Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

18.12.2023

Geschäftszahl

W256 2260934-1

Spruch


W256 2260934-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins.           Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, stellte am 24. September 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005) im österreichischen Bundesgebiet.

Am darauffolgenden Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung statt. Darin führte die Beschwerdeführerin zunächst aus, in römisch 40 , Aleppo, geboren zu sein und die syrische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Sie sei ledig und habe als Anwältin gearbeitet. Zu ihrem Fluchtgrund befragt, führte die Beschwerdeführerin Folgendes an: „Wir sind damals von Syrien geflohen, wegen dem Krieg und vor allem wegen der IS und der PKK. Bis heute befindet sich Syrien im Krieg. Ich habe Angst um mein Leben deshalb habe ich Syrien verlassen.“

Am 5. Mai 2022 wurde die Beschwerdeführerin durch ein Organ der belangten Behörde einvernommen. Darin führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, in römisch 40 geboren zu sein, wo sie bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2015 zusammen mit ihrer Familie gelebt habe. Sie sei Kurdin, ledig und habe keine Kinder. Ihr Vater sei wohlhabend und auch sie selbst habe studiert und gearbeitet, sodass es ihr finanziell sehr gut gegangen sei. Ihre Eltern, ein Bruder und drei Schwestern würden in der Türkei und zwei Brüder in Deutschland leben. In Syrien habe sie keine Familienangehörigen mehr. Ihre Häuser seien zerstört und die Landwirtschaft sei von der PKK übernommen worden. Sie habe die Schule mit Matura abgeschlossen, habe danach insgesamt neun Jahre an der Universität Aleppo Rechtswissenschaften studiert und von 2010 bis 2015 beim Gericht in römisch 40 gearbeitet. Im Frühling 2015 sei sie illegal in die Türkei ausgereist, wo sie sich sechs Jahre aufgehalten habe. Dort habe sie nicht arbeiten müssen, da die beiden Brüder aus Deutschland sie finanziell unterstützt hätten. Zu ihren Fluchtgründen befragt, führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass sie als Kurdin sowie ihre ganze Familie Probleme mit dem IS gehabt habe. Damals seien viele Bewohner von römisch 40 aus dem Ort geflüchtet, weil viele davon vom IS getötet worden seien. Bei einem Checkpoint des IS seien sie angehalten worden, als sie mit einem Auto von Aleppo nach römisch 40 unterwegs gewesen seien, und alle in diesem Auto seien festgenommen worden. Sie sei ca. 3 Tage festgehalten worden und habe islamischen Unterricht erhalten. Weiters hätten eine Schwester und ein Bruder auf Facebook Sachen über die Regierung veröffentlicht. Außerdem habe die PKK ihr einmal angeboten, mit ihnen zu arbeiten. Dies habe sie aber nicht machen können, da sie sonst Probleme mit der syrischen Regierung erhalten hätte. Eine persönliche Bedrohung habe es aber nicht gegeben. Im Falle der Rückkehr habe sie Angst vor der syrischen Armee, weil sie Kurdin sei. Sie habe auch Angst vor der PKK und vor dem IS. Sollte der IS herausfinden, dass sie aus römisch 40 stamme oder Rechtsanwältin sei, werde sie entweder umgebracht oder zwangsverheiratet. Auch komme für sie eine Rückkehr nach Syrien nicht in Frage, da ihre ganze Familie in Europa sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.). Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin mit den von ihr behaupteten Angaben zu den Gründen ihrer Ausreise aus Syrien eine individuelle Verfolgungsgefahr in ihrem Herkunftsstaat nicht glaubhaft darzulegen vermocht habe. Aufgrund der vorherrschenden volatilen Sicherheitslage und der noch immer unzureichenden Versorgung der Bevölkerung in Syrien würden die Voraussetzungen zur Gewährung des Status der subsidiär Schutzberechtigten vorliegen.

Gegen Spruchpunkt römisch eins. richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schwester der Beschwerdeführerin über Facebook das syrische Regime kritisiert habe. Als der Name der Schwester auf eine Fahndungsliste des Regimes gekommen sei, sei auch die Beschwerdeführerin aufgrund des gleichen Familiennamens von der Verfolgung bedroht gewesen. Aus diesem Grund befinde sich kein Familienmitglied der Beschwerdeführerin mehr in Syrien. Nunmehr drohe der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Syrien Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen ohne männlichen Schutz. Zudem sei sie auch aufgrund der Kritik ihrer Schwester am syrischen Regime der Reflexverfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt. Nicht zuletzt drohe der Beschwerdeführerin ebenso Verfolgung aufgrund ihrer illegalen Ausreise aus Syrien sowie Antragstellung in Österreich.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden den Parteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17. Juli 2023 (im Folgenden: LIB); die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung, vom März 2021; die ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien „Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) oder die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den von Kurden kontrollierten Gebieten [a-10722]“ vom 28. September 2018; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien „Kontrolle Ain al-Arab (Kobanê)“ vom 16. Mai 2023; die ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Sicherheitslage in Nordostsyrien, insbesondere in der Grenzregion um Semalka; Informationen zur Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung [a-11859-2] vom 23.05.2022; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Für Personenverkehr zur Einreise aktuell offene Grenzübergänge: Bab al Hawa und Semalka/Fishkhabour mit Stand 10.11.2022, vom 22. November 2022; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu TÜRKEI / SYRIEN, Einreise türkisch-syrische Grenze, Weiterreise in AANES-Gebiete, besonders Tal Rifaat vom 5. April 2023; die ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze), Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker·innen ermöglichen [a-12197] vom 24. August 2023 und Turkey - Syria Border Crossing Status Update, vom 18. April 2023 zum Parteiengehör übermittelt.

Am 30.10.2023 langte eine Stellungnahme und Dokumentenvorlage der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein. Darin wurde unter Verweis auf Länderinformationen vorgebracht, dass unter anderem RechtsanwältInnen in Syrien besonders gefährdet seien, Opfer von willkürlichen Inhaftierungen und Verschwindenlassen zu werden. Es werde von Vergewaltigungen, sexueller Gewalt, Entführungen und Zwangsheiraten von kurdischen Frauen in Afrin und römisch 40 berichtet. Außerdem könne von einer sicheren Einreisemöglichkeit aus der Türkei keine Rede sein und habe die Türkei den Druck auf den Irak und die Regionaltruppen der KRI erhöht, Grenzübergänge zu schließen und die AANES zu isolieren. Schließlich wurde klargestellt, dass die Anhänger des IS im Zuge ihrer Inhaftierung nicht herausfinden hätten können, dass die Beschwerdeführerin Rechtsanwältin sei, da sie ihre Dokumente direkt an ihrem Körper unter ihrer Kleidung getragen habe. Der Beschwerdeführerin sei damals aufgrund der Tatsache, dass sie Kurdin sei und aus römisch 40 stamme, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt worden.

Durch die erkennende Richterin wurde am 6. November 2023 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Darin führte die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen zusammengefasst aus, dass sie wegen ihrer Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe vom IS drei Tage lang festgehalten worden sei. Jeder Kurde aus römisch 40 lebe in der ständigen Gefahr seitens der IS-Mitglieder festgenommen und hingerichtet zu werden. Außerdem hätten ihre Schwester und ihr Bruder mehrfach auf Facebook regimekritische Postings veröffentlicht. Sie sei deswegen nicht persönlich bedroht worden, aber ein Beamter habe sie gewarnt, dass sie wegen ihrer Schwester festgenommen werde. Ihr würde eine oppositionelle Gesinnung gegenüber dem syrischen Regime unterstellt werden, weil ihre beiden Brüder vom syrischen Regime gesucht werden würden. Auch drohe ihr Verfolgung durch die PKK, weil es eine Regelung gebe, dass ein Familienmitglied sich zum Einsatz zur Verfügung zu stellen habe. Sie sei die einzige, die im Falle einer Rückkehr einberufen werden könnte. Ferner hätte sie als Rechtsanwältin keine Kundschaft mehr, wenn sie nunmehr zurückkehren würde. Ihr in Syrien lebender Onkel, dem es psychisch und physisch nicht gut gehe, könnte Sie nicht unterstützen. Sie habe in Syrien keine Verwandtschaft mehr und könne dort als eine alleinstehende Frau nicht leben.

Am 15.11.2023 wurden ärztliche Befunde samt Überweisung der Beschwerdeführerin vorgelegt. Diese wurden im Rahmen des Parteiengehörs der belangten Behörde übermittelt.

römisch II.         Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

zur Person der Beschwerdeführerin

Die – im Kopf genannte – volljährige Beschwerdeführerin besitzt die syrische Staatsangehörigkeit, ist Angehörige der kurdischen Volksgruppe und sunnitische Muslimin (Niederschrift der Erstbefragung, Seite 1 f; Niederschrift des BFA, Seite 3; Verhandlungsschrift, Seite 4).

Die Beschwerdeführerin hat wegen gutartiger Tumore im Rückenbereich Schmerzen im rechten Schulterbereich. Abgesehen von diesen körperlichen Beschwerden, hat sie keine gesundheitlichen Probleme (Niederschrift des BFA, Seite 2; Verhandlungsschrift, Seite 4; ärztliche Befunde [OZ 11]).

Die Beschwerdeführerin wurde in der Stadt römisch 40 , in der Provinz Aleppo geboren und hat bis August 2014 dort gelebt. Zwischen August 2014 und März 2015 hat sie in der Stadt Aleppo gelebt und ist mehrmals in die Türkei gependelt. Im März 2015 reiste sie illegal in die Türkei aus, wo sie sechs Jahre lang lebte, bevor sie im September 2021 illegal in das österreichische Bundesgebiet einreiste (Niederschrift der Erstbefragung, Seite 1 und 4; Niederschrift des BFA, Seite 3 ff; Verhandlungsschrift, Seite 5, 11 ff und 16).

Sie hat in Syrien ihre Schulausbildung mit Matura abgeschlossen und danach an der Universität Aleppo das Studium der Rechtswissenschaften absolviert. Sie hat zwei Jahre lang bei einem Anwalt als Konzipientin und anschließend als Rechtsanwältin gearbeitet (Niederschrift der Erstbefragung, Seite 2; Niederschrift des BFA, Seite 4 f; Verhandlungsschrift, Seite 5).

Die Beschwerdeführerin ist ledig und hat keine Kinder (Niederschrift der Erstbefragung, Seite 1; Niederschrift des BFA, Seite 4; Verhandlungsschrift, Seite 8).

Die Eltern, ein Bruder und zwei Schwestern der Beschwerdeführerin leben in der Türkei, zwei weitere Brüder und eine Schwester in Deutschland. In Syrien hat die Beschwerdeführerin ferne Verwandte, unter anderem lebt ein Onkel väterlicherseits in römisch 40 (Niederschrift der Erstbefragung, Seite 3; Niederschrift des BFA, Seite 4; Verhandlungsschrift, Seite 6).

Die Beschwerdeführerin hat in römisch 40 zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester gelebt. Ihr Vater ist wohlhabend und ihrer Familie ging es finanziell sehr gut. Die Beschwerdeführerin hat ihren Lebensunterhalt selbst finanziert und konnte aufgrund ihres guten Einkommens auch andere unterstützen. In der Türkei musste die Beschwerdeführerin nicht arbeiten, da ihre beiden Brüder, die in Deutschland sind, die Familie finanziell unterstützt haben. Die Beschwerdeführerin steht mit ihren Eltern täglich in Kontakt (Niederschrift des BFA, Seite 5; Verhandlungsschrift, Seite 5 ff und 15). Auch zu ihrem in Syrien lebenden Onkel pflegt sie Kontakt.

Im Falle einer Rückkehr ist die Beschwerdeführerin nicht schutzlos und kann von ihrer Familie unterstützt werden.

Der Herkunftsort der Beschwerdeführerin steht nicht im Einfluss- oder Kontrollgebiet des syrischen Regimes, sondern unter der Kontrolle der Kurden (https://syria.liveuamap.com/).

zur Lage in Syrien

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (LIB, Seite 3).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (LIB, Seite 3).

Das Regime kontrolliert weiterhin rund 70 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (LIB, Seite 15).

In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte (LIB, Seite 4).

Im November 2013 rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für „Westen“ (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF). Die von den USA unterstützten SDF sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist. Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des „Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien“ (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben. Im März 2018 übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe. Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (LIB, Seite 12).

Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die „autonome Verwaltung“ basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden. Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht. Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen. Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen. Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (LIB, Seite 13).

Auch wenn die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes erklärtes Ziel des Regimes bleibt, zeichnet sich eine Rückeroberung weiterer Landesteile durch das Regime derzeit nicht ab. Im Nordwesten des Landes werden Teile der Gouvernements Lattakia, Idlib und Aleppo durch die von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestufte Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) sowie Türkei-nahe bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Die Gebiete im Norden und Nordosten entlang der Grenze zur Türkei stehen in Teilen unter Kontrolle der Türkei und der ihr nahestehenden bewaffneten Gruppierungen und in Teilen unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) und in einigen Fällen auch des syrischen Regimes (LIB, Seite 19).

Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak. Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert. Der UN-Sicherheitsrat schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind. Die Terrororganisation IS kann in Syrien selbst in ihren Rückzugsgebieten im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien weiterhin keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Mit mehreren Tausend Kämpfern sowie deren Angehörigen, die sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF befinden, sowie einer vermutlich dreistelligen Zahl von im Untergrund aktiven Kämpfern bleibt IS jedoch ein relevanter asymmetrischer Akteur. Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle und Attentate. Der IS verübte immer wieder Angriffe und Anschläge, insbesondere auf Einheiten der SDF im Nordosten sowie auf Truppen des Regimes in Zentralsyrien, und zeigte bei zwei Anschlägen im Jahr 2022 seine anhaltende Fähigkeit zu komplexen Operationen (LIB, Seite 20 f).

In den Gebieten unter der Kontrolle der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (engl. Abk.: AANES) - auch kurd. „Rojava“ genannt, setzten die Behörden einen Rechtskodex basierend auf einem „Gesellschaftsvertrag“ („social contract“) durch. Dieser besteht aus einer Mischung aus syrischem Straf- und Zivilrecht und Gesetzen, die sich in Bezug auf Scheidung, Eheschließung, Waffenbesitz und Steuerhinterziehung an EU-Recht orientieren (LIB, Seite 85).

Nordost-Syrien (Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria - AANES) und das Gebiet der SNA (Syrian National Army)

Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der PKK zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Defence Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet. Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet. Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Ar-Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und al-Hassakah. Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt. Die Türkei unterstellt sowohl den Streitkräften der YPG als auch der Democratic Union Party (PYD) Nähe zur von der EU als Terrororganisation gelisteten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und bezeichnet diese daher ebenfalls als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (LIB, Seite 46 f).

Der Rückzug der USA aus den Gebieten östlich des Euphrat im Oktober 2019 ermöglichte es der Türkei, sich in das Gebiet auszudehnen und ihre Grenze tiefer in Syrien zu verlegen, um eine Pufferzone gegen die SDF zu schaffen. Aufgrund der türkischen Vorstöße sahen sich die SDF dazu gezwungen, mehrere tausend syrische Regierungstruppen aufzufordern, in dem Gebiet Stellung zu beziehen, um die Türkei abzuschrecken, und den Kampf auf eine zwischenstaatliche Ebene zu verlagern. Regimekräfte sind seither in allen größeren Städten in Nordostsyrien präsent. Die Türkei stützte sich bei ihrer Militäroffensive im Oktober 2019 auch auf Rebellengruppen, die in der 'Syrian National Army' (SNA) zusammengefasst sind; seitens dieser Gruppen kam es zu gewaltsamen Übergriffen, insbesondere auf die kurdische Zivilbevölkerung sowie Christen und Jesiden (Ermordungen, Plünderungen und Vertreibungen). Aufgrund des Einmarsches wuchs die Zahl der intern vertriebenen Menschen im Nordosten auf über eine halbe Million an (LIB, Seite 47 f).

Entgegen früheren Ankündigungen bleiben die USA weiterhin militärisch präsent. Am 4.9.2022 errichteten die US-Truppen einen neuen Militärstützpunkt im Dorf Naqara im Nordosten Syriens, der zu den drei Standorten der US-geführten internationalen Koalition in der Region Qamishli gehört. Der neue Militärstützpunkt kann dazu beitragen, die verstärkten Aktivitäten Russlands und Irans in der Region zu überwachen; insbesondere überblickt er direkt den von den russischen Streitkräften betriebenen Luftwaffenstützpunkt am Flughafen Qamishli. Er ist nur wenige Kilometer von den iranischen Militärstandorten südlich der Stadt entfernt. Hinzukamen wiederholte Luft- bzw. Drohnenangriffe zwischen den in Nordost-Syrien stationierten US-Truppen und Iran-nahen Milizen (LIB, Seite 49 f).

SDF, YPG und YPJ [Anm.: Frauenverteidigungseinheiten] sind nicht nur mit türkischen Streitkräften und verschiedenen islamistischen Extremistengruppen in der Region zusammengestoßen, sondern gelegentlich auch mit kurdischen bewaffneten Gruppen, den Streitkräften des Assad-Regimes, Rebellen der Freien Syrischen Armee und anderen Gruppierungen. Die kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens umfassen auch den größten Teil des Gebiets, das zuvor unter der Kontrolle des IS in Syrien stand. Raqqa war de facto die Hauptstadt des IS, und die Region gilt als "Hauptschauplatz für den Aufstand des IS" (LIB, Seite 50).

Die kurdischen, sogenannten 'Selbstverteidigungseinheiten' (Yekîneyên Parastina Gel - YPG) stellen einen wesentlichen Teil der Kämpfer und v. a. der Führungsebene der SDF, welche in Kooperation mit der internationalen Anti-IS-Koalition militärisch gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien vorgehen. In Reaktion auf die Reorganisation der Truppen zur Verstärkung der Front gegen die Türkei stellten die SDF vorübergehend ihre Operationen und andere Sicherheitsmaßnahmen gegen den Islamischen Staat ein. Dies weckte Befürchtungen bezüglich einer Stärkung des IS in Nordost-Syrien. Die SDF hatten mit Unterstützung US-amerikanischer Koalitionskräfte allein seit Ende 2021 mehrere Sicherheitsoperationen durchgeführt, in denen nach eigenen Angaben Hunderte mutmaßliche IS-Angehörige verhaftet wurden (LIB, Seite 50).

Der IS führt weiterhin militärische Operationen und Gegenangriffe durch, und IS-Zellen sind nach wie vor in der Lage, ein Sicherheitsvakuum zu nutzen und Attentate zu verüben. SOHR hat seit Anfang 2022 181 Operationen des IS, darunter bewaffnete Angriffe und Explosionen, in Gebieten unter der Kontrolle der Autonomieverwaltung dokumentiert. Laut Statistiken des SOHR wurden bei diesen Operationen 135 Menschen getötet, darunter 52 Zivilisten und 82 Angehörige der SDF, der Inneren Sicherheitskräfte und anderer militärischer Formationen, die in Gebieten unter der Kontrolle der Autonomieverwaltung operierten. Bei diesen Angriffen wurde der Angriff auf das Sina'a-Gefängnis in al-Hassakah nicht berücksichtigt (LIB, Seite 50).

Türkische Angriffe und eine Finanzkrise destabilisieren den Nordosten Syriens. Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien befindet sich heute in einer zunehmend prekären politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Lage. Angesichts der sich rapide verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen im Nordosten Syriens haben die SDF zunehmend drakonische Maßnahmen ergriffen, um gegen abweichende Meinungen im Land vorzugehen und Proteste zum Schweigen zu bringen, da ihre Autorität von allen Seiten bedroht wird. Die Türkei verschärft die wirtschaftliche Lage in AANES absichtlich, indem sie den Wasserfluss nach Syrien einschränkt. Obwohl es keine weitverbreiteten Rufe nach einer Rückkehr des Assad-Regimes gibt, verlieren einige Einwohner das Vertrauen, dass die kurdisch geführte AANES für Sicherheit und Stabilität sorgen kann (LIB, Seite 52).

Die Kontrolle in der Region um Ain al-Arab (Kobanê) liegt derzeit bei kurdischen Gruppierungen wie den Yekîneyên Parastina Gel (YPG, deutsch Volksverteidigungseinheiten), der Partiya Karkerên Kurdistanê (PKK, deutsch Arbeiterpartei Kurdistans), den Peschmerga [Anm.: Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan im Irak] und anderen. Die Quellen weisen zudem darauf hin, dass die syrische Regierung in der Region präsent ist (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien „Kontrolle Ain al-Arab (Kobanê)“ vom 16. Mai 2023, Seite 2).

Die kurdischen Kräfte übernahmen im Juli 2012 die Kontrolle über die Stadt Ain al-Arab (Kobanê) und den umliegenden Bezirk. Im September 2014 begann der Islamische Staat (IS) mit der Belagerung der Stadt und am 5.11.2014 kontrollierte der IS etwa 60 Prozent von Ain al-Arab (Kobanê). Der Versuch des IS, ganz Ain al-Arab (Kobanê) einzunehmen, stieß auf den Widerstand der Volksverteidigungseinheiten (YPG) und der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ). Dieser Widerstand führte dazu, dass die Stadt Ende Januar 2015 vollständig vom IS befreit wurde und die neue Ära unter der Führung der YPG/YPJ begann. Als die Türkei am 9.10.2019 eine weitere Offensive in Nordsyrien startete, baten die Kurden, die im Zuge des Syrien-Konflikts eine autonome Verwaltung aufgebaut hatten, Damaskus um Hilfe. Seitdem ist die syrische Armee in Teilen der Stadt Ain al-Arab (Kobanê) präsent (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien „Kontrolle Ain al-Arab (Kobanê)“ vom 16. Mai 2023, Seite 5).

Die YPG und die SDF kontrollieren den Großteil der Region um Ain al-Arab (Kobanê). In der Region Ain al-Arab (Kobanê) sind auch Regierungs- und regierungsnahe Kräfte präsent. Berichten zufolge bereiten sich auch US-Streitkräfte auf eine Rückkehr zum Stützpunkt Kharab Ishk, 43 Kilometer südöstlich von Ain al-Arab (Kobanê) in der Provinz Aleppo vor. Trotz der Arbeiten zur Instandsetzung des US-Stützpunkts in Kharab Ishk haben sich die russischen Streitkräfte entgegen den Berichten über ihren Rückzug nach dem Einmarsch in die Ukraine nicht aus Ain al-Arab (Kobanê) und Umgebung zurückgezogen (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien „Kontrolle Ain al-Arab (Kobanê)“ vom 16. Mai 2023, Seite 13).

Die Gebiete in und um Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat und an der türkischen Grenze würden sich zwar durch Präsenz einiger Regierungstruppen auszeichnen, die SDF (Syrian Democratic Forces) seien jedoch nach wie vor der Hauptakteur in der Region. Die SDF hätten der Regierung lediglich erlaubt, Truppen einzusetzen, um eine mögliche türkische Militäroperation in Nordsyrien zu verhindern. Daher seien die Regierungstruppen zwar präsent, allerdings beschränke sich diese Präsenz auf die Durchführung von Patrouillen, meist zusammen mit der russischen Militärpolizei. Zurzeit seien die SDF der wichtigste Kontrollakteur, der die Möglichkeit habe, die Lokalbevölkerung zu rekrutieren und zu verhaften (ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker·innen ermöglichen [a-12197] vom 24. August 2023, Seite 2).

Die syrischen Streitkräfte – Wehrdienst

Rechtliche Bestimmungen

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt. In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden. Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (LIB, Seite 112 f).

Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind (LIB, Seite 113).

Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen. Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (LIB, Seite 113).

Frauen können als Berufssoldatinnen dem syrischen Militär beitreten. Dies kommt in der Praxis tatsächlich vor, doch stoßen die Familien oft auf kulturelle Hindernisse, wenn sie ihren weiblichen Verwandten erlauben, in einem so männlichen Umfeld zu arbeiten. Dem Vernehmen nach ist es in der Praxis häufiger, dass Frauen in niedrigeren Büropositionen arbeiten als in bewaffneten oder leitenden Funktionen. Eine Quelle erklärt dies damit, dass Syrien eine männlich geprägte Gesellschaft ist, in der Männer nicht gerne Befehle von Frauen befolgen (LIB, Seite 113).

Die syrische Regierung hat im Jahr 2016 begonnen, irreguläre Milizen im begrenzten Ausmaß in die regulären Streitkräfte zu integrieren. Mit Stand Mai 2023 werden die regulären syrischen Streitkräfte immer noch von zahlreichen regierungsfreundlichen Milizen unterstützt. Frauen sind auch regierungsfreundlichen Milizen beigetreten. In den Reihen der National Defence Forces (NDF) dienen ca. 1.000 bis 1.500 Frauen, eine vergleichsweise geringe Anzahl. Die Frauen sind an bestimmten Kontrollpunkten der Regierung präsent, insbesondere in konservativen Gebieten, um Durchsuchungen von Frauen durchzuführen (LIB, Seite 114).

Wehrdienstverweigerung/Desertion

Als der syrische Bürgerkrieg 2011 begann, hatte die syrische Regierung Probleme, Truppen bereitzustellen, um bewaffneten Rebellengruppen entgegentreten zu können. Die Zahl der Männer, die den Wehr- oder Reservedienst verweigerten, nahm deutlich zu. Eine große Zahl von Männern im wehrfähigen Alter floh entweder aus dem Land, schloss sich der bewaffneten Opposition an, oder tauchte unter. Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten Zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt und vergleichsweise wenige wurden nach diesem Zeitpunkt deswegen verhaftet (LIB, Seite 131).

In Syrien besteht keine Möglichkeit der legalen Wehrdienstverweigerung. Auch die Möglichkeit eines (zivilen) Ersatzdienstes gibt es nicht. Es gibt in Syrien keine reguläre oder gefahrlose Möglichkeit, sich dem Militärdienst durch Wegzug in andere Landesteile zu entziehen. Beim Versuch, sich dem Militärdienst durch Flucht in andere Landesteile, die nicht unter Kontrolle des Regimes stehen, zu entziehen, müssten Wehrpflichtige zahlreiche militärische und paramilitärische Kontrollstellen passieren, mit dem Risiko einer zwangsweisen Einziehung, entweder durch die syrischen Streitkräfte, Geheimdienste oder regimetreue Milizen. Männern im wehrpflichtigen Alter ist die Ausreise verboten. Der Reisepass wird ihnen vorenthalten und Ausnahmen werden nur mit Genehmigung des Rekrutierungsbüros, welches bescheinigt, dass der Wehrdienst geleistet wurde, gewährt (LIB, Seite 132).

Der verpflichtende Militärdienst führt weiterhin zu einer Abwanderung junger syrischer Männer, die vielleicht nie mehr in ihr Land zurückkehren werden. Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (LIB, Seite 132).

Haltung des Regimes gegenüber Wehrdienstverweigerern

In dieser Frage gehen die Meinungen zum Teil auseinander: Manche Experten gehen davon aus, dass Wehrdienstverweigerung vom Regime als Nähe zur Opposition gesehen wird. Bereits vor 2011 war es ein Verbrechen, den Wehrdienst zu verweigern. Nachdem sich im Zuge des Konflikts der Bedarf an Soldaten erhöht hat, wird Wehrdienstverweigerung im besten Fall als Feigheit betrachtet und im schlimmsten im Rahmen des Militärverratsgesetzes (qanun al-khiana al-wataniya) behandelt. In letzterem Fall kann es zur Verurteilung vor einem Feldgericht und Exekution kommen oder zur Inhaftierung in einem Militärgefängnis. Ob die Entrichtung einer "Befreiungsgebühr" wirklich dazu führt, dass man nicht eingezogen wird, hängt vom Profil der Person ab. Dabei sind junge, sunnitische Männer im wehrfähigen Alter am stärksten im Verdacht der Behörden, aber sogar aus Regimesicht untadelige Personen wurden oft verhaftet. Loyalität ist hier ein entscheidender Faktor: Wer sich dem Wehrdienst entzogen hat, hat sich als illoyal erwiesen. Der Syrien-Experte Fabrice Balanche sieht die Haltung des Regimes Wehrdienstverweigerern gegenüber als zweischneidig, weil es einerseits mit potenziell illoyalen Soldaten, die die Armee schwächen, nichts anfangen kann, und sie daher besser außer Landes sehen will, andererseits werden sie inoffiziell als Verräter gesehen, da sie sich ins Ausland gerettet haben, statt "ihr Land zu verteidigen". Wehrdienstverweigerung wird aber nicht unbedingt als oppositionsnahe gesehen. Das syrische Regime ist sich der Tatsache bewusst, dass viele junge Männer nach dem Studium das Land verlassen haben, einfach um nicht zu sterben. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich frei zu kaufen, damit die Regierung zumindest Geld in dieser Situation einnehmen kann. Hinzu kommen Ressentiments der in Syrien verbliebenen Bevölkerung gegenüber Wehrdienstverweigerern, die das Land verlassen haben und sich damit "gerettet" haben, während die verbliebenen jungen Männer im Krieg ihr Leben riskiert bzw. verloren haben (LIB, Seite 132).

Gesetzliche Lage

Wehrdienstentzug wird gemäß dem Militärstrafgesetzbuch bestraft. In Artikel 98 -, 99, ist festgehalten, dass mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft wird, wer sich der Einberufung entzieht (LIB, Seite 133).

Desertion wird von Soldaten begangen, die bereits einer Militäreinheit beigetreten sind, während Wehrdienstverweigerung in den meisten Fällen von Zivilisten begangen wird, die der Einberufung zum Wehrdienst nicht gefolgt sind. Desertion wird meist härter bestraft als Wehrdienstverweigerung. Das Militärstrafgesetzbuch unterscheidet zwischen "interner Desertion" (farar dakhelee) und "externer Desertion" (farar kharejee). Interne Desertion in Friedenszeiten wird begangen, wenn sich der Soldat sechs Tage lang unerlaubt von seiner militärischen Einheit entfernt. Ein Soldat, der noch keine drei Monate im Dienst ist, gilt jedoch erst nach einem vollen Monat unerlaubter Abwesenheit als Deserteur. Interne Desertion liegt außerdem vor, wenn der reisende Soldat trotz Ablauf seines Urlaubs nicht innerhalb von 15 Tagen nach dem für seine Ankunft oder Rückkehr festgelegten Datum zu seiner militärischen Einheit zurückgekehrt ist (Artikel 100/1/b des Militärstrafgesetzbuchs). Interne Desertion wird mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft, und wenn es sich bei dem Deserteur um einen Offizier oder einen Berufsunteroffizier handelt, kann er zusätzlich zu der vorgenannten Strafe mit Entlassung bestraft werden (Artikel 100/2). In Kriegszeiten können die oben genannten Fristen auf ein Drittel verkürzt und die Strafe verdoppelt werden (Artikel 100/4). Eine externe Desertion in Friedenszeiten liegt vor, wenn der Soldat ohne Erlaubnis die syrischen Grenzen überschreitet und seine Militäreinheit verlässt, um sich ins Ausland zu begeben. Der betreffende Soldat wird in Friedenszeiten nach Ablauf von drei Tagen seit seiner illegalen Abwesenheit und in Kriegszeiten nach einem Tag als Deserteur betrachtet (Artikel 101/1). Externe Desertion wird mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren bestraft (Artikel 101/2). Die Haftstrafen können sich bei Vorliegen bestimmter Umstände noch erhöhen (z. B. Desertion während des Dienstes, Mitnahme von Ausrüstung). Die Todesstrafe ist gemäß Artikel 102, bei Überlaufen zum Feind und gemäß Artikel 105, bei geplanter Desertion im Angesicht des Feindes vorgesehen (LIB, Seite 133).

Neben anderen Personengruppen sind regelmäßig auch Deserteure und Wehrdienstverweigerer Ziel des umfassenden Anti-Terror-Gesetzes (Dekret Nr. 19/2012) der syrischen Regierung (LIB, Seite 133).

Syrische Männer im wehrpflichtigen Alter können sich nach syrischem Recht durch Zahlung eines sogenannten Wehrersatzgeldes von der Wehrpflicht freikaufen. Diese Regelung findet jedoch nur auf Syrer Anwendung, die außerhalb Syriens leben. Das syrische Wehrpflichtgesetz (Artikel 97,) ermöglicht es, das Vermögen von Männern zu beschlagnahmen, die sich bis zum Erreichen des 43. Lebensjahres (Altersgrenze zur Einberufung) der Wehrpflicht entzogen haben und sich weigern, ein Wehrersatzgeld in Höhe von 8.000 USD zu entrichten. Das Gesetz erlaubt die Beschlagnahme des Vermögens nicht nur von Männern, die nicht im Militär gedient haben, sondern auch von deren unmittelbaren Familienangehörigen, einschließlich Ehefrauen und Kindern (LIB, Seite 133 f).

Handhabung

Die Gesetzesbestimmungen werden nicht konsistent umgesetzt, und die Informationslage bezüglich konkreter Fälle von Bestrafung von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren ist eingeschränkt, da die syrischen Behörden hierzu keine Informationen veröffentlichen. Manche Quellen geben an, dass Betroffene sofort oder nach einer kurzen Haftstrafe (einige Tage bis Wochen) eingezogen werden, sofern sie in keinerlei Oppositionsaktivitäten involviert waren. Andere geben an, dass Wehrdienstverweigerer von einem der Nachrichtendienste aufgegriffen und gefoltert oder "verschwindengelassen" werden können. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (LIB, Seite 134).

Es gibt verschiedene Meinungen darüber, ob Wehrdienstpflichtige zurzeit sofort eingezogen, oder zuerst inhaftiert und dann eingezogen werden: Laut Balanche ist der Bedarf an Soldaten weiterhin hoch genug, dass man wahrscheinlich nicht inhaftiert, sondern mit mangelhafter oder ohne Ausbildung direkt an die Front geschickt wird. Die Strafe für das Sich-Entziehen vom Wehrdienst ist oft Haft und im Zuge dessen auch Folter. Während vor ein paar Jahren Wehrdienstverweigerer bei Checkpoints meist vor Ort verhaftet und zur Bestrafung direkt an die Front geschickt wurden (als "Kanonenfutter"), werden Wehrdienstverweigerer derzeit laut Uğur Üngör wahrscheinlich zuerst verhaftet. Seit die aktivsten Kampfgebiete sich beruhigt haben, kann das Regime es sich wieder leisten, Leute zu inhaftieren (Gefängnis bedeutet immer auch Folter, Wehrdienstverweigerer würden hier genauso behandelt wie andere Inhaftierte oder sogar schlechter). Selbst für privilegierte Personen mit guten Verbindungen zum Regime ist es nicht möglich, als Wehrdienstverweigerer nach Syrien zurückzukommen - es müsste erst jemand vom Geheimdienst seinen Namen von der Liste gesuchter Personen löschen. Auch nach der Einberufung ist davon auszugehen, dass Wehrdienstverweigerer in der Armee unmenschliche Behandlung erfahren werden. Laut Kheder Khaddour würde man als Wehrdienstverweigerer wahrscheinlich ein paar Wochen inhaftiert und danach in die Armee eingezogen (LIB, Seite 134).

Es gibt jedoch Fälle von militärischer Desertion, die dem Militärgericht übergeben werden. Eine Quelle berichtet, dass Deserteure zwar in früheren Phasen des Krieges exekutiert wurden, jedoch habe die syrische Regierung ihre Vorgehensweise in den vergangenen Jahren geändert und aufgrund des vorherrschenden Bedarfs an der Front festgenommene Deserteure zum Teil zu kurzen Haftstrafen verurteilt. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. solche Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben. Weitere Einflussfaktoren sind der Rang des Deserteurs, Wohnort der Familie, der für dieses Gebiet zuständige Geheimdienst und zuständige Offizier sowie die Religionszugehörigkeit der Familie (LIB, Seite 134 f).

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen berichtete im zweiten Halbjahr 2022 weiterhin von willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen durch die Regierungskräfte, darunter auch von Personen, die sich zuvor mit der Regierung "ausgesöhnt" hatten. Andere wurden vor der am 21.12.2022 angekündigten Amnestie für Verbrechen der "internen und externen Desertion vom Militärdienst" aufgrund von Tatbeständen im Zusammenhang mit der Wehrpflicht inhaftiert (LIB, Seite 135).

Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien – Wehrdienst

Wehrpflichtsgesetz der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“

Auch aus den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten Syriens gibt es Berichte über Zwangsrekrutierungen. Im Nordosten des Landes hat die von der kurdischen Partei PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat, Partei der Demokratischen Union] dominierte "Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien" [Autonomous Administration of North and East Syria, AANES] 2014 ein Wehrpflichtgesetz verabschiedet, welches vorsah, dass jede Familie einen "Freiwilligen" im Alter zwischen 18 und 40 Jahren stellen muss, der für den Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr in den YPG [Yekîneyên Parastina Gel, Volksverteidigungseinheiten] dient. Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur "Selbstverteidigungspflicht", das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen. Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Wehrpflicht auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) beschränkt. Zuvor war das Alterslimit - bis 40 Jahre - höher. Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (LIB, Seite 141).

Rekrutierungspraxis

Die Aufrufe für die "Selbstverteidigungspflicht" erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim "Büro für Selbstverteidigungspflicht" ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des Wehrdiensts dokumentiert wird - z.B. die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird (LIB, Seite 143).

Wehrdienstverweigerung und Desertion

Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen. Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die "Militärpolizei" unter seiner Adresse. Die meisten sich der "Wehrpflicht" entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (LIB, Seite 143).

Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil. Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das "Selbstverteidigungspflichtgesetz" auch mit Gewalt durchgesetzt, während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der "Wehrpflicht" um einen Monat bestraft würden - zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft "für eine Zeitspanne". Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden. Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (LIB, Seite 143).

Bei Deserteuren hängen die Konsequenzen abseits von einer Zurücksendung zur Einheit und einer eventuellen Haft von ein bis zwei Monaten von den näheren Umständen und eventuellem Schaden ab. Dann könnte es zu einem Prozess vor einem Kriegsgericht kommen (LIB, Seite 143).

Eine Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht (LIB, Seite 143).

Aufschub des Wehrdienstes

Das Gesetz enthält Bestimmungen, die es Personen, die zur Ableistung der "Selbstverteidigungspflicht" verpflichtet sind, ermöglichen, ihren Dienst aufzuschieben oder von der Pflicht zu befreien, je nach den individuellen Umständen. Manche Ausnahmen vom "Wehrdienst" sind temporär und kostenpflichtig. Frühere Befreiungen für Mitarbeiter des Gesundheitsbereichs und von NGOs sowie von Lehrern gelten nicht mehr. Es wurden auch mehrere Fälle von willkürlichen Verhaftungen zum Zwecke der Rekrutierung dokumentiert, obwohl die Wehrpflicht aufgrund der Ausbildung aufgeschoben wurde oder einige Jugendliche aus medizinischen oder anderen Gründen vom Wehrdienst befreit wurden. Im Ausland (Ausnahme: Türkei und Irak) lebende, unter die "Selbstverteidigungspflicht" fallende Männer können gegen eine Befreiungsgebühr für kurzfristige Besuche zurückkehren, ohne den "Wehrdienst" antreten zu müssen, wobei zusätzliche Bedingungen eine Rolle spielen, ob dies möglich ist (LIB, Seite 143 f).

Militärdienst von Frauen

Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten [YPJ - Frauenverteidigungseinheiten] oder in den Selbstverteidigungseinheiten (HXP) leisten. Es gibt Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen in der Vergangenheit und minderjährigen Mädchen (LIB, Seite 144).

Die dänische Einwanderungsbehörde (Danish Immigration Service, DIS) schreibt in einer im September 2015 veröffentlichten Aktualisierung zum Militärdienst in den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel, YPG), dass laut Angaben eines kurdischen Journalisten und eines kurdischen Aktivisten junge Frauen sehr leicht zum Ziel von Rekrutierungsversuchen durch die YPG werden könnten. Ein kurdischer Aktivist habe auf ein Netzwerk aus Freunden und Nachbarn verwiesen, das versuche, junge Frauen zum Beitritt zu den Fraueneinheiten der YPG, den Yekîneyên Parastina Jinê (YPJ), zu überreden. Aufgrund kulturell bedingter Traditionen hätten kurdische Frauen im Gegensatz zu einer großen Anzahl junger Männer die kurdischen Regionen nicht verlassen. Laut dem kurdischen Aktivisten und der NGO Watan gebe es Familien, die aufgrund ihres festen Glaubens an die kurdische Sache Druck auf ihre Töchter ausüben würden, sich den YPJ anzuschließen. Manche junge Kurdinnen, so der Aktivist, würden sich auch anschließen, um einer Heirat zu entgehen: […] Im weiteren Bericht führt das DIS Zusammenfassungen der Interviews an, die mit verschiedenen Experten und Vertretern der Zivilgesellschaft geführt wurden. Hier wird erkennbar, dass die verschiedenen Interviewpartner zur Rekrutierung durch die YPG/YPJ, beziehungsweise dem in der kurdischen Region eingeführten verpflichtenden „Selbstverteidigungsdienst“ unterschiedliche Angaben machen. Kheder Khaddour von der Denkfabrik Carnegie habe angegeben, dass die Rekrutierung durch die YPG auf freiwilliger Basis erfolge. Männer und Frauen würden hier das gleiche Training absolvieren, wobei Frauen normalerweise nicht an der Front eingesetzt würden. Frauen würden meist von den Asayish (Sicherheitskräfte der de facto autonomen Region Kurdistan, Anmerkung ACCORD) rekrutiert und nicht durch die YPG. TEV DEM (ein Zusammenschluss kurdischer zivilgesellschaftlicher Organisationen und politischer Parteien unter Führung der Partei der Demokratischen Union (PYD), der die de facto autonome Region Kurdistan regiert, Anmerkung ACCORD) habe ebenfalls berichtet, dass die Rekrutierung in die YPG und YPJ auf freiwilliger Basis erfolge. Eine zu diesem Thema befragte Gruppe zivilrechtlicher Organisationen habe angegeben, dass die Rekrutierung in die YPG/YPJ und die Rekrutierung für den verpflichtenden Selbstverteidigungsdienst nicht getrennt erfolge. Vor dem Gesetz zum Selbstverteidigungsdienst seien Personen gezwungen worden, sich den YPG/YPJ anzuschließen, indem sie direkt aus ihren Dörfern mitgenommen worden seien. Jetzt rekrutiere die kurdische Regionalverwaltung Personen für den Selbstverteidigungsdienst, bilde sie aus, und leite sie dann an die YPG/YPJ weiter, wenn sie dort gebraucht würden. Die Botschaft eines westlichen Landes habe berichtet, dass die Regionalverwaltung Frauen, die sich weigern würden, den YPJ beizutreten, kein Familienbuch ausstelle. Dieses Buch werde jedoch benötigt, um legal heiraten zu können. Ein kurdischer Journalist habe gesagt, dass es generell schwierig sei, Informationen darüber zu erhalten, wie die YPG-Miliz organisiert sei, da sie oft im Geheimen operiere. Laut dem Journalisten versuche die Partei der Demokratischen Union (PYD; Partei, deren bewaffneter Arm die YPG-Miliz ist, Anmerkung ACCORD) die Sympathie der Bevölkerung zu gewinnen, um Personen davon zu überzeugen den YPG oder den YPJ beizutreten. Ein kurdischer Aktivist habe angegeben, dass außer den von der YPG im Rahmen des verpflichtenden Selbstverteidigungsdienstes rekrutierten Personen die Rekrutierung meistens auf freiwilliger Basis erfolge. Zwangsrekrutierungen seien seltener der Fall und seien meist auf Konflikte zwischen dem Kurdischen Nationalrat (KNC; eine kurdische Partei in Opposition zu TEV DEM, Anmerkung ACCORD) und TEV DEM zurückzuführen. (ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) oder die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den von Kurden kontrollierten Gebieten [a-10722] vom 28. September 2018, Seite 1 f).

Die BFA Staatendokumentation erwähnt in ihrem Bericht zu einer im Mai 2017 durchgeführten Fact-Finding-Mission nach Jordanien und in den Libanon unter Bezugnahme auf verschiedene Quellen Folgendes zur Rekrutierung von Frauen in den kurdischen Gebieten: „Berichten zufolge kommt es in den kurdischen Gebieten zu Zwangsrekrutierungen von Männern und Jungen. Es gibt keine Beweise für Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ). Es kann jedoch einzelne Fälle der Zwangsrekrutierung von Frauen in kleineren lokalen kurdischen Milizen geben, die gegen den IS kämpfen.“ (ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) oder die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den von Kurden kontrollierten Gebieten [a-10722] vom 28. September 2018, Seite 3).

In einem vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) veröffentlichten Bericht über ein Treffen zu Herkunftsländerinformationen über Syrien wird Dr. Fabrice Balanche, außerordentlicher Professor an der Universität Lyon und Experte mit Fokus auf politische Konfliktentwicklungen im Nahen Osten, unter anderem zur Rekrutierung in die kurdischen Volksverteidigungseinheiten für Frauen (YPJ) befragt. Laut Balanche würden Frauen nicht dazu gezwungen, den YPJ beizutreten. Der Beitritt in die Miliz erfolge auf freiwilliger Basis. YPJ-Kämpferinnen würden nicht direkt an den Fronten eingesetzt. Frauen würden sich in sehr jungem Alter, mit 14 oder 15 Jahren, den YPJ anschließen. Manche von ihnen würden Familien entstammen, die der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gegenüber treu seien und bei denen es eine Tradition sei, sich kurdischen Milizen anzuschließen. In manchen Fällen würden sich auch arabische Frauen den YPJ anschließen, um dem sozialen Druck zu entkommen, der auf ihnen laste (ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) oder die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den von Kurden kontrollierten Gebieten [a-10722] vom 28. September 2018, Seite 3).

Im August 2018 berichtet die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) von weiteren Fällen der Rekrutierung von Mädchen durch die YPJ. HRW habe acht Familien in Lagern für Binnenflüchtlinge in Nordostsyrien interviewt, die angegeben hätten, dass die YPG-Miliz und die Asayish ihre Kinder rekrutiert hätten. Sechs Mädchen und zwei Jungen zwischen 13 und 17 Jahren hätten sich ihnen angeschlossen. Die meisten Familien hätten seit der Rekrutierung nichts mehr von ihren Kindern gehört. Eine ehemalige Rekrutin habe HRW berichtet, dass sie Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren beim Training der Miliz gesehen habe. Die Familien hätten gesagt, dass alle ihre Kinder freiwillig der Miliz beigetreten seien. Manche Kinder hätten sich gegen den Wunsch ihrer Eltern der Miliz oder den Asayish angeschlossen (ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) oder die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den von Kurden kontrollierten Gebieten [a-10722] vom 28. September 2018, Seite 5).

Kurden

Im Jahr 2011, kurz vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs, lebten zwischen zwei und drei Millionen Kurden in Syrien. Damit stellten sie etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Heute dürfte die absolute Zahl der Kurden im Land aufgrund von Flucht und Vertreibung deutlich niedriger sein. Die Lebensumstände waren für die Kurden in Syrien lange Zeit noch kritischer als in der Türkei und im Iran. Die Behörden schränkten den Gebrauch der kurdischen Sprache in der Öffentlichkeit, in Schulen und am Arbeitsplatz ein, verboten kurdischsprachige Publikationen und kurdische Feste. Jegliche Bemühungen der Kurden, sich zu organisieren [Anm.: mit Ausnahme der zeitweisen Förderung der PKK als außenpolitisches Instrument] oder für ihre politischen und kulturellen Rechte einzutreten, wurden unterdrückt. In den Gebieten unter Kontrolle kurdischer Milizen hat sich seither die Lage nach Einschätzung von Human Rights Watch ’dramatisch’ verbessert (LIB, Seite 169).

In der Gesamtbetrachtung stellt sich die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts jedoch trotz Menschenrechtsverletzungen der Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat – PYD) und ihres bewaffneten Arms der Volksverteidigungseinheiten (YPG - Yekîneyên Parastina Gel) als insgesamt weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer und jihadistischer Gruppen befinden. Die provisorische Verfassung dieser Gebiete erlaubt lokale Wahlen, aber die ultimative Kontrolle wird von der PYD ausgeübt. Die syrische Regierung erkennt die Legitimität der föderalen kurdischen Gebiete jedoch nicht an. Die fehlende Präsenz der syrischen Regierung in den kurdischen Gebieten in den Anfangsjahren des Konfliktes verschaffte den Kurden aber auch mehr Freiheiten, indem in diesen Gebieten zum Beispiel die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet werden kann (LIB, Seite 169).

Die Lage von KurdInnen in Gebieten außerhalb der Selbstverwaltungsgebiete

Die KurdInnen sind seit Jahrzehnten staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dazu zählt auch das Vorgehen gegen kurdische AktivistInnen. Die kurdische Bevölkerung (mit oder ohne syrische Staatsbürgerschaft) sieht sich offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung, Repressionen sowie vom Regime geförderter Gewalt ausgesetzt. Das Regime begrenzt weiterhin den Gebrauch der kurdischen Sprache sowie die Publikation von Büchern und anderen Materialien in Kurdisch ebenso wie Ausdrucksformen kurdischer Kultur. Das Regime, die Pro-Regime-Einheiten wie auch der sogenannte Islamische Staat (IS) und bewaffnete Oppositionsgruppen, wie die von der Türkei unterstützte Syrian National Army (SNA), verhaften, foltern, töten oder misshandeln in sonstiger Weise zahlreiche kurdische AktivistInnen und Einzelpersonen wie auch Mitglieder der Syrian Democratic Forces (SDF) (LIB, Seite 171).

Frauen in Syrien

Allgemeine Informationen

Syrien ist eine patriarchalische Gesellschaft, aber je nach sozialer Schicht, Bildungsniveau, Geschlecht, städtischer oder ländlicher Lage, Region, Religion und ethnischer Zugehörigkeit gibt es erhebliche Unterschiede in Bezug auf Rollenverteilung, Sexualität sowie Bildungs- und Berufschancen von Frauen. Der anhaltende Konflikt und seine sozialen Folgen sowie die Verschiebung der de-facto-Kontrolle durch bewaffnete Gruppen über Teile Syriens haben ebenfalls weitreichende Auswirkungen auf die Situation der Frauen (LIB, Seite 172 f).

Die persönliche gesellschaftliche Freiheit von Frauen variiert je Gebiet außerhalb der Regierungskontrolle und reicht von schwerwiegenden Kleidungs- und Verhaltensvorschriften in Gebieten extremistischer Gruppen bis hin zu formaler Gleichheit im Selbstverwaltungsgebiet der Partiya Yekîtiya Demokrat (PYD). Durch die Niederlage des sogenannten Islamischen Staats (IS) und dem Zurückgehen der Kampfhandlungen im Lauf der Zeit ist die Bevölkerung in geringerem Ausmaß den extremsten Verletzungen persönlicher gesellschaftlicher Freiheiten ausgesetzt. Gleichwohl haben verschiedene Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufgrund der Pandemie und der Bewegungseinschränkungen zugenommen, welche auch zur ökonomischen Ausbeutung von Frauen beitragen (LIB, Seite 173).

Frühe Heiraten nehmen zu: In Syrien lässt sich in den letzten Jahren ein sinkendes Heiratsalter von Mädchen beobachten, weil erst eine Heirat ihnen die verloren gegangene, aber notwendige rechtliche Legitimität und einen sozialen Status, d. h. den 'Schutz' eines Mannes, zurückgibt, denn die Angst vor sexueller Gewalt und ihr Stigma könnte die Mädchen zu Ausgestoßenen machen. Überdies müssen die Eltern durch eine möglichst frühe Verheiratung ihrer Töchter nicht mehr für deren Unterhalt aufkommen. Die Verheiratung von Minderjährigen gilt als die häufigste Form von Gewalt gegen heranwachsende Mädchen. Einige Frauen und Mädchen werden auch gezwungen, die Täter, welche ihnen sexuelle Gewalt angetan haben, zu heiraten. Bei Weigerung droht Isolation, weil sie nicht zu ihren Familien zurückkehren können, bzw. kann ein 'Ehrenmord' drohen. Hintergrund ist, dass rechtliche Mittel gegen den Täter zuweilen nicht leistbar sind, und so mangels eines justiziellen Wegs die Familien keine andere Möglichkeit als eine Zwangsehe sehen. Dieses Phänomen ist insbesondere bei IDPs (und Flüchtlingen in Nachbarländern) zu verzeichnen. Das gesunkene Heiratsalter wiederum führt zu einem Kreislauf von verhinderten Bildungsmöglichkeiten, zu frühen und mit Komplikationen verbundenen Schwangerschaften und in vielen Fällen zu häuslicher und sexueller Gewalt. Auch geschiedene oder verwitwete Frauen gelten als vulnerabel, denn sie können Druck zur Wiederverheiratung ausgesetzt sein. Im Allgemeinen ist eine von fünf Frauen in Syrien heutzutage von sexueller Gewalt betroffen (LIB, Seite 173).

Bereits vor 2011 waren Frauen aufgrund des autoritären politischen Systems und der patriarchalischen Werte in der syrischen Gesellschaft sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Häuser geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Es wird angenommen, dass konservative Bräuche, die Frauen in der Gesellschaft eine untergeordnete Rolle zuweisen, für viele Syrer maßgeblicher waren als das formale Recht. Doch selbst die formellen Gesetze legen für Frauen nicht denselben Rechtsstatus und dieselben Rechte fest wie für Männer, obwohl die Verfassung die Gleichstellung von Männern und Frauen vorsieht. Frauen werden vor allem durch das Personenstandsgesetz bezüglich Heirat, Scheidung, Sorgerecht und Erbschaft weiterhin diskriminiert (LIB, Seite 173 f).

Per legem haben Männer und Frauen dieselben politische Rechte. Der Frauenanteil im syrischen Parlament liegt je nach herangezogener Quelle zwischen 11,2 und 13,2 %. Auch manche der höheren Regierungspositionen werden derzeit von Frauen besetzt. Allerdings sind sie im Allgemeinen von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen und haben wenig Möglichkeiten, sich inmitten der Repression durch Staat und Milizen unabhängig zu organisieren. Im kurdisch-geprägten Selbstverwaltungsgebiet werden alle Führungspositionen von einem Mann und einer Frau geteilt, während außerhalb der PYD-Strukturen die politische Autonomie für die Bevölkerung eingeschränkt ist (LIB, Seite 174).

Die Gewalt zusammen mit bedeutendem kulturellem Druck schränkt stark die Bewegungsfreiheit von Frauen in vielen Gebieten ein. Zusätzlich erlaubt das Gesetz, bestimmten männlichen Verwandten Frauen ein Reiseverbot aufzuerlegen. Bewegungseinschränkungen wurden einem UN-Bericht von Februar 2022 zufolge in 51 % der untersuchten Orte ermittelt. Obwohl erwachsene Frauen keine offizielle Genehmigung brauchen, um das Land zu verlassen, reisen viele Frauen in der Praxis nur dann ins Ausland, wenn der Ehemann oder die Familie dem zugestimmt hat (LIB, Seite 174).

Wirtschaft

Durch den anhaltenden Konflikt und die damit einhergehende Instabilität sowie sich verschlechternde wirtschaftliche Situation hat sich die Situation der Frauen zunehmend erschwert. Der Global Gender Gap Report stuft Syrien 2021 auf Platz 152 ein, dem fünftletzten Platz. Aufgrund fehlender Daten ist Syrien im diesjährigen Bericht (2022) nicht erfasst (LIB, Seite 175).

Während weiterhin Vorstellungen, welche Berufe für Frauen passend sind, die Arbeitsmöglichkeiten von Frauen einschränken oder ihnen Arbeitsmöglichkeiten verwehrt werden, hat der Krieg auch ihre Rolle in der Arbeitswelt verändert, und ihnen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet, die zuvor Männern vorbehalten waren: So wurden Frauen in einigen Haushalten zu denjenigen, die Lebensunterhalt für ihre Familien verdienen, weil viele Männer getötet wurden oder sich aus Angst vor der Einberufung zur Armee, vor Verhaftung oder Inhaftierung versteckt hielten. So lag die Beteiligung von Frauen an der syrischen Erwerbsbevölkerung im Jahr 2018 in Damaskus, Lattakia und Tartus im Durchschnitt zwischen 40 und 50 %, während in anderen Teilen des Landes der Anteil an erwerbstätigen Frauen zwischen 10 und 20 % betrug und in den Provinzen Idlib, Raqqa und Quneitra sogar noch niedriger war. Insgesamt waren Schätzungen zufolge im Jahr 2018 11,6 % der Frauen erwerbstätig, gegenüber 69,75 % der Männer. Mittlerweile stieg im Jahr 2022 die Erwerbsquote auf insgesamt 16,8 % der weiblichen Bevölkerung, sie ist aber noch immer niedriger als im Jahr 1990. Während der Anteil der erwerbstätigen Männer im Alter von 25 bis 54 Jahren im Jahr 2021 auf 95 % stieg, wurde die Zahl der Erwerbstätigen vor allem durch Frauen, Jugendliche und ältere Leute vergrößert - d.h. Menschen mit relativ begrenzten Verdienstmöglichkeiten. Die Weltbank sieht die steigende Zahl an Vulnerablen am Arbeitsmarkt als ein Indikator für die Notlage der Betroffenen, die darauf angewiesen sind, jedwede Einkommensmöglichkeit unabhängig von den Bedingungen anzunehmen: Geschlechtsbasierte Gewalt hat zugenommen, auch in wirtschaftlicher Hinsicht einschließlich Ausbeutung bei der Arbeit wie auch Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit. 'Finanzielle Gewalt' in der Terminologie von UNFPA hat zugenommen, darunter die Vorenthaltung finanzieller Mittel, Bildung, Arbeitsmöglichkeiten und von Gehältern. Wenn Frauen das Nachgehen einer Erwerbsarbeit erlaubt wird, kann es zum Beispiel vorkommen, dass ihr Einkommen von männlichen Familienangehörigen an sich genommen wird. Umgekehrt gibt es nun Frauen, die mehr an den finanziellen Entscheidungen ihrer Familie beteiligt sind (LIB, Seite 175).

Neben der großen Kluft zwischen den Geschlechtern bei der Erwerbsbeteiligung existiert außerdem eine geschlechtsspezifische Benachteiligung bei Sozialleistungen. Dem Besitz von Grund durch Frauen stehen gesellschaftliche Praktiken gegenüber, welche davon abschrecken. Seit einer Änderung des Personenstandsrechts im Jahr 2019 ist es möglich, dass eine Frau fordert, dass in ihrem Ehevertrag das Recht auf Arbeit enthalten ist (LIB, Seite 175).

Frauen sind in verschiedenen öffentlichen und politischen Positionen tätig. Dies kann entweder aus freiem Willen geschehen oder aus der Notwendigkeit heraus, die Familie in Abwesenheit eines männlichen Versorgers zu unterstützen (LIB, Seite 176).

Von Frauen geführte Haushalte sind in besonderem Maß von der sozio-ökonomischen Krise betroffen wie auch Haushalte mit behinderten Personen. 16 % der von Frauen geleiteten Haushalte sowie 12 % von Haushalten mit Menschen mit Behinderung sind überhaupt nicht in der Lage, ihren Lebensbedarf zu decken (LIB, Seite 176).

Öffentliche Räume wie besonders Kontrollpunkte, aber auch Märkte, Schulen oder Straßen stellen potenzielle Risiken dar, wo Frauen und Mädchen sexueller Gewalt ausgesetzt sind (LIB, Seite 176).

In Fällen, in denen der Zugang zu Bildung eingeschränkt ist, kompensieren Frauen den Verlust von Bildung, indem sie ihre Kinder zu Hause unterrichten. In Fällen, in denen der Zugang zu Infrastrukturgütern wie Wasser oder Strom eingeschränkt ist, legen die Frauen lange Wege zurück, um Wasser oder Diesel für den Betrieb ihrer eigenen Generatoren zu beschaffen. Darüber hinaus erhöht der Mangel an Grundnahrungsmitteln und anderen Gütern die Arbeitsbelastung der Frauen zu Hause, weil die Aufgaben arbeitsintensiver geworden sind (z. B. backen Frauen zu Hause Brot, wenn es keine Bäckereien mehr gibt) (LIB, Seite 176).

Alleinstehende Frauen

Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konflikts einem besonderen Risiko von Gewalt oder Belästigung ausgesetzt. Das Ausmaß des Risikos hängt vom sozialen Status und der Stellung der Frau oder ihrer Familie ab. Die gesellschaftliche Akzeptanz alleinstehender Frauen ist jedoch nicht mit europäischen Standards zu vergleichen. Armut, Vertreibung, das Führen eines Haushalts oder ein junges Alter ohne elterliche Aufsicht bringen Frauen und Mädchen in eine Position geringerer Macht und erhöhen daher das Risiko der sexuellen Ausbeutung. Mädchen, Witwen und Geschiedene werden als besonders gefährdet eingestuft. Auch Überlebende sexueller Gewalt sind besonders vulnerabel. Vor 2011 war es für Frauen unter bestimmten Umständen möglich, allein zu leben, z. B. für Frauen mit Arbeit in städtischen Gebieten. Seit dem Beginn des Konflikts ist es fast undenkbar geworden, als Frau allein zu leben, weil eine Frau ohne Familie keinen sozialen Schutz hat. In den meisten Fällen würde eine Frau nach einer Scheidung zu ihrer Familie zurückkehren. Der Zugang alleinstehender Frauen zu Dokumenten hängt von ihrem Bildungsgrad, ihrer individuellen Situation und ihren bisherigen Erfahrungen ab. Für ältere Frauen, die immer zu Hause waren, ist es beispielsweise schwierig, Zugang zu Dokumenten zu erhalten, wenn sie nicht von jemandem begleitet werden, der mehr Erfahrung mit Behördengängen hat. Die Wahrnehmung alleinstehender Frauen durch die Gesellschaft variiert von Gebiet zu Gebiet, in Damaskus-Stadt gibt es mehr gesellschaftliche Akzeptanz als in konservativeren Gebieten (LIB, Seite 176).

Da die syrische Gesellschaft als konservativ beschrieben wird, gibt es strenge Normen und Werte in Bezug auf Frauen, obwohl es durchaus auch säkulare Einzelpersonen und Familien gibt. Es gibt zwar keine offizielle Kleiderordnung, bestimmte gesellschaftliche Erwartungen bestehen aber dennoch. In den Großstädten wie Damaskus oder Aleppo und in der Küstenregion haben Frauen mehr Freiheiten, sich modern zu kleiden. Trotzdem kann die eigene Familie einer Frau in dieser Hinsicht ein hinderlicher Faktor sein (LIB, Seite 176 f).

In Haushalten mit weiblichem Haushaltsvorstand besteht ein höheres Risiko, sexueller Gewalt ausgesetzt zu sein, insbesondere für die Mädchen in diesen Familien. Witwen und geschiedene Frauen sind in der Gesellschaft mit einem sozialen Stigma konfrontiert (LIB, Seite 177).

Frauen und medizinische Versorgung

Angesichts der drastisch gekürzten öffentlichen Dienste sind syrische Frauen gezwungen, zusätzliche Aufgaben in ihren Familien und Gemeinden zu übernehmen und haben Berichten zufolge eine führende Rolle im informellen humanitären Bereich übernommen. Frauen kümmern sich um Verletzte, Behinderte, ältere Menschen und Menschen mit anderen medizinischen Problemen, wenn es keine Gesundheits- und Rehabilitationsdienste mehr gibt. Die Frauen erbringen die medizinische Versorgung entweder in ihren Häusern oder arbeiten als Freiwillige in improvisierten, geheimen Gesundheitszentren [Anm.: in den Oppositionsgebieten]. Gewalt überall im Land macht den Zugang zu Gesundheitsversorgung einschließlich reproduktiver Medizin teuer und gefährlich. So schränkt die HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen ein und unterwirft sie Beschränkungen auch in Bezug auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung (LIB, Seite 177).

Syrischen AktivistInnen zufolge verweigerten die Regierung und bewaffnete Extremisten manchmal schwangeren Frauen das Passieren von Checkpoints und zwangen sie, unter oft gefährlichen und unhygienischen Bedingungen und ohne adäquate medizinische Betreuung ihre Kinder auf die Welt zu bringen. Angriffe des Regimes und Russlands führen dazu, dass Gesundheitseinrichtungen oft im Geheimen operieren oder in einigen Fällen die Arbeit im Land einstellen. Konfliktbedingt ist der Sektor reproduktiver Gesundheit schwer belastet, und die Zahl der Frauen, welche während der Schwangerschaft oder der Geburt sterben, steigt weiterhin. Gemäß UNFPA (United Nations Population Fund) benötigen 7,3 Millionen Frauen und Mädchen Gesundheitsleistungen im Bereich reproduktiver und sexualmedizinischer Medizin wie auch Unterstützung in Fällen geschlechtsbasierter Gewalt, denn physische und sexuelle Gewalt wie auch Kinderheiraten sind im Steigen begriffen. Mit der Ausnahme, dass eine Fortführung der Schwangerschaft das Leben der Mutter gefährdet, sind Abtreibungen in Syrien nach wie vor illegal (LIB, Seite 177).

Die Risiken von Kinderheiraten sind für Mädchen beträchtlich: Dazu gehören das erhöhte Risiko sexuell übertragbarer Infektionen, die enormen Gesundheitsrisiken für Mädchen durch frühe Schwangerschaften, das Risiko des Schulabbruchs und zusätzlicher Freiheits- und Bewegungseinschränkungen, das Risiko häuslicher Gewalt (physisch, verbal oder sexuell) und das Risiko, von Freunden und Familie isoliert zu werden. Kinderheiraten und die damit verbundenen Risiken können sich negativ, auch auf die psychische Gesundheit der Mädchen auswirken und zu emotionalen Problemen und Depressionen führen (LIB, Seite 177).

Sexuelle Gewalt gegen Frauen und "Ehrverbrechen"

Ausmaß und Berichtslage zu sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) hat in ihren Berichten wiederholt festgestellt, dass praktisch alle Konfliktparteien in Syrien geschlechtsbezogene und/oder sexualisierte Gewalt anwenden, wenngleich in unterschiedlichen Formen und Ausmaßen. Der UN Population Fund (UNFPA) und weitere UN-Organisationen, NGOs und Medien stufen das Ausmaß an Vergewaltigungen und sexueller Gewalt als 'endemisch, zu wenig berichtet und unkontrolliert' ein. Allgemein ist eine von fünf Frauen in Syrien heute von sexueller Gewalt betroffen, wobei eine Zunahme von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt infolge der allgemeinen Unsicherheit und Perspektivlosigkeit der Menschen und der verloren gegangenen Rolle des Mannes als 'Ernährer der Familie' auch innerhalb der gebildeten städtischen Bevölkerung und auch in Damaskus zu verzeichnen ist. 'Ehrverbrechen' in der Familie - meist gegen Frauen - kommen in ländlichen Gegenden bei fast allen Glaubensgemeinschaften vor (LIB, Seite 179).

Im November 2021 schätzte das Syrian Network for Human Rights (SNHR), dass die Konfliktparteien seit März 2011 sexuelle Gewalt in mindestens 11.526 Fällen verübt haben. Die Regimekräfte und mit ihr verbündete Milizen waren für den Großteil dieser Straftaten verantwortlich - mehr als 8.000 Fälle, darunter mehr als 880 Straftaten in Gefängnissen und mehr als 440 Übergriffe auf Mädchen unter 18 Jahre. Fast 3.490 Fälle sexueller Gewalt wurden vom sogenannten Islamischen Staat (IS) begangen und 13 Verbrechen durch die Syrian Democratic Forces (SDF). Die Niederlage des sogenannten Islamischen Staats (IS) im Jahr 2019, Rückschläge für andere extremistische Gruppen und der Rückgang an Kampfhandlungen haben dazu geführt, dass die Bevölkerung nicht mehr derart den extremsten Verletzungen persönlicher gesellschaftlicher Freiheit ausgesetzt ist (LIB, Seite 179).

Sexuelle Gewalt durch Regimekräfte

Seit 2011 wurden Vergewaltigungen von den Regierungstruppen im Rahmen von Verhaftungen, Kontrollpunkten und Hausdurchsuchungen in großem Umfang als Kriegswaffe eingesetzt, um den Willen der Bevölkerung zu brechen und die Gesellschaft zu destabilisieren sowie demografische Veränderungen, z. B. in Homs, durch Vertreibungen zu erreichen: U.a. die CoI, Amnesty International und Human Rights Watch berichten immer wieder über Vergewaltigungen, Folter und systematische Gewalt gegen Frauen und Mädchen, insbesondere von Seiten des syrischen Militärs und affiliierter Gruppen unter anderem an Grenzübergängen, bei Militärkontrollen und in Haftanstalten. Vor allem Haftpraktiken in Syrien wiesen hiernach eine konstant stark geschlechtsorientierte Komponente auf. Sowohl Frauen als auch Männer werden Opfer sexualisierter Gewalt, insbesondere als Bestandteil von Misshandlungs- und Folterpraktiken. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass es bisher in mindestens 20 Haftanstalten in Syrien zu Vergewaltigungen und sexueller Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen gekommen ist. Dazu gehören Vergewaltigung, Leibesvisitationen und erzwungene Nacktheit, andere Akte sexueller Gewalt, die Androhung sexueller Gewalt, die Folterung an Geschlechtsorganen und weitere erniedrigende und demütigende Behandlungen. Vergewaltigungen sind weit verbreitet, auch die Regierung und deren Verbündete setzten Vergewaltigung gegen Frauen, aber auch gegen Männer und Kinder, welche als der Opposition zugehörig wahrgenommen werden, ein, um diese zu terrorisieren oder zu bestrafen. Auch sind einer Menschenrechtsorganisation zufolge nach Syrien rückkehrende Flüchtlinge, besonders Frauen und Kinder, sexueller Gewalt durch Regimekräfte ausgesetzt (LIB, Seite 179 f).

Sexuelle Gewalt durch bewaffnete Gruppen in Gebieten außerhalb der Regimekontrolle

Die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) hat in ihren Berichten wiederholt festgestellt, dass praktisch alle Konfliktparteien in Syrien geschlechtsbezogene und/oder sexualisierte Gewalt anwenden, wenngleich in unterschiedlichen Formen und Ausmaßen. Sexualisierte Gewalt wird daneben nach früheren CoI-Berichten auch von anderen bewaffneten Gruppierungen systematisch ausgeübt, wie etwa den Terrororganisationen Hay'at Tahrir ash-Sham - HTS und IS. Frauen sind, bzw. waren, zudem in den vom sogenannten Islamischen Staat (IS) und HTS kontrollierten Gebieten massiven Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte ausgesetzt. Der HTS mischt sich zunehmend in alle Bereiche des zivilen Lebens ein. HTS schränkt z. B. die Bewegungsfreiheit von Frauen ein und hat sogar Kleider- und sogar Frisurvorschriften erlassen (LIB, Seite 180).

Der Niedergang von Recht und Ordnung setzt Frauen einer Bandbreite von Misshandlungen aus, besonders durch extremistische Gruppen, die der Bevölkerung ihre eigenen Interpretationen des Religionsrechts auferlegen: Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt gegen Frauen durch Mitglieder nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen sind zwar dokumentiert, kommen aber schätzungsweise weniger häufig vor als durch die Regierungstruppen und ihre Verbündeten. Berichten zufolge stehen Fälle von sexueller Gewalt dort im Zusammenhang mit sozialen Phänomenen wie Ausbeutung, Konfessionalismus und Rache, wobei Fälle dokumentiert sind, die Opfer mit kurdischem Hintergrund, vermeintliche Schiiten oder regierungstreue Personen sowie Minderheitengruppen wie Drusen und Christen betreffen (LIB, Seite 180).

Sexuelle Gewalt ebenso wie Ausbeutung und Hürden beim Zugang zu Hilfsleistungen betreffen besonders oft geschiedene Frauen, Witwen und Mädchen. Neben Fällen von Versklavung, dem sinkenden Heiratsalter und Fällen von Zwangsheirat wurden offenbar vor allem in IS-kontrollierten Gebieten auch zunehmend Fälle von Genitalverstümmelung beobachtet, eine Praxis, die bis zum Ausbruch der Krise in Syrien unbekannt war und auf die Präsenz von Kämpfern aus Sudan und Somalia zurückzuführen war (LIB, Seite 180).

In den Gebieten unter türkischer Kontrolle in Nordsyrien stehen laut Bericht der CoI von September 2022 insbesondere kurdische Aktivistinnen unter erhöhter Gefahr, Opfer von Repressionen durch die SNA zu werden. Zudem sind Frauen besonders vulnerabel bei willkürlichen Enteignungen und können durch bestehende Diskriminierungsmuster nur unter großen Schwierigkeiten Entschädigungen einfordern. Darüber hinaus geht SNA besonders rigoros gegen zivilgesellschaftliche Akteure vor, die sich zu Genderthemen äußern und auf sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam machen. Dazu kamen Berichte aus Afrin über die Auferlegung strenger Bekleidungsvorschriften für Frauen und Mädchen und die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit sowie die Belästigung durch Mitglieder der bewaffneten Gruppen, insbesondere beim Passieren von Kontrollpunkten. Die Angst vor Entführung und sexueller Gewalt wird als ein wichtiger Faktor genannt, der die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen auch in den türkischen Einflussgebieten einschränkt, wobei auch die Angst vor Schande und Stigmatisierung im Zusammenhang mit sexueller Belästigung eine Rolle spielt (LIB, Seite 180 f).

Ungefähr 12.715 Personen bestehend aus verwitweten und geschiedenen Frauen und Mädchen leben mit ihren Kindern in 42 Witwenlagern, was ihrem Schutz und dem Erhalt ihrer 'Ehre' dienen soll, aber ihre Isolierung basiert auf der Einstellung, dass unverheiratete Frauen Schande über ihre Familie bringen (LIB, Seite 181).

Häusliche Gewalt und Gewalt in der Familie und an öffentlichen Orten sowie Umgang mit Gewaltopfern

Die meisten Fälle von 'Ehrenmorden' stehen im Zusammenhang mit sexueller Gewalt, aber nicht notwendigerweise mit Vergewaltigung: In einigen Fällen sind es Belästigungen oder Übergriffe auf der Straße oder in anderen Fällen die Annahme, dass während der Entführung/Gefangenschaft sexuelle Gewalt stattgefunden habe. Ehemalige weibliche Häftlinge leiden unter psychischen Problemen, in vielen Fällen unter schweren körperlichen Verletzungen durch Gewalt, einschließlich gynäkologischer Verletzungen durch sexuelle Gewalt, und unter gesundheitlichen Problemen wie Lungenentzündung und Hepatitis. Darüber hinaus ist die Annahme weit verbreitet, dass weibliche Häftlinge sexuelle Gewalt erfahren haben, was von der Familie und der Gemeinschaft als Schande für die Würde und Ehre des Opfers empfunden werden kann. Diese Stigmatisierung kann Berichten zufolge zu sozialer Isolation, Ablehnung von Arbeitsplätzen, Scheidung, Verstoßung durch die Familie und sogar zu 'Ehrenmorden' führen. So bleibt die Gefahr von 'Ehrenmorden' durch Familienmitglieder einer der Gründe, warum sexuelle Gewalt nicht in vollem Ausmaß berichtsmäßig erfasst ist. Tausende Überlebende von Gewalt, sexueller Ausbeutung und Zwangsheiraten wurden von ihren Familien verstoßen. Eltern oder Ehemänner verstoßen oftmals Frauen, die während der Haft vergewaltigt wurden oder wenn eine Vergewaltigung auch nur vermutet wird. Frühe und erzwungene Heiraten kommen auch besonders bei Binnenvertriebenen vor, weil die Familien die Ehe unter anderem als Schutz vor der verbreiteten sexuellen Gewalt wahrnehmen (LIB, Seite 181).

Darüber hinaus stellt die Angst vor sozialer Stigmatisierung oder vor der Polizei ein Hindernis für die Anzeige von sexueller Gewalt dar. Einflussreiche Beziehungen der Frau oder des Täters spielen eine große Rolle bezüglich der Wirksamkeit einer solchen Anzeige. Es besteht die Gefahr, dass die Frau beschuldigt wird. Wenn sie einen Vorfall anzeigt - in der Regel gegen ihren Ehemann - ist der soziale Druck, die Anzeige zurückzuziehen, enorm. Es heißt daher, dass Frauen versuchen, häusliche Gewalt innerhalb der Familie zu klären. Welche Hilfe tatsächlich geleistet wird, hängt jedoch von ihrer Familie ab (LIB, Seite 181 f).

Berichten zufolge kam es seit 2011 zu einem Anstieg an 'Ehrenmorden' infolge des Konfliktes. Drei Organisationen dokumentieren zusammen von 2019 bis November 2022 insgesamt 185 'Ehrenmorde'. Laut dem niederländischen Außenministerium ist es jedoch nicht möglich, das konkrete Ausmaß an Blutfehden und 'Ehrenmorden' in Syrien in absoluten Zahlen auszudrücken. Dass diese vorkommen, wird aber von zahlreichen Quellen und Beispielen aus dem Berichtszeitraum [Anm.: Mai 2021 bis Mai 2022] belegt. Eine Quelle stellt zudem fest, dass sie hauptsächlich in Gebieten vorkommen, in denen Stämme eine wichtige Rolle spielen, wie z. B. in Suweida und im Nordosten, aber auch, dass sie nicht auf eine spezifische ethnische Gemeinschaft beschränkt sind (LIB, Seite 182).

Insbesondere Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand sind einem erhöhten Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt. Darüber hinaus sind unbegleitete Mädchen, Waisen oder solche, die bei Verwandten und nicht bei ihren Eltern leben, Berichten zufolge von sexueller Gewalt bedroht. Syrische Mädchen, die für den UNFPA-Bericht 2017 befragt wurden, berichteten von einem besonderen Risiko sexueller Gewalt auf dem Weg zur oder von der Schule, und diese Risiken sollen oft der Hauptgrund dafür sein, dass Mädchen entweder die Schule abbrechen oder von ihren Eltern aus der Schule genommen werden. Für aktuelle Beispiele hierzu siehe UNFPA vom 28.3.2023 (LIB, Seite 182).

Anzeige und Strafverfolgung

Eine Anzeige wegen sexueller Gewalt in Syrien muss durch ein medizinisches Gutachten eines Gerichtsmediziners untermauert werden, aus dem die Schwere der körperlichen Verletzung hervorgeht. Dieses Verfahren sowie soziale Normen und Stigmata machen es Frauen, die missbraucht wurden, schwer, Hilfe zu suchen. Zudem besteht das Risiko, dass man ihr die Schuld für das Vorgefallene gibt. Die Anzeige von Gewalt durch Regierungsbeamte ist noch schwieriger, weil sie rechtlich gegen Anklagen für Handlungen geschützt sind, die sie im Rahmen ihrer Arbeit vornehmen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass jemand es wagen würde, Sicherheitsbeamte wegen Gewaltanwendung trotz der Angst vor Verschwindenlassen, der Verhaftung oder der Anschuldigung des Terrorismus anzuzeigen. Obwohl Vergewaltigung außerhalb der Ehe strafbar ist, setzt die Regierung diese Bestimmungen nicht wirksam um. Darüber hinaus kann der Täter eine Strafminderung erhalten, wenn er das Opfer heiratet, um das soziale Stigma der Vergewaltigung zu vermeiden. Dem stimmen manche Familien wegen des sozialen Stigmas durch Vergewaltigungen zu. Eine Frau in Furcht vor einem 'Ehrverbrechen' kann keinen Schutz von den Behörden wie etwa in Form eines Frauenhauses erwarten. Ihre Optionen für eventuellen Schutz hängen gänzlich von ihren persönlichen und gesellschaftlichen Umständen ab, denn offizielle Mechanismen zum Schutz von Frauenrechten funktionieren Berichten zufolge nicht (LIB, Seite 182).

Die Tatsache, dass es sich bei einem Mord aus Anlass angeblicher 'illegitimer sexueller Handlungen' um einen 'Ehrenmord' handelt, wird aus rechtlicher Sicht seit März 2020 nicht mehr als mildernder Umstand als Motiv für einen Mord oder eine Körperverletzung an der Ehefrau oder nahen weiblichen Verwandten anerkannt. Allerdings bleiben andere Gesetze statt des Artikels 548 des Strafgesetzes in Kraft, welche trotzdem eine Strafmilderung erlauben. Es kommt nur zu wenigen Strafverfolgungen wegen Mordes oder versuchten Mordes aus Gründen der 'Ehre'. Auch können sich Vergewaltiger durch die Heirat des Opfers vor Strafe schützen (LIB, Seite 183).

Bei 'Ehrverbrechen' in der Familie - meist gegen Frauen - besteht laut deutschem Auswärtigen Amt kein effektiver staatlicher Schutz. Es gibt zwar Frauenhäuser in verschiedenen Gegenden des Landes, aber diese sind vor allem für Witwen und geschiedene Frauen gedacht. Auch ist die Suche nach Zuflucht schwierig, denn die Schutz suchenden Frauen müssen in ein anderes Gebiet umziehen und den Kontakt zu ihrer Familie abbrechen. Es gibt zwar Organisationen zur Unterstützung von Frauen in Not, aber die Dauer des Schutzes hängt von der Laufzeit des Projekts ab. Die Wahrscheinlichkeit ist nach Einschätzung des niederländischen Außenministeriums groß, dass die Frauen zu ihren Familien zurückkehren müssen. Die Finanzierung von Projekten gegen geschlechtsbasierte Gewalt ging im Jahr 2022 zurück - mit Auswirkungen auf die Sicherheit von Frauen und Mädchen (LIB, Seite 183).

Die (selbstproklamierte) Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES - Autonomous Administration of North and East Syria)

Nachdem sich die Regierungstruppen 2012 aus dem Nordosten zurückgezogen und die Partei der Demokratischen Union (PYD) die Kontrolle übernommen hatte, wurde die Geschlechterfrage zu einem zentralen Thema der Politik der Partei der Demokratischen Union (PYD), und in jeder autonomen Gemeinde und auf jeder Ebene des Systems wurden Frauenverbände gegründet. Per Gesetz werden alle Regierungseinrichtungen von einem Mann und einer Frau gleichzeitig geleitet, und die meisten staatlichen Behörden und Gremien müssen zwischen Männern und Frauen gleich besetzt sein, abgesehen von Einrichtungen, die nur für Frauen sind und von Frauen geleitet werden. Mit den YPJ-Einheiten (Women’s Protection Units, Y.P.J.) gibt es eigene Milizen aus Frauen, und bei der Rückeroberung Raqqas hatte ein Mitglied dieser Einheit das übergeordnete Kommando. Gesetze und Regulierungen sollen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen abschaffen. Kinderheiraten und häusliche Gewalt stehen unter Strafe. Die Verwaltungscharta des Gesellschaftsvertrags räumt den Frauen das Recht auf Teilhabe an politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Angelegenheiten ein und legt den Frauenanteil in allen Leitungsgremien, Institutionen und Ausschüssen auf 40 Prozent fest. Dies ist jedoch nur auf Bereiche beschränkt, die unter der Kontrolle der Syrian Democratic Forces (SDF) stehen, und es wird in diesem Zusammenhang betont, dass Partizipation nicht gleichbedeutend mit tatsächlicher Ermächtigung ist, zumal außerhalb der PYD-Strukturen die politische Autonomie für die Bevölkerung eingeschränkt ist (LIB, Seite 184).

Kurdische Frauen erleben liberalere kulturelle Normen in den kurdischen Gemeinschaften, was durch die politischen Parteien gefördert wird. Die Partizipation von Frauen an traditionell männlichen Aktivitäten ist in vielen Fällen weniger restriktiv. Allerdings ist die jeweilige Lage der Frauen großteils von ihren Familien und deren Einstellungen abhängig, sodass in religiöseren oder traditionelleren kurdischen Gemeinschaften auch mehr traditionelle gesellschaftliche Normen gelten. Diese Aspekte gelten jedoch nur für kurdische Frauen in den kurdischen Gebieten, nicht für arabische Frauen in den kurdischen Gebieten oder für kurdische Frauen im Rest Syriens. Beispiele für vulnerable Frauen wären z. B. kurdische Frauen in den kurdischen Gebieten, die gegen die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) eingestellt sind (LIB, Seite 185).

Obwohl die Reformen definitiv Frauen zugutekommen, fühlen sich einige syrisch-kurdische Frauen Berichten zufolge mit der Ideologisierung der Frauenrechte, den impliziten Assoziationen von Befreiung mit Militarisierung und der Art der Umsetzung der Gleichberechtigung unwohl (LIB, Seite 185).

Der Nordosten Syriens wird im Allgemeinen immer noch als ländliche und stammesgebundene Gesellschaft angesehen, in der die Rolle der Frauen auf die Arbeit im Haus oder innerhalb von Verwaltungseinrichtungen beschränkt ist. In Gebieten mit arabischer Mehrheitsbevölkerung, die als konservativer gelten und wo Stammesstrukturen noch stark verwurzelt sind, ist es für die kurdischen Behörden schwerer, Gleichberechtigungsmaßnahmen ohne Widerstand durchzusetzen. So wurde beispielsweise in Kobanê Polygamie verboten, von der lokalen Bevölkerung in Manbij gab es jedoch Widerstand durch lokale Stammesführer, was zu einer Ausnahme für Manbij von dieser Regelung führte (LIB, Seite 185).

Generell wurde geschlechtsspezifische Gewalt, wie sexuelle Gewalt, häusliche und familiäre Gewalt, Kinderehen und Ehrenmorde, aus allen Teilen Syriens gemeldet, auch aus den von den SDF kontrollierten Regionen (LIB, Seite 185).

Rückkehr

Binnenvertriebene RückkehrerInnen nach Syrien müssen laut Human Rights Watch mit einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen rechnen, von willkürlicher Verhaftung, Folter, Verschwindenlassen bis hin zu Schikanen durch die syrischen Behörden. Immer wieder sind Rückkehrende, insbesondere – aber nicht nur – solche, die als oppositionell oder regimekritisch bekannt sind oder auch nur als solche erachtet werden, erneuter Vertreibung, Sanktionen bzw. Repressionen, bis hin zu einer unmittelbaren Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt. Fehlende Rechtsstaatlichkeit und allgegenwärtige staatliche Willkür führen dazu, dass selbst regimenahe Personen Opfer von Repressionen werden können. Menschenrechtsorganisationen und Rückkehrende berichten von zahlreichen Fällen, in denen Rückkehrende verhaftet, gefoltert, oder eingeschüchtert wurden. Zuletzt dokumentierten Amnesty International (AI) und Human Rights Watch (HRW) unabhängig voneinander in ihren jeweiligen Berichten von September bzw. Oktober 2021 Einzelfälle schwerwiegendster Menschenrechtsverletzungen von Regimekräften an Rückkehrenden, die sich an verschiedenen Orten in den Regimegebieten, einschließlich der Hauptstadt Damaskus, ereignet haben sollen. Diese Berichte umfassen Fälle von sexualisierter Gewalt, willkürlichen und ungesetzlichen Inhaftierungen, Folter und Misshandlungen bis hin zu Verschwindenlassen und mutmaßlichen Tötungen von Inhaftierten. Die Dokumentation von Einzelfällen – insbesondere auch bei Rückkehrenden – zeigt nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amtes, dass es trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung durch einen anderen Dienst kommen kann. Willkürliche Verhaftungen gehen primär von Polizei, Geheimdiensten und staatlich organisierten Milizen aus. Jeder Geheimdienst führt eigene Fahndungslisten, es findet keine zuverlässige und für Betroffene verlässliche Abstimmung und Zentralisierung statt (LIB, Seite 253).

Darüber hinaus können belastbare Aussagen oder Prognosen zu Rückkehrfragen nach geografischen Kriterien laut Auswärtigem Amt weiterhin nicht getroffen werden. Insbesondere für die Gebiete unter Kontrolle des Regimes, einschließlich vermeintlich friedlicherer Landesteile im äußersten Westen Syriens sowie in der Hauptstadt Damaskus, gilt unverändert, dass eine belastbare Einschätzung der individuellen Gefährdungslage aufgrund des dortigen Herrschaftssystems, seiner teilweise rivalisierenden Geheimdienste sowie regimenaher Milizen ohne umfassende zentrale Steuerung nicht möglich ist (LIB, Seite 254).

Neben den fehlenden sozioökonomischen Perspektiven und Basisdienstleistungen ist es oft auch die mangelnde individuelle Rechtssicherheit, die einer Rückkehr entgegensteht. Nach wie vor gibt es Berichte über willkürliche Verhaftungen und das Verschwinden von Personen. Am stärksten betroffen sind davon Aktivisten, oppositionelle Milizionäre, Deserteure, Rückkehrer und andere, die unter dem Verdacht stehen, die Opposition zu unterstützen. Um Informationen zu gewinnen, wurden auch Familienangehörige oder Freunde von Oppositionellen bzw. von Personen verhaftet. Deutlich wird die mangelnde Rechtssicherheit auch laut ÖB Damaskus an Eigentumsfragen. Das Eigentum von Personen, die wegen gewisser Delikte verurteilt wurden, kann vom Staat im Rahmen des zur Terrorismusbekämpfung erlassenen Gesetzes Nr. 19 konfisziert werden. Darunter fällt auch das Eigentum der Familien der Verurteilten in einigen Fällen sogar ihrer Freunde (LIB, Seite 254 f).

Nach zuvor vorwiegend rückkehrkritischen öffentlichen Äußerungen hat die syrische Regierung seine Politik seit Ankündigung eines sogenannten „Rückkehrplans“ für Flüchtlinge durch Russland 2018 sukzessive angepasst und im Gegenzug für eine Flüchtlingsrückkehr Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und die Aufhebung westlicher Sanktionen gefordert. Die Rückkehr von ehemaligen Flüchtlingen ist trotzdem nicht erwünscht, auch wenn offiziell mittlerweile das Gegenteil gesagt wird. Insgeheim werden jene, die das Land verlassen haben, als 'Verräter' angesehen, bzw. als illoyal gegenüber ihrem Land und als Unterstützer der Opposition und/oder bewaffneter Gruppen. Eine besondere Gefahr, Ziel staatlicher und von Willkür geprägter Repression zu werden, besteht für alle, die sich in der Vergangenheit (regime-)kritisch geäußert oder betätigt haben oder sich auf andere Weise das Missfallen des Regimes zugezogen haben. Dies kann nach Einschätzungen von Menschenrechtsorganisationen bereits dann der Fall sein, wenn Betroffene in familiärer Verbindung zu vermeintlichen Oppositionellen oder Regimefeinden stehen oder ihre regionale Herkunft (z.B. ehemalige Oppositionsgebiete) dies nahelegt. Berichte deuten jedoch darauf hin, dass selbst regimenahe Personen Opfer von Repressionen werden können (LIB, Seite 258).

Jeder, der geflohen ist und einen Flüchtlingsstatus hat, ist in den Augen des Regimes bereits verdächtig. Aus Sicht des syrischen Staates ist es daher besser, wenn diese SyrerInnen im Ausland bleiben, damit ihr Land und ihre Häuser umverteilt werden können, um Assads soziale Basis neu aufzubauen. Minderheiten wie Alawiten und Christen, reiche Geschäftsleute und Angehörige der Bourgeoisie sind hingegen für Präsident al-Assad willkommene Rückkehrer. Für arme Menschen, z.B. aus den Vorstädten von Damaskus oder Aleppo, hat der syrische Staat jedoch keine Verwendung, zumal keine Kapazitäten zur Unterstützung von (mittellosen) Rückkehrenden vorhanden sind (LIB, Seite 258).

Gemäß Berichten von Menschenrechtsorganisationen kommt es zu systematischen, politisch motivierten Sicherheitsüberprüfungen von Rückkehrwilligen, Ablehnung zahlreicher Rückkehrwilliger und gezielten Menschenrechtsverletzungen gegen Rückkehrende sowie Verletzungen von im Rahmen lokaler Rückkehrinitiativen getroffenen Vereinbarungen (Einzug zum Militärdienst, Verhaftung, etc.) (LIB, Seite 258 f).

Anhand der von der United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic, NGOs und anderen dokumentierten Einzelschicksalen der Vergangenheit ist die Bedrohung der persönlichen Sicherheit im Einzelfall das zentrale Hindernis für Rückkehrende. Dabei gilt nach Ansicht des deutschen Auswärtigen Amts, dass sich die Frage einer möglichen Gefährdung des Individuums weder auf etwaige Sicherheitsrisiken durch Kampfhandlungen und Terrorismus beschränken lässt, noch ganz grundsätzlich eine Eingrenzung auf einzelne Landesteile möglich ist. Entscheidend für die Sicherheit von Rückkehrenden bleibt vielmehr die Frage, wie der oder die Rückkehrende von den im jeweiligen Gebiet präsenten Akteuren wahrgenommen wird. Rückkehr auf individueller Basis findet, z.B. aus der Türkei, insbesondere in Gebiete statt, die nicht unter Kontrolle des Regimes stehen. Darüber hinaus können belastbare Aussagen oder Prognosen zu Rückkehrfragen nach geografischen Kriterien weiterhin nicht getroffen werden. Insbesondere für die Gebiete unter Kontrolle des Regimes, einschließlich vermeintlich friedlicherer Landesteile im äußersten Westen Syriens sowie in der Hauptstadt Damaskus, gilt unverändert, dass eine belastbare Einschätzung der individuellen Gefährdungslage aufgrund des dortigen Herrschaftssystems, seiner teilweise rivalisierenden Geheimdienste sowie regimenaher Milizen ohne umfassende zentrale Steuerung nicht möglich ist (LIB, Seite 259).

Das deutsche Auswärtige Amt zieht den Schluss, dass eine sichere Rückkehr Geflüchteter insofern für keine Region Syriens und für keine Personengruppe gewährleistet, vorhergesagt oder gar überprüft werden kann. UNHCR ruft weiterhin die Staaten dazu auf, keine zwangsweise Rückkehr von syrischen Staatsbürgern sowie ehemals gewöhnlich dort wohnenden Personen - einschließlich früher in Syrien ansässiger Palästinenser - in irgendeinen Teil Syrien zu veranlassen, egal wer das betreffende Gebiet in Syrien beherrscht (LIB, Seite 260).

Auch die lokale Bevölkerung hegt oft Argwohn gegen Personen, die das Land verlassen haben. Es besteht eine große Kluft zwischen Syrern, die geflohen sind, und jenen, die dort verblieben sind. Erstere werden mit Missbilligung als Leute gesehen, die 'davongelaufen' sind, während Letztere oft Familienmitglieder im Krieg verloren und unter den Sanktionen gelitten haben. Es kann daher zu Denunziationen oder Erpressungen von Rückkehrern kommen, selbst wenn diese eigentlich 'sauber' [Anm.: aus Regimeperspektive] sind, mit dem Ziel, daraus materiellen Gewinn zu schlagen (LIB, Seite 261).

Die syrische Regierung bietet administrative Verfahren an, die Rückkehrwillige aus dem Ausland oder aus von der Opposition kontrollierten Gebieten vor der Rückkehr in durch die Regierung kontrollierte Gebiete durchlaufen müssen, um Probleme mit der Regierung zu vermeiden. Im Rahmen dieser Verfahren führen die syrischen Behörden auf die eine oder andere Weise eine Überprüfung der RückkehrerInnen durch. Während des als 'Sicherheitsüberprüfung' (arabisch muwafaka amniya) bezeichneten Verfahrens werden die Namen der AntragstellerInnen mit Fahndungslisten verglichen. Beim sogenannten 'Statusregelungsverfahren' (arabisch: taswiyat wade) beantragen die AntragstellerInnen, wie es in einigen Quellen heißt, die 'Versöhnung', sodass ihre Namen von den Fahndungslisten der syrischen Behörden gestrichen wird. Es gibt jedoch keine einheitlichen, bzw. verlässlichen Verfahren zur Klärung des eigenen Status mit den Sicherheitsbehörden (Überprüfung, ob gegen die/den Betroffene/n etwas vorliegt) und verfügbare Rechtswege (LIB, Seite 262).

Die Herkunftsregion spielt eine große Rolle für die Behörden bei der Behandlung von Rückkehrern, genauso wie die Frage, was die Person in den letzten Jahren gemacht hat. SyrerInnen aus Homs, Deir iz-Zor oder Ost-Syrien werden dabei eher verdächtigt als Personen aus traditionell regierungstreuen Gebieten. Besonders Gebiete, die ehemals unter Kontrolle oppositioneller Kräfte standen (West-Ghouta, Homs, etc.), stehen seit der Rückeroberung durch das Regime unter massiver Überwachung und der syrische Staat kontrolliert genau, wer dorthin zurückkehren darf. Es kann also besonders schwierig sein, für eine Rückkehr in diese Gebiete eine Sicherheitsgenehmigung zu bekommen, und falls man diese erhält und zurückkehrt, wird man den Sicherheitsbehörden berichterstatten müssen (LIB, Seite 264).

Das Regime hat einen Mechanismus zur Erleichterung der 'Versöhnung' und Rückkehr geschaffen, der als 'Regelung des Sicherheitsstatus' (taswiyat al-wadaa al-amni) bezeichnet wird. Das Verfahren beinhaltet eine formale Klärung mit jedem der vier großen Geheimdienste und eine Überprüfung, ob die betreffende Person alle vorgeschriebenen Militärdienstanforderungen erfüllt hat. Einzelne Personen in Aleppo berichteten jedoch, dass sie durch die Teilnahme am 'Versöhnungsprozess' einem größeren Risiko ausgesetzt wären, bei späteren Interaktionen mit Sicherheitsbeamten verhaftet und erpresst zu werden. Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden und deshalb keine Erlaubnis zur Rückkehr erhalten, werden aufgefordert, ihren Status zu 'regularisieren', bevor sie zurückkehren können (LIB, Seite 265).

Die Regierung verweigert gewissen BürgerInnen die Rückkehr nach Syrien, während andere SyrerInnen, die in die Nachbarländer flohen, die Vergeltung des Regimes im Fall ihrer Rückkehr fürchten. Der %satz der AntragstellerInnen, die nicht zur Rückkehr zugelassen werden, ist nach wie vor schwer zu ermitteln: Ihr Anteil wird von verschiedenen Quellen aus den Jahren 2018 bis 2022 auf 5 %, 10 %, 20 % oder bis zu 30 % geschätzt. Das Regime fördert nicht die sichere, freiwillige Rückkehr in Würde, eine Umsiedlung oder die lokale Integration von IDPs. In einigen Fällen ist es Binnenvertriebenen nicht gestattet, in ihre Heimatgebiete zurückzukehren. Einige BeobachterInnen und humanitäre HelferInnen geben an, dass die Bewilligungsquote für AntragstellerInnen aus Gebieten, die als regierungsfeindliche Hochburgen identifiziert wurden, fast bei null liegt. Gründe für die Ablehnung können (vermeintliche) politische Aktivitäten gegen die Regierung, Verbindungen zur Opposition oder die Nichterfüllung der Wehrpflicht sein (LIB, Seite 266).

Eine besondere Gefahr, Ziel staatlicher und von Willkür geprägter Repression zu werden, besteht für alle, die sich in der Vergangenheit (system-) kritisch geäußert oder betätigt haben oder sich auf andere Weise das Missfallen des Regimes zugezogen haben. Dies kann nach Einschätzungen von Menschenrechtsorganisationen bereits dann der Fall sein, wenn Betroffene in familiären Verbindungen zu vermeintlichen Oppositionellen oder Regimefeinden stehen oder ihre regionale Herkunft (z. B. ehemalige Oppositionsgebiete) dies nahelegt. Berichte deuten jedoch darauf hin, dass selbst regimenahe Personen Opfer von Repressionen werden können. Einer Umfrage des Middle East Institute im Februar 2022 zufolge berichteten 27 % der RückkehrerInnen, dass sie oder jemand Nahestehender aufgrund ihres Herkunftsorts, für das illegale Verlassen Syriens oder für das Stellen eines Asylantrags Repression ausgesetzt sind. Ein Rückkehrhindernis ist zudem laut Menschenrechtsberichten das Wehrdienstgesetz, das die Beschlagnahmung von Besitz von Männern ermöglicht, die den Wehrdienst vermieden haben, und nicht die Befreiungsgebühr bezahlt haben (LIB, Seite 267).

Es ist schwierig, Informationen über die Situation von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude Anmerkung, über die Rückkehr) der RückkehrerInnen, pro-oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von RückkehrerInnen. Zudem wollen viele Flüchtlinge aus Angst vor Repressionen durch die Regierung nach ihrer Rückkehr nach Syrien nicht mehr mit Journalisten oder auch nur mit Angehörigen sprechen. Die syrische Regierung und ihr Sicherheitsapparat sind immer wieder gegen Personen vorgegangen, die sich abweichend oder oppositionell geäußert haben, unter anderem durch willkürliche Inhaftierung, Folter und Schikanen gegen Kritiker und ihre Angehörigen. Trotz Amnestien und gegenteiliger Erklärungen hat die syrische Regierung bisher keine Änderung ihres Verhaltens erkennen lassen. Selbst dort, wo Einzelpersonen von der Regierung Sicherheitsgarantien erhalten haben, kam es zu Übergriffen. Jeder, der aus dem Land geflohen ist oder sich gegen die Regierung geäußert hat, läuft Gefahr, als illoyal angesehen zu werden, was dazu führen kann, dass er verdächtigt, bestraft oder willkürlich inhaftiert wird. BürgerInnen in von der Regierung rückeroberten Gebieten wie auch Rückehrende gehören zu den verwundbarsten Bevölkerungsgruppen. RückkehrerInnen und Binnenvertriebene sind am ehesten von gesellschaftlichem Ausschluss und einem Mangel an Zugang zu öffentlichen Leistungen in der näheren Zukunft ausgesetzt. Enteignungen dienen der Schaffung von Hürden für rückkehrende Flüchtlinge und Binnenvertriebene und der Belohnung von regimeloyalen Personen mit einer daraus resultierenden demografischen Änderung in ehemaligen Hochburgen der Opposition (LIB, Seite 272 f).

Jeder Geheimdienst führt eigene Fahndungslisten. Es findet keine zuverlässige und für Betroffene verlässliche Abstimmung und Zentralisierung statt. Die Dokumentation von Einzelfällen zeigt immer wieder, dass es insbesondere auch bei aus dem Ausland Zurückkehrenden trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung durch einen anderen Dienst kommen kann. In nur wenigen Fällen werden Betroffene in reguläre Haftanstalten oder an die Justiz überstellt. Alles in allem kann eine Person, die von der Regierung gesucht wird, aus einer Vielzahl von Gründen oder völlig willkürlich gesucht werden. So kann die Behandlung einer Person an einem Checkpoint von verschiedenen Faktoren abhängen, darunter der Willkür des Kontrollpersonals oder praktischen Problemen wie eine Namensähnlichkeit mit einer gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, müssen mit verschiedenen Konsequenzen seitens der Regierung rechnen, z. B. mit Verhaftung und im Zuge dessen auch mit Folter. Einigen Quellen zufolge gehört medizinisches Personal zu den Personen, die als oppositionell oder regierungsfeindlich gelten, insbesondere wenn es in einem von der Regierung belagerten Oppositionsgebiet gearbeitet hat. Dies gilt auch für Aktivisten und Journalisten, die die Regierung offen kritisiert oder Informationen oder Fotos von Ereignissen wie Angriffen der Regierung verbreitet haben, sowie generell für Personen, die die Regierung offen kritisieren. Einer Quelle zufolge kann es vorkommen, dass die Regierung eine Person wegen eines als geringfügig eingestuften Vergehens nicht sofort verhaftet, sondern erst nach einer gewissen Zeit. Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Kontrollpunkt beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. Wenn eine Person an einem Ort lebt oder aus einem Ort kommt, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, kann dies das Misstrauen des Kontrollpersonals wecken. Die Definition des Regimes, wer ein Oppositioneller ist, ist nicht immer klar oder kann sich im Laufe der Zeit ändern. Es gibt keine Gewissheit darüber, wer vor Verhaftungen sicher ist. In Gesprächen mit der NGO International Crisis Group (ICG) berichteten viele Flüchtlinge, dass der Verzicht auf regimefeindliche Aktivitäten keine sichere Rückkehr garantiert. So folgten z. B. Abschiebungen aus dem Libanon im April 2023 von mindestens 130 Menschen - darunter auch unbegleitete Minderjährige - Berichte, wonach es zu Verhaftungen [Anm.: die Zahlen variieren je nach Quelle - z.B. mindestens vier dokumentierte Verhaftungen] und zwangsweisem Einzug zum Wehrdienst [Anm.: keine Zahlenangaben, nur Beispiele] kam (LIB, Seite 273).

Generell ist es schwer, in Erfahrung zu bringen, was der Status einer Person bezüglich der syrischen Regierung ist. Für Menschen mit Geld und guten Beziehungen zu den Behörden oder einflussreichen Personen besteht die Möglichkeit, nachzuforschen, ob ihre Namen auf Suchlisten stehen. Allerdings kann die Suche nach diesen Informationen diese auch exponieren - bzw. die Personen, welche für sie nach Informationen suchen. Es gibt keine Garantie, dass sie dabei nicht mit Schwierigkeiten konfrontiert sein werden, darunter das Risiko einer Verhaftung (LIB, Seite 273 f).

Syrische Rückkehrende aus Europa

Eine sichere Rückkehr Geflüchteter kann laut deutschem Auswärtigen Amt für keine Region Syriens und für keine Personengruppe gewährleistet, vorhergesagt oder gar überprüft werden. Auch UNHCR und andere Menschenrechtsorganisationen haben keinen freien und ungehinderten Zugang zu Rückkehrenden in Syrien, sodass eine Nachverfolgung und Überwachung des Rückkehrprozesses sowie des Schicksals der Rückkehrenden nicht möglich ist. UNHCR kann unverändert weder ein umfassendes Monitoring zur Lage von zurückgekehrten Binnenvertriebenen und Flüchtlingen sicherstellen, noch einen Schutz ihrer Rechte gewährleisten. Dennoch bemüht sich UNHCR, Beispiele von Rechtsbrüchen zu sammeln, nachzuverfolgen und gegenüber dem Regime zu kommunizieren (LIB, Seite 282).

Die verfügbaren Informationen über SyrerInnen, die aus Europa nach Syrien zurückkehren, sind begrenzt. Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es auch aufgrund deren geringer Zahl keine Angaben: Im Jahr 2020 kehrten 137 syrische Flüchtlinge freiwillig und mit Unterstützung der dänischen Behörden aus Dänemark nach Syrien zurück. Im selben Jahr suchten zehn SyrerInnen bei den niederländischen Behörden um Hilfe für eine Rückkehr nach Syrien an. In Dänemark leben rund 35.000 Syrer und Syrerinnen, in den Niederlanden ca. 77.000. Nach Angaben des deutschen Innenministeriums kehrten von 2017 bis Juni 2020 über 1.000 SyrerInnen mit finanzieller Unterstützung Deutschlands aus Deutschland nach Syrien zurück. Die meisten syrischen Flüchtlinge in der EU erwägen nicht, in (naher) Zukunft nach Syrien zurückzukehren, wie Umfragen aus verschiedenen europäischen Staaten illustrieren. Diejenigen, die nicht nach Syrien zurückkehren wollten, wiesen auf verschiedene Hindernisse für eine Rückkehr hin, darunter das Fehlen grundlegender Dienstleistungen (wie Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit) und die derzeitige syrische Regierung, die an der Macht geblieben ist (LIB, Seite 282 f).

Die meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Europäische Union selbst sowie der UN High Commissioner for Refugees (UNHCR), bleiben bei ihrer Einschätzung, dass Syrien nicht sicher für eine Rückkehr von Flüchtlingen ist. Im Juli 2022 entschied das Netherlands Council of State, dass syrische Asylsuchende nicht automatisch nach Dänemark transferiert werden dürften angesichts der dortigen Entscheidung, Teile Syriens für 'sicher' zu erklären. Auch die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) kommt zum Schluss, dass die Bedingungen für eine sichere Rückkehr in Würde nicht gegeben sind, auch angesichts von Fällen von Rückkehrverweigerungen, willkürlichen Verhaftungen und der Verhinderung der Rückkehr zu ihren Heimen in Regierungsgebieten. Das deutsche Auswärtige Amt weist darauf hin, dass UNHCR, das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) und die International Organization for Migration (IOM) unverändert die Auffassung vertreten, dass die Bedingungen für eine freiwillige Rückkehr von Geflüchteten nach Syrien in Sicherheit und Würde angesichts der unverändert bestehenden, signifikanten Sicherheitsrisiken in ganz Syrien nicht erfüllt sind. UNHCR bekräftigte, dass sich seine Position und Politik nicht geändert hätten. Im Einklang mit dieser Einschätzung führt laut deutschem Auswärtigem Amt weiterhin kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union Rückführungen nach Syrien durch. Auch der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sieht nicht die menschenrechtlichen Voraussetzungen für Abschiebungen nach Syrien gegeben (LIB, Seite 283).

2. Beweiswürdigung:

zur Person der Beschwerdeführerin

Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln sowie zum Teil aus den in dieser Hinsicht glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen – Angaben zu zweifeln.

Dass die Heimatregion der Beschwerdeführerin unter der kurdischen Kontrolle steht, ergibt sich aus der Einsicht in die tagesaktuelle Karte https://syria.liveuamap.com/ (Zugriff am 13.12.2023).

Zu ihrem gesundheitlichen Zustand hat die Beschwerdeführerin zwar in der Beschwerdeverhandlung angegeben, dass sie wegen ihrer gesundheitlichen Lage deprimiert sei und sie aufgrund ihrer Schmerzen versuche, sich das Leben zu nehmen (Verhandlungsschrift, Seite 7). Diese Angaben tätigte sie jedoch erst auf die Nachfrage, warum sie mit ihrem Onkel in Syrien nicht in Kontakt stehe, und stehen im klaren Widerspruch zu ihrer Aussage zu Beginn der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsschrift, Seite 4: „Geistig geht es mir sehr gut, körperlich habe ich jedoch Schmerzen […]). Auch vor dem BFA erklärte sie, dass es ihr abgesehen von den Problemen mit ihrem Schultergelenk, gut gehe vergleiche Niederschrift des BFA, Seite 2). Ferner verneinte die Beschwerdeführerin die Frage, ob sie wegen ihrer psychischen Probleme in ärztlicher Behandlung stehe (Verhandlungsschrift, Seite 7). Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen (OZ 11) ergeben sich ebenfalls keine Hinweise auf psychische Leiden, sodass abgesehen von den körperlichen Beschwerden, keine weiteren gesundheitlichen Probleme festgestellt werden konnten.

Zu ihren Fluchtgründen führte die Beschwerdeführerin zunächst im Wesentlichen aus, dass sie als Kurdin sowie ihre ganze Familie Probleme mit dem IS gehabt habe. Damals seien viele Bewohner von römisch 40 aus dem Ort geflüchtet, weil viele davon vom IS getötet worden seien. Bei einem Checkpoint des IS seien sie angehalten worden, als sie mit einem Auto von Aleppo nach römisch 40 unterwegs gewesen seien, und alle in diesem Auto seien festgenommen worden. Sie sei ca. 3 Tage festgehalten worden und habe islamischen Unterricht erhalten. Dieser Vorfall habe sich im Jahr 2014 ereignet. Sollte der IS herausfinden, dass sie aus römisch 40 stamme oder Rechtsanwältin sei, werde sie entweder umgebracht oder zwangsverheiratet (Niederschrift des BFA, Seite 6 f; Beschwerde, Seite 2).

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab die Beschwerdeführerin zusätzlich an, dass der IS sie gezwungen habe, auf einer Blutlacke zu beten. Dies habe sie dem BFA nicht geschildert, da sie befürchtet habe, dass sie dadurch sowohl psychisch als auch physisch untersuchen lassen werde müssen (Verhandlungsschrift, Seite 8). Ebenso habe sie vor dem BFA nicht angegeben, dass PKK-Anhänger die IS-Mitglieder inhaftiert hätten und es dann einen Austausch gegeben habe. Sie sei nicht die einzige gewesen, die festgehalten und in weiterer Folge – aufgrund des Austausches – freigelassen worden sei vergleiche Verhandlungsschrift, Seite 9). Auf Nachfragen, warum sie dies vor dem BFA nicht geschildert habe, führte sie aus, ihr sei kurz vor ihrer Einvernahme von anderen Flüchtlingen gesagt worden, sie solle nicht detailreich antworten (Verhandlungsschrift, Seite 9). Mit dieser Erklärung vermochte die Beschwerdeführerin jedoch nicht nachvollziehbar darzulegen, weshalb sie einzelne Details ihres Fluchtvorbringens nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren erwähnte. Schließlich war sie nicht in der Lage, eine konkrete Bedrohung ihrer Person von Seiten des IS zu schildern, zumal sie vor dem BFA ausdrücklich angab, dass es keine persönliche Bedrohung von irgendeiner Person oder irgendeiner Gruppierung gegeben habe (Niederschrift des BFA, Seite 7). Auch in der mündlichen Verhandlung wiederholte die Beschwerdeführerin mehrmals, dass jeder Kurde aus römisch 40 in ständiger Gefahr lebe, seitens der IS-Mitglieder hingerichtet zu werden, ohne eine persönliche Bedrohungssituation zu erwähnen (Verhandlungsschrift, Seite 9 f).

Dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien in ihre Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr der Verfolgung durch den IS ausgesetzt ist, ist einerseits aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin nicht erkennbar. Andererseits ergibt sich aus den zugrunde gelegten Länderberichten und der Syrialivemap zweifelsfrei, dass die Herkunftsregion der Beschwerdeführerin unter der Kontrolle und im Einflussgebiet der Kurden liegt. Nachdem die Stadt Ende Jänner 2015 vollständig vom IS befreit worden war, begann die neue Ära unter der Führung der YPG/YPJ. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin eine Gefahr seitens des IS drohen würde.

Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie als Rechtsanwältin in Syrien besonders gefährdet sei, Opfer von willkürlichen Inhaftierungen und Verschwindenlassen zu werden. Als sie von der belangten Behörde diesbezüglich gefragt wurde, warum sie bei einer Rückkehr Angst aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin habe, bezog sie ihre Angst aber lediglich auf den IS (Niederschrift des BFA, Seite 7: „Sollte der IS herausfinden, dass ich aus römisch 40 stamme oder Rechtsanwältin bin, werde ich entweder umgebracht oder zwangsverheiratet.“). Im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien in ihre Herkunftsregion, in die Stadt römisch 40 , ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr der Verfolgung durch den IS ausgesetzt. Die Herkunftsregion der Beschwerdeführerin steht nicht (mehr) im Einfluss- oder Kontrollgebiet des IS, sondern unter der Kontrolle der Kurden.

Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe Angst vor der PKK. Diese habe ihr einmal angeboten, mit ihnen zu arbeiten. Dies habe sie aber nicht machen können, da sie sonst Probleme mit der syrischen Regierung erhalten hätte. Eine persönliche Bedrohung habe es aber nicht gegeben (Niederschrift des BFA, Seite 7). Vielmehr führte die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde aus, dass sie von Mitgliedern der PKK aus der Gefangenschaft des IS befreit worden sei und deshalb flüchten habe können (Beschwerde, Seite 2). In der mündlichen Verhandlung begründete sie eine drohende Verfolgung durch die PKK mit einer Regelung, wonach ein Familienmitglied sich zum Einsatz zur Verfügung zu stellen habe. Sie sei die Einzige, die im Fall einer Rückkehr einberufen werden könnte (Verhandlungsschrift, Seite 14). Mit diesen Angaben konnte die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft machen, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien in ihre Herkunftsregion, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr der Verfolgung durch kurdische Gruppierungen ausgesetzt ist, zumal laut den herangezogenen Länderberichten im Nordosten Syriens, Frauen „freiwillig“ einen Militärdienst in der YPJ (Frauenverteidigungseinheiten) ableisten können. Hierbei wird auch nicht verkannt, dass es auch Berichte über zwangsweise Rekrutierungen von Jugendlichen, darunter auch Mädchen gibt, wobei jedoch eher Lockungen als ein unmittelbarer Zwang im Vordergrund stehen dürften. Die Berichte liefern dazu jedenfalls kein eindeutiges Bild. In einer Zusammenschau ist davon auszugehen, dass die zwangsweise Rekrutierung von Frauen jedenfalls keine generelle Praxis darstellt. Diese Ausführungen wurden im Wesentlichen auch von der Beschwerdeführerin bestätigt, als sie erläuterte, dass 12- bis 14-Jährige sich den bewaffneten Gruppierungen „freiwillig“ anschließen würden, weil sie einer Gehirnwäsche unterzogen werden würden vergleiche Verhandlungsschrift, Seite 15).

Vor der belangten Behörde erwähnte die Beschwerdeführerin auch, dass eine Schwester und ein Bruder auf Facebook Sachen über die Regierung veröffentlicht hätten. Die beiden seien zum Zeitpunkt der Ausreise der Beschwerdeführerin bereits nicht mehr in Syrien gewesen (Niederschrift des BFA, Seite 6). In diesem Zusammenhang gab die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde zusätzlich an, dass ihre Schwester über Facebook das syrische Regime kritisiert habe. Als der Name der Schwester auf eine Fahndungsliste des Regimes gekommen sei, sei auch die Beschwerdeführerin aufgrund des gleichen Familiennamens von der Verfolgung bedroht gewesen. Aus diesem Grund befinde sich kein Mitglied der Familie der Beschwerdeführerin mehr in Syrien (Beschwerde, Seite 2). Dabei ist der Beschwerdeführerin zunächst entgegenzuhalten, dass sie in ihrer Beschwerde nur mehr auf die politische Aktivität ihrer Schwester Bezug nahm und dabei jene ihres Bruders nicht mehr erwähnte.

Auch in der mündlichen Verhandlung war die Beschwerdeführerin nicht in der Lage, wesentliche Teile ihres ohnehin auffallend oberflächlich gehaltenen Fluchtvorbringens schlüssig und übereinstimmend wiederzugeben. Sie legte zu den veröffentlichten Postings ihrer Geschwister keine Beweismittel vor und konnte nicht ausführlich darlegen, was der konkrete Inhalt dieser Postings war vergleiche Verhandlungsschrift, Seite 11: „Meine Schwester hat mehrfach auf Facebook gepostet, dass die syrische Regierung unschuldige Zivilisten tötet, sowohl Kinder als auch unschuldige Zivilisten“; Seite 13: „Sie haben gegen die syrische Regierung gesprochen.“). Weiters konnte sie nicht angeben, wann die Postings veröffentlicht wurden vergleiche Verhandlungsschrift, Seite 11: „Nach 2011, ich kann mich aber nicht mehr genau erinnern, wann das war, aber es war auf jeden Fall nach Revolutionsausbruch.“; Seite 13: „Nach 2011/2012/2013, entlassen bzw. gekündigt wurden sie [der Bruder der Beschwerdeführerin und zwei weitere Kollegen] 2015.“). Schließlich gab die Beschwerdeführerin ausdrücklich an, dass sie wegen der Postings ihrer Geschwister keine Probleme in Syrien gehabt habe. Sie sei nicht persönlich bedroht worden, ihr sei nicht gesagt worden, dass sie festgenommen werde, aber ein Beamter und Freund habe sie gewarnt vergleiche Niederschrift des BFA, Seite 7; Verhandlungsschrift, Seite 13). Trotz mehrmaliger Nachfragen war sie nicht in der Lage, nachvollziehbar darzulegen, weshalb sie im Rahmen der Erstbefragung nichts von dieser Bedrohung erzählt habe, sondern gab nur ausweichende Antworten vergleiche Verhandlungsschrift, Seite 13 f). Dieses allgemein gehaltene Vorbringen kann ebenso nur als Versuch, eine aussichtslose Fluchtgeschichte mit neuem Gewicht auszustatten, gewertet werden. Dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien in ihre Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr der Verfolgung durch das syrische Regime ausgesetzt ist, ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.

Außerdem ergibt sich aufgrund der zugrunde gelegten Länderberichte und der Syrialivemap zweifelsfrei, dass die Herkunftsregion der Beschwerdeführerin unter der Kontrolle und im Einflussgebiet der Kurden liegt. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr eine Bedrohung durch das syrische Regime droht. Als der Beschwerdeführerin vorgehalten wurde, dass ihre Schwester im Jahr 2011 über die Regierung gepostet habe und sie, die Beschwerdeführerin, bis März 2015 in Syrien verbleiben habe können, begründete sie selbst diesen Umstand damit, dass römisch 40 damals nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung gewesen sei (Verhandlungsschrift, Seite 12).

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass sie als regierungskritisch angesehen werde, weil ihre beiden Brüder vom syrischen Regime gesucht werden würden vergleiche Verhandlungsschrift, Seite 15 und 17), wird darauf hingewiesen, dass ihre Brüder vor ihr, im Jahr 2014 ausgereist sind, und sie bis März 2015 in Syrien verbleiben konnte. Diese Unstimmigkeit konnte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht entkräften. Als ihr diese vorgehalten wurde, erklärte sie, dass sie im August 2014 nach Aleppo umgezogen sei, von November 2014 bis März 2015 sei sie in der Türkei gewesen und sei zwischen Syrien und Türkei gependelt (Verhandlungsschrift, Seite 16). Damit konnte sie aber nicht nachvollziehbar darlegen, weshalb sie trotz der behaupteten Bedrohung seitens des syrischen Regimes monatelang immer wieder in Syrien gewesen ist. Darüber hinaus hat sie auch nach der Ausreise ihrer Brüder in Syrien gearbeitet und hat für ihren Lebensunterhalt gesorgt (Verhandlungsschrift, Seite 10). Die Beschwerdeführerin bejahte zwar die Frage, ob es wegen ihrer Brüder eine konkrete Bedrohung gegeben habe, führte aber trotz Nachfragens kaum Einzelheiten an und schilderte kein Vorkommnis näher. Ihre Ausführungen bleiben unpersönlich und lassen erkennen, dass sie keine Detailkenntnis hat. So war sie auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht in der Lage, eine konkrete Bedrohung zu schildern (Verhandlungsschrift, Seite 16: „R: Gab es wegen Ihren beiden Brüder eine konkrete Bedrohung? – BF: Ja. – R: Können Sie das bitte näher schildern? – BF: Meine Brüder haben deshalb Asyl bekommen. – R wiederholt die Frage. – BF: Wenn in Syrien ein Familienmitglied eine Straftat begeht, dann müssen alle weiteren Familienmitglieder die Konsequenzen tragen, dementsprechend auch meine Brüder. Weil sie gesucht werden, werde auch ich gesucht. – R wiederholt die Frage. – BF: Ich glaube, ich habe das bereits zuvor beantwortet, dass dieser Freund, also Beamter mir gesagt hat, dass ich Syrien verlassen muss.“).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt bei alldem nicht, dass die Schwelle, von Seiten des syrischen Regimes als oppositionell betrachtet zu werden, niedrig ist und Personen aus unterschiedlichen Gründen teilweise willkürlich als regierungsfeindlich angesehen werden; es übersieht auch nicht, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung verfolgt oder ihnen sonst Schaden zugefügt wird. Gegenständlich ergaben sich im Zuge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens jedoch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die allgemeinen Länderinformationen in Zusammenschau mit der individuellen Situation der Beschwerdeführerin eine diesbezügliche Verfolgungssituation begründen.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie im Falle einer Rückkehr nach Syrien eine alleinstehende Frau wäre, erweist sich als unglaubhaft, zumal sie in Syrien ferne Verwandte hat, unter anderem lebt ein Onkel väterlicherseits in römisch 40 (Verhandlungsschrift, Seite 6). Dass sie zu ihrem in Syrien lebenden Onkel keinen Kontakt pflegt, konnte sie nicht nachvollziehbar darlegen. Auf die Frage, warum sie mit ihm nicht in Kontakt stehe, antwortete sie, dass sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Lage deprimiert sei und aufgrund dieser Schmerzen versuche, sich das Leben zu nehmen (Verhandlungsschrift, Seite 7). Wie jedoch bereits ausgeführt, konnte festgestellt werden, dass bei der Beschwerdeführerin abgesehen von den körperlichen Beschwerden, keine weiteren gesundheitlichen Probleme bestehen. Aufgrund dieser ausweichenden und falschen Angaben der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass sie sehr wohl mit ihrem Onkel in Syrien in Kontakt steht. Außerdem machte sie in der mündlichen Verhandlung Angaben zum psychischen und physischen Zustand ihres Onkels (Verhandlungsschrift, Seite 15). Dass ihr Onkel sie im Falle einer Rückkehr nicht unterstützen könne vergleiche Verhandlungsschrift, Seite 15), kann aufgrund ihres ausweichenden Aussageverhaltens und ihrer unstimmigen Angaben ebenfalls nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass die Kernfamilie der Beschwerdeführerin sie im Falle einer Rückkehr ebenfalls finanziell unterstützen könnte, zumal ihre in Deutschland aufhältigen Brüder sie bereits in der Türkei finanziell unterstützt haben vergleiche Verhandlungsschrift, Seite 6). Die Aussage der Beschwerdeführerin, wonach ihre Brüder sie nicht finanziell unterstützen hätten können, als sie in der Türkei gewesen seien (Verhandlungsschrift, Seite 12), steht in Widerspruch zu ihren vorangegangenen Angaben und kann wiederum lediglich dahingehend gewertet werden, dass sie versuchte, ihrem Vorbringen einen zusätzlichen Aspekt hinzuzufügen. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin ihren Lebensunterhalt in Syrien selbst finanzierte und aufgrund ihres guten Einkommens auch andere unterstützen konnte (Verhandlungsschrift, Seite 5). Mit ihrem Vorbringen, dass sie bei einer Rückkehr nicht mehr für ihren Lebensunterhalt sorgen könne, da sie keiner mehr erkennen würde und sie ihre Kundschaft – vor allem in römisch 40 – nicht mehr hätte (Verhandlungsschrift, Seite 15), konnte sie nicht überzeugend darlegen, dass es ihr nicht mehr möglich sein würde, in Syrien ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin wieder auszuüben. Immerhin hat sie nach ihrer Ausreise aus römisch 40 auch in Aleppo als Rechtsanwältin gearbeitet und für ihren Lebensunterhalt gesorgt vergleiche Verhandlungsschrift, Seite 9). Insgesamt ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nicht schutzlos und nicht ohne familiäre Unterstützung wäre. Somit konnten die entsprechenden Feststellung getroffen werden.

Soweit die Beschwerdeführerin im Verfahren vorbrachte, dass ihr in Syrien eine Zwangsverheiratung drohe, so ist ihr auch diesbezüglich entgegenzuhalten, dass es keine konkrete Bedrohung gegeben hat. Insbesondere konnte sie sich in der mündlichen Verhandlung nicht erinnern, dass sie ein solches Vorbringen erstattet hatte vergleiche Verhandlungsschrift, Seite 14).

Die Beschwerdeführerin brachte zudem vor, dass sie Angst vor der syrischen Armee habe, weil sie Kurdin sei. Als sie in der mündlichen Verhandlung aufgefordert wurde, dies näher zu schildern, gab sie als Antwort „Ja, wir werden diskriminiert, weil wir keine Araber sind.“ (Verhandlungsschrift, Seite 14). Auf Nachfrage, ob sie auch eine konkrete Bedrohung befürchte, gab sie an, dass sie diese nur aufgrund der zuvor genannten Probleme mit ihren Geschwistern befürchte (Verhandlungsschrift, Seite 14). In diesem Zusammenhang wurde jedoch bereits oben ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien in ihre Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner realen Gefahr der Verfolgung durch das syrische Regime wegen der regimekritischen Äußerungen bzw. Wehrdienstverweigerung ihrer Geschwister ausgesetzt ist.

Auch eine Verfolgung aufgrund der Ausreise der Beschwerdeführerin bzw. einer ihr hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung ist laut Länderberichten unwahrscheinlich. Aus den Länderberichten ergibt sich auch nicht, dass jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird vergleiche auch VwGH 11.11.2020, Ra 2020/18/0147). Ebenso wenig genügt eine Asylantragstellung in Österreich für die Asylzuerkennung, weil die Antragstellung den syrischen Behörden nicht bekannt ist, zumal es den österreichischen Behörden untersagt ist, diesbezüglich Daten an die syrischen Behörden weiterzuleiten. Aus den Länderinformationen geht zwar hervor, dass es nach wie vor willkürliche Verhaftungen und andere Repressionen gegenüber Rückkehrern gibt und verschiedene Quellen immer wieder von derartigen Einzelfällen berichten. Allerdings lässt sich den Länderberichten nicht entnehmen, dass Rückkehrer per se als politisch oppositionell angesehen würden oder der weitaus überwiegende Teil aller Rückkehrer systematischen Repressionen ausgesetzt wäre. Ebenso wenig lässt sich den Länderinformationen entnehmen, dass Rückkehrer in Gebieten, die unter Kontrolle der kurdischen Selbstverteidigungseinheiten stehen, von diesen verübten systematischen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wären. Ein Eingriff in die psychische und/oder körperliche Unversehrtheit der Beschwerdeführerin allein aufgrund ihrer Ausreise und der Asylantragstellung im Ausland ist daher nicht wahrscheinlich.

Sonstige konkret ihre Person treffende Fluchtgründe brachte die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft vor. Vielmehr beschränkte sie ihr diesbezügliches Vorbringen auf die allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage. Daraus lässt sich aber keine individuelle Verfolgungsgefahr ableiten.

Abschließend kann in einer Gesamtschau eine aktuelle asylrelevante Verfolgungsgefahr der Beschwerdeführerin in Syrien nicht bejaht werden.

zu den Feststellungen zur Lage in Syrien

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten – den Parteien übermittelten – Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der Länderfeststellungen zu zweifeln, zumal die Beschwerdeführerin dazu auch nichts substantiiert Gegenteiliges vorgebracht hat. Dass die Sicherheits- und Versorgungslage insgesamt in Syrien – wie von der Beschwerdeführerin angeführt – angespannt ist, kann mit den oben getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht in Widerspruch gebracht werden.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

zu A)

zur Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 BGBl römisch eins 2005/100 in der Fassung BGBl römisch eins 2021/234 (im Folgenden: AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1955/55 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78 (im Folgenden: GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl L 2011/337, 9 [im Folgenden: Statusrichtlinie] verweist).

Flüchtling iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK in der Fassung des Artikel eins, Absatz 2, des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78) – deren Bestimmungen gemäß Paragraph 74, AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Unter "Verfolgung" im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen vergleiche bspw VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074 uva).

Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Artikel 9, der Statusrichtlinie, worunter – unter anderem – Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15, Absatz 2, der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl 1958/210 in der Fassung BGBl römisch III 2018/139 (im Folgenden: EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Artikel 2, EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Artikel 3, EMRK niedergelegte Verbot der Folter vergleiche VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083).

Im vorliegenden Fall ist eine konkret gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgung – wie bereits in der Beweiswürdigung näher dargestellt – nicht hervorgekommen.

In dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin Syrien aufgrund des Bürgerkrieges verlassen haben soll, liegt für sich allein betrachtet keine Verfolgungsgefahr iSd GFK vergleiche VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404).

Auch eine die Beschwerdeführerin treffende Verfolgung aufgrund bestimmter Eigenschaften kann nicht erkannt werden. Der Beschwerdeführerin droht in Syrien auch keine geschlechtsspezifische Verfolgung, und sie ist darüber hinaus nicht als alleinstehend anzusehen, da sie über ein ausreichendes familiäres Netzwerk in Syrien verfügt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden, sondern sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 uvm).

Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von (alleinstehenden) Frauen in Syrien haben sich keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle (alleinstehenden) Frauen gleichermaßen und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, konkreter und individueller physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein. Zwar ist den Länderberichten zu entnehmen, dass alleinstehende Frauen in Syrien aufgrund des Konflikts einem besonderen Risiko von Gewalt oder Belästigung ausgesetzt sind und in Haushalten mit weiblichem Haushaltsvorstand ein höheres Risiko besteht, sexueller Gewalt ausgesetzt zu sein, insbesondere für die Mädchen in diesen Familien. Eine systematische Verfolgung aller alleinstehender Frauen, ohne Hinzukommen weiterer konkreter und individueller Eigenschaften (wie fehlenden familiären Anknüpfungspunkten), kann diesen Länderberichten jedoch nicht entnommen werden. Die Beschwerdeführerin hat bis vor ihrer Ausreise in Syrien gelebt, ohne Bedrohungen ausgesetzt gewesen zu sein. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine ledige Frau, die über männliche Familienangehörige in Syrien (zumindest einen Onkel) verfügt. Aufgrund ihrer Ausbildung und Berufserfahrung in Syrien kann außerdem davon ausgegangen werden, dass sie – wie bereits vor ihrer Ausreise – in Syrien ihren Beruf ausüben und sich selbst erhalten kann. Wie festgestellt werden konnte, ist die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nicht schutzlos und kann von ihrer Familie unterstützt werden.

Den Länderinformationen ist ferner keine Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Kurden im Herkunftsgebiet der Beschwerdeführerin zu entnehmen. Es wird dabei keineswegs verkannt, dass nach den Länderinformationen die kurdische Volksgruppe Diskriminierungen ausgesetzt ist. Für die Annahme einer asylrelevanten Verfolgung aller Kurden bzw. aller kurdischen Frauen alleine aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit sind diese Umstände jedoch nicht ausreichend. Vielmehr lässt sich den Länderinformationen keine Gruppenverfolgung von Frauen in den Gebieten der Kurden im Nordosten Syriens entnehmen, zumal die Kurden einige Bemühungen in die Gleichstellung und den Schutz der Frauen investiert haben und daher von einer grundsätzlichen Schutzwillig- und -fähigkeit der kurdischen Autonomieregierung auszugehen ist. Der Beschwerdeführerin droht daher in Syrien keine Verfolgung aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit.

Schließlich droht der Beschwerdeführerin in Syrien, wie dargelegt, derzeit auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Angehörigeneigenschaft zu Regimekritikern oder ihrer Flucht und Asylantragstellung in Österreich konkrete und individuelle Gewalt.

Sonstige Anhaltspunkte für eine asylrelevante gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Bedrohung sind nicht hervorgekommen bzw. wurden solche von der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht.

Sohin kann insgesamt nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführerin – wie schon von der belangten Behörde zu Recht erkannt – im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung im Sinne des Paragraph 3, AsylG 2005 droht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2023:W256.2260934.1.00