der chronische Nepotismus in der Bundesarmee wirkt sich hinsichtlich der Moral der Soldaten verheerend aus (HIPS 4.2021, Sitzung 14). Einige Kommandanten nehmen Bestechungsgelder an oder kooperieren mit al Shabaab (Sahan 3.3.2021). Im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen Präsident Farmaajo und der Opposition 2021 haben sich Auflösungstendenzen verstärkt. Die Sicherheitskräfte und die Armee hatten sich entlang von Clanlinien fragmentiert (TNH 20.5.2021; vergleiche Sahan 4.5.2021).
Besoldung: Soldaten verdienen etwa 100 US-Dollar im Monat (BMLV 9.2.2023). Es kommt vor, dass Soldaten nur sehr unregelmäßig bezahlt werden, dies fördert die Korruption. Diese, sowie Misswirtschaft und finanzielle Einschränkungen beeinträchtigen die Wirksamkeit der Armee (AA 28.6.2022, Sitzung 9f). Die Einführung der biometrischen Registrierung aller Soldaten der Bundesarmee hat die davor bestehende Korruption eingeschränkt, aber nicht eliminiert (HIPS 4.2021, Sitzung 15). Generell erfolgt nunmehr die (elektronische) Bezahlung der Soldaten viel regelmäßiger, doch selbst hier kommt es mitunter zu Verzögerungen. Die Spezialeinheit Danab wird und wurde von den USA finanziert und regelmäßig bezahlt (BMLV 9.2.2023).
Der Armee mangelt es zudem an Ausbildung und Ausrüstung (FP 22.9.2021; vergleiche HIPS 4.2021, Sitzung 20), obwohl die Bundesarmee im vergangenen Jahrzehnt von zahlreichen Akteuren diesbezüglich Unterstützung erhalten hat - namentlich von Burundi, Dschibuti, Äthiopien, Italien, Kenia, dem Sudan, der Türkei, den VAE, Uganda, Großbritannien, den USA, der AU, der EU und den UN (Williams 2019, Sitzung 2ff). Selbst in Katar (FTL 5.7.2022; vergleiche BBC 1.6.2022) und in Eritrea wurden Soldaten ausgebildet (BMLV 9.2.2023). Alleine Großbritannien hat seit 2016 mehr als 2.000 somalische Soldaten ausgebildet (UKG 18.8.2022). Die Türkei hat bis 2022 5.000 Soldaten für die Einheit Gorgor und zudem hunderte Offiziere und Unteroffiziere ausgebildet. Die USA haben knapp 2.000 Kräfte von Danaab ausgebildet und weitere 350 Rekruten zur Ausbildung aufgenommen (VOA 30.11.2022). Die vielen externen Akteure, welche sich am Aufbau somalischer Sicherheitskräfte beteiligen, arbeiten notorisch unkoordiniert, und einige Akteure – etwa Kenia und Äthiopien – verfolgen darüber hinaus nationale Interessen (HIPS 4.2021, Sitzung 24ff). Die somalischen Streitkräfte haben keine Übersicht über ihre eigenen Lagerbestände. Und obwohl Somalia in den letzten Jahren Tausende Waffen beschafft hat, sind nach wie vor nicht alle Soldaten mit einer Waffe ausgestattet (BMLV 9.2.2023). Dabei nennt die somalische Regierung als Grund für die mangelnde Effektivität der eigenen Truppen das nach wie vor aufrechte Waffenembargo der Vereinten Nationen. Aufgrund des Embargos können weder schwere Waffen noch Fluggerät angeschafft werden (UNSC 10.10.2022, Absatz 95,).
Die Nationale Armee wird von der AU, der EU, den USA sowie anderen Ländern, wie Türkei und Israel in der Besoldung, Bewaffnung und beim Training unterstützt (ÖB 11.2022). Die USA haben Armee- und Regionalkräfte ausgebildet, die Spezialeinheit Danaab aufgestellt und Anti-Terrorismus-Kapazitäten gestärkt; die EU führt ihre Ausbildungsmission EUTM weiter (BS 2022, Sitzung 40). Die Türkei unterstützt die Bundesarmee materiell und bildet in einem eigens erbauten Stützpunkt (TURKSOM) auch Soldaten aus (HIPS 2021, Sitzung 28). Die UN-Agentur UNSOS unterstützt 11.649 Angehörige der Sicherheitskräfte logistisch (UNSC 1.9.2022, Absatz 87,).
Armee/Stärke: Die Regierung nennt unterschiedliche Zahlen: 24.000 oder 28.000 (HIPS 4.2021, Sitzung 7). Eine andere Quelle nennt eine Zahl von 19.000-20.000 Mann - ohne die 5.000 in Eritrea ausgebildeten, deren Verwendung weiterhin unklar ist (BMLV 9.2.2023). Eine andere Quelle nennt diesbezüglich mehr als 25.000 - ohne die Spezialeinheit Gorgor; mit Letzterer umfasst die Bundesarmee demnach fast 30.000 Soldaten (Sahan 29.6.2022). Insgesamt sind in den vergangenen 15 Jahren von externen Akteuren Schätzungen zufolge mehr als 100.000 Soldaten ausgebildet worden (HIPS 4.2021, Sitzung 7).
Spezialeinheiten: Danab (Blitz) - von den USA ausgebildet, ausgerüstet und betreut (HIPS 8.2.2022, Sitzung 5; vergleiche BBC 1.6.2022; Williams 2019, Sitzung 2/9) - ist die einzige Einheit, bei welcher bei der Rekrutierung nicht der Clan, sondern militärische Erfahrung und Können eine Rolle spielen (BMLV 9.2.2023; vergleiche Williams 2019, Sitzung 2/9). Es handelt sich um eine bestens ausgebildete (HIPS 8.2.2022, Sitzung 5) und um die schlagkräftigste Einheit in Somalia (Robinson 27.1.2022; vergleiche HIPS 4.2021, Sitzung 26f). Diese Truppe umfasst etwa 1.500-1.600 Mann (BMLV 9.2.2023; vergleiche BBC 23.11.2022; WP 10.12.2022) und war in der Offensive an fast allen Frontabschnitten in Hiiraan, Middle Shabelle und Galgaduud aktiv (BMLV 9.2.2023). Es ist geplant, die Mannzahl von Danab zu verdoppeln (BBC 23.11.2022). Danab-Soldaten werden regelmäßig bezahlt. Es gibt dort fixe Quoten, um dafür zu sorgen, dass die Soldaten aus allen unterschiedlichen Clans stammen. Danab hat nunmehr 1.500 Soldaten (WP 10.12.2022).
Eine weitere Spezialeinheit ist die von der Türkei ausgebildete und mit modernen Waffen, Ausrüstung und gepanzerten Fahrzeugen ausgestattete Gorgor (Adler) (Bryden 8.11.2021; vergleiche Robinson 27.1.2022; HIPS 2021, Sitzung 28). Diese Einheit wird nicht geschlossen eingesetzt, sondern ist in Mogadischu, Dhusamareb, Belet Xaawo und mehreren Orten in Lower Shabelle im Einsatz (BMLV 9.2.2023). Die Einheit umfasst nunmehr mehr als 5.000 (Sahan 29.6.2022), nach anderen Angaben 5.500 Mann in vermutlich 10 Bataillonen (BMLV 9.2.2023). Danab wird zunehmend als apolitisch erachtet (WP 10.12.2022). Sowohl Danab als auch Gorgor ist es gelungen, Clanrivalitäten innerhalb ihrer Reihen aufzulösen und gleichzeitig effektive Anti-Terror-Operationen durchzuführen (Sahan 16.11.2022).
Sowohl Danab als auch Gorgor sind nun wieder klar der Armee unterstellt (BMLV 9.2.2023).
Regionale Kräfte: Die Bundesstaaten haben ihre eigenen Sicherheitsapparate (HIPS 3.2021, Sitzung 16). Unklar ist, inwiefern diese Kräfte in die zur Bundesregierung gerechneten Kräfte eingegliedert sind bzw. dorthin zugeordnet werden. Beim Operational Readiness Assessment wurden 2019 in Jubaland, Galmudug, SWS und Puntland fast 20.000 Personen registriert, welche zu "Regionalkräften" (auch Darawish) gezählt werden (UNSC 15.5.2019, Absatz 45,). Unter Darawish werden in Somalia grundsätzlich alle organisierten bewaffneten Kräfte verstanden, die außerhalb der Clanmilizen zu finden sind. Im neueren Kontext werden damit v. a. Sicherheitskräfte der Bundesstaaten bezeichnet (BMLV 9.2.2023). Darawish werden nunmehr auch national ausgebildet. So haben im Feber 2020 die ersten 300 von 1.750 Darawish ihre – u. a. von AMISOM bzw. ATMIS und EUTM gestaltete – Ausbildung in Mogadischu abgeschlossen (AMISOM 14.2.2020). Kenia kooperiert mit den Sicherheitskräften Jubalands (BS 2022, Sitzung 41) und bildet diese aus. Äthiopien (BMLV 9.2.2023) und Großbritannien bilden Sicherheitskräfte des SWS aus (AQ7 2.2022) und auch Dschibuti beteiligt sich am Aufbau lokaler Darawish Forces (UNSC 13.5.2022, Absatz 68,).
Milizen, die nicht Teil der somalischen Sicherheitskräfte sind, aber loyal zu Regionalregierungen stehen, sind Teil des Spektrums. Oft haben sie in der Vergangenheit das Sicherheitsvakuum gefüllt, wo staatliche Kräfte aufgrund ihrer Schwäche nicht dazu in der Lage waren (RD 28.8.2022). In Teilen von Galgaduud – etwa im Bezirk Baxdo – organisieren sich zunehmend lokale Gemeinden und Milizen im Widerstand gegen al Shabaab. Diese werden dabei von der Armee unterstützt (SD 14.9.2022). Auch in Hiiraan wird versucht, den gesellschaftlichen Widerstand gegen al Shabaab zu fördern (RD 15.9.2022).
Die Macawiisely – benannt nach den langen Gewändern der somalischen Nomaden – wurden ursprünglich nur bei Bedarf mobilisiert. Es gab keine permanenten Stützpunkte, keine organisierte Führung, keine regulären Kräfte und keine externe Unterstützung. Mit der zunehmenden Terrorisierung der Zivilbevölkerung in Teilen von Galmudug und HirShabelle hat ihre Bedeutung zugenommen. In der Verteidigung der eigenen Heimat und der eigenen Familien mit eigenen Mitteln und Waffen, greifen diese Milizen al Shabaab an und konnten dabei auch schon einige Erfolge verzeichnen (GF 14.9.2022). Ein signifikanter Teil der Macawiisley besteht folglich aus Personen, die keine Soldaten oder professionellen Milizionäre sind, sondern Viehzüchter und Nomaden (Sahan 23.9.2022; vergleiche BMLV 9.2.2023). Diese lokalen Milizen stellen eine zur SNA parallele und durch die FGS aufgrund ihrer Clan-basierten Strukturen nicht kontrollierbare bewaffnete Macht dar (ÖB 11.2022, Sitzung 9). Zudem sind die Macawiisley aufgrund von Zwängen hinsichtlich der Erwerbstätigkeit nicht unbegrenzt für den Kampf verfügbar (BMLV 9.2.2023).
Zudem verfügen alle politischen Kräfte über eigene Kampftruppen (AA 28.6.2022, Sitzung 12). Einzelne Politiker, Unternehmen und Hilfsorganisationen haben eigenes Sicherheitspersonal (HIPS 3.2021, Sitzung 16).
NISA (National Intelligence and Security Agency): Die NISA ist vergleichbar mit einem Inlandsgeheimdienst. Sie hat die Aufgabe als Sicherheitspolizei vornehmlich gegen al Shabaab vorzugehen (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 29), bzw. ist sie auch für den Staatsschutz zuständig und mit exekutiven Vollmachten ausgestattet. Die exekutiven Einheiten der NISA sind zwar 2018 formal in die Polizei integriert worden. Trotzdem bleibt die NISA mit exekutiven Vollmachten ausgestattet und übt weiterhin eine aktive Rolle in der Terrorismusbekämpfung aus, die über eine rein nachrichtendienstliche Tätigkeit hinausgeht. Es kommt auch immer wieder zu Zusammenstößen mit anderen Sicherheitskräften. Außerdem führt die NISA Razzien durch und nimmt Menschen fest und unterliegt wenigen bis keinen Aufsichts- und Kontrollmechanismen (AA 28.6.2022, Sitzung 10f). Am 6.2.2023 erhielt der bereits im Jahr 2013 offiziell aufgestellte Dienst mit dem im Parlament verabschiedeten NISA-Gesetz eine rechtliche Grundlage (BMLV 9.2.2023). Das in Somalia befindliche Personal der NISA umfasst 5.000 (Sahan 29.6.2022), nach anderen Angaben von 3.200 Mann (BMLV 9.2.2023), wovon die Masse in Mogadischu und Teile im SWS, in HirShabelle und Galmudug eingesetzt sind (BMLV 9.2.2023).
Die NISA verfügt über eigene Spezialeinheiten: die in Eritrea ausgebildeten Dufaan (Sturm) (Sahan 5.5.2021; vergleiche UNSC 6.10.2021) mit einer Stärke von mindestens 450 Mann (UNSC 6.10.2021) und fehlender gesetzlicher Verankerung und Verantwortlichkeit (Sahan 10.6.2022). Auch die Einheit Ruuxaan (Geister) (BMLV 9.2.2023) sowie die von den USA ausgebildeten und als Anti-Terror-Einheiten eingesetzten Waran (Speer) und Gashaan (Schild) gehört zum NISA (Bryden 8.11.2021).
Puntland: Insgesamt beläuft sich die Stärke der Streit- und Sicherheitskräfte Puntlands (Darawish, Polizei, Puntland Maritim Police Force / PMPF und andere) auf rund 10.000-12.000 Mann (BMLV 9.2.2023). Die PMPF wird weiterhin von den Vereinten Arabischen Emiraten unterstützt (Sahan 20.6.2022). PMPF ist zuständig für die Verhinderung und Bekämpfung von Piraterie, illegalem Fischfang und anderen Straftaten entlang der puntländischen Küste (RD 30.11.2022b). Diese Einheit stellt eine signifikante Ressource im Kampf gegen Extremisten und Waffenschmuggler dar (UNSC 6.10.2021). Die Spezialeinheit Puntland Security Force (PSF) dient als Anti-Terrorismuseinheit, wird von den USA ausgebildet und unterstützt (HIPS 8.2.2022, Sitzung 19; vergleiche GITOC 19.4.2022) - für den Kampf gegen al Shabaab und ISIS. Nach Angaben einer Quelle standen die PSF niemals wirklich unter dem Kommando der puntländischen Regierung. Jedenfalls wurden die PSF nach den Auseinandersetzungen Ende 2021 in die Puntland Intelligence Security Force (PISF), die eng mit der PMPF zusammenarbeitet, und die Puntland Security Commando Force (PSCF) geteilt (UNSC 10.10.2022, Sitzung 61). Die Bossaso Port Maritime Police Unit hingegen schützt den Hafen von Bossaso. Sowohl diese als auch die PMPF werden on der EU-Mission EUCAP u. a. mit Ausbildungsmaßnahmen unterstützt (RD 30.11.2022b). Ausstehende Soldzahlungen sind nach wie vor ein wiederkehrendes Problem, das zwar punktuell zu Störungen des öffentlichen Lebens durch Straßenblockaden führen kann. Diese Störungen dauern gewöhnlich aber nicht mehr als einige Stunden an (BMLV 9.2.2023). Insgesamt hat die puntländische Regierung ein gewisses Problem, an allen Orten wirklich Sicherheit zu gewähren (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 30).
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UNSC - UN Security Council (6.10.2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849), https://reliefweb.int/attachments/17a953bc-861a-348a-a59b-1e182f053030/S_2021_849_E.pdf, Zugriff 14.10.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/02/313615_SOMALIA-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 21.4.2022
VOA - Voice of America / Harun Maruf (15.12.2022): Somali Government Says al-Shabab römisch eins s Deliberately Displacing Civilians, https://www.voanews.com/a/somali-government-says-al-shabab-is-deliberately-displacing-civilians/6878887.html, Zugriff 20.12.2022
Wehrdienst und Rekrutierungen (durch den Staat und Dritte)
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2022-07-26 09:37
Die somalische Armee ist eine Freiwilligenarmee (BMLV 19.7.2022). Es gibt keinen verpflichtenden Militärdienst. Allerdings rekrutieren Clans regelmäßig – und teils unter Androhung von Zwangsmaßnahmen für die Familie – junge Männer zum Dienst in einer Miliz, bei den staatlichen Sicherheitskräften oder bei al Shabaab. Dadurch soll für den eigenen Clan oder Subclan Schutz erlangt werden (AA 28.6.2022, Sitzung 16).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (19.7.2022): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail
(Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten
Letzte Änderung 2023-03-17 08:09
Kindersoldaten: Allen Konfliktparteien wird vorgeworfen, Kinder zu rekrutieren (BS 2022, Sitzung 19). Im Jahr 2021 gab es immer wieder Berichte über den Einsatz von Kindersoldaten durch die Bundesarmee, alliierte Milizen, die Sufi-Miliz Ahlu Sunna Wal Jama’a (ASWJ) und al Shabaab (USDOS 12.4.2022, Sitzung 16). Im ersten Halbjahr 2021 sind 631 Kinder rekrutiert und eingesetzt worden; weitere 348 wurden entführt - oft mit dem Ziel einer Rekrutierung. Für 77 % der Fälle zeichnet al Shabaab verantwortlich (UNSC 6.10.2021). Dahingegen waren im Vergleichszeitraum 2020 insgesamt 535 Kinder rekrutiert worden, mehr als 400 davon durch al Shabaab. Im Jahr 2019 waren noch 1.169 durch al Shabaab rekrutiert worden, 2018 waren es 2.300 (UNSC 28.9.2020, Absatz 137 f,). Die Regierung versucht der Rekrutierung von Kindern durch die Armee mit Ausbildungs- und Screening-Programmen entgegenzuwirken. Der Umstand, dass es keine Geburtenregistrierung gibt, macht diese Arbeit schwierig (USDOS 12.4.2022, Sitzung 16f).
Generell wird festgestellt, dass immer dann, wenn aktive Kampfhandlungen zunehmen, in der Vergangenheit ein damit verbundener Anstieg bei der Rekrutierung von Kindern zu verzeichnen war (UNSC 6.10.2021). Gerade in umkämpften Gebieten ist wiederholt eine besonders hohe Zahl an Rekrutierungen zu verzeichnen (AA 28.6.2022, Sitzung 17).
Kindersoldaten - al Shabaab: Al Shabaab ist weniger an die Rekrutierung Erwachsener als an der Rekrutierung von 8-12-jährigen Kindern interessiert. Diese sind leichter zu indoktrinieren und formbarer (Sahan 6.5.2022). Al Shabaab rekrutiert und entführt auch weiterhin Kinder (UNSC 10.10.2022, Absatz 127 ;, vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 6; HRW 13.1.2022). Alleine im Zeitraum Jänner bis März 2022 sind 177 derartige Fälle bekannt (UNSC 10.10.2022, Absatz 127,). Die Gruppe entführt systematisch Kinder von Minderheitengruppen (BS 2022, Sitzung 19). Al Shabaab führt u. a. Razzien gegen Schulen, Madrassen und Moscheen durch (USDOS 12.4.2022, Sitzung 17). Es gibt Berichte über Gruppenentführungen aus Madrassen heraus. So sind etwa bei zwei Vorfällen in Bay und Hiiraan im ersten Halbjahr 2021 insgesamt 35 Buben entführt und zwangsrekrutiert worden (UNSC 6.10.2021). Außerdem indoktriniert und rekrutiert al Shabaab Kinder gezielt in Schulen (USDOS 12.4.2022, Sitzung 17; vergleiche UNSC 6.10.2021; ÖB 11.2022, Sitzung 6). Al Shabaab betreibt eigene Schulen mit eigenem Curriculum. Die besten Schüler werden einer höheren Bildung zugeführt, während der große Rest in Ausbildungslager der Gruppe gebracht wird (VOA 16.11.2022).
Manchmal werden Clanälteste bedroht und erpresst, damit Kinder an die Gruppe abgegeben werden (USDOS 12.4.2022, Sitzung 17). Es wird mitunter auch Gewalt angewendet, um von Gemeinden und Ältesten junge Rekruten zu erpressen (BS 2022, Sitzung 19). In den Gebieten unter ihrer Kontrolle verlangt al Shabaab von Familien, dass sie einen oder zwei ihrer Buben in ihre Ausbildungslager schicken. Familien, die sich weigern, müssen mit Bußgeldern rechnen; manchmal werden sie auch mit Strafverfolgung oder Schlimmerem bedroht. Manche Familien schicken ihre Buben weg, damit sie einer Rekrutierung entgehen (Sahan 6.5.2022). Knapp die Hälfte der Kinder wird mittels Gewalt und Entführung rekrutiert, die andere durch Überzeugung der Eltern, Ältesten oder der Kinder selbst (AA 28.6.2022, Sitzung 17). Die Methoden unterscheiden sich jedenfalls. So wurde beispielsweise ein Fall dokumentiert, wo im Gebiet um Xudur (Bakool) al Shabaab in manchen Dörfern die „freiwillige“ Übergabe von Kindern zwischen 12 und 15 Jahren forderte, während in anderen Dörfern Kinder zwangsweise rekrutiert wurden. Zudem sind Clans unterschiedlich stark betroffen. So berichten etwa die Hadame [Rahanweyn], dass immer wieder Kinder von al Shabaab zwangsrekrutiert worden sind - z.B. im Feber 2021 (UNSC 6.10.2021). Insgesamt bleibt die freiwillige oder Zwangsrekrutierung von Kindern aber unüblich und hauptsächlich auf jene Gebiete beschränkt, wo al Shabaab am stärksten ist (Sahan 6.5.2022). Nach Angaben einer Quelle entführt al Shabaab aber systematisch Kinder von Minderheitengruppen. Auch Mädchen werden für Zwangsehen mit Al-Shabaab-Kämpfern entführt (ÖB 11.2022, Sitzung 6).
Aus Lagern oder anderen Einrichtungen der al Shabaab können Kinder nur mit Schwierigkeit entkommen. Die Kinder sind dort brutalem physischen und psychischen Stress ausgesetzt, die der Folter nahekommen; sie sollen gebrochen werden (Sahan 6.5.2022). In Lagern werden Kinder einer grausamen körperlichen Ausbildung unterzogen. Sie erhalten keine adäquate Verpflegung, dafür aber eine Ausbildung an der Waffe, physische Strafen und religiöse Indoktrination. Kinder werden gezwungen, andere Kinder zu bestrafen oder zu exekutieren. Eingesetzt werden Kinder etwa als Munitions- und Versorgungsträger, zur Spionage, als Wachen; aber auch zur Anbringung von Sprengsätzen, in Kampfhandlungen und als Selbstmordattentäter (USDOS 12.4.2022, Sitzung 17). Mädchen werden auf eine Ehe vorbereitet, manchmal aber auch auf Selbstmordmissionen. Armeeeinheiten - wie Danab - haben immer wieder Operationen unternommen, um Kinder aus solchen Ausbildungslagern zu befreien (6.5.2022 Sahan).
Manchmal werden Kinder aus den Händen der al Shabaab befreit, so etwa durch Sicherheitskräfte im August 2020, als 33 Buben aus einer Madrassa in Kurtunwareey (Lower Shabelle) befreit wurden. Alle Kinder wurden mit ihren Eltern wiedervereint (UNSC 13.11.2020, Absatz 46,).
(Zwangs-)Rekrutierung: Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia (ÖB 11.2022, Sitzung 6). Die meisten Rekruten stammen aus ländlichen Gebieten – v. a. in Bay und Bakool. Bei den meisten neuen Rekruten handelt es sich um Kinder, die das Bildungssystem der al Shabaab durchlaufen haben, was wiederum ihre Loyalität zur Gruppe fördert (HI 12.2018, Sitzung 1). Etwa 40 % der Fußsoldaten von al Shabaab stammen aus den Regionen Bay und Bakool (Marchal 2018, Sitzung 107). Die Mirifle (Rahanweyn) konstituieren hierbei eine Hauptquelle an Fußsoldaten (EASO 9.2021c, Sitzung 18). Bei den meisten Fußsoldaten, die aus Middle Shabelle stammen, handelt es sich hingegen um Angehörige von Gruppen mit niedrigem Status, z. B. Bantu (Ingiriis 2020). Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen (Sahan 30.9.2022).
Direkter Zwang wird bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet (Ingiriis 2020), jedenfalls nicht strategisch und nur eingeschränkt oder unter spezifischen Umständen (Marchal 2018, Sitzung 92). Alle Wehrfähigen bzw. militärisch Ausgebildeten innerhalb eines Bereichs auf dem von al Shabaab kontrollierten Gebiet sind als territoriale „Dorfmiliz“ verfügbar und werden als solche auch eingesetzt, z.B. bei militärischen Operationen im Bereich oder zur Aufklärung (BMLV 9.2.2023). Wenn al Shabaab ein Gebiet besetzt, dann verlangt es von lokalen Clanältesten die Zurverfügungstellung von bis zu mehreren Dutzend – oder sogar hundert – jungen Menschen oder Waffen (Marchal 2018, Sitzung 105). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen aber oft um eine Mischung aus Druck oder Drohungen und Anreizen (FIS 7.8.2020, Sitzung 18; vergleiche ICG 27.6.2019, Sitzung 2). Knapp ein Drittel der in einer Studie befragten al Shabaab-Deserteure gab an, dass bei ihrer Rekrutierung Drohungen eine Rolle gespielt haben. Dies kann freilich insofern übertrieben sein, als Deserteure dazu neigen, die eigene Verantwortung für begangene Taten dadurch zu minimieren (Khalil 1.2019, Sitzung 14). Al Shabaab agiert sehr situativ. So kommt Zwang etwa zur Anwendung, wenn die Gruppe in einem Gebiet nach einem verlustreichen Gefecht schnell die Reihen auffüllen muss (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 36/40). Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab (BMLV 9.2.2023; vergleiche FIS 7.8.2020, Sitzung 17f). Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)rekrutierung zu entziehen (BMLV 9.2.2023). Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z. B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM bzw. ATMIS oder die Regierung äußern (EASO 9.2021c, Sitzung 21).
Manche Mitglieder von al Shabaab rekrutieren auch in ihrem eigenen Clan (Ingiriis 2020). Von al Shabaab rekrutiert zu werden bedeutet nicht unbedingt einen Einsatz als Kämpfer. Die Gruppe braucht natürlich z. B. auch Mechaniker, Logistiker, Fahrer, Träger, Reinigungskräfte, Köche, Richter, Verwaltungs- und Gesundheitspersonal sowie Lehrer (EASO 9.2021c, Sitzung 18).
Eine Rekrutierung kann viele unterschiedliche Aspekte umfassen: Geld, Clan, Ideologie, Interessen – und natürlich auch Drohungen und Gewalt (EASO 9.2021c, Sitzung 21). Al Shabaab versucht, junge Männer durch Überzeugungsarbeit, ideologische und religiöse Beeinflussung und finanzielle Versprechen anzulocken. Jene, die arbeitslos, arm und ohne Aussicht sind, können, trotz fehlendem religiösem Verständnis, auch schon durch kleine Summen motiviert werden. Für manche Kandidaten spielen auch Rachegefühle gegen Gegner von al Shabaab eine Rolle (FIS 7.8.2020, Sitzung 17; vergleiche Khalil 1.2019, Sitzung 33). Bei manchen spielt auch Abenteuerlust eine Rolle (Khalil 1.2019, Sitzung 33). Etwa zwei Drittel der Angehörigen von al Shabaab sind der Gruppe entweder aus finanziellen Gründen beigetreten, oder aber aufgrund von Kränkungen in Zusammenhang mit Clan-Diskriminierung oder in Zusammenhang mit Misshandlungen und Korruption seitens lokaler Behörden (Felbab 2020, Sitzung 120f). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 52 % der höheren Ränge der Gruppe aus religiösen Gründen beigetreten waren, bei den Fußsoldaten waren dies nur 15 % (Botha 2019). Ökonomische Anreize locken insbesondere Jugendliche, die oft über kein (regelmäßiges) Einkommen verfügen (SIDRA 6.2019a, Sitzung 4). Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen von al Shabaab, welche höherbewertete Aufgaben versehen (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent (Khalil 1.2019, Sitzung 16). Nach neueren Angaben verdienen Fußsoldaten und niedrige Ränge 60-100 US-Dollar, Finanzbedienstete z. B. 250 US-Dollar im Monat (UNSC 10.10.2022, Absatz 52,). Gemäß somalischen Regierungsangaben erhalten neue Rekruten 30 US-Dollar im Monat, ein ausgebildeter Fußsoldat oder ein Fahrer 70 US-Dollar; den höchsten Sold erhält demnach mit 25.000 US-Dollar der Emir selbst (FGS 2022, Sitzung 99). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 84 % der Fußsoldaten und 31 % der höheren Ränge überhaupt nicht bezahlt worden sind (Botha 2019).
Im Übrigen ist auch die Loyalität von al Shabaab ein Anreiz. Während die Regierung kriegsversehrten Soldaten keinerlei Unterstützung zukommen lässt, sorgt al Shabaab für die Hinterbliebenen gefallener Kämpfer (FIS 7.8.2020, Sitzung 17). Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab auch die Möglichkeit einer Rache an Angehörigen anderer Clans (Khalil 1.2019, Sitzung 14f; vergleiche EASO 9.2021c, Sitzung 20). Für Angehörige marginalisierter Gruppen bietet der Beitritt zu al Shabaab zudem die Möglichkeit, sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern (FIS 5.10.2018, Sitzung 34). Auch die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet (USDOS 12.4.2022, Sitzung 42f). So z. B. bei somalischen Bantu, wo Mischehen mit somalischen Clans oft Tabu sind. Al Shabaab hat aber eben diese Mitglieder dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von starken somalischen Clans – etwa den Hawiye oder Darod – zu heiraten (Ingiriis 2020).
Verweigerung: Üblicherweise richtet al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Diese "Vorschreibung" - also wieviele Rekruten ein Dorf, ein Gebiet oder ein Clan stellen muss - erfolgt üblicherweise jährlich, und zwar im Zuge der Vorschreibung anderer jährlicher Abgaben. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer, denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden. Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens (BMLV 9.2.2023). Eltern versuchen, durch Geldzahlungen die Rekrutierung ihrer Kinder zu verhindern (UNSC 10.10.2022, Absatz 127,). Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus von al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BMLV 9.2.2023).
Sich einer Rekrutierung zu entziehen ist möglich, aber nicht einfach. Die Flucht aus von al Shabaab kontrolliertem Gebiet gestaltet sich mit Gepäck schwierig, eine Person würde dahingehend befragt werden (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 18). Trotzdem schicken Eltern ihre Kinder mitunter in von der Regierung kontrollierte Gebiete – meist zu Verwandten (UNSC 10.10.2022, Absatz 127,).
Es besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht. Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BMLV 9.2.2023). Ein Experte erklärt, dass eine einfache Person, die sich erfolgreich der Rekrutierung durch al Shabaab entzogen hat, nicht dauerhaft und über weite Strecken hin verfolgt wird (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 40). Stellt allerdings eine ganze Gemeinde den Rekrutierungsambitionen von al Shabaab Widerstand entgegen, kommt es mitunter zu Gewalt (BMLV 9.2.2023; vergleiche UNSC 28.9.2020, Annex 7.2).
Frauen: Der Einsatz von Frauen bei al Shabaab erfolgt zumeist in unterstützender Rolle: Als Steuereinheberinnen, Lehrer- oder Predigerinnen in Madrassen, Wächterinnen in Gefängnissen; zum Kochen und Putzen, in der Waffenpflege oder Spionage (UNSC 10.10.2022, Absatz 29,). In den Führungsgremien und Kampfkräften von al Shabaab finden sich keine Frauen. Deren Rolle reicht von jener der einfachen Ehefrau bis hin zu Rekrutierung, Missionierung, Spionage, Waffenschmuggel und Spendensammlung (ICG 27.6.2019, Sitzung 7f). Frauen, die mit Soldaten oder AMISOM bzw. ATMIS Kleinhandel treiben, werden als Spione und Informationsbeschafferinnen rekrutiert (ICG 27.6.2019, Sitzung 12). Andererseits werden Frauen und Mädchen der Bantu mitunter nicht nur in eine Ehe gezwungen – und zwar unter Todesdrohungen – die Ehe gestaltet sich noch dazu eher als temporäre sexuelle Versklavung (Benstead 2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf, Zugriff 17.5.2022
Benstead, L. J. / van Lehman, D. (2021): Two Classes of "Marriage": Race and Sexual Slavery in Al-Shabaab-Controlled Somalia, in: The Journal of the Middle East and Africa, zitiert in: EASO - European Asylum Support Office (9.2021c): Somalia – Targeted Profiles, S.18, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/2021_09_EASO_COI_Report_Somalia_Targeted_profiles.pdf, Zugriff 23.6.2022
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9.2.2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail
Botha, A. / Security Institute for Governance and Leadership in Africa, Stellenbosch University (2019): Reasons for joining and staying in al-Shabaab in Somalia, Research Brief 5/2019, https://www.sun.ac.za/english/faculty/milscience/sigla/Documents/Navy%20News%202019/SIGLA%20Brief%205%202019.pdf, Zugriff 23.6.2022
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Deserteure und ehemalige Kämpfer von al Shabaab
Letzte Änderung 2023-03-17 08:11
Allgemein geben Deserteure für das Verlassen der al Shabaab folgende Gründe an: inadäquate Bezahlung, familiäre Verpflichtungen, schlechte Lebensbedingungen, Risiko für Leib und Leben (Khalil 1.2019, Sitzung 33/16f). Mit Letzterem ist nicht bloß die Gefahr von Kampfhandlungen gemeint, sondern auch die von al Shabaab angewandte Bestrafung bei (vermeintlichen) Regelbrüchen (Khalil 1.2019, Sitzung 16f). Generell stellt die Desertion eines Einzelnen für al Shabaab ein kleineres Problem dar, als der Seitenwechsel ganzer Clans und der zugehörigen Milizen (BMLV 9.2.2023).
Verfolgung: Al Shabaab duldet keine Desertion – wie auch andere dschihadistische Bewegungen erlaubt die Gruppe keinen Austritt (EASO 9.2021c, Sitzung 28). Allerdings sind nicht alle ehemaligen Kämpfer der al Shabaab Deserteure. Es gibt Beispiele, wo Angehörige die Entlassung eines Familienmitglieds durch die al Shabaab erwirken konnten (Khalil 1.2019, Sitzung 17f). Zudem werden Kämpfer der al Shabaab nicht auf unbestimmte Zeit als Soldaten eingesetzt. Nach einem bestimmten Zeitraum (möglicherweise auch je nach Funktion variabel), werden diese abgerüstet und aus dem Dienst entlassen. Als ausgebildete Kämpfer können sie im Notfall rasch wieder reaktiviert werden (BMLV 9.2.2023). Auch manche Deserteure gehen zurück zu al Shabaab (Sahan 18.11.2021).
Eine Desertion gleicht jedoch oft einer Flucht – mit entsprechender Angst vor Vergeltungsmaßnahmen seitens al Shabaab. Manche Deserteure warten Monate oder sogar Jahre, bevor sich ihnen eine Gelegenheit zur Flucht bietet (Khalil 1.2019, Sitzung 17f). In manchen Fällen kann ein Deserteur bei seinem eigenen Clan Schutz finden (FIS 7.8.2020, Sitzung 8). Der Experte Marchal betont, dass für Deserteure, die nach Mogadischu geflüchtet sind, der Clan eine bestimmte Rolle spielt – nämlich bei der Frage, ob der Clan innerhalb von al Shabaab stark oder wenig vertreten ist. Für jene, deren erweiterte Familie in Mogadischu stark vertreten ist und deren Clan bei al Shabaab wenig vertreten ist (z. B. Hawiye / Habr Gedir), wird es eine Möglichkeit geben unterzutauchen. Für andere, deren Clan in Mogadischu keine starke Position hat, und dieser noch dazu bei al Shabaab stark involviert ist (z. B. Rahanweyn), wird ein Untertauchen mitunter schwierig (EASO 9.2021c, Sitzung 28). Al Shabaab ist aufgrund eines Systems von Informanten in der Lage, Deserteure nahezu im gesamten Land aufzuspüren. Die Gruppe nutzt dafür unter anderem Clannetzwerke. In Mogadischu sind Deserteure nicht sicher. Ob sie jedoch zum Ziel werden oder nicht, hängt auch von ihrer früheren Rolle bei al Shabaab ab (ÖB 11.2022, Sitzung 7). Generell richtet sich al Shabaab aufgrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen darauf ein, Gewalt "exemplarisch" auszuüben. Bestrafungen kommen zum Einsatz, um die Bevölkerung zu ängstigen (ACCORD 31.5.2021). Der Experte Marchal erklärt, dass al Shabaab versucht, jene Deserteure, welcher sie habhaft werden kann, auch zu bestrafen – und zwar zum Zweck des statuierten Exempels (EASO 9.2021c, Sitzung 28). Dieses soll potenziellen Deserteuren zur Abschreckung dienen (EASO 9.2021c, Sitzung 28; vergleiche Sahan 18.11.2021). Ein Deserteur befindet sich also dann in einer gefährlichen Situation, wenn al Shabaab ihn aufspüren konnte (FIS 7.8.2020, Sitzung 8). Es gibt Berichte, wonach Deserteure von al Shabaab als Abtrünnige (murtadd) verfolgt und teilweise exekutiert werden (ÖB 11.2022, Sitzung 7; Sahan 18.11.2021). Dies gilt insbesondere für Deserteure mittleren Ranges. Doch auch einfache Mannschaftsgrade können zum Ziel werden (BFA 8.2017, Sitzung 43f; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 7, FIS 7.8.2020, Sitzung 8). Viele Deserteure haben Angst davor, vom Amniyad [Geheimdienst von al Shabaab] aufgespürt zu werden (BBC 27.5.2019). 70 % von 32 bei einer Studie im Jahr 2017 befragten Deserteuren haben angegeben, Todesdrohungen von al Shabaab erhalten zu haben. Sie fühlten sich verfolgt. Weitere Deserteure berichteten davon, dass ihre Familien bedroht worden sind. Von jenen, die nicht bedroht wurden, hatten die meisten ihre Telefonnummern gewechselt (Taylor 2019, Sitzung 9ff).
Andererseits gibt es keine Hinweise darauf, dass die Gruppe z. B. in Mogadischu aktiv Deserteure sucht und liquidiert (LI 8.9.2022). Es gibt zudem kaum bekannte Beispiele für getötete Deserteure (BMLV 9.2.2023; vergleiche FIS 7.8.2020, Sitzung 8). Überhaupt gibt es keine konkreten Zahlen bzw. Berichte zu Tötungen von Deserteuren (BMLV 9.2.2023; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 7). Interessanterweise sind auch die vorhandenen Rehabilitationszentren für ehemalige Angehörige der al Shabaab nie zum Angriffsziel geworden [siehe unten] (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 34). Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass desertierte Fußsoldaten von al Shabaab über weite Strecken verfolgt werden (ACCORD 31.5.2021). Inwiefern al Shabaab also tatsächlich Energie in das Aufspüren und Töten von desertierten Fußsoldaten investieren will, ist unklar. Insgesamt besteht in einigen Fällen offenbar auch die Möglichkeit, dass sich ein Deserteur mit der al Shabaab verständigt – etwa durch die Zahlung von Geldbeträgen (BMLV 9.2.2023; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 7).
Deserteure in Somaliland und Puntland gelten grundsätzlich nicht als gefährdet. Deserteure aus Süd- oder Zentralsomalia befinden sich jedoch in Somaliland in einer schwierigen Lage, da sie nicht wissen, wem sie vertrauen können oder wer al Shabaab nahe steht (ÖB 11.2022, Sitzung 7; vergleiche BMLV 9.2.2023).
Amnestie: Der ehemalige Präsident Farmaajo hat zwar eine Amnestie für Angehörige der al Shabaab ausgesprochen, welche sich freiwillig ergeben. Allerdings ist diese Amnestie nur mündlich ausgesprochen worden. Es gibt keine rechtliche Grundlage dafür. Trotzdem geben Deserteure an, dass die Aussicht auf eine Amnestie ein maßgeblicher Faktor für ihre Desertion war (Khalil 1.2019, Sitzung 17). Ehemalige Mitglieder der al Shabaab werden von der NISA gescreent; jene, die als „high risk“ eingestuft werden, werden dem Justizministerium zur Strafverfolgung übergeben (Santur 22.10.2018). Insgesamt gibt es keine eindeutigen Prozeduren oder Regeln im Umgang mit Deserteuren. Es fehlt an Vorhersagbarkeit und Transparenz (Sahan 18.11.2021).
Rehabilitation/Reintegration: Die somalische Regierung betreibt mehrere Rehabilitationszentren für ehemalige Angehörige von al Shabaab, die als "low-risk" eingestuft wurden. Dies sind in erster Linie Zentren in Mogadischu, Baidoa und Kismayo (UNSC 1.9.2022, Absatz 70 ;, vergleiche Sahan 18.11.2021). Im Rahmen des National Program for the Treatment and Handling of Disengaged Combatants, über welches auch die Rehabilitationszentren geführt werden, wurden tausende Deserteure der al Shabaab rehabilitiert und reintegriert. Das Rehabilitationsprogramm wird maßgeblich von Großbritannien und Deutschland finanziert. Mit Stand Ende Dezember 2022 befanden sich mehr als 450 männliche und weibliche Deserteure in Betreuung (VOA 29.12.2022), im Juli 2022 waren es 304 Männer und 184 Frauen. Von Jänner bis August 2022 sind 187 Männer und 186 Frauen aus den Zentren als rehabilitiert entlassen und in die Gesellschaft reintegriert worden (UNSC 1.9.2022, Absatz 70,). IOM unterstützt in Baidoa ein Projekt zur Demobilisierung und Reintegration von männlichen und weiblichen "disengaged combatants" der al Shabaab. Dabei wird die Grundversorgung gesichert, Zugang zu Berufsausbildung ermöglicht und Mediationsarbeit zur langfristigen Reintegration geleistet. Nach der Ausbildung wird Geld zur Verfügung gestellt, um gegebenenfalls ein Unternehmen gründen zu können (ÖB 11.2022, Sitzung 7). Bei der Reintegration gibt es unterschiedliche Erfolge. Einige schaffen es, in ein normales Leben zurückzufinden. Andere sehen sich gezwungen, das Land zu verlassen, nachdem sie unter ständigen Einschüchterungen durch al Shabaab leiden. Eine unbekannte Zahl wurde von al Shabaab ermordet – als Abschreckung für andere (Sahan 18.11.2021).
Für Kinder gibt es eigene Zentren. Diese werden von NGOs betrieben, Kindern wird dort Bildung und Berufsbildung zur Verfügung gestellt (Santur 22.10.2018). U. a. werden bei von UNICEF unterstützten Reintegrationsprojekten für ehemalige Kindersoldaten Minderjährige in ihren Gemeinden resozialisiert. Sie erhalten außerdem Zugang zu einer Ausbildung (ÖB 11.2022, Sitzung 7).
Reintegration - Beispiel Serendi Rehabilitation Centre (SRC), Mogadischu: Das SRC steht jenen ehemaligen Angehörigen der al Shabaab offen, die als "low-risk" eingestuft wurden (Khalil 1.2019, Sitzung vii). Als "low-risk" wird von der NISA herausgefiltert, wer al Shabaab freiwillig verlassen hat; wer sich gegen die Ideologie der Gruppe ausspricht; und wer nicht als künftiges Risiko für die öffentliche Sicherheit erachtet wird (Khalil 1.2019, Sitzung 19/2; vergleiche BBC 23.11.2020). Trotzdem gibt es in Rehabilitationszentren auch Agenten von al Shabaab (BBC 23.11.2020).
Die Aufenthaltsdauer im SRC beträgt 6-12 Monate (Khalil 1.2019, Sitzung 19). Am SRC erhalten die Bewohner neben psycho-sozialer Unterstützung auch eine schulische und eine Berufsausbildung (Khalil 1.2019, Sitzung 23/12). Ein Rehabilitierter erzählt, dass er nun Schulbusfahrer ist, ein anderer ist Friseur. Im Zentrum gibt es z.B. auch Ausbildung in Mechanik, Schweißen, IT, Basisbildung und Englisch (BBC 23.11.2020). Das SRC unterstützt die Bewohner bei der Wiederherstellung des Kontakts zu Familie und Clan (Khalil 1.2019, Sitzung 24). Spätestens im Zuge der Reintegration in Mogadischu wenden sich viele aus dem SRC Entlassene an (teils entfernte) Verwandte. In vielen Fällen konnten positive Beziehungen zur Familie wieder hergestellt werden, die meisten wurden von ihrer Kernfamilie wieder aufgenommen (Khalil 1.2019, Sitzung 27f).
Nach der Entlassung aus dem SRC stellt gesellschaftliche Diskriminierung kaum ein relevantes Problem für ehemalige Angehörige der al Shabaab dar, wohl auch, weil es vielen gelingt, ihre Vergangenheit zu verschweigen (Kahlil 1.2019, Sitzung 29/34). Viele der Deserteure stammen zwar aus Mogadischu (Kahlil 1.2019, Sitzung 3), die Mehrheit jedoch aus Lower Shabelle, Middle Juba, Hiiraan oder Galgaduud (Kahlil 1.2019, Sitzung 3/27). Trotzdem entscheiden sich viele für eine Reintegration in Mogadischu – mitunter, weil dort relative Anonymität herrscht (Khalil 1.2019, Sitzung 29/27).
Bereits entlassene rehabilitierte ehemalige Angehörige von al Shabaab bleiben auch in Mogadischu und versuchen, dort in der Masse unerkannt zu bleiben (BBC 23.11.2020). Viele der aus dem SRC Entlassenen sind aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht in ihre eigentliche Heimat zurückgekehrt. Einige von ihnen meiden auch in Mogadischu bestimmte Stadtgebiete, da sie Angst haben, dort als ehemalige Angehörige der al Shabaab identifiziert zu werden. Insgesamt äußern aus dem SRC Entlassene häufig Sicherheitsbedenken bezüglich al Shabaab – natürlich besteht eine latente Bedrohung, von ehemaligen Kameraden erkannt zu werden. Allerdings ist nur in einem Fall auch tatsächlich eine Drohung (über SMS) ausgesprochen worden (Khalil 1.2019, Sitzung 27f). Schon in ihrer Zeit im halb-offenen SRC haben Deserteure am Wochenende Ausgang, und fast alle nehmen diesen auch in Anspruch (Khalil 1.2019, Sitzung 22).
Quellen:
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BBC - BBC News (23.11.2020): Life after al-Shabab: Driving a school bus instead of an armed pickup truck, https://www.bbc.co.uk/news/stories-55016792, Zugriff 23.6.2022
BBC - BBC News / Harper, Mary (27.5.2019): Somalia’s frightening network of Islamist spies, https://www.bbc.com/news/world-africa-48390166, Zugriff 23.6.2022
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406268/5209_1502195321_ffm-report-somalia-sicherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf , Zugriff 9.6.2022
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9.2.2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail
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Santur, H. G. / The New Humanitarian (22.10.2018): Reporter’s Diary: Heal Somalia’s former child soldiers, heal a nation, https://www.thenewhumanitarian.org/opinion/2018/10/22/heal-somalia-former-child-soldiers-heal-nation-al-shabab, Zugriff 23.6.2022
Taylor, C. / Semmelrock, T. / McDermott, A. (2019): The Cost of Defection: The Consequences of Quitting Al-Shabaab, in: International Journal of Conflict and Violence, Vol. 13/2019, S.1-13, https://www.ijcv.org/index.php/ijcv/article/view/3122/pdf, Zugriff 3.12.2021
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, Zugriff 4.7.2022
Allgemeine Menschenrechtslage
Süd-/Zentralsomalia, Puntland Letzte Änderung 2023-03-17 08:13
In der somalischen Verfassung ist der Schutz der Menschenrechte ebenso verankert wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 28.6.2022, Sitzung 20).
Trotzdem werden Grund- und Menschenrechte regelmäßig und systematisch verletzt. Im Wettstreit stehende, politische Akteure in Süd-/Zentralsomalia sind in schwere und systematische Menschenrechtsverbrechen involviert (BS 2022, Sitzung 18; vergleiche AI 29.3.2022). Die schwersten Menschenrechtsverletzungen sind: willkürliche und ungesetzliche Tötungen durch Kräfte der somalischen Bundesregierung; Entführungen und Verschwindenlassen; Rekrutierung und Verwendung von Kindersoldaten; Folter und andere grausame Behandlung; harte Haftbedingungen; willkürliche und politisch motivierte Verhaftungen (USDOS 12.4.2022, Sitzung 1f; vergleiche BS 2022, Sitzung 34). Al Shabaab ist für die Mehrheit der schweren Menschenrechtsverletzungen (USDOS 12.4.2022, Sitzung 2; vergleiche UNSC 6.10.2021) und für den größten Teil ziviler Todesopfer verantwortlich (BS 2022, Sitzung 34). Es gibt aber auch Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch Kräfte der Bundesregierung und von Regionalregierungen. Auch Clanmilizen sind für Vergehen verantwortlich - darunter Tötungen, Entführungen und Zerstörung zivilen Eigentums (UNSC 6.10.2021).
Bei Kämpfen unter Beteiligung von ATMIS, Regierung, Milizen und al Shabaab kommt es zur Tötung, Verletzung und Vertreibung von Zivilisten sowie zu anderen Kriegsverbrechen, welche durch alle Konfliktbeteiligten verübt werden (USDOS 12.4.2022, Sitzung 15; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 2). Es gibt zahlreiche Berichte, wonach die Regierung und ihre Handlanger Personen willkürlich und außergesetzlich töten (USDOS 12.4.2022, Sitzung 2). Nach anderen Angaben stellen extralegale Tötungen bei den Sicherheitskräften kein strukturelles Problem dar (AA 28.6.2022, Sitzung 22). Jedenfalls werden Sicherheitskräfte beschuldigt, Zivilisten bei Streitigkeiten um Land, bei Checkpoints, bei Zwangsräumungen und anderen Gelegenheiten willkürlich angegriffen zu haben (BS 2022, Sitzung 18). In solchen Fällen ist aufgrund des dysfunktionalen Justizsystems häufig von Straflosigkeit auszugehen (AA 28.6.2022, Sitzung 22).
Für die meisten Tötungen sind aber al Shabaab und Clanmilizen verantwortlich (USDOS 12.4.2022, Sitzung 3; vergleiche AI 29.3.2022). Im Zeitraum 7.5. bis 23.8.2022 kamen landesweit 419 Zivilisten ums Leben oder wurden verletzt. Für 88 Opfer trug dabei al Shabaab, für 249 Unbekannte, für 30 Clanmilizen, für 46 staatliche Sicherheitskräfte und für sechs die Liyu Police die Verantwortung (UNSC 1.9.2022, Absatz 52,). Im Zeitraum 1.2. bis 6.5.2022 sind es vergleichsweise insgesamt 428 Opfer gewesen (UNSC 13.5.2022, Absatz 51,). In den vergangenen Jahren war die Zahl an zivilen Opfern stetig zurückgegangen. Gemäß verfügbarer Zahlen der UN ist aber 2022 bereits im November das Jahr mit den höchsten Zahlen an getöteten (613) und verletzten (948) Zivilisten seit dem Jahr 2017. Dabei wurden bei Sprengstoffanschlägen 315 Menschen getötet und 686 verletzt. Von diesen Anschlägen können mindestens 94 Prozent al Shabaab angelastet werden. Die restlichen Opfer wurden durch staatliche Kräfte, Milizen und Unbekannte verursacht (UNOHCHR 14.11.2022).
Es gibt mehrere Berichte über von der Regierung gesteuertes, politisch motiviertes Verschwindenlassen (USDOS 12.4.2022, Sitzung 5). Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen durch Bundes- und Regionalbehörden sowie durch alliierte Milizen (USDOS 12.4.2022, Sitzung 9; vergleiche BS 2022, Sitzung 16). Die Regierung verwendet bei derartigen Verhaftungen oft den Vorwurf der Mitgliedschaft bei al Shabaab (USDOS 12.4.2022, Sitzung 10).
Generell ist Straflosigkeit die Norm. Die Regierung macht zumindest einige Schritte, um öffentlich Bedienstete – vor allem Sicherheitskräfte – strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 12.4.2022, Sitzung 2).
Al Shabaab verletzt in den Gebieten unter ihrer Kontrolle systematisch Grundrechte (BS 2022, Sitzung 19). Die Gruppe ist für die Mehrheit schwerer Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Al Shabaab verübt terroristische Anschläge gegen Zivilisten; begeht Morde und Attentate; entführt Menschen, begeht Vergewaltigungen und vollzieht grausame Bestrafungen; Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit werden eingeschränkt (USDOS 12.4.2022, Sitzung 2). Die Gruppe rekrutiert Kindersoldaten (USDOS 12.4.2022, Sitzung 2; vergleiche HRW 13.1.2022). Al Shabaab entführt Menschen und nimmt Geiseln (USDOS 12.4.2022, Sitzung 5). Die Entführung und Verhaftung von Zivilisten erfolgt, um Regelbrüche zu ahnden oder Kollaboration zu erzwingen. Von Ende 2020 bis September 2021 wurden 13 derartige Entführungen dokumentiert, betroffen waren 155 Zivilisten – u. a. Älteste, Wirtschaftstreibende und Jugendliche (UNSC 6.10.2021). Nachdem sich al Shabaab bei schweren Kämpfen im Bereich Siigale Degta (Lower Shabelle) am 8.3.2022 zurückziehen musste, kehrte die Gruppe noch am selben Tag in das Dorf zurück. Al Shabaab beschuldigte die Gemeinde der Spionage und Kollaboration mit der Bundesarmee, tötete mindestens einen Mann und entführte 33 Dorfbewohner (darunter neun Frauen). Der Verbleib dieser Menschen ist bis heute ungeklärt (UNSC 10.10.2022, Sitzung 86).
Al Shabaab verhängt in ihren Gebieten Körperstrafen. So werden sexuelle Vergehen mitunter mit Auspeitschen, Diebstahl mit Amputation und Spionage mit dem Tode bestraft (UNSC 6.10.2021). Al Shabaab richtet regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen hin, denen Kooperation mit der Regierung, internationalen Organisationen oder westlichen Hilfsorganisationen vorgeworfen wird (AA 28.6.2022, Sitzung 16), bzw. Zivilisten, die zu Abtrünnigen oder Spionen deklariert werden (BS 2022, Sitzung 19). Al Shabaab übt teils Rache an der Bevölkerung von Gebieten, die zuvor „befreit“ aber danach von al Shabaab wieder eingenommen worden waren. Die Gruppe wendet u. a. auch das Mittel von Zwangsvertreibungen an, um sich an sich widersetzenden oder nicht die eigenen Regeln befolgenden Bevölkerungsgruppen zu rächen. Bei derartigen Kollektivstrafen wurden z. B. im ersten Halbjahr 2021 im SWS und in Galmudug mehr als 11.000 Familien vertrieben (UNSC 6.10.2021). Mitunter kommt es bei al Shabaab auch zu Zwangsarbeit (USDOS 12.4.2022, Sitzung 46).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22, The State of the World's Human Rights - Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070229.html, Zugriff 6.4.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 15.3.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066476.html, Zugriff 3.2.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2082923/SOMA_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 5.12.2022
UNOHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.11.2022): Somalia - Türk decries steep rise in civilian casualties amid surge in Al-Shabaab attacks, https://www.ecoi.net/de/dokument/2082042.html, Zugriff 22.11.2022
UNSC - UN Security Council (10.10.2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], https://www.ecoi.net/en/file/local/2081261/N2263844.pdf, Zugriff 6.12.2022
UNSC - UN Security Council (1.9.2022): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/665], https://www.ecoi.net/en/file/local/2078696/N2257941.pdf, Zugriff 24.11.2022
UNSC - UN Security Council (13.5.2022): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/392], https://reliefweb.int/attachments/02e8f544-fa6f-47fe-80a1-6f7ee9d6c94e/N2233663.pdf, Zugriff 27.5.2022
UNSC - UN Security Council (6.10.2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849), https://reliefweb.int/attachments/17a953bc-861a-348a-a59b-1e182f053030/S_2021_849_E.pdf, Zugriff 14.10.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/02/313615_SOMALIA-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 21.4.2022
Meinungs- und Pressefreiheit
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2023-03-17 08:16
Gesetze und Verfassung sehen Meinungs- und Pressefreiheit vor (USDOS 12.4.2022, Sitzung 18; vergleiche BS 2022, Sitzung 14; FH 2022a, D1), allerdings halten sich weder die Bundes- noch regionale Regierungen daran (USDOS 12.4.2022, Sitzung 18). Die Verfassungen der Bundesstaaten sind zudem nicht einheitlich, und es finden sich dort einige Einschränkungen, z. B., dass nicht gegen den Islam geredet werden darf; hinsichtlich einer Störung der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Stabilität; oder aber hinsichtlich "unethischer" Äußerungen (BS 2022, Sitzung 14).
Zumindest in Gebieten unter Kontrolle der Regierung ist die Meinungsfreiheit weitgehend gegeben und wird durch die sehr weit verbreiteten sozialen Medien auch intensiv wahrgenommen (AA 28.6.2022, Sitzung 14). Nach anderen Angaben gibt es in den sichereren Gebieten des Landes ein gewisses Maß an Meinungsfreiheit. Allerdings können Personen, welche sich kritisch über Mächtige in Staat und Gesellschaft äußern, Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt sein (FH 2022a, D4). Nach anderen Angaben schränken Clanmilizen, kriminelle Organisationen und al Shabaab die Meinungsfreiheit ein (USDOS 12.4.2022, Sitzung 22). Zudem wird ein im August 2020 neu in Kraft getretenes Mediengesetz von Menschenrechtsorganisationen kritisiert. In diesem Gesetz sind u. a. mehrere ungenau definierte Verbote enthalten, welche Journalisten zur Selbstzensur zwingen (AI 5.10.2020). So wird u. a. die Verbreitung von nicht näher definierten "Falschnachrichten" [false news] kriminalisiert, das Strafmaß reicht dabei bis zu sechs Monaten Haft (USDOS 12.4.2022, Sitzung 18). Die Regierung hat Anfang Oktober 2022 jegliche „Verbreitung von terroristischem oder extremistischem Gedankengut“ verboten. Die Umsetzung ist jedoch äußerst schwammig (ÖB 11.2022, Sitzung 3).
Medienvereinigungen setzen sich für die Rechte der Medien, Meinungsfreiheit und Qualität im Journalismus ein (BS 2022, Sitzung 15). Die National Union of Somali Journalists beobachtet die Lage der Medien und berichtet über Übergriffe gegenüber Medien und Journalisten. Ein Bericht zu allen 2021 verzeichneten Vorfällen findet sich auf der Homepage der Organisation (NUSOJ o.D.).
In Somalia wurden zahlreiche regionale Medien etabliert, darunter Zeitungen, Fernseh- und Radiosender sowie Onlinemedien (BS 2022, Sitzung 15). In Print- und v. a. Online-Publikationen spiegelt sich die Meinungsvielfalt in Mogadischu wider (AA 28.6.2022, Sitzung 13). Unabhängige Medien verbreiten eine große Anzahl unterschiedlicher Meinungen; allerdings ist aufgrund der Erfahrung mit willkürlichen Verhaftungen und anderen Folgen Selbstzensur üblich, was die Kritik an der Regierung betrifft (USDOS 12.4.2022, Sitzung 19).
Mobiles Internet ist in weiten Teilen des Landes ohne Zugangseinschränkung verfügbar (AA 28.6.2022, Sitzung 14). Nach anderen Angaben schränkt die Regierung den Zugang zum Internet ein. Es gibt aber keine Berichte hinsichtlich widerrechtlicher Überwachung privater Kommunikation (USDOS 12.4.2022, Sitzung 22). Die Bundesregierung hat Mitte November 2022 hunderte Internetseiten deaktiviert, die ihren Angaben zufolge Narrative der al Shabaab transportiert hatten. Unter den blockierten Seiten finden sich Websites und Accounts auf sozialen Medien, die mit al Shabaab affiliiert sind (TEA 10.11.2022). Die Verwendung von sozialen Medien in Somalia hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Eine signifikante Zahl an Menschen in der Diaspora sowie Junge und Urbane in Somalia sind mit dem Internet und mit sozialen Medien verbunden (AI 13.2.2020, Sitzung 12).
Journalisten sehen sich regelmäßig Einfluss- oder sogar Zwangsmaßnahmen durch staatliche Stellen ausgesetzt (AA 28.6.2022, Sitzung 13). Mitunter kommt es zu direkter Zensur durch Regierungsvertreter (USDOS 12.4.2022, Sitzung 21) und zu Belästigungen, Einschüchterungen, willkürlichen Verhaftungen und Angriffen (HRW 13.1.2022; vergleiche AA 28.6.2022, Sitzung 13). Kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft oder in Medien werden oft bedroht und zum Schweigen gebracht (BS 2022, Sitzung 39). Zudem manipuliert die Regierung Medien durch Bestechung und durch Drohungen. Die Bestechung von Medienbesitzern und Redakteuren fördert die Selbstzensur (AI 13.2.2020, Sitzung 13/39ff).
Am World Press Freedom Index 2021 von Reporter ohne Grenzen rangiert Somalia auf Platz 161 von 180 bewerteten Ländern (RSF 14.4.2022). Die Bundesregierung, Regierungen von Bundesstaaten, affiliierte Milizen, ASWJ, al Shabaab und andere Akteure töten, misshandeln und belästigen Journalisten (USDOS 12.4.2022, Sitzung 19; vergleiche AI 13.2.2020, Sitzung 24). In den letzten zehn Jahren wurden über 50 Medienvertreter getötet (AA 28.6.2022, Sitzung 13). In den Jahren 2019, 2020 (AI 13.2.2020, Sitzung 19) und 2021 wurden jeweils zwei Journalisten getötet. 2021 kam es zudem zu elf Attacken auf Journalisten und vier auf Medienhäuser (NUSOJ 2022). Auch im Jahr 2022 gab es derartige Vorfälle. Von Feber bis Mai wurden 27 Journalisten und Medienmitarbeiter verhaftet; vier wurden tätlich angegriffen (UNSC 13.5.2022, Absatz 52,). Angriffe auf oder Morde an Journalisten werden nur selten untersucht (NUSOJ 2022; vergleiche AA 28.6.2022, Sitzung 13f), es herrscht Straflosigkeit (NUSOJ 2022; vergleiche USDOS 12.4.2022, Sitzung 19). Dies ist insofern wenig verwunderlich, als der Großteil der Übergriffe gegen Journalisten von staatlichen Sicherheitskräften selbst ausgeht (NUSOJ 2022). Allerdings wurde im Juni 2022 in Mogadischu ein Angehöriger der Sondereinheit Haramcad vom Militärgericht zu einem Jahr Haft und zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt. Er hatte im März 2021 einen Kameramann angeschossen und schwer verletzt. Somalische Journalisten- und Medienverbände haben die Gerichtsentscheidung als wegweisend gewürdigt (Horn 19.6.2022).
Journalisten arbeiten in Somalia generell in einer feindseligen Umgebung (BS 2022, Sitzung 15). Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen, zu Drangsalierung, zur Verhängung von Geldbußen und auch zur Ausübung von Gewalt; Täter sind sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure (FH 2022a, D1; vergleiche BS 2022, Sitzung 15; USDOS 12.4.2022, Sitzung 19ff). Bundes- und Regionalbehörden verhaften Journalisten und andere Personen, die sich über die Behörden kritisch äußern (USDOS 12.4.2022, Sitzung 13). Insgesamt wurden in Somalia (ohne Somaliland) im Jahr 2021 22 Journalisten willkürlich verhaftet (RSF 14.4.2022). Alle sind nach wenigen Stunden oder einigen Tagen wieder freigelassen worden (NUSOJ 2022). Auch im Jahr 2022 kam es zu Verhaftungen. UNSOM hat die willkürliche Verhaftung von sechs Journalisten dokumentiert, davon fünf im SWS. Als Gründe angegeben wurden u. a. kritische Berichterstattung über die Polizei oder über Demonstrationen sowie Anschuldigungen hinsichtlich der Abzweigung humanitärer Hilfe durch Staatsbedienstete. Alle Verhafteten wurden später wieder freigelassen, ohne dass es zu einer Anklage oder einer Vorführung gekommen wäre (UNSC 1.9.2022, Absatz 55,).
Im Gebiet von Al Shabaab stehen das öffentliche Leben und die öffentliche Meinung unter enger Kontrolle der Gruppe (BS 2022, Sitzung 21). Diese verbietet den Menschen dort das Hören internationaler Medien (USDOS 12.4.2022, Sitzung 21f). Generell ist die Meinungsfreiheit in ihren Gebieten massiv eingeschränkt (FH 2022a, D4), unabhängige Medien sind verboten. Al Shabaab betreibt eigene Radiosender, welche v. a. religiöse Inhalte und politische Propaganda verbreiten (BS 2022, Sitzung 15). Al Shabaab verbietet es, Telekommunikationsunternehmen Zugang zum Internet anzubieten. Die Unternehmen wurden gezwungen, auf dem Gebiet unter Kontrolle der Gruppe ihre Datendienste einzustellen (USDOS 12.4.2022, Sitzung 22). Al Shabaab bedroht und drangsaliert Medienmitarbeiter auch außerhalb der eigenen Gebiete (BS 2022, Sitzung 15).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
AI - Amnesty International / Committee to Protect Journalists / Human Rights Watch (5.10.2020): Re: Concerns and recommendations on Somalia's new media law, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038685/AFR5231642020ENGLISH.PDF, Zugriff 2.6.2022
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BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 15.3.2022
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Horn - Horn Observer (19.6.2022): Court sentences police officer who shot and seriously injured cameraman in Mogadishu to one year in jail, https://hornobserver.com/articles/1595/Court-sentences-police-officer-who-shot-and-seriously-injured-cameraman-in-Mogadishu-to-one-year-in-jail, Zugriff 30.6.2022
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TEA - The East African (10.11.2022): Somalia switches off media outlets allegedly used by Al-Shabaab, https://www.theeastafrican.co.ke/tea/news/east-africa/somalia-shuts-shabaab-media-outlets-4015458#:~:text=Thursday%20November%2010%202022&text=Somalia%20on%20Wednesday%20announced%20it,latest%20clampdown%20on%20violent%20extremism, Zugriff 22.11.2022
UNSC - UN Security Council (1.9.2022): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/665], https://www.ecoi.net/en/file/local/2078696/N2257941.pdf, Zugriff 24.11.2022
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Puntland
Letzte Änderung 2022-07-05 15:13
In Puntland wird die Meinungsfreiheit durch Gesetze eingeschränkt. Es kommt zu politischer Einflussnahme, zu willkürlichen Festnahmen und Belästigung von Journalisten (AI 13.2.2020, Sitzung 27ff) sowie zu Razzien gegen Medienunternehmen (NUSOJ 2022; vergleiche BS 2022, Sitzung 15). Im ersten Quartal 2021 nahmen die Einschränkungen für Journalisten in Puntland zu (HRW 13.1.2022).
Ein bekannter Journalist ist Anfang März 2021 wegen Berichterstattung über Proteste gegen die steigende Inflation in Puntland von einem Militärgericht zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Er wurde Ende 2021 aus der Haft entlassen (HRW 13.1.2022). Insgesamt sind im Jahr 2021 in Puntland vier Journalisten willkürlich verhaftet worden. Sie befanden sich zwischen wenigen Stunden und mehreren Tagen in Haft. Gegen zwei Journalisten wurde Gewalt angewendet (NUSOJ 2022).
Ein Militärgericht in Galkacyo hat im März 2022 zwei Männer wegen Mordes an einem Journalisten im März 2021 zum Tode verurteilt, zwei weitere Männer erhielten unterschiedliche Gefängnisstrafen wegen Beihilfe. Nach Aussage der Verurteilten handelte es sich um einen Auftragsmord. Al Shabaab hatte die Verantwortung für die Tat übernommen (BAMF 14.3.2022).
Die Media Association of Puntland tritt für die Meinungsfreiheit und für journalistische Unabhängigkeit ein (MAP o.D.).
Quellen:
AI - Amnesty International (13.2.2020): "We live in perpetual fear": Violations and Abuses of Freedom of Expression in Somalia [AFR 52/1442/2020], https://www.ecoi.net/en/file/local/2024685/AFR5214422020ENGLISH.PDF, Zugriff 2.6.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (14.3.2022): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw11-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 6.5.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 15.3.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066476.html, Zugriff 3.2.2022
MAP - Media Association of Puntland (o.D.): Homepage - About us, http://mediapuntland.org/home/who-we-are/, Zugriff 2.6.2022
NUSOJ - National Union of Somali Journalists (2022): State of the Media, Trail of Violence: Somalia Journalists bear the Brunt of Impunity, https://www.nusoj.org/wp-content/uploads/2022/02/NUSOJ-State-of-the-media-report.pdf, Zugriff 2.6.2022
Gebiete unter Regierungskontrolle
Letzte Änderung 2022-07-26 09:59
Somalia ist seinem verfassungsmäßigen Selbstverständnis nach ein islamischer Staat, der nicht vorrangig auf religiöse Vielfalt und Toleranz ausgelegt ist (AA 28.6.2022, Sitzung 11). Die Verfassungen von Somalia, Puntland und Somaliland bestimmen den Islam als Staatsreligion. Das islamische Recht (Scharia) wird als grundlegende Quelle der staatlichen Gesetzgebung genannt (AA 28.6.2022, Sitzung 14f; vergleiche BS 2022, Sitzung 9; USDOS 2.6.2022, Sitzung 1ff), alle Gesetze müssen mit den generellen Prinzipien der Scharia konform sein. Auch die Verfassungen der anderen Bundesstaaten erklären den Islam zur offiziellen Religion (USDOS 2.6.2022, Sitzung 1ff).
Der Übertritt zu einer anderen Religion ist gesetzlich nicht explizit verboten, wohl aber wird die Scharia entsprechend interpretiert. Blasphemie und "Beleidigung des Islam" sind Straftatbestände (USDOS 2.6.2022, Sitzung 2f). Nach anderen Angaben ist es Muslimen verboten, eine andere Religion anzunehmen (AA 28.6.2022, Sitzung 15). Jedenfalls sind Missionierung bzw. die Werbung für andere Religionen laut Verfassung verboten (FH 2022a, D2; vergleiche AA 28.6.2022, Sitzung 15). Andererseits bekennt sich die Verfassung zu Religionsfreiheit (AA 28.6.2022, Sitzung 15). Auch sind dort ein Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion (FH 2022a, D2) sowie die freie Glaubensausübung festgeschrieben (USDOS 2.6.2022, Sitzung 2).
Unabhängig von staatlichen Bestimmungen und insbesondere jenseits der Bereiche, in denen die staatlichen Stellen effektive Staatsgewalt ausüben können, sind islamische und lokale Traditionen und islamisches Gewohnheitsrecht weit verbreitet (28.6.2022, Sitzung 15). Es herrscht ein starker sozialer Druck, den Traditionen des sunnitischen Islam zu folgen. Eine Konversion vom Islam zu einer anderen Religion wird als sozial inakzeptabel erachtet. Jene, die unter dem Verdacht stehen, konvertiert zu sein, sowie deren Familien müssen mit Belästigungen seitens ihrer Umgebung rechnen (USDOS 2.6.2022, Sitzung 7).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 15.3.2022
FH - Freedom House (2022a): Freedom in the World 2022 – Somalia, https://freedomhouse.org/country/somalia/freedom-world/2022, Zugriff 24.5.2022
USDOS - US Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom - Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/04/SOMALIA-2021-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 8.6.2022
Gebiete von al Shabaab
Letzte Änderung 2023-03-17 08:29
In Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab ist die Praktizierung eines moderaten Islams sowie anderer Religionen untersagt (AA 28.6.2022, Sitzung 15). Al Shabaab setzt in den von ihr kontrollierten Gebieten gewaltsam die eigene Interpretation des Islam und der Scharia durch (FH 2022a, D2; vergleiche USDOS 2.6.2022, Sitzung 6). Al Shabaab drangsaliert, verletzt oder tötet Menschen aus unterschiedlichen Gründen, u. a. dann, wenn sich diese nicht an die Edikte der Gruppe halten (USDOS 2.6.2022, Sitzung 1). Eltern, Lehrer und Gemeinden, welche sich nicht an die Vorschriften von al Shabaab halten, werden bedroht. Zudem droht al Shabaab damit, jeden Konvertiten zu exekutieren (USDOS 2.6.2022, Sitzung 6). Auf Apostasie steht die Todesstrafe (FH 2022a, D2). Scheinbar gilt dies auch für Blasphemie, denn am 5.8.2021 wurde ein 83-Jähriger in der Nähe der Stadt Ceel Buur (Galmudug) von al Shabaab durch ein Erschießungskommando hingerichtet. Dem urteilenden Gericht zufolge hatte der Mann gestanden, den Propheten beleidigt zu haben (BAMF 9.8.2021; vergleiche USDOS 12.4.2022, Sitzung 6). Christen droht Verfolgung, die diesbezügliche Situation hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Al Shabaab will Christen in Somalia gezielt auslöschen (ÖB 11.2022, Sitzung 4).
In den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab sind Politik und Verwaltung von religiösen Dogmen geprägt (BS 2022, Sitzung 10). Al Shabaab verbietet dort generell "un-islamisches Verhalten" - Kinos, Fernsehen, Musik, Internet, das Zusehen bei Sportübertragungen, der Verkauf von Khat, Rauchen und weiteres mehr. Es gilt das Gebot der Vollverschleierung (USDOS 2.6.2022, Sitzung 7; vergleiche CFR 19.5.2021). Allerdings scheint al Shabaab bei der Durchsetzung derartiger Normen zunehmend pragmatisch zu sein (ICG 27.6.2019, Sitzung 7).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (9.8.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw32-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 9.6.2022
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USDOS - US Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom - Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/04/SOMALIA-2021-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 8.6.2022
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Minderheiten und Clans
Letzte Änderung 2023-03-17 08:31
Zu Clanschutz siehe auch Kapitel Rechtsschutz / Justizwesen
Der Clan ist die relevanteste soziale, ökonomische und politische Struktur in Somalia. Er bestimmt den Zugang zu Ressourcen sowie zu Möglichkeiten, Einfluss, Schutz und Beziehungen (SPC 9.2.2022). Dementsprechend steht Diskriminierung in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke haben (AA 28.6.2022, Sitzung 11). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2022, Sitzung 10). Selbst relative starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (Sahan 30.9.2022).
Clanälteste dienen als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft. Sie werden nicht einfach aufgrund ihres Alters gewählt. Autorität und Führungsposition werden verdient, nicht vererbt. Ein Clanältester repräsentiert seine Gemeinschaft, ist ihr Interessenvertreter gegenüber dem Staat. Innerhalb der Gemeinschaft dienen sie als Friedensstifter, Konfliktvermittler und Wächter des Xeer. Bei Streitigkeiten mit anderen Clans ist der Clanälteste der Verhandler. Al Shabaab installiert oft Älteste, welche die Gruppe repräsentieren. Er wird so zum Bindeglied zwischen der Gemeinschaft und al Shabaab. So werden zuvor legitime Strukturen in Geiselhaft genommen (Sahan 26.10.2022).
In ganz Somalia sehen sich Menschen, die keinem der großen Clans angehören, in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 56) und für ökonomische sowie politische Partizipation (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 56; vergleiche BS 2022, Sitzung 23). Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2022, Sitzung 23). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UNOCHA 14.3.2022).
Recht: Die Übergangsverfassung und Verfassungen der Bundesstaaten verbieten die Diskriminierung und sehen Minderheitenrechte vor (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 56). Weder das traditionelle Recht (Xeer) (SEM 31.5.2017, Sitzung 42) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, Sitzung 42; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 4). Allerdings sind Angehörige von Minderheiten in staatlichen Behörden unterrepräsentiert und daher misstrauisch gegenüber diesen Einrichtungen (ÖB 11.2022, Sitzung 4). Von Gerichten Rechtsschutz zu bekommen, ist für Angehörige von Minderheiten noch schwieriger als für andere Bevölkerungsteile (FIS 7.8.2020, Sitzung 21). Auch im Xeer sind Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017, Sitzung 31). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige aber möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem andern Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, Sitzung 11). Aufgrund dieser Allianzen werden auch Minderheiten in das Xeer-System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya (Kompensationszahlung) bei (SEM 31.5.2017, Sitzung 33). Gemäß einer Quelle haben schwächere Clans und Minderheiten trotzdem oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen (LIFOS 1.7.2019, Sitzung 14).
Angehörige von Minderheiten stehen vor Hindernissen, wenn sie Identitätsdokumente erhalten wollen - auch im Falle von Reisepässen (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 58).
Politik: Politische Repräsentation, politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament sind um die verschiedenen Clans bzw. Subclans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren - und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel (ÖB 11.2022, Sitzung 3). Dies bedeutet, dass den vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zusteht, während kleinere Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze erhalten (ÖB 11.2022, Sitzung 3; vergleiche USDOS 12.4.2022, Sitzung 31f; FH 2022a, B4). Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 2022a, B4). Sie werden von relevanten politischen Posten ausgeschlossen und die wenigen Angehörigen von Minderheiten, die solche Posten halten, haben kaum die Möglichkeit, sich für ihre Gemeinschaften einzusetzen (SPC 9.2.2022). So ist also selbst die gegebene, formelle Vertretung nicht mit einer tatsächlichen politischen Mitsprache gleichzusetzen, da unter dem Einfluss und Druck der politisch mächtigen Clans agiert wird. Die 4.5-Formel hat bisher nicht zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan-bezogenen Gleichberechtigung beigetragen (ÖB 11.2022, Sitzung 4).
Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 12.4.2022, Sitzung 41; vergleiche AA 28.6.2022, Sitzung 14; FH 2022a, F4). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 28.6.2022, Sitzung 14). Zudem sind die Systeme gegenseitiger Unterstützung bei ihnen weniger gut ausgebaut, und sie verfügen über geringere Ressourcen (Sahan 24.10.2022) und erhalten weniger Remissen (Sahan 24.10.2022; vergleiche SPC 9.2.2022). Die mächtigen Gruppen erhalten den Löwenanteil an Jobs, Ressourcen, Verträgen, Remissen und humanitärer Hilfe. Schwache Gruppen erhalten wenig bis gar nichts. Bei der Hungersnot 1991 waren die meisten Hungertoten entweder Digil-Mirifle oder Bantu. Dies gilt auch für die Hungersnot im Jahr 2011. Ein Grund dafür ist, dass humanitäre Hilfe von mächtigeren Clans vereinnahmt wird (Sahan 24.10.2022). Dementsprechend stehen Haushalte, die einer Minderheit angehören, einem höheren Maß an Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung gegenüber. Meist sind Minderheitenangehörige von informeller Arbeit abhängig, und die allgemeinen ökonomischen Probleme haben u.a. die Nachfrage nach Tagelöhnern zurückgehen lassen. Dadurch sind auch die Einkommen dramatisch gesunken (UNOCHA 14.3.2022).
Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans - oft unter Duldung lokaler Behörden (USDOS 12.4.2022, Sitzung 41). In Mogadischu können sich Angehörige aller Clans frei bewegen und auch niederlassen. Allerdings besagt der eigene Clanhintergrund, in welchem Teil der Stadt es für eine Person am sichersten ist (FIS 7.8.2020, Sitzung 39).
Al Shabaab: Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt (BS 2022, Sitzung 19; vergleiche ÖB 11.2022 Sitzung 6). Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz – etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten (ICG 27.6.2019, Sitzung 7f). Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet (DI 6.2019, Sitzung 11; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 4). Al Shabaab hat sich die gesellschaftliche Benachteiligung von Gruppen zunutze gemacht (Sahan 24.10.2022). Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen (Sahan 30.9.2022). Fehlender Rechtsschutz auf Regierungsseite ist ein weiterer Grund dafür, dass Angehörige von Minderheiten al Shabaab beitreten (FIS 7.8.2020, Sitzung 21). Missstände treiben ganze Gemeinden in die Arme von al Shabaab. Sie suchen ein taktisches Bündnis – haben dabei aber keine dschihadistische Vision, sondern wollen ihre Rivalen ausstechen. Al Shabaab nimmt derartige Spannungen gerne auf und verwendet sie für eigene Zwecke (Sahan 30.9.2022). Aufgrund der (vormaligen) Unterstützung von al Shabaab durch manche Minderheiten kann es in Regionen, aus welchen al Shabaab gewichen ist, zu Repressalien kommen (ÖB 11.2022, Sitzung 4f).
Quellen:
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2082923/SOMA_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 5.12.2022
Sahan - Sahan / Somali Wire Team (26.10.2022): The deaths of clan elders in the struggle against Al-Shabaab, in: The Somali Wire Issue No. 468, per e-Mail
Sahan - Sahan / Somali Wire Team (24.10.2022): Power, access, and social capital in Somalia, in: The Somali Wire Issue No. 467, per e-Mail
Sahan - Sahan / Somali Wire Team (30.9.2022): Winning the war of grievances, in: The Somali Wire Issue No. 458, per e-Mail
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Bevölkerungsstruktur
Letzte Änderung 2022-07-26 10:05
Somalia ist eines der wenigen Länder in Afrika, wo es eine dominante Mehrheitskultur und -Sprache gibt. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich innerhalb der traditionellen somalischen Clanstrukturen (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 56). Somalia ist nach Angabe einer Quelle ethnisch sehr homogen; allerdings sei der Anteil ethnischer Minderheiten an der Gesamtbevölkerung unklar (AA 28.6.2022, Sitzung 11/14). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85 % der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS 12.4.2022, Sitzung 40). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA 3.7.2018). Es gibt weder eine Konsistenz noch eine Verständigungsbasis dafür, wie Minderheiten definiert werden (UNOCHA 14.3.2022; vergleiche NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 44). Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6 % bis hin zu 33 %. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 44; vergleiche SEM, 31.5.2017, Sitzung 12). Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 18.4.2021, Sitzung 12). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, Sitzung 5).
Insgesamt ist das westliche Verständnis einer Gesellschaft im somalischen Kontext irreführend. Dort gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Zudem herrscht eine starke Tradition der sozialen Organisation abseits des Staates. Diese beruht vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Abstammungsgruppen. Seit dem Zusammenbruch des Staates hat sich diese soziale Netzwerkstruktur reorganisiert und verstärkt, um das Überleben der einzelnen Mitglieder zu sichern (BS 2022, Sitzung 34). Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, Sitzung 8).
Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, Sitzung 5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, "noble" Clanfamilien sind meist Nomaden:
● Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.
● Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.
● Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).
● Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.
● Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle sind eine weitere Clanfamilie (SEM 31.5.2017, Sitzung 10). Vor dem Bürgerkrieg der 1990er war noch auf sie herabgesehen worden. Allerdings konnten sie sich bald militärisch organisieren (BS 2020, Sitzung 9).
Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017, Sitzung 25). In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (FIS 7.8.2020, Sitzung 38ff).
Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017, Sitzung 5). Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, Sitzung 9). Zudem gewinnt die Mitgliedschaft in einer islamischen Organisation immer mehr an Bedeutung. Dadurch kann eine "falsche" Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden (BS 2022, Sitzung 25).
Quellen:
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GIGA - Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu 10 K 1802/14A
LI - Landinfo [Norwegen] (4.4.2016): Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in Southern Somalia, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2018/03/Report-Somalia-Practical-issues-and-security-challenges-associated-with-travels-in-Southern-Somalia-4-April-2016.pdf, Zugriff 18.12.2020
NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken [Niederlande] (1.12.2021): Algemeen ambtsbericht Somalië, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068196/algemeen-ambtsbericht-somalie-21122021.pdf, Zugriff 11.5.2022
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Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Ethnische Minderheiten, aktuelle Situation
Letzte Änderung 2023-03-17 08:32
Ethnische Minderheiten haben eine andere Abstammung und in manchen Fällen auch eine andere Sprache als die restlichen Einwohner des somalischen Sprachraums (SEM 31.5.2017, Sitzung 11). Die soziale Stellung der einzelnen ethnischen Minderheiten ist unterschiedlich (SEM 31.5.2017, Sitzung 14). Sie werden aber als minderwertig (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 44) und mitunter als Fremde erachtet (SPC 9.2.2022). So können Angehörige ethnischer Minderheiten auf Probleme stoßen - bis hin zu Staatenlosigkeit - wenn sie z. B. in einem Flüchtlingslager außerhalb Somalias geboren wurden (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 58).
Generell sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Verfolgung mehr ausgesetzt, wie dies Anfang der 1990er der Fall war (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 44). Dies gilt auch für Mogadischu. Allerdings sind dort all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LI 21.5.2019b, Sitzung 3). In den Städten ist die Bevölkerung aber allgemein gemischt, Kinder gehen unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit in die Schule und Menschen ins Spital (UNFPA/DIS 25.6.2020).
Nach anderen Angaben drohen ethnischen Minderheiten Stigmatisierung, soziale Absonderung, Verweigerung von Rechten und ein niedriger sozialer, ökonomischer und politischer Status (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 44), Arbeitslosigkeit und ein Mangel an Ressourcen. Sie werden am Arbeitsmarkt diskriminiert und vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen. Die meisten Angehörigen marginalisierter Gruppen haben keine Aussicht auf Rechtsschutz, nur selten werden solche Personen in die Sicherheitskräfte aufgenommen. Auch im Xeer werden sie marginalisiert. In Mogadischu mangelt es den Minderheiten auch an politischem Einfluss. Andererseits ändert sich die Situation langsam zum Besseren, die Einstellung v. a. der jüngeren Generation ändert sich; die Clanzugehörigkeit ist für diese nicht mehr so wichtig wie für die Älteren (FIS 7.8.2020, Sitzung 42ff).
Die Bantu sind die größte Minderheit in Somalia (SEM 31.5.2017, Sitzung 12f; vergleiche FIS 7.8.2020, Sitzung 41). Es gibt zahlreiche Bantu-Gruppen bzw. -Clans, wie z. B. Gosha, Makane, Kabole, Shiidle, Reer Shabelle, Mushunguli, Oji oder Gobaweyne; pejorativ werden sie auch Adoon (Sklaven) oder Jareer (Kraushaar) genannt. Traditionell leben sie als sesshafte Bauern in den fruchtbaren Tälern der Flüsse Juba und Shabelle (SEM 31.5.2017, Sitzung 12f; vergleiche UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57). Von den ca. 900.000 IDPs, die sich im Großraum Mogadischu aufhalten (Stand 2020), sind rund 700.000 Bantu (FIS 7.8.2020, Sitzung 42ff).
Die Bantu werden überall in Somalia rassistisch stigmatisiert (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 25) und diskriminiert (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 25; vergleiche BS 2022, Sitzung 9; USDOS 12.4.2022, Sitzung 41; GIGA 3.7.2018). Die meisten Somali schauen auf die sesshaften Bantu, die zum Teil einst als Sklaven ins Land gekommen waren, herab (SEM 31.5.2017, Sitzung 14; vergleiche UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57). Sie sind das dramatischste Beispiel für die Schlechterbehandlung durch dominierende Gruppen (Sahan 30.9.2022) und werden als Bürger zweiter Klasse erachtet (BS 2022, Sitzung 9) und befinden sich am untersten Ende der Gesellschaft (LIFOS 19.6.2019, Sitzung 9f). Auch in IDP-Lagern werden sie diskriminiert, Bantu-Frauen mangelt es dort an Schutz durch die traditionelle Clanstruktur (USDOS 12.4.2022, Sitzung 41; vergleiche LIFOS 19.6.2019, Sitzung 8). 80 % der Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt finden sich unter ihnen (FIS 7.8.2020, Sitzung 42ff). Überhaupt befinden sich Bantu in einer vulnerablen Situation, da zuvor bestehende Patronageverhältnisse (welche Schutz gewährleisteten) im Bürgerkrieg erodiert sind. Dadurch haben Bantu heute kaum Zugang zum Xeer (LIFOS 19.6.2019, Sitzung 9f). Bantu sind besonders schutzlos (ÖB 11.2022, Sitzung 4; vergleiche FIS 7.8.2020, Sitzung 42). Andererseits sind einige Bantu-Gruppen mit lokal mächtigen Clans Allianzen eingegangen, um sich dadurch zu schützen (FIS 7.8.2020, Sitzung 44).
Mischehen werden stigmatisiert (LIFOS 19.6.2019, Sitzung 7). Im September 2018 wurde ein Bantu in Mogadischu in Zusammenhang mit einer Mischehe getötet. Allerdings war dies ein sehr außergewöhnlicher Vorfall, über welchen viele Somali ihre Entrüstung äußerten (NLMBZ 3.2019, Sitzung 43). Al Shabaab hingegen hat zahlreiche Kinder der Bantu entführt oder zwangsrekrutiert. Trotzdem genießt die Gruppe bei dieser Minderheit größere Unterstützung (LIFOS 19.6.2019, Sitzung 7ff). Die meisten Fußsoldaten von al Shabaab, die aus Middle Shabelle stammen, gehören zu Gruppen mit niedrigem Status – etwa zu den Bantu. Al Shabaab hat diese Mitglieder dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von "noblen" Clans (z. B. Hawiye, Darod) zu heiraten (Ingiriis 2020).
Einem Bericht zufolge sind aus den USA deportierte somalische Bantu - manchmal schon am Flughafen in Mogadischu - von Bewaffneten entführt worden, um Lösegeld zu erpressen (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 58).
Benadiri ist ein Dachbegriff für verschiedene voneinander unabhängige urbane Minderheiten, die in den Küstenstädten des Südens leben (z. B. Mogadischu, Merka, Baraawe) und sich traditionell im Handel betätigen. Sie haben eine gemischte Abstammung aus Somalia, Arabien, Persien, Indien und Portugal (SEM 31.5.2017, Sitzung 13f; vergleiche UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57). Vor 1991 hatten sie einen privilegierten Status. Ohne bewaffnete Miliz waren sie im Bürgerkrieg aber schutzlos. Heute werden Benadiri gemeinhin als Händler respektiert (SEM 31.5.2017, Sitzung 13f). In Mogadischu stellen die Benadiri die zweitgrößte Minderheitengruppe. Einige von ihnen haben es geschafft, reich zu werden (FIS 7.8.2020, Sitzung 41ff). Im Gegensatz zu den Bantu kommt ihnen kein geringerer Status zu, Mischehen sind kein Problem (LI 14.6.2018, Sitzung 17). Auch von Sicherheitsproblemen wird (in Mogadischu) nicht berichtet (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 45). Vielen Reer Xamar (Teil der Benadiri) ist es gelungen, ihre vormaligen Immobilien im Bezirk Xamar Weyne (Mogadischu) durch Zahlungen zurückzuerhalten. Dort stellen sie auch die Bevölkerungsmehrheit (LI 21.5.2019b, Sitzung 2f).
Die Bajuni sind ein kleines Fischervolk, das auf den Bajuni-Inseln im Süden Somalias sowie in Kismayo (SEM 31.5.2017, Sitzung 14; vergleiche UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57) aber auch entlang der kenianischen Küste bis Lamu lebt. Der UNHCR zählt die Bajuni zu den Benadiri (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57).
Kinder von Mischehen der al-Shabaab: Einige somalische Mädchen und Frauen haben ausländische Kämpfer (z.B. aus Europa, USA, Asien) der al Shabaab geheiratet. Die aus solchen Ehen hervorgegangenen Kinder sind teils leicht zu identifizieren (ICG 27.6.2019, Sitzung 9).
Quellen:
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf, Zugriff 17.5.2022
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FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (7.8.2020): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia+Fact-Finding+Mission+to+Mogadishu+in+March+2020.pdf/2f51bf86-ac96-f34e-fd02-667c6ae973a0/Somalia+Fact-Finding+Mission+to+Mogadishu+in+March+2020.pdf?t=1602225617645, Zugriff 6.5.2022
GIGA - Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu 10 K 1802/14A
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LI - Landinfo [Norwegen] (14.6.2018): Somalia: Marriage and divorce, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2018/09/Report-Somalia-Marriage-and-divorce-14062018-2.pdf, Zugriff 6.5.2022
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Sahan - Sahan / Somali Wire Team (30.9.2022): Winning the war of grievances, in: The Somali Wire Issue No. 458, per e-Mail
SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 9.6.2022
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UNFPA/DIS - UN Population Fund / Danish Immigration Service [Dänemark] (25.6.2020): Skype-Interview des DIS mit UNFPA, in: DIS (11.2020): Somalia - Health System, S.79-84, https://www.nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landenotater/COI_report_somalia_health_care_nov_2020.pdf?la=en-GB&hash=3F6C5E28C30AF49C2A5183D32E1B68E3BA52E60C, Zugriff 12.5.2022
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (22.12.2021): Citizenship and Statelessness in the Horn of Africa, https://www.ecoi.net/en/file/local/2065866/61c97bea4.pdf, Zugriff 12.5.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/02/313615_SOMALIA-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 21.4.2022
Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation
Letzte Änderung 2023-03-17 08:32
Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung (SEM 31.5.2017, Sitzung 14ff). Sie sind somalischen Ursprungs, wurden aber von den traditionellen Clan-Lineages ausgeschlossen (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57). Im Gegensatz zu den „noblen“ Clans wird ihnen nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können (SEM 31.5.2017, Sitzung 14ff). Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57; vergleiche NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 45; SEM 31.5.2017, Sitzung 14ff) - etwa Jäger, Lederverarbeiter, Schuster, Friseure, Töpferinnen, traditionelle Heiler oder Hebammen (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 45). Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017, Sitzung 14ff). Ein anderer Sammelbegriff ist Midgan (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57).
Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017, Sitzung 43f). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LI 21.5.2019b, Sitzung 3).
Die berufsständischen Kasten werden zudem diskriminiert und als Bürger zweiter Klasse erachtet (BS 2022, Sitzung 9). Zu ihrer Diskriminierung trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (GIGA 3.7.2018; vergleiche SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z. B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff).
Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (SEM 31.5.2017, Sitzung 49).
Mischehe: In dieser Frage kommt es weiterhin zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 4). Aufgrund dieses teils starken sozialen Drucks (FH 2022a, G3) kommen Mischehen äußerst selten vor (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff; vergleiche FIS 5.10.2018, Sitzung 26). Diesbezüglich bestehen aber regionale Unterschiede: Im Clan-mäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden (ÖB 11.2022, Sitzung 4; vergleiche SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff). Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff). In Mogadischu sind Mischehen möglich (FIS 5.10.2018, Sitzung 26). Auch al Shabaab hat Hindernisse für Mischehen beseitigt, in ihren Gebieten kommt es zunehmend zu solchen Eheschließungen (ICG 27.6.2019, Sitzung 7f). Die Gruppe hat Fußsoldaten, die zu Gruppen mit niedrigem Status gehören, dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von "noblen" Clans (z. B. Hawiye, Darod) zu heiraten (Ingiriis 2020).
Eine Mischehe führt so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff). Trotzdem können diese Ehen negative Folgen für die Ehepartner mit sich bringen – insbesondere, wenn der Mann einer Minderheit angehört (ÖB 11.2022, Sitzung 4). So kommt es häufig zur Verstoßung des aus einem "noblen" Clan stammenden Teils der Eheleute durch die eigenen Familienangehörigen. Letztere besuchen das Paar nicht mehr, kümmern sich nicht um dessen Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff). Diese Art der Verstoßung kann vor allem in ländlichen Gebieten vorkommen. Eine Mischehe sorgt auf jeden Fall für Diskussionen und Getratsche, nach einer gewissen Zeit wird sie aber meist akzeptiert (FIS 5.10.2018, Sitzung 26).
Quellen:
BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 15.3.2022
FH - Freedom House (2022a): Freedom in the World 2022 – Somalia, https://freedomhouse.org/country/somalia/freedom-world/2022, Zugriff 24.5.2022
FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia_Fact_Finding+Mission+to+Mogadishu+and+Nairobi+January+2018.pdf/2abe79e2-baf3-0a23-97d1-f6944b6d21a7/Somalia_Fact_Finding+Mission+to+Mogadishu+and+Nairobi+January+2018.pdf, Zugriff 12.5.2022
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Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab und andere terroristische Gruppen
Letzte Änderung 2023-03-17 09:17
Folgende Personengruppen sind bezüglich eines gezielten Attentats durch al Shabaab einem erhöhten Risiko ausgesetzt:
● Angehörige der AMISOM bzw. ATMIS (BS 2022, Sitzung 34; vergleiche USDOS 2.6.2022, Sitzung 1);
● nationale und regionale Behördenvertreter und -Mitarbeiter (BS 2022, Sitzung 7/34; vergleiche USDOS 2.6.2022, Sitzung 1);
● Angehörige der Sicherheitskräfte (BS 2022, Sitzung 7/34; vergleiche USDOS 2.6.2022, Sitzung 1);
● Regierungsangehörige, Parlamentarier, Offizielle (BS 2022, Sitzung 34; vergleiche UNSC 10.10.2022, Absatz 117,) und Wahlkandidaten (UNSC 10.10.2022, Absatz 117,); al Shabaab greift z. B. gezielt Örtlichkeiten an, wo sich Regierungsvertreter treffen (BS 2022, Sitzung 7);
● mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten (USDOS 12.4.2022, Sitzung 15; vergleiche BS 2022, Sitzung 7);
● Angestellte von NGOs und internationalen Organisationen (USDOS 12.4.2022, Sitzung 15);
● Wirtschaftstreibende (BS 2022, Sitzung 7; vergleiche Sahan 7.9.2022), insbesondere dann, wenn sie sich weigern, Schutzgeld ("Steuer") an al Shabaab abzuführen (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 57);
● Älteste und Gemeindeführer (USDOS 12.4.2022, Sitzung 15; vergleiche Sahan 7.9.2022; BS 2022, Sitzung 7); gemäß somalischen Regierungsangaben hat al Shabaab innerhalb von zehn Jahren 324 Älteste ermordet. Einige der Opfer waren in Wahlprozesse involviert (KM 31.8.2022). In jüngerer Vergangenheit hat al Shabaab v. a. solche Älteste ermordet, die ihre Clans zur Beteiligung an der Offensive gegen die Gruppe aufgerufen bzw. deren Teilnahme öffentlich unterstützt haben (BMLV 9.2.2023).
● Wahldelegierte und deren Angehörige (USDOS 12.4.2022, Sitzung 15; vergleiche BS 2022, Sitzung 7; UNSC 10.10.2022, Absatz 117,); dabei hat al Shabaab in der Vergangenheit Delegierte vor die Wahl gestellt, entweder zu ihnen zu kommen und sich zu entschuldigen, oder aber einem Todesurteil zu unterliegen. Die große Mehrheit entschuldigte sich (Mohamed 17.8.2019). Immer wieder werden jedenfalls an Wahlen Beteiligte ermordet, so z. B. ein Delegierter und Ältester am 13.6.2022 sowie ein weiterer Delegierter Mitte April 2022 – beide in Hodan (Mogadischu). Al Shabaab bekennt sich nicht immer zu derartigen Attentaten, hat in der Vergangenheit allerdings betont, jede an Wahlen beteiligte Person zum Ziel zu machen (HO 14.6.2022);
● Angehörige diplomatischer Missionen (USDOS 12.4.2022, Sitzung 15);
● prominente und Menschenrechts- und Friedensaktivisten (USDOS 12.4.2022, Sitzung 15; vergleiche Sahan 7.9.2022);
● religiöse Führer (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 57f; vergleiche FIS 7.8.2020, Sitzung 8);
● Journalisten (BS 2022, Sitzung 34) und Mitarbeiter von Medien (USDOS 12.4.2022, Sitzung 48);
● Telekommunikationsarbeiter (USDOS 12.4.2022, Sitzung 48);
● mutmaßliche Kollaborateure und Spione (HRW 13.1.2022; vergleiche BS 2022, Sitzung 19; USDOS 12.4.2022, Sitzung 15f);
● Deserteure (FIS 7.8.2020, Sitzung 8);
● als glaubensabtrünnig Bezeichnete (Apostaten) (BS 2022, Sitzung 19);
● (vermeintliche) Angehörige oder Sympathisanten des IS (AA 28.6.2022, Sitzung 16); den IS hat al Shabaab als Seuche bezeichnet, welche ausgerottet werden müsse (JF 14.1.2020).
Personen all dieser Kategorien werden insbesondere dann zum Ziel, wenn sie kein Schutzgeld bzw. "Steuern" an al Shabaab abführen. Gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass zahlreiche Angriffe und Morde auf o. g. Personengruppen politisch motiviert oder einfache Verbrechen sind, die nicht auf das Konto von al Shabaab gehen (BMLV 9.2.2023).
Kollaboration und Spionage: In von al Shabaab kontrollierten Gebieten gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden (AA 28.6.2022, Sitzung 19). Al Shabaab tötet - meist nach unfairen Verfahren - Personen, denen Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung oder ausländischen Kräften vorgeworfen wird (HRW 13.1.2022; vergleiche USDOS 2.6.2022, Sitzung 1/6; UNSC 6.10.2021). Beispiele für Hinrichtungen wegen angeblicher Spionage (für Lokalregierungen, die Bundesregierung oder ausländische Kräfte: 2/2022, Buulo Fulay (Bay): 1 Mann (BAMF 7.2.2022); 7/2022, Bay: 6 Männer, öffentlich (RD 31.7.2022; vergleiche GN 1.8.2022); 8/2022, Kunyo Baarow (Lower Shabelle): 6 Männer, öffentlich (Menschen werden gezwungen, der Exekution beizuwohnen) (GN 22.8.2022); 9/2022, Jilib (Lower Juba): 5 Männer, öffentlich (Halbeeg 5.9.2022).
Al Shabaab bedroht Menschen, die mit der Regierung in Verbindung gebracht werden. Zivilisten können bestraft oder auch getötet werden, wenn sie für die Regierung oder die Armee arbeiten (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 20). Die Schwelle dessen, was al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt (BFA 8.2017, Sitzung 40f). So wurden etwa im Feber 2021 in Mogadischu drei Frauen erschossen, die im Verteidigungsministerium als Reinigungskräfte gearbeitet hatten (Sahan 15.2.2021a). Nach eigenen Angaben greift al Shabaab solche Personen hingegen nicht gezielt an (C4 15.6.2022). Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden (BFA 8.2017, Sitzung 40ff). So wurden etwa Anfang Juli 2021 fünf Zivilisten im Gebiet Jowhar von al Shabaab entführt, weil sie Soldaten der Armee mit Erfrischungen bewirtet bzw. mit ihnen gehandelt hatten. Mehrere Häuser und Fahrzeuge wurden angezündet (AMISOM 2.7.2021). Generell sind aber das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt. Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen: a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (BFA 8.2017, Sitzung 40ff).
Auf der anderen Seite kollaborieren viele Menschen mit al Shabaab. Verwaltungsstrukturen und Sicherheitskräfte sind unterwandert. Eine derartige Kollaboration kann aus finanziellen oder ideologischen Gründen erfolgen, oft aber auch aus Angst. Es scheint wenig ratsam, ein "Angebot" von al Shabaab abzulehnen (BMLV 9.2.2023).
Kapazitäten: Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Vertreter des Staates, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung auf Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie direkt Soldaten von Armee und ATMIS. Grundsätzlich richten sich die Angriffe der al Shabaab in nahezu allen Fällen gegen Personen des somalischen Staates (darunter die Sicherheitskräfte), Institutionen der internationalen Gemeinschaft (darunter ausländische Truppen) und gegen Gebäude, die von erst- und zweitgenannten Zielen frequentiert werden (BMLV 9.2.2023).
Al Shabaab greift Zivilisten, die nicht in eine der weiter oben genannten Kategorien fallen, nicht spezifisch an. Für diese besteht das größte Risiko darin, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (BMLV 9.2.2023; vergleiche FIS 7.8.2020, Sitzung 24ff) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (BMLV 9.2.2023; vergleiche LIFOS 3.7.2019, Sitzung 25; FIS 7.8.2020, Sitzung 24). So hat Mogadischu über die Jahre Dutzende Arbeiter der Straßenreinigung verloren, die durch versteckte Sprengsätze getötet wurden, welche entlang von Straßen im dahinter liegendem Müll platziert waren (AJ 21.7.2022). Außerdem greift al Shabaab etwa Cafés, Restaurants oder Hotels an, die von Behördenvertretern oder Wirtschaftstreibenden frequentiert werden (BS 2022, Sitzung 7). So kamen etwa am 17.7.2022 bei einem Selbstmordanschlag auf ein bei Politikern beliebtes Hotel in Jowhar mindestens zwölf Personen ums Leben. Dutzende weitere Personen wurden verletzt. Unter den Opfern befanden sich regionale Minister und Direktoren sowie ehemalige Abgeordnete (SG 17.7.2022; vergleiche BAMF 18.7.2022). Zwar richten sich diese Angriffe also gegen Personengruppen, die von al Shabaab als Feinde erachtet werden, doch kommen dabei auch Zivilisten zu Schaden, welche sich am oder in der Nähe des Ziels aufhalten. Nach einem Anschlag im Dezember 2019 hat sich al Shabaab sogar dafür entschuldigt, dass derart viele Zivilisten ums Leben gekommen sind (FIS 7.8.2020, Sitzung 25). Nach anderen Angaben ist es zwar Zufall, wer konkret einem Anschlag zum Opfer fällt; aber al Shabaab greift wahllos und doch gezielt Zivilisten an. Die Intention ist, der Bevölkerung vor Augen zu führen, dass die Regierung sie nicht beschützen kann (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 10ff). Dies führt Zivilisten in eine Art endemisch-alltägliche Unsicherheit in allen Lebensbereichen - und das, obwohl die Wahrscheinlichkeit, von einem Anschlag getroffen zu werden, relativ gering ist (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 27).
Ausweichmöglichkeiten: Aufgrund der überregionalen Aktivitäten und der Vernetzung des Amniyad [Nachrichtendienst der al Shabaab] sind – vor allem prominente – Zielpersonen auch bei einer innerstaatlichen Flucht gefährdet (BMLV 9.2.2023). Generell kann sich ein Mensch in Mogadischu vor al Shabaab verstecken (BMLV 9.2.2023; vergleiche AI 13.2.2020, A. 36). Dies kann beispielsweise für eine Person gelten, die vom eigenen Clan z. B. im Bezirk Jowhar für eine Rekrutierung bei al Shabaab vorgesehen gewesen wäre, und sich nach Mogadischu abgesetzt hat; nicht aber prominentere Personen, die vor al Shabaab auf der Flucht sind. Al Shabaab verfügt also generell über die Kapazitäten, menschliche Ziele – auch in Mogadischu – aufzuspüren. Unklar ist allerdings, für welche Personen al Shabaab bereit ist, diese Kapazitäten auch tatsächlich aufzuwenden. Außerdem unterliegt auch al Shabaab den Clandynamiken. Die Gruppe ist bei der Zielauswahl an gewisse Grenzen gebunden. Durch die Verbindungen mit unterschiedlichen Clans ergeben sich automatisch Beschränkungen. Zusätzlich möchte al Shabaab mit jedem begangenen Anschlag und mit jedem verübten Attentat auch ein entsprechendes Publikum erreichen (BMLV 9.2.2023).
Üblicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, könnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangehörige zu bedrohen oder zu ermorden. Manchmal kann es zur Erpressung von Angehörigen kommen (BMLV 9.2.2023). Gleichzeitig finden sich etwa Clanälteste immer wieder zwischen den Fronten. So wurden im Dezember 2022 in Galmudug drei Älteste verhaftet, denen Kollaboration mit al Shabaab vorgeworfen wird. Sie geben hingegen an, durch die ihnen vorgeworfene Vereinbarung mit al Shabaab die Freilassung von 69 Geiseln bewirkt zu haben (Halbeeg 25.12.2022).
Der Islamische Staat in Somalia (ISIS) operiert nahezu ausschließlich in Puntland bzw. mit einigen Zellen in Mogadischu. Die Hauptziele des ISIS in Puntland sind Regierungsangestellte und Politiker, Soldaten, Mitarbeiter des Nachrichtendienstes, Polizisten und Angehörige von al Shabaab. In Mogadischu wendet sich der IS gegen Angehörige von al Shabaab sowie gegen jene Personen (v. a. Händler und Geschäftsleute), die sich weigern, Abgaben bzw. Schutzgeld zu entrichten (BMLV 9.2.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf, Zugriff 17.5.2022
AI - Amnesty International (13.2.2020): "We live in perpetual fear": Violations and Abuses of Freedom of Expression in Somalia [AFR 52/1442/2020], https://www.ecoi.net/en/file/local/2024685/AFR5214422020ENGLISH.PDF, Zugriff 2.6.2022
AJ - Al Jazeera (21.7.2022): The street cleaners of Mogadishu: Doing Somalia’s riskiest job, https://www.aljazeera.com/news/2022/7/21/street-cleaners-the-women-doing-mogadishus-riskiest-job?sf168184671=1, Zugriff 28.7.2022
AMISOM (2.7.2021): Morning Headlines – Newsletter per E-Mail, Überschrift: Al-Shabaab Targets Locals For Welcoming And Feeding SNA, Originallink auf Somali: https://www.caasimada.net/al-shabaab-oo-beegsaday-shacab-caano-iyo-biyo-ku-soo-dhoweeyey-ciidanka-df/
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (18.7.2022): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw29-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 28.7.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.2.2022): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw06-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 6.5.2022
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406268/5209_1502195321_ffm-report-somalia-sicherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf, Zugriff 9.6.2022
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9.2.2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail
BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 15.3.2022
C4 - Channel 4 / Osman, Jamal (15.6.2022): Inside Al Shabaab: The extremist group trying to seize Somalia (Video), https://www.channel4.com/news/inside-al-shabaab-the-extremist-group-trying-to-seize-somalia, Zugriff 29.6.2022
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GN - Goobjoog News (22.8.2022): Al-Shabaab executes six young men by firing squad for spying, https://goobjoog.com/english/al-shabaab-executes-six-young-men-by-firing-squad-for-spying/, Zugriff 25.8.2022
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Sahan - Sahan / Keydmedia (15.2.2021a): The Somali Wire Issue No. 82, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://www.keydmedia.net/news/meydadka-3-ruux-oo-lasoo-dhigay-muqdisho
SG - Somali Guardian (17.7.2022): Somalia: Truck bomb hits a hotel popular with officials in Jowhar, https://somaliguardian.com/news/somalia-news/somalia-truck-bomb-hits-a-hotel-popular-with-officials-in-jowhar/, Zugriff 28.7.2022
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UNSC - UN Security Council (6.10.2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849), https://reliefweb.int/attachments/17a953bc-861a-348a-a59b-1e182f053030/S_2021_849_E.pdf, Zugriff 14.10.2022
USDOS - US Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom - Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/04/SOMALIA-2021-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 8.6.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/02/313615_SOMALIA-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 21.4.2022
Bewegungsfreiheit und Relokation
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2023-03-17 09:21
Gesetze schützen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land und das Recht zur Ausreise. Diese Rechte sind in einigen Landesteilen eingeschränkt (USDOS 12.4.2022, Sitzung 24) – v. a. durch die Unsicherheit entlang der wichtigsten Straßen (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 37), durch Checkpoints und Straßenblockaden der jeweiligen Machthaber in bestimmten Gebieten aber auch durch Kampfhandlungen. IDPs sind in den Lagern in und um Mogadischu teils strikten Beschränkungen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen. Davon abgesehen sind keine Einschränkungen für bestimmte Gruppen bekannt (ÖB 11.2022, Sitzung 10).
Überlandreisen: Al Shabaab bleibt auch weiterhin die größte Bedrohung hinsichtlich Bewegungsfreiheit entlang von Hauptversorgungsrouten in Süd-/Zentralsomalia. Die Gruppe verwendet entlang dieser Straßen Sprengsätze und legt Hinterhalte. Manchmal placiert al Shabaab Sprengsätze auch deswegen, um dadurch den Verkehr auf Straßen umzulenken, an welchen sie Checkpoints unterhält, wo Gebühren eingehoben werden (UNSC 6.10.2021).
Reisende werden durch die zahlreichen, von unterschiedlichen Gruppen betriebenen Straßensperren in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt (USDOS 12.4.2022, Sitzung 24f). Zudem sind sie dort Plünderung, Erpressung, Belästigung und Gewalt ausgesetzt (USDOS 12.4.2022, Sitzung 24f; vergleiche FH 2022a, G1). Neben den Straßensperren kann auch das Aufflammen bewaffneter Auseinandersetzungen ein Risiko darstellen (FH 2022a, G1). Gegen einige Städte unter Regierungskontrolle führt al Shabaab eine Blockade durch und greift manchmal Zivilisten an, welche die Blockade durchbrechen wollen (HRW 13.1.2022). Einige Bezirke sind demnach auf Luftbrücken angewiesen (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 37).
Der durchschnittliche Somali kann eine Überlandreise antreten, muss aber mit einem gewissen Risiko rechnen, während das Risiko für Sicherheitskräfte oder Regierungsbedienstete höher ist (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 38). Trotzdem bereisen Zivilisten und Wirtschaftstreibende tagtäglich die Überlandverbindungen. Die Menschen reisen nicht uninformiert. Reisende und Fahrer versuchen ihre Reise nach neuesten sicherheitsrelevanten Informationen zu adaptieren (LI 28.6.2019, Sitzung 4/9). Überlandreisen werden bevorzugt mit Minibussen (9-Sitzer), auf Lastwägen oder aber zu Fuß unternommen. Es ist einfach, sich in Mogadischu eine solche Fahrt zu organisieren. Straßenzustand und Sicherheitsüberlegungen können den Zugang zu einzelnen Destinationen fallweise verunmöglichen. Generell können Menschen aber jedes Ziel in Süd-/Zentralsomalia erreichen. Um in kleinere Dörfer zu gelangen, muss meist in der nächstgelegenen Bezirkshauptstadt umgestiegen werden (LI 28.6.2019, Sitzung 7).
Al Shabaab kontrolliert den Ort Leego an der Straße zwischen Wanla Weyne und Buur Hakaba (BMLV 9.2.2023). Damit ist die Route von Mogadischu nach Baidoa für Zwecke der Regierung geschlossen; diese gilt auch für die Hauptversorgungsroute nach Baraawe (Bryden 8.11.2021). Die Verbindung von Mogadischu nach Belet Weyne ist hingegen offen, die Zahl an Reisebewegungen auf dieser Route ist zuletzt stark angestiegen (BMLV 9.2.2023). Der Teil von Buulo Barde nach Belet Weyne wurde gesäubert, und damit ist diese Hauptverbindungsstraße nach 13 Jahren wieder frei (GN 21.9.2022). Die Route von Belet Weyne nach Dhusamareb ist weitgehend sicher (BMLV 9.2.2023). Al Shabaab kontrolliert etwa auch an der Hauptversorgungsroute von Kismayo nach Dhobley (UNSC 10.10.2022, Absatz 41,). Al Shabaab verfügt an allen Ausfallstraßen aus Kismayo – sowohl in Richtung Jamaame, als auch in Richtung Dhobley oder Kolbiyow – über Checkpoints (GITOC 8.12.2022). Generell kann es an den Straßenverbindungen in der Region Lower Juba zu Übergriffen durch al Shabaab kommen. Dies gilt auch in der Region Gedo für die Verbindungen südlich von Garbahaarey. Dahingegen kommt es im Gebiet zwischen Doolow und Luuq nur selten zu Zwischenfällen. In Bakool kommt es entlang der Verbindungsstraßen zwischen Waajid, Yeed und Ceel Barde nur selten zu Zwischenfällen. Die Verbindungen von und nach Xudur unterliegen wiederkehrenden Angriffen von al Shabaab (BMLV 9.2.2023), Xudur ist von al Shabaab eingekreist (BMLV 9.2.2023; vergleiche PGN 2.2021, Sitzung 12). In Bay bzw. Lower Shabelle kann es an der Route von Baidoa nach Mogadischu zu Übergriffen durch unterschiedliche Akteure kommen. Al Shabaab hat Zugriff auf die gesamte Straße, sie kontrolliert die Verbindung von Baidoa nach Buur Hakaba und weiter nach Bali Doogle. Rund um Baidoa betreibt die Gruppe Straßensperren (BMLV 9.2.2023).
Straßensperren: In ganz Süd-/Zentralsomalia gibt es Straßensperren (Checkpoints), an welchen Fahrzeuge aufgehalten und Personen kontrolliert werden. Prinzipiell geht es an einer Straßensperre um die Einhebung von Wegzoll (LI 28.6.2019, Sitzung 8), wobei die Höhe des Zolls mitunter willkürlich ist. Es gibt permanente und ad hoc Straßensperren, betrieben von Sicherheitskräften, al Shabaab oder Clanmilizen (LI 28.6.2019, Sitzung 8; vergleiche USDOS 12.4.2022, Sitzung 24f). Häufig kommt es an Checkpoints zwischen Clanmilizen, aber auch mit und unter staatlichen Einheiten, die sich um die Kontrolle und um Einnahmen streiten, zu kämpfen (AA 28.6.2022, Sitzung 9).
In Mogadischu gibt es mehrere Hundert permanente oder mobile Kontrollpunkte, dadurch wird die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Dort werden keine offiziellen Gebühren eingehoben, es kann aber zur Forderung nach Bestechungsgeldern kommen (EASO 9.2021a, Sitzung 22f). Gemäß neueren Angaben wurde die Mehrzahl der Checkpoints innerhalb des Stadtgebietes geräumt (Ausnahme: in den Bereichen wichtiger Infrastruktur wie der Villa Somalia, des Parlamentsgebäudes, dem Flughafen u. a.). Einschränkungen ergeben sich durch Sicherheitsmaßnahmen zu besonderen Anlässen wie Staatsbesuchen, die teilweise wichtige Straßenzüge für den zivilen Verkehr unpassierbar machen. Die Dauer dieser Auswirkungen ist unterschiedlich: von mehreren Stunden bis zu mehreren Tagen (BMLV 9.2.2023). Clanälteste, Bundes- und Bundesstaatsminister sowie Abgeordnete können sich in der Stadt nicht ohne Leibwächter frei bewegen (FGS 2022, Sitzung 99). Insgesamt können sich Menschen in Mogadischu aber unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit frei bewegen und sich niederlassen (FIS 7.8.2020, Sitzung 39).
Frauen: Es ist nicht ungewöhnlich, alleine reisende ältere Frauen anzutreffen. Dahingegen wird vermieden, jüngere Frauen ohne Begleitung auf Reisen zu schicken – v. a. aufgrund der Gefahr sexueller Gewalt (LI 28.6.2019, Sitzung 11f). Bezüglich dieser besteht für Frauen an Straßensperren ein erhöhtes Risiko (FIS 7.8.2020, Sitzung 23).
Straßensperren von al Shabaab: Das Netzwerk an Straßensperren bzw. Checkpoints bleibt stabil, es ist auch für einen großen Teil der Einnahmen von al Shabaab verantwortlich. Die Gruppe betreibt über 100 Checkpoints in Süd-/Zentralsomalia (UNSC 10.10.2022, Absatz 41 f,). In ländlichen Gebieten der gesamten Südhälfte Somalias ist jederzeit mit spontan errichteten Checkpoints der al Shabaab zu rechnen (AA 17.5.2022). Al Shabaab kontrolliert die Versorgungsrouten zwischen den meisten Städten (BS 2022, Sitzung 6). Außerhalb der tatsächlich von der Regierung und ihren Alliierten kontrollierten Gebieten besteht eine große Wahrscheinlichkeit, auf eine Straßensperre von al Shabaab zu stoßen (LI 28.6.2019, Sitzung 4/10). Straßensperren zielen in erster Linie auf die Einhebung von Steuern und Abgaben (BS 2022, Sitzung 6; vergleiche LI 28.6.2019, Sitzung 9f) ab, und in zweiter Linie darauf, Spione zu identifizieren. Generell ist es weder Ziel von al Shabaab, Menschen am Reisen zu hindern, noch sind Reisende selbst ein Ziel. Menschen können z. B. aus den Gebieten von al Shabaab in Städte reisen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen (LI 28.6.2019, Sitzung 9f). Ein Bericht über die „Besteuerung“ von Straßenverkehr und Gütern an Checkpoints der al Shabaab zeigt, dass der Verkehr in Süd-/Zentralsomalia aus, in und durch das Territorium der al Shabaab möglich ist. Die Studie dokumentiert mehr als 800 Fahrzeuge, die im Zeitraum Dezember 2020 bis Oktober 2021 in Lower und Middle Juba, Lower Shabelle, Bay, Bakool und Gedo unterwegs waren. Passagierfahrzeuge müssen an Straßensperren der al Shabaab nur einen vergleichsweise geringen Betrag abführen (GITOC 8.12.2022).
Allerdings verhält sich al Shabaab an Straßensperren unberechenbar. Menschen können nie voraussehen, wie sie dort behandelt werden. Gebühren werden eingehoben, die Identität aller Reisenden wird verifiziert. Al Shabaab kennt den Hintergrund vieler Menschen, ihr Nachrichtendienst ist effizient (FIS 7.8.2020, Sitzung 28). Wenn also eine Person in eine solche Kontrolle gerät, und über diese Person im Rahmen der ausführlichen Netzwerke der al Shabaab eine Meldung vorliegt, dass diese Person z. B. vor ein paar Monaten negativ aufgefallen ist, dann kann dies zu Repressalien führen (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 40).
Angst vor al Shabaab müssen in erster Linie jene Reisenden haben, die öffentlich Bedienstete sind oder die Verbindungen zur Regierung haben. Außerhalb größerer Städte können sie jederzeit auf eine Straßensperre von al Shabaab treffen (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 38). Sie befinden sich in Lebensgefahr. Dies gilt insbesondere an Straßensperren in jenen Gebieten, die nicht vollständig unter Kontrolle von al Shabaab stehen. Dort dürfen Spione standrechtlich – ohne Verfahren – exekutiert werden. In den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab werden Verdächtige i.d.R. verhaftet und vor Gericht gestellt. Auch dies hat - bei einem Schuldspruch - den Tod zur Folge. Außerdem kann es Personen treffen, die von al Shabaab – etwa wegen des Mitführens von bestimmten Objekten (Smartphones, Regierungsdokumente, Symbole, die mit der Regierung assoziiert werden etc.) – als mit der Regierung in Zusammenhang stehend oder als Spione verdächtigt werden (LI 28.6.2019, Sitzung 9f). Auch Reisende, die im Gebiet der Reisebewegung weder über Familien- noch Clanverbindungen verfügen, können von al Shabaab unter Umständen als Spione verdächtigt werden (außer sie haben einen Bürgen). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Reiseziel der Person im von der al Shabaab kontrollierten Gebiet liegt (LI 28.6.2019, Sitzung 4/11).
Alleine die Tatsache, dass jemand in einem westlichen Land gewesen ist, stellt im Kontext mit al Shabaab an solchen Straßensperren kein Problem dar. Allerdings ruft westliches Verhalten oder westliche Kleidungsart Sanktionen hervor – etwa Auspeitschen (LI 28.6.2019, Sitzung 11). Reisende passen sich daher üblicherweise den Kleidungs- und Verhaltensvorschriften von al Shabaab an, um nicht herauszustechen (LI 28.6.2019, Sitzung 4).
Ausweichmöglichkeiten und Binnenmigration: Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen jedenfalls für einen Teil der somalischen Bevölkerung (ÖB 11.2022, Sitzung 12). Im Fall einer nicht durch individuelle Verfolgung begründeten Flucht aus von al Shabaab kontrollierten Gebieten bieten urbane Zentren und ländliche Gebiete unter staatlicher Kontrolle relativ größere Sicherheit. Dabei ist es schwierig, relativ sichere Zufluchtsgebiete pauschal festzulegen, denn je nach Ausweichgrund und persönlichen Umständen ist eine Person möglicherweise in einem anderen Gebiet Somalias dann von anderen Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts bedroht. Die soziale und wirtschaftliche Integration in „clanfremden“ Gebieten kann zum Teil schwierig sein (AA 28.6.2022, Sitzung 20).
Menschen aus Süd-/Zentralsomalia können sich auch in Somaliland und Puntland ansiedeln. Dort werden sie jedoch nur "halb" akzeptiert, in Somaliland kommen ihnen keine Staatsbürgerrechte zu (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 25f). Trotzdem herrscht in Somaliland und Puntland (außer in den umstrittenen Gebieten) mehr Freiheit (AA 28.6.2022, Sitzung 20). Üblicherweise genießen Somalis außerdem den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind (ÖB 11.2022, Sitzung 12). Selbst IDPs tun sich bei einer Integration leichter, wenn sie z. B. in Mogadischu über Beziehungen und Clanverbindungen verfügen. Manchmal helfen bei einer Integration auch spezielle berufliche Fähigkeiten (FIS 7.8.2020, Sitzung 36). Zudem gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. In Mogadischu und anderen großen Städten ist es nicht automatisch nachvollziehbar, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016, Sitzung 9). Dort leben Angehörige aller somalischen Clans, sie können sich dort frei bewegen und auch niederlassen (FIS 7.8.2020, Sitzung 39).
Generell hat die Binnenmigration seit 2012 stark zugenommen, v. a. der Zuzug in urbane Gebiete. Menschen erhoffen sich in der Stadt eine bessere Zukunft und bessere Lebensbedingungen als etwa auf dem Land, wo wiederkehrende Dürren und Überschwemmungen ein nomadisches oder landwirtschaftliches Leben schwer gemacht haben (FIS 7.8.2020, Sitzung 36; vergleiche ACCORD 31.5.2021, Sitzung 16/24). Immer mehr Menschen flüchten und kommen nach Mogadischu (TG 8.6.2022).
Luftweg: Die sicherste Arte des Reisens in Süd-/Zentralsomalia ist das Fliegen (FIS 7.8.2020, Sitzung 29; vergleiche LI 28.6.2019, Sitzung 6f). Regierungsvertreter nutzen das Flugzeug, wo es nur geht (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 38). Von Mogadischu aus können Baidoa, Kismayo, Garoowe, Galkacyo, Bossaso, Cadaado und Guri Ceel mit Linienflügen erreicht werden (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 39). Anbieter ab Mogadischu gibt es auch für Flüge nach Cabudwaaq, Belet Weyne und Dhobley (EASO 9.2021a). Die Kosten für ein One-Way-Ticket im Binnenflugverkehr belaufen sich auf 100-150 US-Dollar (FIS 7.8.2020, Sitzung 29; vergleiche LI 28.6.2019, Sitzung 6f).
Eine effektive Ausreisekontrolle an den Grenzübergängen von Somalia in die Nachbarländer findet nicht statt. Sowohl die Landgrenze als auch die Seegrenze werden weitgehend nicht überwacht. Kontrollen werden dagegen bei Flugreisen ab Mogadischu, Garoowe und Bossaso durchgeführt (AA 28.6.2022, Sitzung 26).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.5.2022): Somalia – Reise- und Sicherheitshinweise – Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somaliasicherheit/203132#content_1, Zugriff 17.5.2022
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf, Zugriff 17.5.2022
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Bryden, Matt / The Elephant (8.11.2021): Fake Fight: The Quiet Jihadist Takeover of Somalia, https://www.theelephant.info/long-reads/2021/11/08/fake-fight-the-quiet-jihadist-takeover-of-somalia/#.YYjpCzdaMR4.twitter, Zugriff 25.5.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 15.3.2022
EASO - European Asylum Support Office (9.2021a): Somalia – Key socio-economic indicators, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/2021_09_EASO_COI_Report_Somalia_Key_socio_economic_indicators.pdf, Zugriff 25.5.2022
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NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken [Niederlande] (1.12.2021): Algemeen ambtsbericht Somalië, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068196/algemeen-ambtsbericht-somalie-21122021.pdf, Zugriff 11.5.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2082923/SOMA_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 5.12.2022
PGN - Political Geography Now (2.2021): Somalia Control Map & Timeline - February 2021, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2021/02/somalia-control-map-2021.html
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Sahan - Sahan / Radio Dalsan (10.3.2021b): The Somali Wire Issue No. 99, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://www.radiodalsan.com/howlgal-lagu-furayo-waddooyin-ay-xireen-al-shaabab-oo-lagu-dhawaaqay/
Sahan - Sahan / Gedo Times (2.3.2021b): The Somali Wire No. 93, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://www.gedotimes.com/2021/03/01/sawirobulshada-buulo-barde-oo-ka-cabanaya-godoon-ay-galiyeen-alshabaab/
TG - The Guardian / Mohamed Ahmed, Fathi (8.6.2022): Mogadishu shops shuttered as soaring food prices add to desperation in Somalia, https://www.theguardian.com/global-development/2022/jun/08/mogadishu-shops-shuttered-as-soaring-food-prices-add-to-desperation-in-somalia, Zugriff 30.6.2022
UNSC - UN Security Council (10.10.2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], https://www.ecoi.net/en/file/local/2081261/N2263844.pdf, Zugriff 6.12.2022
UNSC - UN Security Council (6.10.2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849), https://reliefweb.int/attachments/17a953bc-861a-348a-a59b-1e182f053030/S_2021_849_E.pdf, Zugriff 14.6.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/02/313615_SOMALIA-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 21.4.2022
Grundversorgung/Wirtschaft Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Wirtschaft und Arbeit Letzte Änderung 2023-03-17 09:48
Mehrere Schocks haben die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung des Landes unterminiert, darunter Überschwemmungen, eine Heuschreckenplage und die Covid-19-Pandemie (AFDB 25.5.2022). Die somalische Wirtschaft hat sich allerdings als resilienter erwiesen, als zuvor vermutet: Ursprünglich war für 2020 ein Rückgang des BIP um 2,5 % prognostiziert worden (UNSC 13.11.2020, Absatz 17,), tatsächlich sind es dann nur minus 0,4 % geworden (UNSC 10.8.2021, Absatz 17,), nach anderen Angaben sogar nur 0,1 %. Für 2021 war ein Wachstum von 2,4 % prognostiziert, geworden sind es dann 2,9 % (FTL 29.11.2022). Für das Jahr 2022 prognostiziert die Weltbank ein Wachstum von 3,2 % (WB 6.2021, Sitzung 20).
Eine der Triebfedern der wirtschaftlichen Erholung sind Remissen und anhaltende Investitionen (UNSC 17.2.2021, Absatz 19,). Ein resilienter Privatsektor und starke Remissen aus der Diaspora bleiben Grundlage für Optimismus. Zudem gibt es unentwickelte Möglichkeiten aufgrund der Urbanisierung, sowie auf den Gebieten neuer Technologien, Bildung und Gesundheit Ausschussbericht 22.6.2022). Die Geldrückflüsse nach Somalia sind 2021 im Vergleich zu 2020 noch einmal gestiegen, von 30,8 % des BIP auf 31,3 % (AFDB 25.5.2022). Neben der Diaspora (VICE 1.3.2020) sind auch zahlreiche Agenturen der UN (etwa UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) tatkräftig dabei, das Land wiederaufzubauen (ÖB 11.2022, Sitzung 21). Das Maß an privaten Investitionen bleibt konstant. Die Inflation lag 2021 bei 4,6 %, für 2022 werden aufgrund höherer Nahrungsmittel- und Treibstoffpreise sowie der herrschenden Dürre 9,4 % prognostiziert (AFDB 25.5.2022).
Allerdings war das Wirtschaftswachstum schon in besseren Jahren für die meisten Somalis zu gering, als dass sich ihr Leben dadurch verbessern hätte können (UNSC 21.12.2018, Sitzung 4). Der Bevölkerungszuwachs nivelliert das Wirtschaftswachstum und hemmt die Reduzierung von Armut (BS 2022, Sitzung 30). Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt 875 US-Dollar (BS 2022, Sitzung 3). Zusätzlich bleibt die somalische Wirtschaft im Allgemeinen weiterhin fragil. Dies hängt mit der schmalen Wirtschaftsbasis zusammen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist von Landwirtschaft und Fischerei abhängig und dadurch externen und Umwelteinflüssen besonders ausgesetzt (ÖB 11.2022, Sitzung 15). Landwirtschaft, Handel, Kommunikation und mobile Geldtransferdienste tragen maßgeblich zum BIP bei; alleine die Viehwirtschaft macht rund 60 % des BIP (BS 2022, Sitzung 31) und 80 % der Exporte aus (BS 2022, Sitzung 25). Der Großteil der Wirtschaft bzw. der wirtschaftlichen Aktivitäten ist dem informellen Sektor zuzurechnen (UNSC 10.10.2022, Absatz 64,). Insgesamt sind zuverlässige Daten zur Wirtschaft schwierig bis unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren (ÖB 11.2022, Sitzung 2/15) bzw. sind vertrauenswürdige Daten kaum vorhanden (BS 2022, Sitzung 30).
Al Shabaab und andere nicht staatliche Akteure behindern kommerzielle Aktivitäten in Bakool, Bay, Gedo und Hiiraan (USDOS 12.4.2022, Sitzung 25).
Staatshaushalt: Die Regierung ist stark abhängig von externer Hilfe. Ein Großteil der Regierungsausgaben wird durch externe Akteure bezahlt (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 29; vergleiche BS 2022, Sitzung 40). Alleine die offizielle Entwicklungshilfe betrug 2019 1,9 Milliarden US-Dollar – 40 % des BIP (BS 2022, Sitzung 40). Aufgrund der fehlenden Kontrolle über das Territorium – aber auch hinsichtlich technischer Fähigkeiten – war die Regierung bisher nicht in der Lage, ein nationales Steuersystem aufzubauen. Selbst für grundlegende Staatsausgaben ist das Land auf externe Geber angewiesen (BS 2022, Sitzung 36). Von den Bundesstaaten gelingt es neben Puntland nur Jubaland, ein relevantes Maß an Einnahmen selbst zu generieren (WB 6.2021, Sitzung 16).
Dabei entwickelten sich die Budgetzahlen in den letzten Jahren stetig nach oben:
38 % der Staatsausgaben entfallen auf Verteidigung und Sicherheit (BS 2022, Sitzung 28), in den Jahren 2017 bis 2021 waren es durchschnittlich 31 % (AI 18.8.2021, Sitzung 19). Das Budget für das Jahr 2023 sieht mehr Geld für öffentliche Dienste wie Gesundheitszentren, Bildungseinrichtungen und Sicherheitskräfte vor (RD 28.12.2022).
Im Jahr 2020 hatte Somalia mit der Normalisierung der Beziehungen zu internationalen Finanzinstitutionen (Weltbank, Währungsfonds, Afrikanische Entwicklungsbank) einen Meilenstein erreicht. Das Land kann wieder partizipieren (HIPS 2021, Sitzung 4/23).
Arbeitsmarkt: Es gibt kein nationales Mindesteinkommen. Ca. 95 % der Berufstätigen arbeiten im informellen Sektor (USDOS 12.4.2022, Sitzung 48). In einer von Jahrzehnten des Konflikts zerrütteten Gesellschaft hängen die Möglichkeiten des Einzelnen generell sehr stark von seinem eigenen und vom familiären Hintergrund sowie vom Ort ab (BS 2022, Sitzung 30).
Das Unternehmertum spielt in der somalischen Wirtschaft eine entscheidende Rolle. Schätzungen zufolge werden alleine dadurch mehr als drei Viertel aller Arbeitsplätze geschaffen (WB 22.3.2022). Zum Beispiel hat der Telekom-Konzern Hormuud Telecom in den vergangenen Jahren tausende Arbeitsplätze geschaffen und beschäftigt heute mehr als 20.000 Frauen und Männer (EAT 14.2.2021). Überhaupt sind zwei Drittel der aktiven Erwerbsbevölkerung Selbständige (WB 13.7.2022)
Einerseits wird berichtet, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge und zurückkehrende Flüchtlinge in Süd-/Zentralsomalia limitiert sind. So berichten etwa Personen, die aus Kenia zurückgekehrt sind, über mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten (USDOS 12.4.2022, Sitzung 27). Andererseits wird ebenso berichtet, dass die besten Jobs oft an Angehörige der Diaspora fallen – etwa wegen besserer Sprachkenntnisse (FIS 7.8.2020, Sitzung 33f). Am Arbeitsmarkt spielen Clanverbindungen eine Rolle (USDOS 12.4.2022, Sitzung 48). Gerade, um eine bessere Arbeit zu erhalten, ist man auf persönliche Beziehungen und das Netzwerk des Clans angewiesen. Dementsprechend schwer tun sich IDPs, wenn sie vor Ort über kein Netzwerk verfügen; meist sind sie ja nicht Mitglieder der lokalen Gemeinde (FIS 7.8.2020, Sitzung 33f). Männer, die vom Land in Städte ziehen, stehen oft vor der Inkompatibilität ihrer landwirtschaftlichen Kenntnisse mit den vor Ort am Arbeitsmarkt gegebenen Anforderungen (DI 6.2019, Sitzung 22f; vergleiche OXFAM 6.2018, Sitzung 10). Die Zugezogenen tun sich schwer, eine geregelte Arbeit zu finden (OXFAM 6.2018, Sitzung 10); außerdem wird der Umstieg von Selbstständigkeit auf abhängige Hilfsarbeit oft als Demütigung und Erniedrigung gesehen. Darum müssen gerade IDPs aus ländlichen Gebieten in die Lage versetzt werden, neue Fähigkeiten zu erlernen, damit sie etwa am informellen Arbeitsmarkt oder als Kleinhändler ein Einkommen finden. Dies geschieht auch teilweise (DI 6.2019, Sitzung 22f). Generell finden Männer unter anderem auf Baustellen, beim Graben, Steinebrechen, Schuhputzen oder beim Khatverkauf eine Arbeit. Ein Großteil der Tätigkeiten ist sehr anstrengend und mitunter gefährlich. Außerdem wird von Ausbeutung und Unterbezahlung berichtet (OXFAM 6.2018, Sitzung 10).
Ende Mai 2022 hat die Regierung die National Youth Development Initiative gestartet. Mit dieser sollen Arbeitsplätze für Jugendliche geschaffen werden (WB 13.7.2022). Die von der EU finanzierte Dalbile Youth Initiative wurde im August 2020 gestartet und läuft weiter fort. Mit diesem Programm wird das Leben von ca. 5.000 jungen Menschen verändert werden, durch Unternehmertum, soziale Unternehmungen, Management Training, Mentorship, Ausbildung und Geldern für Start-ups (RD 23.9.2022). Im Rahmen dieses und anderer Programme hat UNFPA diverse Maßnahmen umgesetzt, um Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt besserzustellen. Im ersten Jahr der Dalbile Youth Initiative wurden mehr als 1.500 Jugendliche (davon ca. die Hälfte weiblich) mit Kapazitätsbildungsmaßnahmen erreicht. 68 Start-ups wurden mit Krediten versorgt (UNFPA 27.7.2022). Ein Programm von IOM unterstützt Jugendliche dabei, neue Fähigkeiten zu erwerben, die auf dem Arbeitsmarkt von Vorteil sind – etwa als Schneider, Installateur oder Elektriker. In Baidoa und Kismayo wurden 300 Jugendliche finanziell unterstützt, um bei lokalen Firmen Berufspraktika absolvieren zu können. Die meisten der Absolventen des Programms können danach ihren Lebensunterhalt mit eigenem Einkommen finanzieren (IOM 27.12.2022).
Einkommen, Tätigkeiten: An Arbeitstätigkeiten genannt werden: Träger am Bau; Arbeiten am Hafen (FIS 7.8.2020, Sitzung 33f) Köhler; Hilfsarbeiter am Bau; Koranlehrer; Rickshaw-Fahrer; Transporteur mit einer Eselkarre; Transporteur mit einer Scheibtruhe (Khalil 1.2019, Sitzung 30). Arzt; Krankenschwester (FIS 5.10.2018, Sitzung 36); Universitätslektor (TG 8.6.2022); angestellte und selbstständige Überlandfahrer; Fleischverkäufer (RE 18.2.2021); Magd; Hausangestellte; Wäscherin; Marktverkäuferin. In der Verwaltung sind nur wenige Stellen verfügbar, besser stellt sich die Situation bei Polizei und Armee dar. Viele Menschen leben vom Kleinhandel oder von ihrer Arbeit in Restaurants oder Teehäusern. Allerdings ist eine Arbeit in der Gastwirtschaft mit niedrigem Ansehen verbunden. Die Mehrheitsbevölkerung ist derartige Tätigkeiten sowie jene auf Baustellen äußerst abgeneigt. Dort finden sich vielmehr marginalisierte Gruppen – z. B. IDPs – die oft auch als Tagelöhner arbeiten. Weibliche IDPs arbeiten als Mägde, Hausangestellte oder Wäscherinnen. Manche verkaufen Früchte auf Märkten (FIS 7.8.2020, Sitzung 33f). Durch den Niedergang der Landwirtschaft, der maßgeblich durch die Dürre verursacht worden ist, ist auch die Nachfrage nach Arbeitskräften in der Landwirtschaft gesunken bzw. haben sich die Löhne dort verringert (IPC 4.6.2022). IOM berichtet aus Mogadischu, dass dort für ungelernte Arbeitskräfte Jobs zur Verfügung stehen - etwa als Reinigungskraft, Träger oder im Zustelldienst, als Ziegelmacher, Wäscherin oder auch als Buchhalter. Oft werden derartige Jobs aber von Arbeitgebern an eigene Verwandte vergeben. Zu finden sind Jobs meist über die eigene Verwandtschaft oder persönliche Netzwerke. Es gibt aber auch Websites zur Arbeitsvermittlung: Shaqodoon.net und Qaranjobs.com. Frauen mit Ausbildung können sich um einen Job umsehen. Frauen ohne Ausbildung übernehmen üblicherweise Aufgaben im Haushalt oder aber sie finden eine Anstellung über Familienkontakte, oder indem sie von Tür zu Tür gehen. Frauen ohne Kontakte in Mogadischu müssen oft die am schlechtesten bezahlten Jobs annehmen - etwa als Wäscherin oder Reinigungskraft (IOM 2.3.2023)
Gesucht werden in Mogadischu Fachkräfte in den Bereichen Medizin (Ärzte, Krankenpfleger), Hotellerie, Wirtschaft und IT (IOM 2.3.2023). Hier einige Beispiele zu Einkommen:
IOM berichtet im Feber 2023 von folgenden durchschnittlichen Einkommen in Mogadischu:
IOM 2.3.2023
Arbeitslosenquote: Die Arbeitslosenquote ist landesweit hoch (USDOS 12.4.2022, Sitzung 27), wobei es zu konkreten Zahlen unterschiedlichste und teils widersprüchliche Angaben gibt: Laut einer Quelle lag die Erwerbsquote (labour force participation) 2018 bei Männern bei 58 %, bei Frauen bei 37 % (UNSC 21.12.2018, Sitzung 4). Die Zahl für Frauen wird auch von einer Quelle im Jahr 2021 erwähnt (SLS 6.4.2021). Zwei Quellen nennen 2022 eine Jugendarbeitslosigkeit (15-29 Jahre) von 67-68 % (RD 10.6.2022; vergleiche UNFPA 27.7.2022). Allerdings suchen laut einem Bericht der ILO nur 40 % der Jugendlichen tatsächlich nach einer Arbeit (UNFPA 27.7.2022). Eine weitere Quelle erklärte 2016, dass 58 % der männlichen Jugendlichen (Altersgruppe 15-35) ökonomisch aktiv waren, während drei von zehn Jugendlichen arbeitslos waren (UNFPA 8.2016, Sitzung 4). In einer anderen Quelle wird die Arbeitslosenrate für 2020 mit 13,1 % angeführt (BS 2022, Sitzung 23); die Weltbank nennt für das Jahr 2021 für ganz Somalia eine Arbeitslosenquote bei der Erwerbsbevölkerung von 19,9 % (WB 2022). Eine weitere Quelle nannte 2018 bei 15-24-Jährigen eine Quote von 48 % (OXFAM 6.2018, Sitzung 22, FN8) und die österreichische Botschaft in Nairobi erklärt, dass unterschiedliche Quellen unterschiedliche Kriterien verwenden und die Schätzungen zwischen 19,9 % und 47,4 % schwanken (ÖB 11.2022, Sitzung 15). Bei einer Studie aus dem Jahr 2016 gaben hingegen nur 14,3 % der befragten Jugendlichen (Mogadischu 6 %, Kismayo 13 %, Baidoa 24 %) an, gegenwärtig arbeitslos zu sein. Dies kann auf folgende Gründe zurückzuführen sein: a) dass die Situation in diesen drei Städten anders ist als in anderen Teilen Somalias; b) dass die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 die Situation verbessert hat; c) dass es nun mehr Unterbeschäftigte gibt; d) dass die Definition von „arbeitslos“ unklar ist (z.B. informeller Sektor) (IOM 2.2016).
Nach Angaben einer Quelle hat sich die Arbeitslosigkeit - und damit auch die Armut - infolge der Covid-19-Pandemie verstärkt. 21 % mussten ihre Arbeit niederlegen; und das, obwohl nur 55 % der Bevölkerung überhaupt am Arbeitsmarkt teilnehmen. 78 % der Haushalte berichteten über einen Rückgang des Einkommens (WB 6.2021, Sitzung 23).
[Zur Arbeitsmarktlage in Somalia gibt es kaum aktuelle, v. a. kaum detaillierte Informationen.] In einer eingehenden Analyse hat UNFPA im Jahr 2016 Daten zur Ökonomie in der somalischen Gesellschaft erhoben. Dabei wird festgestellt, dass nur knapp die Hälfte der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15-64) überhaupt am Arbeitsleben teilnimmt. Der Rest ist „ökonomisch inaktiv“; in diese Gruppe fallen in erster Linie Hausfrauen, gefolgt von Schülern/Studenten, pensionierten oder arbeitsunfähigen Personen. Bei den ökonomisch Aktiven wiederum finden sich in allen Lebensbereichen deutlich mehr Männer (UNFPA 2016):
● Ländlich: 68,8 % der Männer - 40,5 % der Frauen
● Urban: 52,6 % der Männer - 24,6 % der Frauen
● IDP-Lager: 55,2 % der Männer - 32,6 % der Frauen
● Nomaden: 78,9 % der Männer - 55,6 % der Frauen (UNFPA 2016)
Aufgeschlüsselt für Puntland und Süd-/Zentralsomalia ergibt sich aus den UNFPA-Daten, dass dort 44,4 % der erwerbsfähigen Bevölkerung arbeiten. 11,4 % gelten als Arbeitssuchende. 44,2 % der Bevölkerung sind ökonomisch inaktiv. Als arbeitend werden in der Studie folgende Personen bezeichnet: jene, die in den der Erhebung vorangegangenen zwölf Monaten bezahlter Arbeit nachgegangen sind oder selbstständig waren. Darunter fällt auch unbezahlte (aber produktive) Arbeit in der Familie, bei welcher direkt Einkommen generiert wird (etwa Viehhüten, Arbeit am eigenen Ackerland; Wirtschaftstreibende, Dienstleister im eigenen Betrieb). Als arbeitslos werden jene Personen bezeichnet, die in diesen zwölf Monaten nach Arbeit gesucht haben und bereit waren, eine Arbeit anzunehmen (UNFPA 2016, Sitzung 29):
(UNFPA 2016, S.29)
In der gleichen Studie wurde der Status bzgl. Arbeit auch auf Geschlechter heruntergebrochen. Folglich waren zum damaligen Zeitpunkt in Puntland und Süd-/Zentralsomalia 13,8 % der Männer und 9 % der Frauen im Alter von 15-64 Jahren auf der Arbeitssuche, wohingegen 55,8 % der Männer und 32,9 % der Frauen einer Arbeit nachgingen (UNFPA 2016, Sitzung 31): (UNFPA 2016, S.31)
Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen in Puntland und Süd-/Zentralsomalia arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (65,6 %). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (13,5 %) (UNFPA 2016, Sitzung 36f):
(UNFPA 2016, S.36f)
Frauen: Der vor allem unter Männern vorherrschende Khat-Konsum, der im langjährigen Konflikt geforderte Blutzoll an der männlichen Bevölkerung und die hohe Scheidungsrate haben dazu geführt, dass Frauen immer mehr in ehemals männlich dominierte Wirtschaftsbereiche vorstoßen – etwa bei der Viehzucht, in der Landwirtschaft und im Handel. Frauen tragen nunmehr oft den Hauptteil zum Familieneinkommen bei (ICG 27.6.2019, Sitzung 10f). Gerade auch die Hungersnot von 2011 und die Dürre 2016/17 haben den Vorstoß von Frauen in männliche Domänen weiter vorangetrieben (DI 6.2019, Sitzung 22). In Süd-/Zentralsomalia und Puntland sind Frauen in 43 % der Haushalte mittlerweile die Hauptverdiener (OXFAM 6.2018, Sitzung 10). Frauen spielen - außer bei den großen Betrieben - eine führende Rolle beim Unternehmertum. In Mogadischu und Bossaso sind ca. 45 % der formellen Unternehmen im Besitz von Frauen (WB 22.3.2022).
Trotzdem bietet sich für vom Land in Städte ziehende Frauen meist nur eine Tätigkeit als z. B. Wäscherin an, da es diesen Frauen i. d. R. an Bildung und Berufsausbildung mangelt. Allerdings können sie z. B. auch als Kleinhändlerin tätig werden. Sie verkaufen Treibstoff, Milch, Fleisch, Früchte, Gemüse oder Khat auf Märkten oder auf der Straße. 80-90 % des derart betriebenen Handels wird von Frauen kontrolliert. Außerdem arbeiten Frauen in der Landwirtschaft (FIS 5.10.2018, Sitzung 24f), oder sie verkaufen Kleidung und Essen (RE 19.2.2021). Andere arbeiten als Dienstmädchen, Straßenverkäuferin, Köchin, Schneiderin, Müllsammlerin (OXFAM 6.2018, Sitzung 10) oder aber auch auf Baustellen (FIS 5.10.2018, Sitzung 24f; vergleiche OXFAM 6.2018, Sitzung 10). Viele der hunderten Straßenreiniger in Mogadischu sind Witwen und die alleinigen Geldverdiener ihrer Familien. Das höchste hier verfügbare Einkommen beträgt 150 US-Dollar im Monat; manche bekommen Essensrationen. Die Stadtverwaltung versucht auch, männliche Reinigungskräfte anzuwerben, hat aber wenig Erfolg. Viele Männer weigern sich demnach, solche Arbeiten zu verrichten (AJ 21.7.2022). All die zuvor genannten Tätigkeiten führen Frauen jenseits des ihnen traditionell zugeschriebenen Bereichs des eigenen Haushalts aus (OXFAM 6.2018, Sitzung 10). Natürlich gibt es für Frauen auch weiterhin kulturelle Einschränkungen bezüglich der Berufsausübung, z. B. können sie nicht Taxifahrerin werden (FIS 5.10.2018, Sitzung 24f). Sie haben hinsichtlich Einkommensmöglichkeiten eine eingeschränkte Auswahl. Von Frauen abgehaltene Workshops (z. B. Schneiderei-, Henna- und Kochkurse) in Mogadischu tragen zur Verbesserung der Situation bei (DW 11.3.2021). Allerdings ist auch bekannt, dass Frauen eine geringere Aussicht auf eine Vollzeitanstellung haben (SLS 6.4.2021).
Lebensunterhalt: Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von Subsistenzwirtschaft, sei es als Kleinhändler, kleine Viehzüchter oder Bauern. Zusätzlich stellen Remissen für viele Menschen und Familien ein Grundeinkommen dar (BS 2022, Sitzung 25f). Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist direkt oder indirekt von der Viehzucht abhängig (OXFAM 6.2018, Sitzung 4). Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (62,8 %). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (14,1 %). 6,9 % arbeiten in bildungsabhängigen Berufen (etwa im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor), 4,8 % als Handwerker, 4,7 % als Techniker, 4,1 % als Hilfsarbeiter und 2,3 % als Manager (UNFPA 2016, Sitzung 22).
Die Mehrheit der IDPs verdingt sich als Tagelöhner. Frauen gehen oft von Tür zu Tür und bieten ihre Dienste an, etwa als Wäscherinnen oder in der Hausarbeit. Männer gehen häufig auf Baustellen - die Städte werden ja wieder aufgebaut und daher braucht es auch viele Tagelöhner. Die begehrtesten Jobs sind jene auf Baustellen, wo der Verdienst höher ist als in anderen Bereichen. Es gibt auch viele Kleinstunternehmer beiderlei Geschlechts. Dabei bekommen die Menschen nicht immer einen Job, sie arbeiten z. B. nur 2-3 Tage in der Woche. Daneben gibt es humanitäre Hilfe, aber damit sind die Menschen nicht ausreichend versorgt (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 23). Nach anderen Angaben bieten NGOs und der Privatsektor den Menschen grundlegende Dienste – vor allem in urbanen Zentren (OXFAM 6.2018, Sitzung 4). Zudem haben Menschen in IDP-Lagern - v.a. wenn sie länger dort leben - in der Regel auch eine Nachbarschaftshilfe aufgebaut (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 23).
In einer Studie von IOM aus dem Jahr 2016 gaben arbeitslose Jugendliche (14-30 Jahre) an, in erster Linie von der Familie in Somalia (60 %) und von Verwandten im Ausland (27 %) versorgt zu werden (IOM 2.2016, Sitzung 42f). Insgesamt ist das traditionelle Recht (Xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfall- (SEM 31.5.2017, Sitzung 5/32f; vergleiche GIGA 3.7.2018) bzw. Haftpflichtversicherung. Die Mitglieder des Qabiil (diya-zahlende Gruppe; auch Jilib) helfen sich bei internen Zahlungen – z. B. bei Krankenkosten – und insbesondere bei Zahlungen gegenüber Außenstehenden aus (GIGA 3.7.2018). Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z. B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, Sitzung 9/32ff). Erweiterte Familie und Clan stellen also das grundlegende soziale Sicherheitsnetz dar (BS 2022, Sitzung 29).
Aufgrund des Fehlens eines formellen Bankensystems ist die Schulden-Kredit-Beziehung (debt-credit relationship) ein wichtiges Merkmal der somalischen Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei spielen Vertrauen, persönliche und Clanverbindungen eine wichtige Rolle – und natürlich auch der ökonomische Hintergrund. Es ist durchaus üblich, dass Kleinhändler und Greißler anschreiben lassen (RVI 9.2018, Sitzung 4). Zusätzlich ist es 2019 gelungen, die Gargaara Company Ltd. zu etablieren. Über diese Institution werden Kredite an Mikro-, Klein- und mittlere Unternehmen vergeben. Gargaara spielt auch beim Abfedern von Auswirkungen der Covid-19-Pandemie eine Rolle (WB 6.2021, Sitzung 7).
Die Lebenshaltungskosten in Mogadischu liegen bei mindestens 200 US-Dollar im Monat, für mittlere Standards jedenfalls bei 300 US-Dollar (IOM 2.3.2023). Die Inflation zeigt Auswirkungen auf die Bewertung von Einkommen. Ein Universitätslektor in Mogadischu erörtert, dass vorher 130 US-Dollar ausgereicht haben, um für die Kinder Milch und Nahrung zu besorgen. Nun aber reichen nicht einmal 250 US-Dollar. Er verdient 800 US-Dollar und damit konnte er mit seiner Frau und sieben Kindern ein komfortables Leben führen. Jetzt erklärt er, kaum alle lebenswichtigen Kosten abdecken zu können (TG 8.6.2022).
Beispiele für Lebenshaltungskosten:
● Ein Bauarbeiter in Middle Shabelle gibt an, 9 US-Dollar am Tag verdient zu haben. Dies reicht für den Unterhalt der Familie und das Schulgeld für zwei Kinder aus. Zudem konnte eine Tochter auf eine Krankenschwesternschule in Mogadischu geschickt werden, und für die Familie wurde ein dreiräumiges Haus gekauft (RE 6.12.2022).
● Ein anderer Bauarbeiter in Jowhar erklärt, dass er 4,5 US-Dollar am Tag verdient hat und damit seiner Familie zwei tägliche Mahlzeiten garantieren konnte. Zudem wurde damit die Miete für ein zweiräumiges Haus (40 US-Dollar) bezahlt (RE 6.12.2022).
● Ein Lehrer an einer Privatschule in Mogadischu berichtet, dass er dort 120 US-Dollar im Monat verdient. Die Hälfte davon gibt er für die Miete eines kleinen Hauses aus, den Rest für die Erhaltung seiner Familie. Pro Tag geht sich demnach nur eine Mahlzeit aus (RE 29.11.2022).
● Ein Lehrer für Arabisch und Islam an einer Volksschule im Bezirk Hodan, Mogadischu, erklärt, dass er 100 US-Dollar im Monat verdient. Damit fällt es ihm schwer, seine vier Kinder ernähren zu können (RE 29.11.2022).
● Ein Bauarbeiter in Cadaado berichtet, dass er 12-14 US-Dollar pro Tag und rund 350 US-Dollar im Monat verdient. Die Preise sind derart gestiegen, dass er damit seine Familie nicht mehr erhalten kann. Zuvor reichten dafür 250 US-Dollar im Monat (RE 3.8.2022).
● Ein 36-jähriger Bauarbeiter aus Bakool berichtet, dass sein Einkommen ca. 7,5 US-Dollar pro Tag betragen hat. Damit konnten er und seine Familie leben und drei Mahlzeit am Tag konsumieren. Mit den Preisanstiegen von teils 70 % ist dies nicht mehr möglich (RE 16.8.2022).
● An Privatschulen in Mogadischu zahlen Schüler 10-15 US-Dollar im Monat (RE 29.11.2022), die Schulgebühren in Kismayo betragen 10-18 US-Dollar (RE 24.8.2022). Ein Vater von vier Kindern in Galkacyo berichtet, dass er für vier Kinder insgesamt 30 US-Dollar Schulgeld bezahlt (RE 18.12.2022).
● Eine Viehmaklerin an einem Markt in Luuq, Gedo, gibt an, 4-5 US-Dollar pro Tag zu verdienen. Damit kann sie vier ihrer acht Kinder in die Schule schicken – Kostenpunkt 51 US-Dollar – und ihrer Familie zwei Mahlzeiten pro Tag garantieren. Zudem konnte sie 3.000 US-Dollar ansparen und mit weiteren 1.800 geborgten US-Dollar ein Stück Land erwerben und darauf ein Haus bauen (RE 30.11.2022).
● Eine andere Viehmaklerin aus Luuq – ebenfalls IDP – berichtet, dass sie pro verkaufter Ziege 30-70 US-Cent erhält. Sie Verkauft am Tag 5-10 Ziegen. Die Frau gibt an, ihrer Familie zwei Mahlzeiten am Tag garantieren zu können. Zuvor hat sie bei Lebensmittelhändlern Schulden gemacht (RE 30.11.2022).
● Ein IDP aus Bay, der in Luuq Bauarbeiter ist, kann mit seinem Einkommen sich und seinen neun Geschwistern zwei Mahlzeiten am Tag gewähren. Anfangs wohnten sie im IDP-Lager bei Verwandten, mit verdientem Geld konnte der Mann sich und seinen Geschwistern eine eigene Hütte bauen. Sich selbst hat er in einer Abendschule eingeschrieben und zahlt dort 10 US-Dollar Schulgeld (RE 26.10.2022).
● Ein 29-jähriger Mann aus Bakool, der nach Luuq in Gedo geflüchtet ist, erklärt, dass er als Bauarbeiter 6-8 US-Dollar am Tag verdient. Jede Woche schickt er 24 US-Dollar an seine in Bakool verbliebene Familie. Damit kann sich diese zwei Mahlzeiten pro Tag leisten (RE 26.10.2022).
● Eine Teeverkäuferin in Cadaado berichtet, dass die Miete für ein Haus dort bei rund 25 US-Dollar / Monat liegt (RE 3.8.2022). Eine IDP-Frau in Galkacyo gibt an, für eine kleine Hütte im Lager in Buulo Jawan 10 US-Dollar Miete pro Monat bezahlt zu haben (RE 1.12.2022).
● Ein Taxifahrer in Cadaado berichtet, dass er und seine fünfköpfige Familie zuvor von 4 US-Dollar am Tag gelebt haben, die Lebenshaltungskosten aber nun auf 7 US-Dollar gestiegen sind (RE 3.8.2022).
● Eine Schneiderin in Galkacyo berichtet, dass sie 2-3 US-Dollar am Tag verdient. Sie bezahlt 15 US-Dollar Miete für ein Haus und insgesamt 35 US-Dollar Schulgeld pro Monat für ihre vier Kinder (RE 18.12.2022).
Remissen: Im Jahr 2020 wurden insgesamt 2,8 Milliarden US-Dollar (2019: 2,3 Milliarden) nach Somalia zurück überwiesen. Davon flossen 1,6 Milliarden an Privathaushalte (2019: 1,3 Milliarden) (WB 6.2021, Sitzung 11f). Wie erwähnt, sind für viele Haushalte Remissen aus der Diaspora eine unverzichtbare Einnahmequelle (FIS 7.8.2020, Sitzung 34) bzw. ermöglichen sie es vielen somalischen Staatsbürgern, den Lebensunterhalt zu bestreiten (BS 2022, Sitzung 26). Diese Remissen, die bis zu 40 % eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens ausmachen, tragen also wesentlich zum sozialen Sicherungsnetz bei (BS 2022, Sitzung 29) und fördern die Resilienz der Haushalte (DI 6.2019, Sitzung 5). Städtische Haushalte erhalten viel eher regelmäßige monatliche Remissen, dort sind es 72 %. Die durchschnittliche Höhe der monatlichen Überweisungen beträgt 229 US-Dollar (RVI 9.2018, Sitzung 1f). IDPs bekommen verhältnismäßig weniger oft Remissen (DI 6.2019, Sitzung 28). Auch die Bevölkerung in Südsomalia – und hier v. a. im ländlichen Raum – empfängt verhältnismäßig weniger Geld als jene in Somaliland oder Puntland. Ein Grund dafür ist, dass dort ein höherer Anteil marginalisierter Gruppen und ethnischer Minderheiten beheimatet ist (RVI 9.2018, Sitzung 2).
Mindestens 65 % der Haushalte, welche Remissen beziehen, erhalten diese regelmäßig (monatlich), der Rest erhält sie anlassbezogen oder im Krisenfall. Remissen können folglich Fluktuationen im Einkommen bzw. gestiegene Ausgaben ausgleichen. Dies ist gerade in Zeiten einer humanitären Krise - etwa jener von 2017 - wichtig. Durch Remissen können Haushalte Quantität und Qualität der für den Haushalt besorgten Lebensmittel verbessern, und ein sehr großer Teil der Überweisungen wird auch für Lebensmittel aufgewendet. Zusätzlich wird in Somalia in Zeiten der Krise auch geteilt. Menschen bitten z. B. andere Personen, von welchen sie wissen, dass diese Remissen erhalten, um Hilfe (RVI 9.2018, Sitzung 2f).
Quellen:
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RE - Radio Ergo (1.12.2022): Poor Galkayo IDP families receive land and houses, https://radioergo.org/en/2022/12/poor-galkayo-idp-families-receive-land-and-houses/, Zugriff 15.12.2022
RE - Radio Ergo (30.11.2022): Displaced women in Gedo make good money in livestock market, https://radioergo.org/en/2022/11/displaced-women-in-gedo-make-good-money-in-livestock-market/, Zugriff 15.12.2022
RE - Radio Ergo (29.11.2022): Somali schoolteachers demoralised by low pay, https://radioergo.org/en/2022/11/somali-schoolteachers-demoralised-by-low-pay/, Zugriff 15.12.2022
RE - Radio Ergo (23.11.2022): Poor Galkayo IDP families receive land and housesSomali refugees from Ethiopia struggling for support in Somaliland, https://radioergo.org/en/2022/11/somali-refugees-from-ethiopia-struggling-for-support-in-somaliland/, Zugriff 20.12.2022
RE - Radio Ergo (26.10.2022): Displaced from Bay and Bakool seek work and better lives in Gedo, https://radioergo.org/en/2022/10/displaced-from-bay-and-bakool-seek-work-and-better-lives-in-gedo/, Zugriff 20.12.2022
RE - Radio Ergo (24.8.2022): First time in school for Kismayo children from poor backgrounds, https://radioergo.org/en/2022/08/first-time-in-school-for-kismayo-children-from-poor-backgrounds/, Zugriff 9.9.2022
RE - Radio Ergo (16.8.2022): Conflict causes displacement and rising food prices in Somalia’s Bakool region, https://radioergo.org/en/2022/08/conflict-causes-displacement-and-rising-food-prices/, Zugriff 13.9.2022
RE - Radio Ergo (3.8.2022): Cost of living makes tea a luxury in central Somalia’s Adado, https://radioergo.org/en/2022/08/a-cup-of-tea-becomes-a-luxury-in-central-somalias-adado/, Zugriff 13.9.2022
RE - Radio Ergo (22.7.2022): Somali businessmen in Jowhar turn to relatives abroad as economy fails, https://radioergo.org/en/2022/07/somali-businessmen-in-jowhar-turn-to-relatives-abroad-as-economy-fails/, Zugriff 27.7.2022
RE - Radio Ergo (13.4.2021): Drought forces pastoralists to seek jobs on lemon farms in Gedo, https://radioergo.org/en/2021/04/13/drought-forces-pastoralists-to-seek-jobs-on-lemon-farms-in-gedo/, Zugriff 27.7.2022
RE - Radio Ergo (19.2.2021): Somali IDP women in Beletweyne set up businesses to educate their children, https://radioergo.org/en/2021/02/19/somali-idp-women-in-beletweyne-set-up-businesses-to-educate-their-children/, Zugriff 22.7.2022
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Sahan - Sahan / Rashid Abdi (16.4.2021a): Editor’s Pick – Desperate Farmaajo and his "look East" pivot, in: The Somali Wire Issue No. 124, per e-Mail
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TG - The Guardian / Mohamed Ahmed, Fathi (8.6.2022): Mogadishu shops shuttered as soaring food prices add to desperation in Somalia, https://www.theguardian.com/global-development/2022/jun/08/mogadishu-shops-shuttered-as-soaring-food-prices-add-to-desperation-in-somalia, Zugriff 30.6.2022
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WB - Weltbank / Sophia Friedson-Ridenour (22.3.2022): Voices of women entrepreneurs in a changing Somalia, https://blogs.worldbank.org/nasikiliza/voices-women-entrepreneurs-changing-somalia, Zugriff 13.6.2022
WB - Weltbank (2022): World Bank - Data, Unemployment, total (% of total labor force) (modeled ILO estimate) - Somalia, https://data.worldbank.org/indicator/SL.UEM.TOTL.ZS?locations=SO, Zugriff 20.6.2022
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Rückkehrspezifische Grundversorgung
Letzte Änderung 2023-03-17 10:02
Einkommen: Somalis aus der Diaspora - aus Europa oder den USA - die freiwillig zurückkehren, nehmen oft keine Hilfspakete in Anspruch, sondern kehren einfach zurück. Viele der Rückkehrer aus Kenia und dem Jemen gehen in die großen Städte Kismayo, Mogadischu und Baidoa, weil sie sich dort bessere ökonomische Möglichkeiten erwarten (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 24). Der UNHCR hat für eine repräsentative Studie von 2018 bis Dezember 2021 fast 2.900 Haushalte mit mehr als 17.000 Angehörigen – darunter vor allem unterstützte Rückkehrer aus Kenia, Äthiopien und dem Jemen – zu ihrer Situation in Somalia befragt. Insgesamt haben 59 % der Rückkehrerhaushalte angegeben, dass ihr Einkommen nicht ausreicht. Dies wird zu 43 % auf mangelnde Jobmöglichkeiten zurückgeführt. Die meisten Rückkehrer leben von Einkommen als Taglöhner oder als Selbstständige sowie von humanitärer Hilfe (UNHCR 22.3.2022).
Nach Angaben einer Quelle ist Somalia auf eine Rückkehr von Flüchtlingen in großem Ausmaß nicht vorbereitet, und es kann davon ausgegangen werden, dass sich ein erheblicher Teil der Rückkehrer als IDPs wiederfinden wird (ÖB 11.2022, Sitzung 14). Arbeitslose Rückkehrer im REINTEG-Programm (siehe unten) berichten über mangelnde Möglichkeiten; über eingeschränkte Erfahrungen, Fähigkeiten und Informationen über den Arbeitsmarkt. Nur 30 % der REINTEG-Rückkehrer sind mit ihrer ökonomischen Situation zufrieden, viele klagen über niedriges Einkommen und lange Arbeitsstunden (IOM 3.12.2020). Viele von ihnen sind diesbezüglich Druck seitens ihrer Familie ausgesetzt – v. a. wenn sie aufgrund ihrer „abgebrochenen“ Migration noch Schulden offen haben. Manche Rückkehrer gehen deshalb explizit nicht in Regionen, wo Mitglieder des eigenen Clans leben (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 24).
Andererseits werden in Kismayo Somali, die nach Jahrzehnten in Kenia nach Somalia zurückgekehrt sind, auch in der Verwaltung eingesetzt – mitunter in hohen Funktionen. Anekdotische Berichte belegen, dass viele der Rückkehrer aus Kenia in ganz Somalia für Behörden oder NGOs arbeiten (AJ 14.9.2022a). Laut einer Quelle muss eine nach Mogadischu zurückgeführte Person nicht damit rechnen, ohne Angehörige zu verhungern. Selbst wenn jemand tatsächlich überhaupt niemanden kennen sollte, dann würde diese Person in ein IDP-Lager gehen und dort in irgendeiner Form Hilfe bekommen. Die Person ist auf Mitleid angewiesen; Hilfe findet sich vielleicht auch in einer Moschee. Jedenfalls würde eine solche Person so schnell wie möglich versuchen, dorthin zu gelangen, wo sich ein Familienmitglied befindet. Dass gar keine Familie existiert, ist sehr unwahrscheinlich (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 37).
Rückkehrer, die im Ausland ausgebildet wurden, können - bei vorhandenen, besseren Fähigkeiten - am Arbeitsmarkt Vorteile haben. Jedenfalls sind Netzwerke aus Familie, Nachbarn und Freunden für Rückkehrer höchst relevant. Die Unterstützung, die ein Rückkehrer aus diesen Netzwerken ziehen kann, hängt maßgeblich davon ab, wie sehr er diese Netzwerke während seines Auslandsaufenthalts gepflegt hat. Natürlich spielen auch Clannetzwerke eine Rolle. Dies ist mit ein Grund dafür, dass Rückkehrer sich oft in Gebieten ansiedeln, die von eigenen Clanmitgliedern bewohnt werden (EASO 9.2021a).
Unterstützung / Netzwerk: Der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] ist unter anderem dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (Xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z. B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, Sitzung 5/31f). Jedenfalls versucht die Mehrheit der Rückkehrer in eine Region zu kommen, wo zumindest Mitglieder ihres Clans leben (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 24), denn eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängig sein. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden (ÖB 11.2022, Sitzung 14). Nach anderen Angaben ist es bei einer Rückkehr weniger entscheidend, ob jemand Verwandte hat oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, wie diese persönlichen Verwandtschaftsbeziehungen funktionieren und ob sie aktiv sind, ob sie gepflegt wurden. Denn Solidarität wird nicht bedingungslos gegeben. Wer sich lange nicht um seine Beziehungen gekümmert hat, wer einen (gesellschaftlichen) Makel auf sich geladen hat oder damit behaftet ist, der kann - trotz vorhandener Verwandtschaft - nicht uneingeschränkt auf Solidarität und Hilfe hoffen (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 39f). Laut Angestellten von IOM in Somaliland würde ein Rückkehrer ohne Beziehungen oder Kontakten in Hargeysa in der Stadt trotzdem mit Wasser, Nahrung und Unterkunft versorgt werden. Dies erfolgt informell und aus Gründen der Gastfreundschaft und anderen kulturellen Werten. Die Verfügbarkeit derartiger kulturell bedingter Unterstützung kann aber weder geplant werden, noch ist diese längerfristig garantiert (IOM 2.3.2023).
Auch in Mogadischu sind Freundschaften und Clannetzwerke sehr wichtig. Zur Aufnahme kleinerer oder mittelgroßer wirtschaftlicher Aktivitäten ist aber kein Netzwerk notwendig (FIS 7.8.2020, Sitzung 39). Insgesamt herrschen am Arbeitsmarkt Nepotismus und Korruption (SIDRA 6.2019a, Sitzung 5).
Unterstützung extern: Für Rückkehrer aus dem Jemen (LIFOS 3.7.2019, Sitzung 63) und Kenia gibt es seitens des UNHCR Rückkehrpakete (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 23). Deutschland unterstützt in Jubaland ein Vorhaben, das der Vorbereitung der aufnehmenden Gemeinden für freiwillige Rückkehrer dient (AA 28.6.2022, Sitzung 23). Der UNHCR unterstützt ausgewählte Haushalte in unterschiedlichen Teilen Somalias mit Ausbildungs-, Schulungs- und finanziellen Maßnahmen (UNHCR 27.6.2021, Sitzung 9).
Rückkehrprogramme: Bis Ende 2022 setzt IOM für Österreich das Rückkehrprogramm Restart römisch III um, das auch Somalia umfasst. Das Programm bietet Rückkehrern 500 Euro Bargeld sowie 2.800 Euro Sachleistungen - etwa im Rahmen einer Unternehmensgründung oder für Bildungsmaßnahmen; Beratung nach der Rückkehr; situationsspezifische Unterstützung vor Ort - etwa für vulnerable Rückkehrer; Zuweisung zu weiteren spezifischen Organisationen; Monitoring (IOM 26.11.2021; vergleiche IOM o.D.).
Die auf Rückkehrer spezialisierte Organisation IRARA kooperiert mit Frontex, um u. a. in Somalia eine Reintegration zu gewährleisten. Hierbei werden nicht nur freiwillige, sondern auch unfreiwillige Rückkehrer unterstützt und vom Programm abgedeckt. Einerseits bietet IRARA Leistungen bei der Ankunft (Abholung vom Flughafen; Unterstützung bei der Weiterreise; temporäre Unterkunft; dringende medizinische Betreuung; spezielle Betreuung vulnerabler Personen; Geldaushilfe). Zum anderen bietet die Organisation auch sogenannte post-return assistance (Hilfe beim Aufbau eines Betriebes; langfristige Unterstützung bei der Unterkunft; soziale, rechtliche und medizinische Unterstützung; Hilfe bei der Arbeitssuche; Bildung und Berufsausbildung; Geldaushilfe (IRARA 2022).
Im ebenfalls von IOM geführten Programm RESTART römisch III wird Somalia als Projektland für freiwillige Rückkehr angeführt. Dieses wird dort über Büros in Mogadischu und Bossaso abgewickelt. Voraussetzung einer Rückführung ist hier eine Freigabe durch somalische Behörden vor der Rückkehr (Kontakt über Operations bei IOM Österreich) (IOM 12.2021).
Unterkunft: Der Zugang zu einer Unterkunft oder zu Bildung wird von Rückkehrern im REINTEG-Programm als problematisch beschrieben (IOM 3.12.2020). Ein Appartementzimmer in einer sichereren Wohngegend Mogadischus kostet rund 200 US-Dollar im Monat, in Gegenden mit niedrigerem Lebensstandard zahlt eine Einzelperson für ein Zimmer in einem Mietshaus 80-100 US-Dollar. Mieten für Wellblechhäuser beginnen bei 45 US-Dollar. Nach Angaben von IOM-Mitarbeitern in Mogadischu spielt die Clanmitgliedschaft bei der Anmietung einer Unterkunft keine Rolle (IOM 2.3.2023). Grundsätzlich braucht es zur Anmietung eines Objektes einen Bürgen, der vor Ort bekannt ist. Dies ist i. d. R. ein Mann (FIS 7.8.2020, Sitzung 31f). Für eine alleinstehende Frau gestaltet sich die Wohnungssuche dementsprechend schwierig, dies ist kulturell unüblich (IOM 2.3.2023; vergleiche FIS 7.8.2020, Sitzung 31f) und wirft unter Umständen Fragen auf (FIS 7.8.2020, Sitzung 31f). In Hargeysa kann es vorkommen, dass mehrere alleinstehende Frauen zusammen ein Objekt anmieten. In Mogadischu verfügen viele Haushalte über Fließwasser. Es gibt auch kollektive Wasserstellen. Im Feber 2023 kostete ein Kubikmeter Wasser 1,5 US-Dollar (IOM 2.3.2023).
Es gibt keine eigenen Lager für Rückkehrer, daher siedeln sich manche von ihnen in IDP-Lagern an (LIFOS 3.7.2019, Sitzung 63; vergleiche AA 28.6.2022, Sitzung 24); nach anderen Angaben finden sich viele der Rückkehrer aus dem Jemen und aus Kenia schlussendlich in IDP-Lagern wieder (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 24). IOM-Mitarbeiter erklären, dass der durchschnittliche Rückkehrer sich vorübergehend nur eine Wellblechhütte oder eine traditionelle Wohnstatt als Unterkunft leisten kann (IOM 2.3.2023). Gemäß der bereits weiter oben erwähnten Rückkehrer-Studie des UNHCR haben hingegen nur 22 % der unterstützten und 38 % der nicht unterstützten, von UNHCR befragten 2.900 Rückkehrerhaushalte angegeben, in einem IDP-Lager zu wohnen (UNHCR 22.3.2022).
Vom Returnee Management Office (RMO) der somalischen Immigrationsbehörde kann gegebenenfalls eine Unterkunft und ein inner-somalischer Weiterflug organisiert und bezahlt werden, die Rechnung ist vom rückführenden Staat zu begleichen. Generell mahnen Menschenrechtsorganisationen, dass sich Rückkehrer in einer prekären Situation befinden und die Grundvoraussetzungen für eine freiwillige Rückkehr nicht gewährleistet sind (AA 28.6.2022, Sitzung 24f).
Frauen und Minderheiten: Prinzipiell gestaltet sich die Rückkehr für Frauen schwieriger als für Männer. Eine Rückkehrerin ist auf die Unterstützung eines Netzwerks angewiesen, das i. d. R. enge Familienangehörige – geführt von einem männlichen Verwandten – umfasst. Für alleinstehende Frauen ist es mitunter schwierig, eine Unterkunft zu mieten oder zu kaufen (FIS 5.10.2018, Sitzung 23). Auch für Angehörige von Minderheiten – etwa den Bantus – gestaltet sich eine Rückkehr schwierig. Ein Mangel an Netzwerken schränkt z. B. den Zugang zu humanitärer Hilfe ein (LIFOS 19.6.2019, Sitzung 8). Für eine weibliche Angehörige von Minderheiten, die weder Aussicht auf familiäre noch Clanunterstützung hat, stellt eine Rückkehr tatsächlich eine Bedrohung dar (ÖB 11.2022, Sitzung 12).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf, Zugriff 17.5.2022
AJ - Al Jazeera (14.9.2022a): From Dadaab to Mogadishu: More refugees return to rebuild Somalia, https://www.aljazeera.com/features/2022/9/14/from-dadaab-to-mogadishu-returnee-refugees-build-new-somalia, Zugriff 19.9.2022
EASO - European Asylum Support Office (9.2021a): Somalia – Key socio-economic indicators, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/2021_09_EASO_COI_Report_Somalia_Key_socio_economic_indicators.pdf, Zugriff 25.5.2022
FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (7.8.2020): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia+Fact-Finding+Mission+to+Mogadishu+in+March+2020.pdf/2f51bf86-ac96-f34e-fd02-667c6ae973a0/Somalia+Fact-Finding+Mission+to+Mogadishu+in+March+2020.pdf?t=1602225617645, Zugriff 6.5.2022
FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia_Fact_Finding+Mission+to+Mogadishu+and+Nairobi+January+2018.pdf/2abe79e2-baf3-0a23-97d1-f6944b6d21a7/Somalia_Fact_Finding+Mission+to+Mogadishu+and+Nairobi+January+2018.pdf, Zugriff 12.5.2022
IOM - Internationale Organisation für Migration (2.3.2023): Information on the socio-economic situation in Somalia/Somaliland; Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation, per e-Mail
IOM - Internationale Organisation für Migration (12.2021): AVRR-Newsletter 04/2021 – Freiwillige Rückkehr und Reintegration aus Österreich
IOM - Internationale Organisation für Migration (26.11.2021): RESTART III: Support for the Austrian Return System and the Reintegration of Voluntary Returnees, https://austria.iom.int/restart-iii-support-austrian-return-system-and-reintegration-voluntary-returnees, Zugriff 26.7.2022
IOM - Internationale Organisation für Migration (3.12.2020): How Peer Support Can Assist Returnees to Breathe Easy, https://migrationjointinitiative.org/news/how-peer-support-can-assist-returnees-breathe-easy, Zugriff 11.3.2021; Link nicht mehr verfügbar, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
IOM - Internationale Organisation für Migration (o.D.): Restart römisch III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen [sic], https://austria.iom.int/sites/g/files/tmzbdl1281/files/iom-restart-iii_information-fur-klientinnen_de_allgemein_0.pdf, Zugriff 26.7.2022
IRARA - International Return and Reintegration Assistance (2022): IRARA partners with Frontex, https://www.irara.org/irara-partners-with-frontex/, Zugriff 26.7.2022
LIFOS - Lifos/Migrationsverket [Schweden] (19.6.2019): Minoritetsgruppen bantu i Somalia Version 1.0, https://lifos.migrationsverket.se/dokument?documentSummaryId=43198, Zugriff 9.6.2022
LIFOS - Lifos/Migrationsverket [Schweden] (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2015777/190827400.pdf, Zugriff 24.5.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2082923/SOMA_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 5.12.2022
SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 9.6.2022
SIDRA - Somali Institute for Development Research and Analysis (6.2019a): The Idle Youth Labor Force in Somalia: A blow to the Country’s GDP, https://sidrainstitute.org/2019/06/30/the-idle-youth-labor-force-in-somalia-a-blow-to-the-countrys-gdp/, Zugriff 23.6.2022
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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (27.6.2021): UNHCR Somalia: Operational Update 1-31 May 2021, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNHCR%20Somalia%20Operational%20Update%20-%20May%202021.pdf, Zugriff 26.7.2022
Somaliland
Wirtschaft, Arbeit
Letzte Änderung 2023-03-17 10:09
In Somaliland hat es in den letzten 20 Jahren viele positive wirtschaftliche und soziale Entwicklungen gegeben (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 30). Hauptfaktoren der Wirtschaft und des BIP sind Viehzucht und Dienstleistungen (BS 2022, Sitzung 31). Der informelle Sektor ist der Hauptpfeiler der Wirtschaft (FH 2022b, G4). Das jährliche Budget Somalilands ist in den letzten Jahren stark gewachsen. 2015 betrug es lediglich 156 Millionen US-Dollar (HD 14.1.2021), 2021 waren es 340 Millionen und für 2022 sind 412 Millionen budgetiert. Mehr als ein Drittel der Ausgaben von rund 280 Millionen US-Dollar fließen in Sicherheit und Verteidigung, 9 % in die Bildung und 6 % ins Gesundheitswesen. Dabei hat Somaliland kaum Schulden, der Anteil der Schuldentilgung liegt im Budget bei nur rund 2 %. Das Wirtschaftswachstum betrug 2019 noch 6,5 %, ist aber im Jahr 2020 Covid-19-bedingt auf -2 % geschrumpft (ISIR 1.3.2022). Das BIP/Kopf betrug 2020 566 US-Dollar, der Großteil des BIP entstammt der Viehzucht (30 %), dem Handel (24 %), Remissen (22 %) und der Landwirtschaft (8 %) (HD 14.1.2021). Der Rückgang beim Wirtschaftswachstum im Jahr 2020 war v. a. auf den Einbruch von Viehexporten (-33 %) zurückzuführen (ISIR 1.3.2022). Der somaliländische Shilling ist verhältnismäßig stabil (BS 2022, Sitzung 27; vergleiche ISIR 1.3.2022). Strom ist sehr teuer und kostet rund viermal soviel wie in Europa (ARTE 2021). Die zahlreichen Rückkehrer aus der Diaspora sind aufgrund ihrer Finanzkraft und ihres Wissens für die Wirtschaft von enormer Bedeutung (Spiegel 1.3.2021). 1,9 Milliarden US-Dollar wurden 2021 aus dem Ausland an Remissen nach Somaliland überwiesen (HT 4.3.2022). Die Diaspora ist der Idee hinsichtlich des Aufbaus der Heimat stark verpflichtet (Sahan 15.7.2021). Fast 80 % des Gründungskapitals von kleinen und mittleren Unternehmen kommt aus der Diaspora (Sahan 4.10.2021).
Nach Angaben einer Quelle erreicht die (formelle) Jugendarbeitslosigkeit in Somaliland geschätzte 60 % (ÖB 11.2022, Sitzung 20), gemäß offiziellen Angaben sogar 75 % (SOS 10.8.2022). Allerdings ist die hohe Arbeitslosigkeit - etwa bei Absolventen von Berufsausbildungen, wo diese nach der Ausbildung in Hargeysa bei 46 % liegt - u. a. darauf zurückzuführen, dass sich viele Auszubildende auf einige wenige Nischen fokussieren, z.B. IT und Business (Majidi 2.5.2016) bzw. darauf, dass der tertiäre Bildungssektor an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorbeiarbeitet (SOS 10.8.2022). Laut Weltbank hingegen betrug die Arbeitslosigkeit bei der Erwerbsbevölkerung in ganz Somalia im Jahr 2021 19,9 % (WB 2022). Generell scheinen zu den Schätzungen unterschiedliche Berechnungsmethoden herangezogen zu werden.
Eine Studie der UN-Agentur UNFPA aus dem Jahr 2016 nennt folgende Zahlen, wonach zwar nur 29,9 % der erwerbsfähigen Bevölkerung arbeitet, jedoch auch nur 13,8 % als Arbeitssuchende gelten. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist ökonomisch inaktiv. Als arbeitend werden in der Studie folgende Personen bezeichnet: Jene die in den der Erhebung vorangegangenen zwölf Monaten bezahlter Arbeit nachgegangen sind oder selbstständig waren. Darunter fällt auch unbezahlte (aber produktive) Arbeit in der Familie, bei welcher direkt Einkommen produziert wird (etwa Viehhüten, Arbeit am eigenen Ackerland; Wirtschaftstreibende, Dienstleister im eigenen Betrieb). Als arbeitslos werden jene Personen bezeichnet, die in diesen zwölf Monaten nach Arbeit gesucht haben und bereit sind, eine Arbeit anzunehmen (UNFPA 2016, Sitzung 29):
(UNFPA 2016, S.29)
In der gleichen Studie wurde der Status bzgl. Arbeit auch auf Geschlechter heruntergebrochen. Folglich sind in Somaliland 17,4 % der Männer und 10 % der Frauen im Alter von 15-64 Jahren auf der Arbeitssuche, wohingegen 35,2 % der Männer und 22,2 % der Frauen einer Arbeit nachgehen (UNFPA 2016, Sitzung 31):
(UNFPA 2016, S.31)
Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (63 %). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (15,2 %) (UNFPA 2016, Sitzung 36):
(UNFPA 2016, S.36)
Bei einer Umfrage hinsichtlich der Interaktion mit Migranten in Hargeysa (Stadtteile Dami, State House und Cakara), bei welcher mehr als 200 Erwachsene (70 % weiblich, 30 % männlich) befragt worden sind, gaben 42 % an, über ein eigenes Einkommen zu verfügen. Bei männlichen Befragten lag der Wert bei 67 %, bei weiblichen bei 31 %. Hinsichtlich der Art der Beschäftigung ordneten sich jene mit eigenem Einkommen (84) folgenden Gruppen zu: Selbständige (30), Angestellte (28) und Tagelöhner (26). Frauen arbeiteten hauptsächlich in Kleinbetrieben – etwa Geschäfte, Catering, Dienstleistungen (25 von 44) sowie als Hausbedienstete (9); bei Männern (40) waren 11 Selbständige, 7 Bauarbeiter und 7 Transporteure. Von den nicht Beschäftigten (117) gaben 57 % an, Kinder zu betreuen bzw. den Haushalt zu führen – fast ausschließlich Frauen. 17 % bezeichneten sich als arbeitslos, 14 % waren Studenten und 12 % Ältere und Kranke (MMC 19.8.2022).
In Hargeysa können ungelernte Kräfte auf Baustellen eine Arbeit finden (Fundi/Kuli), Frauen als Reinigungskraft, als Dienstmädchen oder in Teehäusern. Frauen mit geringer Ausbildung können auch eine Arbeit als Friseurin, als Henna-Malerin, als Kosmetikerin oder als Verkäuferin finden. Männer mit geringer Ausbildung können mitunter als Maler arbeiten. In kleineren Städten oder Ortschaften gibt es mehr Möglichkeiten, eine Arbeit in der Landwirtschaft zu finden. Frauen können auch einen eigenen kleinen Betrieb gründen, indem sie z. B. auf der Straße oder auf Baustellen Essen verkaufen. Andere suchen eine Anstellung bei einer Reinigungsfirma. Generell gibt es Jobvermittlungsportale, andere finden eine neue Arbeit über eigene Kontakte. Für Ungelernte gibt es keine Vermittlungsportale, sie müssen direkt z. B. auf Baustellen gehen, und dort um eine Arbeit fragen. Besonders gefragt sind auf dem Arbeitsmarkt IT-Kenntnisse, Marketing und Verkauf, Buchhaltung, medizinische Berufe, Installateure, Bauarbeiter, Mechaniker und ähnliche Handwerke (IOM 2.3.2023).
Jedenfalls gehört die Suche nach Arbeitsmöglichkeiten zu den Hauptgründen für Migration (ÖB 11.2022, Sitzung 20). Nur ein Fünftel der Universitätsabsolventen findet nach dem Abschluss eine Anstellung (ARTE 2021). Clanverbindungen spielen bei der Arbeitssuche eine kritische Rolle (FH 2022b, F4). Frauen tragen mittlerweile in 48 % der Haushalte den Hauptteil zum Familieneinkommen bei (OXFAM 6.2018, Sitzung 10). Auf dem großen Viehmarkt von Hargeysa stellen Frauen rund 90 % aller Händler (ARTE 2021). Überhaupt spielen Frauen - außer bei den großen Betrieben - eine führende Rolle beim Unternehmertum. In Hargeysa befindet sich mehr als die Hälfte aller Familienunternehmen im Besitz von Frauen (WB 22.3.2022).
In den städtischen Gebieten hat die beschleunigte Land-Stadt Migration zur Herausbildung peripherer Stadtgemeinden geführt, die von sozialen Dienstleistungen, dem formellen Arbeitsmarkt und politischer Mitsprache abgeschnitten sind (ÖB 11.2022, Sitzung 20).
Lebenskosten: Die Lebenshaltungskosten liegen in Hargeya bei 300-400 US-Dollar, bei mittlerem Standard bei 400-500 US-Dollar. In kleineren Städten sind die Kosten jeweils etwas niedriger anzusetzen. Die meisten Rückkehrer nach Somaliland können sich bei der Unterbringung keinen höheren Standard leisten und nehmen Wellblechhäuser oder traditionelle Unterkünfte in Anspruch. Dies gilt sowohl für Hargeysa als auch für kleinere Städte, wie z. B. Ceel Afweyn oder Boorama. Frauen leben üblicherweise nicht alleine. Wenn alleinstehende Frauen tatsächlich eine Wohnung mieten, dann tun sie das meist gemeinsam mit anderen alleinstehenden Frauen. Die durchschnittlichen Kosten für eine Mietwohnung liegen nach Angaben von Mitarbeitern von IOM bei 250 US-Dollar im Monat. Einzelne Zimmer können für 100 US-Dollar angemietet werden, Wellblechhäuser kosten 45-60 US-Dollar. Ungelernte Arbeitskräfte verdienen 300-400 US-Dollar im Monat bzw. 10 US-Dollar am Tag (IOM 2.3.2023).
Der Ausbildungssektor in Somaliland hat sich ständig verbessert. Meist arbeiten hier staatliche Organe, lokale Gemeinden und externe Geber – darunter die Diaspora – zusammen. Private Bildungsanbieter boomen, und es gibt mehrere Universitäten und Colleges (BS 2022, Sitzung 32). Die Sahamiye Foundation, welche u.a. vom Gründer des Finanzdienstleisters Worldremit betrieben wird, hat angekündigt, in den nächsten zehn Jahren 500 Millionen US-Dollar in Somaliland ausgeben zu wollen. Die Alphabetisierungsrate soll damit auf 90 % gehoben werden. Außerdem will die Stiftung 100.000 Menschen eine adäquate Berufsausbildung zukommen lassen und ins Gesundheitswesen investieren. Die Stiftung war schon zuvor die größte Wohltätigkeitsstiftung in Somaliland und hat bereits zahlreiche Programme gestartet (SLP 7.4.2021). Im Budget für das Jahr 2022 ist die Aufnahme von 300 zusätzlichen Lehrkräften vorgesehen (ISIR 1.3.2022).
OXFAM betreibt u.a. in Zusammenarbeit mit der Organisation Shaqadoon und deren Hargabits Academy ein Programm, um der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Das Programm bietet auf dem Arbeitsmarkt gesuchte Ausbildung (z.B. digitale und IT-Bildung) und eine bessere Vermittlung zu Arbeitsplätzen – speziell auch für marginalisierte Jugendliche (OXFAM o.D.a). Ein anderes, u.a. von der EU finanziertes, Projekt wird vom Africa Educational Trust geleitet. Mit diesem Programm erhalten 400 junge Menschen grundsätzliche (Alphabetisierung) und weitergehende (handwerkliche, unternehmerische) Ausbildung. Mindestens 250 jungen Menschen wird der Zugang zu Mikrokrediten ermöglicht, um sich eine Lebensgrundlage zu schaffen (AET 2020). SOS-Kinderdorf hat mit einigen Partnern im Jahr 2016 das Next Economy Programme begonnen. Junge Menschen erhalten eine Zusatzausbildung, um auf dem Arbeitsmarkt als Angestellte oder als Selbständige Beschäftigung zu finden. Jene, die selbständig werden wollen, müssen eigenständig 500 US-Dollar aufstellen, diese werden vom Programm ergänzt (SOS 10.8.2022).
Quellen:
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf, Zugriff 17.5.2022
AET - Africa Educational Trust (2020): Inspiring Somaliland and Puntland Youth through skills training and creation of employment opportunities, https://www.vettoolbox.eu/index.php/en/actions/inspiring-somaliland-and-central-and-south-somalia-css-youth-through-skills-training-and, Zugriff 17.6.2022
ARTE / Unger, M. / Bergeron, E. (2021): Reportage – Somaliland: Der Staat, der nicht sein darf, filmische Dokumentation, https://www.arte.tv/de/videos/104232-000-A/somaliland-der-staat-der-nicht-sein-darf/, Zugriff 17.6.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 15.3.2022
FH - Freedom House (2022b): Freedom in the World 2022 – Somaliland, https://freedomhouse.org/country/somaliland/freedom-world/2022, Zugriff 14.7.2022
HD - Horn Diplomat (14.1.2021): Somaliland Budget Analysis 2021, https://www.horndiplomat.com/2021/01/14/somaliland-budget-analysis-2021/, Zugriff 20.6.2022
HT - Horn Tribune (4.3.2022): Fake news from aid agencies causes real hardship, https://horntribune.com/2022/03/04/fake-news-from-aid-agencies-causes-real-hardship/, Zugriff 25.7.2022
IOM - Internationale Organisation für Migration (2.3.2023): Information on the socio-economic situation in Somalia/Somaliland; Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation, per e-Mail
ISIR - Institute for Strategic Insights and Research Think Tank (1.3.2022): 2022 Budget Brief Somaliland, https://isirthinktank.com/2022-b-u-d-g-e-t-b-r-i-e-f-s-o-m-a-l-i-l-a-n-d/, Zugriff 20.6.2022
Majidi - Majidi, Nassim / Nicolle, Hervé / The London School of Economics and Political Science (2.5.2016): Youth, Employment and Migration in Puntland and Somaliland, https://blogs.lse.ac.uk/africaatlse/2016/05/02/youth-employment-and-migration-in-puntland-and-somaliland/, Zugriff 20.6.2022
MMC - Mixed Migration Centre / IOM – Internationale Organisation für Migration (19.8.2022): Interactions between local communities and transiting migrants in Hargeisa, https://reliefweb.int/attachments/a70ebc42-0430-4195-a39f-21e2bf8740f5/241_Snapshot_Hargeisa.pdf, Zugriff 15.9.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2082923/SOMA_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 5.12.2022
OXFAM (o.D.a): Getting Somaliland's youth back to work through skills training, https://heca.oxfam.org/latest/stories/getting-somalilands-youth-back-work-through-skills-training, Zugriff 17.6.2022
OXFAM / REACH (6.2018): Drought, Displacement and Livelihoods in Somalia/Somaliland. Time for gender-sensitive and protection-focused approaches, http://regionaldss.org/wp-content/uploads/2018/07/bn-somalia-somaliland-drought-displacement-protection-280618-en-002.pdf, Zugriff 18.5.2022
Sahan - Sahan / Somali Wire Team (4.10.2021): Editor’s Pick – Somalia: The pitfalls of diaspora-led state-building, in: The Somali Wire Issue No. 241, per e-Mail
Sahan - Sahan / Rashid Abdi (15.7.2021): Editor’s Pick – Hargeisa: A Tale of Cats and Dogs, in: The Somali Wire Issue No. 185, per e-Mail
Shaqadoon - Shaqadoon Organization (2022): News and Updates, https://www.shaqodoon.org/news-and-updates, Zugriff 20.6.2022
SLP - Somaliland Post (7.4.2021): Somaliland: WorldRemit founder launches Sahamiye Foundation to tackle the Country’s development challenges, https://somalilandpost.net/somaliland-worldremit-founder-launches-sahamiye-foundation-to-tackle-the-countrys-development-challenges/, Zugriff 17.6.2022
SOS - SOS Children’s Villages (10.8.2022): Youth partnership helps young entrepreneurs find work in Somaliland, https://www.soschildrensvillages.ca/news/youth-partnership-helps-young-entrepreneurs-find-work-somaliland-321, Zugriff 13.9.2022
Spiegel - Spiegel International (1.3.2021): A Miracle on the Horn of Africa, https://www.spiegel.de/international/world/boom-in-somaliland-a-miracle-on-the-horn-of-africa-a-c7fb91cc-4b0a-4561-977d-dd985cf48256, Zugriff 17.6.2022
UNFPA (2016): Economic Characteristics of the Somali People, https://www.nbs.gov.so/docs/Analytical_Report_Volume_4.pdf, Zugriff 17.6.2022
WB - Weltbank / Sophia Friedson-Ridenour (22.3.2022): Voices of women entrepreneurs in a changing Somalia, https://blogs.worldbank.org/nasikiliza/voices-women-entrepreneurs-changing-somalia, Zugriff 13.6.2022
WB - Weltbank (2022): World Bank - Data, Unemployment, total (% of total labor force) (modeled ILO estimate) - Somalia, https://data.worldbank.org/indicator/SL.UEM.TOTL.ZS?locations=SO, Zugriff 20.6.2022
Grundversorgung (es ist auch der Teil zu Somalia zu berücksichtigen)
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Die Regierung ist in der Lage, grundlegende Dienste bereitzustellen. Im Bildungs- und Gesundheitsbereich wurden hierbei Verbesserungen erzielt. Allerdings herrscht im Land noch immer ein hohes Maß an Armut. Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem. Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor. Das eigentliche soziale Sicherungsnetz bilden die erweiterte Familie und der Clan. Auch Remissen aus dem Ausland tragen zu diesem Netz bei (BS 2022a). Viele Haushalte sind auf diese Gelder angewiesen (FH 2023b). Gerade in schlechten Zeiten überweisen Mitglieder der Diaspora mehr Geld, damit niemand in der Familie zu Hause hungern muss (HT 4.3.2022).
In ländlichen Gebieten lebt mehr als eine von drei Personen in Armut, in urbanen Gebieten ist es mehr als eine von vier (HD 14.1.2021). Überdurchschnittlich viele der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben Kinder bei Verwandten (76 %) oder aber auch in institutionellen Pflegeeinrichtungen (7 %) untergebracht. Weitere 54 % schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn. Generell sind gesellschaftlicher Zusammenhalt und soziale Netze in Somaliland besser als in anderen Landesteilen (OXFAM/Fanning 6.2018).
Dürre [es ist auch das Kapitel zu Somalia zu berücksichtigen]: In Somaliland gab es 2022 noch 100.000 neue IDPs aufgrund der Dürre (UNHCR 31.12.2022). Im Jahr 2023 (Stand November) waren es hingegen nur ca. 18.000, davon je 4.000 in den Regionen Togdheer, Sanaag und Sool, 6.000 in Awdal und 30 in Woqooyi Galbeed (UNHCR 2023). Generell war die Dürre laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 auch in den Städten spürbar. Dort hängen die Menschen oft von Verwandten auf dem Land ab, was die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten angeht. Dort war aber Dürre, viele Menschen drängten zusätzlich in die Städte und leben ihrerseits bei Verwandten (Omer/STDOK/SEM 4.2023).
In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten (AA 15.5.2023). In Hargeysa, in Somaliland geht es den Menschen durchschnittlich besser als in Süd-/Zentralsomalia (ACCORD 31.5.2021). Trotzdem ist laut Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 Armut der treibende Grund für Migranten, welche das Land verlassen (YOVENCO/STDOK/SEM 5.2023).
Alleine die UN führt für die somaliländischen Regionen folgende Zahlen an aktiven (humanitären) Partnern an: Awdal: 18; Woqooyi Galbeed: 33; Togdheer: 38; Sool: 32; Sanaag: 32 (UN OCHA 16.11.2023). Aufgrund der vergleichsweise guten Sicherheitslage, verzeichnen die UN in Somaliland weniger Zwischenfälle im Zusammenhang mit humanitärem Zugang als anderswo im Land. Allerdings fokussiert sich die internationale humanitäre Unterstützung (Stand 11.2022) auf die Region Bay in Somalia. Da die finanziellen Mittel auch dort nicht ausreichen, wird sich zeigen, in welchem Umfang Somaliland unterstützt werden kann (ÖBN 11.2022). Es kam zwischen Somalia und Somaliland zu einer Art Wettbewerb um humanitäre Hilfe. Trotzdem war diese im Rahmen der Dürre verfügbar. Erfahrungen aus der vorhergehenden Dürre (sporadische Hungertote) haben zu Änderungen geführt. Zusätzlich wurden viele Dämme und andere Wasserinfrastruktur errichtet (Omer/STDOK/SEM 4.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15/5/2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092375/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_April_2023%29%2C_15.05.2023.pdf, Zugriff 2.10.2023 [Login erforderlich];
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31/5/2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf, Zugriff 17.5.2022;
BS - Bertelsmann Stiftung (2022a): BTI 2022 Country Report Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069667/country_report_2022_SOM.pdf, Zugriff 6.10.2023;
FH - Freedom House (2023b): Freedom in the World 2023 - Somaliland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094400.html, Zugriff 13.10.2023;
HD - Horn Diplomat (14/1/2021): Somaliland Budget Analysis 2021, https://www.horndiplomat.com/2021/01/14/somaliland-budget-analysis-2021/, Zugriff 15.12.2023;
HT - Horn Tribune (4/3/2022): Fake news from aid agencies causes real hardship, https://horntribune.com/2022/03/04/fake-news-from-aid-agencies-causes-real-hardship/, Zugriff 15.12.2023;
OXFAM/Fanning - OXFAM (Herausgeber), Emma Fanning (Autor) (6.2018): Drought, Displacement and Livelihoods in Somalia/Somaliland. Time for gender-sensitive and protection-focused approaches, http://regionaldss.org/wp-content/uploads/2018/07/bn-somalia-somaliland-drought-displacement-protection-280618-en-002.pdf, Zugriff 15.12.2023;
Omer/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Ahmed Omer (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (16/11/2023): Somalia: Operational Presence (3W) October 2023, https://reliefweb.int/attachments/f57923fb-5ff2-498d-9155-e48251485b38/SOM_Operational%20Presence_3W%20Oct%202023.pdf?_gl=1*1cywkve*_ga*MTczMDc2MDIwMC4xNzAyNjQ5Mzkz*_ga_E60ZNX2F68*MTcwMjY0OTM5My4xLjEuMTcwMjY0OTUzMi42MC4wLjA., Zugriff 15.12.2023;
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (2023): Somalia: Internal Displacement, https://data.unhcr.org/en/dataviz/1, Zugriff 14.11.2023;
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (31/12/2022): Somalia - Internal Displacements Monitored by Protection & Return Monitoring Network (PRMN) - December 2022, https://data.unhcr.org/en/documents/download/98019, Zugriff 13.12.2023;
YOVENCO/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), YOVENCO Berbera (Autor) (5.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023;
ÖBN - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2082923/SOMA_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 6.10.2023 [Login erforderlich];
Rückkehr
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2023-03-17 10:28
Rückkehr international: Seit Jahren steigt die Anzahl der nach Somalia zurückgekehrten somalischen Flüchtlinge (ÖB 11.2022, Sitzung 13). Seit 2009 kommen Somali der Diaspora zurück in ihre Heimat, viele mit Bildung, Fähigkeiten und einer unternehmerischen Einstellung. Zuerst tröpfelten sie nur ins Land, ab 2012 fluteten sie zurück (Sahan 27.5.2022). Viele lokale Angestellte internationaler NGOs oder Organisationen sind aus der Diaspora zurückgekehrte Somali. Andere kommen nach Somalia auf Urlaub oder eröffnen ein Geschäft (BFA 3./4.2017). Viele Somalis in der Diaspora wollen zurückkommen und das Land aufbauen. Manche tun es nicht, weil es in Somalia keine adäquate Schulbildung für ihre Kinder gibt (SRF 27.12.2021). Andere schicken ihre Kinder gezielt nach Somalia: Alleine im Jahr 2019 wurden hunderte Kinder der somalischen Diaspora in London nach Somalia, Somaliland und Kenia gebracht, weil sich die Eltern zunehmend Sorgen um die Zunahme von Drogenbanden und Gewalt in England machten (TG 9.3.2019).
Die USA, Kanada, Großbritannien, Finnland, Dänemark, die Niederlande, Belgien und Norwegen führen grundsätzlich Abschiebungen nach Mogadischu durch (AA 28.6.2022, Sitzung 25). Aus Europa wurden im Jahr 2022 – in geringen Zahlen – jedenfalls Somali aus Belgien, Norwegen, Dänemark, der Schweiz und Schweden nach Somalia rückgeführt, die meisten davon freiwillig (ÖB 14.12.2022). Pandemiebedingt und aufgrund der schwierigen Zusammenarbeit mit den somalischen Behörden finden nur wenige bis keine Rückführungen statt (AA 28.6.2022, Sitzung 25). Österreich beteiligt sich am von IOM geführten Programm RESTART römisch III, das freiwillige Rückkehr nach Somalia abwickelt (IOM 12.2021). Insgesamt hat IOM von 2020 bis 2022 bei 187 freiwilligen Rückführungen aus Europa Unterstützung geleistet. Die Rückkehrer kamen u. a. aus Belgien (14), Deutschland (66), Finnland (12), Griechenland (20), den Niederlanden (8), Österreich (8), der Schweiz (22) und Zypern (14). 33 der Rückgeführten waren weiblich. 141 verblieben in Mogadischu, die anderen reisten weiter nach Garoowe (6) und Hargeysa (34) (IOM 2.3.2023).
Rückkehr regional: Die Rückkehrbewegung nach Somalia hat sich seit 2020 deutlich verlangsamt. Insgesamt sind von Ende 2014 bis Jänner 2022 knapp 134.000 Menschen mit oder ohne Unterstützung nach Somalia zurückgekehrt. Im Jahr 2021 waren es ca. 2.500 – vor allem aus dem Jemen (UNHCR 10.2.2022). Verursacht wurde der Rückgang nicht zuletzt von der COVID-19-Pandemie (UNHCR 22.3.2022). In den ersten drei Monaten des Jahres 2022 kehrten nur 187 Personen von UNHCR assistiert nach Somalia zurück (UNHCR 22.4.2022).
Aus dem Jemen kamen mehr als 5.400 somalische Flüchtlinge mit Unterstützung durch den UNHCR zurück in ihr Land. Weitere knapp 46.000 sind aus dem Jemen ohne Unterstützung zurückgekehrt (AA 28.6.2022, Sitzung 23). Somaliland ist zwar der Hauptankunftsort für Flüchtlinge und Rückkehrer aus dem Jemen, doch UNHCR und Partnerorganisationen unterstützen somalische Rückkehrer bei der Weiterreise zu den Herkunftsgebieten in anderen Teilen Somalias (ÖB 11.2022, Sitzung 19).
Der UNHCR und andere internationale Partner unterstützen seit 2014 die freiwillige Rückkehr von Somaliern aus Kenia. Grundlage ist ein trilaterales Abkommen zwischen Kenia, Somalia und dem UNHCR (AA 28.6.2022, Sitzung 23). Seit Abschluss des trilateralen Abkommens kehrten mit Unterstützung des UNHCR über 85.000 Menschen aus Kenia nach Somalia zurück (AA 28.6.2022, Sitzung 23; vergleiche NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 69). Diese gingen vor allem nach Kismayo und das südliche Jubaland (AA 28.6.2022, Sitzung 23). Noch nie wurde ein Bus, welcher Rückkehrer transportiert, angegriffen (FIS 7.8.2020, Sitzung 28). Allerdings kommt es aufgrund von Gewalt und Konflikten sowie durch die Pandemie bedingte Reisebeschränkungen immer wieder zu Unterbrechungen bei der Rückkehrbewegung (USDOS 12.4.2022, Sitzung 26). Trotz seiner Rolle bei der Rückführung aus Kenia warnt der UNHCR angesichts der aktuellen Lage in Somalia davor, Personen in Gebiete in Süd- oder Zentralsomalia zwangsweise zurückzuschicken, da die Sicherheit nicht gewährt werden kann (ÖB 11.2022, Sitzung 14).
Seit Frühjahr 2018 unterstützt die sogenannte EU-IOM Joint Initiative for Migrant Protection and Reintegration rückkehrwillige somalische Migranten vornehmlich in Libyen und Äthiopien. Die Leistungen umfassen Beratung zu Möglichkeiten der Rückkehr sowie der Integration in den somalischen Arbeitsmarkt. Außerdem wird die Entwicklung von standardisierten Rückführungsverfahren nach Somalia gefördert. Mit Unterstützung von IOM sind 2021 803 Personen nach Somalia zurückgekehrt, davon 340 aus Saudi-Arabien, 295 aus dem Jemen und 16 aus Deutschland (AA 28.6.2022, Sitzung 24).
Behandlung: Die Zahl der von westlichen Staaten zurückgeführten somalischen Staatsangehörigen nimmt stetig zu. Mit technischer und finanzieller Unterstützung haben sich verschiedene westliche Länder über die letzten Jahre hinweg für die Schaffung und anschließende Professionalisierung eines speziell für Rückführung zuständigen Returnee Management Offices (RMO) innerhalb des Immigration and Naturalization Directorates (IND) eingesetzt. Das RMO hat für alle Rückführungsmaßnahmen nach Somalia eine einheitliche Prozedur festgelegt, die konsequent zur Anwendung gebracht wird (AA 28.6.2022, Sitzung 24). Es liegen keine Informationen dahingehend vor, dass abgelehnte Asylwerber am Flughafen in Mogadischu Probleme seitens der Behörden erfahren (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 71). Das RMO befragt sie hinsichtlich Identität, Nationalität, Familienbezügen sowie zum gewünschten zukünftigen Aufenthaltsort. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete minderjährige und andere Rückkehrer. Eine Unterkunft und ein innersomalischer Weiterflug kann vom RMO organisiert werden, die Rechnung begleichen die rückführenden Staaten. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge der Rückkehrer. Nach vorliegenden Erkenntnissen werden Rückkehrer vom RMO/IND grundsätzlich mit Respekt behandelt (AA 28.6.2022, Sitzung 24f). Eine strukturelle Diskriminierung von Rückkehrern aus dem Ausland gibt es nicht (AA 28.6.2022, Sitzung 20).
Rückkehrstudie von UNHCR: Der UNHCR hat für eine repräsentative Studie von 2018 bis Dezember 2021 fast 2.900 Haushalte mit mehr als 17.000 Angehörigen – darunter vor allem unterstützte Rückkehrer aus Kenia, Äthiopien und dem Jemen – zu ihrer Situation in Somalia befragt. Dabei hatten 48% der Befragten angegeben, wegen der verbesserten Sicherheitslage nach Somalia zurückgegangen zu sein. 14 % machten diesen Schritt wegen besserer ökonomischer Möglichkeiten. Nur 24 % der befragten Haushalte gaben an, in einem "IDP-Lager" zu wohnen [Anführungszeichen von UNHCR übernommen]. 94 % der Rückkehrer gaben an, nach ihrer Rückkehr keinerlei Form von Gewalt (Drohungen, Einschüchterungen, physische Gewalt) erlebt zu haben. 90 % gaben an, sich in ihrer Gemeinde und im Bezirk frei bewegen zu können. 91 % der Befragten gaben an, dass sie nicht als Rückkehrer diskriminiert würden; und 88 % wurden auch nicht wegen ihrer ethnischen oder Clan-Zugehörigkeit diskriminiert. 88 % der Befragten haben keine Streitigkeiten austragen müssen. Von jenen, die in Konflikte verwickelt waren, gaben 38 % Wohnungs- und Landstreitigkeiten als Gründe an, weitere 27 % Familienstreitigkeiten (UNHCR 22.3.2022).
Erreichbarkeit: Einen regelmäßigen internationalen Direktflugverkehr nach Mogadischu gibt es aus Istanbul, Addis Abeba, Nairobi, Doha und Entebbe (AQ9 1.2022). Darüber hinaus fliegen regionale Fluglinien, die Vereinten Nationen, die Europäische Union und private Chartermaschinen Mogadischu aus Nairobi regelmäßig an (AA 18.4.2021, Sitzung 24). Von Bossaso (Puntland) aus wird Addis Abeba und Dubai angeflogen, von Garoowe (Puntland) Addis Abeba und Nairobi (AQ9 1.2022). Für Rückführungen somalischer Staatsbürger wurden vor der COVID-19-Pandemie die Verbindungen der Turkish Airlines via Istanbul bzw. via Nairobi mit Jubba Airways bevorzugt. Bei Ersterer erfolgte meist eine polizeiliche Eskortierung bis Mogadischu, bei Letzterer nur bis Nairobi, da die Fluglinie sich dann gegen die Zahlung einer Gebühr um die Sicherheit kümmerte (AA 18.4.2021, Sitzung 24).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050118/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Januar_2021%29%2C_18.04.2021.pdf, Zugriff 6.5.2022
AQ9 - Anonyme Quelle 9 (1.2022): Bei der Quelle handelt es sich um eine Migrationsanalyse
BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017): Informationen aus den Protokollen der FFM
FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (7.8.2020): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia+Fact-Finding+Mission+to+Mogadishu+in+March+2020.pdf/2f51bf86-ac96-f34e-fd02-667c6ae973a0/Somalia+Fact-Finding+Mission+to+Mogadishu+in+March+2020.pdf?t=1602225617645, Zugriff 6.5.2022
IOM - Internationale Organisation für Migration (2.3.2023): Information on the socio-economic situation in Somalia/Somaliland; Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation, per e-Mail
IOM - Internationale Organisation für Migration (12.2021): AVRR-Newsletter 04/2021 – Freiwillige Rückkehr und Reintegration aus Österreich
NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken [Niederlande] (1.12.2021): Algemeen ambtsbericht Somalië, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068196/algemeen-ambtsbericht-somalie-21122021.pdf, Zugriff 11.5.2022
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2082923/SOMA_%C3%96B-Bericht_2022_11.pdf, Zugriff 5.12.2022
Sahan - Sahan / Somali Wire Team (27.5.2022): Somalia’s diaspora needs to bring democratisation as well as entrepreneurship, in: The Somali Wire Issue No. 394, per e-Mail
SRF - Schweizer Radio und Fernsehen (27.12.2021): Ein Staat ohne Macht - Somalia: Leben im gescheiterten Staat, https://www.srf.ch/news/international/ein-staat-ohne-macht-somalia-leben-im-gescheiterten-staat, Zugriff 11.5.2022
TG - The Guardian (9.3.2019): Mothers send sons to Somalia to avoid knife crime, https://www.theguardian.com/uk-news/2019/mar/09/british-somalis-send-sons-abroad-to-protect-against-knife-crime, Zugriff 11.5.2022
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (22.4.2022): Somalia Situation, Population of concern to UNHCR as of 31 March 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2072029/RB_Situations_Somalia_220331.pdf, Zugriff 11.5.2022
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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.2.2022): Somalia, Returnees Figures and Trends as of 31 January 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068052/Monthly+Return+Dashboard+as+of++Jan+2022.pdf, Zugriff 11.5.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/02/313615_SOMALIA-2021-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 21.4.2022
Dokumente
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2023-03-15 15:44
Es gibt im Land kein umfassendes Programm zur Geburtenregistrierung, die Registrierungsrate beträgt in ganz Somalia (inkl. Somaliland) nur rund 3 % (ÖB 11.2022, Sitzung 5). Nach anderen Angaben sind 4 % der Kinder unter zwei Jahren registriert, allerdings ist nur 1 % im Besitz einer Geburtsurkunde (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 40). Seit dem Fall von Siad Barre im Jahr 1991 herrscht in Somalia eine „dokumentenlose“ Gesellschaft. Normalerweise identifizieren sich Somalis durch Dialekt und Clanzugehörigkeit (LIFOS 9.4.2019, Sitzung 13; vergleiche NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 40). Der Großteil der Bevölkerung besitzt also keine Papiere (ÖB 11.2022, Sitzung 5), Somalia hat mit 77 % den weltweit höchsten Prozentsatz an Menschen, die über keinen staatlichen Identitätsnachweis verfügen (UNSC 10.10.2022, Absatz 58 ;, vergleiche UNHCR 22.12.2021, Sitzung 43ff). Einen Reisepass besitzen nur Personen in formellen Anstellungen (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 43ff) oder jene, die ins Ausland reisen (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 43ff; vergleiche LIFOS 9.4.2019, Sitzung 13).
Identitätsprüfung: [siehe auch Kapitel Meldewesen] Möchte jemand ein Dokument beantragen, dann muss er sich an jene Lokalbehörde wenden, wo er geboren wurde oder lebt (LIFOS 9.4.2019, Sitzung 15f). Nachdem in Somalia kein Personenstandsverzeichnis existiert, erfolgt die Ausstellung von Dokumenten allein aufgrund der mündlichen Angaben der antragstellenden Person (ÖB 11.2022, Sitzung 5; vergleiche LI 14.6.2018, Sitzung 17) und ggf. anwesender Zeugen und Verwandten (ÖB 11.2022, Sitzung 5; vergleiche LI 14.6.2018, Sitzung 17; LIFOS 9.4.2019, Sitzung 15f). Die Person selbst wird interviewt und nach dem Ältesten befragt, mit welchem ggf. Kontakt aufgenommen wird (LIFOS 9.4.2019, Sitzung 15f). Denn die verlässliche Feststellung von Identitäten erfolgt – neben Verwandten – oft durch Älteste eines Dorfes (ÖB 11.2022, Sitzung 5). Folglich kann es bei Angaben, die zur Ausstellung eines Dokuments gemacht werden müssen, leicht zu Falschangaben kommen. Zusätzlich fördern schwache Institutionen, niedrige Gehälter und eine Kultur der Korruption die Bestechlichkeit von Beamten, welche Dokumente ausstellen. Auch die starken Loyalitäten, die auf dem Clansystem beruhen, kommen hier zu tragen. In das System der Identifizierung einzelner Personen kann folglich nicht viel Vertrauen gelegt werden (LIFOS 9.4.2019, Sitzung 34ff). Es besteht keine Möglichkeit, über amtliche Register verlässliche Auskünfte über somalische Staatsangehörige zu erhalten (AA 28.6.2022, Sitzung 26).
Für Angehörige ethnischer Minderheiten kann es mitunter schwierig werden, einen Reisepass zu erhalten. Sie müssen den somalischen Behörden gegenüber „nachweisen“, dass sie aus Somalia stammen – meist durch die Darstellung entsprechender Sprachkenntnisse, aber auch durch Nennung einer prominenten Bezugsperson (z. B. ein Abgeordneter). Dies gilt insbesondere für Bantu und Bajuni, nicht unbedingt für Benadiri (LI 31.3.2022).
Dokumentensicherheit: Für Somalier ist es generell einfach, echte Dokumente unwahren Inhalts zu besorgen, darunter auch unrichtige Pässe der Nachbarländer Dschibuti, Äthiopien und Kenia. In Somalia selbst, aber auch z. B. im Stadtteil Eastleigh in Nairobi, werden gefälschte somalische Reisepässe ebenso wie zahlreiche andere gefälschte Dokumente zum Verkauf angeboten (AA 28.6.2022, Sitzung 26). Dokumenten mangelt es insgesamt an nachweisbaren Grundlagen und Verlässlichkeit der Angaben. Dieser Umstand öffnet die Tür für Betrug und Missbrauch. Personen mit fünf verschiedenen Reisedokumenten und fünf darin anderslautenden Namen sind keine Seltenheit. Hinzu kommen erschwerend die häufige Namensgleichheit bzw. verschiedene Namensschreibweisen (ÖB 11.2022, Sitzung 5). Generell werden Dokumente eher nicht gefälscht, da es einfach ist, an Originale zu gelangen. Mit Hilfe von sogenannten "Fixern" können alle Arten von Dokumenten arrangiert werden: Reisepässe, Geburts- oder Sterbeurkunden etc. (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 41f). An unterschiedlichen städtischen Behörden werden Identitätsdokumente ausgestellt, wobei es für deren Ausstellung unterschiedlichste Kriterien gibt. Ein Regierungsvertreter hat gegenüber dem Expertenrat der Vereinten Nationen angegeben, dass man alleine in Mogadischu binnen eines Tages zwanzig verschiedene Geburtsurkunden bekommen könnte. Eine Finanzinstitution hat angegeben, dass es Fälle gibt, wo eine Person mit drei unterschiedlich lautenden Identitätsdokumenten versucht, Bankkonten zu eröffnen (UNSC 10.10.2022, Absatz 58 f, /, F, N, 82).
Der Begriff „Somali“ im somalischen Staatsbürgerschaftsgesetz aus dem Jahr 1962 umfasst alle ethnischen Somali. Für die Ausstellung eines Reisepasses ist es nicht entscheidend, ob eine Person aus Somalia kommt oder in Somalia lebt. Vielmehr ist relevant, ob die Person ethnisch Somali ist. Auch ethnische Somali aus Äthiopien, Dschibuti oder Kenia können somalische Reisepässe erhalten. Natürlich spielt die Angabe des Clans hier eine relevante Rolle (LI 31.3.2022). Die Echtheit von Dokumenten bzw. Urkundenüberprüfungen hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit bzw. des Wahrheitsgehalts von Dokumenten kann keinesfalls überprüft werden (ÖB 11.2022, Sitzung 5; vergleiche NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 41).
Dokumente: Nur wenige Somali können die erforderlichen Mittel aufbringen, um einen Reisepass zu erhalten (ÖB 11.2022, Sitzung 10). Dabei erfolgt die Ausstellung eines Passes in Mogadischu innerhalb weniger Wochen ohne Problem, die Kosten betragen 90-100 US-Dollar. Gleichzeitig mit dem Pass erhält man einen Personalausweis. Für die Beantragung eines Passes ist die Vorlage einer Geburtsurkunde notwendig (FIS 7.8.2020, Sitzung 45). Die Daten im Reisepass beruhen auf den mündlichen Angaben des Antragstellers. Üblicherweise nennt der Antragsteller auch eine Bezugsperson – meist einen Clanvertreter. Allerdings gibt es keine Hinweise, wonach die vom Antragsteller zur Verfügung gestellten Informationen systematisch überprüft werden, indem z.B. mit der Bezugsperson Kontakt aufgenommen wird (LI 31.3.2022). Ausgestellt werden Pässe in Mogadischu und wenigen anderen somalischen Städten sowie an einigen Botschaften (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 43ff). Generell ist die Ausstellung von Reisepässen an somalischen Botschaften von persönlichen Beziehungen und der jeweiligen Situation abhängig (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 41). Insgesamt ist die Ausstellung von Reisepässen von Betrug und Korruption gekennzeichnet, die Integrität dieses Dokuments ist untergraben (ÖB 11.2022, Sitzung 5). Aufgrund von Sorgen hinsichtlich des Ausstellungsprozesses bzw. wegen weitverbreitetem Passbetrug erkennen nur wenige Staaten den somalischen Reisepass als gültiges Reisedokument an (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 43ff; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 10).
Die große Mehrheit somalischer Geburtsurkunden ist entweder gefälscht oder sonst für einen Identitätsnachweis unbrauchbar (LIFOS 9.4.2019, Sitzung 34f). Geburtsurkunden mit falschen Einträgen können gekauft werden (FIS 7.8.2020, Sitzung 45). Selbst somalische Behörden schenken somalischen Geburtsurkunden nur wenig Vertrauen (BFA 3./4.2017).
Ehen werden vor einem Schariagericht geschlossen und auch wieder aufgelöst. Die Scharia-Gerichte können Ehe- und Scheidungsurkunden ausstellen. Es gibt kein zentrales Verzeichnis, das die Akte der Gerichte nachprüfbar macht (ÖB 11.2022, Sitzung 10). Es gibt keine Zivilehe (LI 14.6.2018, Sitzung 7).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074953/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Mai_2022%29%2C_28.06.2022.pdf, Zugriff 4.7.2022
BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia [Österreich/Schweiz] (3./4.2017): Informationen aus den Protokollen der FFM
FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (7.8.2020): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia+Fact-Finding+Mission+to+Mogadishu+in+March+2020.pdf/2f51bf86-ac96-f34e-fd02-667c6ae973a0/Somalia+Fact-Finding+Mission+to+Mogadishu+in+March+2020.pdf?t=1602225617645, Zugriff 6.5.2022
LI - Landinfo [Norwegen] (31.3.2022): Somalia – Statsborgerskap, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2022/03/Respons-Somalia-Statsborgerskap-31032022.pdf, Zugriff 3.8.2022
LI - Landinfo [Norwegen] (14.6.2018): Somalia: Marriage and divorce,
2
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (22.12.2021): Citizenship and Statelessness in the Horn of Africa, https://www.ecoi.net/en/file/local/2065866/61c97bea4.pdf, Zugriff 12.5.2022
UNSC - UN Security Council (10.10.2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia
Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Zur Identität und Familienzugehörigkeit des Beschwerdeführers hat schon die belangte Behörde festgestellt, dass die Identität nicht feststeht. Der Beschwerdeführer hat glaubhaft während des Verfahrens angegeben, dass er Staatsangehöriger von Somalia ist und der Volksgruppe der römisch 40 , dem Subclan römisch 40 angehörig, der islamischen Religionsgemeinschaft zugehörig und ledig ist.
Zusammengefasst erzählte der Beschwerdeführer, dass er in Afgooye geboren und aufgewachsen sei. Er habe acht Jahre die Grundschule besucht. Seine Mutter würde als Putzfrau den Lebensunterhalt verdienen, der Vater sei von der Al-Shabaab getötet worden und seine Schwester sei aufgrund der Dürre verstorben.
Er habe sein Heimatland wegen der Al-Shabaab verlassen. Diese habe wollen, dass er sich ihnen anschließe um für den Glauben zu kämpfen. Es habe zwei Vorfälle gegeben. Bei dem zweiten Vorfall seien die Mitglieder der Al-Shabaab handgreiflich geworden. Nach einem Krankenaufenthalt habe er das Heimatland verlassen.
Der Beschwerführer hat sich auch in seiner Erzählung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der belangten Behörde mehrmals widersprochen:
Der Beschwerdeführer hat vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass sein Vater 2015 verstorben sei. Die Al-Shabaab habe ihn getötet, da er sich den abzugebenden Zakat nicht leisten habe können. (Seite 2 des Verhandlungsprotokolls). Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater im Jahre 2021 gestorben sei. (Seite 43 des Verwaltungsaktes).
Der Beschwerdeführer hat vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass er auf den Feldern von anderen gearbeitet habe und seine Mutter die Wäsche für andere Leute gewaschen habe. Sie hätten sich schwer ihren Lebensunterhalt verdient (Seite 3 des Verhandlungsprotokolls). Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, dass er in der eigenen Landwirtschaft gearbeitet und Hilfstätigen durchgeführt habe (Seite 45 des Verwaltungsaktes).
Der Beschwerdeführer erzählte konsistent, dass es zu zwei Vorfällen mit der Al-Shabaab gekommen sei. Einerseits gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht an sie seien am 15.09. wiedergekommen. Es sei das nächste Monat, nach dem ersten Vorfall gewesen (Seite 3 des Verhandlungsprotokolls). Andererseits hat er vor der belangten Behörde ausgeführt, dass die Regierung in dieser Zeit die Vorherrschaft in Afgooye gehabt habe und die Vorfälle sich im August ereignet hätten. Auch hatte er hier angegeben, dass seine Mutter und er eine Anzeige bei der Polizei gemacht hätten. (Seite 49 des Verwaltungsaktes).
Vertreter der Al-Shabaab seien dann Ende August das zweite Mal gekommen, hätten der Mutter des Beschwerdeführers und dem Beschwerdeführer gesagt, dass sie niemand schützen könne, auch nicht die Regierung (Seite 49 des Verwaltungsaktes). Sechs Männer hätten den Beschwerdeführer mit dem Kolben geschlagen und in der Folge habe er am Kopf geblutet. Es sei nichts gebrochen gewesen (Seite 51 des Verwaltungsaktes). Vor dem Bundesverwaltungsgericht erzählte er, die Al-Shabbab sei plötzlich wiedergekommen und er sei mit dem Gewehrkolben geschlagen worden. Da die Mutter ihn hätte schützen wollen, habe sie den Beschwerdeführer umarmt, weswegen beide geschlagen worden seien. Sie hätten dem Beschwerdeführer gesagt er sollte wie vereinbart dort hinkommen, ansonsten würde er sein Leben verlieren. Sollte er ablehnen für die Al-Shabaab zu arbeiten, würde es bedeuten, dass er für die Gegner arbeite. Er habe Verletzungen am ganzen Körper gehabe. Er habe Blutergüsse am Rücken, auf den Beinen und am Bauch gehabt (Seiten 3 und 4 des Verhandlungsprotokolls).
Des Weiteren gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht an, er habe 15 Tage bis einen Monat im Krankenhaus verbracht. Er habe Fieber gehabt und es sei ihm schlecht gegangen. (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls). Vor der belangten Behörde erzählte der Beschwerdeführerer habe sich Krankenhaus etwa vier Tage bis eine Woche aufgehalten (Seite 51 des Verwaltungsaktes).
Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, dass er sich nach dem Krankenhaus etwa einen Monat zu Hause aufgehalten habe, bevor er im Oktober 2021 über Mogadischu ausgereist sei (Seite 51 des Verwaltungsaktes). Im Gegensatz dazu erklärte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht er sei nach seinem Krankenhausaufenthalt nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Er sei sofort aus Mogadischu weggebracht worden (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls).
Der Beschwerdeführer erzählte auf Seite 51 des Verwaltungsaktes bei der belangten Behörde, dass es einen Deal gegeben habe, dass die Al-Shabaab ihm eine einmonatige Frist gegeben habe um in den Stadtteil Tor Torow von Afgooye zu kommen, weswegen er sich ungehindert nach dem Krankenhausaufenthalt zu Hause aufhalten habe können. Vor dem Bundesverwaltungsgericht erzählte er jedoch nur wie sich die Al-Shabaab anhänger in Afgooye „verteilen“ würden (Seite 2 des Verhandlungsprotokolls). Auf Seite 4 des Verhandlungsprotokolls sei es erst nach dem 2. Übergriff, bevor er ins Spital gebracht wurde, zu einer Anzeige bei der Polizei gekommen.
Der Beschwerdeführer erwähnte vor der belangten Behörde nicht, dass sich Al-Shabaab nach seiner Flucht aus Somalia nach ihm erkundigt habe, obwohl es den Deal gegeben habe, dass er nach einem Monat zu ihnen komme. Vor dem Bundesverwaltungsgericht erzählte er jedoch auf Nachfrage seiner Rechtsvertretung, dass die Al-Shabaab sich bei seiner Mutter nach seinem Verbleib erkundigt hätte. Diese habe geantwortet, der Beschwerdeführer sei verschwunden, nachdem er geschlagen worden sei (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls).
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Fluchtvorbringen nicht geglaubt, es ist vage, in sich widersprüchlich und realitätsfern. Hätte die Al-Shabaab den Beschwerdeführer wirklich rekrutieren wollen, hätte sie ihn einfach mitgenommen und nicht einen Zeitraum von einem Monat verstreichen lassen.
Alles im Allen, sieht das Bundesverwaltungsgericht in dem Fluchtvorbringen ein konstruiertes Konstrukt um den Asylstatus in Österreich zu erlangen. Das Fluchtvorbringen ist für das Bundesverwaltungsgericht unglaubwürdig, widersprüchlich und nicht mit der Realität in Einklang zu bringen. Wahrheitsgemäße Angaben würden im Zuge des gesamten Verfahrens hinreichend konsistent, in sich ergänzend und nachvollziehbar sein und nicht wie im vorliegenden Fall widersprüchlich, vage und realitätsfern ein.
Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
Da das Vorbringen als nicht asylrelevant qualifiziert wurde und in Zusammenhang mit dem vorliegenden LIB der Staatendokumentation der Schluss zu treffen ist, erscheint die Furcht vor einer Rückkehr nach Somalia als unbegründet. Dem Beschwerdeführer wäre eine innerstaatliche Fluchtalternative jederzeit, bei Bedarf, offen gestanden. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Situation in Teilen der Heimat des Beschwerdeführers nach wie vor angespannt ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es ihm möglich gewesen wäre in einem anderen Teil seiner Heimat zu leben.
Der Beschwerdeführer ist nachweislich ein arbeitsfähiger junger Mann, der bei der Rückkehr zumindest mit Gelegenheitsjobs den eigenen Unterhalt bestreiten könnte. Er könnte auch von der Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in seinem Herkunftsstaat das Auslangen finden.
2.2. Zur Situation in Somalia
Die Feststellungen ergeben sich aus den im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia Version 6 vom 2024-01-08 wiedergegebenen und zitierten Berichten. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
zu A)
3.1 Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005) offen steht oder, wenn er einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an vergleiche jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste vergleiche VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht vergleiche VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
Im gegenständlichen Fall wurde in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, dass in Bezug auf den vorgebrachten Fluchtgrund, der Beschwerdeführer persönlich unglaubwürdig und die Angaben im Zuge des gesamten Verfahrens nicht hinreichend konsistent, sondern vielmehr widersprüchlich und nicht nachvollziehbar sind. Da die Glaubhaftmachung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl ist, und es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine aus einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Grund aktuell drohende Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen, war die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz , des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), Bundesgesetzblatt Nr. 10 aus 1985, idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz , B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
ECLI:AT:BVWG:2024:W196.2277600.1.00