Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

29.04.2024

Geschäftszahl

W251 2285945-1

Spruch


W251 2285945-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika GLATZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2024, Zl. 1293365108-220125115, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text


Wesentliche
Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 20.01.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 20.01.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt (Aktenseite = AS 17-29). Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er Somalia wegen seiner Clanzugehörigkeit zu den Gabooye diskriminiert und ausgegrenzt worden sei, er sei ein Waisenkind und von einer Pflegefamilie großgezogen worden. Als er sich in ein Mädchen verliebt habe, sei er von deren Familienangehörigen mit dem Tod bedroht worden und das Mädchen habe ihn als Waisenkind beschimpft, daher habe er sich zur Flucht aus Somalia entschlossen.

3. Am 25.05.2023 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt (AS 53-64). Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen an, dass er wegen seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert worden sei. Er habe ein Mädchen 2014 kennengelernt und sei mit ihr im Jänner aus Hargeysa (auch Harjīsā, Hargeisa) in ein 40km entferntes Dorf römisch 40 gegangen, um ein neues Leben aufzubauen. Am 25.05.2018 seien 4 Angehörige des Mädchens gekommen und hätten den Beschwerdeführer im Gesichtsbereich und an den Füßen verletzt und das Mädchen mitgenommen. Er sei dann in Richtung römisch 40 (auch römisch 40 , römisch 40 ) gegangen wo er einen Monat gewesen sei. Das Mädchen habe dann Selbstmord begangen. Dann sei er am 27.01.2019 in die Türkei geflogen sei, wo er auch keine Familie habe und auch diskriminiert worden sei.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid (AS 119 ff.) wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkte römisch eins. und römisch II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkte römisch IV. und römisch fünf.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung eingeräumt (Spruchpunkt römisch VI.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde (AS 255 ff.) und brachte im Wesentlichen vor, dass ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, neben mangelhaften Feststellungen und mangelhafter Beweiswürdigung gegeben sei. Das Bundesamt habe die Relevanz des Fluchtvorbringens hinsichtlich der Clanzugehörigkeit und der Mischbeziehung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Mädchen nur unzureichend berücksichtigt. Die Sicherheits- und Versorgunglage lasse eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimat nicht zu. Es stehe dem Beschwerdeführer auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

Der Beschwerdeführer habe zudem bereits in Somalia Alkohol konsumiert und sei deshalb auch 1,5 Jahre im Gefängnis gewesen. Er sei jedoch nur mangelhaft zu seinem Alkoholkonsum befragt worden. Das Bundesamt habe es unterlassen Ermittlungen zum Alkoholkonsum in Somalia und alkoholkranke Personen durchzuführen. Zudem habe das Bundesamt auch die UNHCR-Richtlinien unberücksichtigt gelassen. Da er einem Minderheitenclan angehöre und zudem in eine Blutfehde verwickelt sei, erfülle er auch zwei Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien. Es wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

6. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 05.03.2024 eine mündliche Verhandlung an. Mit Schriftsatz vom 28.02.2024 brachte der Beschwerdeführervertreter vor, dass der Beschwerdeführer am 27.02.2024 wegen einer schweren Alkoholintoxikation und einer dadurch verursachten Selbstgefährdung zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht worden sei.

7. Mit Schriftsatz vom 04.03.2024 brachte der Beschwerdeführervertreter vor, dass der Beschwerdeführer in Somalia aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit stigmatisiert werden würde. Psychisch Erkrankten drohe in Somalia das Einsperren bzw. das Anketten mit Ketten. Zu diesem Thema wurde auf eine Anfragebeantwortung zu Somalia verwiesen.

8. Mit Schriftsatz vom 29.02.2024 legte der Beschwerdeführervertreter verschiedene Unterlagen vor, darunter eine Stellungnahme des Vereins römisch 40 , eine Bestätigung über einen Termin bei der Suchtberatung, den Beschluss eines Landesgerichts über die Weisungsänderung zur Teilnahme an einer psychosozialen Suchtberatung, einen Arztbrief sowie eine Bestätigung über einen Deutschkursbesuchs.

9. Am 05.03.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch. Um dem Beschwerdeführer eine Anfahrt nach Wien zu ersparen, da der Beschwerdeführervertreter Zweifel an der Reisetauglichkeit des Beschwerdeführers hatte, erfolgte die Einvernahme des Beschwerdeführers über Videokonferenz.

Dem Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung aufgetragen eine medizinische Bestätigung vorzulegen, aus der sich die medizinische Beschwerden, die medizinische Erkrankungen sowie der Behandlungsbedarf des Beschwerdeführers ergeben.

10. Der Beschwerdeführervertreter legte mit Schriftsatz vom 12.03.2024 eine Stellungnahme des Betreuers des Beschwerdeführers über den Alkoholkonsum und das Verhalten des Beschwerdeführers vor. Mit Schriftsatz vom 28.03.2024 sowie mit Schriftsatz vom 29.03.2024 legte der Beschwerdeführer einen Laborbefund sowie eine ärztliche Stellungnahme vor.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen und das im Spruch angeführte Geburtsdatum. Er ist somalischer Staatsangehöriger und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er spricht Somali als Muttersprache, ist ledig und kinderlos.

1.1.2. Der Beschwerdeführer ist nicht Angehöriger des Clans der Gabooye oder eines anderen Minderheitenclans. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger eines Mehrheitsclans. Es kann nicht festgestellt werden welchem Clan der Beschwerdeführer tatsächlich angehört.

1.1.3. Der Beschwerdeführer wurde in Hargeysa (AS 17, 21) geboren und ist dort bei seiner Familie aufgewachsen. Er hat noch ca. alle 2-3 Monate Kontakt zu seiner Mutter in Somalia (VP Sitzung 12 ff.). Der Beschwerdeführer hat zwei Schwestern. Eine ist geschieden und lebt mit ihren vier Kindern in Hargeysa. Die zweite Schwester wohnt in Deutschland und hat ein Kind. Diese unterstützt die Schwester in Somalia finanziell (VP Sitzung 13). Die Tante mütterlicherseits des Beschwerdeführers ist mittlerweile verstorben. Sie hat zwei Töchter, die 25 und 27 Jahre alt sind, und einen Sohn, der 20 Jahre alt ist. Diese leben noch in Somalia in der Stadt Hargeysa (VP Sitzung 13).

1.1.4. Der Beschwerdeführer verfügt über eine langjährige und umfassende Schulbildung. Er beherrscht Somali in Wort und Schrift auf dem Niveau C1 (AS 19; VP Sitzung 9). Er ist in Somalia einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und verfügt über langjährige Berufserfahrung (AS 19, 56; VP Sitzung 10).

1.1.5. Der Beschwerdeführer reiste Mitte 2020 Schlepper-unterstützt aus seinem Wohnort Hargeysa legal mit einem Visum für die Türkei über den Flughafen in Mogadischu in die Türkei aus (AS 23, 25). Er reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen weiter und nach Österreich ein und stellte am 20.01.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.7. Der Beschwerdeführer leidet an Diabetes und Alkoholabusus (AS 55, VP Sitzung 16). Der Beschwerdeführer hat einen erhöhten TSH-Wert, der auf eine Schilddrüsenunterfunktion hindeuten könnte. Sein Blutzucker ist grenzwertig erhöht im Sinne eines Prädiabetes. Es ist ihm eine ausgewogene Ernährung und Bewegung empfohlen. Aufgrund seines Alkoholkonsums sind die Leberwerte des Beschwerdeführers bereits erhöht (OZ 16). Darüber hinaus leidet der Beschwerdeführer jedoch an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Er ist arbeitsfähig und möchte einer Erwerbstätigkeit nachgehen (AS 55; VP Sitzung 15).

1.1.8. Der Beschwerdeführer konsumiert abends Alkohol, jedoch nicht jeden Abend, aber mehrmals die Woche. Dabei trinkt er fünf Mal die Woche Bier und eine Flasche Whiskey verteilt auf zwei bis drei Tage (VP Sitzung 18). Der Alkoholkonsum und eine daraus resultierende Alkoholisierung des Beschwerdeführers, die in Österreich zunächst nur gelegentlich auftrat (einmal in mehreren Monaten), hat sich mittlerweile auf mehrmals wöchentlich gesteigert, insbesondere seit dem Zeitpunkt, seit dem er den Bescheid des Bundesamtes erhalten hat.

Am 08.04.2022 wurde der Beschwerdeführer in Österreich das erste Mal betrunken in seinem Quartier angetroffen. Es ereigneten sich in den Monaten Mai und Juni 2022 weitere Vorfälle, bei denen er alkoholisiert in seinem Quartier war. Am 15.07.2023 war der Beschwerdeführer erneut alkoholisiert und es kam in diesem Zusammenhang auch zu aggressivem Verhalten und zu einer Strafanzeige. Zwischen August und Dezember 2022 gab es keine weiteren Vorfälle. Am 24.01., 05.02. und 15.02.2023 kam es wieder zu alkoholbedingten Regelverstößen in der Unterkunft. Am 12.07.2023 erhielt der Beschwerdeführer ein Hausverbot in der Asylunterkunft. Am 03.08.2023 erhielt der Beschwerdeführer eine schriftliche Verwarnung über die Entlassung aus der Grundversorgung aufgrund der Regelverstöße (Nichteinhalten der Nachtruhe, exzessiver Alkoholkonsum, Gewalt gegen andere Mitbewohner). Am 18.08.2023 kam es zu einer weiteren Alkoholisierung und in diesem Zusammenhang auch zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Beschwerdeführer und einem anderen Mitbewohner der Asylunterkunft. Am 02.09.2023 erhielt der Beschwerdeführer eine Strafverfügung einer Bezirkshauptmannschaft wegen Urinieren in der Öffentlichkeit in alkoholisierten Zustand. Am 07.09.2023 war der Beschwerdeführer in der Unterkunft erneut stark alkoholisiert und aggressiv gegenüber anderen Mitbewohnern. Er wurde in ein Krankenhaus eingewiesen und stationär aufgenommen. Am nächsten Tag wurde der Beschwerdeführer auf eigenen Wunsch wieder entassen. Am 09.09 erhielt der Beschwerdeführer zwei Strafverfügungen einer Bezirkshauptmannschaft, eine wegen Alkoholkonsums auf einem Kinderspielplatz und eine wegen Verunreinigung öffentlicher Flächen. Er verhielt sich am selben Tag auch sehr aufbrausend gegenüber Mitarbeitern seiner Unterkunft. Ende September 2023 kam es erneut zu einem Vorfall in einer Bar. Der Beschwerdeführer verhielt sich gegenüber zwei Frauen distanzlos, woraufhin eine Frau Pfefferspray gegen den Beschwerdeführ einsetzte. Es kam zu wechselseitigen Anzeigen wegen Körperverletzung bzw. wegen sexueller Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen (der Ausgang bzw. Stand des Ermittlungsverfahrens ist nicht bekannt). Am 13.11.2023 erhält der Beschwerdeführer wegen der Vorfälle vom 13.08.2023 ein Waffenerbot. Am 05.12.2023 findet die Verhandlung vor dem Landesgericht statt und der Beschwerdeführer wird zu einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt. Am 11.01.2024 erhält der Beschwerdeführer den negativen Bescheid des Bundesamtes. Infolgedessen erhöht sich sein Alkoholkonsum. Am 23.02.3024 wurde der Beschwerdeführer wegen seiner Alkoholintoxikation in ein Krankenhaus eingewiesen. Am 27.02.2024 wurde der Beschwerdeführer von einem Betreuer der Unterkunft auf der Straße alkoholisiert angetroffen. Vom Betreuer kann aufgrund der starken Alkoholisierung eine Eigengefährdung nicht ausgeschlossen werden. Der Beschwerdeführer ist aggressiv und bedroht andere Mitbewohner, dass er ihnen etwas antuen werde, da sie ihn bedrohen würden. Er gibt auch an, dass er sich vor einen Bus oder ein Auto werfen werde um zu sterben. Da er sowieso eines Tages sterben werde und er nicht in Somalia sterben wolle, solle es lieber in Österreich geschehen. Aufgrund dieser Aussagen wird der Beschwerdeführer für die Nacht in ein Krankenhaus gebracht. Am nächsten Tag wird der Beschwerdeführer auf seinen Wunsch wieder entlassen. Er kann sich an die Geschehnisse des Vortages nicht mehr erinnern (OZ 10).

Der Beschwerdeführer wird mittlerweile mehrmals wöchentlich alkoholisiert und teilweise bewusstlos aufgefunden. Im alkoholisierten Zustand verhält sich der Beschwerdeführer aggressiv und distanzlos. An Folgetagen kann sich der Beschwerdeführer nicht mehr an sein Verhalten oder an diesbezügliche Vorfälle erinnern. Der Beschwerdeführer ist sich bewusst, dass sein Alkoholverhalten zu hoch ist und ihn auch in Schwierigkeiten bringt und weist diesbezüglich eine ausgeprägte Problemeinsicht. Das Verständnis über das Vorliegen einer Suchterkrankung ist beim Beschwerdeführer nur eingeschränkt vorhanden. Der Beschwerdeführer steht einer Therapie oder einem stationären Aufenthalt positiv gegenüber und würde solche jedenfalls durchführen. Mit 12.03.2024 beginnt der Beschwerdeführer mit der vom Landesgericht angeordneten Suchtberatung (OZ 10).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Der Beschwerdeführer wurde im Herkunftsstaat nicht aufgrund der behaupteten Zugehörigkeit zum Clan der Gabooye verfolgt oder diskriminiert. Der Beschwerdeführer hatte in Somalia keine konkret und individuell gegen ihn gerichteten Probleme aufgrund seiner Clanzugehörigkeit, er gehört einem Mehrheitsclan an. Er ist in Somalia keine Mischehe oder eine Inter-Clan-Beziehung eingegangen. Er war bisher noch nicht verheiratet und ist immer noch ledig (AS 17). Die vom Beschwerdeführer angegebenen Vorfälle haben sich nicht ereignet. Der Beschwerdeführer war weder in Clankonflikte noch in Blutfehden verwickelt.

1.2.2. Der Beschwerdeführer hat Somalia weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

1.2.3. Im Falle der Rückkehr nach Somalia droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch andere Clanangehörigen oder durch sonstige Personen.

1.2.4. Der Beschwerdeführer wurde wegen Alkoholkaufes in Somalia nicht verurteilt. Er war auch wegen Alkoholkonsums nicht im Gefängnis. Der Beschwerdeführer hat erst in der Türkei begonnen Alkohol zu konsumieren (VP Sitzung 18).

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Somalia kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

1.3.1. Der Beschwerdeführer kann in Somalia grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer kann sich wieder in Hargeysa ansiedeln, wo er über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Er hat den Großteil seines Lebens in Hargeysa verbracht, sodass er über Ortskenntnisse verfügt und ihm sind dadurch die städtischen Strukturen in Hargeysa bekannt.

1.3.2. Der Beschwerdeführer verfügt über eine umfassende Schulbildung und Berufserfahrung. Er ist arbeitsfähig und mit den Gepflogenheiten in Somalia vertraut. Er spricht Somali als Muttersprache und kann auf Somali gut lesen und schreiben. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen in Hargeysa. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und von seiner Mutter sowie deren Familie auch finanziell unterstützt werden. Der Beschwerdeführer kann zudem Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

1.3.3. Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr nach Somalia und der Ansiedlung in Hargeysa wieder Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.3.4. Der Beschwerdeführer leidet an einem Alkoholmissbrauch (Alkoholabusus). Er kann sich in Hargeysa diesbezüglich in einem Krankenhaus stationär oder ambulant behandeln lassen. Er kann auch seinen Prediabetes in Somalia behandeln lassen, wie er dies bereits vor seiner Ausreise aus Somalia gemacht hat.

Kurz- und langwirkendes Insulin ist in Somalia kostenpflichtig verfügbar. Medikamente können überall gekauft werden. Die Behandlung erfolgt an privaten Spitälern. Rund 537.000 Menschen leiden in Somalia an einer Form von Diabetes. In Hargeysa gibt es ein Dialysezentrum. In Somaliland gibt es Einrichtungen zur Behandlung psychischer Erkrankungen. In Somaliland bieten in den großen Städten Krankenhäuser und die wenigen privaten psychiatrischen Einrichtungen ambulante Versorgung bei psychischen Erkrankungen an. Diese ambulante Behandlung ist generell deutlich günstiger als stationäre Aufenthalte. Es fallen allerdings bei jedem Arztkontakt Gebühren zwischen 5 und 10 US-Dollar an. Die Medikamente müssen dann zusätzlich bezahlt werden. Zumindest am HGH werden PTSD, Schizophrenie und schwere Depressionen medikamentös und therapeutisch behandelt. Allerdings ist die Versorgung mit Medikamenten eingeschränkt. Es gibt Möglichkeiten, einen alkoholabhängigen Menschen in großen Krankenhäusern des Landes einem professionellen Entzug zu unterziehen. Die Kosten dafür umfassen die stationäre Aufnahme (ca. 5-10 USD), die Übernachtungskosten (ca. 5USD/Nacht) sowie Essen und Medizin. Insofern wird ein einmonatiger Krankenhausaufenthalt zum Alkoholentzug circa 200 USD kosten. Es ist daher der Alkoholabusus des Beschwerdeführers sowie der Prediabetes des Beschwerdeführers in Somaliland behandelbar.

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

1.4.1. Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 20.01.2022 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG in Österreich durchgehend rechtmäßig aufhältig.

1.4.2. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs A0.3 der Caritas (AS 67) und einen Deutschkurs A1.1 der Caritas (OZ 5) besucht. Er hat noch keine Deutschprüfung absolviert (VP Sitzung 15). Er verfügt nur über sehr geringe Deutschkenntnisse (VP Sitzung 14), gilt jedoch als Klassenbester im Deutschkurs (OZ 10).

1.4.3. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung (Beilage ./I).

1.4.4. Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein und geht keiner gemeinnützigen Tätigkeit nach (VP Sitzung 15f). Der Beschwerdeführer hat keine wesentlichen freundschaftlichen Kontakte oder Bekanntschaften in Österreich knüpfen können (VP Sitzung 16). Er verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich (VP Sitzung 15 f.).

1.4.5. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich von einem Landesgericht im Dezember 2023 wegen versuchter gefährlicher Drohung und Nötigung (Paragraphen 15,, 105, 107 StGB) zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt, wobei ein Teil der Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagessätzen unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mit Beschluss des Landesgerichts aus Februar 2024 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen an einer psychosozialen Suchtberatung teilzunehmen. Die Kosten für die psychosoziale Suchtberatung sowie die Kosten eines Videodolmetschers werden im Ausmaß von 10 Stunden vom Bund übernommen.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Somalia basieren auf nachstehenden Quellen:

- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Somalia vom 08.01.2024 (LIB)

- Bericht, Focus Somalia, Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 (Focus Somalia)

- FEWS – Somalia – Food Security Outlook Update aus Dezember 2023 (FEWS)

- Bericht ACCORD Anfragebeantwortung zu Somalia: Umgang mit psychisch-kranken Personen, Zugang zur Behandlung von psychischen Erkrankungen; Umgang mit alkoholabhängigen Personen und Gefährdung; Behandlungsmöglichkeiten von Alkoholabusus vom 19.04.2021 (ACCORD).

- Somalia – IPC acute food insecurity and acute multinaturation analysis vom 15.02.2024 (IPC)

1.3.1. Politische Lage - Somaliland:

Im Mai 1991 hat Somaliland die 1960 freiwillig mit Somalia eingegangene Union verlassen und sich als Republik Somaliland wieder für unabhängig erklärt. Somaliland war also schon 1960 ein eigenständiger Staat und möchte diesen Status in den Grenzen der vormaligen Kolonie von Britisch-Somaliland wiedererlangen. Trotzdem wurde das Land bis dato international nicht bzw. nur von Taiwan anerkannt. Die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten bemühen sich in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Die somalische Bundesregierung erachtet Somaliland als einen somalischen Bundesstaat. Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten.

Smaliland regelt Politik, Wirtschaft und Sicherheitsfragen aber seit drei Jahrzehnten vom Rest des Landes getrennt. Das Land verfügt über zahlreiche Zeichen der Eigenständigkeit: Es gibt eine eigene Zivilverwaltung, eigene Streitkräfte, eine eigene Währung, eigene Polizei, ein eigenes – mehr oder weniger funktionierendes – Steuersystem, eigene Reisepässe und eine eigene Außenpolitik. Somaliland ist eine friedliche und stabile Demokratie. Somaliland hat schrittweise staatliche Strukturen wieder aufgebaut und hat einen Weg zur Demokratisierung eingeschlagen. Das Land verfügt über eine funktionierende Regierung und über eine weitgehend stabile und funktionierende Verwaltung. Mit internationaler Hilfe konnten Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden. Auf dem gesamten Gebiet wurden Behördenstrukturen geschaffen, auch wenn diese nicht überall voll funktionieren. Politische Entscheidungen können i.d.R. nahezu auf dem ganzen beanspruchten Gebiet umgesetzt werden, allerdings muss diesbezüglich zuvor die Zustimmung einflussreicher Clanältester

eingeholt werde.

Somaliland hat sich über drei Jahrzehnte die Reputation einer Insel des Friedens, der Demokratie und der Stabilität erworben. Das Land galt als politisch stabil und friedlich. Die Regierung bekennt sich zu Demokratie und Marktwirtschaft und hat dazu schon einiges beigetragen. Regierungsausgaben erfolgen relativ klar und transparent

Demokratie: Einer der größten Erfolge Somalilands ist das regelmäßige Abhalten direkter, friedlicher und allgemeiner Wahlen. Diese wurden durch internationale Beobachter regelmäßig als frei und fair beurteilt. Außerdem ist es schon mehrfach nach Wahlen zu einer friedlichen, demokratischen Machtübergabe gekommen. Mit der Beschränkung auf drei politische Parteien soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Lokalwahlen entscheiden darüber, welche drei politischen Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden. Die Dauer der Zulassung beträgt zehn Jahre (LIB, Politische Lage - Somaliland).

1.3.2. Sicherheitslage - Somaliland:

Somaliland hat im Vergleich zu anderen Teilen Somalias das größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. Die Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle und Souveränität

aus und kann dort regieren und Vorhaben umsetzen. Nur das Randgebiet zu Puntland und einige sehr entlegene ländliche Gebiete sind davon ausgenommen. Wahlen wurden bisher aber auch in diesen „umstrittenen“ Gebieten umgesetzt, die somaliländische Währung findet dort weitgehend Verwendung. Die Sicherheitskräfte können außerhalb der Regionen Sool und Sanaag in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa und Berbera. Niemand muss aufgrund einer vorgeblich schlechten Sicherheitslage den Westen Somalilands verlassen, während im Osten des Landes Blutfehden einen Grund darstellen könnten. Die meisten Migranten verlassen das Land demnach auf der Suche nach wirtschaftlichen Möglichkeiten. Bei Frauen kann auch FGM oder eine bevorstehende Zwangs- oder Frühehe ein Grund sein.

Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clankonflikts. Hargaysa gilt als sicherere als Nairobi, man kann sich jedenfalls frei bewegen. Auch in Berbera ist die Sicherheitslage demnach gut, die Stadt unproblematisch. Auch Burco ist abseits begrenzter Auswirkungen der Rebellion von Ga’an Libah relativ ruhig. Hinsichtlich der Städte Borama, Hargeysa, Berbera und Burco Ist das größte Sicherheitsrisiko ein Verkehrsunfall. Die Behörden gewährleisten dort die Sicherheit der Bevölkerung, es gibt keine großen Probleme mit Raub oder Mord. Generell ist Kriminalität kein großes Problem im täglichen Leben. Jugendbanden stellen jedoch in Hargeysa immer noch ein Problem dar, genauso wie Kleinkriminalität. Es gibt dort Arbeitslosigkeit und auch Drogenkonsum (LIB, Sicherheitslage – Somaliland).

Al Shabaab konnte in Somaliland nicht Fuß fassen. Die Gruppe kontrolliert keine Gebiete in Somaliland und es gibt dort auch keine signifikanten Aktivitäten von al Shabaab. Al Shabaab kann dort auch keine Steuern einheben. Somaliland hat bemerkenswerte Kapazitäten aufgebaut. Durch die Glaubwürdigkeit der bestehenden Institutionen entstand Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung. Dies wiederum erschwert al Shabaab ihre Operationen. Neben formellen nachrichtendienstlichen Netzen gibt es ein informelles Netz an Nachbarschaftswachen. Die Regierung setzt auf Älteste, lokale Behördenvertreter und besorgte Bürger; und darauf, dass diese verdächtige Aktivitäten und Neuankömmlinge bei der Polizei oder beim Geheimdienst melden. Dementsprechend werden terroristische Pläne immer wieder durch Sicherheitskräfte vereitelt und Operateure der al Shabaab verhaftet. Der Nachrichtendienst von al Shabaab (Amniyat) verfügt in Somaliland über ein Netzwerk an Informanten bzw. unterhält die Gruppe in größeren Städten Schläferzellen. Die Grenzgebiete zu Puntland sind für eine Infiltration durch al Shabaab anfällig. Dort versucht die Gruppe, lokale Clans, die sich von der Regierung diskriminiert fühlen, für sich zu gewinnen (LIB, Sicherheitslage – Somaliland).

Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährdet. Derartige Konflikte konzentrieren sich zudem in den Regionen Sanaag und Sool. Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten. Üblicherweise werden Landstreitigkeiten auf traditionellem Wege geklärt - durch Älteste. Die Regierung greift auch in Clankonflikte ein. So hat sie beispielsweise den interkommunalen Konflikt im Gebiet Ali Sahid (Togdheer) beenden können, ein Abkommen zwischen beiden Seiten wurde vermittelt (LIB, Sicherheitslage – Somaliland).

Östliches Grenzgebiet: Die Grenze zu Puntland ist umstritten. Entlang dieser Grenze gibt es ein Nebeneinander von puntländischen und somaliländischen Institutionen. Der Streifen reicht 30-50 km nach Somaliland hinein. Sowohl die Polizei als auch die Verwaltungen beider Seiten arbeiten dort Seite an Seite. Im Rahmen von Wahlen und Wählerregistrierung kommt es mitunter zu Spannungen, die sich üblicherweise wieder legen. Keine der Verwaltungen verfügt in diesen Gebieten über die absolute Kontrolle. Es kommt dort gelegentlich zu Schusswechseln. Üblicherweise werden bewaffnete Auseinandersetzungen im Grenzgebiet schnell beruhigt, bevor diese eskalieren (LIB, Sicherheitslage – Somaliland).

1.3.3. Rechtsschutz und Justizwesen - Somaliland:

Insgesamt ist es Somaliland gelungen, ein staatliches Gewaltmonopol zu etablieren. Es besteht ein einigermaßen funktionierendes Behördennetz. Eine grundlegende Rechtsstaatlichkeit konnte etabliert werden. Polizei, Justiz und andere Regierungsinstitutionen arbeiten ausreichend gut. In entlegenen Gebieten vertreten lokale Behörden (meist Älteste) die Rechtsordnung. Dort sind Frauen- und Minderheitenrechte häufig nur unzureichend geschützt. Zudem mangelt es teils an der Durchsetzung von Gerichtsurteilen durch die Polizei. In den Grenzregionen zu Puntland ist das staatliche Gewaltmonopol umstritten. Allerdings übernimmt Somaliland selbst dort zunehmend staatliche Funktionen.

In Somaliland wurde ein unabhängiges und auf vier Ebenen hierarchisch strukturiertes Gerichtssystem aufgebaut. Dieses besteht aus dem Supreme Court, regionalen Berufungsgerichten, Regional- und Bezirksgerichten. Die rechtliche Infrastruktur und das Gerichtssystem decken fast alle urbanen Zentren ab. Gerichte funktionieren, allerdings gibt es Kapazitätsprobleme. Es fehlt an ausgebildeten Richtern sowie an einer nachvollziehbaren Rechtsdokumentation.

In Somaliland gibt es eine klarere Trennung der Staatsgewalten. Die Grundsätze der Gewaltenteilung sind in der Verfassung niedergeschrieben. Diese Gewaltenteilung wird auch weitgehend eingehalten, wenngleich die Exekutive sowohl die Legislative als auch die Judikative substanziell zu beeinflussen sucht. Richter werden oft auf Basis ihrer politischen oder Clanzugehörigkeit ernannt. Der Justiz mangelt es folglich an Unabhängigkeit. Speziell bei Verfahren gegen Journalisten ist politische Einflussnahme durch staatliche Amtsträger verbreitet. Es gibt Vorwürfe hinsichtlich Korruption im Justizsystem, und es kommt zu Einflussnahme. Zudem mischen sich auch Clanälteste regelmäßig in Gerichtsverfahren ein.

Im Strafrecht sind rechtsstaatliche Grundsätze ansatzweise zu beobachten. Dazu gehört das Bemühen, eine diskriminierende Strafverfolgung und Strafzumessung möglichst zu vermeiden. Vor somaliländischen Gerichten gilt generell die Unschuldsvermutung, das Recht auf ein öffentliches Verfahren und das Recht auf eine Rechtsvertretung. Verteidiger dürfen Zeugen befragen und einberufen sowie gegen Urteile Berufung einlegen. Für Angeklagte, die einer schweren Straftat bezichtigt werden, gibt es eine kostenlose Rechtsvertretung. Außerdem gibt es im Land eine funktionierende Legal Aid Clinic. Diese ist an der Universität von Hargeysa angesiedelt und wird u. a. von der EU unterstützt. Menschen, die es sich sonst nicht leisten können, erhalten dort Rechtsberatung und Rechtsvertretung. Insgesamt werden die Verfahrensrechte in Somaliland eher eingehalten als in anderen Landesteilen. Allerdings kommt es oft zu langen Verzögerungen. Außerdem gibt es auch in Somaliland Militärgerichte, deren Verfahren unzureichend sind, und wo grundlegende Standards eines fairen zivilrechtlichen Strafverfahrens ignoriert werden. Dort wurden in der Vergangenheit und entgegen der Verfassung auch über angeklagte Zivilpersonen verhandelt.

Neben dem formellen Recht kommen in Somaliland auch traditionelles Recht (Xeer) und die Scharia zum Einsatz. Die drei Rechtsformen sind nicht gut integriert und widersprechen sich manchmal gegenseitig. Islamische Gerichte werden in erster Linie in Familienangelegenheiten herangezogen, sie werden aber aufgrund der schnellen Entscheidungen auch bei Wirtschaftstreibenden zunehmend populär. Eine Quelle erklärt, dass formelles Recht hinsichtlich Xeer als nachrangig erachtet wird. Zudem wirken sich religiöse Normen auf Xeer aus.

Oft richtet sich der Bürger zuerst an seinen Clan. Selbst bei einem Mord wird vorerst im traditionellen Rechtssystem Blutgeld verhandelt; kommt es dort zu keiner Lösung, wendet man sich an Gerichte. Traditionelle Konfliktlösungsmechanismen sind auch als Maslaxa bekannt. Dabei hat Somaliland das Xeer und die damit verbundenen Kompensationszahlungen in sein Rechtssystem insofern integriert, um eine Eskalation bis hin zum Rachemord zu vermeiden. Clans beschließen weiterhin Xeer-Abkommen, der Staat übernimmt aber die Rolle der Bestrafung bei Nichteinhaltung der Vertragsbedingungen. Zum Beispiel werden Täter so lange eingesperrt, bis die Kompensationszahlung erfolgt ist. Bei zu lang andauernder Nichtzahlung kann es auch zur Vollstreckung von Exekutionen kommen. Gerichte anerkennen Xeer-Entscheide. Damit ist es auch möglich, sich selbst bei schweren Verbrechen (Mord, Vergewaltigung) und nach einer Verurteilung durch ein staatliches Gericht im Rahmen des traditionellen Rechts freizukaufen bzw. die Strafe durch Kompensation zu tilgen. In den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten werden Urteile häufig nach traditionellem Recht von Clanältesten gesprochen. Bei Sachverhalten, die mehrere Clans betreffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden („Sippenhaft“) spielen dabei eine wichtige Rolle (LIB, Rechtsschutz und Justizwesen – Somaliland).

1.3.4. Sicherheitsbehörden - Somaliland:

In Somaliland stellt sich der staatliche Schutz besser dar als in Süd-/Zentralsomalia. Das Land verfügt über eine eigene Armee und über eigene Polizeikräfte. Die Sicherheitsorgane haben eine besonders starke Stellung. Die zivile Kontrolle ist zwar lückenhaft, aber stärker als im Rest des Landes. Insgesamt arbeiten die Polizei und andere Regierungsinstitutionen ausreichend gut bzw. werden Polizei und Armee als fähig beschrieben.

Die Stärke der somaliländischen Polizei beträgt ca. 10.000 Personen. Bei der Polizei gibt es auch Frauen im Offiziersrang. Die Präsenz der Polizei reicht bis nach Ost-Somaliland. Die Menschen nehmen ihre Dienste auch in Anspruch, man kann sich bei Vergehen an die Polizei wenden. Die Polizei verhaftet Verdächtige. In diesem Sinne gibt es auch eine Form von Rechtsstaatlichkeit. Allerdings kann sich auch die Polizei der Clandynamik nicht entziehen. Spezialeinheiten der Polizei sind die Special Police Units (SPU), die für den Schutz internationaler Organisationen und NGOs zuständig sind, sowie die Rapid Reaction Unit. Daneben gibt es die National Coast Guard.

Die Streitkräfte umfassen schätzungsweise 15.000 Soldaten. Die somaliländische Armee wird von einem zentralen Kommando in Hargeysa geführt. Sie verfügt über Regionalkommanden und ist nach westlichem Vorbild in Groß- und Kleinverbänden organisiert. Die Mannschaften der Armee sind relativ diszipliniert, Vergehen werden i. d. R. verfolgt und bestraft (LIB, Sicherheitsbehörden – Somaliland).

1.3.5. Folter und unmenschliche Behandlung - Somaliland:

Die Sicherheitskräfte Somalilands entziehen sich in ihrem Handeln weitgehend der öffentlichen Kontrolle. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden nicht erhoben. Allerdings wird den Sicherheitskräften unverhältnismäßige Gewaltanwendung vorgeworfen. Der Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums meldet – wie auch in vergangenen Jahren – bezüglich Somaliland keine Vorfälle von Folter; auch über willkürliche Tötungen durch Behörden oder über Verschwindenlassen gibt es keine Meldungen. Die lokale NGO Human Rights Center hat im zweiten Trimester 2021 sieben Fälle von Polizeigewalt und unrechtmäßiger Verhaftung dokumentiert. Manche Polizeikommandeure verhaften demnach willkürlich Menschen und lassen diese ebenso willkürlich wieder frei – ohne Grund, ohne Rechtsstaatlichkeit und völlig eigenmächtig (LIB, Folter und unmenschliche Behandlung - Somaliland).

1.3.6. Korruption - Somaliland:

Die Verwaltung ist nicht auffallend korrupt. Trotzdem bleibt Korruption in Somaliland auch weiterhin ein ernstes Problem. Sie wird meist auf Clanbasis betrieben. Insgesamt unternimmt Somaliland zwar Versuche, Korruption zu bekämpfen, allerdings fehlen effektive Regulierungs- und Überwachungsmechanismen sowie Mechanismen zur Bekämpfung von Korruption. Es gibt einen nationalen Rechnungsprüfer (national auditor) und eine Antikorruptionskommission, deren Mitglieder vom Präsidenten ernannt werden. Die Antikorruptionskommission ist ineffektiv.

Im Jahr 2020 wurden keine öffentlich Bediensteten wegen Korruption angeklagt. Nach anderen Angaben wurden im September 2020 mehrere Regierungsbedienstete wegen Korruption verhaftet ((LIB, Korruption – Somaliland).

1.3.7. NGOs und Menschenrechtsaktivisten - Somaliland:

Internationale und lokale NGOs können in Somaliland im Allgemeinen meist ohne größere Einschränkungen agieren. Organisationen der Zivilgesellschaft nehmen aktiv am politischen Leben teil. Menschenrechtsorganisationen werden zwar zum Teil politisch gebilligt und gefördert, sind aber in aller Regel gleichwohl Repressionen durch staatliche Sicherheitsorgane ausgesetzt. Manchmal kommt es zu Drangsalierungen (LIB, NGOs und Menschenrechtsaktivisten – Somaliland).

1.3.8. Wehrdienst und Rekrutierungen - Somaliland:

In Somaliland gibt es keinen verpflichtenden Militärdienst (LIB, Wehrdienst und Rekrutierungen – Somaliland).

1.3.9. Allgemeine Menschenrechtslage - Somaliland:

In der Verfassung von Somaliland ist der Schutz der Menschenrechte ebenso verankert wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle. In den Zentren von Somaliland herrscht im Wesentlichen Rechtsstaatlichkeit, und die Polizei und andere Behörden arbeiten halbwegs gut. In den abgelegenen Gebieten des Landes sorgen lokale Autoritäten für Recht und Ordnung. In diesem Kontext werden die Rechte von Frauen und lokalen Minderheiten oft nur unzureichend gewährleistet.

Zu Somaliland liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich extralegaler Tötungen oder systematischer Verfolgung sowie zu willkürlichen Festnahmen und Verschwindenlassen vor. Vorwürfe dieser Art werden nicht erhoben. Bei Human Rights Watch werden für das Jahr 2021 lediglich die Verhaftung von sieben Oppositionskandidaten und sieben Journalisten im Vorfeld der Wahlen sowie die Deportation von 1.750 Personen aus dem South West State als für Somaliland relevante Kritikpunkte hervorgehoben. Freedom House berichtet, dass es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen und überlangem Gewahrsam ohne Anklage kommt. Mit Stand November 2022 zeichnet sich ein eher negativer Trend im demokratischen Bereich und im Menschenrechtsbereich ab, mit Toten bei Demonstrationen und der Verhaftung von Journalisten und Oppositionellen. So haben die Sicherheitskräfte etwa zum Jahreswechsel 2022/23 bei Unruhen in Laascaanood überproportional Gewalt angewendet, mehrere Menschen wurden getötet (LIB, Allgemeine Menschenrechtslage - Somaliland).

1.3.10. Meinungs- und Pressefreiheit - Somaliland:

In der Verfassung sind Meinungs- und Pressefreiheit verankert. Generell können sich Personen relativ frei zu politischen Angelegenheiten äußern. Allerdings kommt es bei sensiblen Themen zu Zensur oder Vergeltungsmaßnahmen. Dabei nutzen Behörden ein Gesetz aus dem Jahr 1964. In diesem werden vage Regeln vorgegeben, die immer wieder angeführt werden, um die Meinungsfreiheit einzuschränken. Dies war in der Vergangenheit insbesondere im Vorfeld von Wahlen zu beobachten.

Die somaliländische Verfassung verbietet die Publikation oder Verbreitung übertriebener oder tendenziöser Nachrichten, welche die öffentliche Ordnung stören könnten. Diese Vorschrift wird von Amtsträgern verwendet, um Journalisten zu verhaften und anzuklagen oder mit Geldstrafen zu belegen. Von Drohungen und Inhaftierungen sind insbesondere jene Journalisten betroffen, welche sich mit sensiblen Themen befassen, z. B. mit Korruption (etwa mit den Verträgen zum Hafen Berbera) oder mit dem Grenzkonflikt mit Puntland. Die Behörden verhängen auch wegen „Diffamierung“ oder anderer vager Behauptungen auch weiterhin Geldstrafen gegen Journalisten, oder lassen diese willkürlich verhaften. Die Länge verhängter Haftstrafen reicht hierbei von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten. Nach anderen Angaben wurden Journalisten, die in den vergangenen Jahren offenbar aufgrund ihrer regierungskritischen Berichterstattung inhaftiert worden waren, nach einem Zeitraum von einem Tag bis zu mehreren Wochen wieder freigelassen. Trotz allem gibt es ein Spektrum an Zeitungen, Fernsehsendern und Online-News-Diensten, wobei viele dieser Medien Verbindungen in die Politik aufweisen. Beim Radio herrscht ein staatliches Monopol. Alles deutet darauf hin, dass die Regierung auch kritische und abweichende Stimmen zum Verhältnis zu Somalia ruhigstellen möchte. Die Regierung duldet es nicht, wenn die Unabhängigkeit Somalilands infrage gestellt wird. Sie geht gegen Personen, die entsprechende Ansichten äußern, repressiv vor, und es kommt mitunter zu Verhaftungen. Personen, welche sich z. B. mit der somalischen Flagge zeigen, werden mitunter zum Schweigen gebracht und verhaftet (LIB, Meinungs- und Pressefreiheit - Somaliland).

1.3.11. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition - Somaliland:

Grundsätzlich garantiert die Verfassung Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, beide Rechte sind aber nur im Ansatz gewährleistet. Jedenfalls gibt es eine große Zahl an Organisationen der Zivilgesellschaft, die in allen Landesteilen in unterschiedlichen Bereichen (z. B. Frauen, Jugendliche, Berufskasten) aktiv sind.

Im Falle von Demonstrationen kommt es vereinzelt zu gewaltsamer Repression. Allerdings gibt es nur selten organisierte Demonstrationen. Bei kleinen Demonstrationen von Oppositionssympathisanten in Burco wurden im November 2022 mindestens drei Männer und vier Polizisten verletzt. Schon bei Protesten bezüglich der anstehenden Präsidentschaftswahl wurden am 11.8.2022 mindestens fünf Personen in Hargeysa, Burco und Ceerigaabo von Polizeikräften getötet und 86 weitere verletzt. Hunderte nahmen damals an den Protesten teil, nachdem Gespräche zwischen Regierung und Opposition gescheitert waren und die Opposition der Regierung vorwarf, die Wahlen verzögern zu wollen. Politische Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition gehören innerhalb und

außerhalb des Parlaments zur Normalität (LIB, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition - Somaliland).

1.3.12. Haftbedingungen - Somaliland:

Eine Absenz medizinischer Versorgung, unzureichende Ernährung und Mangel an Trinkwasser werden aus Gefängnissen aus ganz Somalia gemeldet. Es herrscht Überbelegung. Zum Teil sind die Haftbedingungen lebensbedrohlich. Vollzugsbeamten mangelt es an Wissen und beruflichen Fähigkeiten. Auch in Somaliland sind Haftanstalten gemäß einer Quelle überbelegt und die Bedingungen dort sind hart. Nach anderen Angaben genügen die Haftbedingungen in Hargeysa und Garoowe (Puntland) internationalen Standards (LIB, Haftbedingungen - Somaliland).

1.3.13. Todesstrafe - Somaliland:

In allen Landesteilen wird die Todesstrafe verhängt und vollzogen, deutlich seltener - im Gegensatz zu Gebieten von al Shabaab - in Gebieten unter der Kontrolle der jeweiligen Regierung und dort nur für schwerste Verbrechen. Allerdings kommt es dort auch nach Verfahren, die nicht internationalen Standards genügen, zur Ausführung der Todesstrafe. In Somaliland wurde die Todesstrafe nach einem neunjährigen Moratorium 2016 wieder eingeführt. 2020 wurden dort 12 Menschen exekutiert, Anfang des Jahres 2022 wurden vier ehemalige Angehörige der Sicherheitskräfte exekutiert. In Somaliland ist es möglich, zum Tode Verurteilte bis zur letzten Minute hin durch Verhandlungen freizukaufen. Üblicherweise dient als Kompensation das Äquivalent von hundert Kamelen. Dass derartige Einigungen noch in letzter Minute kurz vor der Exekution vorkommen, ist nicht unüblich (LIB, Todesstrafe - Somaliland).

1.3.14. Religionsfreiheit - Somaliland:

Die somaliländische Verfassung sieht zwar Glaubensfreiheit vor, erklärt aber gleichzeitig den Islam zur Staatsreligion und verbietet die Konversion zu einer anderen sowie die Missionierung für eine andere Religion. Weder in Hargeysa noch im Rest Somalilands gibt es eine Religionspolizei.

Der Islam und die damit verbundenen Regeln finden breite Akzeptanz. Religiöse Normen sind eng mit dem politischen und gesellschaftlichen Alltag verwoben. Der die Religionsfreiheit betreffende Jahresbericht des US-Außenministeriums nennt für Somaliland nur einen Vorfall von staatlichem Vorgehen gegen Nicht-Muslime. Dabei wurden im Jänner 2021 in Hargeysa sechs Personen festgenommen. Ihnen wurden Vergehen gegen den Islam und andere Gesetze vorgeworfen, drei wurden wegen Apostasie und der Verbreitung des Christentums angeklagt. Im August 2021 wurde die Anklage von einem Gericht abgewiesen, die betroffenen Personen wurden auf freien Fuß gesetzt (LIB, Religionsfreiheit - Somaliland).

1.3.15. Minderheiten und Clans:

Der Clan ist die relevanteste soziale, ökonomische und politische Struktur in Somalia. Er bestimmt den Zugang zu Ressourcen sowie zu Möglichkeiten, Einfluss, Schutz und Beziehungen. Dementsprechend steht Diskriminierung in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke haben. Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt. Selbst relative starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (LIB, Minderheiten und Clans).

Clanälteste dienen als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft. Sie werden nicht einfach aufgrund ihres Alters gewählt. Autorität und Führungsposition werden verdient, nicht vererbt. Ein Clanältester repräsentiert seine Gemeinschaft, ist ihr Interessenvertreter gegenüber dem Staat. Innerhalb der Gemeinschaft dienen sie als Friedensstifter, Konfliktvermittler und Wächter des Xeer. Bei Streitigkeiten mit anderen Clans ist der Clanälteste der Verhandler. Al Shabaab installiert oft Älteste, welche die Gruppe repräsentieren. Er wird so zum Bindeglied zwischen der Gemeinschaft und al Shabaab. So werden zuvor legitime Strukturen in Geiselhaft genommen (LIB, Minderheiten und Clans).
In ganz Somalia sehen sich Menschen, die keinem der großen Clans angehören, in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz und für ökonomische sowie politische Partizipation. Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt – trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten. Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung. Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (LIB, Minderheiten und Clans).

Recht/Justiz: Weder das traditionelle Recht (Xeer) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. Allerdings sind Angehörige von Minderheiten in staatlichen Behörden unterrepräsentiert und daher misstrauisch gegenüber diesen Einrichtungen. Von Gerichten Rechtsschutz zu bekommen, ist für Angehörige von Minderheiten noch schwieriger als für andere Bevölkerungsteile. Auch im Xeer sind Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige aber möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem anderen Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet. Aufgrund dieser Allianzen werden auch Minderheiten in das Xeer-System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya (Kompensationszahlung) bei. Gemäß einer Quelle haben schwächere Clans und Minderheiten trotzdem oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen. Angehörige von Minderheiten stehen vor Hindernissen, wenn sie Identitätsdokumente erhalten wollen - auch im Falle von Reisepässen (LIB, Minderheiten und Clans).

Politik: Politische Repräsentation, politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale

Parlament sind um die verschiedenen Clans bzw. Subclans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren - und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Dies bedeutet, dass den vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zusteht, während kleinere Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze erhalten. Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (LIB, Minderheiten und Clans).

Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion. Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt. Zudem sind die Systeme gegenseitiger Unterstützung bei ihnen weniger gut ausgebaut und sie verfügen über geringere Ressourcen und erhalten weniger Remissen. Die mächtigen Gruppen erhalten den Löwenanteil an Jobs, Ressourcen, Verträgen, Remissen und humanitärer Hilfe. Schwache Gruppen erhalten wenig bis gar nichts. Bei der Hungersnot 1991 waren die meisten Hungertoten entweder Digil-Mirifle oder Bantu. Dies gilt auch für die Hungersnot im Jahr 2011. Ein Grund dafür ist, dass humanitäre Hilfe von mächtigeren Clans vereinnahmt wird. Dementsprechend stehen Haushalte, die einer Minderheit angehören, einem höheren Maß an Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung gegenüber. Meist sind Minderheitenangehörige von informeller Arbeit abhängig, und die allgemeinen ökonomischen Probleme haben u.a. die Nachfrage nach Tagelöhnern zurückgehen lassen. Dadurch sind auch die Einkommen dramatisch gesunken (LIB, Minderheiten und Clans).

Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans - oft unter Duldung lokaler Behörden. In Mogadischu können sich Angehörige aller Clans frei bewegen und auch niederlassen. Allerdings besagt der eigene Clanhintergrund, in welchem Teil der Stadt es für eine Person am sichersten ist (LIB, Minderheiten und Clans).

Al Shabaab: Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt. Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz – etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen „noblen“ Clans und Minderheiten. Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet. Al Shabaab hat sich die gesellschaftliche Benachteiligung von Gruppen zunutze gemacht. Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen. Fehlender Rechtsschutz auf Regierungsseite ist ein weiterer Grund dafür, dass Angehörige von Minderheiten al Shabaab beitreten. Missstände treiben ganze Gemeinden in die Arme von al Shabaab. Sie suchen ein taktisches Bündnis – haben dabei aber keine dschihadistische Vision, sondern wollen ihre Rivalen ausstechen. Al Shabaab nimmt derartige Spannungen gerne auf und verwendet sie für eigene Zwecke. Aufgrund der (vormaligen) Unterstützung von al Shabaab durch manche Minderheiten kann es in Regionen, aus welchen al Shabaab gewichen ist, zu Repressalien kommen (LIB, Minderheiten und Clans).

1.3.16. Clans – Bevölkerungsstruktur:

Somalia ist eines der wenigen Länder in Afrika, wo es eine dominante Mehrheitskultur und -Sprache gibt. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich innerhalb der traditionellen somalischen Clanstrukturen. die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist. Es gibt weder eine Konsistenz noch eine Verständigungsbasis dafür, wie Minderheiten definiert werden. Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6 % bis hin zu 33 %. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren. Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt. Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie. Seit dem Zusammenbruch des Staates hat sich diese soziale Netzwerkstruktur reorganisiert und verstärkt, um das Überleben der einzelnen Mitglieder zu sichern. Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (LIB, Minderheiten und Clans).

Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage. Als noble Clans und vier Hauptclans gelten die Darod, Hawiye, Dir, Isaaq und Rahanweyne.

-             Darod: Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.

-             Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.

-             Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).

-             Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.

-             Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle sind eine weitere Clanfamilie. Vor dem Bürgerkrieg der 1990er war noch auf sie herabgesehen worden. Allerdings konnten sie sich bald militärisch organisieren

Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern. In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen.

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen „nobler“ Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind. Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Zudem gewinnt die Mitgliedschaft in einer islamischen Organisation immer mehr an Bedeutung. Dadurch kann eine „falsche“ Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden (LIB, Minderheiten und Clans).

1.3.17. Clans - berufsständische Gruppen:

Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung. Sie sind somalischen Ursprungs, wurden aber von den traditionellen Clan-Lineages ausgeschlossen. Im Gegensatz zu den „noblen“ Clans wird ihnen nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet - etwa Jäger, Lederverarbeiter, Schuster, Friseure, Töpferinnen, traditionelle Heiler oder Hebammen. Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir. Ein anderer Sammelbegriff ist Midgan.

Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye. In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler.

Die berufsständischen Kasten werden zudem diskriminiert und als Bürger zweiter Klasse erachtet. Zu ihrer Diskriminierung trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen. Insgesamt sind die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z. B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans. Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (LIB, Minderheiten und Clans).

Mischehe: In dieser Frage kommt es weiterhin zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch. Aufgrund dieses teils starken sozialen Drucks kommen Mischehen äußerst selten vor. Diesbezüglich bestehen aber regionale Unterschiede: Im Clan-mäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden. Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt. In Mogadischu sind Mischehen möglich. Auch al Shabaab hat Hindernisse für Mischehen beseitigt, in ihren Gebieten kommt es zunehmend zu solchen Eheschließungen. Die Gruppe hat Fußsoldaten, die zu Gruppen mit niedrigem Status gehören, dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von „noblen“ Clans (z. B. Hawiye, Darod) zu heiraten.

Eine Mischehe führt so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert. Trotzdem können diese Ehen negative Folgen für die Ehepartner mit sich bringen – insbesondere, wenn der Mann einer Minderheit angehört. So kommt es häufig zur Verstoßung des aus einem „noblen“ Clan stammenden Teils der Eheleute durch die eigenen Familienangehörigen. Letztere besuchen das Paar nicht mehr, kümmern sich nicht um dessen Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck. Diese Art der Verstoßung kann vor allem in ländlichen Gebieten vorkommen. Eine Mischehe sorgt auf jeden Fall für Diskussionen und Getratsche, nach einer gewissen Zeit wird sie aber meist akzeptiert (LIB, Minderheiten und Clans).

1.3.18. Clans - Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit und Clanlose:

Auch Angehörige starker Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter Dir-Clan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gerät eine Einzelperson immer dann in die Rolle der Minderheit, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Die Position als „Gast“ ist schwächer als jene des „Gastgebers“. Im System von „hosts and guests“ sind Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als „Gäste“. Dieses System gilt auch für IDPs (LIB, Minderheiten und Clans).

Diskriminierung: In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus. Diskriminierung erfolgt etwa auch beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Gerichtsverfahren. Angehörige eines (Sub-)Clans können in von einem anderen (Sub-)Clan dominierten Gebiete auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser. In Mogadischu ist es im Allgemeinen schwierig, Menschen die dort aufgewachsen sind, nach Clans zu differenzieren. Es gibt keine äußerlichen Unterschiede, auch der Akzent ist der gleiche. Selbst anhand von Namen lassen sich die Menschen nicht einmal ethnisch zuordnen, da vor allem arabische Namen verwendet werden (LIB, Minderheiten und Clans).

Ashraf und Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status. Beide Clans werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil-Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (LIB, Minderheiten und Clans).

Für eine Person ohne Clanidentität ist gesellschaftlicher Schutz nicht vorhanden. Dies führt nicht automatisch zu Misshandlung, fördert aber die Vulnerabilität. Sollte eine Person ohne Clanidentität und ohne Ressourcen zurückkehren, wird es im gegenwärtigen somalischen Kontext für diese physisch und wirtschaftlich sehr schwierig, zu überleben. Allerdings gibt es laut Experten bis auf sehr wenige Waisenkinder in Somalia niemanden, der nicht weiß, woher er oder sie abstammt. Das Wissen um die eigene Herkunft, die eigene Genealogie, ist von überragender Bedeutung. Dieses Wissen dient zur Identifikation und zur Identifizierung (LIB, Minderheiten und Clans).

1.3.19. Clans - Somaliland:

Große Clans in Somaliland: In der Region Awdal wohnen v. a. Angehörige der Dir/Gadabursi und Dir/Issa. In den Regionen Woqooyi Galbeed und Togdheer wohnen v. a. Angehörige der Isaaq-Subclans Habr Jeclo, Habr Yunis, Idagala und Habr Awal. In der Region Sool wohnen v. a. Angehörige der Darod/Dulbahante (Taleex, Xudun, Laascaanood), Isaaq/Habr Yunis (Xudun, Laascaanood) und Isaaq/Habr Jeclo (Caynabo). In der Region Sanaag wohnen v. a. Angehörige der Darod/Warsangeli (Lasqooraay, Ceerigaabo), Isaaq/Habr Yunis (Ceerigaabo) und Isaaq/Habr Jeclo (Ceel Afweyn). Die einzelnen Clans der Minderheiten der Berufskasten in Somaliland werden unter dem Begriff „Gabooye“ zusammengefasst (Muse Dheriyo, Tumal, Madhiban, Yibir).

Wie in den restlichen Landesteilen bekennt sich die Verfassung zum Gebot der Nichtdiskriminierung. In Somaliland sind Mitbestimmung und Schutz von Minderheiten vergleichsweise gut ausgeprägt. Nach anderen Angaben besteht offiziell kein Minderheitenschutz. Der Eindruck entsteht, wonach Somaliland zunehmend zentralisiert wird und im Sinne spezifischer Clans agiert, während andere Clans marginalisiert bleiben.

In Somaliland sind die Clanältesten der Minderheiten jedenfalls gleich wie jene der Mehrheitsclans offiziell anerkannt, und die Minderheiten sind in den politischen Parteien vertreten. Einige Älteste (Suldaan) der Gabooye sind im Oberhaus des Parlaments (Guurti) vertreten. Bei den Wahlen im Mai 2021 wurden Minderheitenangehörige ins somaliländische Unterhaus gewählt - darunter ein Abgeordneter der Gabooye. Der neue Sprecher des Unterhauses gehört – wie auch der vorige – zum Clan der Dulbahante. Der stellvertretende Vorsitzende der Somaliland Human Rights Commission gehört einer Minderheit an, außerdem hat der Präsident einen eigenen Berater für Minderheitenfragen.

Im Alltag spielt die Clanzugehörigkeit eine große Rolle. Große Clans dominieren Politik und Verwaltung, wodurch kleinere Gruppen marginalisiert, gesellschaftlich manchmal diskriminiert werden. Ihr Zugang zu öffentlichen Leistungen ist schlechter. Dies trifft v.a. auf die Gabooye zu. Diese leiden unter sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligung und werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Eine systematische Verfolgung findet allerdings nicht statt. Im Justizsystem treffen Minderheitenangehörige allerdings auf Vorurteile und es kann vorkommen, dass Vergehen gegenüber Minderheiten-Angehörigen seitens der Polizei nicht nachgegangen wird. Sie werden von den somaliländischen Gerichten in den letzten Jahren aber mehrheitlich fair behandelt, es kommt zu keiner systematischen Benachteiligung durch Polizei und Gerichte. Die offizielle Anerkennung von Gabooye-Suldaans hat zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Ihr gesellschaftlicher Ruf hat sich dadurch generell verbessert. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Im Xeer (traditionelles Recht) haben Gabooye zwar ihre Rechte, es kann aber vorkommen, dass Mehrheitsclans aufgrund ihrer Machtstellung Kompensationszahlungen nicht tätigen.

Mischehen werden stigmatisiert, von den Clans Isaaq und Darod vehement abgelehnt, vom Clan der Dir eher akzeptiert. Gleichzeitig kommen Mischehen im clanmäßig homogeneren Norden tendenziell seltener vor, als im stärker durchmischten Süden.

Es gibt einige NGOs, die sich explizit für Minderheiten einsetzen.

Es kommt nur sporadisch zum Aufflammen bewaffneter Clanauseinandersetzungen, welche über kleine Schusswechsel hinausgehen. In der Regel folgt ein Aufruf der Regierung an die betroffenen Ältesten, eine Konfliktlösung herbeizuführen. Bei einer weiteren Eskalation schreiten Sicherheitskräfte ein, und die Regierung versucht, das Problem eigenständig zu lösen. Dieser Ansatz ist nicht immer erfolgreich. Relevanter und von größerer Auswirkung ist das System der Blutrache. Hier können selbst Personen betroffen sein, die nach Jahren in der Diaspora nach Hause zurückkehren. Während Sicherheitskräfte in größere Clankonflikte eingreifen, tun sie dies bei Blutfehden nur selten bzw. ist ein Eingreifen nicht möglich. Gleichzeitig sind Polizisten selbst Angehörige eines Clans, was die Sache erschwert (LIB, Minderheiten und Clans - Somaliland).

1.3.20. Bewegungsfreiheit - Somaliland:

In gewissem Maß wird die Bewegungsfreiheit respektiert. Reisen sind möglich, auch nach Laascaanood oder weiter in die puntländische Hauptstadt Garoowe. Allerdings kommt es auch immer wieder zu Einschränkungen, z. B. im Verkehr zwischen Somaliland und Puntland. Zudem kann der Clanfaktor ein Hindernis darstellen, wenn eine Person innerhalb Somalilands umziehen möchte. Eine effektive Ausreisekontrolle an den Grenzübergängen von Somaliland in die Nachbarländer findet nicht statt. Sowohl die Land- als auch die Seegrenze werden weitgehend nicht überwacht. Bei Flugreisen ab Hargeysa werden Kontrollen durchgeführt.

Vertretern der somalischen Bundesregierung verweigert Somaliland die Einreise - auch solchen, die eigentlich aus Somaliland stammen. Somaliland verhindert, dass Staatsbürger, welche in Somalia am föderalen (gesamtsomalischen) Prozess oder damit verbundenen kulturellen Aktivitäten mitwirken wollen, nach Mogadischu reisen (LIB, Bewegungsfreiheit - Somaliland).

1.3.21. Meldewesen und Staatsbürgerschaft:

Es bestehen nur wenige bis rudimentäre staatliche Aufzeichnungen und Personenregister. Nach anderen Angaben gibt es seit 2015 ein vom Innenministerium geführtes digitales Melderegister. Vor einer Registrierung wird die betroffene Person interviewt, werden Älteste befragt und Daten von Familienangehörigen verglichen. Auch biometrische Daten werden aufgenommen bzw. abgeglichen, wodurch Doppeleinträge verhindert werden. Immer öfter wird der damit zusammenhängende Personalausweis gebraucht, um öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen zu können.

Der Prozentsatz der Geburtenregistrierung ist in Somaliland mit 7% immer noch sehr niedrig; nach anderen Angaben sind etwas weniger als 20 % der Unter-Fünfjährigen registriert. Jedenfalls werden zahlreiche Geburten nicht registriert.

Das somaliländische Staatsbürgerschaftsrecht beruht auf patrilinearer Abstammung. Demnach sind alle männlichen Personen, die zum 26.6.1960 aus Somaliland stammten und dort lebten sowie deren Nachfahren Staatsbürger Somalilands. Gemäß Staatsbürgerschaftsgesetz können auch Nachfahren somaliländischer Mütter die Staatsbürgerschaft erlangen, wenn der Vater unbekannt ist. Generell muss ein Staatsbürgerschaftsnachweis ausgestellt werden, wenn ein (behördlich registrierter) Clanältester die Herkunft bestätigt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass eine derartige, durch einen Ältesten eingebrachte Meldung angefochten werden kann.

Doppelstaatsbürgerschaft wird akzeptiert. Somalia hingegen erachtet natürlich auch alle in Somaliland lebenden Somali als somalische Staatsbürger, während Somaliland sie als somaliländische Staatsbürger erachtet (LIB, Meldewesen und Staatsbürgerschaft - Somaliland).

1.3.22. Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge - Somaliland:

Somaliland kooperiert mit dem UNHCR und IOM, um Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen und anderen relevanten Personengruppen Unterstützung zukommen zu lassen. Im April 2022 befanden sich 32.961 registrierte Asylwerber und Flüchtlinge in Somalia, etwa die Hälfte davon in Somaliland. Diese stammen nahezu zur Gänze aus Äthiopien und dem Jemen. Immer wieder ist es in der Vergangenheit auch zur Abschiebung von Äthiopiern gekommen

Die National Displacement and Refugee Agency Somalilands unterstützt Flüchtlinge, die beim Somaliland Immigration and Border Control registriert sind. Für Flüchtlinge gibt es auch Geldaushilfen. Auch Hilfsorganisationen betätigen sich bei der Unterstützung für vertriebene Familien. Bei einer Umfrage zur Interaktion mit Migranten in einigen Stadtteilen von Hargeysa gaben rund 50 % der Befragten an, Migranten zu helfen. Ein Viertel berichtet von sozialen Interaktionen. Geholfen wird mit Nahrungsmitteln (89 %), Wasser (55 %), Geld (40 %) sowie mit Kleidung, Unterkunft, bei der Suche nach Arbeit oder medizinischer Unterstützung 22).

Mit Stand Juni 2022 gab es in Somaliland ca. 557.000 IDPs. Die relative Sicherheit in Somaliland hat aus Süd-/Zentralsomalia zahlreiche Menschen angezogen, auch wenn dort kein staatlicher Schutz besteht. IDPs sind von willkürlichen Verhaftungen und Diskriminierung betroffen), obwohl Somaliland eine eigene Policy für IDPs verfasst hat. Während von IDPs im Rest Somalias bewaffnete Gruppen und Milizen als Hauptverursacher von Unsicherheit genannt werden, finden diese in Somaliland kaum Erwähnung. Dort werden als Verursacher Kriminelle und Familienangehörige genannt. In Somaliland erwähnen weibliche IDPs - im Gegensatz zu anderen Landesteilen - auch nicht, dass sie im Lager besonderen Risiken sexueller Gewalt ausgesetzt wären. Die für Flüchtlinge verantwortliche National Displacement and Refugee Agency arbeitet mit dem UNHCR zusammen. Kosten für medizinische Behandlung von Flüchtlingen werden vom UNHCR getragen. Alleine am Hargeysa Group Hospital werden im Durchschnitt täglich 25 Flüchtlinge behandelt. Flüchtlingskinder können kostenlos eine öffentliche Schule besuchen. Flüchtlinge dürfen in Somaliland arbeiten. UNHCR bietet Flüchtlingen, Asylwerbern und IDPs Rechtsberatung und -Unterstützung an. Aus Süd-/Zentralsomalia stammende Personen werden von der internationalen Gemeinschaft als IDPs erachtet, von Somaliland jedoch als Flüchtlinge, da diese aus somaliländischer Sicht keine Staatsbürger sind. Die Situation dieser Flüchtlinge aus Süd- und Zentralsomalia ist grundsätzlich unsicher. Anfang Oktober 2021 hat Somaliland aus Südsomalia stammende Flüchtlinge aus der Stadt Laascaanood abgeschoben. Gemäß Angaben von Ältesten der Stadt handelte es sich bei den Deportierten in erster Linie um Personen aus dem South West State (SWS), die schon seit vielen Jahren in Somaliland ansässig waren – manche davon schon seit 20 Jahren. Somaliland hat später auch weitere Deportationen – diesmal aus Ceerigaabo – angeordnet. In diesem Fall wurde den somalischen Staatsbürgern, die aus dem SWS stammen, 15 Tage Zeit eingeräumt. Nach anderen Angaben hat Somaliland die Menschen weder vorab informiert, noch ihnen erlaubt, Eigentum mitzunehmen. Somaliland hat die Aktion mit Sicherheitsbedenken argumentiert. Die UN haben die Deportation verurteilt. Die meisten Menschen sind in die Bundesstaaten HirShabelle und SWS sowie nach Mogadischu weitergebracht worden. Insgesamt wurden zwischen 1.000 bzw. sogar mehr als 7.000 Personen deportiert. Vor 2021 waren Menschen, welche von Somaliland nicht als Staatsbürger anerkannt waren, vor einer Abschiebung sicher. Es gibt keine aktuellen offiziellen Informationen von den somaliländischen Behörden, ob sich Massenabschiebungen wiederholen werden oder wie man in Zukunft mit somalischen Geflüchteten umzugehen gedenkt (LIB, Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge - Somaliland).

1.3.23. Grundversorgung und humanitäre Lage – Somalia:

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Landesteilen nicht gewährleistet. Die Ausmaße der historische Dürre sowie der anhaltende Konflikt mit al Shabaab verschärfen dieses Problem. Öffentliche Dienste gibt es kaum, meist finden sich Angebote wie Wasser- und Stromversorgung sowie Bildung und Gesundheitsdienste bei privaten Dienstleistern. Für viele Menschen sind derartige Dienste nur schwer oder gar nicht zugänglich. Der Gouverneur der somalischen Zentralbank erklärt, dass es für die Zurverfügungstellung eines finanziellen Sicherheitsnetzes für Bedürftige seitens der Regierung keinerlei budgetären Spielraum gibt (LIB, Grundversorgung und humanitäre Lage).

Armut: Weite Teile der Bevölkerung in Somalia leiden unter Armut und Ernährungsunsicherheit. Die Weltbank schätzt, dass 71 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag sowie 10 % knapp darüber leben. Besonders stark und weit verbreitet ist Armut in ländlichen Gebieten und in den Siedlungen von Binnenvertriebenen. Es gibt viele IDPs und Kinder, die auf der Straße leben und arbeiten. Generell sind somalische Haushalte aufgrund von Naturkatastrophen, Epidemien, Verletzung oder Tod für Notsituationen anfällig. Mangelnde Bildung, übermäßige Abhängigkeit von landwirtschaftlichem Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit, geringer Wohlstand und große Haushaltsgrößen tragen weiter dazu bei. Zwei Drittel der Bevölkerung leben im ländlichen Raum. Sie sind absolut vom Regen abhängig. In den vergangenen Jahren haben Frequenz und Dauer von Dürren zugenommen. Deswegen wurde auch die Kapazität der Menschen, derartigen Katastrophen zu begegnen, reduziert. Mit jeder Dürre wurden ihre Vermögenswerte reduziert: Tiere starben oder wurden zu niedrigen Preisen verkauft, Ernten blieben aus; es fehlte das Geld, um neues Saatgut anzuschaffen. Die Zahl der Menschen, die in Somalia humanitäre Hilfe benötigen, ist im Laufe der Jahre stetig gestiegen, von 5,2 Millionen im Jahr 2020 auf 5,9 Millionen im Jahr 2021; von 7,7 Millionen im Jahr 2022 auf derzeit 8,25 Millionen Menschen im Jahr 2023 (LIB, Grundversorgung und humanitäre Lage).

Dürre, Regenfälle, Überschwemmungen: Die Gu-Regenzeit (April-Juni) 2023 brachte unterschiedliche Erträge. In Nordsomalia sowie im südlichen Gedo und in Lower Juba gab es durchschnittliche bis überdurchschnittliche Niederschläge, in den zentralen Regionen nahezu durchschnittliche bis durchschnittliche Niederschläge. Damit wurde das Ende der Dürrebedingungen in den meisten Teilen Somalias signalisiert. Die Dürre hatte mit fünf ausgefallene Regenzeiten zu einer Dezimierung von Viehbeständen und Ernten geführt, das Land stand am Rand einer Hungersnot. Die Dürre hat zum Verlust von Menschenleben und von wichtigen Nahrungs- und Einkommensquellen und damit zu schweren Schäden an der Lebensgrundlage geführt. Viele ländliche Haushalte haben eine Erosion ihrer Lebensgrundlagen und ihrer Bewältigungskapazitäten erlebt und sahen sich mit wachsenden Lücken in der Nahrungsmittelversorgung konfrontiert. Diese Faktoren haben zum Anstieg der Zahl an Menschen geführt, die aus ländlichen Gebieten in IDP-Lager geflüchtet sind. Von der Dürre waren fast 50 % der Bevölkerung betroffen.

Schon im Rahmen der Gu-Regenzeit kam es zu Überschwemmungen in Hiiraan, Middle Shabelle und Lower Shabelle. Schwere Sturzfluten verursachten in Teilen von Gedo, Bay und Bakool sowie in Teilen der nordwestlichen Regionen schwere Schäden. Menschen mussten flüchten, es kam zu erheblichen Ernteverlusten sowie Einkommensverlusten aus der landwirtschaftlichen Beschäftigung. In Belet Weyne wurden 97 % der Wasserquellen zerstört oder verseucht. Bereits im November 2022 wurde festgehalten, dass es Jahre dauern wird, bevor sich Somalia von der Dürre erholt haben wird. So werden etwa pastoralistische Haushalte in Nord- und Zentralsomalia werden mehrere Saisonen brauchen, bis sie sich von den Verlusten der jüngeren Vergangenheit erholt haben. Doch nun folgt auf die o.g. schlimmste Dürre seit 40 Jahren das Wetterphänomen El Niño, das ungewöhnlich starke Regenfälle, Gewitter und extreme Überschwemmungen mit sich bringt. El Niño wird von einem positiven Dipol im Indischen Ozean begleitet. Somalia wird von einer Flutkatastrophe heimgesucht. Schon ein Monat nach Beginn der Deyr-Regenzeit (Oktober bis Dezember) ist Somalia 2023 mit einer Überschwemmungskatastrophe konfrontiert). Die Regenmenge und –intensität war in den Regionen Hiiraan, Bakool, Bay und Gedo sowie im Bezirk Saakow (Middle Juba) schon im Oktober 2023 außergewöhnlich hoch. In mehreren Gebieten fielen innerhalb von sieben Tagen bis zu 300 mm Niederschlag – weit mehr, als üblicherweise in der gesamten Regenzeit. Sowohl der Juba als auch der Shabelle fühtren Hochwasser. Im November 2023 waren von den Überschwemmungen 1,69 Millionen Menschen betroffen, 654.000 mussten fliehen, 40 Menschen kamen zu Tode und knapp 6.000 Häuser waren beschädigt oder zerstört. In Belet Weyne waren 90 % der Stadt überschwemmt. Ackerland, Vieh und Infrastruktur (etwa die Juba-Brücke von Buurdhuubo und eine Brücke bei Baardheere) wurden vernichtet. Schätzungen zufolge könnten schlussendlich 4,3 Millionen Menschen Hunger leiden, nicht zuletzt, weil 1,5 Millionen Hektar Ackerland und damit auch die landwirtschaftliche Produktion betroffen sein werden, nicht zuletzt auch aufgrund der Zerstörung von Pumpen, Kanälen und Bewässerungsrohren.

Humanitäre Organisationen, Behörden und lokale Gemeinschaften haben die Hilfe für die betroffenen Menschen verstärkt. Bis Ende November 2023 konnten bereits 820.000 Betroffene erreicht werden. Auch z.B. CARE hat auf die Katastrophe reagiert und ein Programm zur finanziellen Unterstützung von 198.000 Personen ausgerollt.

Überschwemmungen und Dürre stellen für Somalia kein neues Phänomen dar. Immer spielt Wasser eine Rolle: Entweder gibt es zu viel davon, oder zu wenig. Derartige Katastrophen ereignen sich seit Jahrzehnten. Im Zuge der Dürre im Jahr 1973 in Nordsomalia wurden mehr als 100.000 Familien nach Lower Shabelle und in die Juba-Regionen übersiedelt. Bei der Hungersnot in den Jahren 1991-1992 starben 300.000 Menschen, im Jahr 2011 mehr als 260.000 – die Hälfte davon Kinder unter fünf Jahren. Somalia ist hinsichtlich des Klimawandels das am zweitstärksten vulnerable Land der Welt und ist dementsprechend als Frontstaat zu bezeichnen. Das Land hat in Ostafrika bislang den größten Temperaturanstieg zu verzeichnen. Seit 1990 war das Land mehr als 30 klimabedingten Gefahren ausgesetzt, darunter Dürren und Überschwemmungen. Das ist eine Verdreifachung gegenüber dem Zeitraum zwischen 1970 und 1990 (LIB, Grundversorgung und humanitäre Lage).

Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Preise: Die Getreideproduktion der Gu-Saison 2023 lag in Südsomalia um 34 % unter dem langjährigen Durchschnitt, im Nordwesten sogar um 60%. Das niedrige Produktionsniveau ist das Ergebnis einer Kombination von Faktoren, darunter unterdurchschnittliche Niederschläge, Unsicherheit, Überschwemmungen, Schädlinge und ein Mangel an landwirtschaftlichen Betriebsmitteln. Der Somalische Shilling ist im Allgemeinen stabil. Die Inflation liegt im Jahr 2023 bei 4,2 %, 2024 bei 4,0 %. Seit Juli 2023 sind die Preise für Mais und Sorghum aufgrund des gestiegenen Angebots aus der Gu-Ernte 2023 auf ein Niveau unter dem Vorjahresniveau gesunken und liegen derzeit nahezu im Durchschnitt. Die Preise für importierte Lebensmittel haben sich im vergangenen Jahr auf den meisten Märkten aufgrund des ausreichenden Angebots stabilisiert oder sind gesunken, sie bleiben über dem Fünfjahresdurchschnitt. Somalia gehört weltweit zu den Ländern mit der größten Rate an Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. Ca 3,9 bis acht Millionen Menschen, überwiegend Kinder, benötigen Unterstützung im Hygienebereich und bei der Wasserversorgung. Die mäßigen bis starken Gu-Regenfälle (April–Juni) 2023 haben auch den Zugang zu Wasser und Weideland verbessert und den Menschen eine gewisse Erleichterung gebracht. Die Wasserpreise sind teils um etwa 40 % gesunken. Bereits mit Stand Feber 2023 hatten die Pegelstände in den Flüssen Juba und Shabelle wieder annähernd Normalniveau erreicht. Mit der Gu-Regenzeit 2023 hat sich der Zustand des Weidelandes deutlich verbessert. Spätestens für Ende 2023 wird sich das Weideland in ganz Somalia erholt haben. Die Dürre hat mindestens ein Drittel des Viehbestands in Somalia vernichtet. Seit Mitte 2021 sind rund 3,8 Millionen Stück Vieh umgekommen. Die Viehwirtschaft hat bis dahin maßgeblich zur Versorgung der Familien – mit Milch und Fleisch – beigetragen.

Zudem finden sich in der Viehwirtschaft 90 % der informellen Beschäftigten und Vieh bildet 90 % der Exporte des Landes. Die Dürre hatte also akute Auswirkungen auf die Lebensgrundlage von Haushalten. In den meisten Fällen kam es zu einem vollständigen oder nahezu vollständigen Verlust der Viehbestände und zu erheblichen Unterbrechungen landwirtschaftlicher Aktivitäten. 40 % der im Rahmen einer Studie befragten Haushalte verfügten vor der Dürre über ein landwirtschaftliches Einkommen. Danach waren es 12 %. Auch der Verkauf von Produktionsgütern wie Vieh ist überall deutlich zurückgegangen, von 16 % auf 3 % (LIB, Grundversorgung und humanitäre Lage).

Fluchtbewegungen aufgrund von Dürre: Im Jahr 2022 sind in Süd-/Zentralsomalia 1,179.000 Menschen aufgrund der Dürre vertrieben worden. 2023 waren es Stand November 528.000; die meisten diesbezüglich Vertriebenen stammen aus den Regionen Bay (152.000), Lower Shabelle (109.000), Gedo (90.000), Bakool (62.000), Middle Juba (29.000), Bari (24.000) und Lower Juba (19.000). Die wenigsten Menschen flohen aus Woqooyi Galbeed (Somaliland; 0), Benadir (900), Nugaal (1.000), Galgaduud (2.000) und Sanaag, Sool und Togdheer (Somaliland, je 4.000) sowie Awdal (Somaliland; 6.000) (LIB, Grundversorgung und humanitäre Lage).

Hunger, Versorgungslage / IPC: [IPC = Integrated Phase Classification for Food Security; 1-moderat bis 5-Hungersnot]. Mit Stand September 2023 befanden sich ca. 2,8 Millionen Menschen in IPC-Stufe 3 (17 % der Bevölkerung); ca. 920.000 in Stufe 4 (5 %) und keine in Stufe 5 (Hungersnot). Zusammen mit den rund 5,6 Millionen in IPC 2 ist die Hälfte der Gesamtbevölkerung von 17 Millionen Menschen Ernährungsunsicherheit ausgesetzt. Knapp 1,8 Millionen Kinder leiden an Unterernährung. Humanitäre Hilfe verhindert in vielen Bereichen eine Verschlechterung der Ernährungssicherheit und der Ernährungslage. Im Zeitraum August-September 2023 besonders betroffen war das Küstengebiet von Zentralsomalia sowie Laascaanood (IPC 4). Die meisten pastoralen und agropastoralen Lebensräume [livelihoods] in den nördlichen und zentralen Regionen; die agro-pastoralen in ganz Somalia; sowie die Flusslebensräume in Hiiraan, Middle Shabelle, Lower Shabelle und Gedo werden auf Krisenniveau eingestuft (IPC 3); dies gilt auch für die meisten der wichtigsten IDP-Lager im Land. Die meisten städtischen Bevölkerungsgruppen stehen demnach unter Stress (IPC 2). Die Stadtbevölkerung ist oft von IPC 3 oder IPC 4 anteilig weniger betroffen als Menschen in ländlichen Gebieten. Generell finden sich unter IDPs mehr Personen, die unter Ernährungsunsicherheit sowie an Mangel- oder Unterernährung leiden.

Für das Jahr 2022 gab es ca. mit ca. 43.000 Hungertote – die Hälfte davon Kinder unter fünf Jahren. Am stärksten betroffen waren die Regionen Bay, Bakool und Benadir. römisch fünf.a. Bay und die dortige Hauptstadt Baidoa waren massiv betroffen. Zu den 500.000 Einwohnern der Stadt kamen 600.000 Menschen aus dem Umland. Für das Jahr 2023 wurde bereits im März eine Übersterblichkeit von 18.000-34.000 prognostiziert eine andere Quelle schätzt die Zahl an Menschen, die im ersten Halbjahr 2023 aufgrund der Dürre gestorben sind, auf 135 pro Tag. Die Situation hinsichtlich akuter Unterernährung hat sich im Vergleich zu 2022 im Allgemeinen verbessert. Für den Zeitraum August 2023 bis Juli 2024 wird die Zahl an Kindern unter 5 Jahren, die an akuter Unterernährung leiden, auf ca. 1,5 Millionen geschätzt; davon 330.630 mit schwerer Unterernährung. Auch bei IDPs ist die Quote an Unterernährten zurückgegangen – namentlich in Mogadischu, Baidoa und in Hiiraan. Von Gu 2022 bis Gu 2023 konnten die Zahl von an akuter Unterernährung betroffenen Kindern unter fünf Jahren um 19 % gesenkt werden, jene der Kinder mit schwerer Unterernährung um 36 % (LIB, Grundversorgung und humanitäre Lage).

In den meisten Gebieten Somalias, die nicht von Überschwemmungen betroffen waren, wirkten sich die reichlichen Niederschläge während des Deyr weitgehend positiv auf die Pflanzen- und Viehproduktion aus und trugen zu einer anhaltenden allmählichen Erholung von der historischen Dürre 2020–2023 bei. Arme Haushalte kämpfen in vielen von der Dürre betroffenen Gebieten immer noch mit einer verringerten Vermögensbasis und einer ungewöhnlich hohen Verschuldung. Daher dürften viele arme Haushalte bis Januar weiterhin mit Versorgungsengpässen bei Nahrungsmitteln zu kämpfen haben, wobei die Folgen des Notfalls (IPC-Phase 4) wahrscheinlich anhalten werden. Im Zeitraum Februar bis Mai wird in den Flussgebieten eine Verbesserung der Krisenergebnisse (IPC-Phase 3) erwartet, nachdem seit Dezember mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und der Zugang zu wildem Fisch, Gemüse und Obst verbessert wurde. Viele arme Haushalte werden jedoch weiterhin mit Versorgungsengpässen bei Nahrungsmitteln konfrontiert sein, da die Ernte schrittweise erfolgt und die meisten ihrer Produkte zur Schuldentilgung verkauft werden.

Agropastorale Gebiete profitierten im Allgemeinen von den durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen Deyr-Niederschlägen. In einigen Gebieten, die von starken Regenfällen und Überschwemmungen betroffen sind, ist es jedoch wahrscheinlich, dass die Ernte erst im Februar/März 2024 erfolgt, was die Trockenzeit verlängert. Trotz der Verbesserung des Zugangs zu Nahrungsmitteln und des Einkommens aus der Pflanzen- und Tierproduktion während der Deyr-Saison sind viele arme Haushalte weiterhin mit unterdurchschnittlichen Viehbeständen und hoher Verschuldung konfrontiert, da sie Schwierigkeiten haben, sich von den Auswirkungen der Dürre 2020–2023 zu erholen. Daher wird erwartet, dass die Krisenergebnisse (IPC-Phase 3) in den meisten agropastoralen Gebieten bis Januar andauern, bevor sie sich in der Zeit von Februar bis Mary aufgrund eines verbesserten Zugangs zu Nahrungsmitteln und Einkommen aus dem Haupt- und Nebensaison-Deyr auf Stressed (IPC-Phase 2) verbessern. Die agropastorale Lebensgrundlagenzone Bay/Bakool mit geringem Potenzial dürfte jedoch weiterhin in der Krise bleiben (IPC-Phase 3), da viele Gebiete mehrere gute Jahreszeiten benötigen, um sich von der jüngsten Dürre zu erholen. In ähnlicher Weise werden die nordwestlichen Agropastoral-Lebensgrundlagen wahrscheinlich weiterhin in der Krise bleiben (IPC-Phase 3), da mit einer schlechten Pflanzenproduktion und einem unterdurchschnittlichen Viehbestand zu rechnen ist.

Angesichts der weiteren Verbesserungen der Tierproduktion während des Deyr erholen sich die meisten Weidegebiete weiterhin allmählich von den Auswirkungen der Dürre 2020–2023. In vielen Gebieten wird im Zeitraum Februar bis Mai eine Verbesserung der Ergebnisse unter Stress (IPC-Phase 2) und sogar minimal (IPC-Phase 1) erwartet, da sich die Tierproduktion zu Beginn der Gu-Saison etwa im April verbessert. Allerdings werden die Ergebnisse der Krise (IPC-Phase 3) wahrscheinlich in einigen der am schlimmsten von der Dürre betroffenen Gebiete anhalten, einschließlich der Küstenzone Deeh Pastoral in Zentralsomalia, wo die Viehbestände immer noch sehr gering und nicht nachhaltig sind (FEWS).

Humanitäre Hilfe: In Somalia ist die längstdienende humanitäre Mission tätig, jährlich werden Milliarden US-Dollar ausgegeben. Somalia ist auch der am besten finanzierte sog. Humanitarian Plan weltweit; um eine Hungersnot zu vermeiden, umfasste das Engagement im Jahr 2022 2,27 Milliarden US-Dollar, für das Jahr 2023 sind 2,6 Milliarden vorgesehen. Davon waren aber laut Angaben der UN bis November 2023 erst 42 % finanziert. Mit Stand Oktober 2023 waren in Somalia in 71 von 74 Bezirken 248 humanitäre Organisationen aktiv, 115 davon befassten sich in 69 Bezirken mit Ernährungssicherheit. In Zusammenarbeit mit Partnern konnte UNICEF in den ersten zehn Monaten des Jahres 2023 in 70 von 74 Bezirken 517.090 Kinder mit schwerer akuter Unterernährung mit lebensrettender Behandlung versorgen.

Humanitäre Hilfe spielt weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Lage hinsichtlich Ernährungsunsicherheit und in vielen anderen Bereichen. Nahrungsmittel- und Bargeldhilfe erreichten im Zeitraum Jänner-März 2023 durchschnittlich 4,4 Millionen Menschen pro Monat. Diese Zahl ging im Zeitraum April-Juni 2023 auf 3,6 Millionen Menschen pro Monat zurück. Aufgrund von Finanzierungsengpässen musste die humanitäre Hilfe eingeschränkt werden. Bis zum Geldtransferprogramm Baxnaano gab es kein Programm für ein soziales Sicherheitsnetz. Baxnaano ist das erste von der Bundesregierung geleitete Geldtransferprogramm, es wird vom WFP unterstützt und von der Weltbank finanziert. Stand Juni 2023 wurden über dieses Programm monatlich bedingungslose Geldtransfers an 200.000 arme und gefährdete Haushalte mit Kindern bereitgestellt und damit ca. 1,2 Millionen Menschen erreicht. Humanitäre Hilfe erfolgt z.B. durch den Danish Refugee Council. Dieser stellte etwa in Dayniile (Mogadischu) hunderten bedürftigen Haushalten von der EU finanziertes Geld über mobile Lösungen zu. In Galkacyo hat der DRC mit EU-Geldern Brunnen, Tanks und Wasserleitungen für 800 Haushalte gebaut. Ein anderes Beispiel ist jenes Projekt von der FAO und von USAID, mit welchem von der Dürre betroffene Menschen mit Bargeld und Beiträgen zum Lebensunterhalt unterstützt werden, um einen besseren Zugang zu Nahrung und anderen Grundbedürfnissen gewährleisten zu können. In Bossaso stellte die FAO z.B. 400 gefährdeten Fischerfamilien sechs Monate lang Bargeld und Fischverarbeitungsausrüstung zur Verfügung, damit sie ihre dringendsten Bedürfnisse erfüllen und sich besser im Fischereisektor engagieren können. Diese Art der Unterstützung geht mit Schulungen zum effizienten Umgang mit begrenzten Ressourcen einher. Zusätzlich zu den Ausrüstungen erhielten die Teilnehmer sechs Monate lang Geldtransfers in Höhe von 75 US-Dollar pro Monat. Andere Hilfe leistete wiederum UNHCR in Galkacyo, wo 40 Betreiber kleiner Geschäfte, die einem Straßenbau weichen mussten, von UNHCR mit je 1.000 US-Dollar kompensiert worden sind. So konnten sie sich an einem neuen Ort ihr Geschäft wieder aufbauen.

Die Sicherheitslage beeinträchtigt die Arbeit humanitärer Kräfte. Ca. 740.000 Menschen in von nicht-staatlichen Gruppen kontrollierten Gebieten können nur schwerlich an humanitäre Hilfe gelangen. Ohne humanitäre Hilfe würden mehr Menschen an Hunger sterben. Aber auch die humanitären Organisationen stoßen auf Grenzen und haben nicht genügend Ressourcen, um allen zu helfen. Selbst in Mogadischu haben nicht alle IDPs Zugang zu Nahrungsmittelhilfe. Anfang 2023 konnten fast 90 % der IDPs in Mogadischu, Garoowe, Hargeysa und Burco ihre Grundbedürfnisse nicht abdecken. Menschen werden mitunter aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit von Hilfe ausgeschlossen. Zudem ist in kurzer Zeit sehr viel Geld mit wenig Kontrolle nach Somalia geflossen, einiges davon kommt nicht bei den Bedürftigen an. Es kommt zu Diebstahl und Fehlleitung humanitärer Güter sowie zur Besteuerung humanitärer Hilfe. In Somalia sind es die mächtigen Gruppen, die den Löwenanteil erhalten: an Jobs, Ressourcen, Verträgen, Remissen und humanitärer Hilfe. Schwache Gruppen erhalten wenig bis gar nichts. Bei der Hungersnot 1991 waren die meisten Hungertoten entweder Digil-Mirifle oder Bantu. Dies gilt auch für die Hungersnot im Jahr 2011. Ein Grund dafür ist, dass humanitäre Hilfe von mächtigeren Clans vereinnahmt wird. Weitere Gründe sind, dass diese Gruppen traditionell über weniger Ressourcen verfügen, weniger Remissen erhalten und Systeme gegenseitiger Unterstützung bei ihnen nicht so gut ausgebaut sind. Al Shabaab hat sich diese Benachteiligung zunutze gemacht (LIB, Grundversorgung und humanitäre Lage).

Gesellschaftliche Unterstützung: Bis auf das o.g. Programm Baxnaano gibt es kein öffentliches Wohlfahrtssystem, keinen sozialen Wohnraum und keine Sozialhilfe. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor. Das eigentliche soziale Sicherungsnetz ist die erweiterte Familie, der Subclan oder der Clan. Sie bieten oftmals zumindest einen rudimentären Schutz. Ein Vorteil der somalischen Sozialstruktur ist die Verpflichtung zur Hilfe. Wenn eine Person des eigenen Clans Unterstützung braucht, dann ist die Gewährung derselben nicht verhandelbar. Vorrangig stellt die patrilineare (väterliche) Abstammungsgemeinschaft die Solidaritäts- und Schutzgruppe. Aber daneben gibt es auch die Patri-(Vater)-Linie der Mutter und zusätzlich möglicherweise noch angeheiratete Verwandtschaft. Alle drei Linien bilden i.d.R. - wie es ein Experte formuliert - „einen ganz beachtlichen Verwandtschaftskosmos“. Und in diesem Netzwerk kann Hilfe und Solidarität gesucht werden, es besteht diesbezüglich eine moralische Pflicht. Allerdings müssen verwandtschaftliche Beziehungen auch gepflegt werden. Entscheidend ist also nicht unbedingt die Quantität an Verwandten, sondern die Qualität der Beziehungen. Wer als schwacher Akteur in diesem Netzwerk positioniert ist, der wird schlechter behandelt als die stark Positionierten. Diese Art des „Fundraising“ (Qaraan) erfolgt in Somalia und in der Diaspora als nicht nur, um sogenanntes Blutgeld im Fall eines Mordes zu sammeln, sondern auch, um andere Bedürfnisse eines Clanmitglieds abzudecken. Darunter fallen auch Probleme bei der Nahrungsmittelversorgung. In Somalia sind soziale Kontakte im Fall von Dürren und anderen Krisen seit Langem eine Quelle der Widerstandsfähigkeit, ein effizienter Teil der Bewältigungsstrategie, die zum Überleben von Haushalten beigetragen hat. Die bei einer Studie am häufigsten angegebenen Unterstützungsquellen sind Familie, Freunde und Nachbarn (24 %), gefolgt von internationalen (15 %) und lokalen NGOs (8 %). Soziale Kontakte haben auch während der aktuellen Dürre eine entscheidende Rolle gespielt. Ohne die gegenseitige Unterstützung - ohne Teilen – wäre die Katastrophe noch viel größer geworden. Die Haushalte haben sich gegenseitig auf vielfältige Weise unterstützt, auf materielle und immaterielle Art, darunter mit Bargeld, Lebensmitteln, Informationen und emotionaler Unterstützung. Oft teilen diejenigen mit mehr sozialen Verbindungen und besserem Zugang zu Ressourcen mit weniger gut vernetzten Haushalten. Der Zusammenhalt erstreckte sich mitunter auch auf externe Hilfe – etwa Bargeldhilfen durch humanitäre Organisationen. Lokale Führer haben Gemeinschaftstöpfe eingerichte, in welche die Haushalte Teile der erhaltenen Hilfe einzahlen. So wurde einerseits sichergestellt, dass vulnerable Haushalte nicht leer ausgehen, und andererseits wurden derart Spannungen zwischen Haushalten, die Hilfe erhalten, und solchen, die keine Hilfe erhalten, abgemildert. Zu den gefährdeten Gemeindemitgliedern gehören in diesem Zusammenhang z.B. ältere und/oder behinderte Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, Waisen und Witwen. NRC berichtet beispielsweise von einer IDP-Familie, die nach Baidoa geflüchtet ist. Dort siedelte sie sich gezielt in einem Lager an, wohin schon vorher Menschen aus der eigenen Community geflüchtet waren. Ein Nachbar ist in diesem Kontext manchmal ein Dorfbewohner von zu Hause, ein entfernter Verwandter. So entsteht ein Unterstützungssystem. Bei einem anderen Beispiel wird hinsichtlich der Überschwemmungen im Rahmen der Deyr-Regenzeit 2023 berichtet, dass die meisten Familien aus dem überfluteten Horseed-1-IDP-Lager in Baidoa bei Verwandten untergekommen sind.

Neben Familie und Clan helfen hierbei auch andere soziale Verbindungen – seien es Freunde, geschlechtsspezifische oder Jugendgruppen, Bekannte, Berufsgruppen oder religiöse Bünde. Meist ist die Unterstützung wechselseitig. Über diese sozialen Netzwerke können auch Verbindungen zwischen Gemeinschaften und Instanzen aufgebaut werden, welche Nahrungsmittel, medizinische Versorgung oder andere Formen von Unterstützung bieten. Auch für IDPs stellen solche Netzwerke die Hauptinformationsquelle dar, wo sie z.B. Unterkunft und Nahrung finden können. Soziale Unterstützung erfolgt auch über islamische Wohltätigkeitsorganisationen und NGOs. Generell ist es auch üblich, Kinder bei engen oder fernen Verwandten unterzubringen, wenn eine Familie diese selbst nicht erhalten kann. 22 % der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben Kinder bei Verwandten, 28 % bei institutionellen Pflegeeinrichtungen (7 %) untergebracht. Weitere 28 % schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn.

In der somalischen Gesellschaft - auch bei den Bantu - ist die Tradition des Austauschs von Geschenken tief verwurzelt. Menschen, die selbst wenig haben, teilen ihre wenigen Habseligkeiten und helfen anderen beim Überleben. Es herrscht eine starke Solidarität Ein Gemeindeführer eines Dorfes bei Garoowe erklärt beispielsweise, dass Menschen ihre Verwandten nicht zurücklassen würden. Es wird demnach geteilt, so lange es etwas zu teilen gibt. Auch Remissen werden mitunter mit Nachbarn, Verwandten und Freunden geteilt. Oft borgen Haushalte also Geld oder Waren von lokalen Betrieben. Selbst Kleinhändlerinnen in IDPLagern, die ihre Ware selbst nur auf Kredit bei einem größeren Geschäft angeschafft haben, lassen anschreiben und streichen manchmal die Schulden von noch ärmeren Menschen. Eine Hilfestellung bieten Remissen aus dem Ausland. Nach Somalia fließen jährlich mehr als 1,7 Milliarden US-Dollar. Remissen spielen damit eine entscheidende Rolle bei der Verringerung der Armut. Sie steuerten in den Jahren 2021 und 2022 jeweils 27,3 % zum BIP bei. So kommt weit mehr Geld ins Land als durch Entwicklungshilfe. Eine Erhebung im November und Dezember 2020 hat gezeigt, dass 22 % der städtischen, 12 % der ländlichen und 6 % der IDP-Haushalte Remissen beziehen. Diese stellen einen bedeutenden Anteil des Budgets von Privathaushalten dar, v.a. für die unteren 40%, wo Remissen 54% aller Haushaltsausgaben decken. Laut einer Studie von IOM aus dem Jahr 2021 sind 67 % der Empfänger von Remissen arbeitslos. Für viele Menschen sind die Überweisungen ein Rettungsanker. Überweisungen werden hauptsächlich für allgemeine Haushaltsausgaben (z.B. Nahrung, Wasser) sowie Bildung und Gesundheit verwendet. Minderheiten mangelt es oft am Zugang zu Remissen. In einem Artikel berichtet ein Geschäftsmann und zehnfacher Vater, der seinen Betrieb zusperren musste, dass er von seiner Schwester in Saudi-Arabien mit 200 US-Dollar pro Monat unterstützt wird. Ein anderer Verkäufer, dem es wegen der Dürre ähnlich ergangen ist, erhält pro Monat 150 US-Dollar von einem Onkel in Südafrika, der auch noch für zwei seiner Brüder die Semestergebühren an der Universität in Mogadischu finanziert. Ein weiterer Verkäufer hat sich einerseits an einen Onkel in Großbritannien gewandt und ist andererseits mit seiner Familie zurück zu seinen Eltern gezogen, um sich die 20 US-Dollar Miete zu sparen. Vom Onkel in Großbritannien erhält er 250 US-Dollar im Monat.

Gegenwärtig sind die Systeme sozialer Absicherung allerdings deutlich überdehnt. Diese Überlastung zeigt sich auch an der hohen Anzahl an IDPs. Auch generell sind manche Clans nicht mehr in der Lage, der Armut ihrer Mitglieder entsprechend zu begegnen. Wenn Menschen in weit von ihrer eigentlichen Clanheimat entfernte Gebiete fliehen, verlieren sie zunehmend an Rückhalt und setzen sich größeren Risiken aus. Bei einer Studie haben 56 % der befragten Haushalte angegeben, über keinerlei Unterstützungsquellen zu verfügen. 85 % gaben an, dass sie es nicht geschafft haben, irgendwo einen Kredit zu bekommen. Ein Viehzüchter aus Awdal berichtet beispielsweise, dass er aufgrund des Verlusts von Vieh bei einem lokalen Geschäft auf Kredit eingekauft hat. Als seine Schulden 1.000 US-Dollar erreicht haben, wurden ihm weitere Einkäufe versagt; seitdem leben er und seine Familie von dem, was Verwandte ihnen geben (LIB, Grundversorgung und humanitäre Lage).

1.3.24. Grundversorgung und Wirtschaft - Somaliland:

In Somaliland hat es in den letzten 20 Jahren viele positive wirtschaftliche und soziale Entwicklungen gegeben. Hauptfaktoren der Wirtschaft und des BIP sind Viehzucht und Dienstleistungen. Der informelle Sektor ist der Hauptpfeiler der Wirtschaft. Das jährliche Budget Somalilands ist in den letzten Jahren stark gewachsen. 2015 betrug es lediglich 156 Millionen US-Dollar, 2021 waren es 340 Millionen und für 2022 sind 412 Millionen budgetiert. Mehr als ein Drittel der Ausgaben von rund 280 Millionen US-Dollar fließen in Sicherheit und Verteidigung, 9 % in die Bildung und 6 % ins Gesundheitswesen. Dabei hat Somaliland kaum Schulden, der Anteil der Schuldentilgung liegt im Budget bei nur rund 2 %. Das Wirtschaftswachstum betrug 2019 noch 6,5 %, ist aber im Jahr 2020 Covid-19-bedingt auf -2 % geschrumpft. Das BIP/Kopf betrug 2020 566 US-Dollar, der Großteil des BIP entstammt der Viehzucht (30 %), dem Handel (24 %), Remissen (22 %) und der Landwirtschaft (8 %). Der Rückgang beim Wirtschaftswachstum im Jahr 2020 war v. a. auf den Einbruch von Viehexporten (-33 %) zurückzuführen. Der somaliländische Shilling ist verhältnismäßig stabil. Strom ist sehr teuer und kostet rund viermal soviel wie in Europa.

Die zahlreichen Rückkehrer aus der Diaspora sind aufgrund ihrer Finanzkraft und ihres Wissens für die Wirtschaft von enormer Bedeutung. 1,9 Milliarden US-Dollar wurden 2021 aus dem Ausland an Remissen nach Somaliland überwiesen. Die Diaspora ist der Idee hinsichtlich des Aufbaus der Heimat stark verpflichtet. Fast 80 % des Gründungskapitals von kleinen und mittleren Unternehmen kommt aus der Diaspora.

Die Jugendarbeitslosigkeit erreicht in Somaliland geschätzte 60 % bis 75 %. Allerdings ist die hohe Arbeitslosigkeit - etwa bei Absolventen von Berufsausbildungen, wo diese nach der Ausbildung in Hargeysa bei 46 % liegt - u. a. darauf zurückzuführen, dass sich viele Auszubildende auf einige wenige Nischen fokussieren, z.B. IT und Business bzw. darauf, dass der tertiäre Bildungssektor an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorbeiarbeitet. Die Arbeitslosigkeit bei der Erwerbsbevölkerung betrug in ganz Somalia im Jahr 2021 19,9 %. Bei einer Umfrage hinsichtlich der Interaktion mit Migranten in Hargeysa, bei welcher mehr als 200 Erwachsene (70 % weiblich, 30 % männlich) befragt worden sind, gaben 42 % an, über ein eigenes Einkommen zu verfügen. Bei männlichen Befragten lag der Wert bei 67 %, bei weiblichen bei 31 %. Hinsichtlich der Art der Beschäftigung ordneten sich jene mit eigenem Einkommen (84) folgenden Gruppen zu: Selbständige (30), Angestellte (28) und Tagelöhner (26). Frauen arbeiteten hauptsächlich in Kleinbetrieben – etwa Geschäfte, Catering, Dienstleistungen (25 von 44) sowie als Hausbedienstete (9); bei Männern (40) waren 11 Selbständige, 7 Bauarbeiter und 7 Transporteure. Von den nicht Beschäftigten (117) gaben 57 % an, Kinder zu betreuen bzw. den Haushalt zu führen – fast ausschließlich Frauen. 17 % bezeichneten sich als arbeitslos, 14 % waren Studenten und 12 % Ältere und Kranke.

In Hargeysa können ungelernte Kräfte auf Baustellen eine Arbeit finden, Frauen als Reinigungskraft, als Dienstmädchen oder in Teehäusern. Frauen mit geringer Ausbildung können auch eine Arbeit als Friseurin, als Henna-Malerin, als Kosmetikerin oder als Verkäuferin finden. Männer mit geringer Ausbildung können mitunter als Maler arbeiten. In kleineren Städten oder Ortschaften gibt es mehr Möglichkeiten, eine Arbeit in der Landwirtschaft zu finden. Frauen können auch einen eigenen kleinen Betrieb gründen, indem sie z. B. auf der Straße oder auf Baustellen Essen verkaufen. Andere suchen eine Anstellung bei einer Reinigungsfirma. Generell gibt es Jobvermittlungsportale, andere finden eine neue Arbeit über eigene Kontakte. Für Ungelernte gibt es keine Vermittlungsportale, sie müssen direkt z. B. auf Baustellen gehen, und dort um eine Arbeit fragen. Besonders gefragt sind auf dem Arbeitsmarkt IT-Kenntnisse, Marketing und Verkauf, Buchhaltung, medizinische Berufe, Installateure, Bauarbeiter, Mechaniker und ähnliche Handwerke. Jedenfalls gehört die Suche nach Arbeitsmöglichkeiten zu den Hauptgründen für Migration. Nur ein Fünftel der Universitätsabsolventen findet nach dem Abschluss eine Anstellung. Clanverbindungen spielen bei der Arbeitssuche eine kritische Rolle.

Frauen tragen mittlerweile in 48 % der Haushalte den Hauptteil zum Familieneinkommen bei. Auf dem großen Viehmarkt von Hargeysa stellen Frauen rund 90 % aller Händler. Überhaupt spielen Frauen - außer bei den großen Betrieben - eine führende Rolle beim Unternehmertum. In Hargeysa befindet sich mehr als die Hälfte aller Familienunternehmen im Besitz von Frauen.

In den städtischen Gebieten hat die beschleunigte Land-Stadt Migration zur Herausbildung peripherer Stadtgemeinden geführt, die von sozialen Dienstleistungen, dem formellen Arbeitsmarkt und politischer Mitsprache abgeschnitten sind.

Lebenskosten: Die Lebenshaltungskosten liegen in Hargeya bei 300-400 US-Dollar, bei mittlerem Standard bei 400-500 US-Dollar. In kleineren Städten sind die Kosten jeweils etwas niedriger anzusetzen. Die meisten Rückkehrer nach Somaliland können sich bei der Unterbringung keinen höheren Standard leisten und nehmen Wellblechhäuser oder traditionelle Unterkünfte in Anspruch. Dies gilt sowohl für Hargeysa als auch für kleinere Städte, wie z. B. Ceel Afweyn oder Boorama. Frauen leben üblicherweise nicht alleine. Wenn alleinstehende Frauen tatsächlich eine Wohnung mieten, dann tun sie das meist gemeinsam mit anderen alleinstehenden Frauen. Die durchschnittlichen Kosten für eine Mietwohnung liegen nach Angaben von Mitarbeitern von IOM bei 250 US-Dollar im Monat. Einzelne Zimmer können für 100 US-Dollar angemietet werden, Wellblechhäuser kosten 45-60 US-Dollar. Ungelernte Arbeitskräfte verdienen 300-400 US-Dollar im Monat bzw. 10 US-Dollar am Tag.

Der Ausbildungssektor in Somaliland hat sich ständig verbessert. Meist arbeiten hier staatliche Organe, lokale Gemeinden und externe Geber – darunter die Diaspora – zusammen. Private Bildungsanbieter boomen, und es gibt mehrere Universitäten und Colleges. Die Sahamiye Foundation, welche u.a. vom Gründer des Finanzdienstleisters Worldremit betrieben wird, hat angekündigt, in den nächsten zehn Jahren 500 Millionen US-Dollar in Somaliland ausgeben zu wollen. Die Alphabetisierungsrate soll damit auf 90 % gehoben werden. Außerdem will die Stiftung 100.000 Menschen eine adäquate Berufsausbildung zukommen lassen und ins Gesundheitswesen investieren. Die Stiftung war schon zuvor die größte Wohltätigkeitsstiftung in Somaliland und hat bereits zahlreiche Programme gestartet. Im Budget für das Jahr 2022 ist die Aufnahme von 300 zusätzlichen Lehrkräften vorgesehen. OXFAM betreibt u.a. in Zusammenarbeit mit der Organisation Shaqadoon und deren Hargabits Academy ein Programm, um der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Das Programm bietet auf dem Arbeitsmarkt gesuchte Ausbildung (z.B. digitale und IT-Bildung) und eine bessere Vermittlung zu Arbeitsplätzen – speziell auch für marginalisierte Jugendliche. Ein anderes, u.a. von der EU finanziertes, Projekt wird vom Africa Educational Trust geleitet. Mit diesem Programm erhalten 400 junge Menschen grundsätzliche (Alphabetisierung) und weitergehende (handwerkliche, unternehmerische) Ausbildung. Mindestens 250 jungen Menschen wird der Zugang zu Mikrokrediten ermöglicht, um sich eine Lebensgrundlage zu schaffen. SOS-Kinderdorf hat mit einigen Partnern im Jahr 2016 das Next Economy Programme begonnen. Junge Menschen erhalten eine Zusatzausbildung, um auf dem Arbeitsmarkt als Angestellte oder als Selbständige Beschäftigung zu finden. Jene, die selbständig werden wollen, müssen eigenständig 500 US-Dollar aufstellen, diese werden vom Programm ergänzt (LIB, Wirtschaft - Somaliland).

Grundversorgung: Die Regierung ist in der Lage, grundlegende Dienste bereitzustellen. Im Bildungs- und Gesundheitsbereich wurden hierbei Verbesserungen erzielt. Allerdings herrscht im Land noch immer ein hohes Maß an Armut. Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem. Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor. Das eigentliche soziale Sicherungsnetz bilden die erweiterte Familie und der Clan. Auch Remissen aus dem Ausland tragen zu diesem Netz bei. Viele Haushalte sind auf diese Gelder angewiesen. Gerade in schlechten Zeiten überweisen Mitglieder der Diaspora mehr Geld, damit niemand in der Familie zu Hause hungern muss.

In ländlichen Gebieten lebt mehr als eine von drei Personen in Armut, in urbanen Gebieten ist es mehr als eine von vier. Überdurchschnittlich viele der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben Kinder bei Verwandten (76 %) oder aber auch in institutionellen Pflegeeinrichtungen (7 %) untergebracht. Weitere 54 % schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn. Generell sind gesellschaftlicher Zusammenhalt und soziale Netze in Somaliland besser als in anderen Landesteilen.

Dürre: In Somaliland gab es 2022 noch 100.000 neue IDPs aufgrund der Dürre. Im Jahr 2023 (Stand November) waren es hingegen nur ca. 18.000, davon je 4.000 in den Regionen Togdheer, Sanaag und Sool, 6.000 in Awdal und 30 in Woqooyi Galbeed (UNHCR 2023). Generell war die Dürre laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 auch in den Städten spürbar. Dort hängen die Menschen oft von Verwandten auf dem Land ab, was die Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten angeht. Dort war aber Dürre, viele Menschen drängten zusätzlich in die Städte und leben ihrerseits bei Verwandten.

In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten. In Hargeysa, in Somaliland geht es den Menschen durchschnittlich besser als in Süd-/Zentralsomalia. Trotzdem ist Armut der treibende Grund für Migranten, welche das Land verlassen. Alleine die UN führt für die somaliländischen Regionen folgende Zahlen an aktiven (humanitären) Partnern an: Awdal: 18; Woqooyi Galbeed: 33; Togdheer: 38; Sool: 32; Sanaag: 32. Aufgrund der vergleichsweise guten Sicherheitslage, verzeichnen die UN in Somaliland weniger Zwischenfälle im Zusammenhang mit humanitärem Zugang als anderswo im Land. Allerdings fokussiert sich die internationale humanitäre Unterstützung auf die Region Bay in Somalia. Da die finanziellen Mittel auch dort nicht ausreichen, wird sich zeigen, in welchem Umfang Somaliland unterstützt werden kann. Es kam zwischen Somalia und Somaliland zu einer Art Wettbewerb um humanitäre Hilfe. Trotzdem war diese im Rahmen der Dürre verfügbar. Erfahrungen aus der vorhergehenden Dürre (sporadische Hungertote) haben zu Änderungen geführt. Zusätzlich wurden viele Dämme und andere Wasserinfrastruktur errichtet.

Nahrungsmittelunsicherheit: Aufgrund einer schlechten und unregelmäßigen Niederschlagsverteilung, der schweren Überschwemmungen, der Heuschreckenplage und der sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19 und den anhaltenden Konflikten wird erwartet, dass bis zu 2,7 Millionen Menschen in ganz Somalia voraussichtlich bis Mitte 2021 mit Lücken beim Nahrungsmittelkonsum oder der Erschöpfung von Vermögenswerten, die auf eine Krise hindeuten (IPC-Phase 3), konfrontiert sein werden, wenn keine humanitäre Hilfe geleistet wird. Die verfügbaren Prognosen deuten auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von unterdurchschnittlichen Niederschlägen während der Gu-Saison 2021 (April bis Juni) im größten Teil des Landes hin, was sich nachteilig auf die Ernährungssicherheit und die Ernährungsergebnisse auswirken würde (FEWS).

Die verzögerte und unregelmäßige Niederschlagsverteilung kennzeichnete die Deyr-Saison von Oktober bis Dezember 2020, was zu unterdurchschnittlichen kumulierten Niederschlägen im größten Teil des Landes führte. Die schlechten Regenfälle führten zu einer unzureichenden Wiederauffüllung der Weide- und Wasserressourcen und zu einer unterdurchschnittlichen Deyr-Pflanzenproduktion. Darüber hinaus verursachte der Zyklon Gati Ende November in den nordöstlichen Küstengebieten erhebliche Schäden und Todesfälle bei Nutztieren, obwohl die Regenfälle letztendlich die trockenen Bedingungen linderten. Des Weiteren verursachten wiederkehrende Überschwemmungen zwischen Juli und Anfang November weitere Vertreibungen der Bevölkerung und beschädigten Ernten und Ackerland in den Flussgebieten der Regionen Hiiraan, Shabelle und Juba. Trotz günstiger Niederschläge in Hagaa/Karan (Juli-September) in agropastoralen und pastoralen Gebieten im Nordwesten konnten die Regenfälle die Ernteverluste nicht ausgleichen, die durch schlechte Gu-Niederschläge (April-Juni 2020) während der Pflanz-, Keim- und Vegetationsperiode verursacht wurden (FEWS).

Die Getreideproduktion in der Deyr-Saison 2020 in Südsomalia wird auf 78 600 Tonnen geschätzt, was 20 Prozent unter dem Durchschnitt von 1995-2019 liegt. Die Hauptfaktoren für eine unterdurchschnittliche Produktion sind schlechte und unregelmäßige Niederschläge, wiederkehrende Überschwemmungen, Wüstenheuschrecke und Konflikte. Im Nordwesten wird die im November 2020 geerntete Gu/Karan-Getreideproduktion im Jahr 2020 auf 17 100 Tonnen geschätzt, was 58 Prozent unter dem Durchschnitt von 2010-2019 liegt. Dies ist hauptsächlich auf schlechte und unregelmäßige Niederschläge sowie den Befall mit Wüstenheuschrecken und Stängelbohrern sowohl bei Hirse als auch Mais zurückzuführen (FEWS).

Die ländliche Bevölkerung verzeichnet einen mehrfachen Rückgang der Nahrungsmittel- und Einkommensquellen. In pastoralen Gebieten haben unterdurchschnittliche Niederschläge in Teilen des Nordens, angrenzenden Gebieten Zentral-Somalias, Küstengebieten und der Region Gedo zu Wasserknappheit und Weidemangel geführt, was zu einer atypischen, früher als normalen Migration von Nutztieren in entfernte Weidegebiete führte. Infolgedessen ist die Verfügbarkeit von Milch zum Verzehr und Verkauf begrenzt. Darüber hinaus hat ein starker Rückgang der Viehausfuhren seit August 2020 Pastoralisten und andere Haushalte, die in der Wertschöpfungskette von Nutztieren arbeiten, nachteilig beeinflusst (FEWS).

In den Gebieten entlang der Flüsse Shabelle und Juba zerstörten wiederkehrende Überschwemmungen Ackerland und Getreide und verdrängten die lokale Bevölkerung, was zu erheblichen Ernteverlusten und Einkommensverlusten durch landwirtschaftliche Beschäftigung führte. Infolgedessen wird ein erheblicher Teil der armen Haushalte in Flussgebieten bis Mitte 2021 auch mit moderaten bis großen Lücken beim Lebensmittelkonsum konfrontiert sein (FEWS).

In den Monaten Februar bis May 2024 bzw. Jänner bis März befindet sich Nordsomalia überwiegend in der IPC-Phase 2 (sressed), wobei in IDP-Lagern noch die Phase 3 (crisis) gilt. Insbesondere gilt für die Bevölkerung in der Stadt Hargeysa im Zeitraum von April bis Juni 2024 IPC-Stufe 2 (stressed), es ist auch weiterhin mit einer Entspannung der Nahrungsversorgungsituation zu rechnen, sodass der überwiegende Teil von Somalia in diesem Zeitraum in der IPC-Stufe 2 ist, manche Teile noch in der IPC-Stufe 3 (crisis) und einige Teile bereits in der IPC-Stufe 1 (minimal) (FEWS und IPC).

1.3.25. Medizinische Versorgung – Allgemein:

Das somalische Gesundheitssystem ist das zweitfragilste weltweit. Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft und nicht durchgängig gesichert. Die Infrastruktur bei der medizinischen Versorgung ist minimal und beschränkt sich meist auf Städte und sichere Gebiete. Die Ausrüstung reicht nicht, um auch nur die grundlegendsten Bedürfnisse der Bevölkerung ausreichend abdecken zu können. Es mangelt an Geld, Personal, Referenzsystemen, Diagnoseeinrichtungen, an Ausbildungseinrichtungen, Regulierungen und Managementfähigkeiten. 2021 betrug das Budget des Gesundheitsministeriums 33,6 Millionen US-Dollar. Allerdings zeigt sich in Aufwärtstrend: 2020 wurden 1,3 % des Budgets für den Gesundheitsbereich ausgegeben, 2021 wurden dafür 5 % veranschlagt. Nach anderen Angaben wurden für den Gesundheitsbereich in den Jahren 2017-2021 jährlich durchschnittlich 2 % des Budgets ausgegeben. Insgesamt zählt die Gesundheitslage zu den schlechtesten der Welt. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist zwar von 45,3 Jahren im Jahr 1990 auf heute 57,1 Jahre beträchtlich gestiegen, bleibt aber immer noch niedrig (WB 6.2021, Sitzung 29). Erhebliche Teile der Bevölkerung haben keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen; daran sterben jährlich 87 von 100.000 Einwohnern (Äthiopien: 44). Die Quoten von Mütter- und Säuglingssterblichkeit sind unter den höchsten Werten weltweit. Eine von zwölf Frauen stirbt während der Schwangerschaft, eines von sieben Kindern vor dem fünften Geburtstag. Bei der hohen Kindersterblichkeit schwingt Unterernährung bei einem Drittel der Todesfälle als Faktor mit. Selbst in Somaliland und Puntland werden nur 44 % bzw. 38 % der Mütter von qualifizierten Geburtshelfern betreut. Insgesamt haben nur ca. 15 % der Menschen in ländlichen Gebieten Zugang zu medizinischer Versorgung. Die Rate an grundlegender Immunisierung für Kinder liegt bei Nomaden bei 1 %, in anderen ländlichen Gebieten bei 14 %, in Städten bei 19 %. Zudem gibt es für medizinische Leistungen und pharmazeutische Produkte keinerlei Qualitäts- oder Sicherheitsstandards. Es mangelt an Personal für die medizinische Versorgung. Besonders akut ist der Mangel an Psychiatern, an Technikern für medizinische Ausrüstung und an Anästhesisten. Am größten aber ist der Mangel an einfachen Ärzten. Insgesamt kommen auf 10.000 Einwohner 4,28 medizinisch ausgebildete Personen (Subsaharaafrika: 13,3; WHO-Ziel: 25). Nach anderen Angaben kommen auf 100.000 Einwohner fünf Ärzte, vier Krankenpfleger und eine Hebamme. Dabei herrscht jedenfalls eine Ungleichverteilung: In Puntland gibt es 356 Ärzte, in Jubaland nur 54 und in Galmudug und im SWS je nur 25. Die Weltbank hat das mit 100 Millionen US-Dollar dotierte „Improving Healthcare Services in Somalia Project / Damal Caafimaad“ genehmigt. Damit soll die Gesundheitsversorgung für ca. 10 % der Gesamtbevölkerung Somalias, namentlich in Gebieten von Nugaal (Puntland),Bakool und Bay (SWS), Hiiraan und Middle Shabelle verbessert werden. Die Gesundheitsdirektion der Benadir Regional Administration (BRA) verfügt über 69 Gesundheitszentren für die Primärversorgung, sechs Stabilisierungszentren für unterernährte Kinder und elf Zentren für die Behandlung von Tuberkulose. Zusätzlich gibt es in der Hauptstadtregion fast 80 private Gesundheitszentren. Insgesamt sind diese Zahlen zwar vielversprechend, decken aber keinesfalls die Bedürfnisse der Bevölkerung ab. Nach anderen Angaben gibt es in Benadir 61 Gesundheitseinrichtungen, in HirShabelle 81. In anderen Bundesstaaten stehen folgende Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung: Nach anderen Angaben gibt es in ganz Somalia elf öffentliche und 50 andere Spitäler.

In Mogadischu gibt es demnach vier öffentliche und 46 andere Gesundheitszentren. Jedenfalls müssen Patienten oft lange Wegstrecken zurücklegen, um an medizinische Versorgung zu gelangen. In Mogadischu gibt es mindestens zwei Spitäler, die für jedermann zugänglich sind. In manchen Spitälern kann bei Notlage über die Ambulanzgebühr verhandelt werden. Im Gegensatz zu Puntland werden in Süd-/Zentralsomalia Gesundheitseinrichtungen vorwiegend von internationalen NGOs unter Finanzierung von Gebern betrieben. Das Keysaney Hospital wird von der Somali Red Crescent Society (SRCS) betrieben. Zusätzlich führt die SRCS Rehabilitationszentren in Mogadischu und Galkacyo. Die Spitäler Medina und Keysaney (Mogadischu) sowie in Kismayo und Baidoa werden vom Roten Kreuz unterstützt. Insgesamt gibt es im Land nur 5,34 stationäre Krankenhausbetten pro 10.000 Einwohnern (WHO-Ziel: 25 Betten). In Gebieten von al Shabaab mangelt es – mit der Ausnahme von Apotheken – generell an Gesundheitseinrichtungen.

Zudem sind die öffentlichen Krankenhäuser mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung, medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Die am besten ausgerüsteten Krankenhäuser Somalias befinden sich in Mogadischu. Der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus ist erheblich schlechter. Die Mehrheit der Krankenhäuser bietet außerdem nicht alle Möglichkeiten einer tertiären Versorgung. Speziellere medizinische Versorgung – etwa Chirurgie – ist nur eingeschränkt verfügbar – in öffentlichen Einrichtungen fast gar nicht, unter Umständen aber in privaten. So werden selbst am Banadir Hospital – einem der größten Spitäler des Landes, das über vergleichsweise gutes Personal verfügt und auch Universitätsklinik ist – nur einfache Operationen durchgeführt. Relativ häufig müssen daher Patienten von öffentlichen Einrichtungen an private verwiesen werden. Immerhin stellt der private Sektor 60 % aller Gesundheitsleistungen und 70 % aller Medikamente. Und auch in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen wird der Großteil der Dienste über NGOs erbracht. Qatar Charity hat in Bossaso ein Gesundheitszentrum eröffnet. Dieses soll 10.000 Unterprivilegierten aus Bossaso und dem Umland dienen. Das Zentrum verfügt über Abteilungen für Geburten, Notfälle, Impfungen, über ein Labor, Radiologie und eine Apotheke. 2021 hatte Qatar Charity bereits Gesundheitszentren in Puntland, Galmudug, dem SWS und in Mogadischu eröffnet. Fünf weitere Zentren sowie neun Geburts- und Mütterzentren sind in Bau.

Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt. Oft handelt es sich bei dieser Primärversorgung um sogenannte „Mother Health Clinics“, von welchen es in Somalia relativ viele gibt. Diese werden von der Bevölkerung als Gesamtgesundheitszentren genutzt, weil dort die Diagnosen eben kostenlos sind. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer. Schon ein kleiner operativer Eingriff kostet 100 US-Dollar. Am Banadir-Hospital in Mogadischu wird eine Ambulanzgebühr von 5-10 US-Dollar eingehoben, die Behandlungsgebühr an anderen Spitälern beläuft sich auf 5-12 US-Dollar. Medikamente, die Kindern oder ans Bett gebundenen Patienten verabreicht werden, sind kostenlos. Üblicherweise sind die Kosten für eine Behandlung aber vom Patienten zu tragen. Am türkischen Spital in Mogadischu, das als öffentliche Einrichtung wahrgenommen wird, werden nur geringe Kosten verrechnet, arme Menschen werden gratis behandelt. Generell gilt, wenn z.B. ein IDP die Kosten nicht aufbringen kann, wird er in öffentlichen Krankenhäusern auch umsonst behandelt. Zusätzlich kann man sich auch an Gesundheitseinrichtungen wenden, die von UN-Agenturen betrieben werden. Bei privaten Einrichtungen sind alle Kosten zu bezahlen. Es gibt keine Krankenversicherung, nach anderen Angaben ist diese so gut wie nicht existent, im Jahr 2020 waren nur 2 % der Haushalte hinsichtlich Ausgaben für Gesundheit versichert.

Beispiel Garoowe: Quellen von EASO berichten, dass am Garoowe Group Hospital (GGH) eine Aufnahmegebühr von 5 US-Dollar zu entrichten ist, bei der Aufnahme zur Behandlung bei einem Spezialisten auch bis zu 10 US-Dollar. Auch Labortests müssen selbst bezahlt werden; ein normaler Bluttest kostet 1-4 US-Dollar. Normale Betten kosten nichts, Einzelzimmer 10 US-Dollar pro Nacht. Die Pflege, normale Dienste und im Spital lagernde Medikamente sind kostenfrei. Für Operationen muss allerdings bezahlte werden. Ein Kaiserschnitt kostet ca. 350 US-Dollar.

In privaten Krankenhäusern ist die Aufnahmegebühr etwas höher als am GGH. Alle Dienste und Übernachtungen müssen bezahlt werden. Operationen kosten in etwa so viel, wie am GGH. Es gibt auch mobile Gesundheitseinrichtungen, etwa durch die Organisation Somali Aid in Lower Juba. Damit wird der Zugang für die Menschen, die ansonsten weite, teure und manchmal gefährliche Reisen zum nächstgelegenen Spital auf sich nehmen müssen, verbessert. Die SRCS betreibt 53 stationäre und zwölf mobile Kliniken zur primären medizinischen Versorgung. Im Jahr 2020 wurden dort mehr als 1,2 Millionen Patienten behandelt. Davon waren 45 % Kinder und 40 % Frauen. Die häufigsten Behandlungen erfolgten in Zusammenhang mit akuten Atemwegserkrankungen (24 %), Durchfallerkrankungen (12,4 %), Anämie (15,6 %), Hautkrankheiten (6,2 %), Harnwegs- (10 %) und Augeninfektionen (5,2 %).

Die am öftesten diagnostizierten chronischen Krankheiten sind Diabetes und Bluthochdruck. Mobile Kliniken versorgen wöchentlich oder zweiwöchentlich IDP-Lager am Stadtrand von Mogadischu. Diese Versorgung erfolgt allerdings nur unregelmäßig. Gesundheitspartner der UN haben von Jänner bis November in Somalia 2,6 Millionen präventive und heilkundliche Konsultationen durchgeführt, u. a. 12.000 Konsultationen zur psychischen Gesundheit. Versorgungs- und Gesundheitsmaßnahmen internationaler Hilfsorganisationen mussten auch

immer wieder wegen Kampfhandlungen oder aufgrund von Anordnungen unterbrochen werden. Zudem mangelt es an Rettungsdiensten. So gibt es selbst in Mogadischu bei einer Bevölkerung von ca. drei Millionen Menschen nur zwei Krankenwagen, die kostenfrei Covid-19-Patienten transportieren.

Psychiatrie: Für 16,8 Millionen Einwohner gibt es in ganz Somalia (inkl. Somaliland) nur 82 professionelle Kräfte im Bereich psychischer Gesundheit, nur vier davon sind Psychiater). In Süd-/Zentralsomalia und Puntland gibt es nur einen Psychiater, elf Sozialarbeiter für psychische Gesundheit sowie 19 Pflegekräfte. Folgende psychiatrische Einrichtungen sind bekannt: An psychiatrischen Spitälern gibt es nur zwei, und zwar in Mogadischu; daneben gibt es drei entsprechende Abteilungen an anderen Spitälern und vier weitere Einrichtungen. Nach Angaben einer Quelle gibt es in Bossaso, Mogadischu, Baidoa und Belet Weyne psychiatrische Abteilungen an Krankenhäusern. Nach anderen Angaben gibt es auch am Rand von Garoowe eine Psychiatrie, dort fallen für einen monatlichen Aufenthalt 100 US-Dollar an Kosten an. Es gibt eine hohe Rate an Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung. Psychische Probleme werden durch den bestehenden Konflikt und den durch Instabilität, Arbeits- und Hoffnungslosigkeit verursachten Stress gefördert. Schätzungen zufolge sind 30 % der Bevölkerung betroffen, die absolute Zahl wird mit 1,9 Millionen Betroffenen beziffert. Nach anderen Angaben (Stand 2020) wurden bei 4,3 % der Bevölkerung durch einen Arzt eine psychische Erkrankung diagnostiziert, während man von einer Verbreitung von 14 % ausgeht. Im Falle psychischer Erkrankung sind die meisten Somali von der Unterstützung durch Familie und Gemeinde abhängig. Oft werden die Dienste traditioneller und spiritueller Heiler in Anspruch genommen; andere Patienten greifen zu Selbstmedikation oder Drogen. Psychisch Kranken haftet meist ein mit Diskriminierung verbundenes Stigma an, es kommt zu dadurch verursachter Diskriminierung. Nach wie vor ist das Anketten psychisch Kranker eine weitverbreitete Praxis. Dies gilt selbst für psychiatrische Einrichtungen – etwa in Garoowe. Die WHO schätzt, dass 90 % der Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen bereits einmal in ihrem Leben angekettet worden sind. Aufgrund des Mangels an Einrichtungen werden psychisch Kranke mitunter an Bäume gebunden oder zu Hause eingesperrt. Im Zweifelsfall suchen Menschen mit psychischen und anderen Störungen Zuflucht im Glauben. Spirituelle Heilungsanstalten bzw. -Programme heißen Ilaaj. Es gibt ein Netzwerk an diesen Ilaaj. Jedermann kann eine solche Anstalt eröffnen – ohne Qualifikation; viele werden von pseudo-religiösen Heilern betrieben, die „traditionelle“ Mittel anwenden. Selbst aus der Diaspora werden Jugendliche, die an psychischen Krankheiten leiden oder drogensüchtig sind, nach Somalia zur Heilung geschickt. Dort werden sie manchmal gegen ihren Willen festgehalten und mitunter angekettet.

Verfügbarkeit: Nur 5 % der Einrichtungen sind in der Lage, Krankheiten wie Tuberkulose, Diabetes oder Gebärmutterhalskrebs zu diagnostizieren und zu behandeln. Durch die anhaltenden Konflikte, Angriffe auf Krankenhäuser, aber auch durch die Dürre wird der Zugang zu Therapiemöglichkeiten erschwert, wenn dieser überhaupt gegeben ist. Dies gilt für Tuberkulose und andere gängige Krankheiten.

Diabetes: Kurz- und langwirkendes Insulin ist kostenpflichtig verfügbar. Medikamente können überall gekauft werden. Die Behandlung erfolgt an privaten Spitälern. Rund 537.000 Menschen leiden in Somalia an einer Form von Diabetes

• Dialyse: Dialyse steht in Städten zur Verfügung, jedoch nicht aber auf Bezirksebene. Am türkischen Krankenhaus in Mogadischu kostet jede Behandlung 35 US-Dollar.

• HIV/AIDS: Kostenlose Dienste stehen zur Verfügung. Über das Land verstreut gibt es Zentren, in welchen anti-retrovirale Medikamente kostenfrei abgegeben werden

• Krebs: Es gibt nur diagnostische Einrichtungen, keine Behandlungsmöglichkeiten. Es sind auch keine Medikamente verfügbar. Wer es sich leisten kann, geht zur Behandlung nach Indien, Äthiopien, Kenia oder Dschibuti

• Orthopädie: Das SRCS betreibt in Hargeysa, Mogadischu und Galkacyo orthopädische

Rehabilitationszentren samt Physiotherapie. An den genannten Zentren der SRCS in Mogadischu und Galkacyo werden Prothesen, Orthosen, Physiotherapie, Rollstühle und Gehhilfen organisiert, unterhalten und repariert.

• Psychische Krankheiten: Die Verfügbarkeit ist hinsichtlich der Zahl an Einrichtungen, qualifiziertem Personal und geografischer Reichweite unzureichend. Auch die Verfügbarkeit psychotroper Medikamente ist nicht immer gegeben, das Personal im Umgang damit nicht durchgehend geschult. Oft werden Patienten während psychotischer Phasen angekettet.

• Transplantationen: Diese sind in Somalia nicht möglich, es gibt keine Blutbank. Patienten

werden i.d.R. nach Indien, in die Türkei oder nach Katar verwiesen.

• Tuberkulose: Die Behandlung wird über den Global Fund gratis angeboten. Die Zahl an Infizierten mit der multi-resistenten Art von Tuberkulose ist in Somalia eine der höchsten in Afrika. Mehr als 8 % der Neuinfizierten weisen einen resistenten Typ auf. Im Jahr 2022 ist Tuberkulose immer noch eine wesentliche Todesursache in Somalia. Es gibt immer noch viele Fehldiagnosen und zu wenig Bewusstsein über die Krankheit und ihre Infektionswege.

Medikamente: Grundlegende Medikamente sind verfügbar, darunter solche gegen die am meisten üblichen Krankheiten sowie jene zur Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck, Epilepsie und von Geschwüren. Auch Schmerzstiller sind verfügbar. In den primären Gesundheitszentren ländlicher Gebiete kann es bei Medikamenten zur Behandlung chronischer Krankheiten zu Engpässen kommen.

Nach anderen Angaben kommt es in Krankenhäusern allgemein immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten und medizinischen Verbrauchsmaterialien. Es gibt keine lokale Medikamentenproduktion, alle Medikamente werden importiert. Im Jahr 2014 gelangten 30% der verfügbaren Medikamente durch Spenden der internationalen Gemeinschaft ins Land. Der Rest wird v.a. aus Indien, der Türkei, auch Ägypten und der VR China importiert. Es kommt mitunter auch zu Großspenden, etwa Anfang November 2022, als die WHO 39 Tonnen medizinische Versorgungsgüter an Somalia übergeben hat. Es gibt keine Regulierung des Imports von Medikamenten. Nach anderen Angaben ist im Jahr 2015 zwar ein Regulatorium für Medikamente eingeführt worden, um Registrierung, Lizenzierung, Herstellung, Import und andere Aspekte zu regulieren. Aber es gibt diesbezüglich keine Rechtsdurchsetzung. Jeder kann sich ein Zertifikat holen, um eine Apotheke zu eröffnen, es gibt für Apotheken keinerlei Aufsicht. Es gibt keine Standards zur Qualitätssicherung. Einige der verfügbaren Medikamente sind abgelaufen, andere sind Fälschungen oder enthalten giftige Zutaten. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt in erster Linie über private Apotheken. Medikamente können ohne Verschreibung gekauft werden. Die zuständige österreichische Botschaft kann zur Medikamentenversorgung in Mogadischu keine Angaben machen.

1.3.26. Medizinische Versorgung - Somaliland:

Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft, bzw. weist sie zahlreiche Schwächen auf. Sie hat sich im Laufe der letzten Jahre aber substanziell verbessert. Insgesamt ist die Lage in Somaliland besser als in Süd-/Zentralsomalia. Seit dem Jahr 2010 sind in Hargeysa viele neue Gesundheitseinrichtungen – ganze Spitäler, Zahnarztpraxen, Kliniken – eröffnet worden, viele davon privat.

Trotzdem befindet sich Somaliland bei einigen Gesundheitsindikatoren unter den schlechtesten Staaten weltweit und es gibt einen Mangel an ausgebildetem Personal (Ärzten, Krankenschwestern und Hebammen) Den Großteil der medizinischen Versorgung stellen UN und NGOs. Im somaliländischen Gesundheitssystem gibt es vier Ebenen: Die Primary Health Care Units (PHU); die Health Centers (HC); die Primary oder Referral Hospitals bzw. Referral Health Centers (RHC); und die Regionalspitäler. Für das Jahr 2016 wurde die Zahl an Einrichtungen mit 123 PHU, 104 HC und 21 RHC angegeben. Die Zahl an Spitälern beläuft sich auf 16 – dies sind nur knapp weniger als im Rest Somalias zusammen (19). In Hargeysa gibt es neben dem Hargeysa Group Hospital (HGH) noch mehrere private Spitäler (Edna Adan, Hargeysa International Hospital, Gargaar Hospital, Haldoor Multispeciality and Teaching Hospital, Amal Grand Hospital, Arab Medical Union Hospital); diese verfügen jeweils über 50 bis 100 Betten. Zudem gibt es noch zahlreiche kleinere Einrichtungen, die meist auf ein Spezialgebiet fokussieren, sowie niedergelassene Ärzte. Die meisten Einrichtungen sind allerdings unterfinanziert bzw. mangelhaft ausgestattet. Es gibt keinerlei kostenfreie Gesundheitsversorgung und auch keine Krankenversicherung. Patienten mpssen auch in staatloch finanzierten Krankenhäusern für medizinische Leistungen bezahlen. Die Aufnahme kostet ca. 10 US-Dollar; ein Bett in einem Mehrbettzimmer pro Nacht ebenfalls 10 US-Dollar. Operationen kosten zwischen 350 und 1.000 US-Dollar, ein Kaiserschnitt ca. 400 US-Dollar. Normalerweise unterstützen sich hier Familienmitglieder, typischerweise werden die Kosten von Verwandten in der Diaspora übernommen. Ist eine Person völlig mittellos, kann diese sich auch an eine Moschee und manchmal auch an erfolgreiche Wirtschaftstreibende wenden.

Spezifische Behandlungen: Das HGH kann in einigen Bereichen spezialisierte medizinische Versorgung bieten, z. B. Dialyse. Im Jänner 2021 haben die Vereinten Arabischen Emirate in Hargeysa ein Dialysezentrum eröffnet, an welchem 30 Patienten pro Tag behandelt werden können. Ärzte ohne Grenzen haben im Jahr 2019 in Hargeysa und Berbera ein neues Programm gegen multiresistente Tuberkulose begonnen. Menschen aus dem ganzen Land werden an die beiden unterstützten Spitäler verwiesen. Das Rehabilitationszentrum der SRCS in Hargeysa bietet physiotherapeutische und orthopädische Dienste. Zudem werden Prothesen, Orthosen, Rollstühle und Gehhilfen organisiert, unterhalten und repariert. Es gibt jedoch auch mehrere medizinische Bereiche, in denen Lücken im System bestehen bzw. wo keine Dienste angeboten werden: Onkologie, Dermatologie und spezielle chirurgische Eingriffe (z. B. pädiatrische Chirurgie, Wirbelsäulenchirurgie, Herzchirurgie). In Somaliland gibt es Einrichtungen zur Behandlung psychischer Erkrankungen: je ein psychiatrisches Spital in Berbera und Gabiley; psychiatrische Abteilungen an den Spitälern von Hargeysa, Burco und Borama; sowie die Sahan Clinic. Am HGH gibt es eine psychiatrische Abteilung mit vier im Ausland ausgebildeten Psychiatern. Insgesamt gibt es im Land ca. 250 Betten in der Psychiatrie. Im regionalen Kontext ist die Psychiatrie in Hargeysa relativ gut ausgerüstet. Daneben gibt es in Borama ein relativ gut funktionierendes Krankenhaus mit einer psychiatrischen Abteilung. Die Psychiatrie in Burco ist in einem schlechten Zustand. Dort fehlt es an Personal und Ausrüstung.

Sowohl das HGH als auch das Krankenhaus in Borama und die wenigen privaten psychiatrischen Einrichtungen bieten ambulante Versorgung an. Diese ist generell deutlich günstiger als stationäre Aufenthalte. Es fallen allerdings bei jedem Arztkontakt Gebühren zwischen 5 und 10 US-Dollar an. Die Medikamente müssen dann zusätzlich bezahlt werden.

Zumindest am HGH werden PTSD, Schizophrenie und schwere Depressionen medikamentös und therapeutisch behandelt. Allerdings ist die Versorgung mit Medikamenten eingeschränkt. Nach wie vor ist das Anketten psychisch Kranker auch in psychiatrischen Einrichtungen in Berbera und Hargeysa eine verbreitete Praxis.

1.3.27. psychische Erkrankungen und alkoholabhängige Personen:

Psychische Erkrankungen: Es gibt in einigen großen Städten wie Mogadischu, Baydhoa, Garoowe, Bosaso und Hargeysa Krankenhäuser mit auf psychische Störungen spezialisierten Abteilungen. Allerdings sind die Kapazitäten dieser Abteilungen sehr beschränkt. Es mangelt an ausgebildetem Personal und oft haben weder Pfleger noch Ärzte in den wenigen psychiatrischen Stationen eine nennenswerte Fachausbildung. Von den wenigen Psychiatern und Psychologen arbeiten nicht alle in den öffentlichen Kliniken, sondern manche auch privat.

Die Anwendung von Ketten gegenüber psychisch beeinträchtigten Personen ist unabhängig vom Geschlecht sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten verbreitet. In vielen Einrichtungen zur psychischen Gesundheitsversorgung wird die Praxis als lokal akzeptierte medizinische Behandlung angewendet. Die Anwendung von Ketten wird als alternative Medizin angesehen. Es ist üblich, dass betroffene Personen nicht nur während einer “akuten Krise” angekettet sind, sondern wochen-, monate- oder sogar lebenslang. Die psychiatrische Versorgung in Somalia ist immer noch sehr einfach und aggressive Patienten werden nach wie vor (in Krankenhäusern oder zu Hause in der Familie) regelmäßig angekettet. Wegen der fehlenden öffentlichen Gesundheitsinfrastruktur hat es nur wenige Dienste zur Unterstützung oder Bildung für Personen mit psychischen Behinderungen gegeben. Es ist weit verbreitet, dass solche Personen an einen Baum gekettet oder innerhalb ihrer Häuser festgehalten würden. Für einen Mann oder eine Frau, der oder die ernsthafte psychische Probleme (oder Probleme mit Drogenmissbrauch) haben, ist es äußerst schwierig, Arbeit zu finden oder eine Familie zu gründen. Somalis sind äußerst sensibel in Bezug auf alle Probleme, die gegen die „gute“ Kulturverstoßen, und da psychische Störungen häufig als mit „göttlicher Bestrafung“ verbunden angesehen werden. Es halten gewöhnliche Menschen Abstand zu einer ehemaligen psychisch kranken Person.

Somali erklären sich die Gründe für psychische Krankheiten oftmals spirituell, etwa als Gottes Wille, als vorbestimmtes Schicksal. Krankheiten könnten als Bestrafung Gottes oder Test interpretiert werden. Sie könnten auch als Ergebnis einer unzureichenden Frömmigkeit angesehen werden. In diesem Sinne könnten psychische Erkrankungen als Strafe Gottes wahrgenommen werden, was die Gemeinschaft zur Annahme bringen könnte, dass die betroffene Person kein guter Muslim bzw. keine gute Muslimin gewesen ist. Die Bestrafung kann auch auf schlechte Taten zurückgeführt werden. Die endgültige Entscheidung über Krankheiten liegt laut Ansichten der Gesellschaft immer in Gottes Händen.

Alkoholmissbrauch und Umgang mit alkoholabhängigen Menschen: Sowohl staatliches als auch islamisches Recht, das in Somalia die Grundlage der Rechtsauffassung in weiten Teilen der Gesellschaft darstellt, verbietet den Konsum von Alkohol. Auch moralisch gesehen gilt Alkoholkonsum als extrem verwerflich. Wer Alkohol konsumiert, schließt sich selbst aus der somalischen Gesellschaft aus. Wer in Somalia als Alkoholkonsument bekannt ist, gilt als „sozial gestorben“. Gleichzeitig gibt es Möglichkeiten, einen alkoholabhängigen Menschen in großen Krankenhäusern des Landes einem professionellen Entzug zu unterziehen. Die Kosten dafür umfassen die stationäre Aufnahme (ca. 5-10 USD), die Übernachtungskosten (ca. 5USD/Nacht) sowie Essen und Medizin. Insofern wird ein einmonatiger Krankenhausaufenthalt zum Alkoholentzug circa 200 USD kosten. Es besteht ein hohes Rückfallrisiko. In Somalia gibt es keine soziale Infrastruktur, die ehemals Alkoholabhängigen hilft, die Abstinenz durchzuhalten. Es gibt keine „Anonymen Alkoholiker“ oder dergleichen. Auf dem „Schwarzmarkt“ sind alkoholische Getränke zu erwerben. Insofern bedarf es einer besonderen Anstrengung der Verwandten eines alkoholabhängigen Menschen, um ihn vor einem Rückfall zu bewahren. Allerdings komme in Mogadishu die Gefahr hinzu, dass ein Mensch, der als (ehemaliger) Alkoholiker bekannt ist, von fundamentalistischen Muslimen verfolgt werden könne. Jemand, der wiederholt die Gesetze des Islam verletzt, schwebt in Gefahr, in einer klandestinen Operation von Al-Shabaab oder sonstigen religiösen Eiferern bestraft zu werden. Wenn er dazu nicht die starke Unterstützung seiner Familie genießt, ist der Gesetzesübertreter den Repressalien der Fundamentalisten schutzlosausgeliefert. Die Regierung Somalias hat weder die Macht noch den Willen, deviante Personen, die keinen hohen politischen Wert haben, mittels polizeilicher Maßnahmen zu beschützen (ACCORD).

1.3.28. Rückkehr - Somaliland:

Zu möglichen staatlichen Repressionen gegenüber Rückgeführten liegen keine Erkenntnisse vor. Die USA, Kanada, Großbritannien, Finnland, Dänemark, die Niederlande, Belgien und Norwegen führen grundsätzlich Abschiebungen nach Hargeysa durch. Nach Somaliland gibt es Linienflüge aus Dubai, Jeddah, Addis Abeba, Dschibuti und Nairobi. Rückführungen werden aber zum Teil über Mogadischu durchgeführt. Generell gibt es, bedingt durch die aus dem Jemen rückkehrenden Flüchtlinge, in der Zwischenzeit soziale Auffangnetze, Beratungsmöglichkeiten etc. Binnenvertriebene und Rückkehrer können in Somaliland grundsätzlich in Sicherheit leben, die Chance auf einen Arbeitsplatz ist jedoch gering. IOM Länderbüros unterhalten Rückkehrprogramme nach Somaliland. Die Rückkehr dorthin wird folglich als durchaus möglich beurteilt. Das Land akzeptiert nur aus Somaliland stammende Rückkehrer. In das europäische Programm zur freiwilligen Rückkehr ERRIN (European Return and Reintegration Network) wurde mit November 2019 auch die Destination Somaliland aufgenommen. Umgesetzt wird das Programm vor Ort von der Organisation IRARA (International Return and Reintegration Assistance) mit Büro in Hargeysa. Das Programm umfasst – neben den direkt von Österreich zur Verfügung gestellten Mitteln – pro Rückkehrer 200 Euro Bargeld sowie 2.800 Euro Sachleistungen. Letztere umfassen (je nach Wunsch des Rückkehrers) eine vorübergehende Unterbringung, medizinische und soziale Unterstützung, Beratung in administrativen und rechtlichen Belangen, Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens sowie schulische und berufliche Bildung. Bei Ankunft bietet IRARA zudem Abholung vom Flughafen, Unterstützung bei der Weiterreise und Grundversorgung. Zur Reintegration wird ein maßgeschneiderter Plan erstellt, der folgende Maßnahmen enthalten kann: soziale, rechtliche und medizinische Unterstützung; langfristige Unterstützung bei der Unterkunft; Bildung; Hilfe bei der Arbeitssuche; Berufsausbildung; Unterstützung für ein Start-up; Unterstützung für vulnerable Personen. Laut IRARA werden nicht nur freiwillige Rückkehrer, sondern auch abgewiesene Asylwerber, irreguläre Migranten, unbegleitete Minderjährige und andere vulnerable Gruppen unterstützt und vom Programm abgedeckt. Laut dem Ministry of Resettlement, Rehabilitation and Reconstruction (MRRR) ist jede somaliländische Person willkommen, die freiwillig zurückkehrt. Das MRRR versucht, vor der Rückkehr Familie und Verwandte ausfindig zu machen und führt ein Screening durch. Nur dann wird von Somaliland die Genehmigung zur Rückkehr erteilt. Nicht nur aus Libyen kommen Migranten freiwillig nach Somaliland zurück, sondern auch aus Europa, dem Sudan und dem Jemen. Auch aus der Diaspora sind viele Menschen nach Somaliland zurückgekehrt, überall im Land kann man Rückkehrer finden. Ihr Geld und ihr Wissen sind für die Wirtschaft von enormer Bedeutung. Diese Menschen vertrauen ihrem Land, sie glauben an Somaliland – und deshalb investieren sie dort auch.

1.3.29. Dokumente - Somaliland:

In Somaliland gibt es eine einigermaßen funktionierende Verwaltung. Die Behörden stellen auch Dokumente aus. Da die Republik Somaliland jedoch nicht anerkannt wird, besitzen diese Dokumente international keine Gültigkeit. Es gibt eigene Reisepässe, diese werden allerdings nur von Äthiopien bzw. Türkei und den vereinten Arabischen Emiraten als Reisedokument akzeptiert. Somaliland verwendet unterschiedliche Identitätsdokumente. Bei allen diesen Dokumenten ist die Verifizierung der Identität durch einen Clanältesten die Grundlage. Die Dokumentensicherheit in Somaliland gestaltet sich grundsätzlich nicht sehr viel besser als im übrigen Somalia. Grundsätzlich basieren auch die Angaben im Reisepass auf der mündlichen Bürgschaft von Clanältesten. Es ist für Angehörige von als nicht-somaliländisch definierten Clans unmöglich, einen Personalausweis zu erhalten. Registrierte Personen erhalten eine zwölfstellige ID-Nummer, die sie ihr Leben lang behalten. Eine somaliländische ID-Karte kann in jeder Regionalhauptstadt Somalilands beantragt werden. Diese Ausweise können mit Staatsleistungen verknüpft werden. Da Somalia alle Somaliländer als somalische Staatsbürger erachtet, können diese auch einen somalischen Pass erhalten. Für Somaliländer, die einen somalischen

Pass erlangen wollen, gibt es seitens Puntland ein eigens eingerichtetes Busservice. Personen werden von Hargeysa nach Garoowe transportiert, die Busfahrer garantieren für die somalische Staatsangehörigkeit der Antragsteller.

Ehe: Es gibt keine Zivilehe. Eheschließungen erfolgen v. a. in Städten bei religiös-staatlichen Stellen. Dort werden auch Eheurkunden ausgestellt, und dort geschlossene Ehen werden dem Ministerium für Meldewesen in Hargeysa gemeldet.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die im Verfahren vorgelegten Urkunden.

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit und der Muttersprache des Beschwerdeführers gründen sich auf seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben (AS 17, 19, 56; VP Sitzung 8, 9).

2.1.2. Die Feststellungen zum Familienstand des Beschwerdeführers gründen sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung, da die weiteren Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Familienstand widersprüchlich und daher nicht glaubhaft waren.

Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung an, dass er ledig sei. Auch eine Heirat erwähnte er bei seinen Fluchtgründen in der Erstbefragung auch nicht. Beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an in Somalia verheiratet gewesen zu sein, das Mädchen habe sich jedoch, nachdem sie von der Familie des Mädchens angegriffen und getrennt worden wären, umgebracht. Es wäre jedoch anzunehmen, dass er in der Erstbefragung einen anderen Familienstand angegeben hätte, wenn er das Mädchen geheiratet hätte, nämlich verwitwet. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Familienstand sind nicht nachvollziehbar.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Es ist davon auszugehen, dass die Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung, wonach er ledig sei, eher glaubhaft sind. Es war daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer ledig ist.

2.1.3. Der Beschwerdeführer machte zudem widersprüchliche Angaben betreffend seine Schulbildung. Er gab in der Erstbefragung an, dass er Somalisch in Wort und Schrift auf dem Niveau C1 beherrsche (AS 19). Dies ist auch mit dem Unterschriftsbild des Beschwerdeführers am Erstbefragungsprotokoll und auf den weiteren Einvernahmeprotokollen in Einklang zu bringen. Diese zeigen ein geübtes und gleichbleibendes Unterschriftsbild, dass mit einer höheren Schulbildung in Einklang zu bringen ist. Im Widerspruch dazu gab der Beschwerdeführer jedoch bei der Erstbefragung an, dass er nur zwei Jahre die Grundschule besucht habe (AS 19). Vor dem Bundesamt gab er zu seiner Schulbildung an, dass er zwei Jahre die Grundschule besucht habe (AS 56). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er Somalisch, etwas Englisch und etwas Deutsch spreche, er könne auf Somalisch gut lesen und schreiben. Er habe zwei Jahre eine Koranschule besucht und dort auch lesen und schreiben gelernt, sonst habe er sich alles selber beigebracht. Er habe die Schule mit 7 oder 8 Jahren begonnen und diese mit 10 oder vielleicht zwölf Jahren verlassen (VP Sitzung 9).

Hier fällt auf, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung und beim Bundesamt noch angab, dass er eine Grundschule besucht habe. Im Widerspruch dazu gab er in der Verhandlung jedoch an, dass er eine Koranschule besucht habe. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Schulbildung sind nicht in Einklang zu bringen.

Der Beschwerdeführer gab zunächst an zwei Jahre die Schule besucht zu haben. Hätte er mit 7 bzw. 8 Jahren den Schulbesuch begonnen, so wäre davon auszugehen, dass er mit 9 bzw. 10 Jahren aufgehört hätte die Schule zu besuchen. Der Beschwerdeführer gab jedoch auch an, dass er erst mit 12 Jahren die Schule verlassen habe. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Schulbesuch sind widersprüchlich und nicht glaubhaft.

Es ist zudem nicht plausibel, dass ein kleines Kind von ca. 10 Jahren nach dem Besuch einer Koranschule für zwei Jahre in der Lage wäre sich Somalisch Lesen und Schreiben auf dem Niveau von C1 selber beizubringen. Auch das Unterschriftsbild des Beschwerdeführers spiegelt eine fundierte und langjährige Schulbildung wieder. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer versucht im Asylverfahren seine höhere Schulbildung zu verschleiern.

Es war daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer kein Analphabet ist und er über eine umfassende und langjährige Schulbildung verfügt.

2.1.4. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung an, dass die finanzielle Situation seiner Familie in Somalia sehr schlecht gewesen sei, sie seien arm gewesen und es sei schwierig gewesen (VP Sitzung 11). Er gab auch beim Bundesamt an, dass die Situation seiner Verwandten in Somalia schlecht sei. Diese seien arm und hätten manchmal auch nichts zu essen (VP Sitzung 13). Dies ist jedoch nicht damit in Einklang zu bringen, dass der Beschwerdeführer 150 USD für den Reisepass sowie 2.000 USD für den Flug und das Visum aufbringen konnte (VP Sitzung 12). Nach den Länderberichten können sich die wenigsten Somalier die Kosten für einen Reisepass in Mogadischu in Höhe von ca. 100 USD leisten. Der Beschwerdeführer gab zudem an, dass er sich zwischen 1.200 und 1.500 USD selber erspart habe und den Rest habe er von nahen und entfernten Verwandten erhalten. Es ist nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer mit seiner Arbeit als Schuhputzer oder Haareschneider einen solchen Betrag hätte ersparen können, wenn er bereits im Alter von 13 Jahren einer Arbeit habe nachgehen müssen um alleine die Familie zu ernähren. Die Angaben des Beschwerdeführers zur finanziellen Situation seiner Familie sind nicht glaubhaft.

Zudem gab der Beschwerdeführer an, dass er bereits in Somalia seit 2013/2014 an (Pre)Diabetes gelitten habe. Er habe dagegen bereits in Somalia Tabletten eingenommen (AS 55). Nach den Länderberichten ist kurz- und langwirkendes Insulin kostenpflichtig verfügbar. Medikamente können überall gekauft werden, die Behandlung erfolgt an privaten Spitälern (LIB, medizinische Kapitel Medizinische Versorgung). Der Beschwerdeführer war daher in Somaliland in der Lage sich in einem privaten Spital behandeln zu lassen und auch regelmäßig die erforderlichen Medikamente zu erwerben. Wäre die finanzielle Lage des Beschwerdeführers und seiner Familie in Somaliland tatsächlich schlecht, wäre der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen Diabetes überhaupt diagnostizieren zu lassen oder sich die entsprechende Behandlung dafür über mehrere Jahre (seit 2013/2014) zu leisten. Auch dies spricht für eine überdurchschnittlich gute finanzielle Lage des Beschwerdeführers und seiner Familie in Somalia.

Aus den Länderberichten ergibt sich Folgendes: „Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. (…) Eigentlich sieht das Gesetz eine kostenlose Schulbildung vor. In der Realität ist diese aber weder kostenlos oder verpflichtend. Außerdem hängt eine Alphabetisierung auch von der individuellen finanziellen Situation ab, Arme können sich Bildung nicht leisten. Die Mehrheit der Kinder - fast zwei Drittel - geht jedenfalls nicht in die Schule.“ Der Beschwerdeführer hat jedoch – wie oben ausgeführt – über viele Jahre eine Schule besucht und verfügt über eine umfassende Schulbildung. Die Familie des Beschwerdeführers muss daher auch diesbezüglich die finanziellen Ressourcen gehabt haben um dem Beschwerdeführer diese Schulbildung zu ermöglichen. Auch dies spricht dafür, dass die finanzielle Lage des Beschwerdeführers und seiner Familie in Somalia überdurchschnittlich gut war.

Das Gericht geht daher aus den oben genannten Gründen davon aus, dass die finanzielle Lage der Familie des Beschwerdeführers und des Beschwerdeführers selber in Somalia überdurchschnittlich gut war.

2.1.5. Der Beschwerdeführer gehört zudem nicht dem Clan der „Gabooye“ oder einem anderen Minderheitenclan an. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Clanzugehörigkeit sind aus nachstehenden Gründen nicht glaubhaft.

Nach den Länderberichten werden Angehörige ethnischer Minderheiten und berufsständischer Gruppen in der somalischen Gesellschaft häufig diskriminiert bzw. marginalisiert. Das Ausmaß der Diskriminierung hängt dabei von der Gruppenzugehörigkeit ab. Berufsständische Gruppen wie die Gabooye werden stärker marginalisiert als ethnische Minderheiten, aber innerhalb beider Kategorien gibt es ebenfalls große Unterschiede. Heute hat sich die Situation für die Gabooye/Madhiban im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Weder das traditionelle Recht noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (Focus Somalia, Clans und Minderheiten, Sitzung 38f). Teils sind Polizei und Justiz bestechlich. Dadurch werden wirtschaftlich weniger potente Gruppen tendenziell benachteiligt. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Schwäche trifft dieser Umstand auch die Minderheiten. Dies hängt aber nicht mit ihrem Stigma zusammen, sondern mit der schwächeren Finanzkraft und der geringeren Anzahl (Focus Somalia, Clans und Minderheiten, Sitzung 41).

Der Beschwerdeführer konnte es sich jedoch leisten, Somalia mittels eines Schleppers mit einem Visum und einen Pass mit einem Flugzeug über die Türkei zu verlassen (AS 20). Auch die hohe Schulbildung, die in Somalia nicht kostenlos ist, deutet auf eine höhere Finanzkraft bzw. finanzielle Reserven der Familie des Beschwerdeführers hin. Dies steht jedoch der wirtschaftlichen Schwäche der Angehörigen von Minderheitenclans entgegen. Der Beschwerdeführer gab auch an, keine Besitztümer oder Eigentum in Somalia zu haben (VP Sitzung 14). Der Beschwerdeführer gab an, in Somalia einer Erwerbstätigkeit als Schuhputzer und Haarschneider nachgegangen zu sein (VP Sitzung 10), wobei nicht davon auszugehen ist, dass sich die hohen Fluchtkosten mittels Schlepper dadurch haben finanzieren lassen.

Es ist daher nicht schlüssig, dass der Beschwerdeführer als Angehörige von einem Minderheitenclan in der Lage gewesen wären den Betrag für die Ausreise bzw. Schleppung von mehr als 2.000 USD zu zahlen, zumal eine Eigenschaft der Minderheitenclans die finanzielle Benachteiligung ist und die Familie des Beschwerdeführers scheinbar weder Eigentum hatte, das zum Zwecke der Ausreise verkauft hätte werden können, noch sonstige finanziellen Reserven. Der Beschwerdeführer gab an, dass seine Familie sehr arm gewesen sei und seine Familie auch keine Besitztümer in Somalia gehabt habe. Es ist daher nicht schlüssig wie der Beschwerdeführer 2.000 Dollar für die Ausreise aus Somalia habe aufstellen können. Nach den Länderberichten können die wenigsten Somalier die Kosten von ca. 100 Dollar für einen somalischen Reisepass aufbringen. Es ist daher auch hier nicht plausibel, wie der Beschwerdeführer und seine Familie sich die Ausreise von über 2.000 USD hätten finanzieren können.

Die Angaben des Beschwerdeführers zur schlechten finanziellen Situation sowie zur Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan sind daher nicht glaubhaft.

Da die Gabooye um die Jahrtausendwende keine normalen Schulen besuchen konnten bzw. diese über einen sehr geringen Bildungsgrad verfügen, wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zumindest nur über geringe Lese- und Schreibkenntnisse verfügen würde bzw. über einen geringen Ausbildungsstand. Aus den Länderberichten ergibt sich Folgendes: „Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. (…) Eigentlich sieht das Gesetz eine kostenlose Schulbildung vor. In der Realität ist diese aber weder kostenlos oder verpflichtend. Außerdem hängt eine Alphabetisierung auch von der individuellen finanziellen Situation ab, Arme können sich Bildung nicht leisten. Die Mehrheit der Kinder - fast zwei Drittel - geht jedenfalls nicht in die Schule.“ Es ist daher auch der hohe Bildungsstand des Beschwerdeführers nicht mit den Länderberichten über die Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe in Einklang zu bringen.

Zudem ergibt sich aus den Länderberichten, dass sich die Situation der Gabooye seit der Jahrtausendwende, als diese nicht einmal eine normale Schule haben besuchen können, wesentlich gebessert habe. Das bedeutet, dass es Angehörigen des Clans der Gabooye um die Jahrtausendwende gar nicht möglich war eine normale Schule zu besuchen. Der Beschwerdeführer wurde 1992 geboren. Ausgehend davon, dass er im Alter von 7 oder 8Jahren begonnen habe eine Schule zu besuchen, wäre dies ca. 1999 bzw. 2000 gewesen, sohin um die Jahrtausendwende. Zu diesem Zeitpunkt war es jedoch Angehörigen des Clans der Gabooye gar nicht möglich eine Grundschule zu besuchen. Auch aus diesem Grund sind die Angaben des Beschwerdeführers zur Zugehörigkeit zum Clan der Gabooye oder eines anderen Minderheitenclans nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab im Verfahren zwar an, dass er in Somalia nur zwei Jahre lang die Schule besucht habe, es ist jedoch – wie oben dargelegt – nicht plausibel und nicht glaubhaft. Auch dies lässt erhebliche Zweifel an der von dem Beschwerdeführer angegebenen Clanzugehörigkeit aufkommen.

Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung auch zu konkreten Vorfällen und Diskriminierungen in Somalia aufgrund seiner Clanzugehörigkeit befragt. Der Beschwerdeführer präsentierte hier jedoch nur eine grobe Rahmengeschichte ohne lebensnahe Details. Die Angaben zur behaupteten Clandiskriminierung machen nicht den Eindruck als würde es sich um tatsächlich erlebte Ereignisse handeln. Da Angehörige der Berufsgruppen, und daher auch der Gabooye, gerade im Norden Somalias, der besonders homogen ist, marginalisiert und diskriminiert werden, hätte der Beschwerdeführer diesbezüglich lebensnahe Details über Diskriminierungen und Marginalisierungen im Alltag schildern können müssen, hätte er diesbezüglich tatsächlich Diskriminierungen erlebt. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Clanzugehörigkeit wirken konstruiert und machen nicht den Eindruck, als würden diese tatsächliche Erlebnisse abbilden. So gab er zum Besuch der Schule Folgendes an:

„R: War etwas am Schulbesuch besonders?

BF: Sonst habe ich von den Freunden gelernt und Fernsehen geschaut und auch über Internet gelernt.

R: War etwas am Schulbesuch besonders oder war das eine ganz normale Koranschule?

BF: Meinen Sie den Rassismus, den ich dort erlebt habe, ja das habe ich.

R: Was genau haben Sie erlebt?

BF: Aufgrund des Rassismus habe ich den Besuch der Koranschule abgebrochen.

R: Was genau ist vorgefallen?

BF: Sie haben mich dann alle geschlagen und beschimpft und ich wurde von der Gruppe ausgeschlossen.

R: Können Sie ein bisschen konkreter schildern, welche Vorfälle es gab?

BF: Ich kann mich schon erinnern, dass mich in unserer Gegend alle Kinder geschlagen haben. Keiner hat sie davon abgehalten. Ich habe meiner Mutter davon erzählt. Sie sagte mir, dass man nichts dagegen machen kann. Es war so. Beim Fußballspielen auch.

R: Können Sie konkreter mir Vorfälle schildern?

BF: In der Koranschule haben sie mich beschimpft und gesagt, dass ich ein uneheliches Kind bin, nämlich ein Bastard. Niemand wollte mit mir eine Freundschaft schließen. Ich war ausgeschlossen und wenn ich mich daran erinnere, muss ich weinen.“ (VP Sitzung 10)

Diese Angaben machen nicht den Eindruck als würde es sich um tatsächliche Ereignisse handeln, zumal der Beschwerdeführer immer ausweichend und vage blieb und er selbst auf konkrete Nachfragen keine konkreten Vorfälle nennen konnte. Er wurde auch beim Bundesamt zu seinen Fluchtgründen befragt, zunächst gab er zwar an, dass er aufgrund seiner Clanzugehörigkeit geflohen sei, er machte jedoch ausschließlich Angaben zur behaupteten Mischehe. Er wurde zum Ende der Befragung auch drei Mal gefragt, ob er alle Fluchtgründe angegeben habe, ob er sonst noch etwas vorbringen möchte und ob er auch alle Gründe und Vorfälle, die ihn zum Verlassen seines Heimatlandes veranlasst haben, auch angegeben habe (AS 61). Er gab an, alles gesagt zu haben und, dass er nichts mehr zum Hinzufügen habe. Hier ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer keine Diskriminierungen oder Marginalisierungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit im Alltag angab. Besonders, wenn er in der Verhandlung angab, dass er aufgrund seiner Clanzugehörigkeit beschimpft und geschlagen worden sei, wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch hier noch seine Angaben ergänzt hätte.

Auch unter diesem Aspekt konnte der Beschwerdeführer die Zugehörigkeit zum Clan der Gabooye bzw. eines Minderheitenclans nicht glaubhaft machen.

Nach den Länderberichten gibt es bis auf sehr wenige Waisenkinder in Somalia niemanden, der nicht weiß, woher er oder sie abstammt. Das Wissen um die eigene Herkunft, die eigene Genealogie, ist von überragender Bedeutung, da dieses Wissen zur Identifikation und zur Identifizierung dient. Nach den Länderberichten ist die Clanzugehörigkeit der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis, dieser bestimmt wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird, sodass Somalis ihre exakte Position im Clansystem kennen. Nach den Länderberichten hat die Zugehörigkeit zum Clan aber auch heute noch für Somalier große soziale, wirtschaftliche und politische Bedeutung. Die Clanzugehörigkeit ist auch heute für Somalier im somalischen Kulturraum essentiell und selbst in der Diaspora ist es zumindest nicht irrelevant, sich in diesem System verorten zu können. Jüngere Somalier im urbanen Raum oder in der Diaspora sind heute häufig nur noch in der Lage, ihre Clanzugehörigkeit bis zur Stufe Sub-Clan sowie vier oder fünf Generationen im Abtirsiimo (Abstammungslinie) aufzuzählen. Es kommt aber selbst bei jungen Somaliern in der Diaspora nicht vor, dass sie gar keine Ahnung von ihrem Clan und ihrem Abtirsiimo haben. Sogar wenn sie sich für das Clansystem nicht interessieren, können sie zumindest ihren Clan und Sub-Clan sowie den Abtirsiimo bis zum Urgroßvater nennen. Aufgrund der großen sozialen Bedeutung sind Somalier selbst in der Diaspora in der Lage, ihren Jilib zu identifizieren. Fast alle Somalier kennen zumindest ihren Clan-Ältesten auf der Stufe Jilib (Focus Somalia, Clans und Minderheiten, Sitzung 24).

Hier fällt zum einen auf, dass der Beschwerdeführer zwar seinen Hauptclan und zwei Subclans benennen konnte (sohin auch seinen Jilib), er jedoch keine Angaben zu seinem Clanältesten machen konnte. Wenn der Beschwerdeführer seinen Jilib kennt und in Somalia gelebt hat, müsste ihm jedenfalls auch sein Clanältester bekannt sein und müsste er dazu auch Angaben machen können. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Clan sind daher auch aus diesem Grund nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab jedoch auch an, dass seine Pflegemutter dem Clan der Isaaq angehören würde (VP Sitzung 21), er wisse auch nicht wer seine Eltern waren und woher er eigentlich abstamme. Die Ziehmutter habe ihm nur gesagt, dass er Gabooye sein müsse, da er in einem Stadtteil der Gabooye gefunden worden sei, mehr habe seine Ziehmutter auch nicht gewusst (VP Sitzung 22). Dies ist jedoch nicht damit in Einklang zu bringen, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht neben dem Hauptclan Gabooye noch einen Sub-Clan und einen Sub-Sub-Clan angegeben hat. Wäre er ein Waisenkind und würde er nichts über die Abstammung seiner Eltern wissen, so könnte er auch weder den Sub-Clan noch einen Sub-Sub-Clan angeben. Die Angaben des Beschwerdeführers zu einer Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan sind daher widersprüchlich und nicht glaubhaft.

Es ist auch nicht plausibel, dass die Ziehmutter ein Kind in einem Stadtteil der Gabooye finden und aufziehen sollte, wenn diese tatsächlich Angehörige des Clans der Isaaq ist. Nach den Länderberichten ist gerade für Angehörige des Clans der Isaaq die Reinheit des Clans von besonders großer Bedeutung, sodass diese Mischehen auch vehement ablehnen. Es ist daher auch nicht glaubhaft, dass eine Angehörige des Clans der Isaaq in den 1990er Jahren in einem Viertel der Gabooye aufhältig gewesen wäre oder ein Baby der Gabooye zu sich genommen hätte. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Clan und seiner Abstammung sind widersprüchlich und nicht glaubhaft.

Den Länderberichten ist zudem zu entnehmen, dass andere Somalier, die diesem Clan (Gabooye/Madhiban) nicht angehören, aufgrund der wahrgenommenen Bevorzugung der berufsständischen Gruppen im Asylverfahren in westlichen Staaten dazu übergegangen sind, sich als Angehörige von Berufsgruppen auszugeben. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer versucht, seine Zugehörigkeit zu einem Mehrheitsclan zu verschleiern, um seine Chancen im Asylverfahren zu erhöhen.

Die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Clan der Gabooye oder zu einem anderen Minderheitenclan ist daher aus den oben angeführten Gründen nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer ist tatsächlich Angehöriger eines Mehrheitsclans, er versucht dies im Asylverfahren durch unrichtige Angaben zu seiner Clanzugehörigkeit zu verbergen. Da es mehrere Mehrheitsclans in Nordsomalia gibt, konnte nicht festgestellt werden welchem Clan der Beschwerdeführer tatsächlich angehört.

2.1.6. Das Gericht geht zudemdavon aus, dass die Ziehmutter des Beschwerdeführers seine tatsächliche leibliche Mutter ist, sodass diese Feststellung getroffen wurde. Der Beschwerdeführer gab nämlich auch an, dass ihm nahe und entfernte Verwandte bei der Ausreise, nämlich bei der Beschaffung von finanziellen Mitteln unterstützt hätten (VP Sitzung 12). Ausgehend davon wäre anzunehmen, dass der Beschwerdeführer noch nahe und entfernte Verwandte in Somalia hat und, dass er kein Waisenkind war, dessen Abstammung gänzlich ungeklärt geblieben ist. Das Gericht geht daher davon aus, dass seine Pflegemutter tatsächlich seine leibliche Mutter ist und er daher über diese auch noch eine Schwester, Cousinen, einen Cousin und Neffen und Nichten (sohin nahe und entfernte Verwandte) in Somalia hat.

2.1.7. Dass der Beschwerdeführer in Hargeysa (AS 17, 21) geboren wurde und dort bei seiner Mutter aufgewachsen ist (AS 57), ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der Erstbefragung. Er machte zu seinem Herkunftsort und zu seinem Geburtsort im Verfahren jedoch auch widersprüchliche Angaben. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er in einem kleinen Ort namens römisch 40 in der Nähe von Hargeysa geboren sei, nach drei Jahren sei er wegen Clandiskriminierungen in einen Ort namens römisch 40 gezogen und nach weiteren sieben Jahren sei er nach römisch 40 (einem Vorort bzw. ein Stadtteil in der Stadt Hargeysa) gezogen (VP Sitzung 8, Sitzung 11). In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass sein Wohnsitz in Somalia in der Stadt Hargeysa im Bezirk römisch 40 gewesen wäre. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung auch an, dass er überwiegend in Hargeysa aufgewachsen sei, nachdem der Krieg 1991 ausgebrochen sei, habe er jedoch mit seiner Familie flüchten müssen und sie haben dann in einem Flüchtlingslager gelebt (VP Sitzung 11). In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der Beschwerdeführer als Geburtsjahr 1992 angegeben hat, also ein Jahr nach dem Kriegsausbruch, dass er mit seiner Familie daher zunächst in Hargeysa gelebt habe und diese dann mit ihm wegen dem Krieg 1991 geflüchtet sei, ist nicht mit seinem Geburtsdatum in Einklang zu bringen. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort und seinem Heimatort sind hier nicht in Einklang zu bringen und daher nicht glaubhaft.

Auch will der Beschwerdeführer im Ort römisch 40 geboren worden sein, dort bis zu seinem zweiten oder dritten Lebensjahr gelebt haben und anschließend in den Ort namens römisch 40 gegangen sein, wo er sieben Jahre lang gelebt habe, dann sei er nach römisch 40 gezogen, einem Vorort von Hargeysa, wo er bis zur Ausreise gelebt habe (VP Sitzung 11). Diese Angaben des Beschwerdeführers widersprechen nicht nur seinem bisherigen Vorbringen im Laufe des Verfahrens, sondern insbesondere seinen eigenen Angaben zu der Liebesbeziehung mit dem Mädchen und deren Aufenthaltsorten und diese sind daher ebenfalls als unglaubhaft zu werten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). In Zusammenschau ist daher davon auszugehen, dass die ursprünglichen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung zu seinem Geburts- und Heimatort Hargeysa auch vor dem Hintergrund der in der erstmals in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht getätigten diesbezüglichen widersprüchlichen Angaben, als glaubhaft zu werten sind, zumal der Beschwerdeführer selbst Stadtteile/Teilgebiete von Hargeysa nennen konnte, welche einem Ortsunkundigen in dieser Detailliertheit wohl nicht möglich wäre.

Es war daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer in der Stadt Hargeysa geboren wurde und auch dort aufgewachsen ist.

2.1.8. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Ausreise aus Somalia und seiner Einreise nach Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt. Das Gericht hat keine Veranlassung an diesen nachvollziehbaren Angaben zu zweifeln (AS 17 ff., 23, 25), zumal aufgurnd der Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers über die somalische Sprache davon auszugehen ist, dass er tatsächlich aus Somalia stammt. Die Angaben zum Ausreisedatum waren jedoch widersprüchlich und daher nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung an, dass er Mitte 2020 Somalia verlassen haben (AS 23). Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer jedoch einmal an, dass er am 27.01.2019 in die Türkei geflogen sei (AS 58). Er gab beim Bundesamt jedoch auch an, dass er am 28.11. bzw. am 29.11.2018 aus Somalia ausgereist sei. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Ausreisedatum sind nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung an, dass er sich seit Jänner 2022 in Österreich aufhalte, davor habe er 7 Monate in Serbien, 2 Wochen in Mazedonien, 7 Monate in Griechenland und 2 Monate in der Türkei aufgehalten (sohin insgesamt ca. 17 Monate, AS 25). Ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer 17 Monate für die Reise nach Österreich gebraucht hat und er im Jänner 2022 in Österreich angekommen ist, ist eine Ausreise Mitte 2020 plausibel. Er gab in der Erstbefragung auch an, dass er vor ca. 1,5 Jahren den Entschluss zur Ausreise gefasst habe, sohin ca. Mitte 2020. Es ist daher auch unter diesem Aspekt nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer vor Mitte 2020 Somalia verlassen hätte. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer erst Mitte 2020 Somalia verlassen hat, sodass dies auch festzustellen war.

2.1.9. Die Feststellungen zu seiner Arbeitsfähigkeit ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Er gab selber an, dass er arbeiten gehen kann. Er habe zwar Diabetes, aber trotzdem könne er arbeiten gehen (VP Sitzung 15).

2.1.10. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers sowie zu seiner Arbeitsfähigkeit stützen sich auf seine Angaben in der Beschwerdeverhandlung und die vorgelegten medizinischen Unterlagen. Aus denen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer an einem Alkoholabusus sowie an einem Prediabetes leidet, auch die Schilddrüsenwerte deuten auf eine mögliche Schilddrüsenunterfunktion hin. Anhaltspunkte für sonstige psychische Erkrankungen, wie Depressionen oder Suizidgefährdung, haben sich aus den medizinischen Unterlagen der behandelnden Ärztin (OZ 16) nicht ergeben.

Die Feststellungen betreffend sein Alkoholverhalten in Österreich ergeben sich zum einen aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung sowie aus der schriftlichen Mitteilung seines Betreuers (OZ 10). Dass eine Alkoholerkrankung in Hargeysa behandelbar ist, ergibt sich aus den Länderberichten.

2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer konnte seine Fluchtgründe aus nachstehenden Gründen nicht glaubhaft machen.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zu Beginn der Verhandlung angab, dass er die bisherigen Dolmetscher nicht so gut verstanden habe und, dass er sich auch nicht erinnern könne, ob er überhaupt Rückübersetzungen erhalten habe. Die Dolmetscherin gab in der Verhandlung an, dass der Beschwerdeführer einen Nordsomalischen Dialekt spricht, der Dolmetscher in der Erstbefragung diesen jedenfalls verstanden habe, da dies ein sehr erfahrener Dolmetscher ist (VP Sitzung 7). Es ist daher für das Gericht nicht plausibel, dass es bei den bisherigen Einvernahmen zu Verständigungsproblemen gekommen sein soll. Zudem ist sowohl der Erstbefragung als auch der Einvernahme vom Bundesamt zu entnehmen, dass die Angaben des Beschwerdeführers rückübersetzt wurden (AS 29, 63). Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt auch selber an, dass er den Dolmetscher sehr gut verstehe (AS 54), er keine Probleme in der Befragung hatte und auch alles richtig und vollständig protokolliert wurde (AS 63). Das Gericht geht daher davon aus, dass es tatsächlich bei den bisherigen Einvernahmen keine Verständigungsschwierigkeiten gab und die Protokolle auch die tatsächlichen Angaben des Beschwerdeführers vollständig und richtig wiedergeben.

Es werden daher alle Protokolle der Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

2.2.1. Der Beschwerdeführer ist nicht Angehöriger des Clans der Gabooye oder eines anderen Minderheitenclans. Er ist tatsächlich Angehöriger eines Mehrheitsclans (wie oben bereits ausgeführt). Bereits dies macht die Fluchtgründe unglaubhaft, da zentrales Element einer Mischehe bzw. Interclanbeziehung die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu einem Minderheitenclan wäre. Es sind daher die Fluchtgründe bereits aufgrund dieses Umstandes nicht glaubhaft.

2.2.2. In der Erstbefragung (AS 17 ff.) gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, dass er nicht gewusst habe, dass er ein Waisenkind sei, bis er sich in ein Mädchen verliebt habe und von deren Angehörigen mit dem Tode bedroht worden sei, auch das Mädchen habe ihn als Waisenkind beschimpft (AS 27). Vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass er über 4 Jahre eine Beziehung mit dem Mädchen geführt habe bzw. habe er diese auch geheiratet. Dass er von dem Mädchen beschimpft worden sei, brachte er vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung gar nicht mehr vor. Tatsächlich habe das Mädchen, nachdem sie von der Familie getrennt worden wären, Selbstmord begangen (AS 58). Auch hier zeigt sich, dass der Beschwerdeführer gänzlich unterschiedliche Fluchtgeschichten präsentiert, die jedenfalls widersprüchlich sind.

Diesbezüglich wird weder die seitens der Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts hierüber bereits aufgezeigten Bedenken gegen die Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung vergleiche etwa VfGH vom 20. Februar 2014, U 1919/2013-15, U 1921/2013-16, und E vom 28.Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018) übersehen noch, dass sich die Erstbefragung gemäß Paragraph 19, Absatz eins, AsylG nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Dennoch sind die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen widersprüchlich und daher nicht glaubhaft.

2.2.3. Auch die sonstigen Angaben des Beschwerdeführers zur Beziehung mit dem Mädchen waren aus nachstehenden Gründen unplausibel und widersprüchlich.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass er von Oktober 2014 bis Jänner 2018 (AS 58) eine Beziehung mit dem Mädchen gehabt hätte. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass er das Mädchen erst im April 2015 kennen gelernt habe. (VP Sitzung 19). Am 23.02.2017 habe er das Mädchen auch geheiratet (VP Sitzung 19). Dann habe er mit dem Mädchen im Dorf römisch 40 gelebt. Nach 1-2 Wochen bzw. im Frühjahr sei er von den Brüdern und vom Onkel des Mädchens angegriffen worden und drei Monate später sei er aus Somalia ausgereist (VP Sitzung 20). Bereits hier fällt auf, dass die Angaben des Beschwerdeführers auch zeitlich nicht in Einklang zu bringen sind. Es müsste dem Beschwerdeführer jedenfalls erinnerlich sein, wie lange er eine Beziehung hatte, wann er geheiratet hat und wann er angegriffen wurde. Die Angaben des Beschwerdeführers sind daher auch aus diesem Grund nicht glaubhaft.

Ausgehend von den vom Beschwerdeführer in der Verhandlung angegebenen Daten, müsste dieser ca. Mitte 2017 Somalia verlassen haben (Angriff im Frühjahr 2017 und Ausreise ca. drei Monate später). Auch dies ist nicht mit seinen Angaben in der Erstbefragung in Einklang zu bringen, wonach er Mitte 2020 den Entschluss gefasst habe Somalia zu verlassen und er auch Mitte 2020 aus Somalia ausgereist ist. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind daher widersprüchlich und nicht glaubhaft.

2.2.4. Es ist zudem nicht plausibel, dass er vier Jahre lang eine Beziehung zu einem Mädchen in Somalia gehabt habe, so dass es weder ihre Verwandten noch sonst irgendjemand mitbekommen hätte. Es ist in der clanorientierten und nach dem Islam geprägten Gesellschaft in Somalia für ein Mädchen bzw. eine Frau eines Mehrheitsclans (AS 58) schlicht unrealistisch und daher unglaubhaft, dass diese über vier Jahre heimlich eine außereheliche Beziehung führen würde.

2.2.5. Auch die weiter vom Beschwerdeführer genannten Fluchtereignisse aus Hargeysa im Jänner 2018 sind nicht glaubhaft: so seien beide in ein 40km entferntes Dorf gegangen um dort zu heiraten und ein neues Leben aufzubauen, da dieses Dorf berühmt dafür sei, heimlich zu heiraten (AS 58). Alleine diese Angabe des Beschwerdeführers ist nicht glaubhaft, denn weshalb zwei Heiratswillige aus einer Großstadt mit ca. 1,2 Millionen Einwohnern – wo sie jederzeit hätten untertauchen können – in ein Dorf ( römisch 40 ) mit einigen Hütten/Häusern fliehen sollten, ist nicht nachvollziehbar, insbesondere da dieses Dorf nach Eigenaussage des Beschwerdeführers „berühmt“ für Heiratswillige sei und etwaige Verwandte des Mädchens wohl erst recht dort zuerst gesucht hätten.

Auch hier zeigt sich die Widersprüchlichkeit der Angaben des Beschwerdeführers, denn entweder, sie haben am 23.02.2017 im Dorf geheiratet (siehe 2.2.2.1; VP Sitzung 19) oder beide befanden sich bis Jänner 2018 in Hargeysa und sind erst dann in das Dorf geflohen um dort zu heiraten (AS 58), beides ist nicht möglich und daher sind auch die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers unglaubhaft. Auch hier entsteht für das erkennende Gericht der Eindruck, als versuche der Beschwerdeführer durch nicht stimmige und widersprüchliche Angaben eine Fluchtgeschichte zu konstruieren.

2.2.6. Der Beschwerdeführer gab auch an, dass am 25.05.2018 vier Angehörige des Mädchens in das Dorf gekommen seien, sie hätten das Mädchen mitgenommen und ihn im Gesicht und an den Füßen verletzt (AS 58). Der Beschwerdeführer gab jedoch auch an, dass er und das Mädchen am 23.02.2017 in dem Dorf geheiratet hätten und die Angehörigen seien bereits knapp 2 Wochen später gekommen, sohin im März 2017. Auch hier ist beides nicht möglich und daher unglaubhaft, denn es ist auch hier dem Beschwerdeführer zumutbar, Angaben darüber zu machen, ob die behaupteten Ereignisse mit den Familienangehörigen des Mädchens mehrere Monate (von Jänner 2018 bis 25.05.2018) oder wenige Tage (von 23.02.2017 bis ca. 2 Wochen) nach der Ankunft im Dorf stattgefunden haben sollen.

2.2.7. zudem ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seine diesbezüglichen Angaben im gesamten Verfahren, insbesondere vor dem Bundesamt aber auch in der mündlichen Verhandlung, lediglich vage und unkonkret hielt und diese nur auf Nachfragen weiter konkretisierte. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht präsentierte der Beschwerdeführer – trotz wiederholter Aufforderung, sein Vorbringen von sich aus und möglichst detailliert zu schildern (VP Sitzung 18f) – bloß eine grobe und allgemein gehaltene Rahmengeschichte, die er erst auf Nachfragen näher darlegte. Selbst auf Nachfragen blieben die Angaben des Beschwerdeführers weitgehend vage und ausweichend, er machte folgende Angaben zu seinen Fluchtgründen:

„R: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend und detailliert alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können und welche Fluchtgründe Sie haben. Sie haben nun ausreichend Zeit Ihre Beschwerdegründe detailliert darzulegen (freie Erzählung):

BF: Ich habe mich in eine Frau verliebt, die einem Mehrheitsclan angehört. Weil man uns auseinander gebracht hat, hat die Frau sich verbrannt und mir wurden Verletzungen zugefügt.

BF schweigt.

R: Können Sie bitte chronologisch und ausführlich darlegen, was in Somalia konkret passiert ist?

BF: Es ist schwierig, darüber zu sprechen. Ich habe viele Probleme erlebt. Es war meine große Liebe.

R: Wann haben Sie dieses Mädchen kennengelernt?

BF: April, ich glaube 2015 ist das gewesen.

R: Wie ging es dann mit dem Mädchen weiter?

BF: Wir haben dann heimlich unsere Beziehung geführt, weil sonst hätte man uns beide getötet. Als ihre Familie das mitbekommen hat, haben ihre Brüder und Onkel uns Probleme gemacht. Wir sind dann gemeinsam fortgegangen. Wir wollten dann heimlich heiraten. Dann ist man zu uns gekommen und hat uns erwischt. Sie wurde geschlagen. Mir wurden viele Verletzungen zugefügt. Sie haben sie dann mitgenommen und später habe ich gehört, dass sie sich selbst verbrannt hat. Dann ist sie daran gestorben. Mir ist es sehr schlecht gegangen, als ich das gehört habe.“ (VP Sitzung 18-19)

Hier zeigt sich, dass der Beschwerdeführer keine konkreten und lebensnahen Details nennen konnte, seine Angaben blieben ausweichend und vage. Die Schilderungen machen nicht den Eindruck, dass es sich um tatsächlich erlebte Ereignisse handeln würde.

2.2.8. Zudem gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung auch an, dass er ledig sei (AS (AS 17). Hätte er im Februar 2017 oder auch 2018 geheiratet und habe sich das Mädchen danach umgebracht, so wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als Familienstand wohl verwitwet angegeben hätte. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass sich die vom Beschwerdeführer angegebenen Fluchtereignisse tatsächlich nicht zugetragen haben.

2.2.9. Das erkennende Gericht geht daher aufgrund der oben aufgezeigten Widersprüche, Steigerungen und Unplausibilitäten davon aus, dass sich die vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle nicht ereignet haben. Der Beschwerdeführer gehört selber einem Mehrheitsclan an, er hat in Somalia keine Beziehung oder gar eine Ehe mit einem Mädchen geführt und es gab in diesem Zusammenhang auch keine Verfolgungshandlungen irgendwelcher Art gegeben den Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer war auch zu keinem Zeitpunkt in eine Blutfehde verwickelt.

2.2.10. Dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Somalia weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch irgendwelche Akteure droht, ergibt sich daraus, dass gar keine Verfolgungshandlungen von welchem Akteur auch immer feststellbar waren und auch keine potenziellen Verfolgungshandlungen feststellbar sind.

2.2.11. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er 2011 das erste Mal Alkohol konsumiert habe, er habe dies in Somalia am Schwarzmarkt erworben. Erst seit er in der Türkei sei, habe er begonnen vermehrt Alkohol zu konsumieren, in Somalia habe er eher Khat konsumiert (VP Sitzung 18).

Der Beschwerdeführer machte zu seinem Alkoholkonsum in Somalia jedoch unterschiedliche Angaben, sodass das Gericht davon ausgeht, dass er in Somalia noch keinen Alkohol konsumiert hat und er deswegen weder verurteilt wurde noch eingesperrt wurde. Er gab zunächst in der mündlichen Verhandlung an, dass er in Somalia nicht verurteilt wurde (VP Sitzung 18). Dies revidierte er jedoch auf weitere Nachfrage dahingehend, dass er in Somalia doch wegen Alkoholkonsums verurteilt worden sei. Vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer auch an, dass er in Somalia noch unbescholten sei (AS 57). Die Angaben des Beschwerdeführers sind widersprüchlich und nicht in Einklang zu bringen. Es müsste dem Beschwerdeführer jedoch in Erinnerung sein, ob er in Somalia von einem Gericht verurteilt worden ist und er deshalb eineinhalb Jahre im Gefängnis gewesen wäre. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer in Somalia noch keinen Alkohol konsumiert hat und daher auch dort nicht verurteilt worden ist oder im Gefängnis war, sondern er erst in der Türkei begonnen hat Alkohol zu konsumieren.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

2.4.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Somalia ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und aus den o.a. Länderberichten.

Die sichere Erreichbarkeit von Somaliland bzw. Hargeysa ist über den Flughafen von Hargeysa gewährleistet. Dieser Flughafen ist über den internationalen Flughafen in Mogadischu oder per Linienflug aus Dubai, Jeddah, Addis Abeba und Dschibuti erreichbar. Rückführungen werden aber meist über Mogadischu mit Weiterreise nach Hargeysa durchgeführt. Es finden keine Einreise- oder Ausreisekontrollen an den Grenzen statt.

Die Sicherheitslage in Somaliland ist stabil. Überhaupt ist Somaliland der stabilste Teil Somalias. Es gibt eine funktionierende Wirtschaft mit eigener Währung, eine eigene Regierung, eine Polizei und ein eigenes Rechtssystem. Es ist dort auch vergleichsweise friedlich. Friede und politische Stabilität wurden 1997 erlangt. Die Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle und Souveränität aus und kann dort regieren und Vorhaben umsetzen. Nur das Randgebiet zu Puntland und einige sehr entlegene ländliche Gebiete sind davon ausgenommen. Hinsichtlich der Stadt Hargeysa ist das größte Sicherheitsrisiko ein Verkehrsunfall. Die Behörden gewährleisten dort die Sicherheit der Bevölkerung, es gibt keine großen Probleme mit Raub oder Mord. Generell ist Kriminalität kein großes Problem im täglichen Leben.

Die Sicherheitskräfte können in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa, Berbera, Borama und Burco. Diese Gebiete sind relativ sicher. Somaliland ist damit das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler.

Mit Stand September 2023 befanden sich ca. 2,8 Millionen Menschen in IPC-Stufe 3 (17 % der Bevölkerung); ca. 920.000 in Stufe 4 (5 %) und keine in Stufe 5 (Hungersnot). Zusammen mit den rund 5,6 Millionen in IPC 2 ist die Hälfte der Gesamtbevölkerung von 17 Millionen Menschen Ernährungsunsicherheit ausgesetzt. Somalia erholt sich aufgrund der letzten Regenzeit von der Dürre 2022/2023. Für die urbane Bevölkerung in Hargeysa gilt mittlerweile nur noch IPC-Stufe 2 (stressed), für IDP-Lager in Hargeysa gilt IPC-Stufe 3 (crisis) (siehe Bericht FEWS und IPC). Es hat sich daher auch die Nahrungsmittelunsicherheit in Hargeysa ansprechend stabilisiert. Dadurch, dass der Beschwerdeführer in Hargeysa über ein familiäres Netzwerk verfügt und die finanzielle Situation seiner Familie gut ist, er erwerbsfähig ist und er auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann, ist er nicht von einer Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Er kann auch weiterhin bei seiner Mutter in Hargeysa wohnen, sodass er sich nicht in einem IDP-Camp ansiedeln muss. Er kann auch bei einer Suche nach einer Arbeit oder einer Therapie wegen seinem Alkoholkonsum von seiner Familie unterstützt werden.

2.4.2. Ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen ist für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist. Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration hängt in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person ab. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem, wenn sie aus dem Westen zurückkehren. Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise; die Dauer der Abwesenheit; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht.

Da der Beschwerdeführer in Hargeysa geboren ist und dort bis zu seiner Ausreise gelebt hat, ist er mit den somalischen Gepflogenheiten vertraut. Zudem spricht er Somalisch als Muttersprache, kann auf Somalisch lesen und schreiben und verfügt über umfassende Schulbildung sowie Berufserfahrung. Er ist in der Stadt Hargeysa aufgewachsen und hat dort bis zu seiner Ausreise gelebt, sodass ihm städtische Strukturen bekannt sind und er auch über Ortskenntnisse verfügt. Er kann sich daher wieder in der Stadt Hargeysa zurechtfinden.

Der Beschwerdeführer kann bei einer Rückkehr nach Hargeysa wieder im Haus seiner Mutter wohnen. Er hat in Hargeysa ein familiäres Netzwerk, bestehend aus seiner Mutter, einer Schwester, einem Cousin und zwei Cousinen sowie Nichten und Neffen. Er kann daher von seiner Familie bei der Suche nach einer Arbeit unterstützt werden. Der Beschwerdeführer kann in Hargeysa selbst einer Arbeit nachgehen und sich den Lebensunterhalt verdienen, wie er es bereits vor seiner Ausreise getan hat. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Der Beschwerdeführer kann zudem von seinem Clan unterstützt werden.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten und ist arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer leidet an Prediabetes. Er war diesbezüglich schon in Somalia in Behandlung und hat dort auch regelmäßig Tabletten eingenommen, zudem ist Diabetes in Somalia, insbesondere in Hargeysa behandelbar. Auch der Alkoholabusus ist in den großen Krankenhäusern des Landes stationär behandelbar (Beilage ./V), und dieser kostet ca. 200 USD. Die Verwandten kümmern sich nach diesem Bericht auch um Alkoholabhängige um diese vor einem Rückfall zu bewahren. Der Beschwerdeführer kann daher auch in Hargeysa, durch Unterstützung seiner Verwandten, eine diesbezügliche Behandlung durchführen lassen, sofern eine solche Behandlung in Österreich noch nicht abgeschlossen wäre. Wenn in der Stellungnahme seines Betreuers (OZ 10) nun von eigen- und fremdgefährdenden Verhalten im Zusammenhang mit dem Alkoholabusus des Beschwerdeführers die Rede ist, so ist dazu anzumerken, dass eine psychische Erkrankung hinsichtlich der Eigen- und Fremdgefährdung der ärztlichen Stellungnahme (OZ 16) jedoch nicht zu entnehmen ist. Zudem ist für das Gericht auch nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführertatsächlich suizidgefährdet wäre. Seine Überlegungen sein Leben zu beenden traten ausschließlich in Zusammenhang mit einer sehr starken Alkoholisierung auf, am nächsten Tag kann sich der Beschwerdeführer an diese Vorfälle auch nicht mehr erinnern. Eine psychische Erkrankung – abgesehen vom Alkoholabusus – ist für das Gericht daher nicht ersichtlich.

Es ist für das Gericht auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in Hargeysa Gefahr laufen würde, dass er in Ketten gelegt werden würde. Der Beschwerdeführer ist üblicherweise einsichtig und umgänglich. Er kann sich in Hargeysa betreffend seine Alkoholerkrankung behandeln lassen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer an einer nach außen hin wahrnehmbaren psychischen Erkrankung leiden würde (siehe EUAA-Leitlinien).

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten, in der Stadt Hargeysa ansiedeln kann und sich dort wieder eine Existenz aufbauen kann. Es ist dem Beschwerdeführer daher möglich sich in Hargeysa anzusiedeln und sich dort – nach anfänglichen Schwierigkeiten – ein Leben ohne unbillige Härten aufzubauen und allfällige Erkrankungen auch in Hargeysa behandeln zu lassen.

2.5. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer und -titel, seinen rudimentär vorhandenen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage vergleiche insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und den im Verfahren vorgelegten Unterlagen betreffend seine Integration.

Die Feststellungen zu den geringen Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich dadurch, dass der Beschwerdeführer selber angab nur ein bisschen Deutsch zu sprechen (VP Sitzung 14) und er bisher lediglich einen Deutschkurs für das Niveau A0.3 und A1.1 besucht hat (AS 67; OZ 5; VP Sitzung 14).

Dass der Beschwerdeführer weder Verwandte noch wesentliche freundschaftliche Kontakte in Österreich hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung (VP Sitzung 16). Dass kein Abhängigkeitsverhältnis besteht, ergibt sich daraus, dass ein solches nicht vorgebracht werden konnte, bzw. ein solches auch für die erkennende Gerichtsabteilung in der Verhandlung nicht hervorgekommen ist.

Die Feststellung zur Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I). Die Feststellungen zu den Verwaltungsübertretungen ergeben sich aus den Ausführungen seines Betreuers (OZ 10).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.      Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. Paragraph 3, Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

Paragraph 3, (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1.              dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder
2.              der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat.

…“

3.1.2. Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht.

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.3. Es wurde weder eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch die somalische Regierung oder andere Personen festgestellt. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle haben sich nicht ereignet. Er ist keine Mischehe eingegangen und wurde nicht von anderen Clanangehörigen oder von anderen Personen bedroht, angegriffen oder verletzt. Er war in keine Blutfehde verwickelt. Er wird auch nicht verdächtig gegen die Scharia verstoßen zu haben oder ein unislamisches Verhalten an den Tag gelegt zu haben. Er wurde auch bisher nicht wegen dem Konsum von Alkohol in Somalia verurteilt oder deswegen eingesperrt, er hat mit dem Konsum von Alkohol erst in der Türkei begonnen.

Der Beschwerdeführer gehört einem Mehrheitsclan an, er ist kein Angehöriger eines Minderheitenclans. Er kann in Somalia auch auf den Schutz seines Clans zurückgreifen.

Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht.

3.1.5. Da insgesamt weder eine individuell-konkrete Verfolgung, eine Gruppenverfolgung oder Verfolgungsgefahr noch eine begründete Furcht festgestellt wurden, liegen die Voraussetzungen des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG nicht vor.

Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zu Somalia erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.

3.1.6. Auch die Durchsicht der UNHCR-Richtlinien sowie der EUAA-Leitlinien ergeben beim Beschwerdeführer kein Risikoprofil, dass eine konkrete asylrelevante Verfolgung beim Beschwerdeführer aufzeigen würde, zumal der Beschwerdeführer einem Mehrheitsclan angehört und er in Somalia auch nicht in eine Blutfehde verwickelt war.

Nach den EUAA Leitlinien besteht nicht für alle Personen mit Behinderung oder schweren Erkrankung eine hinreichend große Gefahr, um eine begründete Furcht vor Verfolgung festzustellen. Maßgebliche individuelle Faktoren können unter anderem die Art und Sichtbarkeit einer geistigen oder körperlichen Behinderung, eine negative Wahrnehmung durch die Familie und die Gemeinschaft sowie die fehlende Unterstützung durch ein soziales Netz sein.

Der Beschwerdeführer leidet an einem Alkoholabusus, jedoch an keinen anderen sonstigen psychischen Erkrankungen oder Beschwerden. Es liegt hier daher keine Erkrankung vor, die ihn nach außen hin für andere Personen wahrnehmbar stigmatisieren würde. Der Beschwerdeführer ist auch einsichtig, dass er ein Alkoholproblem hat und er würde jedenfalls auch an einer stationären Therapie teilnehmen. Er würde daher gleich bei der Ankunft nach Somalia eine solche Therapie antreten.

Es gibt in Somalia auch die Praxis, dass aggressive Patienten mit psychischen Erkrankungen angekettet werden. Auch wegen der fehlenden öffentlichen Gesundheitsinfrastruktur ist es weit verbreitet, dass solche Personen an einen Baum gekettet oder innerhalb ihrer Häuser angehalten würden. Der Beschwerdeführer tritt jedoch üblicherweise (abgesehen davon, wenn er stark alkoholisiert ist) nicht aggressiv auf, es gibt daher für das Gericht keinen Grund, dass der Beschwerdeführer in Somalia angekettet werden würde. Zudem ist es in Somalia möglich, dass alkoholabhängige Menschen in einem großen Krankenhaus – wie in Hargeysa – sich einem professionellen Entzug unterziehen. Ein Krankenhausaufenthalt für einen Monat für einen Alkoholentzug kosten ca. 200 USD. Es gibt in Somalia keine soziale Infrastruktur, die ehemals Abhängigen hilft, dass sie die Abstinenz durchhalten (Anfragebeantwortung ACCORD - Beilage ./V), jedoch kann der Beschwerdeführer auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen. Da beim Beschwerdeführer nicht die Gefahr besteht, dass er angekettet oder unmenschlich behandelt werden würde, er auf die Unterstützung seiner Familie und seines Clans zurückgreifen kann und professionelle Behandlungsmöglichkeiten in großen Krankenhäusern in Hargeysa vorhanden sind, ist auch betreffend den Alkoholmissbrauch des Beschwerdeführers keine asylrelevante Verfolgung in Somalia gegeben.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG abzuweisen.

3.2.      Zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

3.2.1. Paragraph 8, AsylG lautet auszugsweise:

„Status des subsidiär Schutzberechtigten

Paragraph 8, (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1.           der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.           dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.

3.2.2. Gemäß Artikel 2, Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573).

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH vom 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird vergleiche EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).

Es obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht für den Asylwerber nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu berufen (VwGH vom 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0307; VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134).

3.2.3. Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Somalia im Hinblick auf die regional differenzierende Sicherheitslage auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts wieder in seine Heimatstadt Hargeysa zurückkehren:

Die sichere Erreichbarkeit von Hargeysa ist über den Flughafen von Hargeysa gewährleistet. Dieser Flughafen ist über den internationalen Flughafen in Mogadischu oder per Linienflug aus Dubai, Jeddah, Addis Abeba und Dschibuti erreichbar. Rückführungen werden aber meist über Mogadischu mit Weiterreise nach Hargeysa durchgeführt. Es finden keine Einreise- oder Ausreisekontrollen an den Grenzen statt.

Die Sicherheitslage in Somaliland ist stabil. Überhaupt ist Somaliland der stabilste Teil Somalias. Es gibt eine funktionierende Wirtschaft mit eigener Währung, eine eigene Regierung, eine Polizei und ein eigenes Rechtssystem. Es ist dort auch vergleichsweise friedlich. Friede und politische Stabilität wurden 1997 erlangt. Die Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle und Souveränität aus und kann dort regieren und Vorhaben umsetzen. Nur das Randgebiet zu Puntland und einige sehr entlegene ländliche Gebiete sind davon ausgenommen. Hinsichtlich der Stadt Hargeysa ist das größte Sicherheitsrisiko ein Verkehrsunfall. Die Behörden gewährleisten dort die Sicherheit der Bevölkerung, es gibt keine großen Probleme mit Raub oder Mord. Generell ist Kriminalität kein großes Problem im täglichen Leben. Die Sicherheitskräfte können in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Stadt Hargeysa, diese ist relativ sicher. Somaliland ist damit das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler.

Mit Stand September 2023 befanden sich ca. 2,8 Millionen Menschen in IPC-Stufe 3 (17 % der Bevölkerung); ca. 920.000 in Stufe 4 (5 %) und keine in Stufe 5 (Hungersnot). Zusammen mit den rund 5,6 Millionen in IPC 2 ist die Hälfte der Gesamtbevölkerung von 17 Millionen Menschen Ernährungsunsicherheit ausgesetzt. Somalia erholt sich aufgrund der letzten Regenzeit von der Dürre 2022/2023. Für die urbane Bevölkerung in Hargeysa gilt mittlerweile nur noch IPC-Stufe 2 (stressed), für IDP-Lager in Hargeysa gilt IPC-Stufe 3 (crisis). Es hat sich daher auch die Nahrungsmittelunsicherheit in Hargeysa ansprechend stabilisiert. Dadurch, dass der Beschwerdeführer in Hargeysa über ein familiäres Netzwerk verfügt und die finanzielle Situation seiner Familie gut ist, er erwerbsfähig ist und er auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann, ist er nicht von einer Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Er kann auch weiterhin bei seiner Mutter in Hargeysa wohnen, sodass er sich nicht in einem IDP-Camp ansiedeln muss. Er kann auch bei einer Suche nach einer Arbeit oder einer Therapie wegen seinem Alkoholkonsum von seiner Familie unterstützt werden.

Im konkreten Fall ist nicht ersichtlich, dass exzeptionellen Umstände vorliegen würden, die eine Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Gegebenheiten in Hargeysa hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage gemäß Artikel 3, EMRK unzulässig scheinen lassen. Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der somalischen Bevölkerung in Hargeysa dennoch zumindest grundlegend gesichert.

Der Beschwerdeführer verfügt über Schulbildung, ist arbeitsfähig sowie im erwerbsfähigen Alter. Er hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Hargeysa verbracht, wodurch er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist. Zudem spricht der Beschwerdeführer die Landessprache Somalias als Muttersprache. Der Beschwerdeführer verfügt in Hargeysa nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie auch in regelmäßigen Kontakt, bei einer Rückkehr nach Somalia kann der Beschwerdeführer auch wieder bei seiner Mutter wohnen. Er kann auch von seinem Clan Unterstützung erhalten.

Der Beschwerdeführer kann auf Unterstützung durch seine Familie zurückgreifen. Es ist dem Beschwerdeführer daher möglich sich in Hargeysa anzusiedeln und sich dort – nach anfänglichen Schwierigkeiten – ein Leben ohne unbillige Härten, wie es auch andere Landsleute führen, aufzubauen. Dem Beschwerdeführer ist es daher aufgrund der dargelegten Umstände möglich, sich in Hargeysa – etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten - eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Der Beschwerdeführer kann auch durch die Inanspruchnahme von österreichischer Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden. Es ist deshalb auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten würde.

3.2.4. Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK zu führen.

Kein Fremder hat das Recht in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden. Dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielland gibt, ist es unerheblich ob die Behandlung dort nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK.

Solche außergewöhnlichen Umstände liegen vor, wenn ein Fremder bei einer Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, da eine tödliche Erkrankung in der Endphase vorliegt, im Herkunftsstaat keine Krankenbehandlung und -pflege verfügbar ist und zudem Grundbedürfnisse mangels Angehöriger nicht gesichert sind. Außergewöhnliche Umstände liegen auch dann vor, wenn anzunehmen ist, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH vom 25.09.2019, Ra 2018/19/0585; VwGH vom 18.10.2018, Ra 2018/19/0139; EGMR vom 13.12.2016, P./Belgien, 41738/10).

Es haben sich beim Beschwerdeführer zudem keine schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen ergeben. Der Beschwerdeführer leidet an einem Alkoholabusus sowie an einem Prediabetes. Zudem weisen die Blutwerte auf eine Schilddrüsenunterfunktion hin. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer keine weiteren Erkrankungen, insbesondere auch keine psychischen Erkrankungen.

Mag es in der somalischen Gesellschaft auch zu Akzeptanzschwierigkeiten hinsichtlich seines Alkoholkonsums kommen können, so ist es doch auch ebenso möglich, diesen professionell in Somalia zu behandeln. Der Alkoholabusus ist in den großen Krankenhäusern des Landes stationär behandelbar (Beilage ./V), und dieser kostet ca. 200 USD pro Monat. Die Verwandten kümmern sich auch um Alkoholabhängige um diese vor einem Rückfall zu bewahren. Der Beschwerdeführer kann auch auf die Unterstützung seiner Familie in Somalia zurückgreifen.

Es ist für das Gericht auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in Hargeysa Gefahr laufen würde, dass er in Ketten gelegt werden würde. Der Beschwerdeführer ist üblicherweise einsichtig und umgänglich. Er kann sich in Hargeysa betreffend seine Alkoholerkrankung umgehend behandeln lassen und dabei auch von seiner Familie unterstützt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer an einer nach außen hin wahrnehmbaren psychischen Erkrankung leiden würde, sodass die Gefahr bestünde, dass er zur „medizinischen Behandlung“ in Ketten gelegt werden würde.

Wenn in der Stellungnahme seines Betreuers (OZ 10) nun von eigen- und fremdgefährdendem Verhalten im Zusammenhang mit dem Alkoholabusus des Beschwerdeführers die Rede ist, so ist dazu anzumerken, dass eine psychische Erkrankung hinsichtlich der Eigen- und Fremdgefährdung der ärztlichen Stellungnahme (OZ 16) jedoch nicht zu entnehmen ist. Zudem ist für das Gericht auch nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer tatsächlich suizidgefährdet wäre. Seine Überlegungen sein Leben zu beenden traten ausschließlich in Zusammenhang mit einer sehr starken Alkoholisierung auf, am nächsten Tag kann sich der Beschwerdeführer an diese Vorfälle auch nicht mehr erinnern. Eine psychische Erkrankung – abgesehen vom Alkoholabusus – ist für das Gericht daher nicht ersichtlich.

Jedenfalls können aus den beim Beschwerdeführer vorliegenden Erkrankungen keine schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten abgeleitet werden. Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Somalia sind dem Verfahren nicht zu entnehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung ist auch eine vorliegende Selbstmordgefahr kein außergewöhnlicher Umstand der bei einer Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK führt.

3.2.5. Die Angaben des Beschwerdeführers legen somit eine Exzeptionalität der Umstände oder eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers nicht dar. Auch eine Reisewarnung des Außenministeriums kann keine den Beschwerdeführer konkret treffende Exzeptionalität darlegen.

Ziel des Refoulementschutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es die Rückkehr nach Somalia sein kann, zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben. Der Beschwerdeführer hat für seinen Einzelfall keine individuellen, konkret seine Person treffenden exzeptionellen Umstände aufgezeigt bzw. diese glaubhaft gemacht.

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist diesem eine Rückkehr nach Somalia in seine Heimatstadt Hargeysa möglich und auch zumutbar.

3.2.6. Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

3.3.      Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides – Rückkehrentscheidung, Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt wird.

3.3.1. Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG

3.3.1.1. Paragraph 57, AsylG lautet auszugsweise:

„Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

Paragraph 57, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.           wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, …,

2.           zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.           wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

…“

3.3.1.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des Paragraph 57, FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.

3.3.2. Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG

3.3.2.1. Paragraph 52, Fremdenpolizeigesetz (FPG), Paragraph 9, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG), und Paragraphen 58, Absatz 2 und 52 AsylG lauten auszugsweise:

„Rückkehrentscheidung (FPG)

Paragraph 52, …

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn,

1.           dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.           dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.           ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.           ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird,

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

…“

„Schutz des Privat- und Familienlebens (BFA-VG)

Paragraph 9, (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.              die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.              das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.              die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.              der Grad der Integration,
5.              die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.              die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.              Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.              die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.              die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

…“

„Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln

Antragstellung und amtswegiges Verfahren (AsylG)

Paragraph 58, …

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

…“

„Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK (AsylG)

Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn,

1.           dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und

2.           der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

…“

3.3.2.2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Unter „Privatleben“ im Sinne von Artikel 8, EMRK sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Artikel 8, EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (VwGH vom 25.04.2018, Ra 2018/18/0187). Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so muss die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich sein, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (VwGH vom 18.09.2019). Die Kombination aus Fleiß, Arbeitswille, Unbescholtenheit, dem Bestehen sozialer Kontakte in Österreich, dem verhältnismäßig guten Erlernen der deutschen Sprache sowie dem Ausüben einer Erwerbstätigkeit stellt bei einem Aufenthalt von knapp vier Jahren im Zusammenhang mit der relativ kurzen Aufenthaltsdauer keine außergewöhnliche Integration dar (VwGH vom 18.09.2019, Ra 2019/18/0212). Es ist im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH vom 28.02.2019, Ro 2019/01/003).

Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben (VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407).

3.3.2.3. Da der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Artikel 8, EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

3.3.2.4. Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen und somit illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung am 20.01.2022, somit seit über 2 Jahren, im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer durfte sich in Österreich bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war.

Der Beschwerdeführer verfügt über sehr geringe Deutschkenntnisse und hat an zwei Deutschkursen (AS 67; OZ 5) teilgenommen, jedoch noch keine Deutschprüfung absolviert. Er geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern bezog stets die staatliche Grundversorgung (Beilage ./1). Er erbrachte im Laufe seines Aufenthaltes keine ehrenamtlichen Tätigkeiten und er ist auch kein Mitglied in einem Verein.

Insgesamt kann daher nicht von einer außergewöhnlichen Integration ausgegangen werden.

Es ist auch nach wie vor von einer engen Bindung des Beschwerdeführers nach Somalia auszugehen, zumal er sein gesamtes bisheriges Leben bis zur Ausreise dort verbracht hat. Er wurde in Somalia sozialisiert und besuchte dort die Schule, er hatte dort Erwerbsarbeit von der er seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Er spricht auch die Landessprache als Muttersprache. Hinzu kommt, dass er nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte in Somalia hat. Aufgrund der relativ kurzen Ortsabwesenheit kann auch nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre, sodass er sich in Somalia problemlos wieder eingliedern wird können.

Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens ist dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste: Der Beschwerdeführer durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Artikel 8, Absatz 2, EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

Dass der Beschwerdeführer von einem Landesgericht verurteilt wurde, verstärkt zudem das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

3.3.2.5. Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Der Beschwerdeführer konnte zwar Integrationsschritte setzen, es liegen jedoch keine außergewöhnlichen Umstände vor.

3.3.2.6. Bei Gesamtbetrachtung all der oben behandelten Umstände und der Abwägung dieser im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vorliegt. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK dar. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden oder die die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG erforderlich machen würden.

Der Beschwerdeführer hat weder behauptet, über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen, noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung ist daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

3.3.3. Zulässigkeit der Abschiebung

3.3.3.1. Paragraphen 52, Absatz 9 und 50 FPG lauten auszugsweise wie folgt:

„Rückkehrentscheidung

Paragraph 52, …

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Verbot der Abschiebung

Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

…“

3.3.3.2. Die Voraussetzungen des Paragraph 50, Absatz eins, FPG entsprechen jenen des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG. Die Voraussetzungen des Paragraph 50, Absatz 2, FPG entsprechen jenen des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.

Es besteht auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, welche eine Abschiebung nach Somalia für unzulässig erklärt. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia ist daher zulässig.

3.3.3.3. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia ist daher zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4.      Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides – Ausreisefrist

3.4.1. Paragraph 55, FPG lautet auszugsweise:

„Frist für die freiwillige Ausreise

Paragraph 55, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.“

3.4.2. Besondere Umstände im Sinne des Paragraph 55, Absatz 2, FPG sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden. Die Beschwerde richtet sich zwar gegen sämtliche Spruchpunkte, der Beschwerdeführer hat jedoch weder substantiierte Beschwerdegründe hinsichtlich dieses Spruchpunktes vorgebracht, noch eine Abänderung dieser Frist beantragt.

Es wurden vom Beschwerdeführer zudem auch weder besondere Umstände nachgewiesen, noch ein anderer Termin für die Ausreise bekannt gegeben. Der Beschwerdeführer hat auch nicht vorgebracht, dass er eine andere Frist zur Ausreise benötigen würde, um allfällige persönliche Verhältnisse zu regeln.

Die vom Bundesamt gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise entspricht daher den gesetzlichen Bestimmungen.

3.4.3. Die Beschwerde zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen sowohl auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auch auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2024:W251.2285945.1.00