Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

18.01.2024

Geschäftszahl

I416 2276751-1

Spruch


I416 2276751-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA Marokko, vertreten durch die BBU - Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.12.2023 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

1.           Der Beschwerdeführer, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste unrechtmäßig ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 31.07.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.           Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.08.2022 gab er hinsichtlich seiner Fluchtgründe befragt an, dass er seit dem Jahr 2016 ohne Bekenntnis sei und aus diesem Grund Probleme mit der Gesellschaft und seiner Familie bekommen habe. Sein Vater und sein Bruder hätten ihn mehrmals bedroht und hätten sie ihn, sofern er nicht ausgereist wäre, bei der Polizei angezeigt.

3.           Am 31.05.2023 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) statt, in welcher der Beschwerdeführer jedoch einen Einwand bezüglich des Dolmetschers für die arabische Sprache äußerte und eine weitere Einvernahme in Arabisch verweigerte. Er äußerte den Wunsch, in Englisch oder in Berberisch einvernommen zu werden.

4.           Am 06.07.2023 wurde der Beschwerdeführer schließlich in Anwesenheit eines Dolmetschers für die englische Sprache vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Im Wesentlichen wiederholte er dabei die vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorgebrachten Fluchtgründe in ausführlicher Form, sohin vorwiegend die ihn in Marokko treffende Bedrohung aufgrund seiner atheistischer Einstellung. Des Weiteren äußerte er allgemeine Diskriminierungen aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Berber.

5.           Mit Bescheid vom 17.07.2023 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko ab (Spruchpunkt römisch II.). Zugleich erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, AsylG (Spruchpunkt römisch III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV.) und stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Marokko fest (Spruchpunkt römisch fünf.). Ihm wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt römisch VII.).

6.           Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 14.08.2023 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre.

7.           Beschwerde und Verwaltungsakt langten am 21.08.2023 in der zuständigen Gerichtabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein.

8.           Am 15.12.2023 brachte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers beim erkennenden Gericht diverse Unterlagen in Vorbereitung auf die Beschwerdeverhandlung ein.

9.           Am 19.12.2023 fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers sowie seines Rechtsvertreters und Dolmetscher:innen für die arabische sowie die englische Sprache, wobei der Beschwerdeführer die Verhandlung auf eigenen Wunsch mit der anwesenden Dolmetscherin für die englische Sprache durchführte, eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht statt.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige, ledige und kinderlose Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Berber an und ist nach eigenen Angaben Atheist. Er verfügt über Kenntnisse der berberischen, arabischen, englischen und französischen Sprache.

Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, die einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen und ist arbeitsfähig.

Er stammt aus einem Dorf nahe der Stadt römisch 40 in Marokko und besuchte dort langjährig die Schule, welche er mit Matura abschloss. Anschließend absolvierte er zwischen 2016 und 2020 in der marokkanischen Stadt Agadir ein Studium im Bereich Englische Literatur und schloss eine Ausbildung zum Grafikdesigner ab. Der Beschwerdeführer verdiente seinen Lebensunterhalt in Marokko mit einer Tätigkeit als Englisch- und Französischlehrer sowie als Grafikdesigner. Aufgrund seiner Aus- und Weiterbildungen sowie seiner bisherigen Tätigkeiten hat der Beschwerdeführer die Chance, auch hinkünftig am marokkanischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Zuletzt lebte der Beschwerdeführer in Marrakesch sowie einer Stadt nahe Casablanca, von wo aus er im April 2022 auf dem Luftweg legal in die Türkei ausreiste. Seine Reiseroute führte den Beschwerdeführer über verschiedene osteuropäische Staaten nach Österreich, wo er am 31.07.2023 nach illegaler Einreise ins Bundesgebiet den gegenständlichen Asylantrag stellte. Er hält sich zumindest seit seiner Asylantragstellung in Bundesgebiet auf und ist meldebehördlich erfasst.

In Marokko leben nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine Geschwister und pflegt der Beschwerdeführer nach wie vor Kontakt zu einzelnen Verwandten. Im Bundesgebiet führt der Beschwerdeführer kein Familienleben, hat verfügt er bereits über soziale Kontakte.

Der Beschwerdeführer weist Kenntnisse der deutschen Sprache auf, besucht jedoch keinen Deutschkurs und nahm bislang an keiner Deutschprüfung teil. Er spielt in einem Sportverein Fußball und hilft bei der Organisation des medialen Auftritts mit, ist jedoch ansonsten kein Mitglied in einem anderweitigen Verein. Er verrichtet ebenso keine sonstigen ehrenamtlichen Tätigkeiten und besuchte lediglich eine Einschulung als Dolmetscher für die Sprachen Englisch und Arabisch.

Der Beschwerdeführer ging bislang keiner Erwerbstätigkeit in Österreich nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wurde in seinem Herkunftsland Marokko weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, noch aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt und ist in seinem Herkunftsstaat nicht gefährdet, aus solchen Gründen verfolgt zu werden.

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat aufgrund seiner religiösen Einstellung bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt wurde oder im Falle seiner Rückkehr einer derartigen Verfolgung ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner realen Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung sowie der Todesstrafe ausgesetzt sein. Im Fall seiner Rückkehr nach Marokko droht dem Beschwerdeführer nicht die Gefahr, durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt in seinem Herkunftsstaat in seiner körperlichen Integrität verletzt zu werden. Ihm droht im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine reale Gefahr, in seiner Existenz bedroht zu werden.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko eine Verletzung von Artikel 2,, Artikel 3, oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde.

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanter Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Bei Marokko handelt es sich um einen sicheren Herkunftsstaat nach Paragraph eins, Ziffer 9, der Herkunftsstaaten-Verordnung.

Fallbezogen werden nachstehende Passagen aus dem aktuellen „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Marokko hervorgehoben:

Sicherheitslage:

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 9.5.2023). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 6.6.2023). Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 8.6.2023; vergleiche BMEIA 5.6.2023). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 8.6.2023; vergleiche FD 6.6.2023, BMEIA 5.6.2023); zudem besteht eine Bedrohung durch Minen und nicht-detonierte Kampfmittel (AA 8.6.2023; vergleiche BMEIA 5.6.2023). Die Grenzregion zu Mauretanien ist zum Großteil vermint. Der einzig offene Grenzübergang nach Mauretanien Guerguarat/ Nouadhibou (Grenzposten PK 55) führt über eine Sandpiste durch vermintes Gebiet. Die Durchfahrt des Bereichs zwischen den beiden Grenzposten wird immer wieder durch wegelagernde Personen erschwert (Anhaltungen, Geldforderungen). Weder die marokkanischen noch mauretanischen Behörden verfügen dort über Exekutivrechte. Aufgrund der Aktivitäten durch die Terrororganisation Al Qaida in der benachbarten Sahelregion und in Westafrika besteht auch in Marokko ein gewisses Risiko (BMEIA 5.6.2023).

In der Region Tanger-Tetouan-Al Hoceima – vor allem im Rif-Gebirge – herrscht aufgrund sozialer Konflikte eine angespanntere Situation als im Rest des Landes. Die Kriminalitätsrate ist infolge des Rauschgifthandels sehr hoch. Es besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (BMEIA 5.6.2023; vergleiche AA 8.6.2023).

Marokko kann als sicheres Land angesehen werden, nicht nur in Bezug auf Terrorismus. Ausnahme bildet nur die Westsahara, wo es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen marokkanischen Truppen und der POLISARIO (Frente Popular para la Liberación de Saguía el Hamra y Río de Oro - Volksfront zur Befreiung von Saguía el Hamra und Río de Oro) kommt. Der letzte größere Terroranschlag fand im Jahr 2011 statt. 2018 gab es bei Morden mit mutmaßlich terroristischem Hintergrund zwei, im Jänner 2022 ein weiteres Todesopfer und einen Verletzten, im Dezember 2022 nochmals einen Toten. Die Bedrohung durch den Extremismus ist jedenfalls gegeben; es ist vor allem der Effektivität der Exekutive im Bereich der Terrorismusbekämpfung zu danken, dass terroristische Gruppen kaum aktiv werden können. Die Behörden, hier vor allem das Bureau central d‘investigation judiciaire (BCIJ), sind effektiv beim Erkennen und Verhindern potenzieller terroristischer Bedrohungen durch rechtzeitiges Ausheben von Terrorzellen. Es kommt zu zahlreichen Verhaftungen von Terrorverdächtigen. Im Jahresvergleich 2021 zu 2022 kann eine weitere Verbesserung festgestellt werden, trotz kleinerer Vorfälle – dies zeigt auch die Auswertung des Global Terrorism Index der entsprechenden Jahre (STDOK 11.4.2023).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich. Vereinzelte gewalttätige Auseinandersetzungen können dabei nicht ausgeschlossen werden (EDA 9.5.2023; vergleiche BMEIA 5.6.2023). In den größeren Städten ist fallweise mit Demonstrationen und Ausschreitungen zu rechnen (BMEIA 5.6.2023; vergleiche AA 8.6.2023). Proteste entzünden sich meist an wirtschaftlichen und sozialen Missständen (AA 8.6.2023). Es kann zu Taschendiebstählen und Raubüberfällen kommen (BMEIA 5.6.2023).

Partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für Reisen in das Landesinnere des völkerrechtlich umstrittenen Territoriums der Westsahara und in entlegene Saharazonen Südmarokkos. Insbesondere vor der unmittelbaren Grenzregion zu Algerien, wird gewarnt (BMEIA 5.6.2023; vergleiche AA 8.6.2023). Von Reisen in das Gebiet der Westsahara wird dringend abgeraten (AA 28.6.2023; vergleiche EDA 9.5.2023). Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden. Seit November 2020 haben die Spannungen in der Westsahara zugenommen. In El Guerguerat an der Grenze zu Mauretanien und entlang der Demarkationslinie ist es wiederholt zu Scharmützeln zwischen marokkanischen Truppen und Einheiten der Frente Polisario gekommen, die manchmal zivile Opfer fordern. Mit weiteren Ereignissen dieser Art muss gerechnet werden (EDA 9.5.2023).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.6.2023): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/marokkosicherheit/224080, Zugriff 8.8.2023

-             BMEIA - Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (5.6.2023): Reiseinformation Marokko (Königreich Marokko), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 8.8.2023

-             EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelenheiten [Schweiz] (9.5.2023): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/marokko/reisehinweise-fuermarokko.html#eda0aa0c9, Zugriff 8.8.2023

-             FD - France Diplomatie [Frankreich] (6.6.2023): Maroc, Entrée/Séjour, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#securite, Zugriff 8.8.2023

-             STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (11.4.2023): Themenbericht intern: Nordafrika - Terrorismus in Ägypten, Libyen, Marokko und Tunesien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

Rechtsschutz / Justizwesen:

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Regierung respektierte die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz nicht immer (USDOS 20.3.2023). In der Praxis unterliegt die Justiz jedoch weiterhin dem Einfluss der Exekutive und ist an die Interessen der Monarchie gebunden (BS 23.2.2022; vergleiche FH 2023); zudem wird diese Unabhängigkeit durch Korruption (USDOS 20.3.2023; vergleiche AA 22.11.2022, FH 2023) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen (USDOS 20.3.2023; vergleiche FH 2023). Das Gerichtssystem ist nicht unabhängig vom Monarchen, der dem Obersten Justizrat vorsitzt (FH 2023; vergleiche BS 2022). Marokko bekennt sich zu rechtsstaatlichen Grundsätzen, allerdings weist das Justizsystem Schwächen (mangelnde Unabhängigkeit der Richter, ausstehende Modernisierung der Justizverwaltung, bedenkliche Korruptionsanfälligkeit) auf. Die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze wird von staatlichen und nicht staatlichen Einrichtungen überwacht bzw. kritisch beobachtet (AA 22.11.2022).

Durch die Zusammenarbeit mit internationalen Partnerorganisationen (EU, Europarat, EU-Mitgliedstaaten) soll die Justiz effizienter, unabhängiger und weniger korruptionsanfällig gemacht werden. Noch liegt sie allerdings in ihrer Unabhängigkeit und Bindung an Recht und Gesetz hinter den in der Verfassung normierten Ansprüchen (Artikel 107 f, f,) zurück. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt - Oberster Justizrat) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 22.11.2022).

Die Verfassung sieht darüber hinaus eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (der Oberste Justizrat, Gleichstellungsrat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch vor oder am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 8.2021).

Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 22.11.2022). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (USDOS 20.3.2023; vergleiche AA 22.11.2022). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden (BS 23.2.2022; vergleiche AA 22.11.2022). Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam (garde à vue) zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz wurde noch nicht verabschiedet (AA 22.11.2022).

Berichten zufolge werden Untersuchungshäftlinge in der Praxis länger als ein Jahr festgehalten, und das Gesetz enthält keine Bestimmungen, die es Untersuchungshäftlingen erlauben, ihre Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Einige Verdächtige, insbesondere diejenigen, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden tage- oder wochenlang in geheimer Haft gehalten, bevor eine formelle Anklage erhoben wird (FH 2023). Zudem wird Angeklagten nach ihrer Verhaftung der sofortige Zugang zu Anwälten verwehrt, und Verteidiger stoßen beim Zugang bei der Vorlage von Prozessbeweisen auf Hindernisse (BS 23.2.2022). Nach der Strafprozessordnung hat ein Angeklagter das Recht, nach 24 Stunden Polizeigewahrsam einen Anwalt zu kontaktieren, was auf 36 Stunden verlängert werden kann. Häftlinge haben jedoch nicht das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen, wenn die Polizei sie verhört oder ihnen ihre Aussagen zur Unterschrift vorlegt. Die Polizei wendet seit vielen Jahren Zwangstaktiken an, um Häftlinge unter Druck zu setzen, selbstbelastende Erklärungen zu unterschreiben, die Richter für Verurteilungen verwendet haben (HRW 12.1.2023).

Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z. B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt und Beschuldigte zu Geständnissen gedrängt werden. König Mohammed römisch VI. ordnet zu religiösen und staatlichen Anlässen regelmäßig Amnestien und den Erlass von Reststrafen an. Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden erstmals auch Hirak-Aktivisten berücksichtigt. 2021 wurden 17 Hirak-Häftlinge begnadigt. Im Jahr 2022 wurden bisher knapp 3.000 Häftlinge begnadigt, darunter auch einige Hirak-Häftlinge (AA 22.11.2022).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2082727/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2022%29%2C_22.11.2022.pdf, Zugriff 20.3.2023

-             BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 8.8.2023

-             FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2023, Zugriff 16.5.2023

-             HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/document/2085478.html, Zugriff 11.4.2023

-             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 8.8.2023

-             USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2089139.html, Zugriff 20.4.2023

Sicherheitsbehörden:

Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN „Direction Générale de la Sûreté Nationale“ (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den Forces Auxiliaires handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Nationalstraßen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 20.3.2023; vergleiche AA 22.11.2022, ÖB 8.2021). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED (Direction Générale des Etudes et de Documentation) und den Inlandsdienst DGST (Direction Générale de la Surveillance du Territoire). Im April 2015 wurde zusätzlich das Bureau Central d'Investigations Judiciaires (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST (AA 22.11.2022; vergleiche ÖB 8.2021).

Das BCIJ hat originäre Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 22.11.2022; vergleiche ÖB 8.2021) sowie Entführungen. Damit wurde die Schlagkraft des Polizeiapparats gestärkt, diese spezialisierte Polizeitruppe ist besser ausgebildet und besser ausgerüstet. Seit der Gründung des BCIJ im Jahr 2015 wurden 84 Terrorzellen ausgehoben (ÖB 8.2021).

Auch wenn Angehörige der Sicherheitskräfte einige Übergriffe begingen, ist die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte gemäß USDOS wirksam (USDOS 12.4.2022), gemäß Auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 24.11.2021). [Anm.: Das Auswärtige Amt bezieht sich hier wohl auf die weitgehende Kontrolle der Sicherheitskräfte durch den König und sein Umfeld.] Typisch für das marokkanische politische System ist, dass die Weisungskette der Polizeidienste an der Regierung vorbei unmittelbar zur Staatsspitze führt (ÖB 8.2021).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2082727/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2022%29%2C_22.11.2022.pdf, Zugriff 20.3.2023

-             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 26.7.2023

-             USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2089139.html, Zugriff 20.4.2023

Folter und unmenschliche Behandlung:

Die als Reaktion auf den sogenannten Arabischen Frühling reformierte Verfassung von 2011 enthält einen umfangreichen Katalog an Grund- und Menschenrechten (AA 22.11.2022) und verbietet Folter und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung. Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 20.3.2023; vergleiche AA 22.11.2022, BS 23.2.2022). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet. Der CNDH (Conseil National des Droits de l'Homme / Nationaler Menschenrechtsrat) soll künftig die Rolle des Nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter einnehmen (CNDH o.D.). Die Präsidentin des CNDH (A. Bouayash) hat nach ihrem Amtsantritt im Sommer 2019 Foltervorwürfe gegen politische Gefangene zurückgewiesen. Ein Einsatz von systematischer, staatlich angeordneter Folter wird auch von NGOs nicht bestätigt, Fehlverhalten einzelner Personen und mangelnde Ahndung in Fällen von nicht gesetzeskonformer Gewaltanwendung gegenüber Inhaftierten durch Sicherheitskräfte werden indes sehr wohl – dies auch regelmäßig in den Medien – thematisiert. Die Regierung lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention (AA 22.11.2022).

Wenn auch eine systematische Anwendung von Folter und anderen erniedrigenden Behandlungsweisen nicht anzunehmen ist (ÖB 8.2021; vergleiche AA 22.11.2022), werden Folter und folterähnliche Methoden punktuell praktiziert (ÖB 8.2021). Es gibt Berichte, dass Folter oder exzessive Polizeigewalt vorkommen, einschließlich langer und unbestimmter Einzelhaft (AI 27.3.2023; vergleiche FH 2023). Folter und erniedrigende Behandlung durch die marokkanischen Behörden stellen ein Problem dar, insbesondere gegenüber Befürwortern der Unabhängigkeit (FH 13.4.2023). Ferner kam es zu Folter und andere Misshandlungen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gefängnisse ungestraft fortgesetzt, insbesondere gegenüber saharauischen Aktivisten (AI 27.3.2023; vergleiche FH 13.4.2023). Im Mai 2022 entkam die prominente sahrauische Aktivistin Sultana Khaya dem Hausarrest und reiste nach Spanien, um sich wegen der Folter, die sie seit ihrem Hausarrest im Jahr 2020 bei verschiedenen Polizeiübergriffen erlitten hatte, medizinisch behandeln zu lassen. Es gab keine Ermittlungen zu den Vergewaltigungen und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen gegen sie und ihre Familie (AI 27.3.2023).

Für die Unabhängigkeit der Westsahara eintretende NGOs werfen den Behörden unverhältnismäßigen Gewalteinsatz, Folter und auch willkürliche Verhaftungen und Hausdurchsuchungen vor (AA 22.11.2022). Die Behörden wandten bei mindestens zwei Gelegenheiten exzessive Gewalt an, um friedliche Proteste aufzulösen, darunter Proteste für bessere Arbeitsbedingungen für Lehrer und Proteste für die Rechte der Saharauis, und nahmen einige Teilnehmer fest. Noch gewaltsamer wurden Proteste sahrauischer Aktivisten in der Westsahara unterdrückt. Im April schlugen und traten Polizisten einen Studentenjournalisten bewusstlos. Ferner gingen Polizei und Sicherheitskräfte im März und April mit körperlicher, verbaler und sexueller Gewalt gegen zwölf saharauische Aktivistinnen vor. Zu den angeblichen Übergriffen wurden keine Ermittlungen durchgeführt (AI 27.3.2023).

Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat und insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z. B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang, Folter) (AA 22.11.2022).

Diese Umstände werden von Menschenrechts-NGOs und von unabhängigen Beobachtern wiederholt angeprangert, wie insbesondere von der CNDH, vom UN-Sonderbeauftragten für Folter Juan Mendez, von der Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen, und von der früheren UN-HCHR Navi Pillay. Der seinerzeitige Justizminister Ramid hat die Staatsanwälte aufgerufen, Hinweisen und Anzeigen auf Folter rigoros nachzugehen, gleichzeitig aber auch auf den Verleumdungstatbestand hingewiesen, falls sich Anschuldigungen als haltlos erweisen (ÖB 8.2021).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2082727/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2022%29%2C_22.11.2022.pdf, Zugriff 20.3.2023

-             AI - Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Morocco And Western Sahara 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089568.html, Zugriff 11.4.2023

-             CNDH - Conseil National des Droits de l'Homme [Marokko] (o.D.): CNDH mandate for the protection of human rights, https://www.cndh.org.ma/an/presentation/cndhs-mandate-area-human-rights-protection, Zugriff 27.7.2023

-             FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2023, Zugriff 16.5.2023

-             FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Western Sahara*, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090199.html, Zugriff 17.4.2023

-             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 26.7.2023

-             USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2089139.html, Zugriff 20.4.2023

Allgemeine Menschenrechtslage:

Der Grundrechtskatalog (Kapitel römisch eins und römisch II) der Verfassung ist substanziell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen „roten Linien“ - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i. e. Annexion der Westsahara) - quasi als „Baugesetze“ des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 8.2021). In den Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte. Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen. Die nächste Überprüfung im Rahmen der Universellen Staatenüberprüfung (UPR) erfolgte im November 2022 (AA 22.11.2022).

Systematische staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam infrage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt (AA 22.11.2022). Nichtregierungsorganisationen, darunter die marokkanische Vereinigung für Menschenrechte (AMDH), Amnesty International und saharauische Organisationen, behaupteten, die Regierung habe Personen wegen politischer Aktivitäten oder Überzeugungen inhaftiert, wobei sie vorgebliche Strafanzeigen wie Spionage oder sexuelle Übergriffe vorbrachte (USDOS 20.3.2023). Marokko verfolgt eine aktive Menschrechtspolitik und konnte in wichtigen Bereichen, u. a. Frauenrechte, deutliche Fortschritte erzielen. NGOs kritisieren jedoch zunehmende Einschränkungen von Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit sowie die strafrechtliche Verfolgung von einzelnen Journalisten (AA 28.6.2023).

Verfassung und Gesetz sehen allgemeine Meinungs- und Pressefreiheit vor. Nach wie vor ist die Medienfreiheit jedoch durch die „roten Linien“ der Staatsräson erheblich eingeschränkt (USDOS 20.3.2023; vergleiche AA 22.11.2022).

Unabhängige Medien und Journalisten stehen unter erheblichem Druck, und das Recht auf Information wird von einer mächtigen Propaganda- und Desinformationsmaschine zerstört, die der politischen Agenda derer dient, die den Machthabern nahestehen. Unter Druck gaben die letzten unabhängigen Medien in Marokko, die Tageszeitung Akhbar Al Yawm, ihren Kampf auf, ihre letzte Veröffentlichung datiert vom April 2021. Die Hauptinformationsquelle für die Bevölkerung sind soziale Netzwerke und Online-Seiten (RSF 2023). Zu den wichtigsten Fernseh- und Radioeigentümern gehören die Königsfamilie und andere politisch einflussreiche Unternehmer (ROG 2023; vergleiche AA 22.11.2022).

Immer wieder werden Journalisten wegen kritischer Berichte beruflich wie privat von staatlicher Seite unter Druck gesetzt, bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung aufgrund anderer Delikte wie Unterschlagung oder Sexualstraftaten, obwohl die Beweise laut HRW teilweise dürftig oder zweifelhaft scheinen (AA 22.11.2022). Die Tendenz zur Selbstzensur ist auch bei unabhängigen Medien stark ausgeprägt und bleibt nach wie vor ernsthafte Hindernisse für die Entwicklung einer freien, unabhängigen und investigativen Presse (USDOS 20.3.2023). Für das Jahr 2023 wurde Marokko auf Platz 144 von 180 gelisteten Staaten runtergestuft (RSF 2023; vergleiche ROG 2023). Kritik am König ist in Marokko verboten und wird als „Angriff auf die heiligen Werte der Nation“ mit Gefängnis bestraft. Tabuthemen sind auch politische Proteste, die Westsahara-Politik, Korruption hochrangiger Politiker und inzwischen die Massenmigration nach Europa. Immer wieder werden Journalisten wegen unliebsamer Berichte vor Gericht gebracht und zu Haftstrafen verurteilt oder Korrespondenten ausländischer Medien abgeschoben. Zum Einschüchterungsrepertoire des Staats gehören auch Anzeigenboykotte, Drohungen, untergeschobene Drogendelikte, Rufmord, Überfälle, Einbrüche und seit neuestem Anklagen wegen angeblicher Sexualdelikte. Manche Gerichtsprozesse gegen Medienschaffende werden über Jahre hinweg verschleppt (ROG 2023). Es kommt auch zu Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, v.a. gegen Blogger, Aktivisten und Studenten (FH 2023; vergleiche BS 23.2.2022).

Ferner verurteilt Reporter ohne Grenzen (RSF) die Zustimmung der marokkanischen Regierung zu einem Gesetzesvorschlag, der den Nationalen Presserat, ein Selbstregulierungsorgan, das den marokkanischen Medien eine gewisse Unabhängigkeit verliehen hat, ersetzen soll. Der Nationale Presserat, der gemäß der Verfassung von 2011 als beratendes Gremium unter der Ägide des Kommunikationsministeriums eingerichtet wurde, beendete die direkte staatliche Aufsicht über den Mediensektor, als sein Mandat im Oktober 2022 auslief. Sechs Monate später hat die Regierung von Premierminister Aziz Akhannouch den Gesetzentwurf verabschiedet. Beobachter werten diese unerklärliche Entscheidung als Zeichen eines klaren Willens der Regierung, die Kontrolle über die Medien wiederzuerlangen und jegliche Selbstregulierung zu beenden, da mit diesem Gesetz die Befugnisse des Rates auf ein temporäres Komitee überträgt. Der Gesetzentwurf der Regierung muss noch vom Parlament verabschiedet werden, allerdings ist noch nicht bekannt, wann das Parlament den Entwurf prüfen wird (RSF 14.4.2023).

Am 21.11.2022 wurde der Präsident der Anwaltskammer von Rabat und ehemaliger Minister für Menschenrechte, Mohamed Ziane, in seiner Kanzlei ohne richterlichen Beschluss festgenommen, nachdem 20 Sicherheitsbeamten sein Büro gestürmt hatten. Ziane war bereits vier Jahre lang Zielscheibe einer groß angelegten Diffamierungskampagne, die von staatlich gelenkten Online-Medien in einer konzertierten Aktion betrieben wurde, um sein Ansehen zu diskreditieren. Weiters wirft Ziane dem Regime vor, Dissidenten zu unterdrücken und mundtot zu machen. Ziane zufolge hat sich der Nationale Sicherheitsdienst in eine politische Polizei verwandelt, die Dissidenten überwacht und mit Diffamierungen überzieht, die von der Regierung nahestehenden Zeitungen und Websites verbreitet werden. Diese neuartigen Methoden der Unterdrückung, führen zu unfairen Gerichtsverfahren und Urteile gegen unabhängige Journalisten (Quatara.de 6.2.2023). Darüber hinaus werden derzeit laut Presseberichten vom 16.5.2023, neue Vorschriften für Online-Medien und die Nachrichtenberichterstattung erarbeitet. Da elektronische Medien und Nachrichtenagenturen manchmal ohne Lizenz betrieben werden, muss der rechtliche Rahmen definiert werden, um sicherzustellen, dass diese die gleichen Anforderungen erfüllen wie andere Medien. So verfügen digitale Mediendienste beispielsweise nicht über die erforderliche Infrastruktur oder zahlen keine Sozialversicherungsbeiträge für ihre Mitarbeiter. Das Gesetz über den Journalismus und das Verlagswesen stammt aus dem Jahr 2016 (BAMF 22.5.2023).

Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich (AA 22.11.2022). Gelegentlich unterbrechen die Behörden Webseiten und Internetplattformen (FH 2023). Die Arbeit der Presse wurde in der Covid-19-Krise zeitweise eingeschränkt (zeitweiliges Verbot des Drucks und Verkaufs von Zeitungen und Zeitschriften: Online-Berichterstattung zu COVID-19-Themen weitgehend über offizielle Kommuniqués, teilweise Einschränkung von Auskünften durch staatliche Stellen sowie auch journalistischer Arbeitsmöglichkeiten im Ausnahmezustand) (AA 22.11.2022). Die staatliche Überwachung von Online-Aktivitäten und persönlicher Kommunikation ist ein ernstes Problem. Der Einsatz von Spionageprogrammen und Überwachungstechnologien durch die Regierung ist weit verbreitet (FH 2023). Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten – Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten – vor allem im Gebiet der Westsahara selbst – besonders exponiert sind (ÖB 8.2021). Ein Gericht in Casablanca verurteilte einen Mann zu fünf Jahren Haft, weil er sich Ende 2020 auf Facebook kritisch zu den verbesserten diplomatischen Beziehungen zwischen Marokko und Israel äußerte. Ihm wird Kritik am König vorgeworfen, da dieser die Leitlinien der marokkanischen Außenpolitik bestimmt. Laut Artikel 267-5 des Strafgesetzbuches ist für die Untergrabung der Monarchie eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren vorgesehen und kann auf fünf Jahre erhöht werden (BAMF 7.8.2023).

Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur ist nicht bekannt. Viele Medien sind jedoch wirtschaftlich von regierungsnahen Unternehmen abhängig (AA 22.11.2022), bzw. ist diese eng mit den Machtzentren verbunden (BS 23.2.2022; vergleiche AA 22.11.2022), und wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der oben genannten drei Tabuthemen ersetzt (AA 22.11.2022). Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität bzw. den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 20.3.2023; vergleiche HRW 12.1.2023, AA 22.11.2022, ÖB 8.2021). Dies gilt auch für Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (ÖB 8.2021; vergleiche HRW 12.1.2023). Solche Kritik kann nach dem Strafgesetzbuch strafrechtlich verfolgt werden, wobei die Strafen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen reichen können. Der Pressekodex, der auch die Meinungsfreiheit vorsieht, gilt nur für akkreditierte Journalisten. Die privaten Reden und Handlungen akkreditierter Journalisten bleiben laut Strafgesetzbuch strafbar. Lokale NGOs berichteten auch, dass die Behörden trotz der Pressekodizes, die die rechtswidrige Inhaftierung von Personen verhindern sollten, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machten, Strafgesetze einsetzten, um Kommentatoren, Aktivisten und Journalisten zu bestrafen, die die Regierung kritisieren (USDOS 20.3.2023). Laut Reporter ohne Grenzen befinden sich aktuell 11 Journalisten und 3 Medienmitarbeiter in Haft (RSF 2023).

Internationale NGOs werfen dem marokkanischen Staat vor, allgemeine Straftatbestände (Sexualstrafrecht, Steuerrecht, Verleumdung) zu nutzen, um kritische journalistische Stimmen und oppositionelle Meinungen zu unterdrücken. Aktivisten, die wegen ihres Engagements für Umweltschutz oder soziale Fragen vor Gericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt werden (AA 22.11.2022). Kritiker werden in unfairen Gerichtsverfahren wegen schwerer Verbrechen wie Geldwäsche, Spionage, Vergewaltigung, sexueller Übergriffe und Menschenhandel angeklagt. Unter den Taktiken, um abweichende Meinungen mundtot zu machen, haben die Behörden auf unfaire Gerichtsverfahren, digitale und Kameraüberwachung, Belästigungskampagnen durch Medien in der Nähe des königlichen Hofes, bekannt als Makhzen, physische Überwachung, Aggression und Einschüchterung sowie gezielte Angriffe auf Angehörige von Aktivisten zurückgegriffen (HRW 12.1.2023). NGOs berichteten auch weiterhin über den Einsatz willkürlicher Überwachung von Menschenrechtsaktivisten und Journalisten, wobei Freedom House über den „weit verbreiteten“ Einsatz von Spyware und Überwachungstechnologien durch die Regierung berichtete. In einem Bericht vom Juli 2022 dokumentierte HRW die physische und elektronische Überwachung durch die Regierung, um unabhängige Journalisten und Menschenrechtsverteidiger zu schikanieren und ihre Rechte zu verletzen. Dem Bericht zufolge kamen mehrere Personen zu dem Schluss, dass einige der über sie in den Medien veröffentlichten Informationen detailliert genug waren, um nur durch staatliche Überwachung erlangt worden zu sein (USDOS 20.3.2023).

Die marokkanischen Behörden haben ihre Schikanen gegen Aktivisten und Kritiker verstärkt (HRW 12.1.2023) und verfolgten und inhaftierten 2022 mindestens sieben Journalisten und Aktivisten wegen Kritik an der Regierung sowie gegen Personen, die online über Religion sprachen oder sich mit Aktivisten solidarisierten (AI 27.3.2023). Zudem wird die Spyware Pegasus gegen Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, Oppositionelle, Politiker und Diplomaten eingesetzt (HRW 12.1.2023).

Am 18.1.2023 forderte das EU Parlament Marokko schriftlich dazu auf, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Medienfreiheit zu achten, inhaftierten Journalisten ein faires Verfahren mit sämtlichen Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren zu garantieren, ihre sofortige vorläufige Freilassung sicherzustellen und die Drangsalierung aller Journalisten, ihrer Anwälte und Familien einzustellen. Ferner fordert das EU Parlament die staatlichen Stellen nachdrücklich auf, ihren internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte im Einklang mit dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Marokko nachzukommen und verurteilte aufs Schärfste den Missbrauch von Anschuldigungen sexueller Übergriffe, mit denen Journalisten davon abgehalten werden sollen, ihre Aufgaben wahrzunehmen; und vertritt die Ansicht, dass dieser Missbrauch die Rechte der Frau gefährdet. Zudem fordert das EU Parlament die staatlichen Stellen Marokkos nachdrücklich auf, ihre Überwachung von Journalisten, unter anderem über die Spionagesoftware Pegasus einzustellen und Rechtsvorschriften zum Schutz von Journalisten zu erlassen und umzusetzen (EP 18.1.2023).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die „roten Linien“ Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 22.11.2022; vergleiche USDOS 20.3.2023). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 20.3.2023). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 22.11.2022; vergleiche USDOS 20.3.2023). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 22.11.2022; vergleiche FH 2023, USDOS 20.3.2023). Ein großer Rückschlag für die Meinungsfreiheit und die bürgerlichen Freiheiten waren auch die Verhaftungen von Journalisten, Künstlern und Menschenrechtsaktivisten aufgrund verschiedener Anschuldigungen, die ein Zeichen dafür sind, dass das Justizsystem weiterhin gegen Kritiker und unabhängige Akteure eingesetzt wird (BS 23.2.2022).

Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 20.3.2023). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 12.1.2023). Politischen Oppositionsgruppen und Organisationen, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen, wird kein NGO-Status zuerkannt (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2023): Marokko - Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/marokko-node/politisches-portrait/224120, Zugriff 8.8.2023

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2082727/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2022%29%2C_22.11.2022.pdf, Zugriff 20.7.2023

-             AI - Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Morocco And Western Sahara 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089568.html, Zugriff 11.4.2023

-             BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.8.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw32-2023.html;jsessionid=9297CD92FE9742BDDEEF644C3BE30042.internet271, Zugriff 8.8.2023

-             BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw21-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 27.7.2023

-             BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 8.8.2023

-             EP - Europäisches Parlament (18.1.2023): Gemeinsamer Entschliessungsantrag zur Lage von Journalisten in Marokko, insbesondere zum Fall Omar Radi, https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/RC-9-2023-0057_DE.html, Zugriff 11.4.2023

-             FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2023, Zugriff 16.5.2023

-             HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/document/2085478.html, Zugriff 11.4.2023

-             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 26.7.2023

-             Quatara.de (6.2.2023): Menschenrechtslage in Marokko, Rabats Verleumdungsmaschinerie, https://de.qantara.de/inhalt/menschenrechtslage-in-marokko-rabats-verleumdungsmaschinerie, Zugriff 21.4.2023

-             RSF - Reporters sans frontière (14.4.2023): Le projet de remplacer le Conseil national de la presse au Maroc menace un peu plus l’indépendance de la profession, https://rsf.org/fr/le-projet-de-remplacer-le-conseil-national-de-la-presse-au-maroc-menace-un-peu-plus-l-ind%C3%A9pendance, Zugriff 27.7.2023

-             RSF - Reporters sans frontière (2023): Maroc / Sahara occidental, https://rsf.org/fr/pays/maroc-sahara-occidental, Zugriff 22.5.2023

-             ROG - Reporter ohne Grenzen (2023): Rangliste der Pressefreiheit, Marokko, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/marokko, Zugriff 22.5.2023

-             USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2089139.html, Zugriff 20.4.2023

Religionsfreiheit:

Mehr als 99 % der Bevölkerung sind sunnitische Muslime und weniger als 0,1 % der Bevölkerung sind schiitische Muslime (USDOS 15.5.2023). Die restlichen religiösen Gruppen (Christen, Juden, schiitische Moslems und Baha’i) machen weniger als 1 % der Bevölkerung aus (AA 22.11.2022; vergleiche USDOS 15.5.2023).

Der sunnitische Islam malikitischer Rechtsschule ist Staatsreligion. Die verfassungsmäßige Stellung des Königs als Führer der Gläubigen und Vorsitzender des Ulema-Rats (Möglichkeit des Erlassens religiös verbindlicher Fatwas) ist weithin akzeptiert. Das Ministerium für Stiftungen und islamische Angelegenheiten (MEIA) kontrolliert strikt alle religiösen Einrichtungen und Aktivitäten und gibt das wöchentliche Freitagsgebet vor (AA 22.11.2022; vergleiche USDOS 15.5.2023). Marokko hat sich bemüht, den religiösen Bereich zu reformieren, um der Zunahme radikaler religiöser Rhetorik entgegenzuwirken (BS 23.2.2022). Zur Prävention von Radikalisierung überwachen die Sicherheitsorgane islamistische Aktivitäten in Moscheen und Schulen (AA 22.11.2022).

Artikel 3, der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 22.11.2022; vergleiche USDOS 15.5.2023). Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch die Ausübung anderer anerkannter traditioneller Schriftreligionen wie Judentum und Christentum. Neuere Religionsgemeinschaften - wie etwa die Baha'i - werden ebenso wenig staatlich anerkannt, wie abweichende islamische Konfessionen wie zum Beispiel die Schiiten. Fälle staatlicher Verfolgung aufgrund der Ausübung einer anderen als den anerkannten Religionen sind nicht bekannt (AA 22.11.2022).

Missionierung ist in Marokko nur Muslimen (de facto ausschließlich den Sunniten der malikitischen Rechtsschule) erlaubt. Mit Strafe bedroht ist es, Gottesdienste jeder Art zu behindern, den Glauben eines (sunnitischen) Muslim „zu erschüttern“ und zu missionieren (Artikel 220, Absatz 2, des marokkanischen Strafgesetzbuches). Dies schließt das Verteilen nicht-islamischer religiöser Schriften ein. Bibeln sind frei verkäuflich, werden jedoch bei Verdacht auf Missionarstätigkeit beschlagnahmt. Ausländische Missionare können unverzüglich des Landes verwiesen werden, wovon die marokkanischen Behörden in Einzelfällen Gebrauch machen (AA 22.11.2022).

Laizismus und Säkularismus sind gesellschaftlich negativ besetzt, der Abfall vom Islam (Apostasie) gilt als eine Art Todsünde, ist aber nicht strafbewehrt (AA 22.11.2022; vergleiche BS 23.2.2022). Beleidigung des Islam wird kriminalisiert und kann mit einer Haftstrafe geahndet werden (USDOS 15.5.2023; vergleiche BS 23.2.2022). Es gibt einen starken sozialen Druck, die islamischen Glaubensregeln zumindest im öffentlichen Raum zu befolgen. Grundsätzlich ist der freiwillige Religionswechsel Marokkanern nicht verboten, wird aber in allen Gesellschaftsschichten stark geächtet. Staatliche Stellen behandeln Konvertiten insbesondere familienrechtlich weiter als Muslime (AA 22.11.2022). Nicht-Muslime müssen offiziell zum Islam konvertieren, um die Pflegschaft für ein muslimisches Kind übernehmen zu können. Ein muslimischer Mann darf nach marokkanischem muslimischem Recht eine nicht-muslimische Frau heiraten, eine muslimische Frau kann dagegen in keinem Fall einen nicht-muslimischen Mann heiraten (USDOS 15.5.2023; vergleiche AA 22.11.2022).

Die Behörden verweigern weiterhin christlichen Gruppen die Freiheit, in Kirchen ihren Glauben auszuüben, das Recht auf christliche Heirat sowie Begräbnis und das Recht, Kirchen zu errichten (USDOS 15.5.2023). Schiitische Quellen berichteten, sie hätten Ashura privat beobachtet, um gesellschaftliche Belästigungen zu vermeiden. Schiitische Muslime sagten, dass viele es in Gebieten, in denen ihre Zahl geringer sei, versäumen, ihre Religionszugehörigkeit offenzulegen. Öffentliche Ashura-Prozessionen sind für sunnitische Muslime erlaubt, für schiitische Muslime jedoch verboten. Vertreter religiöser Minderheiten bestätigten, dass die Angst vor gesellschaftlicher Schikane, einschließlich der Ächtung durch die Familien der Konvertiten, vor sozialem Spott, Diskriminierung am Arbeitsplatz und potenzieller Gewalt, die Hauptgründe dafür seien den Glauben diskret zu praktizieren. Jüdische Bürger gaben weiterhin an, dass sie in Sicherheit leben und den Gottesdienst in der Synagoge besuchen, regelmäßig religiöse Stätten besuchen und jährliche Gedenkfeiern abhalten (USDOS 15.5.2023).

Marokkanische Christen und andere Religionsgemeinschaften üben ihren Glauben in der Regel nur im privaten Bereich aus. Marokkaner werden von staatlichen Organen gehindert, Gottesdienste in „ausländischen“ Kirchen zu besuchen, und riskieren bei jeder öffentlichen Glaubenspraxis den Vorwurf des Missionierens (AA 22.11.2022).

Medien, Aktivisten, Gemeindeleiter und christliche Konvertiten berichten, dass christliche Bürger von nicht christlichen Familienangehörigen und Freunden unter Druck gesetzt werden, zum Islam zu konvertieren oder ihrem christlichen Glauben abzuschwören. Einige junge christliche Konvertiten, die noch bei ihren muslimischen Familien leben, geben Berichten zufolge ihren Glauben nicht preis, weil sie glauben, sie könnten von zu Hause vertrieben werden, wenn sie sich nicht vom Christentum abschwören würden (USDOS 15.5.2023).

Angehörige der Bahai-Religion geben an, dass sie mit Familie, Freunden und Nachbarn offen über ihren Glauben sprechen (USDOS 15.5.2023).

Kinder und Jugendliche muslimischer Bürger besuchen weiterhin private christliche und jüdische Grund- und Oberschulen, da diese Schulen den Ruf haben, eine qualitativ hochwertige Bildung zu bieten (USDOS 15.5.2023).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2082727/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2022%29%2C_22.11.2022.pdf, Zugriff 20.3.2023

-             BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 8.8.2023

-             USDOS - US-Außenministerium [USA] (15.5.2023) : 2022 Report on International Religious Freedom: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2091927.html, Zugriff 16.5.2023

Ethnische Minderheiten:

Marokko erkennt ausdrücklich in seiner Verfassung die Diversität der Nation an. Staatliche Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten ist nicht vorhanden (AA 22.11.2022). Die Verfassung enthält auch die Anerkennung der berberischen Wurzeln, Traditionen und Sprache gleichberechtigt neben dem arabischen und jüdischen Kulturerbe (ÖB 8.2021). Die jüdischen Wurzeln der Nation werden geschützt und gepflegt (AA 22.11.2022).

Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geografischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Der „Minderheitencharakter“ der Berber ist bei ca. 40 % der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln relativ zu sehen. Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung aufgrund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 8.2021).

Etwa die Hälfte der Bevölkerung macht eine berberische Abstammung geltend und spricht eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen. Dies ist wichtiger Teil ihrer Identität. Die meisten Berber in Marokko sehen sich jedoch nicht als ethnische Minderheit. Marokko fördert Sprache und Kultur der Berber inzwischen aktiv (AA 22.11.2022). Mindestens 40 % der Bevölkerung sind Amazigh, und die Mehrheit der Marokkaner hat amazighische Wurzeln. Die Amazigh-Eliten haben Zugang zur Monarchie und ihre Interessen werden im Parlament vertreten, doch der Großteil der Amazigh-Bevölkerung ist sozial, wirtschaftlich und politisch marginalisiert. Die jüngsten Unruhen in Al Hoceïma, in der umliegenden Rif-Region und in anderen Städten Marokkos waren zu einem großen Teil auf die Ungerechtigkeiten zurückzuführen, denen sich viele Amazigh ausgesetzt sahen, und darauf, dass sie nicht in der Lage waren, ihren Unmut über das politische System zu äußern (FH 2023). In Artikel 5 der Verfassung wurde Amazigh, neben Arabisch, als offizielle Sprache anerkannt (BS 23.2.2022), vorerst bestehen aber nur vereinzelt Ansätze, dies in die Praxis umzusetzen (z. B. Straßenschilder) (ÖB 8.2021). Amazigh ist Mitte 2019 per Gesetz als Unterrichtssprache aufgewertet worden (AA 22.11.2022). Der berberische Sprachunterricht im Schulsystem ist nur wenig dicht und führt über die 6. Schulstufe nicht hinaus. Folglich ist eine höhere Bildung in berberischer Sprache nicht möglich (ÖB 8.2021).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2082727/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2022%29%2C_22.11.2022.pdf, Zugriff 20.3.2023

-             BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 8.8.2023

-             FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2023, Zugriff 16.5.2023

-             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 26.7.2023

Bewegungsfreiheit:

Gesetzlich sind innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Behörden respektieren diese Rechte im Allgemeinen, obwohl sie die Bewegungsfreiheit auf Gebiete beschränkt, in denen weitverbreitete Unruhen herrschen (USDOS 20.3.2023). Sowohl Marokko als auch die Frente Polisario schränken die Bewegungsfreiheit in der Westsahara ein. Eine in den 1980er Jahren von Marokko errichtete Sandbarriere, die das von Marokko kontrollierte Gebiet von den von den Sahrauis kontrollierten Gebieten im Osten trennt, ist 1.700 Meilen lang. Die Mauer, die auf beiden Seiten von Landminen umgeben ist, stellt das möglicherweise längste zusammenhängende Minenfeld der Welt dar (FH 13.4.2023).

Allerdings genießen auch Sahrawis/Sahraouis innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit (AA 22.11.2022). Die Regierung stellt Sahrawis üblicherweise weiterhin Reisedokumente zur Verfügung und ermutigte saharauische Flüchtlinge aus Algerien und anderen Ländern zur Rückkehr, wenn sie die Souveränität der Regierung über die Westsahara anerkennen. Flüchtlinge, die zurückkehren möchten, müssen die entsprechenden Reise- oder Identitätsdokumente bei einem marokkanischen Konsulat im Ausland, häufig in Mauretanien, besorgen. Es wird allerdings von Fällen berichtet, wo die Behörden Sahrawis daran hinderten, Reisen anzutreten (USDOS 20.3.2023).

Wer nicht per Haftbefehl gesucht wird, kann unter Beachtung der jeweiligen Visavorschriften in der Regel problemlos das Land verlassen. Dies gilt auch für bekannte Oppositionelle oder Menschenrechtsaktivisten (AA 22.11.2022).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2082727/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2022%29%2C_22.11.2022.pdf, Zugriff 20.3.2023

-             FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Western Sahara*, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090199.html, Zugriff 17.4.2023

-             USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2089139.html, Zugriff 20.4.2023

Grundversorgung:

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert (AA 22.11.2022). Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, Wasser, Strom und Abwasserentsorgung verbessert sich allmählich, aber es bestehen nach wie vor große infrastrukturelle Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sowie innerhalb marginalisierter städtischer Viertel, in denen es immer noch an grundlegenden Dienstleistungen mangelt. Insgesamt sind 77 % der Haushalte an Abwassersysteme und 85 % an verbesserte Wasserquellen angeschlossen. Einigen Gemeinden fehlen noch immer die technischen und finanziellen Mittel für die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen, einschließlich öffentlicher Verkehrsmittel (BS 23.2.2022). Staatliche soziale Unterstützung ist begrenzt (vor allem private Organisationen oder die Fondation Mohammed römisch VI), vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 22.11.2022).

Marokko hatte die Ausnahmesituationen, hervorgerufen durch die Pandemie und die Ukraine-Krise der vergangenen Jahre, bislang gut überstanden und hat sich dynamisch an die Herausforderungen angepasst. Die weltweit gestiegenen Energiepreise (Öl, Gas und Kohle), die Unterbrechung der Gaspipeline aus Algerien und anhaltender Wassermangel und damit einhergehender Probleme für die Landwirtschaft, haben die Preise für Getreide und Gemüse angeheizt und die Inflation 2022 auf 6,7 % steigen lassen. All dies gab dem aufkeimenden wirtschaftlichen Optimismus im Land zumindest 2022 einen ordentlichen Dämpfer (WKO 4.2023a). Ihren Höchststand erreichte die marokkanische Jahresinflaation gegen Ende 2022 mit 8,3 % (WB 14.2.2023).

Allerdings konnte Marokko durch das international hohe Preisniveau von Phosphat im Export einiges auffangen. So konnte für 2022, trotz massiven Einbruch im Agrarbereich, ein Wirtschaftswachstum von 1 % erreicht werden. Für 2023 und die Periode bis ca. 2027 gehen Analysten von durchschnittlich 3 % jährlichem Wachstum aus. Aufgrund der starken Preiserhöhungen haben soziale Spannungen im Land zugenommen. Diese werden zwar anhalten, die generelle Stabilität des Landes wird aber dadurch nicht weiter beeinflusst (WKO 4.2023a).

Die trotz Regierungswechsel stabilen, politischen Verhältnisse und die zahlreichen Investitionspläne mit dem Ziel der Diversifizierung und Stärkung der marokkanischen Wirtschaft und einer Umstellung auf erneuerbare Energie, ziehen mittelfristig gute Geschäftschancen in den unterschiedlichsten Bereichen nach sich: Prozessoptimierung und Modernisierung der Industrie steht ganz oben auf der Agenda der marokkanischen Industrie. Hier ergeben sich für Automobilzulieferer, Industrieausstatter, Anlagenlieferanten und Dienstleister gute Marktchancen. Die Casablanca Finance City, wurde kürzlich wieder zum wichtigsten und besten Finanzzentrum auf dem Kontinent gekürt, bietet über Marokkos Grenzen hinaus Chancen im Bereich Dienstleistungen, Informationstechnologie, FinTec und Urban Development. Interessant sind auch die Bereiche erneuerbare Energie und Energieeffizienz, Wasserwirtschaft, Tourismus, Infrastrukturausbau, Chemie, maritime Wirtschaft, Umwelttechnologie sowie Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft. Auch im Agrarbereich (landwirtschaftliche Maschinen) oder im Bereich Papier und Holz (Schnittholz) und nicht zuletzt in der Pharmabranche gibt es gute Absatzchancen (WKO 4.2023a).

Marokko ist ein agrarisch geprägtes Land: Die Landwirtschaft erwirtschaftet in Marokko ca. 20 % des BIP und ist damit der bedeutendste Wirtschaftszweig des Landes. Ca. zwei Drittel der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt, davon 18 % als Ackerland. Da davon nur rund 15 % systematisch bewässert werden, ist die Wetterabhängigkeit sehr hoch. Der Sektor schafft 40 % der Arbeitsplätze und ist Einkommensquelle für drei Viertel der Landbevölkerung. Von den 1,5 Mio. landwirtschaftlichen Betrieben sind mehr als zwei Drittel Kleinstbetriebe, die über weniger als 3 Hektar Land verfügen, mit geringer Mechanisierung arbeiten und nur zu 4 % am Export beteiligt sind. Die modernen Landwirtschaftsbetriebe decken erst rund ein Achtel der kultivierbaren Gesamtfläche ab (WKO 12.5.2023).

Die Arbeitslosenquote liegt für 2023 bei 11 % [Prognose]. Die Arbeitslosenquote der Erwerbstätigen zwischen 15-64 lag 2022 bei 12,9 %, die Jugendarbeitslosenquote (15-24 Jahre) lag bei 24,9 % (WKO 4.2023b). Die Dunkelziffer liegt wesentlich höher - vor allem unter der Jugend. Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z. B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mithilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021).

Die wirtschaftliche Erholung des Tourismus in Marokko nach COVID erhält nach der Fußball Weltmeisterschaft einen großen Schub. Marokkos Auftritt bei der Weltmeisterschaft war wie eine massive Marketingkampagne für das Land und somit für den Tourismus. Der Sektor ist die wichtigste Devisenquelle des Landes. Ende Oktober 2022 beliefen sich die Einnahmen aus dem Tourismus auf 6,1 Mrd. Euro, was einem deutlichen Anstieg von 148,9 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das Land verzeichnete in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 7,7 Mio. Touristenankünfte. Dieser massive Zustrom von Touristen ermöglichte es dem Sektor, sich nach mehr als zwei Jahren Stagnation und Einnahmenausfällen zu erholen (WKO 1.2023).

Armut ist weit verbreitet und wirtschaftliche Möglichkeiten sind für einen großen Teil der Bevölkerung knapp (FH 2023).

Umfragen deuten darauf hin, dass das subjektive Wohlbefinden der marokkanischen Haushalte in den letzten Monaten gesunken ist. Der umfragebasierte Haushalts-Vertrauensindex der Haushalte, der von HCP erstellt wurde, begann gegen Ende 2021 zu sinken und erreichte im dritten Quartal 2022 einen 14-Jahres-Tiefstand. Besorgniserregend ist, dass mehr als die Hälfte der befragten Haushalte der Ansicht ist, dass sich ihre finanzielle Situation im vergangenen Jahr verschlechtert hat, während 81 % der Ansicht sind, dass sich ihr Lebensstandard verschlechtert hat, und 87 % erwarten einen Anstieg der der Arbeitslosigkeit in der Zukunft (WB 2022/23).

Es kam zu mehreren Demonstrationen gegen die steigenden Preise im Land. Am 4.12.2022 versammelten sich zwischen 1.200 und 3.000 Menschen in Rabat, um gegen die hohen Lebensmittelpreise, Korruption und staatliche Repressionen zu demonstrieren. Als Reaktion darauf hat die Regierung Maßnahmen ergriffen. Im Oktober hat die Regierung einen Fond mit 4,1 Mrd. EUR gestartet, um private Investitionen und die Wirtschaft des Landes zu unterstützen (BAMF 12.12.2022).

Um die Auswirkungen der Lebensmittel- und Energiepreise auf die Haushalte abzumildern, verabschiedete Marokko ein politisches Paket, das allgemeine Subventionen für Grundnahrungsmittel umfasste und die bereits bestehenden regulierten Preise beibehielt. Dieser Ansatz stabilisierte die Preise für Waren und Dienstleistungen, die fast ein Viertel der Ausgaben eines Durchschnittshaushalts ausmachen, und verhinderte so einen möglicherweise stärkeren Anstieg der Armut. Es erforderte die Mobilisierung zusätzlicher öffentlicher Ausgaben in Höhe von fast 2 % des BIP (WB 14.2.2023).

Ungeachtet dieser Maßnahmen litten bescheidene und gefährdete Haushalte immer noch am meisten unter den Auswirkungen der steigenden Lebensmittel- und sonstigen Preise aufgrund

der Inflation. Dem Bericht zufolge war die jährliche Inflation für die ärmsten 10 % der Bevölkerung um fast ein Drittel höher als für die reichsten 10 % der Bevölkerung, was in erster Linie auf die Auswirkungen der Preissteigerungen bei Lebensmitteln zurückzuführen ist, die einen höheren Anteil an den Ausgaben der ärmeren Haushalte ausmachen. In dem Bericht heißt es ferner, dass die geplante umfassende Reform des sozialen Sicherheitsnetzes des Königreichs eine wirksame Ausrichtung der Subventionen auf die Unterstützung der Armen und Schwachen ermöglichen wird (WB 14.2.2023).

Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.828 Dirham (ca. EUR 270). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.060 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 8.2021).

Dennoch wird erwartet, dass sich das Wirtschaftswachstum Marokkos dank einer Erholung des Primärsektors im Jahr 2023 auf 3,1 % beschleunigen wird (WB 14.2.2023).

Ein Erdbeben der Stärke 7 mit Epizentrum in der Gemeinde Ighil in der Provinz Al Haouz, hat Marokko in der Nacht von Freitag, 8.9.2023, auf Samstag, 9.9.2023, erschüttert (Le matin.ma 8.9.2023; vergleiche Le matin.ma 10.9.2023a). Das Erdbeben war gegen 23:11 Uhr in mehreren Städten Marokkos zu spüren. Das Beben trieb viele Menschen in Casablanca, Rabat, Marrakesch und Agadir auf die Straßen (Le matin.ma 8.9.2023). Laut Reuters-Zeugen flohen Menschen in Rabat, etwa 350 km nördlich von Ighil, dem Epizentrum des Bebens, und in der Küstenstadt Imsouane, etwa 180 km westlich, aus Angst vor einem stärkeren Beben aus ihren Häusern (ORF 9.9.2023). Die Telefonleitungen waren gestört. Nach Angaben des US-amerikanischen Instituts für Geologische Überwachung (USGS) wurde gegen 23:30 Uhr nordöstlich von Taroudant ein zweites Beben der Stärke 4,9 registriert (Le matin.ma 8.9.2023).

Nach Angaben des örtlichen Beamten seien in der schwer zugänglichen Bergregion auch die meisten Opfer zu beklagen. Einwohner der Stadt Marrakesch berichten von eingestürzten Gebäuden in der historischen Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört (tagesschau 9.9.2023).

Berichten zufolge leben 1,8 Millionen Menschen in den fünf betroffenen Provinzen, ein Drittel der marokkanischen Bevölkerung sind Kinder. Daher ist zu befürchten, dass unter den Opfern und Betroffenen auch sehr viele Kinder sind (Unicef.de 12.9.2023). Die meisten Opfer unter den Kindern gab es in den Provinzen Al Haouz, gefolgt von Chichaoua und Taroudant, berichtet die Tageszeitung Al Ahdath Al Maghribia. Seismologen sagen für die kommenden Tage und Wochen Nachbeben voraus (Magrhreb-Post.de 15.9.2023).

Die Schäden betreffen vor allem die Provinzen Chichaoua und Taroudant (Le matin 10.9.2023b).

Es war das stärkste Erdbeben, das jemals in der Geschichte Marokkos gemessen wurde und war so stark, dass es fast alle Bewohner des Königreichs spürten. Die Provinzen und Gemeinden Al Haouz, Marrakesch, Ouarzazate, Azilal, Chichaoua und Taroudant waren von dem starken Erdbeben besonders betroffen und verzeichneten fast alle Opfer und eingestürzten Gebäude. Auch in der Provinz Al Haouz wurden Nachbeben geringerer Intensität registriert (Le matin.ma 10.9.2023a). In Ausführung der Hohen Königlichen Weisungen wurde eine dreitägige Staatstrauer beschlossen (Le matin.ma 10.9.2023a; vergleiche tagesschau 12.9.2023). Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind mehr als 300.000 Menschen in Marrakesch und umliegenden Gebieten von dem Unglück betroffen (tagesschau 12.9.2023; vergleiche Unicef.de 12.9.2023).

Die humanitäre Situation verschlechtert sich zunehmend. Die Familien benötigen nun am dringendsten Wasser, Nahrung, Hygieneartikel, Gesundheitsversorgung und eine sichere Unterkunft (Care.at 11.9.2023; vergleiche tagesschau 12.9.2023). Der Präsident des Repräsentantenhaus geht davon aus, dass der Wiederaufbau mehrere Jahre benötigen kann (Magrhreb-Post.de 18.9.2023a). Auch Präsident Biden drückte seine Unterstützung in einem Telefonat mit König Mohammed römisch VI. zum Ausdruck (Magrhreb-Post.de 18.9.2023b).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2082727/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2022%29%2C_22.11.2022.pdf, Zugriff 20.3.2023

-             BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.12.2022): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw50-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=6, Zugriff 12.4.2023

-             BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 - Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 8.8.2023

-             Care.at (11.9.2023): Erdbeben in Marokko: CARE leistet Nothilfe, https://care.at/erdbeben-in-marokko-care-bereitet-soforthilfemassnahmen-vor/, Zugriff 18.9.2023

-             FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2023, Zugriff 16.5.2023

-             Le matin.ma (18.9.2023): Séisme d'Al Haouz: reprise des études dans la commune d’Amizmiz, https://lematin.ma/express/2023/seisme-al-haouz-reprise-etudes-commune-damizmiz/394323.html, Zugriff 19.9.2023

-             Le matin.ma (17.9.2023): Séisme: environ 6.000 collégiens et lycéens des zones sinistrées transférés vers d'autres établissements, https://lematin.ma/express/2023/seisme-6000-collegiens-lyceens-zones-sinistrees-transferes/394279.html, Zugriff 19.9.2023

-             Le matin.ma (10.9.2023a): Séisme au Maroc: retour sur une catastrophe naturelle sans précédent, https://lematin.ma/express/2023/seisme-maroc-retour-catastrophe-naturelle-precedent/394000.html?, Zugriff 19.9.2023

-             Le matin.ma (10.9.2023b): Séisme au Maroc: le ministère de l’éducation suspend les cours dans 42 communes et douars, https://lematin.ma/express/2023/seisme-maroc-cours-suspendus-42-communes-douars/394008.html, Zugriff 19.9.2023

-             Le matin.ma (8.9.2023): Un séisme de magnitude 7 ressenti dans plusieurs villes du Maroc, https://lematin.ma/express/2023/seisme-magnitude-7-ressenti-plusieurs-villes-maroc/393919.html, Zugriff 18.9.2023

-             Magrhreb-Post.de (18.9.2023a): Marokko – König bedankt sich bei ausländischen Rettungskräften, https://www.maghreb-post.de/marokko-koenig-bedankt-sich-bei-auslaendischen-rettungskraeften/, Zugriff 19.9.2023

-             Magrhreb-Post.de (18.9.2023b): Marokko – USA bekräftigen Unterstützung nach dem schweren Erdbeben in Al Haouz, https://www.maghreb-post.de/marokko-usa-bekraeftigen-unterstuetzung-nach-dem-schweren-erdbeben-in-al-haouz/, Zugriff 19.9.2023

-             Magrhreb-Post.de (15.9.2023): Marokko – Erdbeben könnte bis zu 100.000 Kinder betroffen haben, https://www.maghreb-post.de/marokko-erdbeben-koennte-bis-zu-100-000-kinder-betroffen-haben/, Zugriff 18.9.2023

-             ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 30.9.2022

-             ORF - Österreichischer Rundfunk (9.9.2023): Verheerendes Erdbeben in Marokko: 296 Tote, https://orf.at/stories/3330521/, Zugriff 18.9.2023

-             tagesschau (12.9.2023): Der Überlebenskampf geht weiter, https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/marokko-erdbeben-ausnahmezustand-104.html, Zugriff 18.9.2023

-             tagesschau (9.9.2023): Hunderte Tote bei schwerem Erdbeben in Marokko, https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/erdbeben-marokko-100.html, Zugriff 18.9.2023

-             Unicef.de (12.9.2023): Erdbeben in Marokko: Mindestens 100.000 Kinder betroffen, https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/-/erdbeben-in-marokko-helfen/338922, Zugriff 18.9.2023

-             WB - The World Bank (14.2.2023): Morocco’s Economy Has Come Under Pressure from Supply Shocks, https://www.worldbank.org/en/news/press-release/2023/02/14/morocco-s-economy-has-come-under-pressure-from-supply-shocks, Zugriff 20.4.2023

-             WB - The World Bank (2022/23): Middle East - North Africa: Economic Monitor – Morocco Economic Update, Responding to Supply Shocks, https://documents1.worldbank.org/curated/en/099332002132325417/pdf/IDU0e3742c55010a3044730a80a0ad6062acd9db.pdf, Zugriff 20.4.2023

-             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (1.2023): Aussenwirtschaft Nordafrika Newsletter, Ägypten, Algerien Marokko, Libyen, Tunesien, Sudan, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/nordafrika-newsletter-2023-1.pdf, 20.4.2023

-             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (4.2023a) : Aussenwirtschaft, Wirtschaftsbericht Marokko, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/marokko-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 19.5.2023

-             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (4.2023b): Länderprofil Marokko, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-marokko.pdf, Zugriff 19.5.2023

Rückkehr:

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 22.11.2022).

Migrantinnen und Migranten können bei der freiwilligen Rückkehr aus Österreich nach Marokko durch die BBU (Rückkehrberatung und Organisation der Reise), bzw. IOM (Organisation der Reise im Falle von vulnerablen Personen oder Personen mit legalem Aufenthaltstitel in Österreich), nach Bestätigung der Kostenübernahme durch das BFA, unterstützt werden. Freiwillige Rückkehrer/innen aus Österreich nach Marokko haben zudem die Möglichkeit, nach Bestätigung der Projektaufnahme durch das BFA und Erfüllung der Teilnahmekriterien, am Reintegrationsprojekt Frontex JRS teilzunehmen (IOM 27.7.2023).

Das Reintegrationsprogramm „Frontex − Joint Reintegration Services“ (FX JRS) bietet Rückkehren, in Kooperation mit einer lokalen Partnerorganisation Unterstützung bei Ihrer Reintegration in Ihr Heimatland an. Das Post-arrival Paket im Wert von € 615 dient der unmittelbaren Unterstützung nach der Ankunft in Marokko. Es beinhaltet folgende Sofortleistungen: Nach der Begrüßung am Flughafen durch einen Reintegrationspartner und des Airports Pick-up, wie auch Unterstützung bei der Weiterreise (Organisation und Kostenübernahme), erhalten Rückkehrer u.a. eine Pre-Paid SIM-Karte, Hygieneartikel (Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Shampoo, etc.), eine Flasche Wasser, ein warmes Essen (auch als Gutschein möglich), altersgerechtes Spielzeug für Kinder. Zudem wird eine temporäre Unterkunft für bis zu drei Tage nach der Ankunft bereitgestellt und nach Bedarf auch unmittelbare medizinische Unterstützung (BMI 2023).

Des Weiteren sollte die rückkehrende Person keine oder weniger Sofortleistungen benötigen, erhält sie den anteiligen Betrag der € 615 vom lokalen Partner in bar ausbezahlt (BMI 2023).

Zur längerfristige Reintegrationsunterstützung, erhalten Rückkehrer ein Post-return Paket in der Höhe von Euro 2.000. Davon Euro 200 als Bargeld und Euro 1.800 in Form von Sachleistungen auf Grundlage eines Reintegrationsplans, der mit Hilfe der lokalen Partnerorganisation in den ersten sechs Monaten nach der Rückkehr erstellt wird. Zu den angebotenen Sachleistungen des Post-return Pakets gehören unter anderem: Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens, Bildungsmaßnahmen, Trainings, Unterstützung beim Eintritt in den Arbeitsmarkt, bei der Einschulung von Kindern, wie auch rechtliche und administrative Beratungsleistungen, Familienzusammenführung, Unterstützung im Zusammenhang mit Wohnen und Haushalt (Einrichtung) und medizinische und psychosoziale Unterstützung (BMI 2023).

Quellen:

-             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2082727/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2022%29%2C_22.11.2022.pdf, Zugriff 20.3.2023

-             BMI - Bundesministerium für Inneres [Österreich] (2023): Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) - Marokko - So funktioniert die Rückreise in Ihre Heimat, https://www.returnfromaustria.at/morocco/morocco_deutsch.html, Zugriff 31.7.2023.

-             IOM - International Organization for Migration (27.7.2023): Informationen zur freiwilligen Rückkehr nach Marokko, Auskunft von IOM via E-Mail, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz, in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Marokko, in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sowie in seine Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 19.12.2023.

Dahingehend wird eingangs darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer sowohl im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, als auch im Rahmen der Beschwerdeverhandlung einen Dolmetscher für die Sprache Arabisch abgelehnt hat und - zuletzt auch im Beisein seines Rechtsvertreters am 19.12.2023 – die Durchführung der Einvernahmen in der Sprache Englisch oder Berberisch forderte. Gemäß dem Ersuchen des Beschwerdeführers, welcher ein akademisches Studium in der Sprache Englisch abgeschlossen hat, wurden die Einvernahmen am 06.07.2023 vor der belangten Behörde sowie am 19.12.2023 vor dem erkennenden Gericht jeweils mit einem Dolmetscher für die Sprache Englisch durchgeführt.

Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister der Republik Österreich, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB wurden ergänzend eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volljährigkeit, zu seinem Familienstand, zur Kinderlosigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zu seinen Sprachkenntnissen sowie zu seinem gesundheitlichen Zustand basieren auf den im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Asylverfahren (AS 11ff, 99ff und Sitzung 4 des Protokolls in OZ 7). Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Atheist ist, ergibt sich aus seinen gesammelten Angaben im Rahmen des gegenständlichen Asylverfahrens.

Mangels Vorlage von identitätsbezeugenden Originaldokumenten steht die Identität des Beschwerdeführers nicht zweifelsfrei fest, schließlich brachte der Beschwerdeführer lediglich eine marokkanische ID-Karte in Kopie im Behördenverfahren in Vorlage, deren Echtheit dadurch nicht überprüfbar war.

In Anbetracht des erwerbsfähigen Alters des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung seines gesundheitlichen Zustands war daher letztlich auch seine Arbeitsfähigkeit festzustellen.

Der Beschwerdeführer gab im gegenständlichen Asylverfahren stringent zu Protokoll, in einem Dorf nahe römisch 40 aufgewachsen zu sein, sich für sein Studium in Agadir niedergelassen zu haben und zuletzt in Marrakesch sowie in der Nähe von Casablanca gelebt zu haben (AS, Sitzung des Protokolls in OZ 5). Aufgrund seiner gleichbleibenden Angaben in den einzelnen Einvernahmen waren auch die Feststellungen zu seiner schulischen bzw. universitären (Weiter-)Bildung bzw. seiner Berufsausbildung und seiner beruflichen Erfahrungen im Marokko zu treffen (AS 123ff).

In Anbetracht seiner Hochschulbildung sowie ergänzenden Berufsausbildung und seinen anschließenden beruflichen Tätigkeiten ist unter Mitberücksichtigung seines gesundheitlichen Zustands und seines Alters davon auszugehen, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Marokko seinen Lebensunterhalt wird sichern können.

Vor dem erkennenden Gericht erklärte er nachvollziehbar, dass er im April 2022 Marokko legal verlassen habe und schilderte zudem seine Reiseroute, welche sich auch aus geographischer Sicht als plausibel darstellt Sitzung 5 des Protokolls in OZ 7). Das Datum der Asylantragstellung in Österreich ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Behördenakt und ist im Erstbefragungsprotokoll vermerkt (AS 13). Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Österreich sowie zur gegenwärtigen Meldung im Bundesgebiet lassen sich dem eingeholten aktuellen ZMR-Auszug entnehmen.

Die Feststellung, dass seine Familienangehörigen nach wie vor in Marokko leben, beruht auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor dem erkennenden Gericht sowie der belangten Behörde (AS 105) und gab er zudem im Asylverfahren durchwegs gleichbleibend an, in Österreich über keine familiären Verbindungen zu verfügen Sitzung 14 des Protokolls in OZ 7). Aufgrund von vorgelegten Unterstützungsschreiben (OZ 6, Beilage C zur OZ 7) wird in Überstimmung mit den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers klar, dass er bereits freundschaftliche Kontakte in Österreich aufgebaut hat.

Seine Kenntnisse der deutschen Sprache konnte der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeverhandlung unter Beweis stellen, worin er zudem selbst anführte, bislang keinen Deutschkurs besucht oder eine Sprachprüfung absolviert zu haben Sitzung 14 des Protokolls in OZ 7). Dass der Beschwerdeführer keine – mit Ausnahme seiner Mitgliedschaft in einem Fußballverein sowie der Einschulung als Dolmetscher (AS 127f) – sonstigen maßgeblichen Integrationsmerkmale in sozialer Hinsicht aufweist, ergibt sich aus dem Umstand, dass er solche im Verfahren weder darzulegen noch formell nachzuweisen vermochte, insbesondere in Anbetracht seines erst eineinhalbjährig andauernden Aufenthalts in Österreich. Für eine entgegenstehende Annahme genügen seine Angaben, er habe sich bereits für die Verrichtung von freiwilliger Arbeit beworben, nicht aus.

Die Feststellungen zur fehlenden Erwerbstätigkeit sowie zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung gründen auf der Einsichtnahme in die Datenbank der Sozialversicherungsträger sowie dem aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Aufgrund seiner aufgezeigten finanziellen Lage in Österreich war somit die Feststellung der mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit zu treffen.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtgründen und den Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führte in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.08.2022 zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er seit dem Jahr 2016 ohne Bekenntnis sei und aus diesem Grund Probleme mit der Gesellschaft und seiner Familie bekommen habe. Sein Vater und sein Bruder hätten ihn mehrmals bedroht und wollten ihn, sofern er nicht ausgereist wäre, bei der Polizei anzeigen. In seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 06.07.2023 gab er auf Fragen zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen dieselben Gründe wie in der Erstbefragung an.

Die belangte Behörde erließ einen den Antrag auf internationalen Schutz abweisenden Bescheid und kam darin zum Schluss, dass die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe, welche ihn zum Verlassen der Heimat bewogen haben sollen, unglaubhaft seien und dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsland Marokko eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten hätte.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung schließt sich das erkennende Gericht den Ausführungen der belangten Behörde an und stimmt deren Beweiswürdigung dahingehend zu, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit den Länderfeststellungen die Glaubhaftigkeit abzusprechen ist. Der Beschwerdeführer vermochte in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 19.12.2023 (OZ 7) eine aktuelle Furcht vor Verfolgung aus folgenden Gründen nicht glaubhaft zu machen:

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss. Die Verantwortung eines Antragstellers hat jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert vergleiche VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Generell ist zur Glaubwürdigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm vorgebrachte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen. Diesen Anforderungen werden die Angaben des Beschwerdeführers nicht gerecht.

Da im gegenständlichen Verfahren die Aussage des Beschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, müssen die Angaben des Beschwerdeführers bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden. Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, ist vergleiche VwGH 24.06.1999, 98/20/0435; VwGH 20.05.1999, 98/20/0505).

Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage in seinem aktuellen Entscheidungszeitpunkt abzustellen vergleiche VwGH 25.06.2019, Ra 2019/10/0012). Insoweit ist fallgegenständlich zu prüfen, ob der Beschwerdeführer gegenwärtig in seinem Herkunftsstaat Marokko der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt ist.

Der Beschwerdeführer gab im gegenständlichen Asylverfahren – zuletzt auch im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vor dem erkennenden Gericht – grundsätzlich gleichbleibend an, dass er sein Heimatland verlassen habe, da er Atheist sei und im Jahr 2016 damit zusammenhängende Probleme mit seinem Vater sowie seinem Bruder begonnen hätten.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den Vorfall im Jahr 2016, bei welchem sein Notizbuch mit seinen religiösen Ansichten von seinem Lehrer gefunden und er für zwei Wochen von seiner Schule suspendiert worden sei, grundsätzlich stringent zu Protokoll gab und dazu auch detaillierte Angaben, sowohl vor der belangten Behörde als auch vor dem erkennenden Gericht, tätigte. Er führte des Weiteren gleichbleibend an, dass er aufgrund seiner Glaubensansichten von seinem Vater und seinem Bruder aus dem Haus gejagt und auch geschlagen worden sei, woraufhin er im Jahr 2016 in Agadir zu studieren begonnen habe.

Es bleibt dennoch darauf hinzuweisen, dass sich dieser Vorfall bereits sechs Jahre vor seiner Ausreise aus Marokko ereignete und er lediglich einen weiteren Vorfall im Jahr 2022 schilderte. Es erscheint daher in Hinblick auf sein Vorbringen weder schlüssig noch nachvollziehbar, dass sich der Beschwerdeführer sechs Jahre lang ohne jegliche konkret gegen seine Person gerichtete Vorfälle - dahingehend hat der Beschwerdeführer nichts vorgebracht - als „Atheist“ in Marokko habe aufhalten können. Vielmehr führte er selbst an, dass er sich mit einem Universitätsprofessor über seine religiösen Ansichten unterhalten habe können und er sich auch mit anderen Menschen mit der gleichen religiösen Einstellung getroffen habe Sitzung 8 des Protokolls in OZ 7).

Zudem blieben seine Angaben hinsichtlich des zweiten Vorfalls, welcher zu seiner Ausreise aus Marokko geführt haben soll, zunächst detailarm und oberflächlich. So gab er vor der belangten Behörde lediglich zu Protokoll, dass er im Jahr 2022 versucht habe gemeinsam mit seiner Familie zum Ramadan zu fasten, er sich jedoch geweigert habe mit seinem Vater zu beten. Aus diesem Grund habe ihm sein Vater mitgeteilt, dass er zwei Möglichkeiten habe. Entweder verlasse er das Haus für immer und komme nie wieder zurück, oder er würde ihn bei der Polizei anzeigen (AS 111f).

Vor dem erkennenden Gericht gab der Beschwerdeführer in ausführlicherer Weise zu Protokoll, dass er bereits im Jahr 2021 aufgrund des Todes seines Halbbruders zurück in sein Heimatdorf gekommen sei und dort Englisch und Französisch in einem Verein unterrichtet habe. Er habe lediglich in Frieden bei seiner Familie leben wollen, jedoch hätten zum Ramadan im Jahr 2022 Spannungen zwischen ihm und seinem Vater immer weiter zugenommen, weshalb ihn sein Vater letztlich vor die Entscheidung gestellt habe, das Haus zu verlassen oder angezeigt zu werden. Da er anschließend keinen Ort mehr gehabt habe, an dem er bleiben hätte können, habe er Marokko verlassen Sitzung 7 des Protokolls in OZ 7). Er führte überdies an, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Marokko von seinem Vater getötet worden wäre Sitzung 10 des Protokolls in OZ 7).

Damit wird für das erkennende Gericht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung klar, dass sich der Beschwerdeführer lediglich auf eine Privatverfolgung durch seinen Vater bzw. seinen älteren Bruder stützt. Der Behauptung des Beschwerdeführers, wonach sein Vater in der Zeit zwischen seinem Rauswurf im Jahr 2016 und seiner Rückkehr ins Heimatdorf im Jahr 2021 keinen Kontakt zum Beschwerdeführer gesucht habe und offenbar auch keine polizeilichen Maßnahmen eingeleitet habe, obwohl er nach Angaben des Beschwerdeführers immer exakt gewusst habe, wo er sich befinde Sitzung 8 des Protokolls in OZ 7), zeigt überdies, dass er – unter der Prämisse der Wahrunterstellung seiner Angaben – im Falle seines Verbleibs in Marokko nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Bedrohung durch seine Familie ausgesetzt gewesen wäre.

Seine Familie habe ihn offenbar zwischen 2016 bis zu seiner Rückkehr ins Heimatdorf unbehelligt in Marokko leben lassen, sodass sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts keinerlei Gründe auftun, weshalb dies zukünftig anders sein sollte. Bemerkenswert bleibt in diesem Zusammenhang insbesondere, dass dem Beschwerdeführer nun im November 2023 – somit kurze Zeit vor der mündlichen Verhandlung am 19.12.2023 – Drohnachrichten seines in Marokko lebenden Bruders zugekommen seien Sitzung 9 des Protokolls in OZ 7). Darüber hinaus kann anhand der vorgelegten Auszüge einer Unterhaltung über „Facebook-Messenger“ die Identität des Absenders nicht zweifelsfrei in Erfahrung gebracht werden (Beilage A zur OZ 7), sodass die Vorlage letztlich nicht geeignet war, sein Fluchtvorbringen glaubhaft erscheinen zu lassen. Dies trifft ebenso auf das ohne Übersetzung, sowie für den anwesenden Dolmetscher unleserlich vorgelegte Schreiben (Beilage B zur OZ 7) zu.

Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht als Aufgabe der belangten Behörde gesehen werden, dem Beschwerdeführer dahingehend anzuleiten, dass er ein Vorbringen erstattet welches unter Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumieren ist, sondern liegt es am Beschwerdeführer ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Asylrelevanz feststellen zu können. Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (VwGH 20.1.1993, 92/01/0752; 19.5.1994, 94/19/0465 mwN.) und dass weder die erstinstanzliche Behörde noch das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet ist, den Antragsteller derart anzuleiten, dass sein Antrag von Erfolg gekrönt sein muss.

Doch selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung dieses Vorbringens würde es sich um eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure und sohin um eine reine Privatverfolgung handeln. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist folglich selbst bei Wahrunterstellung nicht geeignet, eine asylrelevante Verfolgung aufzuzeigen. Zudem müsste unter der theoretischen Annahme, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers real wäre, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch wegen des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative verneint werden. Besteht nämlich für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt vergleiche VwGH 24.3.1999, Zl. 98/01/0352; VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401; VwGH 22.5.2003, Zl. 2001/20/0268, mit Verweisen auf Vorjudikatur). Dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer wäre es – wie er es bereits in den Jahren 2016 bis 2021 getan habe – möglich und zumutbar gewesen, sich in einen anderen Landesteil von Marokko zu begeben. Außerdem sollte er im Falle seiner Rückkehr in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt bestreiten können, dies insbesondere vor dem Hintergrund seiner Hochschulbildung und Arbeitserfahrung sowie dem Umstand, dass er in Marrakesch, Casablanca sowie Agadir bereits ein unbeeinflusstes Leben habe führen können. Durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wäre es ihm zudem möglich, für eine Unterkunft in einer dieser Großstädte aufzukommen, welche keine familiären Verflechtungen aufweist Sitzung 8 des Protokolls in OZ 7). Dass ihn sein Vater in einer Millionenstadt wie Casablanca in jedem Fall aufspüren hätte können, wird hingegen als reine Schutzbehauptung gewertet, die bei lebensnaher Betrachtungsweise an Glaubhaftigkeit vermissen lässt.

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen des Asylverfahrens erfahrene Diskriminierungen lediglich durch Private aufgrund seines behaupteten Atheismus zur Sprache brachte, bleibt festzuhalten, dass er keine sichthaltigen Argumente dafür vorlegte, weshalb ihm in Marokko aufgrund der Abwendung vom muslimischen Glauben eine staatliche Verfolgung drohen sollte. In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass Marokko als sicherer Herkunftsstaat gilt, in dem Religionsfreiheit herrscht. Marokko ist zwar ein islamischer Staat und der Abfall vom Islam gilt in seinem Herkunftsstaat als eine Todsünde sowie Schande, jedoch garantiert Marokko die Religionsfreiheit und Apostasie ist nicht strafbewehrt. Eine in Marokko öffentlich bekannt gemachte Apostasie kann zwar mit nicht unerheblichen Problemen, sozialer Ächtung oder diversen gesellschaftlichen Nachteilen behaftet sein, jedoch geht aus den Länderberichten nicht hervor, dass hierdurch Verfolgungshandlungen begründet werden.

Soweit im Beschwerdeschriftsatz bzw. im Rahmen der Beschwerdeverhandlung dahingehend ein Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes bzw. der US-Staatendokumentation zitiert wird, bleibt festzuhalten, dass der ins Verfahren eingebrachte und aktuellere Länderinformationsbericht auf eben diese Problemstellungen bereits eingeht und ausführt, dass bei öffentlich bekannt gemachter Apostasie Probleme einhergehen können. Der Beschwerdeführer vermochte es hingegen, in bestimmten Personengruppen mit der gleichen religiösen Einstellung bereits jahrelang unbehelligt in Marokko zu leben und zeigte er überdies in der mündlichen Verhandlung keine Intentionen, dass er den behaupteten Glaubensabfall öffentlich bekannt machen, sich kritisch über den Islam äußern oder Aktivitäten setzen würde, mit denen er in den Fokus der Öffentlichkeit gerät Sitzung 8 des Protokolls in OZ 7). Die Ablehnung des muslimischen Glaubens würde von ihm daher in seinem Herkunftsstaat nicht in besonderer Weise nach außen getragen werden, schließlich war es ihm auch bereits in der Vergangenheit langjährig möglich, mit Menschen der gleichen religiösen Einstellung in Kontakt zu treten. Eine Verfolgungsgefahr besteht jedenfalls in Marokko bei Personen, die ihre kritische Haltung gegenüber dem Islam nicht publik machen, nicht. Zudem handelt es sich in den angeführten Berichten um Einfälle, wobei von keiner systematischen Verfolgung gesprochen werden kann, sodass von einer dahingehend maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung des Beschwerdeführers nicht auszugehen ist.

Ergänzend muss auch erwähnt werden, dass der Beschwerdeführer selbst mehrmals anführte, dass seine nach wie vor in Marokko lebenden Angehörigen keinerlei Probleme aufgrund der Ausreise des Beschwerdeführers gehabt hätten und auch derzeit nicht haben. Es ergibt sich in einer Gesamtschau auch nicht, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise eine derart exponierte Stellung innegehabt hätte, woraus sich im Falle seiner Rückkehr zwangsläufig die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung seiner Person ableiten lässt; vielmehr führte er selbst an, zu keinem Zeitpunkt Probleme mit den marokkanischen Behörden gehabt zu haben. Des Weiteren erhielt er nach eigenen Angaben im Rahmen seines Studiums sogar ein Stipendium von der marokkanischen Regierung Sitzung 7 des Protokolls in OZ7). Außerdem war es dem Beschwerdeführer möglich, legal unter Verwendung seines marokkanischen Reisepasses problemlos Marokko auf dem Luftweg zu verlassen, weshalb es der Annahme einer ihm im Falle seiner Rückkehr drohenden staatlichen Verfolgung ebenso an Schlüssigkeit fehlt. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich einige sichere Staaten durchreiste, ohne Asylanträge zu stellen, deutet ebenso nicht auf eine akute Verfolgung seiner Person in seinem Heimatstaat hin.

In der Gesamtsicht sämtlicher Erwägungen gelangt das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit der belangten Behörde daher zum Schluss, dass der Beschwerdeführer Marokko wohl aufgrund der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat verlassen hat und es ihm nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers lassen in ihrer Gesamtbetrachtung die Rückkehrbefürchtungen als reine gedankliche Konstruktion erscheinen, der jegliche Stringenz hinsichtlich einer Verfolgung aufgrund seines Atheismus fehlt, sodass davon auszugehen ist, dass dieses Fluchtvorbringen nur zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgebracht wurde.

Der Vollständigkeit halber bleibt hinsichtlich des lediglich rudimentären Vorbringens im Behördenverfahren, er sei als Angehöriger der Minderheit der Berber mit zahlreichen Diskriminierungen konfrontiert, auszuführen: Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation ist in diesem Zusammenhang zwar zu entnehmen, dass eine Diskriminierung aufgrund der berberischen Herkunft in Marokko im Einzelfall vorkommen kann, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster jedoch nicht erkennbar ist. Marokko erkennt ausdrücklich in seiner Verfassung die Diversität der Nation an und staatliche Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten ist nicht vorhanden. Die Verfassung enthält auch die Anerkennung der berberischen Wurzeln, Traditionen und Sprache gleichberechtigt neben dem arabischen und jüdischen Kulturerbe. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere, wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Der „Minderheitencharakter“ der Berber ist bei ca. 40 % der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln ohnedies relativ zu sehen

Die Gefahr einer systematischen landesweiten Verfolgung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit zu den Berbern besteht in Marokko somit nicht. Ebenso wenig ergeben sich aus den einschlägigen Länderberichten Hinweise bezüglich eines generellen Ausschlusses von Berbern vom Arbeitsmarkt und von Bildungseinrichtungen in Marokko und hat der Beschwerdeführer nicht zuletzt selbst im Verfahren vorgebracht, in seinem Herkunftsstaat eine umfassende Hochschulbildung erhalten und Arbeitserfahrung gesammelt zu haben. Darüber hinaus behauptete der Beschwerdeführer auch keine seine individuelle Person betroffenen staatlichen Diskriminierungshandlungen, sodass die Gefahr einer staatlichen Verfolgung seiner Person aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit in einer Gesamtschau zu verneinen ist.

Weitere Fluchtgründe wurden vom Beschwerdeführer letztlich nicht vorgebracht, sodass in einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände keine asylrelevante Verfolgung in Marokko erkennbar ist. Zusammengefasst ergab sich aus den vorangegangenen Ausführungen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Marokko nicht aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde.

Marokko kann grundsätzlich als stabiles und sicheres Land betrachtet werden. Ein bewaffneter innerstaatlicher oder zwischenstaatlicher Konflikt besteht demnach nicht, sodass eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr aufgrund solcher Konflikte ausgeschlossen werden kann. Die allgemein herrschende Situation in Marokko – ein sicherer Herkunftsstaat gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, der Herkunftsstaaten-Verordnung – stellt damit generell keine Bedrohung im Sinne des Artikel 2, MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar.

Es wird nicht verkannt, dass Armut in Marokko weit verbreitet ist und für einen großen Teil der Bevölkerung kaum wirtschaftliche Möglichkeiten bestehen. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen besteht nicht, jedoch führt die marokkanische Regierung Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Generell ist die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet und werden Brot, Zucker und Gas subventioniert. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher nicht davon aus, dass grundsätzlich eine Extremgefahr zu prognostizieren ist. Aufgrund der Aktenlage ist auch konkret in Bezug auf den Beschwerdeführer nicht davon auszugehen, dass dieser aus individuellen Gründen wirtschaftlicher, sozialer oder gesundheitlicher Natur in eine existenzbedrohende Situation geraten würde. Der arbeitsfähige Beschwerdeführer verfügt über eine zwölfjährige Schulbildung, ein abgeschlossenes Hochschulstudium sowie eine ergänzende Berufsausbildung sowie Berufserfahrung in diversen Tätigkeiten. Aus diesem Grund kann davon ausgegangen werden, dass er sich in Marokko seinen Lebensunterhalt wird sichern können, wie er es auch bereits bis zu seiner Ausreise aus Marokko vermochte. Selbst für den Fall, dass er durch seine Familienangehörigen keinerlei Unterstützung erfahren würde, wird er in Anbetracht der obigen Ausführungen jedenfalls in der Lage sein, seine Existenz in Marokko zu sichern, wo er fast sein gesamtes Leben verbracht hat, dort aufgewachsen ist und seine Enkulturation erfahren hat, weshalb von einem Vertrautsein mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der marokkanischen Kultur auszugehen ist. Gegenständlich ist damit jedenfalls davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer in Marokko wird ansiedeln können und eine (in Marokko vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte auch sichergestellte) Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln zur Verfügung stehen wird vergleiche Ausführungen unter Punkt römisch II.1.3.).

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Marokko gilt gemäß Paragraph 19, Absatz 5, BFA-VG in Verbindung mit Paragraph eins, Ziffer 9, Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) im Hinblick auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Verletzungen von Menschenrechten als sicherer Herkunftsstaat.

Die getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Marokko samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, EASO, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen. Hierbei handelt es sich um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen.

Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material vergleiche VwGH 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen, weshalb die Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.12.2023 wurde mit ihm der wesentliche Inhalt der herkunftsstaatsbezogenen Berichte erörtert und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Weder der Beschwerdeführer, noch dessen Rechtsvertretung, sind den getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, die auf den in das Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen beruhen, substantiiert entgegengetreten. Das bloße Aufzeigen von spezifischen Problemlagen im Herkunftsstaat vermag die Glaubwürdigkeit der Länderfeststellungen nicht zu erschüttern. Vielmehr sparen die Länderfeststellungen die im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers vorherrschenden Probleme nicht nur nicht aus, sondern legen diese ebenfalls offen.

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen und weder in der Beschwerde, noch in der mündlichen Verhandlung dem Inhalt und den Kernaussagen der Länderberichte sowie deren Quellen substantiiert entgegengetreten, sodass an der Richtigkeit und am Zutreffen der Länderfeststellungen keine Zweifel bestehen und diese der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1.       Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Absch A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Artikel eins, Absch A Ziffer 2, GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Absch A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233, VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279, VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann aber nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH vom 28. Oktober 2009, 2006/01/0793, mwN).

Gemäß Artikel 7, Absatz 2, der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), die im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts mit zu berücksichtigen ist, muss der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden wirksam sein. Ein solcher Schutz ist generell gewährleistet, wenn etwa der Herkunftsstaat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Asylwerber Zugang zu diesem Schutz hat. Bei Prüfung (u.a.) dieser Frage berücksichtigen die Mitgliedstaaten nach Artikel 8, Absatz 2, Statusrichtlinie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers.

Die Statusrichtlinie sieht daher einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben vergleiche VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; 17.11.2017, Ra 2017/20/0404).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt römisch II. 2.3. bereits ausführlich dargestellt, war dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Falle seiner Rückkehr nach Marokko aus religiösen Gründen verfolgt werden würde, aus den angeführten Gründen die Glaubhaftigkeit zu versagen bzw. konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung darlegen bzw. glaubhaft machen.

Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen vergleiche Artikel 9, Absatz eins, der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen vergleiche VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach Paragraph 15, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen vergleiche VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht vergleiche VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

Wie beweiswürdigend ausführlich dargelegt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, individuelle Gründe für die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung seiner Person glaubhaft zu machen. Sein vorrangiges Fluchtvorbringen betreffend seine Verfolgung als Atheist erwies sich in einer Gesamtschau als nicht glaubhaft sowie aufgrund der Verhältnisse in seiner Heimatregion und seiner bisherigen Lebensumstände dort als nicht maßgeblich wahrscheinlich. Auch das in groben Zügen dargestellte Vorbringen betreffend allgemeine Diskriminierungen aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit konnte keine Asylrelevanz entfalten.

Dem Beschwerdeführer ist es sohin nicht gelungen, eine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannt sind, darzulegen. Für den Beschwerdeführer war dementsprechend auch keine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannt sind, fassbar.

Es entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative iSd Paragraph 11, Absatz eins, AsylG nur dann zu prüfen ist, wenn glaubhaft ist, dass einem Asylwerber in der Herkunftsregion seines Herkunftsstaats Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht bzw. die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd Paragraph 8, Absatz eins, AsylG vorliegen (siehe VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106-12). Diesen Anforderungen konnte der Beschwerdeführer - wie zuvor dargelegt - jedoch nicht gerecht werden.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage wird zusammengefasst ausgeführt, dass eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung darstellt vergleiche etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0789; 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen vergleiche etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt. Derartiges hat der Beschwerdeführer ebenfalls nicht glaubhaft behauptet.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2.       Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage:

Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – „real risk“ einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht vergleiche VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen vergleiche VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0143).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Artikel 3, EMRK angenommen werden kann. Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen vergleiche VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174; 17.10.2019, Ra 2019/18/0372).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 hinsichtlich des Beschwerdeführers nicht gegeben sind.

Wie bereits ausführlich dargelegt wurde, droht dem Beschwerdeführer im Marokko keine asylrelevante Verfolgung. Marokko kann grundsätzlich als stabiles und sicheres Land betrachtet werden. Ein bewaffneter innerstaatlicher oder zwischenstaatlicher Konflikt besteht demnach nicht, sodass eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr aufgrund solcher Konflikte ausgeschlossen werden kann. Die allgemein herrschende Situation in Marokko – ein sicherer Herkunftsstaat gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, der Herkunftsstaaten-Verordnung – stellt generell keine Bedrohung im Sinne des Artikel 2, EMRK, 3 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar.

Dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3 EMRK überschritten wäre (zur „Schwelle“ des Artikel 3 EMRK vergleiche VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Beschwerdefall ebenfalls keinen Anhaltspunkt. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann mit langjähriger (Hochschul-)Schulbildung sowie Berufserfahrung, der sich bereits in der Vergangenheit seinen Lebensunterhalt sichern konnte, sodass die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben auch zukünftig vorausgesetzt werden kann. Es sind keine Umstände ersichtlich, weshalb dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und eigenständige Bestreitung seines Lebensunterhaltes nicht möglich sein sollten. Das Vorliegen von exzeptionellen Umständen, welche in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen wären, wurde zu keinem Zeitpunkt substantiiert behauptet. Gegenständlich ist damit jedenfalls davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer in Marokko wird ansiedeln können und eine (in Marokko vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte auch sichergestellte) Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln zur Verfügung stehen wird. Weiters pflegt der Beschwerdeführer nach wie vor den Kontakt zu Teilen seiner in Marokko aufhältigen Familie, welche ihm im Falle seiner Rückkehr anfänglich behilflich sein könnte.

Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Marokko bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Marokko keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.3.       Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 57, AsylG (Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1. Rechtslage:

Gemäß Paragraph 58, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) unter anderem von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des Paragraph 46, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer eins a, FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005.

Ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes römisch III. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 57, AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen war.

3.4.       Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides):

3.4.1. Rechtslage:

Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird.

Gemäß Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere die in Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Gemäß Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht verfügen, unzulässig wäre.

3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt, stützte sich die belangte Behörde zu Recht auf Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG.

In weiterer Folge ist eine individuelle Abwägung der berührten Interessen vorzunehmen, um zu beurteilen, ob ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK als verhältnismäßig angesehen werden kann oder in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen vergleiche VwGH 15.02.2021, Ra 2020/21/0301; VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0362; VwGH 26.02.2020, Ra 2019/18/0456; VwGH 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist vergleiche VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 31.07.2022 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung eine Dauer von etwa einem Jahr und sechseinhalb Monaten. Der seit seiner Einreise andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich beruhte auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der Dauer des Aufenthaltes nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. Insbesondere fußt sein Aufenthalt im Bundesgebiet auf einem unbegründeten Asylantrag und kommt einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu vergleiche VwGH 30.07.2020, Ra 2020/20/0130-6; 10.04.2019, Ra, 2019/18/0049 und Ra 2019/18/0058; 19.06.2019, Ra 2019/01/0051; 23.10.2019, Ra 2019/19/0289; 30.07.2015, Ra 2014/22/0055; als auch der Verfassungsgerichtshof vom 26.04.2010, U 493/10-5, und VfGH 12.06.2013, U485/2012).

Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen vergleiche VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422).

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandte oder anderen familiären Beziehungen in Österreich, sodass das Bestehen eines Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK nicht weiter zu prüfen ist. Des Weiteren kamen gegenständlich keine Hinweise auf eine nichteheliche Lebensgemeinschaft oder auf ein besonders schützenswertes Privat- und Familienleben iSd EMRK hervor. Soweit der Beschwerdeführer über private Bindungen in Österreich verfügt, ist darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr nach Marokko gelockert werden, jedoch nichts darauf hindeutet, dass der Beschwerdeführer hierdurch gezwungen wird, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nach seinem Aufenthalt nahestehen, gänzlich abzubrechen. Es steht ihnen frei, die Kontakte anderweitig, beispielsweise über moderne Kommunikationsmittel oder Besuche, aufrecht zu erhalten.

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige, besonders ausgeprägte und tiefgreifende Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind schon in Hinblick auf die kurze Dauer seines bisherigen Aufenthalts in Österreich nicht erkennbar und wurden vom Beschwerdeführer auch nicht schlüssig behauptet. Die festgestellten Umstände sind für sich alleine jedenfalls nicht dazu geeignet eine Integration von maßgeblicher Intensität zu begründen.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vergleiche das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007; vergleiche dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.")

Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte. Seine Eltern und seine Geschwister leben nach wie vor in Marokko, sodass in einer Gesamtschau keine vollkommene Entwurzelung des Beschwerdeführers gegeben ist. Außerdem spricht der Beschwerdeführer Arabisch sowie Berberisch, ist in Marokko aufgewachsen, hat dort die Schule besucht sowie ein Universitätsstudium abgeschlossen. Er ist mit den regionalen Gebräuchen und Eigenheiten der marokkanischen Kultur vertraut.

Hinsichtlich seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit ist auszuführen, dass dies nach der Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt vergleiche zuletzt VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253 mit Verweis auf VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 und VwGH 13.10.2011, 2009/22/0273;), da der VwGH davon ausgeht, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Artikel 8, Absatz 2, EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt vergleiche VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Außerlandesschaffung aus und sind auch sonst keine Anhaltspunkte hervorgekommen bzw. vorgebracht worden, welche eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG nicht in Betracht kommt.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG abzuweisen war.

3.5.       Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt römisch fünf. des angefochtenen Bescheides):

3.5.1. Rechtslage:

Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen vergleiche VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; 25.09.2019, Ra 2019/19/0399; u.a.).

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Marokko nicht vor, sodass aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Ergänzend wird ausgeführt, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt hat, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen vergleiche u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend vergleiche u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 und zuletzt VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5).

Dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig und arbeitsfähig und verfügt über Schulbildung sowie Berufserfahrung. Durch die Aufnahme einer entsprechenden Erwerbstätigkeit sollte er in seinem Herkunftsstaat zukünftig zum Verdienst seines Lebensunterhaltes imstande sein bzw. könnte er Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Damit ist der Beschwerdeführer nicht durch die Außerlandesschaffung nach Marokko in seinem Recht gemäß Artikel 3, EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Marokko bessergestellt ist, genügt für die Annahme, er würde in Marokko keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können, nicht. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ökonomische Schwierigkeiten hat der Beschwerdeführer hinsichtlich der allgemeinen Lage angedeutet, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes würden jedoch wirtschaftliche Gründe keine asylrechtlich relevante Verfolgung bewirken (zur fehlenden asylrechtlichen Relevanz wirtschaftlich motivierter Ausreisegründe siehe auch Erk. d. VwGH vom 28.06.2005, 2002/01/0414 oder vom 06.03.1996, 95/20/0110 oder vom 20.06.1995, 95/19/0040), weshalb das Vorliegen dieser Gründe eine Abschiebung nicht unzulässig macht.

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des Paragraph 50, Absatz 2, FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch fünf. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 9, FPG abzuweisen.

3.6.       Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt römisch VI. des angefochtenen Bescheides):

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach Paragraph 55, Absatz 2, FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer von der belangten Behörde vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Derartige „besondere Umstände“ wurden vom Beschwerdeführer nicht dargetan und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde erweist sich folglich insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch VI. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur Asylrelevanz eines Fluchtvorbringens, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den zuvor genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2024:I416.2276751.1.00