Bundesverwaltungsgericht
13.12.2023
W123 2262242-1
W123 2262242-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Somalia, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2022, Zl. 1305090401/221338805, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 23.04.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, er sei in Somalia aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan der Midgan diskriminiert und beschimpft worden. Sie seien ausgegrenzt worden und hätten keine Teilhaber in der Gesellschaft sein dürfen. Sein Clan werde gehasst und verfolgt, sie dürften sich nicht mit anderen Clans vermischen. Er habe nicht mit gleichaltrigen Kindern spielen und nicht weiter die Schule besuchen dürfen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben.
3. Am 04.10.2022 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:
„[…]
Angaben zu Ihrem Fluchtgrund
F: Hatten Sie jemals persönliche Probleme aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, Ihres Religionsbekenntnisses, Ihrer Rasse, Ihrer Nationalität, aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen Ihrer politischen Überzeugung? Bitte die folgenden Fragen, vorerst nur mit ja oder nein beantworten.
A: Nein.
Nach erfolgter Rückübersetzung Antwort AW: Ja.
F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie persönlich zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!
A: Ich habe meine Heimat verlassen, wegen persönlichen Gründen. Es war Anfang Oktober 2019. Dort ging mein Vater ganz normal zur Arbeit. Einige Mitglieder der Al Shabaab sind zu meinem Vater gekommen. Einer der Al Shabaab Mitglieder hatte meinen Vater aufgefordert, dass er seine Tochter (meine Schwester) heiraten möchte. Mein Vater hat gesagt: „Nein, das ist meine einzige Tochter. Sie ist klein und sie geht noch zur Schule.“ Mein Vater versuchte diesem Mitglied der Al Shabaab zu erklären. Dieses Mitglied der Al Shabaab wollte unbedingt meine Schwester heiraten. Er sagte, er würde morgen nochmals kommen, er solle gut überlegen. Am nächsten Tag sind wieder einige Mitglieder der Al Shabaab gekommen. Die Mitglieder der Al Shabaab fragten meinen Vater, welche Entscheidung er nun getroffen hat. Mein Vater hat nicht geantwortet. Auf ihn wurde dann geschossen. Meine Mutter hat dann einen Anruf erhalten. Dieser Anrufer hat meiner Mutter mitgeteilt, dass mein Vater getötet wurde. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich zu meinem Vater. Meine Mutter hat jedoch gesagt, dass ich zu Hause bleiben muss, weil mein Vater getötet worden ist. Einige Stunden später hat man uns die Leiche von meinem Vater zu uns nach Hause gebracht. Wir haben ihn beerdigt. Die Mitglieder der Al Shabaab haben dann erfahren, dass mein Vater einen Sohn (mich) hat. 2 Tage später hat meine Mutter dann einen Anruf von den Al Shabaab erhalten. Dieser sagte, dass die Mitglieder der Al Shabaab in 2 Tagen kommen werden und ich zu Hause sein muss. Meine Mutter hatte dann große Angst und hat mich dann zur Tante väterlicherseits gebracht. Nach 2 Tagen sind die Mitglieder der Al Shabaab zu uns nach Hause gekommen. Als ich nicht zu Hause war, haben sie meine Mutter und meine Schwester bedroht. Sie sagen, dass ich mich den Al Shabaab anschließen muss und haben meine Schwester entführt und 3 Wochen eingesperrt. Die Gründe, weshalb sie meine Schwester entführt haben war, weil ich mich den Al Shabaab anschließen sollte. Dann würden sie meine Schwester frei lassen. Eines Tages bin ich dann nach Hause gekommen um meine Sachen zu holen. Es kamen Mitglieder der Al Shabaab in unser Haus. Sie haben mich gesucht. Ich habe mich versteckt und sie haben mich nicht gefunden. Sie sind dann gegangen. Ich wollte dann das Haus verlassen. Als ich hinaus gegangen bin, hat einer der Al Shabaab auf mich geschossen. Ich bin weggelaufen. Dann bin ich zu meiner Tante väterlicherseits gegangen und habe mich versteckt. Die Al Shabaab haben dann meine Schwester frei gelassen. Ich war 5 Monate bei meiner Tante versteckt. Ich ging nicht aus dem Haus. Ich war nur im Haus. Die Mitglieder der Al Shabaab haben dann meine Mutter angerufen und gesagt, dass sie mich töten, wenn sie mich finden. Danach hat meine Mutter und meine Tante die Entscheidung getroffen. Dass ich Somalia verlassen muss. Ich bin dann Baladweyn Richtung Mogadischu mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gereist. Ich war dann 1 Nacht in Mogadischu, dann bin ich mit dem Schlepper zum Flughafen und in die Türkei ausgereist.
[…]
Vorhalt: Sie erwähnten die Geschichte mit Ihrem Vater in der Erstbefragung mit keinem Wort. Auch die Al Shabaab haben Sie dort nicht erwähnt. Sie gaben einen anderen Fluchtgrund damals an. Auch gaben Sie heute in der Einvernahme anfangs an, dass das Erstbefragungsprotokoll zur Gänze stimmt und es keine Fehler gibt. Erklären Sie mir dies!
A: Als ich nach Österreich gekommen bin, waren wir mehrere Asylwerber. Wir waren 2 Tage im Polizeirevier. Ich habe damals die Diskriminierung erwähnt. Ich habe das auch mit meinem Vater erwähnt. Dies hat man aber nicht geschrieben aufgrund von Zeitmangel.
F: Hatten Sie heute genug Zeit alles zu schilden?
A: Ja. Ich möchte noch meine Diskriminierung erwähnen.
F: Weshalb haben Sie dies nicht erwähnt, als ich Sie fragte:
Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie persönlich zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!? Sie erwähnen die Fluchtgeschichte mit der Diskriminierung erst, seit ich Sie auf die Erstbefragung aufmerksam machte. Weshalb?
A: Ich wollte beide Fluchtgründe erwähnen. Erst wollte ich das mit meinem Vater erwähnen. Dann wollte ich die Diskriminierung mitteilen.
F: Dann bitte schildern Sie mir den 2. Fluchtgrund genau und detailliert!
A: Ich bin ein Angehöriger eines Minderheitenclans. Ich bin nur 2 Jahre zur Schule gegangen, aufgrund meines Clans. Eines Tages 2019 habe ich mich in ein Mädchen verliebt. Sie ist Angehöriger des angesehenen Clans Galjeiel. Wir hatten eine Beziehung und hatten auch Geschlechtsverkehr. Sie wurde schwanger und die Eltern habe die Schwangerschaft erfahren. Sie haben erfahren, dass ich der Vater bin. Meine Geliebte ist spurlos verschwunden. Ihre Eltern haben ihre Tochter gesucht und sind zu mir nach Hause gekommen. Sie haben mir gedroht, dass ich sagen muss wo meine Geliebte ist oder sie werden mich umbringen. Ich hatte Angst und blieb nur noch zu Hause. Dieser und der Vorfall der Al Shabaab waren im Oktober 2019.
Vorhalt: Sie haben dies mit einer Geliebten auch nie in der Erstbefragung erwähnt. Weshalb?
A: Man hat mich gefragt, weshalb ich die Heimat verlassen habe, ich habe nur meine Diskriminierung gesagt. Man hat mir nicht die Möglichkeit gegeben welche Art von Diskriminierung. Es war nicht viel Zeit. Ich habe abgekürzt.
F: Sind das alle Fluchtgründe?
A: Das war alles. Ich habe nichts mehr hinzuzufügen.
[…]“
4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
5. Gegen den Spruchpunkt römisch eins. des obgenannten Bescheides der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 07.11.2022, in der der Beschwerdeführer einleitend seine bisherigen Angaben zusammenfasste und weiters vorbrachte, die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt und unvollständige sowie teilweise oberflächliche Länderfeststellungen getroffen. Außerdem sei eine ganzheitliche Würdigung seines Vorbringens unterblieben und der geschilderte Sachverhalt aufgrund eines unzureichend ermittelten Sachverhalts als nicht asylrelevant beurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei vom Clan Galjeiel bedroht worden und wäre der Gefahr der Zwangsrekrutierung oder Tötung durch die Al Shabaab ausgesetzt, wobei keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe und auch der somalische Staat nicht in der Lage oder willens sei, den Beschwerdeführer zu schützen.
6. Am 15.11.2023 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Gründen für die Ausreise aus Somalia befragt wurde. Seine Rechtsvertretung wurde darauf hingewiesen, dass die aktuelle Länderinformation der Staatendokumentation Somalia der Entscheidung zugrunde gelegt wird, wobei diese unter Verweis auf den Beschwerdeschriftsatz auf die Abgabe einer Stellungnahme dazu verzichtete.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein somalischer Staatsangehöriger und Moslem. Er gehört dem Clan der Gabooye/Midgan, Subclan Muuse Dheriye an, spricht Somali und stammt aus der Stadt Baladweyne in der Region Hiiran.
1.1.2. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er bei einer allfälligen Rückkehr nach Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre bzw. ein besonderes Interesse an der Person des Beschwerdeführers besteht bzw. bestehen könnte.
Der Beschwerdeführer konnte insbesondere nicht glaubhaft machen, dass er oder seine Familie Probleme mit der Al Shabaab gehabt habe oder er vor seiner Ausreise heimlich eine Beziehung mit einer dem Mehrheitsclan der Galjeiel zugehörige Frau geführt habe und von deren Familie bedroht worden sei. Der Beschwerdeführer konnte ferner nicht glaubhaft machen, dass er im Fall der Rückkehr nach Somalia einer individuellen Gefährdung durch die Familie seiner „Freundin“ oder die Al Shabaab unterliege.
Der Beschwerdeführer konnte außerdem nicht glaubhaft machen, dass er persönlich wegen seiner Clanzugehörigkeit sonstigen Bedrohungen ausgesetzt gewesen sei oder solche im Fall seiner Rückkehr zu befürchten haben.
1.2. Zum Herkunftsstaat:
Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Letzte Änderung 2023-03-15 08:12
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2023). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, wird die Lage über die Kontrolle geringer Teilgebiete von Puntland von al Shabaab beeinflusst - und in noch geringeren Teilen vom Islamischen Staat in Somalia - während es hauptsächlich an Clandifferenzen liegt, wenn Puntland tatsächlich keinen Zugriff auf gewisse Gebiete hat. In Süd-/Zentralsomalia ist die Situation noch viel komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (BMLV 9.2.2023).
PGN 23.1.2023
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2023-03-15 09:58
Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 1.9.2022, Absatz 15 ;, vergleiche BS 2022, Sitzung 38), mit durchschnittlich 227 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Monat (Zeitraum Mai-Juli 2022). Die meisten Vorfälle gingen auf das Konto von al Shabaab. Die Angriffe der Gruppe richten sich in erster Linie gegen somalische Sicherheitskräfte und ATMIS. Dabei werden Angriffe vorwiegend mit improvisierten Sprengsätzen und sogenannten hit-and-run-Angriffen durchgeführt. Am meisten betroffen von Aktivitäten der al Shabaab waren zuletzt Mogadischu, Lower Shabelle und Bay (UNSC 1.9.2022, Absatz 15,) und im Zusammenhang mit der Offensive auch Middle Shabelle, Mudug, Galgaduud und Hiiraan (BMLV 9.2.2023). Die österreichische Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einem bewaffneten Konflikt (ÖB 11.2022, Sitzung 2), während das deutsche Auswärtige Amt von Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Zuständen in vielen Teilen Süd-/Zentralsomalias berichtet (AA 28.6.2022, Sitzung 5/9). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (ÖB 11.2022, Sitzung 2).
[…]
HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle)
Letzte Änderung 2023-03-15 15:42
Die Macht der Regierung von HirShabelle reicht in alle Gebiete östlich des Shabelle und jedenfalls die Regionalhauptstädte Jowhar und Belet Weyne (BMLV 7.7.2022). Die Macawiisley haben beeindruckende Erfolge gegen al Shabaab erzielt und die Gruppe weitgehend aus den östlichen Teilen von Hiiraan und Middle Shabelle verdrängt. Erstmals seit Jahren ist auch die Straßenverbindung von Mogadischu über Jowhar bis Belet Weyne nutzbar, obwohl einzelne Anschläge weiterhin nicht ausgeschlossen werden können. Generell hat sich die Lage in Ost-Hiiraan und in Middle Shabelle verbessert. Hier sind in weiten Gebieten auch Bewegungen zwischen den Orten möglich (BMLV 9.2.2023).
Hiiraan: Belet Weyne, Buulo Barde und Jalalaqsi befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS (PGN 23.1.2023). Die beiden erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Im Nordwesten Hiiraans ist al Shabaab nur in geringer Stärke präsent. Vor allem der Bereich entlang der somalisch-äthiopischen Grenze ist aktuell als sicher anzusehen (BMLV 9.2.2023). Gemäß Regierungsangaben haben die Hawadle in Hiiraan alle Teile ihres Clangebiets von al Shabaab zurückerobert (TEC 3.11.2022). Nur noch das südwestliche Hiiraan befindet sich unter Kontrolle von al Shabaab – vor allem die Gebiete westlich der Straße Jalalaqsi – Buulo Barde. Allerdings ist die Kontrolle über kleinere Orte entlang der Hauptverbindungsroute zwischen Jalalaqsi und Belet Weyne ungewiss (PGN 23.1.2023). Nach anderen Angaben kontrolliert al Shabaab entlang der Hauptverbindungsroute keine Orte mehr, ist aber westlich des Shabelle noch präsent und versucht, den Fluss für Aktionen am Ostufer regelmäßig zu überschreiten. Bislang konnte dies durch Macawiisley und regionale Kräfte meist unterbunden werden (BMLV 9.2.2023).
Bereits im Juni 2022 war die Miliz der Macawiisley - teils gemeinsam mit Regierungskräften - gegen al Shabaab aktiv, etwa bei der Übernahme des Ortes Jiraacle (ACLED 23.6.2022). Dies war der Auftakt zur späteren großen Offensive gegen al Shabaab (BMLV 9.2.2023). Immer wieder wehrten sich lokale Clans gegen gegen die Gruppe. So töteten z.B. Hawadle / Ali Madaxweyne bei einem Racheangriff mehr als ein Dutzend Kämpfer der al Shabaab, nachdem diese zuvor einen Clanältesten getötet hatte (ACLED 9.6.2022). Anfang September 2022 kam es im Bereich Celey (Maxaas) zu schweren Kämpfen zwischen lokalen Anti-al-Shabaab-Milizen und al Shabaab. Dabei wurde auch Artillerie eingesetzt. Mindestens zehn Menschen wurden getötet (HO 7.9.2022). In der Folge hat al Shabaab die Angriffe auf Zivilpersonen in Hiiraan und im benachbarten Galmudug intensiviert (BAMF 5.9.2022). Die Gruppe führt einen Krieg der verbrannten Erde: Dörfer wurden niedergebrannt, Brunnen und Telekommunikationsanlagen zerstört, entlang von wichtigen Straßen Sprengfallen angebracht und Zivilisten willkürlich ermordet (Sahan 7.9.2022). Im August 2022 hat al Shabaab im Bereich von Maxaas sieben Dörfer niedergebrannt. Zudem wurden Brunnen und Telekommunikationsmasten zerstört. Die Taten richteten sich gegen die Hawadle (GN 8.8.2022). Anfang September 2022 griff al Shabaab bei Maxaas einen mit Nahrungsmitteln beladenen Konvoi an. Mindestens zehn, nach anderen Angaben mindestens 22 Menschen wurden dabei getötet und sieben Fahrzeuge zerstört (BAMF 5.9.2022; vergleiche HO 7.9.2022). Bis Ende 2022 hatten die Macawiisley (Hauptträger des Kampfes) gemeinsam mit Regierungstruppen al Shabaab aus allen Teilen östlich des Shabelle verdrängt (BMLV 9.2.2023).
In Belet Weyne ist die Sicherheitslage unverändert vergleichsweise stabil, es kommt nur sporadisch zu Gewalt oder Attacken der al Shabaab. In der Stadt befinden sich das Regionalkommando der Bundesarmee sowie Stützpunkte dschibutischer ATMIS-Truppen und der äthiopischen Armee (BMLV 9.2.2023). Zusätzlich gibt es einzelne Polizisten und Teile einer Formed Police Unit von ATMIS (BMLV 9.2.2023; vergleiche AMISOM 23.2.2021). Zudem gibt es eine relativ starke Bezirksverwaltung und lokal rekrutierte Polizeikräfte. Clankonflikte werden nicht in der Stadt, sondern mehrheitlich außerhalb ausgetragen. Die in Belet Weyne vorhandene Präsenz der al Shabaab scheint kaum relevant (BMLV 9.2.2023). Allerdings kam es am 23.3.2022 zu zwei schweren Anschlägen der Gruppe. Dabei wurden 50 Menschen getötet und 106 verletzt. Bereits im Feber 2022 waren bei einem Anschlag auf eine Wahlveranstaltung in Belet Weyne mindestens 18 Menschen getötet worden (UNSC 13.5.2022, Absatz 17 f, f,). Anfang Oktober 2022 führte al Shabaab in Belet Weyne einen dreifachen Sprengstoffanschlag gegen einen Militärstützpunkt und das Hauptquartier der Lokalregierung durch. Dabei wurden mehr als 20 Personen getötet, darunter der Vizegouverneur von Hiiraan und der Gesundheitsminister der Region (VOA 3.10.2022).
[…]
Wehrdienst und Rekrutierungen (durch den Staat und Dritte)
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2022-07-26 09:37
Die somalische Armee ist eine Freiwilligenarmee (BMLV 19.7.2022). Es gibt keinen verpflichtenden Militärdienst. Allerdings rekrutieren Clans regelmäßig – und teils unter Androhung von Zwangsmaßnahmen für die Familie – junge Männer zum Dienst in einer Miliz, bei den staatlichen Sicherheitskräften oder bei al Shabaab. Dadurch soll für den eigenen Clan oder Subclan Schutz erlangt werden (AA 28.6.2022, Sitzung 16).
(Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten
Letzte Änderung 2023-03-17 08:09
Kindersoldaten: Allen Konfliktparteien wird vorgeworfen, Kinder zu rekrutieren (BS 2022, Sitzung 19). Im Jahr 2021 gab es immer wieder Berichte über den Einsatz von Kindersoldaten durch die Bundesarmee, alliierte Milizen, die Sufi-Miliz Ahlu Sunna Wal Jama’a (ASWJ) und al Shabaab (USDOS 12.4.2022, Sitzung 16). Im ersten Halbjahr 2021 sind 631 Kinder rekrutiert und eingesetzt worden; weitere 348 wurden entführt - oft mit dem Ziel einer Rekrutierung. Für 77 % der Fälle zeichnet al Shabaab verantwortlich (UNSC 6.10.2021). Dahingegen waren im Vergleichszeitraum 2020 insgesamt 535 Kinder rekrutiert worden, mehr als 400 davon durch al Shabaab. Im Jahr 2019 waren noch 1.169 durch al Shabaab rekrutiert worden, 2018 waren es 2.300 (UNSC 28.9.2020, Absatz 137 f,). Die Regierung versucht der Rekrutierung von Kindern durch die Armee mit Ausbildungs- und Screening-Programmen entgegenzuwirken. Der Umstand, dass es keine Geburtenregistrierung gibt, macht diese Arbeit schwierig (USDOS 12.4.2022, Sitzung 16f).
Generell wird festgestellt, dass immer dann, wenn aktive Kampfhandlungen zunehmen, in der Vergangenheit ein damit verbundener Anstieg bei der Rekrutierung von Kindern zu verzeichnen war (UNSC 6.10.2021). Gerade in umkämpften Gebieten ist wiederholt eine besonders hohe Zahl an Rekrutierungen zu verzeichnen (AA 28.6.2022, Sitzung 17).
Kindersoldaten - al Shabaab: Al Shabaab ist weniger an die Rekrutierung Erwachsener als an der Rekrutierung von 8-12-jährigen Kindern interessiert. Diese sind leichter zu indoktrinieren und formbarer (Sahan 6.5.2022). Al Shabaab rekrutiert und entführt auch weiterhin Kinder (UNSC 10.10.2022, Absatz 127 ;, vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 6; HRW 13.1.2022). Alleine im Zeitraum Jänner bis März 2022 sind 177 derartige Fälle bekannt (UNSC 10.10.2022, Absatz 127,). Die Gruppe entführt systematisch Kinder von Minderheitengruppen (BS 2022, Sitzung 19). Al Shabaab führt u. a. Razzien gegen Schulen, Madrassen und Moscheen durch (USDOS 12.4.2022, Sitzung 17). Es gibt Berichte über Gruppenentführungen aus Madrassen heraus. So sind etwa bei zwei Vorfällen in Bay und Hiiraan im ersten Halbjahr 2021 insgesamt 35 Buben entführt und zwangsrekrutiert worden (UNSC 6.10.2021). Außerdem indoktriniert und rekrutiert al Shabaab Kinder gezielt in Schulen (USDOS 12.4.2022, Sitzung 17; vergleiche UNSC 6.10.2021; ÖB 11.2022, Sitzung 6). Al Shabaab betreibt eigene Schulen mit eigenem Curriculum. Die besten Schüler werden einer höheren Bildung zugeführt, während der große Rest in Ausbildungslager der Gruppe gebracht wird (VOA 16.11.2022).
Manchmal werden Clanälteste bedroht und erpresst, damit Kinder an die Gruppe abgegeben werden (USDOS 12.4.2022, Sitzung 17). Es wird mitunter auch Gewalt angewendet, um von Gemeinden und Ältesten junge Rekruten zu erpressen (BS 2022, Sitzung 19). In den Gebieten unter ihrer Kontrolle verlangt al Shabaab von Familien, dass sie einen oder zwei ihrer Buben in ihre Ausbildungslager schicken. Familien, die sich weigern, müssen mit Bußgeldern rechnen; manchmal werden sie auch mit Strafverfolgung oder Schlimmerem bedroht. Manche Familien schicken ihre Buben weg, damit sie einer Rekrutierung entgehen (Sahan 6.5.2022). Knapp die Hälfte der Kinder wird mittels Gewalt und Entführung rekrutiert, die andere durch Überzeugung der Eltern, Ältesten oder der Kinder selbst (AA 28.6.2022, Sitzung 17). Die Methoden unterscheiden sich jedenfalls. So wurde beispielsweise ein Fall dokumentiert, wo im Gebiet um Xudur (Bakool) al Shabaab in manchen Dörfern die „freiwillige“ Übergabe von Kindern zwischen 12 und 15 Jahren forderte, während in anderen Dörfern Kinder zwangsweise rekrutiert wurden. Zudem sind Clans unterschiedlich stark betroffen. So berichten etwa die Hadame [Rahanweyn], dass immer wieder Kinder von al Shabaab zwangsrekrutiert worden sind - z.B. im Feber 2021 (UNSC 6.10.2021). Insgesamt bleibt die freiwillige oder Zwangsrekrutierung von Kindern aber unüblich und hauptsächlich auf jene Gebiete beschränkt, wo al Shabaab am stärksten ist (Sahan 6.5.2022). Nach Angaben einer Quelle entführt al Shabaab aber systematisch Kinder von Minderheitengruppen. Auch Mädchen werden für Zwangsehen mit Al-Shabaab-Kämpfern entführt (ÖB 11.2022, Sitzung 6).
Aus Lagern oder anderen Einrichtungen der al Shabaab können Kinder nur mit Schwierigkeit entkommen. Die Kinder sind dort brutalem physischen und psychischen Stress ausgesetzt, die der Folter nahekommen; sie sollen gebrochen werden (Sahan 6.5.2022). In Lagern werden Kinder einer grausamen körperlichen Ausbildung unterzogen. Sie erhalten keine adäquate Verpflegung, dafür aber eine Ausbildung an der Waffe, physische Strafen und religiöse Indoktrination. Kinder werden gezwungen, andere Kinder zu bestrafen oder zu exekutieren. Eingesetzt werden Kinder etwa als Munitions- und Versorgungsträger, zur Spionage, als Wachen; aber auch zur Anbringung von Sprengsätzen, in Kampfhandlungen und als Selbstmordattentäter (USDOS 12.4.2022, Sitzung 17). Mädchen werden auf eine Ehe vorbereitet, manchmal aber auch auf Selbstmordmissionen. Armeeeinheiten - wie Danab - haben immer wieder Operationen unternommen, um Kinder aus solchen Ausbildungslagern zu befreien (6.5.2022 Sahan).
Manchmal werden Kinder aus den Händen der al Shabaab befreit, so etwa durch Sicherheitskräfte im August 2020, als 33 Buben aus einer Madrassa in Kurtunwareey (Lower Shabelle) befreit wurden. Alle Kinder wurden mit ihren Eltern wiedervereint (UNSC 13.11.2020, Absatz 46,).
(Zwangs-)Rekrutierung: Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia (ÖB 11.2022, Sitzung 6). Die meisten Rekruten stammen aus ländlichen Gebieten – v. a. in Bay und Bakool. Bei den meisten neuen Rekruten handelt es sich um Kinder, die das Bildungssystem der al Shabaab durchlaufen haben, was wiederum ihre Loyalität zur Gruppe fördert (HI 12.2018, Sitzung 1). Etwa 40 % der Fußsoldaten von al Shabaab stammen aus den Regionen Bay und Bakool (Marchal 2018, Sitzung 107). Die Mirifle (Rahanweyn) konstituieren hierbei eine Hauptquelle an Fußsoldaten (EASO 9.2021c, Sitzung 18). Bei den meisten Fußsoldaten, die aus Middle Shabelle stammen, handelt es sich hingegen um Angehörige von Gruppen mit niedrigem Status, z. B. Bantu (Ingiriis 2020). Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen (Sahan 30.9.2022).
Direkter Zwang wird bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet (Ingiriis 2020), jedenfalls nicht strategisch und nur eingeschränkt oder unter spezifischen Umständen (Marchal 2018, Sitzung 92). Alle Wehrfähigen bzw. militärisch Ausgebildeten innerhalb eines Bereichs auf dem von al Shabaab kontrollierten Gebiet sind als territoriale „Dorfmiliz“ verfügbar und werden als solche auch eingesetzt, z.B. bei militärischen Operationen im Bereich oder zur Aufklärung (BMLV 9.2.2023). Wenn al Shabaab ein Gebiet besetzt, dann verlangt es von lokalen Clanältesten die Zurverfügungstellung von bis zu mehreren Dutzend – oder sogar hundert – jungen Menschen oder Waffen (Marchal 2018, Sitzung 105). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen aber oft um eine Mischung aus Druck oder Drohungen und Anreizen (FIS 7.8.2020, Sitzung 18; vergleiche ICG 27.6.2019, Sitzung 2). Knapp ein Drittel der in einer Studie befragten al Shabaab-Deserteure gab an, dass bei ihrer Rekrutierung Drohungen eine Rolle gespielt haben. Dies kann freilich insofern übertrieben sein, als Deserteure dazu neigen, die eigene Verantwortung für begangene Taten dadurch zu minimieren (Khalil 1.2019, Sitzung 14). Al Shabaab agiert sehr situativ. So kommt Zwang etwa zur Anwendung, wenn die Gruppe in einem Gebiet nach einem verlustreichen Gefecht schnell die Reihen auffüllen muss (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 36/40). Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab (BMLV 9.2.2023; vergleiche FIS 7.8.2020, Sitzung 17f). Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)rekrutierung zu entziehen (BMLV 9.2.2023). Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z. B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM bzw. ATMIS oder die Regierung äußern (EASO 9.2021c, Sitzung 21).
Manche Mitglieder von al Shabaab rekrutieren auch in ihrem eigenen Clan (Ingiriis 2020). Von al Shabaab rekrutiert zu werden bedeutet nicht unbedingt einen Einsatz als Kämpfer. Die Gruppe braucht natürlich z. B. auch Mechaniker, Logistiker, Fahrer, Träger, Reinigungskräfte, Köche, Richter, Verwaltungs- und Gesundheitspersonal sowie Lehrer (EASO 9.2021c, Sitzung 18).
Eine Rekrutierung kann viele unterschiedliche Aspekte umfassen: Geld, Clan, Ideologie, Interessen – und natürlich auch Drohungen und Gewalt (EASO 9.2021c, Sitzung 21). Al Shabaab versucht, junge Männer durch Überzeugungsarbeit, ideologische und religiöse Beeinflussung und finanzielle Versprechen anzulocken. Jene, die arbeitslos, arm und ohne Aussicht sind, können, trotz fehlendem religiösem Verständnis, auch schon durch kleine Summen motiviert werden. Für manche Kandidaten spielen auch Rachegefühle gegen Gegner von al Shabaab eine Rolle (FIS 7.8.2020, Sitzung 17; vergleiche Khalil 1.2019, Sitzung 33). Bei manchen spielt auch Abenteuerlust eine Rolle (Khalil 1.2019, Sitzung 33). Etwa zwei Drittel der Angehörigen von al Shabaab sind der Gruppe entweder aus finanziellen Gründen beigetreten, oder aber aufgrund von Kränkungen in Zusammenhang mit Clan-Diskriminierung oder in Zusammenhang mit Misshandlungen und Korruption seitens lokaler Behörden (Felbab 2020, Sitzung 120f). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 52 % der höheren Ränge der Gruppe aus religiösen Gründen beigetreten waren, bei den Fußsoldaten waren dies nur 15 % (Botha 2019). Ökonomische Anreize locken insbesondere Jugendliche, die oft über kein (regelmäßiges) Einkommen verfügen (SIDRA 6.2019a, Sitzung 4). Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen von al Shabaab, welche höherbewertete Aufgaben versehen (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent (Khalil 1.2019, Sitzung 16). Nach neueren Angaben verdienen Fußsoldaten und niedrige Ränge 60-100 US-Dollar, Finanzbedienstete z. B. 250 US-Dollar im Monat (UNSC 10.10.2022, Absatz 52,). Gemäß somalischen Regierungsangaben erhalten neue Rekruten 30 US-Dollar im Monat, ein ausgebildeter Fußsoldat oder ein Fahrer 70 US-Dollar; den höchsten Sold erhält demnach mit 25.000 US-Dollar der Emir selbst (FGS 2022, Sitzung 99). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 84 % der Fußsoldaten und 31 % der höheren Ränge überhaupt nicht bezahlt worden sind (Botha 2019).
Im Übrigen ist auch die Loyalität von al Shabaab ein Anreiz. Während die Regierung kriegsversehrten Soldaten keinerlei Unterstützung zukommen lässt, sorgt al Shabaab für die Hinterbliebenen gefallener Kämpfer (FIS 7.8.2020, Sitzung 17). Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab auch die Möglichkeit einer Rache an Angehörigen anderer Clans (Khalil 1.2019, Sitzung 14f; vergleiche EASO 9.2021c, Sitzung 20). Für Angehörige marginalisierter Gruppen bietet der Beitritt zu al Shabaab zudem die Möglichkeit, sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern (FIS 5.10.2018, Sitzung 34). Auch die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet (USDOS 12.4.2022, Sitzung 42f). So z. B. bei somalischen Bantu, wo Mischehen mit somalischen Clans oft Tabu sind. Al Shabaab hat aber eben diese Mitglieder dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von starken somalischen Clans – etwa den Hawiye oder Darod – zu heiraten (Ingiriis 2020).
Verweigerung: Üblicherweise richtet al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Diese "Vorschreibung" - also wieviele Rekruten ein Dorf, ein Gebiet oder ein Clan stellen muss - erfolgt üblicherweise jährlich, und zwar im Zuge der Vorschreibung anderer jährlicher Abgaben. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer, denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden. Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens (BMLV 9.2.2023). Eltern versuchen, durch Geldzahlungen die Rekrutierung ihrer Kinder zu verhindern (UNSC 10.10.2022, Absatz 127,). Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus von al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BMLV 9.2.2023).
Sich einer Rekrutierung zu entziehen ist möglich, aber nicht einfach. Die Flucht aus von al Shabaab kontrolliertem Gebiet gestaltet sich mit Gepäck schwierig, eine Person würde dahingehend befragt werden (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 18). Trotzdem schicken Eltern ihre Kinder mitunter in von der Regierung kontrollierte Gebiete – meist zu Verwandten (UNSC 10.10.2022, Absatz 127,).
Es besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht. Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BMLV 9.2.2023). Ein Experte erklärt, dass eine einfache Person, die sich erfolgreich der Rekrutierung durch al Shabaab entzogen hat, nicht dauerhaft und über weite Strecken hin verfolgt wird (ACCORD 31.5.2021, Sitzung 40). Stellt allerdings eine ganze Gemeinde den Rekrutierungsambitionen von al Shabaab Widerstand entgegen, kommt es mitunter zu Gewalt (BMLV 9.2.2023; vergleiche UNSC 28.9.2020, Annex 7.2).
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Minderheiten und Clans
Letzte Änderung 2023-03-17 08:31
Zu Clanschutz siehe auch Kapitel Rechtsschutz / Justizwesen
Der Clan ist die relevanteste soziale, ökonomische und politische Struktur in Somalia. Er bestimmt den Zugang zu Ressourcen sowie zu Möglichkeiten, Einfluss, Schutz und Beziehungen (SPC 9.2.2022). Dementsprechend steht Diskriminierung in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke haben (AA 28.6.2022, Sitzung 11). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2022, Sitzung 10). Selbst relative starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (Sahan 30.9.2022).
Clanälteste dienen als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft. Sie werden nicht einfach aufgrund ihres Alters gewählt. Autorität und Führungsposition werden verdient, nicht vererbt. Ein Clanältester repräsentiert seine Gemeinschaft, ist ihr Interessenvertreter gegenüber dem Staat. Innerhalb der Gemeinschaft dienen sie als Friedensstifter, Konfliktvermittler und Wächter des Xeer. Bei Streitigkeiten mit anderen Clans ist der Clanälteste der Verhandler. Al Shabaab installiert oft Älteste, welche die Gruppe repräsentieren. Er wird so zum Bindeglied zwischen der Gemeinschaft und al Shabaab. So werden zuvor legitime Strukturen in Geiselhaft genommen (Sahan 26.10.2022).
In ganz Somalia sehen sich Menschen, die keinem der großen Clans angehören, in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 56) und für ökonomische sowie politische Partizipation (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 56; vergleiche BS 2022, Sitzung 23). Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2022, Sitzung 23). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UNOCHA 14.3.2022).
Recht: Die Übergangsverfassung und Verfassungen der Bundesstaaten verbieten die Diskriminierung und sehen Minderheitenrechte vor (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 56). Weder das traditionelle Recht (Xeer) (SEM 31.5.2017, Sitzung 42) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, Sitzung 42; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 4). Allerdings sind Angehörige von Minderheiten in staatlichen Behörden unterrepräsentiert und daher misstrauisch gegenüber diesen Einrichtungen (ÖB 11.2022, Sitzung 4). Von Gerichten Rechtsschutz zu bekommen, ist für Angehörige von Minderheiten noch schwieriger als für andere Bevölkerungsteile (FIS 7.8.2020, Sitzung 21). Auch im Xeer sind Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017, Sitzung 31). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige aber möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem andern Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, Sitzung 11). Aufgrund dieser Allianzen werden auch Minderheiten in das Xeer-System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya (Kompensationszahlung) bei (SEM 31.5.2017, Sitzung 33). Gemäß einer Quelle haben schwächere Clans und Minderheiten trotzdem oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen (LIFOS 1.7.2019, Sitzung 14).
Angehörige von Minderheiten stehen vor Hindernissen, wenn sie Identitätsdokumente erhalten wollen - auch im Falle von Reisepässen (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 58).
Politik: Politische Repräsentation, politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament sind um die verschiedenen Clans bzw. Subclans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren - und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel (ÖB 11.2022, Sitzung 3). Dies bedeutet, dass den vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zusteht, während kleinere Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze erhalten (ÖB 11.2022, Sitzung 3; vergleiche USDOS 12.4.2022, Sitzung 31f; FH 2022a, B4). Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 2022a, B4). Sie werden von relevanten politischen Posten ausgeschlossen und die wenigen Angehörigen von Minderheiten, die solche Posten halten, haben kaum die Möglichkeit, sich für ihre Gemeinschaften einzusetzen (SPC 9.2.2022). So ist also selbst die gegebene, formelle Vertretung nicht mit einer tatsächlichen politischen Mitsprache gleichzusetzen, da unter dem Einfluss und Druck der politisch mächtigen Clans agiert wird. Die 4.5-Formel hat bisher nicht zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan-bezogenen Gleichberechtigung beigetragen (ÖB 11.2022, Sitzung 4).
Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 12.4.2022, Sitzung 41; vergleiche AA 28.6.2022, Sitzung 14; FH 2022a, F4). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 28.6.2022, Sitzung 14). Zudem sind die Systeme gegenseitiger Unterstützung bei ihnen weniger gut ausgebaut, und sie verfügen über geringere Ressourcen (Sahan 24.10.2022) und erhalten weniger Remissen (Sahan 24.10.2022; vergleiche SPC 9.2.2022). Die mächtigen Gruppen erhalten den Löwenanteil an Jobs, Ressourcen, Verträgen, Remissen und humanitärer Hilfe. Schwache Gruppen erhalten wenig bis gar nichts. Bei der Hungersnot 1991 waren die meisten Hungertoten entweder Digil-Mirifle oder Bantu. Dies gilt auch für die Hungersnot im Jahr 2011. Ein Grund dafür ist, dass humanitäre Hilfe von mächtigeren Clans vereinnahmt wird (Sahan 24.10.2022). Dementsprechend stehen Haushalte, die einer Minderheit angehören, einem höheren Maß an Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung gegenüber. Meist sind Minderheitenangehörige von informeller Arbeit abhängig, und die allgemeinen ökonomischen Probleme haben u.a. die Nachfrage nach Tagelöhnern zurückgehen lassen. Dadurch sind auch die Einkommen dramatisch gesunken (UNOCHA 14.3.2022).
Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans - oft unter Duldung lokaler Behörden (USDOS 12.4.2022, Sitzung 41). In Mogadischu können sich Angehörige aller Clans frei bewegen und auch niederlassen. Allerdings besagt der eigene Clanhintergrund, in welchem Teil der Stadt es für eine Person am sichersten ist (FIS 7.8.2020, Sitzung 39).
Al Shabaab: Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt (BS 2022, Sitzung 19; vergleiche ÖB 11.2022 Sitzung 6). Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz – etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten (ICG 27.6.2019, Sitzung 7f). Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet (DI 6.2019, Sitzung 11; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 4). Al Shabaab hat sich die gesellschaftliche Benachteiligung von Gruppen zunutze gemacht (Sahan 24.10.2022). Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen (Sahan 30.9.2022). Fehlender Rechtsschutz auf Regierungsseite ist ein weiterer Grund dafür, dass Angehörige von Minderheiten al Shabaab beitreten (FIS 7.8.2020, Sitzung 21). Missstände treiben ganze Gemeinden in die Arme von al Shabaab. Sie suchen ein taktisches Bündnis – haben dabei aber keine dschihadistische Vision, sondern wollen ihre Rivalen ausstechen. Al Shabaab nimmt derartige Spannungen gerne auf und verwendet sie für eigene Zwecke (Sahan 30.9.2022). Aufgrund der (vormaligen) Unterstützung von al Shabaab durch manche Minderheiten kann es in Regionen, aus welchen al Shabaab gewichen ist, zu Repressalien kommen (ÖB 11.2022, Sitzung 4f).
Bevölkerungsstruktur
Letzte Änderung 2022-07-26 10:05
Somalia ist eines der wenigen Länder in Afrika, wo es eine dominante Mehrheitskultur und -Sprache gibt. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich innerhalb der traditionellen somalischen Clanstrukturen (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 56). Somalia ist nach Angabe einer Quelle ethnisch sehr homogen; allerdings sei der Anteil ethnischer Minderheiten an der Gesamtbevölkerung unklar (AA 28.6.2022, Sitzung 11/14). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85 % der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS 12.4.2022, Sitzung 40). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA 3.7.2018). Es gibt weder eine Konsistenz noch eine Verständigungsbasis dafür, wie Minderheiten definiert werden (UNOCHA 14.3.2022; vergleiche NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 44). Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6 % bis hin zu 33 %. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 44; vergleiche SEM, 31.5.2017, Sitzung 12). Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 18.4.2021, Sitzung 12). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, Sitzung 5).
Insgesamt ist das westliche Verständnis einer Gesellschaft im somalischen Kontext irreführend. Dort gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Zudem herrscht eine starke Tradition der sozialen Organisation abseits des Staates. Diese beruht vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Abstammungsgruppen. Seit dem Zusammenbruch des Staates hat sich diese soziale Netzwerkstruktur reorganisiert und verstärkt, um das Überleben der einzelnen Mitglieder zu sichern (BS 2022, Sitzung 34). Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, Sitzung 8).
Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, Sitzung 5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, "noble" Clanfamilien sind meist Nomaden:
● Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.
● Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.
● Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).
● Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.
● Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle sind eine weitere Clanfamilie (SEM 31.5.2017, Sitzung 10). Vor dem Bürgerkrieg der 1990er war noch auf sie herabgesehen worden. Allerdings konnten sie sich bald militärisch organisieren (BS 2020, Sitzung 9).
Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017, Sitzung 25). In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (FIS 7.8.2020, Sitzung 38ff).
Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017, Sitzung 5). Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, Sitzung 9). Zudem gewinnt die Mitgliedschaft in einer islamischen Organisation immer mehr an Bedeutung. Dadurch kann eine "falsche" Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden (BS 2022, Sitzung 25).
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation
Letzte Änderung 2023-03-17 08:32
Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung (SEM 31.5.2017, Sitzung 14ff). Sie sind somalischen Ursprungs, wurden aber von den traditionellen Clan-Lineages ausgeschlossen (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57). Im Gegensatz zu den „noblen“ Clans wird ihnen nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können (SEM 31.5.2017, Sitzung 14ff). Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57; vergleiche NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 45; SEM 31.5.2017, Sitzung 14ff) - etwa Jäger, Lederverarbeiter, Schuster, Friseure, Töpferinnen, traditionelle Heiler oder Hebammen (NLMBZ 1.12.2021, Sitzung 45). Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017, Sitzung 14ff). Ein anderer Sammelbegriff ist Midgan (UNHCR 22.12.2021, Sitzung 57).
Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017, Sitzung 43f). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LI 21.5.2019b, Sitzung 3).
Die berufsständischen Kasten werden zudem diskriminiert und als Bürger zweiter Klasse erachtet (BS 2022, Sitzung 9). Zu ihrer Diskriminierung trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (GIGA 3.7.2018; vergleiche SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z. B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff).
Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (SEM 31.5.2017, Sitzung 49).
Mischehe: In dieser Frage kommt es weiterhin zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 4). Aufgrund dieses teils starken sozialen Drucks (FH 2022a, G3) kommen Mischehen äußerst selten vor (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff; vergleiche FIS 5.10.2018, Sitzung 26). Diesbezüglich bestehen aber regionale Unterschiede: Im Clan-mäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden (ÖB 11.2022, Sitzung 4; vergleiche SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff). Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff). In Mogadischu sind Mischehen möglich (FIS 5.10.2018, Sitzung 26). Auch al Shabaab hat Hindernisse für Mischehen beseitigt, in ihren Gebieten kommt es zunehmend zu solchen Eheschließungen (ICG 27.6.2019, Sitzung 7f). Die Gruppe hat Fußsoldaten, die zu Gruppen mit niedrigem Status gehören, dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von "noblen" Clans (z. B. Hawiye, Darod) zu heiraten (Ingiriis 2020).
Eine Mischehe führt so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff). Trotzdem können diese Ehen negative Folgen für die Ehepartner mit sich bringen – insbesondere, wenn der Mann einer Minderheit angehört (ÖB 11.2022, Sitzung 4). So kommt es häufig zur Verstoßung des aus einem "noblen" Clan stammenden Teils der Eheleute durch die eigenen Familienangehörigen. Letztere besuchen das Paar nicht mehr, kümmern sich nicht um dessen Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck (SEM 31.5.2017, Sitzung 44ff). Diese Art der Verstoßung kann vor allem in ländlichen Gebieten vorkommen. Eine Mischehe sorgt auf jeden Fall für Diskussionen und Getratsche, nach einer gewissen Zeit wird sie aber meist akzeptiert (FIS 5.10.2018, Sitzung 26).
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen - allgemein
Letzte Änderung 2023-03-17 08:44
Sowohl im Zuge der Anwendung der Scharia als auch bei der Anwendung traditionellen Rechtes sind Frauen nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden. Die Scharia wird ausschließlich von Männern angewendet, die oftmals zugunsten von Männern entscheiden (USDOS 12.4.2022, Sitzung 37/40). Zudem gelten die aus der Scharia interpretierten Regeln des Zivil- und Strafrechts. Entsprechend gelten für Frauen andere gesetzliche Maßstäbe als für Männer (z. B. halbe Erbquote). Insgesamt gibt es hinsichtlich der grundsätzlich diskriminierenden Auslegungen der zivil- und strafrechtlichen Elemente der Scharia keine Ausweichmöglichkeiten, diese gelten auch in Somaliland (AA 28.6.2022, Sitzung 18). Auch im Rahmen der Ausübung des Xeer haben Frauen nur eingeschränkt Einfluss. Verhandelt wird unter Männern, und die Frau wird üblicherweise von einem männlichen Familienmitglied vertreten (SPC 9.2.2022). Oft werden Gewalttaten gegen Frauen außerhalb des staatlichen Systems zwischen Clanältesten geregelt, sodass ein Opferschutz nicht gewährleistet ist (AA 28.6.2022, Sitzung 15).
Die von Männern dominierte Gesellschaft und ihre Institutionen gestatten es somalischen Männern, Frauen auszubeuten. Verbrechen an Frauen haben nur geringe oder gar keine Konsequenzen (SIDRA 6.2019b, Sitzung 6). Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt werden oft im Rahmen kollektiver Clanverantwortung abgehandelt. Viele solche Fälle werden nicht gemeldet. Weibliche Opfer befürchten, von ihren Familien oder Gemeinden verstoßen zu werden, sie fürchten sich z. B. auch vor einer Scheidung oder einer Zwangsehe. Anderen Opfern sind die formellen Regressstrukturen schlichtweg unbekannt (SPC 9.2.2022).
Gemäß einer aktuellen Studie zum Gender-Gap in Süd-/Zentralsomalia und Puntland verfügen Frauen dort nur über 50 % der Möglichkeiten der Männer – und zwar mit Bezug auf Teilnahme an der Wirtschaft; wirtschaftliche Möglichkeiten; Politik; und Bildung (SLS 6.4.2021). Der Salafismus stellt in Somalia das größte Hindernis für die Förderung von Frauen dar. Trotzdem wächst die Zahl an Polizistinnen und Soldatinnen, und auch in Behörden werden zunehmend Frauen angestellt (Sahan 9.9.2022).
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2023-03-17 08:50
Diskriminierung: Die Diskriminierung von Frauen ist gesetzlich verboten (USDOS 12.4.2022, Sitzung 40). Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär (AA 28.6.2022, Sitzung 17). Frauen werden in der somalischen Gesellschaft, in der Politik und in den Rechtssystemen systematisch Männern untergeordnet (LIFOS 16.4.2019, Sitzung 10; vergleiche USDOS 12.4.2022, Sitzung 40). Sie genießen nicht die gleichen Rechte und den gleichen Status wie Männer und werden diesen systematisch untergeordnet. Frauen leiden unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung, Politik und Unterbringung (USDOS 12.4.2022, Sitzung 40).
Andererseits ist es der Regierung gelungen, Frauenrechte etwas zu fördern: Immer mehr Mädchen gehen zur Schule, die Zahl an Frauen im öffentlichen Dienst wächst (ICG 27.6.2019, Sitzung 3). Frauen sind das ökonomische Rückgrat der Gesellschaft und mittlerweile oft die eigentlichen Brotverdiener der Familie (SIDRA 6.2019b, Sitzung 2). Daher ist es üblich, in einer Stadt wie Mogadischu Kleinhändlerinnen anzutreffen, die Khat, Gemüse oder Benzin verkaufen (TE 11.3.2019; vergleiche LIFOS 16.4.2019, Sitzung 11). Außer bei großen Betrieben spielen Frauen eine führende Rolle bei den Privatunternehmen. In Mogadischu und Bossaso gehören ca. 45 % aller formellen Unternehmen Frauen (WB 22.3.2022).
Politik: Viele traditionelle und religiöse Eliten stellen sich vehement gegen eine stärkere Beteiligung von Frauen am politischen Leben (AA 28.6.2022, Sitzung 18). Die eigentlich vorgesehene 30-%-Frauenquote für Abgeordnete im somalischen Parlament wird nicht eingehalten. Aktuell liegt diese bei 20 % (UNSC 13.5.2022, Absatz 2 ;, vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 12) im Unterhaus und 26 % im Oberhaus (14 von 54 Sitzen) (USDOS 12.4.2022, Sitzung 31; vergleiche ÖB 11.2022, Sitzung 12; UNSC 8.2.2022, Absatz 12,). In der neuen Regierung nehmen Frauen 10 Sitze ein, was einen Anteil von 13 % ausmacht (UNSC 1.9.2022, Absatz 9,).
[…]
Frauen - al Shabaab: In den von ihr kontrollierten Gebieten gelingt es al Shabaab, Frauen und Mädchen ein gewisses Maß an physischem Schutz zukommen zu lassen. Die Gruppe interveniert z. B. in Fällen häuslicher Gewalt (ICG 27.6.2019, Sitzung 2/6). Al Shabaab hat Vergewaltiger – mitunter zum Tode – verurteilt (USDOS 12.4.2022, Sitzung 37). Dies ist auch ein Grund dafür, warum es in den Gebieten der al Shabaab nur vergleichsweise selten zu Vergewaltigungen kommt (ICG 27.6.2019, Sitzung 6; vergleiche DI 6.2019, Sitzung 9).
Andererseits legen Berichte nahe, dass sexualisierte Gewalt von al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 28.6.2022, Sitzung 18). Die Zahl an Zwangs- und Frühehen durch al Shabaab hat zugenommen (UNSC 6.10.2021). Dabei zwingt al Shabaab Mädchen und Frauen im Alter von 14 bis 20 Jahren zur Ehe. Diese sowie deren Familien haben generell kaum eine Wahl. Solche Zwangsehen gibt es nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten (USDOS 12.4.2022, Sitzung 37). Nach anderen Angaben werden die meisten Ehen mit Mitgliedern der al Shabaab freiwillig eingegangen, auch wenn der Einfluss von Eltern und Clan sowie das geringe Alter bei der Eheschließung nicht gering geschätzt werden dürfen. Eine solche Ehe bietet der Ehefrau und ihrer Familie ein gewisses Maß an finanzieller Stabilität, selbst Witwen beziehen eine Rente (ICG 27.6.2019, Sitzung 8). Demgegenüber stehen Berichte, wonach viele Eltern ihre Töchter in Städte gebracht haben, um sie vor dem Zugriff durch al Shabaab in Sicherheit zu bringen (DI 6.2019, Sitzung 9).
Al Shabaab schränkt die Freiheit und die Möglichkeiten von Frauen auf dem Gebiet unter ihrer Kontrolle signifikant ein (TE 11.3.2019). Die Anwendung einer extremen Form der Scharia resultiert in einer entsprechend weitgehenden Diskriminierung von Frauen (AA 28.6.2022, Sitzung 18). Diese werden etwa insofern stärker ausgeschlossen, als ihre Beteiligung an ökonomischen Aktivitäten als unislamisch erachtet wird (USDOS 12.4.2022, Sitzung 40). Nach anderen Angaben hat al Shabaab einen pragmatischen Zugang. Da immer mehr Familien vom Einkommen der Frauen abhängig sind, tendiert die Gruppe dazu, sie ihren wirtschaftlichen Aktivitäten nachgehen zu lassen. Und dies, obwohl Frauen nominell das Verlassen des eigenen Hauses nur unter Begleitung eines männlichen Verwandten (mahram) erlaubt ist (ICG 27.6.2019, Sitzung 11).
[…]
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu Herkunft, Staatsangehörigkeit, Religion, Clanzugehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers gründen sich im Wesentlichen auf die nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde und in dem Beschwerdeschriftsatz. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
2.2. Zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers:
2.2.1. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes konnte der Beschwerdeführer insbesondere aufgrund der grob widersprüchlichen und nicht plausiblen Angaben zu den Gründen für seine Ausreise betreffend eine Bedrohung durch die Al Shabaab oder die Familie seiner einem Mehrheitsclan angehörigen „Freundin“ bzw. Ehefrau keine aktuelle Gefährdung seiner Person im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat glaubhaft machen.
2.2.2. Zunächst fällt dazu auf, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung nur allgemein anführte, dass er seine Heimat wegen Diskriminierungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit verlassen habe vergleiche AS 31), während er die heimlich geführte Beziehung mit einer einem Mehrheitsclan zugehörigen Frau oder etwaige Probleme mit der Al Shabaab nicht einmal ansatzweise erwähnte. Dabei wird keinesfalls übersehen, dass die Erstbefragung gemäß Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich - abgesehen von einem Folgeantrag - nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben vergleiche etwa VwGH 14.6.2017, Ra 2017/18/0001, mwN). Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen vergleiche VwGH 25.06.2019, Ra 2018/19/0546). Im vorliegenden Fall erschließt sich nicht, weshalb der Beschwerdeführer die im weiteren Verfahren behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse in der Erstbefragung mit keinem Wort zum Ausdruck brachte, sondern lediglich auf allgemeine Benachteiligungen in Bezug auf seine Clanzugehörigkeit hinweisen sollte.
Auf dahingehenden Vorhalt der belangten Behörde meinte der Beschwerdeführer bloß, dass er damals die „Diskriminierung“ und auch „das“ mit seinem Vater erwähnt habe, dies aufgrund des Zeitmangels aber nicht aufgeschrieben worden sei vergleiche AS 64). Zumal der Beschwerdeführer sowohl in der Erstbefragung nach erfolgter Rückübersetzung keine Anmerkungen tätigte vergleiche AS 33), als auch zu Beginn seiner behördlichen Einvernahme die Richtigkeit seiner damaligen Angaben bestätigte und das Aufkommen von Fehlern verneinte vergleiche AS 60), ist davon auszugehen, dass es sich bei dem späteren Vorbringen zu einer unvollständigen Protokollierung um eine reine Schutzbehauptung des Beschwerdeführers handelt, mit dem Ziel, das Verfahren zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Das wird auch dadurch bestätigt, als der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Vorhalt seiner Aussage im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen bloß darauf hinwies, dass wenig Zeit gewesen sei und er den Grund für seine Ausreise kurz habe zusammenfassen müssen vergleiche S 4 in OZ 10). Er merkte allerdings nicht (mehr) an, dass nicht seine gesamten Schilderungen im Protokoll festgehalten worden seien. Aber auch die Argumentation betreffend den Zeitmangel ist nicht geeignet zu erklären, weshalb der Beschwerdeführer einerseits die nach seinen späteren Behauptungen eigentlich fluchtauslösenden Ereignisse, insbesondere die angeführte, clanübergreifende Beziehung oder die Bedrohung durch die Al Shabaab, nicht einmal kurz erwähnte. Er aber andererseits stattdessen die ihm widerfahrenen generellen Benachteiligungen anhand zahlreicher Beispiele, wie etwa Beschimpfungen oder die fehlende Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und die Schule zu besuchen vergleiche AS 31), zu beschreiben. Vielmehr wäre es dem Beschwerdeführer zumutbar und von ihm auch zu erwarten gewesen, schon im Rahmen der polizeilichen Erstbefragung auf die Frage, warum er sein Land verlassen habe (Fluchtgrund), die für seine Ausreise ursächlichen Vorfälle zumindest kurz zu erwähnen.
2.2.3. Darüber hinaus weisen die Schilderungen des Beschwerdeführers zu einer Bedrohungslage in Somalia im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht weitere gravierende Steigerungen im Vergleich zu den vor der belangten Behörde angeführten Gefährdungsmomenten auf. Insbesondere stellte der Beschwerdeführer im Laufe der Befragung durch den erkennenden Richter erstmals die Behauptung auf, dass er seine Geliebte geheiratet habe vergleiche S 6 in OZ 10). Im offenkundigen Widerspruch dazu, führte er in der behördlichen Einvernahme – wie auch schon in der Erstbefragung vergleiche AS 21) – noch an, dass er ledig sei vergleiche AS 60). Auch sonst lässt sich seinen damaligen Erklärungen oder dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen, dass bereits eine Eheschließung mit dem Mädchen erfolgt wäre.
2.2.4. Die Darstellungen zu seiner Beziehung mit einer einem Angehörigen eines Mehrheitsclans sind außerdem aufgrund massiver Widersprüche sowie der äußerst oberflächlichen Schilderungen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft:
2.2.4.1. Der Beschwerdeführer konnte zum Beispiel betreffend den Zeitpunkt des Kennenlernens nur angeben, dass dies während seiner 2-jährigen Schulzeit gewesen sei vergleiche S 5 in OZ 10). Er vermochte aber weder näher einzugrenzen, wann dies gewesen sei, noch in welchem Alter er sich oder das Mädchen damals befunden habe vergleiche S 5 in OZ 10). Ebenso wenig konnte er beantworten, wann genau die Beziehung angefangen habe vergleiche S 6 in OZ 10). Aus seinen Antworten auf die weiteren Nachfragen des erkennenden Richters, wonach der Beschwerdeführer sie mindestens 1,5 Jahre vor dem Beginn der Beziehung gekannt habe vergleiche S 5 in OZ 10) und Ende 2018 schon „mindestens mehr als ein Jahr“ eine Beziehung mit ihr geführt habe vergleiche S 6 in OZ 10), wäre aber davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seine spätere Freundin ungefähr Mitte 2016 kennengelernt habe. Anhand der Darstellungen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, habe er aber schon ab einem Alter von 10 Jahren bis zu seiner Ausreise seinem Vater bei der Arbeit als Schmid geholfen vergleiche AS 60), weshalb nicht anzunehmen ist, dass er erst im Jahr 2016 seine 2-jährige Schulbildung absolviert habe. Zudem beschrieb der Beschwerdeführer in der behördlichen Einvernahme noch, dass er sich „eines Tages 2019“ in das Mädchen verliebt habe vergleiche AS 64). Nach seiner Darstellung in der Beschwerdeverhandlung habe er sie aber schon Ende 2018 nach einer zumindest 1-jährigen Beziehung geheiratet vergleiche S 6 in OZ 10). Der Beschwerdeführer konnte auch nicht näher anführen, wann und wie oft die Familie des Mädchens zu ihm bzw. seiner Mutter nach Hause gekommen sei vergleiche S 7f in OZ 10).
2.2.4.2. Darüber hinaus bestehen gravierende Diskrepanzen in den Schilderungen des Beschwerdeführers betreffend allfällige Sorgen vor einem Bekanntwerden ihres Verhältnisses. Zunächst meinte er dazu, sie hätten nicht darüber nachgedacht, ob ihre Beziehung einmal „auffliegen“ könnte vergleiche S 7 in OZ 10). Daraufhin bejahte der Beschwerdeführer aber die Frage des erkennenden Richters, dass ihnen die Gefährdung bewusst gewesen sei, und erklärte im offenkundigen Widerspruch zu seiner vorangegangenen Antwort, dass er oft mit ihr darüber gesprochen habe, was sie machen würden, wenn jemand von der Eheschließung erfahre vergleiche S 7 in OZ 10). Zudem führte er auch aus, dass die Schwangerschaft seiner Freundin beabsichtigt gewesen sei und diese gesagt habe, dass es vielleicht leichter sein werde, wenn ihre Familie sehe, dass sie schwanger sei vergleiche S 7 in OZ 10). Auch diese Aussage kann nicht mit seiner vorangegangenen Behauptung, wonach sie nicht darüber nachgedacht hätten, dass ihre Beziehung bekannt werden könnte vergleiche S 7 in OZ 10), in Einklang gebracht werden.
2.2.4.3. Eine weitere gravierende Divergenz besteht auch hinsichtlich der darauffolgenden Vorfälle mit der Familie der Freundin. In der Einvernahme vor der belangten Behörde beschrieb er noch, dass diese ihre Tochter gesucht hätten, zu ihm nach Hause gekommen wären und ihm gedroht hätten zu sagen, wo sich das Mädchen befinde vergleiche AS 64). In augenscheinlicher Abweichung dazu erzählte er in der Beschwerdeverhandlung jedoch, dass er selbst nicht anwesend gewesen sei, als die Familie seiner Frau zu ihm nach Hause gekommen sei vergleiche S 7 in OZ 10). Ebenso wäre er bei den weiteren „Besuchen“ ihrer Familie nicht bei ihm zuhause gewesen, sondern habe sich bei seiner Tante versteckt vergleiche S 8 in OZ 10).
2.2.4.4. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nach dem Bekanntwerden der Beziehung und der Schwangerschaft noch ca. 5-6 Monate in seiner Heimatstadt gelebt habe und es der Familie der Ehefrau offenbar während dieses Zeitraums nicht gelungen sei, ihn zu finden. Hätten ihre Familienangehörigen aber tatsächlich ein derart großes Interesse an der Person des Beschwerdeführers gehabt, wie von ihm dargestellt, so wäre jedenfalls davon auszugehen gewesen, dass es diesen möglich gewesen wäre, den Beschwerdeführer dort bei seiner Tante zu finden. Auch wenn der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum nie deren Haus verlassen habe, wäre davon auszugehen gewesen, dass die Familie seiner Freundin, wenn sie tatsächlich ein derart großes Interesse an der Person des Beschwerdeführers gehabt hätte, wie von ihm beschrieben, ihn auch bei seiner Verwandten hätte finden können. Er verneinte aber explizit, dass diese im Haus seiner Tante nach ihm gesucht hätten vergleiche S 8 in OZ 10). Zudem wären sie zwar zumindest 2-3 Mal zu seiner Mutter nach Hause gekommen vergleiche S 8 in OZ 10), seinen dahingehenden Angaben kann aber keinerlei Hinweis dafür entnommen werden, dass es dabei zu etwaigen Drohungen oder körperlichen Übergriffen gekommen sei und die Familie des Mädchens versucht hätte, seinen genauen Aufenthaltsort, etwa durch Unterdrucksetzung seiner Mutter, herauszufinden.
2.2.4.5. Eine Tötungsabsicht seitens der Familie der Ehefrau ist auch anhand der vorliegenden Länderinformationen nicht plausibel. So kommt es bezüglich Mischehen zwar weiterhin zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, insbesondere dann wenn – wie vorliegend behauptet – eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der Druck auf Mischehen ist aber vor allem in ländlichen Gebieten ausgeprägt und es bestehen regionale Unterschiede, somit werden Mischehen im Clan-mäßig homogeneren Norden stärker stigmatisiert als im Süden, wo die Heimatstadt des Beschwerdeführers, Belet Weyne, liegt. Darüber hinaus führt eine Mischehe so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen.
In den Länderberichten wird zwar auch dargelegt, dass Mischehen negative Folgen mit sich bringen können; insbesondere wenn der Mann – wie gegenständlich der Beschwerdeführer – einer Minderheit angehört. Dazu wird aber weiter ausgeführt, dass es häufig, vor allem in ländlichen Gebieten, zur Verstoßung des aus einem „noblen“ Clan stammenden Teils der Eheleute durch die eigenen Familienangehörigen kommt. Zu einer solchen Verstoßung der Ehefrau sei es laut den Angaben des Beschwerdeführers aber nicht gekommen, vielmehr habe sie ihre Familie gesucht, nachdem sie spurlos verschwunden sei vergleiche AS 64; s.a. S 8 in OZ 10). Zudem sorgt eine Mischehe laut der Länderinformation der Staatendokumentation zwar für Diskussion und Getratsche, wird aber nach einer gewissen Zeit meist akzeptiert.
Vor diesem Hintergrund dieser Berichtslage ist es somit äußerst unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer einer maßgeblichen Gefährdung wegen der behaupteten Mischehe unterlegen sei oder eine solche im Fall seiner Rückkehr zu befürchten habe. Insbesondere erscheint es nahezu ausgeschlossen, dass die Familienangehörigen der Ehefrau versucht hätten, den Beschwerdeführer umzubringen. Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaats sind daher auch insofern massiv in Zweifel zu ziehen.
2.2.4.6. Aufgrund der dargelegten Umstände gelang es dem Beschwerdeführer im Ergebnis nicht, eine Gefährdung durch die Familie seiner angeblichen Ehefrau im Fall seiner Rückkehr nach Somalia glaubhaft zu machen.
2.2.5. Des Weiteren sind die Erklärungen des Beschwerdeführers zu einer allfälligen Bedrohung durch die Al Shabaab angesichts grober Diskrepanzen in seinen dahingehenden Erzählungen nicht überzeugend:
2.2.5.1. Die Angaben des Beschwerdeführers dazu sind zunächst insofern nicht nachvollziehbar, als nicht erkannt werden kann, weshalb die Al Shabaab, die an der Verehelichung der Schwester des Beschwerdeführers interessiert gewesen seien, zunächst den Vater umbringen sollte, aber keinerlei weitere Schritte hinsichtlich der Durchsetzung ihres eigentlichen Ziels vornehmen sollten. Einerseits hätte die Al Shabaab die Schwester wohl auch ohne die Ermordung des Vaters mitnehmen können. Aber auch wenn man andererseits entsprechend dem Beschwerdeführer annehmen würde, dass die Al Shabaab „immer“ töte, wenn sich jemand gegen sie äußere oder ihre Aufforderung verweigere vergleiche S 10 in OZ 10), kann nicht erkannt werden, weshalb die Al Shabaab nicht auch im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang die Schwester entführen sollte, um ihre Forderung zwangsweise durchzusetzen.
2.2.5.2. Darüber hinaus ist angesichts der von einem der Al Shabaab-Mitglieder angestrebten Eheschließung mit der Schwester des Beschwerdeführers nicht erklärlich, weshalb die Al Shabaab in weiterer Folge die Schwester aus dem Grund entführt habe, um eine Rekrutierung des Beschwerdeführers durchzusetzen vergleiche AS 62, arg. „[…] Die Gründe, weshalb sie meine Schwester entführt haben war, weil ich mich den Al Shabaab anschließen sollte. […]“). Dabei erschließt sich zudem insbesondere nicht, dass die Schwester nach 3 Wochen wieder freigelassen worden sei, obwohl sich der Beschwerdeführer nicht der Al Shabaab angeschlossen habe vergleiche AS 62). Auch die Erklärung des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht betreffend die vorübergehende Entführung seiner Schwester ist nicht schlüssig, zumal nach seiner nunmehrigen Aussage der Grund dafür gewesen sei, dass die Al Shabaab damit gerechnet hätten, dass der Beschwerdeführer sie ihnen freiwillig übergeben werde. Da er das nicht getan habe, hätten sie seine Schwester einfach wieder freigelassen vergleiche S 11 in OZ 10). Es kann aber keinesfalls davon ausgegangen werden, dass eine Terrororganisation wie die Al Shabaab nach einer erfolgten Entführung die Geisel wieder freilassen würde, nur weil keine Zustimmung zu einer von einem Al Shabaab-Anhänger angestrebten Heirat erteilt werde. Im Übrigen behauptete der Beschwerdeführer abweichend zu den soeben dargestellten Versionen auf weitere Nachfrage betreffend die Eheschließung seiner Schwester, dass die Al Shabaab sie entführt habe, weil er vor ihnen weggelaufen sei und sie gedacht hätten, dass er sie zurückholen werde vergleiche S 11 in OZ 10).
2.2.5.3. Außerdem ist im Hinblick auf das seine Schwester betreffende Vorhaben der Al Shabaab nicht plausibel, dass die Mutter auf der einen Seite, nachdem sie die Al Shabaab infolge der Ermordung des Vaters telefonisch aufgefordert habe, dass der Beschwerdeführer in zwei Tagen zu Hause sein müsse, sofort den Beschwerdeführer zur Tante gebracht habe, damit er sich dort verstecke vergleiche AS 62). Auf der anderen Seite aber die Schwester, hinsichtlich derer bereits viel früher Forderungen gestellt worden seien, die gesamte Zeit im Familienhaus verblieben sei. Dabei wird auch nicht verkannt, dass die somalische Gesellschaft von Männern dominiert wird und Frauen den Männern systematisch untergeordnet werden. Angesichts des Umstands, dass die Familie des Beschwerdeführers die Schwester aber offensichtlich vor Übergriffen der Al Shabaab habe schützen wollen und aufgrund der Weigerung sogar der Vater umgebracht worden sei, wäre jedenfalls zu erwarten gewesen, dass sie (auch) in Bezug auf die Schwester zumindest versucht hätten, durch ein Versteck bei der Tante einen Zugriff auf sie zu verhindern.
2.2.5.4. Die Schilderung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach er der Ansprechpartner der Al Shabaab bezüglich der Heirat seiner Schwester gewesen sei vergleiche S 11 in OZ 10), deckt sich ferner nicht mit seinen bisherigen Darstellungen. Im augenscheinlichen Widerspruch dazu, merkte der Beschwerdeführer in der behördlichen Einvernahme nämlich noch an, dass die Al Shabaab immer wieder versucht habe, dass Einverständnis seiner Mutter zu erhalten vergleiche AS 63).
2.2.5.5. Zudem ist die im Lauf seiner Befragung zu seinem Fluchtgrund aufgestellte Behauptung, wonach seine Schwester nach Äthiopien geschickt worden sei vergleiche AS 63), angesichts seiner vorangegangenen Aussage, nach der seine Mutter und seine Schwester noch in seinem Elternhaus leben würden vergleiche AS 61), keinesfalls glaubhaft. Auf dahingehenden Vorhalt wiederholte der Beschwerdeführer bloß, dass sich seine Schwester in Äthiopien befinde und merkte auf weitere Frage an, dass ihm das nach Verlassen seines Herkunftsstaats mitgeteilt worden sei vergleiche AS 63). Eine nachvollziehbare Erklärung, weshalb er zuvor zu seiner Schwester noch angab, dass sie „derzeit“ in Somalia sei und noch im Haus seiner Familie wohne vergleiche AS 61), vermochte er aber nicht anzuführen.
Im Übrigen behauptete der Beschwerdeführer etwa vor der belangten Behörde, dass die Al Shabaab-Männer seinem Vater beim erstmaligen Aufsuchen betreffend eine Verehelichung der Schwester des Beschwerdeführers angekündigt hätten, sie würden „morgen“ nochmals kommen. Am folgenden Tag seien sie wiedergekommen und hätten seinen Vater erschossen vergleiche AS 62). Nach den Angaben in der Beschwerdeverhandlung sei ein neuerlicher Besuch der Al Shabaab in zwei Tagen angekündigt worden und habe dementsprechend am übernächsten Tag stattgefunden vergleiche S 9 in OZ 10).
2.2.5.6. Außerdem ist das Vorbringen des Beschwerdeführers anhand der vorliegenden Länderinformationen zu von der Al Shabaab erzwungenen Zwangsehen nicht plausibel: Darin wird zwar ausgeführt, dass die al Shabaab Mädchen und Frauen im Alter von 14 bis 20 Jahren zur Ehe zwingt und diese sowie deren Familien generell kaum eine Wahl haben. Solche Zwangsehen gibt es aber nur in den von Al Shabaab kontrollierten Gebieten, die Heimatstadt des Beschwerdeführers stand aber bei seiner Ausreise (und steht weiterhin) unter Regierungskontrolle.
2.2.5.7. Des Weiteren entspricht die vom Beschwerdeführer beschriebene Vorgehensweise der Al Shabaab auch nicht der vorliegenden Berichtslage zu Zwangsrekrutierungen durch diese Gruppierung:
Nach der unstrittigen Länderinformation zu Somalia wird direkter Zwang bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet, jedenfalls nicht strategisch und nur eingeschränkt oder unter spezifischen Umständen. Üblicherweise richtet Al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht – wie vom Beschwerdeführer behauptet – an Einzelpersonen. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer, denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Auch dies spricht gegen ein den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr treffendes individuelles Risiko, zumal keinerlei Gründe hervorgekommen sind, welche auf ein besonderes Interesse der Al Shabaab an der Rekrutierung der Person des Beschwerdeführers (wie etwa besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten von ihm) schließen lassen würden. Auch der Beschwerdeführer vermochte nicht einmal ansatzweise darzulegen, warum die Al Shabaab ein spezifisches Interesse an der Rekrutierung seiner Person haben sollte vergleiche AS 63, arg. „F: Weshalb sollten die Al Shabaab gerade an Ihnen so ein Interesse haben Sie zu rekrutieren? A: Sie wollten mich zwangsrekrutieren, da die Al Shabaab mehr Soldaten wollten.“).
Darüber hinaus kommen Zwangsrekrutierungen generell ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von Al Shabaab vor. Die Heimatstadt des Beschwerdeführers aber befand sich bei seiner Ausreise (und befindet sich auch weiterhin) unter Kontrolle der Regierung und ATMIS und kann hinsichtlich der Anwesenheit von staatlichem Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden.
Zudem ergibt sich aus der unstrittigen Länderinformation zu Somalia, dass Al Shabaab weniger an der Rekrutierung Erwachsener als an der Rekrutierung von 8-12-jährigen Kindern interessiert ist, weil diese leichter zu indoktrinieren und formbarer sind. Ferner handelt es sich bei den meisten neuen Rekruten um Kinder, die das Bildungssystem der Al Shabaab durchlaufen haben, was wiederum ihre Loyalität zur Gruppe fördert. Des Weiteren versucht Al Shabaab, junge Männer durch Überzeugungsarbeit, ideologische und religiöse Beeinflussung und finanzielle Versprechen anzulocken und sind etwa zwei Drittel der Angehörigen von Al Shabaab der Gruppe entweder aus finanziellen Gründen beigetreten, oder aber aufgrund von Kränkungen in Zusammenhang mit Clan-Diskriminierung oder in Zusammenhang mit Misshandlungen und Korruption seitens lokaler Behörden. Auch vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der im Zeitpunkt seiner Ausreise 20-jährige Beschwerdeführer Ziel einer Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab gewesen sei.
Zudem ist auch anhand der Länderberichte zu Somalia, wonach eine einfache Person, die sich erfolgreich der Rekrutierung durch Al Shabaab entzogen hat, nicht dauerhaft und über weite Strecken hin verfolgt wird, sowie in Anbetracht seines Alters von nunmehr 24 Jahren und mangels sonstiger konkreter Anhaltspunkte dafür nicht davon auszugehen, dass an der Person des Beschwerdeführers ein derartiges Interesse seitens der Al Shabaab besteht, dass dieser im Fall der Rückkehr nach Somalia aktuell aufgrund der behaupteten Vorfälle vor seiner Ausreise aus Somalia im Oktober 2019 – somit vor mehr als 4 Jahren – einem maßgeblichen Risiko einer Zwangsrekrutierung oder sonstigen individuellen Bedrohung durch die Al Shabaab ausgesetzt wäre.
2.2.5.8. Im Übrigen waren auch die Al Shabaab nach den Behauptungen des Beschwerdeführers nicht in der Lage, ihn während seines ca. 5-6 Monate dauernden Aufenthalts in seiner Heimatstadt bei seiner Tante zu finden. Hätten die Al Shabaab aber tatsächlich ein Interesse an der Person des Beschwerdeführers gehabt, so wäre jedenfalls davon auszugehen gewesen, dass es dieser möglich gewesen wäre, den Beschwerdeführer bei seiner Tante zu finden. Der Beschwerdeführer verneinte jedoch ausdrücklich, dass die Al Shabaab bei seiner Tante nach ihm gefragt hätte vergleiche S 11 in OZ 10). Seinen Erzählungen lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Al Shabaab versucht hätte, seinen genauen Aufenthaltsort, etwa durch Unterdrucksetzung seiner Mutter, herauszufinden.
2.2.5.9. Sofern der Beschwerdeführer in diesem Kontext behauptet, dass in weiterer Folge bei seiner Tante nichts passiert sei und er das Haus seiner Tante nicht verlassen habe vergleiche S 10f in OZ 10), ist auf seine davon massiv abweichenden Schilderungen in der freien Erzählung seines Fluchtgrundes vor der belangten Behörde zu verweisen. Nach seinen damaligen Angaben, sei er „eines Tages“ in das Haus seiner Familie gegangen, um von dort seine Sachen zu holen. Währenddessen seien Mitglieder der Al Shabaab in das Haus gekommen und hätten nach ihm gesucht, aber weil er sich versteckt habe, hätten sie ihn nicht gefunden. Als er dann das Haus verlassen habe, hätte ein Anhänger der Al Shabaab auf ihn geschossen und er sei weggelaufen vergleiche AS 62). Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist aber nicht erklärlich, dass der Beschwerdeführer die Frage des erkennenden Richters, ob es eine persönliche Begegnung zwischen ihm und der Al Shabaab gegeben habe, explizit verneinte vergleiche S 10 in OZ 10). Hätte die Al Shabaab tatsächlich in die Richtung des Beschwerdeführers einen Schuss abgesetzt, so wäre jedenfalls davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer diesen Umstand auch in der Beschwerdeverhandlung, insbesondere im Zusammenhang mit persönlichen Zusammenkünften mit der Al Shabaab zumindest angedeutet hätte.
2.2.5.10. Aufgrund dieser zahlreichen Ungereimtheiten vermochte der Beschwerdeführer auch nicht seine Schilderungen hinsichtlich einer Gefährdung durch die Al Shabaab im Fall seiner Rückkehr glaubhaft zu machen.
2.2.6. Betreffend das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Bedrohung aufgrund seiner Clanzugehörigkeit ergeben sich aus seinen Schilderung keine für das gegenständlichen Verfahren maßgebliche Gefährdungsmomente bezogen auf die Person des Beschwerdeführers. Selbst wenn es gelegentlich zu Diskriminierungen des Beschwerdeführers gekommen sein mag, kann nicht angenommen werden, dass die in der Erstbefragung beschriebenen Benachteiligungen eine verfahrensgegenständlich relevante Intensität erreichen würde vergleiche AS 31).
Etwaige maßgebliche Probleme bezüglich seiner Clanzugehörigkeit hat er im Verfahren somit nicht behauptet. Ferner ist auf die Länderinformationen zu verweisen, wonach Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Verfolgung mehr ausgesetzt sind. Eine asylrelevante Gefährdung des Beschwerdeführers alleine wegen seiner Clanzugehörigkeit kann daher nicht erkannt werden.
2.2.7. Im Ergebnis konnte der Beschwerdeführer damit keine verfahrensgegenständlich maßgebliche Bedrohung im Fall seiner Rückkehr glaubhaft darlegen.
Abschließend bleibt lediglich der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass allfälligen dem Beschwerdeführer drohenden, nicht asylrelevanten Gefährdungen durch die bereits von der belangten Behörde erfolgte Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ausreichend Rechnung getragen wurde.
2.3. Zum Herkunftsstaat:
Es wurde vor allem Einsicht genommen in folgende Erkenntnisquelle des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers:
Länderinformation der Staatendokumentation „Somalia“ vom 17.03.2023 (Version 5)
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln.
Der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ermöglicht, zu den herangezogenen Länderberichten eine Stellungnahme abzugeben, wobei diese darauf unter Verweis auf den Beschwerdeschriftsatz, in welchem diesen nicht substantiiert entgegengetreten wurde, verzichtete.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides:
3.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Bundesgesetzblatt 55 aus 1955, (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der RL 2004/83/EG des Rates verweist).
Im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde vergleiche VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK nennt vergleiche VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht vergleiche VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).
„Glaubhaftmachung" im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen vergleiche VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema vergleiche VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten vergleiche VwGH 28.05.2009, 2007/19/1248; 23.01.1997, 95/20/0303) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten vergleiche VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).
3.2. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt vergleiche oben, 2.2.), kommt dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines Vorbringens zur Verfolgungsgefahr keine Glaubwürdigkeit zu. Zudem konnte entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser nach einer allfälligen Rückkehr nach Somalia Verfolgungshandlungen bzw. Bedrohungssituationen ausgesetzt wäre.
3.3. Daher ist die gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides erhobene Beschwerde abzuweisen.
Da sich die vorliegende Beschwerde ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides richtet, sind die Spruchpunkte römisch II. und römisch III. bereits in Rechtskraft erwachsen.
Zu B)
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
ECLI:AT:BVWG:2023:W123.2262242.1.00