Bundesverwaltungsgericht
09.11.2023
L519 2210154-1
L519 2210155-1/60E
L519 2210156-1/62E
L519 2210154-1/55E
L519 2238409-1/57E
L519 2264104-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1.) römisch 40 , StA Irak, (2.) römisch 40 , StA Irak, (3.) mj. römisch 40 , StA Irak, (4) mj. römisch 40 , StA Irak und (5.) mj. römisch 40 , StA. Irak, alle vertreten durch die BBU GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (1.) vom 16.10.2018, Zl. 1190843009-180448332, (2.) vom 16.10.2018, Zl. 1191041310-180463255, (3.) vom 16.10.2018, Zl. 1203990502-180801300, (4.) vom 30.11.2020, Zl. 1270907706-201135535 und (5.) vom 03.11.2022, ZI. 1289961906-211805058, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
römisch eins. Den Beschwerden gegen die Spruchpunkte römisch II. der angefochtenen Bescheide wird Folge gegeben römisch 40 , und römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 3, AsylG 2005, der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak zuerkannt.
römisch II. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 werden römisch 40 , und römisch 40 befristete Aufenthaltsberechtigungen für subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von jeweils einem Jahr erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
römisch eins.1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist mit der Zweitbeschwerdeführerin (BF2) in aufrechter Ehe verheiratet, die minderjährige Drittbeschwerdeführerin (BF3), die minderjährige Viertbeschwerdeführerin (BF4) und die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin (BF5) sind die leiblichen Kinder des BF1 und der BF2. Sämtliche BF sind Staatsangehörige des Irak, der kurdischen Volksgruppe zugehörig und sunnitischen Glaubens.
römisch eins.2. Die BF1 und BF2 stellten im Gefolge ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 12.05.2018 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes Anträge auf internationalen Schutz.
Als Ausreisegrund gab der BF1 bei der Erstbefragung am 12.05.2018 bekannt, dass sein Vertrag bei der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ ausgelaufen sei. Da es keine Arbeit mehr für ihn gegeben habe, hätte er als Schuhputzer gearbeitet. Er habe mit der BF2 eine Familie gründen wollen, aber dies hätte immer wieder Fehlgeburten gehabt. Von der BF2 wurde ausgeführt, dass im Irak Krieg herrsche und die Kurden von Saddam und IS-Kämpfern ermordet würden. Deshalb habe sie sich mit ihrem Gatten zur Ausreise entschlossen.
römisch eins.3. Am römisch 40 wurde die BF3 in Wien geboren und stellte der BF1 am 24.08.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz für seine Tochter. Begründet wurde dieser mit seinen Ausreisegründen.
römisch eins.4. Nach Zulassung des Verfahrens wurden die BF1 und die BF2 am 09.10.2018 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
Zu den Gründen ihrer Antragstellung befragt gab der BF1 zusammengefasst an, dass es nach dem Sturz von Saddam HUSSEIN zum Krieg gekommen sei, in dessen Folge dann der IS kam. Es habe im Irak keine Arbeit gegeben. Außerdem habe seine Gattin sieben Fehlgeburten gehabt. Insgesamt sei er aufgrund der politischen Lage und der schlechten Sicherheitslage ausgereist. Außerdem hätten die Ärzte fahrlässig seine sieben ungeborenen Kinder getötet, indem sie sich nicht ausreichend um die BF2 gekümmert hätten. Von der BF2 wurde ausgeführt, dass sich die Ärzte nicht um die Patienten gekümmert hätten. Durch die schlechte medizinische Behandlung sei es auch bei ihr zu den sieben Fehlgeburten gekommen. Zudem wäre die finanzielle Lage sehr schlecht gewesen.
römisch eins.5. Mit im Spruch bezeichneten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2018 wurden die Anträge der BF1 bis BF3 auf internationalen Schutz (Spruchpunkt römisch eins) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt römisch II) abgewiesen. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Weiter wurden Rückkehrentscheidungen erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen (Spruchpunkt römisch VI.).
Begründend führte das Bundesamt aus, dass keine konkrete Verfolgungs- oder Bedrohungssituation vorgebracht wurde. Auch wurden keine Probleme mit den irakischen/kurdischen Behörden behauptet. Zudem würden sich im Irak noch Angehörige aufhalten, weswegen den BF die Weiterführung ihres Lebens im Irak möglich wäre. Weiters bestehe in Dohuk die Möglichkeit medizinischer Versorgung im dortigen Krankenhaus.
römisch eins.6. Gegen diese Bescheide wurden von den BF fristgerecht Beschwerden eingebracht.
Begründend wurde vorgebracht, dass die Situation der Kurden im Irak sehr schlecht wäre. Es wäre nur ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden, die Länderfeststellungen wären mangelhaft und auch Verfahrensvorschriften wären verletzt worden. Die belangte Behörde habe sich jedenfalls nicht mit dem individuellen Vorbringen der BF auseinandergesetzt und die Berichte nur mangelhaft ausgewertet. Zudem fehlen auch relevante Berichte zur Situation von Rückkehrern nach erfolgloser Asylantragstellung in Europa. Auch mit der Schutzfähigkeit der Behörden im Irak hätte sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Weiter wurde auf diverse Berichte zur Sicherheitslage in Kirkuk hingewiesen. Zudem hätte die Einvernahme des BF1 am selben Tag wie die Bescheiderlassung stattgefunden und hätte sich das BFA mit der Integration der BF in Österreich nicht ausreichend auseinandergesetzt.
römisch eins.7. Am römisch 40 wurde die BF4 in Wien geboren. Von der BF2 wurde am 05.11.2020 für die BF4 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit Bescheid des BFA vom 08.03.2021 im Rahmen des Familienverfahrens abgewiesen wurde.
römisch eins.8. Mit Eingabe vom 02.03.2021 wurden medizinische Unterlagen hinsichtlich der BF4 in Vorlage gebracht. Zudem wurde moniert, dass das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, ebenso nicht die Covid-Pandemie.
römisch eins.9. Am 08.03.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der BF1 und des BF2, deren rechtsfreundlicher Vertretung sowie eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch durchgeführt. Am Ende der Verhandlung wurde das Erkenntnis gemäß Paragraph 29, Absatz 2, VwGVG mündlich verkündet und die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt werden konnte, dass den BF in ihrem Heimatland begründete Furcht vor asylrelevater Verfolgung droht. Von den BF sei kein Fluchtgrund im Sinne der GFK vorgebracht wurden, sie stützen ihren Antrag lediglich auf sieben von der BF2 behaupteten Fehlgeburten und eine mangelhafte medizinische Versorgung. Zudem sei das Vorbringen grob widersprüchlich und phasenweise unplausibel.
römisch eins.13. Mit Eingabe vom 18.03.2021 wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt, welche am 05.05.2021 erfolgte.
römisch eins.14. Von den BF wurde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes Beschwerde erhoben und der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Mit Beschluss des VfGH vom 12.07.2021, E 1270-1273/2021-14, wurde den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Folge gegeben.
römisch eins.15. Mit Erkenntnis des VfGH vom 27.09.2021, E 1270-1273/2021-21, wurde das Erkenntnis des BVwG, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, gegen die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung von Rückkehrentscheidungen, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen werden, aufgehoben, weil die BF im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Art. römisch eins Absatz eins, Bundesverfassungsgesetz Bundesgesetzblatt Nr. 390 aus 1973,) verletzt wurden. Im Übrigen wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und dem VwGH zur Entscheidung abgetreten.
Begründend wurde festgehalten, dass die Begründung des mündlich verkündeten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. März 2021 jegliche Auseinandersetzung mit der Situation von Kindern im Irak vermissen lässt und lediglich – in für den Verfassungsgerichtshof nicht nachvollziehbarer Weise – ausgeführt wird, "dass trotz der Vulnerabilität einer Familie mit zwei kleinen Kindern keine Verletzung der Artikel 2 oder 3 EMRK zu erwarten" sei, trifft das Bundesverwaltungsgericht in seiner schriftlichen Ausfertigung vom 5. Mai 2021 zwar ergänzende, speziell Kinder betreffende allgemeine Feststellungen, unterlässt es jedoch, diese auf die zum Zeit-punkt der Entscheidung zweijährige Drittbeschwerdeführerin sowie die acht Monate alte Viertbeschwerdeführerin in Bezug zu bringen; deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht es in verfassungswidriger Weise unterlassen, zu prüfen, ob den Kindern im Falle einer Rückkehr in den Irak eine Verletzung in ihren gemäß Artikel 2 und Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechten droht. Damit verkennt das Bundesverwaltungsgericht das besondere Risikoprofil der beschwerdeführenden Parteien und hat sein Erkenntnis im angegebenen Umfang mit Willkür belastet. Schließlich stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, die Herkunftsregion der beschwerdeführenden Parteien sei gefahrlos erreichbar, obwohl den Länderfeststellungen zu entnehmen ist, dass für die Einreise nach römisch 40 ein Bürge benötigt werde. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich sohin nicht nachvollziehbar mit der sicheren Erreichbarkeit der Herkunftsprovinz für die beschwerdeführenden Parteien auseinandergesetzt vergleiche VfSlg. 20.296/2018; VfGH 23.2.2021, E 3278/2020). Auch diesbezüglich hat es sein Erkenntnis mit Willkür belastet.
Im Übrigen, soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Anträge auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt, weil die gerügten Rechtsverletzungen im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes wären.
römisch eins.16. Am 19.10.2021 wurde die BF5 in Wien geboren. Von der Mutter wurde für die BF5 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit Bescheid des BFA vom 03.11.2022 abgewiesen wurde. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 01.02.2023, L531 2264104-1/3E, als unbegründet abgewiesen.
römisch eins.17. Mit Beschluss des VwGH vom 13.12.2021, Ra 2021/01/0123 bis 0126-20, wurde die Revision hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der Asylberchtigten zurückgewiesen. Im Übrigen wurde die Revision als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
römisch eins.18. Mit Schreiben vom 03.06.2022 wurde vom BVwG eine Anfrage an das ÖRK/ACCORD gerichtet und um Beantwortung der Fragen der Möglichkeit der Nachbehandlung von Aortenklappeninsuffizienz, der Einreise von Kurden in den Nordirak/Dohuk bzw. der Erforderlichkeit eines Bürgen ersucht. Die Anfragebeantwortung langte am 22.08.2022 ein. Zusammenfassend wurde mitgeteilt, dass die Krankheit der BF4 behandelt werden kann und für die Einreise in den Nordirak keine Bürgen mehr erforderlich sind, wie dies auch den Länderinformationen zu entnehmen ist.
römisch eins.19. Mit Schreiben des BVwG vom 23.08.2022 wurden den Verfahrensparteien die ACCORD-Anfragebeantwortung mit der Einladung übermittelt, binnen zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme dazu abzugeben. Die Stellungnahme langte am 06.09.2022 ein.
römisch eins.20. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungssgerichtes vom 12.10.2022 wurden die Beschwerden der BF1 bis BF4 erneut als unbegründet abgewiesen.
römisch eins.21. Dagegen wurde von den BF ao. Revisionen an den VwGH und Beschwerden an den VfGH erhoben. Mit Beschluss des VwGH vom 16.03.2023, Ra 2022/14/0330 bis 0333-13, wurde den ao. Revisionen die aufschiebende Wirkung zuerkannt, ebenso wurde mit Beschluss des VfGH vom 23.05.2023, E 3257-3258/2022-9, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
römisch eins.22. Mit Beschluss des VwGH vom 30.06.2023, Ra 2022/14/0330 bis 0333-15, wurden die ao. Revisonen der BF1 bis BF4 zurückgewiesen. Ausgeführt wurde unter anderem, dass die Revisionen mit ihren allgemein gehaltenen Vorwürfen, dass es nicht bzw. nicht ausreichend geprüft worden sei, ob die medizinische Behandlung der „Hauterkrankungen und rezidivierenden Infekte“ der Dritt- und Viertrevisionswerberin sowie die - im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht näher beschriebenen - „Krankheit“ der Viertrevisionswerberin gewährleistet und tatsächlich leistbar seien, nicht aufzeigen.
römisch eins.23. Mit Erkenntnis des VfGH vom 18.09.2023 wurde das Erkennntis des BVwG vom 12.10.2022 (BF1 bis BF4) aufgehoben, weil die BF im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt wurden. Das Erkenntis der BF5 vom 02.02.2023 wurde, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen werden, aufgehoben. Im Übrigen wurde die Behandlung der Beschwerde der BF5 abgelehnt.
römisch eins.24. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
römisch II.1. Feststellungen:
römisch II.1.1. Zu den Beschwerdeführern:
Der BF1 führt den Namen römisch 40 , er ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und sunnitischer Glaubensrichtung. Er wurde am römisch 40 in römisch 40 geboren. Der BF1 besuchte fünf Jahre lang die Grundschule und war danach als Hilfsarbeiter in der Gastronomie und im Baugewerbe tätig. Vor der Ausreise lebte er mit seiner Gattin in einer Mietwohnung in römisch 40 . Die Identität des BF1 steht fest.
Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet und Vater der minderjährigen BF3 bis BF5.
Der BF1 ist gesund und steht nicht in medizinischer Behandlung.
In römisch 40 leben noch zwei Schwestern, zwei Brüder, zwei Tanten väterlicherseits und zwei Onkel mütterlicherseits. Ein Bruder ist Polizist, der andere arbeitet in einem Immobilienbüro, welches dem Onkel gehört, eine verwitwete Schwester betreibt mit ihrem Sohn ein Lebensmittelgeschäft. Die zweite Schwester wird vom Bruder, welcher Polizist ist, versorgt. Sowohl die beiden Brüder als auch die verwitwete Schwester besitzen in Dohuk Häuser.
Die BF2 führt den Namen römisch 40 , sie ist Staatsangehöriger des Irak, Angehörige der kurdischen Volksgruppe und sunnitischer Glaubensrichtung. Sie wurde am römisch 40 in römisch 40 geboren und zog danach nach römisch 40 , eine Nachbarstadt von römisch 40 . Die BF2 besuchte fünf Jahr lang die Grundschule. Nach der Hochzeit mit dem BF1 lebte sie bis zur Ausreise mit ihm im Haus des Schwiegervaters, in weiterer Folge in einer Mietwohnung. Die Identität der BF2 steht fest.
Die BF2 ist mit dem BF1 verheiratet und Mutter der minderjährigen BF3 bis BF5. Sie vertritt die minderjährigen BF im Verfahren.
Die BF2 ist gesund, benötigt keine Medikamente.
In römisch 40 wohnen noch ihre Eltern, zwei Schwestern und fünf Brüder. Ein Bruder ist Bäcker und versorgt die Eltern. Die beiden Schwestern sind verheiratet und als Hausfrauen beschäftigt. Ein Bruder arbeitet beim Zoll, einer ist Taxifahrer, der dritte Bruder ist Hilfsarbeiter, der vierte Bruder studiert und ein Bruder geht noch zur Schule. Eine Schwester und ein Bruder leben bei den Eltern im eigenen Haus, ein Bruder lebt bei den Schwiegereltern im eigenen Haus.
Die BF3 führt den Namen römisch 40 und ist am römisch 40 in Österreich geboren, die BF4 wurde am römisch 40 in Österreich geboren und führt den Namen römisch 40 , die am römisch 40 in Österreich geborene BF5 führt den Namen römisch 40 . Alle drei minderjährigen BF sind Staatsangehörige des Irak, Angehörige der kurdischen Volksgruppe und sunnitische Muslima. Die Identitäten der BF3 bis BF5 stehen fest.
Die minderjährigen BF haben eine rez. Hauterkrankung und rez. Infekte. Welche Therapie oder Medikamente sie benötigen, wurde im Befund nicht angegeben. Ansonsten sind die BF3 und die BF5 gesund und benötigen keine medizinische Behandlung.
Bei der BF4 wurde eine Aortenklappeninsuffizenz festgestellt, welche in Österreich bereits erfolgreich behandelt wurde. Die BF4 benötigt monatliche Kontrollen. Anhand der Anfragebeantwortung des ÖRK/ACCORD vom 22.08.2022 (Möglichkeit der Nachbehandlung einer erfolgreich behobenen Aortenklappeninsuffizienz im Raum römisch 40 ) wird festgestellt, dass in der kardiologischen Abteilung des Azadi Krankenhauses in römisch 40 Dienstleistungen zur Diagnose und Behandlung von Herzerkrankungen im Allgemeinen und Erkrankungen der Koronararterien im Besonderen angeboten werden. Labortests seien kostenlos in Zentren der primären Gesundheitsversorgung, Krankenhäusern und öffentlichen Labors erhältlich. Für kompliziertere Tests müsse ein Krankenhaus oder das Zentrallabor von Dohuk aufgesucht werden. Eine adäqaute Behandlung der BF4 ist somit im Irak verfügbar.
In Österreich leben zwei Brüder der BF2, es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis. Die volljährigen BF sind außer für ihre Kinder für niemanden sorgepflichtig.
Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten bzw. strafunmündig. Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet war und ist nicht nach Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF vor der Ausreise Schwierigkeiten aufgrund ihres Bekenntnisses zum sunnitischen Islam bzw. ethnischen Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe zu gewärtigen hatten.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.
Den BF droht im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine im Irak drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge, stammesbezogene Gewalt oder organisierte kriminelle Handlungen sowie willkürliche Gewaltausübung durch Sicherheitskräfte bei nicht gewalttätigen Protesten gegen die irakische Regierung.
Die erwachsenen BF haben keine ernsthaften Bemühungen zur Herstellung ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit unternommen und beziehen Grundversorgung. Der BF1 absolvierte Deutschkurse, Zertifikate oder Zeugnisse wurden nicht vorgelegt. Die BF sind in keinem Verein und keiner Organisation tätig. In ihrem Wohnhaus leisten die BF ehrenamtlichen Tätigkeiten, konkrete Aktivitäten wurden nicht bekannt gegeben. Es wurden keine Einstellungszusagen oder Haftungserklärungen vorgelegt. Die erwachsenen BF geben an, keine österreichischen Freunde zu haben. Die BF3 besucht den Kindergarten, der BF4 wurde ein Kindergartenplatz zugesichert.
Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung bzw. Verschlechterung in Bezug auf die den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person der BF gelegenen Umständen.
Die BF verfügen über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrem Herkunftsstaat sowie über weitreichende familiäre Anknüpfungspunkte und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft.
Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation der BF. Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
In Bezug auf die individuelle Lage der BF im Falle einer Rückkehr in den Irak konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.
Weiter konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in den Irak eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
römisch eins.1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung: 11.08.2022
In der vorliegenden Länderinformation wird für die irakischen Gebiete unter der direkten Kontrolle der Zentralregierung in Bagdad, ohne die Kurdistan Region Irak (KRI) auch der Begriff "föderaler Irak" verwendet, um die Zuordenbarkeit von Informationen, die einerseits den gesamten Irak (inkl. der KRI) und andererseits nur die Gouvernements unter der direkten Kontrolle Bagdads zu verdeutlichen.
In der vorliegenden Länderinformation erfolgt lediglich ein Überblick und keine erschöpfende Berücksichtigung der aktuellen COVID-19-Pandemie, weil die zur Bekämpfung der Krankheit eingeleiteten oder noch einzuleitenden Maßnahmen ständigen Änderungen unterworfen sind. Somit ist, insbesondere was die COVID-19-Maßnahmen anlangt, das Datum der jeweiligen Quelle zu beachten, und nicht nur das Aktualisierungsdatum des Kapitels.
Insbesondere können zum gegenwärtigen Zeitpunkt seriöse Informationen zu den Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitswesen, auf die Versorgungslage sowie auf die Bewegungs- und Reisefreiheit der Bürgerinnen und Bürger sowie generell zu den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und anderen Folgen nur eingeschränkt zur Verfügung gestellt werden.
Nebst dem separaten Kapitel zur COVID-19-Situation, das eine aktuelle Momentaufnahme bzw. einen Überblick bietet, finden sich darüber hinaus spezifische Informationen zur COVID-19-Lage und deren Auswirkungen in eigenen Abschnitten folgender Kapitel bzw. Unter-Kapitel der vorliegenden Länderinformation:
● Internet und soziale Medien
● Meinungs- und Pressefreiheit in der Kurdischen Region im Irak (KRI)
● Protestbewegung
● Vereinigungsfreiheit / Opposition in der Kurdischen Region im Irak (KRI)
● Haftbedingungen
● Kinder/ Bildungszugang
● Bewegungsfreiheit
● Grundversorgung und Wirtschaft
● Grundversorgung und Wirtschaft in Bagdad und im Südirak
● Grundversorgung und Wirtschaft im Zentral- und Nordirak
● Grundversorgung und Wirtschaft in der Kurdischen Region im Irak (KRI)
● Medizinische Versorgung
● Rückkehr
Wie in allen Länderinformationen wird bei staatlichen nationalen Institutionen in der Quellenangabe das Land in eckiger Klammer genannt. Aus Gründen der Stringenz geschieht dies auch, wenn aus dem Quellennamen das Land bereits eindeutig hervorgeht.
Im Hinblick auf offizielle Statistiken des Irak wird darauf hingewiesen, dass auch offizielle irakische Stellen bzw. deren zugängliche Veröffentlichungen immer noch veraltetes Zahlenmaterial anführen, da aufgrund der Post-Konflikt-Situation kein neueres empirisches Material generiert wurde. Viele, vor allem wirtschaftliche Zahlen und solche zu humanitären Fragen berufen sich auf Hochrechnungen basierend auf Umfragen sowie empirischen Untersuchungen, deren Ergebnisse je nach angewandter Methodik variieren können.
COVID-19
Letzte Änderung: 24.02.2022
Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle im Irak empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Website der WHO: https://www.who.int/countries/irq/, oder der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.
Föderal Irak
Auswirkungen auf die Bewegungs- und die Versammlungsfreiheit
Im März und April 2020 verhängte die Regierung in Bagdad Sperren aufgrund von COVID-19, welche die Bewegungsfreiheit zwischen den Provinzen stark einschränkten und zur Schließung der Grenzübergänge führten (FH 3.3.2021). Die im föderalen Irak am 9.6.2021 verhängte Ausgangssperre ist noch aktiv. Ausgangssperren gelten zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr und sind von Freitag bis Sonntag zusätzlich verschärft (IOM 18.6.2021).
Im April und Mai 2020 nutzten die Behörden im Irak die COVID-19-Maßnahmen, um Proteste niederzuschlagen und die Pressefreiheit, das Versammlungsrecht und die Aktivitäten der Opposition stark einzuschränken (FH 3.3.2021). Alle größeren Versammlungen bleiben verboten. Die Behörden halten auch an den vorgeschriebenen sozialen Distanzierungsprotokollen und der Verwendung von Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit fest (Garda 4.1.2022).
Nutzer sozialer Medien und Blogger wurden mit Verleumdungsklagen konfrontiert, weil sie die schlechte Reaktion der lokalen Behörden auf die COVID-19-Pandemie kritisierten (FH 3.3.2021).
Auswirkungen auf die Religionsfreiheit
Die Hadsch- und Umrah-Behörde registriert keinen Bürger, der die Umrah- und Hadsch-Pilgerreise antreten möchte, wenn dieser keinen Impfnachweis vorweisen kann (GoI 13.4.2021).
Auswirkungen auf die Wirtschaftslage
Die von den irakischen Behörden und der kurdischen Regionalregierung (KRG) verhängten Abriegelungen verschlimmerten die finanziellen Nöte von Niedriglohnarbeitern und Kleinunternehmern (FH 3.3.2021). Die Erwerbsbeteiligung im Irak war mit 48,7% im Jahr 2019 bereits vor der Ausbreitung des COVID-19-Virus eine der niedrigsten in der Welt. Der wirtschaftliche Abschwung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat die Beschäftigungsmöglichkeiten deutlich verringert und die Löhne gesenkt. Bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) wurde aufgrund der Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen ab April 2020 ein durchschnittlicher Beschäftigungsrückgang von 40% verzeichnet. Am stärksten betroffen waren KMUs im Baugewerbe und in der verarbeitenden Industrie, mit einem Verlust von 52% der Arbeitsplätze, gefolgt vom Lebensmittel- und Agrarsektor, mit einem Verlust von 45% der Arbeitsplätze (IOM 18.6.2021).
Seit dem Ausbruch der Corona-Krise haben staatliche Angestellte im gesamten Land keine regelmäßige und volle Gehaltsauszahlung erhalten (GIZ 1.2021b). Die irakische Regierung hat Schwierigkeiten, die Löhne und Gehälter der sechs Millionen im öffentlichen Sektor Angestellten zu zahlen. Millionen Menschen, die im privaten und informellen Sektor gearbeitet haben, haben ihren Arbeitsplatz und ihre Lebensgrundlage verloren. Nach Schätzungen von UNICEF und der Weltbankgruppe leben im Jahr 2020 schätzungsweise 4,5 Millionen Iraker unter die Armutsgrenze von 1,90 USD pro Tag (IOM 18.6.2021).
Auswirkungen auf die medizinische Versorgung
Die COVID-19-Pandemie hat das ohnehin schon marode irakische Gesundheitswesen stark in Mitleidenschaft gezogen, das mit der großen Zahl von Menschen, die sich mit dem Virus infiziert haben, nur schwer zurechtkommt (FH 3.3.2021).
Anfang 2020, zu Beginn der COVID-19-Krise, pausierten die Gesundheitseinrichtungen die meisten Dienstleistungen und konzentrierten sich auf die Erforschung des Virus und seine Auswirkungen. Im September 2020 nahm der öffentliche Gesundheitssektor seine Arbeit und seine Dienste wieder auf, mit zusätzlichen Vorschriften wie z. B., dass Krankenhäuser nur nach Terminvereinbarung aufgesucht werden dürfen, strengere Hygienemaßnahmen, und dass medizinisches Personal im Rotationsverfahren eingesetzt wird, was längere Wartezeiten zur Folge hat (IOM 18.6.2021).
Im Jahr 2021 arbeiteten sowohl der öffentliche als auch der private Gesundheitssektor fast wieder auf normalem Niveau, jedoch mit hohen Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19 auf Anweisung des irakischen Gesundheitsministeriums (MoH) (IOM 18.6.2021).
Auswirkungen auf den Bildungszugang
Als Sofortmaßnahme gegen die COVID-19-Pandemie hat das Bundesbildungsministerium Ende Februar 2020 alle Schulen im Irak schließen lassen (UNICEF 20.1.2021). Die Schulen waren von März bis November 2020 geschlossen. Kinder ohne Zugang zu digitalen Lernmöglichkeiten, insbesondere Kinder von Vertriebenen und in Armut lebenden Familien, sind besonders vom Bildungsverlust betroffen. Besonders hart betroffen sind jene Kinder, die bereits vor der Pandemie durch das Leben unter IS-Herrschaft mehrere Jahre an Bildungszugang verloren haben (HRW 13.1.2021). Ende November 2020 wurden die Schulen wieder geöffnet, mit einem Tag Präsenzunterricht pro Woche für jede Klasse (UNICEF 20.2.2021).
Auswirkungen auf die Bewegungs- und die Versammlungsfreiheit
Im April und Mai nutzten die Behörden die COVID-19-Maßnahmen, um Proteste niederzuschlagen und die Pressefreiheit, das Versammlungsrecht und die Aktivitäten der Opposition stark einzuschränken (FH 3.3.2021).
Kurdische Region im Irak (KRI)
Auswirkungen auf die Bewegungs- und die Versammlungsfreiheit
Die in der KRI eingeführten Maßnahmen unterscheiden sich oft von denen im föderalen Irak (IOM 18.6.2021).
Im März und April 2020 verhängte auch die Kurdische Regionalregierung (KRG) aufgrund von COVID-19 Abriegelungen, welche die Bewegungsfreiheit zwischen den Provinzen stark einschränkten und zur Schließung der internationalen Grenzen führten. Die KRG verhängte besonders harte und lange Abriegelungen im Laufe des Jahres 2020: die erste von März bis Mitte Mai, eine weitere Anfang Juni und eine weitere Anfang Juli (FH 3.3.2021).
Alle gesellschaftlichen Versammlungen und Feiern sind seit dem 30.3.2021 bis auf Weiteres verboten (IOM 18.6.2021; vergleiche Garde 4.1.2022). Jede Lokalität, die bei einem Verstoß gegen diese Regeln erwischt wird, wird für zehn Tage geschlossen und der Besitzer muss eine Geldstrafe von 1.000.000 IQD [559,59 Euro] zahlen. Restaurants und Cafés sollen ihre Dienstleistungen im Freien anbieten. Falls kein Platz im Freien zur Verfügung steht, muss die Anzahl der Gäste im Inneren begrenzt werden, Fenster und Türen müssen immer offen gehalten werden, und die Tische sollten in einem sozial sicheren Abstand zueinander stehen (nicht weniger als 2 Meter) (IOM 18.6.2021). Alle öffentlichen Räume, wie z. B. Märkte, Restaurants und Geschäfte, dürfen nicht ohne Masken betreten werden (IOM 18.6.2021; vergleiche Garde 4.1.2022). Für die Einwohner der KRI gilt Maskenpflicht und eine Abstandsregel von 1,5 Metern. Personen, die in öffentlichen Innenräumen keine Maske tragen, droht eine Geldstrafe von 20.000 IQD (Gov.KRD 30.6.2021).
Im April und Mai nutzten die Behörden die COVID-19-Maßnahmen, um Proteste niederzuschlagen, und die Pressefreiheit, das Versammlungsrecht und die Aktivitäten der Opposition stark einzuschränken (FH 3.3.2021).
Jede Bewegung ist innerhalb der KRI möglich und der Handel zwischen den Provinzen und autonomen Verwaltungen der Region geht weiter (IOM 18.6.2021). Der Verkehr zwischen der KRI und dem föderalen Irak KRI ist möglich, bleibt aber eingeschränkt, gemäß den Anweisungen des Gesundheitsministeriums der KRG (Gov.KRD 2021; vergleiche Garda 4.1.2022). Bei der Einreise in die KRI werden an den Grenzübergängen COVID-19-Tests durchgeführt, die einen negativen Befund ergeben müssen. Alle Reisenden, die in die KRI einreisen, müssen entweder einen vollständigen Impfschutz nachweisen oder einen negativen Test vorweisen, der nicht älter als 48 Stunden ist (Gov.KRD 2021; vergleiche Garda 4.1.2022).
Die Flughäfen der KRI sind in Betrieb. Alle abfliegenden und ankommenden Reisenden müssen nachweisen, dass sie längstens 72 Stunden vor Flugantritt negativ auf COVID-19 getestet wurden. Ausreisende Passagiere, die sich dem COVID-19-Test unterziehen wollen, müssen sich mit Reisepass, Gesichtsmaske und mindestens 100.000 IQD bei den von der Regierung bestimmten Kliniken einfinden; die Behörden akzeptieren nur irakische Währung als Zahlungsmittel. Die Testergebnisse liegen innerhalb von 24 bis 48 Stunden vor. Bei Reisenden, die den Test auf dem Flughafen bei der Ausreise machen wollen, kann es zu Verzögerungen kommen. Die Behörden nehmen Beamte, Geschäftsreisende und Touristen mit einem kurzen Aufenthalt aus (Garda 4.1.2022).
Auswirkungen auf die Religionsfreiheit
Moscheen, Kirchen und andere Gebetsstätten sind offen und dürfen unter strengen Richtlinien Pflichtgebete abhalten (Gov.KRD 30.6.2021; vergleiche IOM 18.6.2021). Alle Angestellten müssen sich entweder Impfen lassen oder alle 72 Stunden einen COVID-Test durchführen. Einrichtungen, die sich nicht an die Vorgaben halten, werden geschlossen (Gov.KRD 30.6.2021). Das Freitagsgebet darf längstens eine halbe Stunde dauern und Personen dürfen Moscheen nur mit Maske betreten. Die Führer der Religionsgemeinschaften müssen bei der Verbreitung des Gesundheitsbewusstseins und der Leitlinien des Gesundheitsministeriums mitwirken (Gov.KRD 2021).
Begräbnisfeiern mit Gästen sind verboten (Gov.KRD 2021; vergleiche Garda 4.1.2022). Verstöße werden mit einer Geldstrafe von 2.000.000 IQD geahndet (Gov.KRD 2021). Das Verbot gilt auch für Hochzeitsfeiern (Garda 4.1.2022).
Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit
Das Verbreiten von Desinformation in den sozialen Medien ist gerichtlich strafbar (Gov.KRD 2021).
Auswirkungen auf die medizinische Versorgung
Einer Studie zufolge hatte die Mehrheit der Binnenvertriebenen (IDPs) und Rückkehrer in der KRI im Berichtszeitraum von Juli bis September 2020 Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung (IOM 18.6.2021). In allen Gouvernements der KRI wurden spezielle Gesundheitszentren eingerichtet, die bei der Erkennung und Behandlung von COVID-19-Infektionen helfen und die notwendige Versorgung gewährleisten sollen (Gov.KRD 2021).
Auswirkungen auf den Bildungszugang
In der KRI wurden die Schulen im März 2020 bis zum Ende des Schuljahres geschlossen (HRW 13.1.2021). Eltern konnten bis zum 31.10.2021 entscheiden, ob ihre Kinder physisch anwesend sein sollten, oder online unterrichtet werden sollten (Gov.KRD 2021).
Es besteht eine Impfpflicht für Lehrkräfte, die in den Ministerien für Bildung, für Höhere Bildung und wissenschaftliche Forschung angestellt sind. Ebenso müssen sich Schüler und Studenten ab dem Alter von 18 Jahren impfen lassen. Die Frist dafür war der 1.12.2021. Bei Nichteinhaltung drohen Disziplinarverfahren nach den allgemeinen Gesundheitsgesetzen (Gov.KRD 2021).
In den Universitäten werden Vorlesungen und Studiengänge unter Einhaltung der Gesundheitsrichtlinien fortgesetzt (Gov.KRD 2021).
politische Lage in der Kurdistan Region Irak (KRI)
Letzte Änderung: 11.08.2022
Die Kurdistan Region Irak (KRI) erhielt bereits 1991 de facto Autonomie (DFAT 17.8.2020, S.18) und ist als territoriale Entität in der irakischen Verfassung anerkannt (DFAT 17.8.2020, S.18; vergleiche Rudaw 20.11.2019). Artikel 141 besagt, dass die in der KRI seit 1992 erlassenen Rechtsvorschriften in Kraft bleiben und dass die von der Kurdischen Regionalregierung (KRG) erlassenen Beschlüsse als gültig betrachtet werden, sofern sie nicht im Widerspruch zur irakischen Verfassung stehen (DFAT 17.8.2020, S.18). Die KRI besteht aus den drei nördlichen Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah (DFAT 17.8.2020, S.18) sowie aus dem im Jahr 2014 durch Ministerratsbeschluss aus Sulaymaniyah herausgelösten Gouvernement Halabja, wobei dieser Beschluss noch nicht in die Praxis umgesetzt wurde (GIZ 1.2021a). Die Gewaltenteilung in der KRI steht auf dem Prüfstand, da die politische Macht eng mit den beiden führenden kurdischen Clans der Barzani (KDP) und der Talabani (PUK) verbunden ist (BS 23.2.2022, S.13).
Die KRI wird von einem Präsidenten mit weitreichenden exekutiven Befugnissen geführt. Der Entwurf der kurdischen Verfassung sieht alle vier Jahre Präsidentschaftswahlen vor und begrenzt die Amtszeit auf zwei Perioden. 2013 wurde jedoch die Amtszeit des vormaligen Präsidenten Masoud Barzani von der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) nach bereits achtjähriger Amtszeit aufgrund einer politischen Vereinbarung mit der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) verlängert (FH 28.2.2022). Der Präsident der KRI vertritt die KRI auf nationaler und internationaler Ebene und ist für die Beziehungen und die Koordinierung zwischen der Regierung der KRI und der Zentralregierung zuständig (DFAT 17.8.2020). Das kurdische Parlament besteht aus 111 Mitgliedern, die alle vier Jahre gewählt werden. Im aktuellen Parlament, das im November 2018 gewählt wurde, sind sechzehn Parteien und Listen vertreten. Insgesamt sind elf Parlamentssitze für ethnische und konfessionelle Minderheiten reserviert. Je fünf der Sitze sind für Turkmenen und Christen reserviert, einer für Armenier. Laut Gesetz müssen mindestens 30% der Sitze von Frauen gehalten werden (KP 2021; vergleiche DFAT 17.8.2020, S.18, FH 28.2.2022). Bei den letzten Wahlen vom September 2018 erzielte die regierende KDP 45 Sitze, die PUK 21, Gorran 12 und mehrere kleinere Parteien und Minderheitenvertreter verteilten sich auf den Rest. Gorran und andere kleinere Parteien lehnten das Wahlergebnis wegen Betrugsvorwürfen und anderer Unregelmäßigkeiten ab (FH 28.2.2022). Religiöse Einmischung in die Politik ist in der KRI weitgehend nicht existent (BS 23.2.2022).
Artikel 140 der irakischen Verfassung aus dem Jahr 2005 sieht eine Lösung der Frage um die sogenannten umstrittenen Gebiete, Regionen in den Gouvernements Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din vor (Rudaw 11.11.2020). Artikel 58 beinhaltet Maßnahmen, die darauf abzielen, die unter der Herrschaft von Saddam Hussein durchgeführte Arabisierungspolitik zu korrigieren (Rudaw 30.7.2019; vergleiche Rudaw 11.11.2020). Die Frage von Artikel 140 hätte bis spätestens 2007 durch ein Referendum geregelt werden sollen, bei dem die Einwohner des Gebietes entscheiden sollten, ob sie sich der Region Kurdistan anschließen oder an die föderale irakische Regierung gebunden bleiben wollten, wurde jedoch nie umgesetzt (Rudaw 11.11.2020). Im Juli 2019 stellt das Oberste Bundesgericht des Irak fest, dass Artikel 140 und Artikel 58 der Übergangsregierung (2005/2006) nach wie vor umzusetzen sind (Rudaw 30.7.2019). In einer Sitzung des Verfassungsausschusses haben einige schiitische Mitglieder die Meinung geäußert, dass Artikel 140 aus der Verfassung gestrichen werden sollte (Rudaw 11.11.2020).
Im Jahr 2017 hat die KRG zu einem Referendum über die Unabhängigkeit Kurdistans aufgerufen, welches vom irakischen Höchstgericht für verfassungswidrig erklärt wurde (GIZ 1.2021a; vergleiche FAZ 18.9.2017). Dieses Unabhängigkeitsreferendum, bei dem sich rund 93 % der Wähler für die Unabhängigkeit aussprachen, war angeblich durch Einschüchterung und Betrug beeinträchtigt (FH 3.3.2021; vergleiche SDZ 27.9.2017). Im Nachgang zum Unabhängigkeitsreferendum hat die irakische Armee die umstrittenen Gebiete, welche nach dem Zurückdrängen des Islamischen Staates (IS) unter kurdischer Kontrolle standen, im Herbst 2017 größtenteils wieder unter ihre Kontrolle gebracht (AA 25.10.2021, S.17-18). Dabei kam es im Oktober 2017 zu teils auch schweren bewaffneten Auseinandersetzungen mit Opfern auf beiden Seiten (AA 2.3.2020). Der langjährige Präsident der KRI, Masoud Barzani, der das Referendum mit Nachdruck umgesetzt hatte, trat als Konsequenz zurück (FH 28.2.2022; vergleiche GIZ 1.2021a). Das Präsidentenamt blieb daraufhin bis Mai 2019 vakant (FH 3.3.2021). Die Exekutivgewalt lag währenddessen in den Händen von Premierminister Nechirvan Barzani, seinem Neffen (FH 28.2.2022). Seither ist die Lage in den umstrittenen Gebieten generell angespannt. Es gibt Meldungen von Landbesetzungen und Vertreibung kurdischer Bevölkerungsteile durch Araber einerseits und großen Vorbehalten der dort lebenden Kurden und religiösen Minderheiten gegen die schiitischen PMF-Milizen andererseits (AA 25.10.2021, S.18).
Die Beziehungen zwischen dem Zentralirak und der KRI haben sich während der Amtszeit von Premierminister al-Kadhimi zwar verbessert, bleiben jedoch angespannt. Grund hierfür sind unter anderem die ausbleibenden, ungeklärten Transferleistungen aus dem Zentralirak, welche die finanzielle Lage der Bevölkerung in der KRI verschlechtern (AA 25.10.2021, S.6). Insbesondere die Verabschiedung eines Gesetzes, das die Festschreibung des KRI-Anteils am irakischen Gesamthaushalt an die die Überweisung von Öl- und Zolleinnahmen der KRI an den Zentralirak bindet, bleiben ein Streitpunkt (AA 25.10.2021, S.6). Am 12.11.2020 verabschiedete das irakische Parlament zudem ein Budget-Defizitgesetz in Abwesenheit der Vertreter der KRI, welche die Sitzung boykottierten. Die KRI wird darin aufgefordert ihre gesamten Einnahmen, insbesondere auch jene aus dem Ölsektor, an die Zentralregierung abzugeben, um vom Staatshaushalt zu profitieren (Kurdistan24 12.11.2020). Am 15.2.2022 hat das Oberste Bundesgericht das Öl- und Gasgesetz Nr. 22/2007 der KRG für verfassungswidrig erklärt und beschlossen, dass die KRG verpflichtet sei, die gesamte Ölproduktion aus den Ölfeldern in der KRI und aus anderen Gebieten, aus denen das Ministerium für Naturressourcen der KRG Öl gefördert hat, abzuliefern. Auch habe das irakische Ölministerium das Recht alle mit der KRG abgeschlossenen Ölverträge über den Export und den Verkauf von Öl und Gas zu überprüfen (RoI FSC 16.2.2022). Die KRG erklärte die Entscheidung für verfassungswidrig und hat angekündigt alle verfassungsmäßigen, rechtlichen und gerichtlichen Maßnahmen zu ergreifen, um alle im Öl- und Gassektor geschlossenen Verträge zu schützen und zu wahren (Gov.KRD 15.2.2022).
Dagegen verbesserte sich die Sicherheitskooperation im Kampf gegen den IS leicht (AA 25.10.2021, S.6). Zudem unterzeichneten Bagdad und Erbil im Oktober 2020 eine Übereinkunft zu Sinjar [Shengal], die sich eine rasche Verbesserung der Sicherheitslage und Klärung der Verwaltungsverantwortlichkeiten zum Ziel setzt (AA 22.1.2021, S.6). In Abstimmung mit der UN-Unterstützungsmission für den Irak (UNAMI) hat das Abkommen die föderale Regierung gestärkt und den Weg für den Wiederaufbau im Sinjar-Distrikt geebnet. Allerdings nehmen die Jesiden-Vertreter eine ablehnende Haltung ein, da sie in die Verhandlungen nicht einbezogen wurden. Das Abkommen sieht die Beseitigung der bewaffneten Gruppen in der Region vor, einschließlich der PKK und der PMF-Kräfte (Al Monitor 13.10.2020).
Nachdem die KRI 1991 ihre de-facto-Autonomie vom Irak Saddam Husseins erlangt hatte, hat sie sich zu einem politischen Duopol zurückentwickelt, das insbesondere von den beiden familienzentrierten Parteien, der KDP und der PUK, beherrscht wird (MEI 24.2.2021; vergleiche FH 3.3.2021, France24 22.2.2020). In der Region Kurdistan fehlt den demokratischen Institutionen die Kraft, den Einfluss der langjährigen Machthaber einzudämmen (FH 28.2.2022). Diese beiden Parteien kontrollieren die staatlichen Institutionen auf allen Ebenen, dazu das Militär und die inneren Sicherheitskräfte (MEI 24.2.2021). Beide verfügen auch über bewaffnete Einheiten (Peshmergas), die eigentlich unter dem gemeinsamen Kommando des Peshmerga-Ministeriums der KRG stehen sollten (BS 29.4.2020, S.7f; vergleiche AA 25.10.2021, S.9). Die KDP und die PUK haben die demokratischen Grundsätze der Regierungsbildung häufig untergraben (BS 29.4.2020, S.14), und versuchen, einen echten demokratischen Diskurs zu verhindern, indem sie den freien Zugang zu staatlichen Informationen einschränken, kritische Journalisten und politische Aktivisten verhaften und ihnen nahestehende Medienunternehmen finanzieren. Darüber hinaus beaufsichtigen sie ein weitverbreitetes Klientelsystem, das durch die Ölindustrie der Region und Budgettransfers der irakischen Regierung angeheizt wird, und das Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor an diejenigen vergibt, die als politisch loyal gelten, und Aufträge an parteinahe Unternehmen vergibt (MEI 24.2.2021). Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Sulaymaniyah. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018 (CRS 3.2.2020). In der KRI ist im Raum Erbil und Dohuk eine Oppositionsbewegung zur KDP kaum existent. In der Region um Sulaymaniyah und Halabja haben sich in den vergangenen Jahren auch Gruppen von der PUK abgewandt, allerdings ohne großen politischen Einfluss gewinnen zu können (AA 25.10.2021, S.10). Trotz Wählerverlustes konnte sich die PUK einflussreiche Ressorts sowohl in der KRG als auch in Bagdad sichern (BS 29.4.2020, S.14). Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad (GIZ 1.2021a; vergleiche ICG 27.3.2019). Nebst den beiden dominanten Parteien, KDP und PUK, sind insbesondere Gorran (Wandel), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert (KAS 2.5.2018, S.21; vergleiche WI 8.7.2019), sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien präsent (KAS 2.5.2018).
Auch nach dem Rücktritt von Präsident Masoud Barzani teilt sich die Barzani-Familie die Macht. Nechirvan Barzani, langjähriger Premierminister unter seinem Onkel Masoud, beerbte ihn im Amt des Präsidenten der KRI. Masrour Barzani, Sohn Masouds, wurde im Juni 2019 zum neuen Premierminister der KRI ernannt (GIZ 1.2021a; vergleiche FH 28.2.2022) und im Juli 2019 durch das kurdische Parlament bestätigt (CRS 3.2.2020).
Proteste in der KRI gehen auf das Jahr 2003 zurück. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind gleichgeblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018). Während der Massenproteste in Bagdad und dem Südirak im Herbst 2019 blieb es in der Kurden-Region ruhig. 2017 und 2018 waren zuvor Proteste in der KRI niedergeschlagen worden (BAMF 5.2020, S.10), wobei es sogar, etwa 2017 in Sulaymaniyah, Todesopfer zu beklagen gab (France24, 22.2.2020). Wegen der verschlechterten Wirtschaftslage, hoher Arbeitslosigkeit und des Mangels an Strom- und Wasserversorgung kommt es auch in der KRI zu lokal begrenzten Protesten und Demonstrationen (AA 25.10.2021, S.5). Von Mai bis Oktober 2020 hatten etwa Aktivisten und Lehrer in der Region Dohuk Proteste organisiert, um die von den Behörden verzögerte Auszahlung der Gehälter zu fordern. Es kam auch zu Festnahmen. Infolge verurteilte ein Gericht in der KRI am 16.2.2021 in einem als äußerst fehlerhaft kritisierten Verfahren drei Journalisten und zwei Aktivisten zu sechs Jahren Gefängnis (HRW 22.4.2021). Und im Dezember 2020 wurden bei gewaltsamen Protesten acht Menschen getötet und hunderte verletzt. Anlass waren die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und (wiederum) die Nichtauszahlung von Gehältern im öffentlichen Dienst. In Ortschaften jenseits der größeren Städte und in Sulaymaniyah wurden die Büros diverser Parteien in Brand gesteckt. Die Regierung nahm Organisatoren der Proteste fest und schloss einen Fernsehsender, der über die Demonstrationen berichtete (MEI 24.2.2021; vergleiche Al Jazeera 8.12.2020).
Sicherheitslage
Sicherheitslage in der Kurdistan Region Irak (KRI)
Letzte Änderung: 22.08.2022
In der Kurdistan Region Irak (KRI) üben die kurdischen Kräfte das Monopol auf die Anwendung legitimer Gewalt in städtischen Gebieten aus. Die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) betreibt illegale Kontrollpunkte in den Grenzgebieten innerhalb der KRI, insbesondere im Sinjar-Gebirge, und erhebt Steuern von Einwohnern, einschließlich Landwirten und Viehhaltern (BS 23.2.2022). Die PKK ist in den Qandil Bergen (Erbil) präsent (WKI 11.5.2021). 2007 haben die Türkei und die Zentralregierung in Bagdad eine Vereinbarung getroffen, dass die Türkei Kämpfer der verbotenen PKK über die gebirgige Grenze in den Nordirak verfolgen darf, ohne zuvor die Erlaubnis der irakischen Regierung in Bagdad einholen zu müssen (Reuters 28.9.2007). Die Türkei führt im Nordirak zum Teil massive militärische Operationen gegen die PKK durch (GIZ 1.2021a). Seit 2018 hat die Türkei mehrere Militäroperationen auf KRI-Boden ausgeführt. Von August 2018 bis Mai 2019 fand die "Operation Resolve" statt (Clingendael 3.2022). Von Mai 2019 bis Juni 2020 führten die türkischen Streitkräfte die "Operation Claw" durch (FH 3.3.2021; vergleiche Clingendael 3.2022) und errichteten mehrere temporäre Militärstützpunkte, vorgeblich, um die eigene Grenzsicherheit zu erhöhen (FH 3.3.2021; vergleiche GIZ 1.2021a). Weitere Militäroperationen sind "Claw-Tiger", "Claw-Eagle" und "Claw-Thunder", von Juni 2020 bis heute (Clingendael 3.2022). Die Türkei hat eine etwa 25 km tiefe Sicherheitszone errichtet (WKI 11.5.2021) und verfügt über mindestens 41 Militärstützpunkte in der KRI (WKI 11.5.2021; vergleiche BS 23.2.2022). Die Gründung weiterer Militärstützpunkte ist geplant (Reuters 18.6.2020). Durch die Einrichtung dieses Netzes von Militärstützpunkten soll die Handlungsfreiheit der PKK eingeschränkt werden. Die Stützpunkte dienen auch als Startpunkte für Such- und Zerstörungsoperationen durch mobile Bodentruppen und Lufteinheiten (Clingendael 3.2022). Seit Beginn der jüngsten Militäroperation "Claw Lock" wurden vier weitere Stützpunkte, zwei in Avashin und zwei in Zap, errichtet. Am 16.6.2022 wurde außerdem mit dem Bau eines neuen Stützpunktes auf dem Berg Kurazharo oberhalb von Shiladze begonnen (CPT 30.6.2022).
Zuvor hatte die Türkei im April 2021 eine neuerliche Militäroperation gegen die PKK in den Gebieten von Metina, Avasin und Basyan, im Gouvernement Dohuk eingeleitet (Al Jazeera 16.8.2021; vergleiche FAZ 24.4.2021, Rudaw 24.4.2021). Ein Ziel der Operation war es, eine Militärbasis zu errichten, um die Bewegungen der PKK zwischen der KRI, der Türkei und Syrien zu unterbinden (Rudaw 5.5.2021). Das Gebiet von Metina, wo eine neue türkische Basis entstehen soll, steht im Mittelpunkt der Operation "Claw Lightning", während die "Operation Claw Thunder" auf die Gebiete Avashin und Basyan weiter östlich zielt (IKHRW o.D.). Die jüngste türkische Militärkampagne namens "Claw Lock" hat am 17.4.2022 begonnen. Ziel ist es die vollständige militärische Kontrolle über die gebirgige Grenzregion zu erlangen, die sich etwa 180 km von Osten nach Westen und bis zu 15 km südlich der irakisch-türkischen Grenzlinie erstreckt. Die Kampagne hat mit massiven Luftangriffen und dem Einsatz von Spezialeinheiten bis zu 12-15 km südlich der türkisch-irakischen Grenze in den Gebieten von Zap und Avashin, die zuvor von der Zivilbevölkerung geräumt worden waren, begonnen. Es wurden auch gezielte Drohnenangriffe gegen PKK-Mitglieder bis nach Kalar, 280 km von der irakisch-türkischen Grenze entfernt durchgeführt. Bei zwei Drohnenangriffen kamen Zivilisten ums Leben, darunter ein Kind. Insgesamt sind zwischen 21.5. und 21.6.2022 drei Kinder und zwei erwachsene Zivilisten getötet worden, 15 Zivilisten wurden verletzt (CPT 30.6.2022).
Obwohl die unmittelbar an die türkisch-irakische Grenze angrenzenden Gebiete nur dünn besiedelt sind, wirkt sich die Ausweitung der türkischen Operationen nach Süden zunehmend negativ auf das Leben der irakischen (kurdischen) Bewohner aus. Türkische Drohnen- und Artillerieangriffe fordern immer mehr zivile Opfer, zerstören ziviles Eigentum und Vieh und zwingen die Dorfbewohner, ganze Gebiete zu verlassen (Clingendael 3.2022).
Die folgende Karte zeigt einen Überblick über die militärische Präsenz der Türkei im Nordirak im Januar 2022:
Clingendael 3.2022
Nachdem die Bedrohung durch den Islamischen Staat (IS) zurückgegangen war, begannen die Peshmerga-Truppen der kurdischen Regionalregierung (KRG) mit Versuchen, die PKK aus der Region zu vertreiben. Die Spannungen eskalierten nach der Ermordung eines kurdischen Grenzbeamten, angeblich durch die PKK. Inzwischen setzt die PKK ihre Angriffe auf eine wichtige Pipeline und auf Peshmerga-Soldaten fort (BS 23.2.2022).
Der IS greift in der KRI gelegentlich an und sucht nach günstigen Gelegenheiten für Angriffe (Wing 3.5.2021). Der IS hat die Taktik geändert, von groß angelegten zu kleineren und gezielten Angriffen. Dabei hat der IS seine Angriffe auch auf kurdische Sicherheitskräfte verstärkt (VOA 11.5.2021). Der IS teste auch im November und Dezember 2021 die Sicherheit in der KRI mit Angriffen in Sulaymaniyah und Erbil (Wing 4.1.2022).
Die folgende Karte des Amts für Statistik der Kurdistan Region Irak weist die kurdischen Gouvernements und deren Distrikte aus. [Anm.: Hierbei ist zu beachten, dass auch Distrikte inkludiert sind, die zu den umstrittenen Gebieten zählen aber bis zu einem gewissen Grad unter kurdischer Verwaltung stehen. Dazu zählen in Dohuk die Distrikte Akre, Bardarash und Shekhan, in Erbil der Distrikt Makhmour und zum Teil der Distrikt Mergasor, sowie in Sulaymaniyah die Distrikte Khanaqin und Kifri.]
Gov.KRD MoP 2022
Gouvernement Erbil
Im Februar 2021 wurde ein sicherheitsrelevanter Vorfall (Raketenbeschuss des Flughafen Erbil, der pro-iranischen Milizen zugeschrieben wird) mit zwei Toten und acht Verletzten verzeichnet (Wing 8.3.2021). Im April 2021 wurde ein sicherheitsrelevanter Vorfall (Drohnenangriff auf den Flughafen Erbil, der ebenfalls pro-iranischen Milizen zugeschrieben wird) ohne Opfer verzeichnet (Wing 3.5.2021). Im Mai 2021 wurde ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit je einem Toten und Verletzten verzeichnet, der dem IS zugeordnet wird. Beide Opfer waren Peshmerga (Wing 7.6.2021). Im Juni 2021 wurden zwei sicherheitsrelevante Vorfälle mit einem Toten und drei Verletzten verzeichnet. Je ein Vorfall wird pro-iranischen Milizen und dem IS zugeschrieben (Wing 6.7.2021). Im Juli 2021 waren es vier sicherheitsrelevante Vorfälle mit einem Todesfall. Je zwei Vorfälle werden pro-iranischen Milizen und dem IS zugeschrieben (Wing 2.8.2021). Am 6.7.2021 wurde der Luftwaffenstützpunkt am Flughafen in Erbil mit Raketen beschossen (Al Monitor 7.7.2021). Am 24.7.2021 traf ein Drohnenangriff die Al-Harir Militärbasis (Wing 2.8.2021). Im August wurden sieben sicherheitsrelevante Vorfälle (Schießereien, Entführungen, und Angriffen auf Kontrollpunkte und auf Dörfer, die dem IS zugeschrieben werden) mit einem Toten und fünf Verletzten im südlich gelegenen Distrikt Makhmour, welcher zu den sogenannten "umstrittenen Gebieten" zählt, verzeichnet (Wing 6.9.2021). Im September 2021 wurden sieben Vorfälle mit je neun Toten und Verletzten verzeichnet. Ein Vorfall, eine Drohnenattacke auf den Flughafen in Erbil wird pro-iranischen Milizen zugeschrieben, bei den übrigen sechs Vorfällen war der IS involviert (Wing 4.10.2021). Im Dezember 2021 wurden fünf sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten und sechs Verletzten verzeichnet. Für alle Angriffe wurde der IS verantwortlich gemacht. Bei den Schießereien, zwei davon waren Angriffe auf Dörfer, wurden zwei Zivilisten getötet und fünf verletzt. Die übrigen Opfer waren Angehörige der Peshmerga und ein Angehöriger der Irakischen Sicherheitskräfte (ISF) (Wing 4.1.2022).
Im Februar 2022 wurde ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit drei Verletzten verzeichnet (Wing 3.3.2022). Drei Peshmerga wurden durch IS-Heckenschützen in der Region des Berges Qarachokh verwundet (NRT 4.2.2022). Auch im März 2022 wurde ein sicherheitsrelevanter Vorfall verzeichnet, mit einem Verletzten (Wing 6.4.2022). Die iranischen Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) haben sich zu einem Raketenangriff bekannt, bei dem zwölf Raketen nahe dem US-Konsulat niedergegangen sind. Der Angriff wird als Vergeltung für einen Luftschlag nahe Damaskus in Syrien gesehen, bei dem zwei Angehörige der IRGC getötet wurden (NRT 13.3.2022). Auch im April 2022 wurde nur ein sicherheitsrelevanter Vorfall verzeichnet (Wing 11.5.2022). Es handelte sich dabei um einen Raketenangriff auf eine Ölraffinerie westlich von Erbil, der pro-iranischen Milizen zugeschrieben wird (Rudaw 6.4.2022). Auch im Mai 2022 wurde ein Vorfall ohne Opfer verzeichnet, der pro-iranischen Milizen zugeschrieben wird (Wing 6.6.2022). Im Juni 2022 war es ein Vorfall mit drei Verletzten. Auch dieser wird pro-iranischen Milizen zugeschrieben (Wing 6.7.2022).
Der Datenbank von ACLED zufolge wurden im Gouvernement Erbil im Jahr 2021 604 Vorfälle verzeichnet, in der ersten Hälfte des Jahres 2022 waren es 202.
Im Distrikt Erbil wurden im Jahr 2021 51 Vorfälle verzeichnet. Davon waren 30 friedliche Demonstrationen, während fünf weitere Demonstrationen durch gewaltlose Intervention von Sicherheitskräften verhindert oder beendet wurden. Bei vier Vorfällen waren die Internationale Koalition gegen Daesh und die USA das Ziel von Drohnenangriffen oder Raketenbeschuss. Es wurden außerdem drei Vorfälle von gezielten Angriffen auf Zivilisten verzeichnet. Bei einem davon handelte es sich um die Ermordung eines Anführers der Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (PJAK). Im Jahr 2022 wurden im Distrikt Erbil 25 Vorfälle verzeichnet. Bei 16 davon handelte es sich um Demonstrationen von denen 14 als friedlich kategorisiert wurden, eine als mit Intervention und eine als Protest mit Einsatz exzessiver Gewalt gegen Demonstranten. Dabei wurde eine Straßenblockade von Händlern unter Einsatz scharfer Munition aufgelöst, ohne dass jedoch Opfer verzeichnet wurden (ACLED 2022).
Im östlichen, an den Iran angrenzenden Distrikt Choman wurden drei Vorfälle verzeichnet, bei denen IEDs und Kriegsrelikte detonierten. Dabei wurden zwei Bauern getötet (ACLED 2022).
Im Distrikt Koya wurden drei Vorfälle verzeichnet, wobei es sich um Kampfhandlungen zwischen der türkischen Armee und der PKK handelte (ACLED 2022).
Im umstrittenen Distrikt Makhmour wurden 2021 61 Vorfälle verzeichnet, von denen 38 mit dem IS zu tun hatten, darunter bewaffnete Auseinandersetzungen und Luftschläge der Internationalen Koalition gegen Daesh, aber auch drei Angriffe auf und zwei Entführungen von Zivilisten durch den IS. Im Jahr 2022 waren es 30 Vorfälle. Bei Elf handelt es sich um Zusammenstöße zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften (ISF), bei fünf um Vorfälle im Zusammenhang mit dem Türkei-PKK-Konflikt und bei 13 um friedliche Proteste (ACLED 2022).
Im nördlichen Distrikt Mergasor wurden im Jahr 2021 264 Vorfälle verzeichnet und im Jahr 2022 24. Bei allen diesen Vorfällen handelt es sich um Kampfhandlungen zwischen der türkischen Armee und der PKK, vereinzelt auch der PJAK. In al-Zibar im Distrikt Mergasor wurden im Jahr 2021 19 Vorfälle verzeichnet und im Jahr 2022 bislang zwei. Bei allen Vorfällen handelte es sich um Zwischenfälle, vor allem Luft-/Drohnenangriffe und Artillerie- und Raketenbeschuss der türkischen Armee gegen Stellungen der PKK. In al-Zibar im Distrikt Mergasor wurden im Jahr 2021 19 Vorfälle verzeichnet und im Jahr 2022 bislang einer. Auch hierbei handelte es sich um Kampfhandlungen, insbesondere zwischen der türkischen Armee und der PKK (ACLED 2022).
Im Distrikt Rawanduz wurden im Jahr 2021 189 Vorfälle verzeichnet, von denen 149 im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen der türkischen Armee und der PKK auf irakischem Boden in Verbindung stehen. Bei 16 weiteren Vorfällen handelt es sich um iranische Interventionen (Luft-/Drohnenangriffe, sowie Artillerie- und Raketenbeschuss) gegen Elemente der PJAK im August und September des Jahres. Im Jahr 2022 waren es 116 Vorfälle, von denen 109 durch den Türkei-PKK-Konflikt verursacht wurden (ACLED 2022).
Im Distrikt Shaqlawa wurden 15 Vorfälle verzeichnet. Es handelte sich dabei zumeist um Kampfhandlungen der Internationalen Koalition gegen Daesh gegen den IS (ACLED 2022).
Im Distrikt Soran wurden fünf Vorfälle verzeichnet, wobei es sich bei zweien um Gewalt gegen Zivilisten durch Unbekannte handelte. Beide Male wurden Zivilisten nahe, bzw. vor der Universität von Soran beschossen, wobei eine Person ums Leben kam, drei wurden verwundet (ACLED 2022).
Anmerkung, Die Kategorie "Strategische Entwicklungen" umfasst z.B. Truppenbewegungen, die Etablierung von Checkpoints, Korridoren und Brücken, die Zerstörung von Unterschlupfen von Aufständischen (IS) und Waffenlagern, Entminung und Entschärfungen von Sprengsätzen und Vorfälle von Beschädigung von Eigentum ohne Opfer, etc.).
Im Gouvernement Erbil, unterteilt in die Distrikte Erbil, Choman, Koya, Mergasor, Rawanduz, Shaqlawa und Soran, sowie den umstrittenen Distrikt Makhmour wurden 2021 13 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten angegriffen wurden (Kategorie "violence against civilians") verzeichnet, sowie 22 Vorfälle, bei denen Zivilisten zu Betroffenen gehörten, z.B. durch IEDs, Luft-/Drohnenangriffe, etc.. 2022 waren es bis Juni drei Vorfälle (Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann).
Zivilisten als Ziele oder Opfer von Gewalt (davon Entführungen):
Gouvernement Dohuk
Für April 2021 hat der Irakexperte Joel Wing einen sicherheitsrelevanten Vorfall mit einem toten türkischen Soldaten und einem verwundeten Zivilisten verzeichnet (Wing 3.5.2021). Ein hochrangiger Sicherheitsbeamter aus Dohuk berichtet, dass im Zuge einer türkischen Militäroperation der Ort Zinare Kesta und nahe gelegene Dörfer in der Region Metina bombardiert wurden (Rudaw 24.4.2021). Das Dorf Zinare Kesta wurde im Mai 2021 aufgrund der schweren türkischen Bombardements vollständig evakuiert (Rudaw 5.5.2021).
Im April 2022 wurden zwei sicherheitsrelevante Vorfälle ohne Opfer verzeichnet (Wing 11.5.2022). Beide Vorfälle, darunter ein Raketenbeschuss eines türkischen Militärlagers, werden pro-iranischen Milizen zugeschrieben (Wing 11.5.2022).
Der Datenbank von ACLED zufolge gab es im Gouvernement Dohuk im Jahr 2021 1.543 Vorfälle, in der ersten Hälfte des Jahres 2022 waren es 1.408. Nimmt man die umstrittenen Distrikte Akre, Bardarash und Shekhan dazu, kommen 2021 63 und 2022 18 Vorfälle dazu.
Im Distrikt Amediya wurden im Jahr 2021 1.405 Vorfälle verzeichnet. Bei 1.387 dieser Vorfälle handelte es sich um Kampfhandlungen zwischen der türkischen Armee und der PKK, sowie der PJAK und in zwei Fällen der People's United Revolutionary Movement (HBDH). Zwischen Februar und Juni 2021 wurden fünf Vorfälle verzeichnet, die sich auf die Vertreibung von hunderten Zivilisten beziehen, die vor den anhaltenden Bombardements und Kampfhandlungen während der türkischen Operationen Claw-Lightning und Claw-Thunderbolt geflohen sind. Bei sieben weiteren Vorfällen waren Zivilisten von türkischen Luft-/Drohnenangriffen oder Artillerie- und Raketenbeschuss betroffen. Nur ein Vorfall wird mit dem IS in Verbindung gebracht. In Fünf Fällen kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Peshmerga und Angehörigen der PKK. Im Jahr 2022 wurden 1.383 Vorfälle verzeichnet, von denen 1.362 auf den Konflikt zwischen der Türkei und der PKK zurückgehen. Bei vier Vorfällen kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Peshmerga und Angehörigen der PKK. In drei Vorfällen waren Zivilisten indirekt von Kampfhandlungen betroffen, wobei es Todesfälle und Verletzte gab (ACLED 2022).
Im Distrikt Dohuk wurden im Jahr 2021 19 Vorfälle verzeichnet. Sechs der Vorfälle stammen aus dem Türkei-PKK-Konflikt. Bei 13 der verzeichneten Vorfälle handelte es sich um friedliche Demonstrationen. Im Jahr 2022 wurden es fünf Vorfälle verzeichnet, darunter drei Vorfälle von gezielter Gewalt gegen Zivilisten (ACLED 2022).
Im Distrikt Semile wurden im Jahr 2021 zwei Vorfälle verzeichnet, bei denen PKK-Angehörige bei einem IED-Anschlag gegen Sicherheitspersonal in einem IDP-Lager Kinder getötet haben (ACLED 2022).
Im Distrikt Zaxo wurden im Jahr 2021 116 Vorfälle verzeichnet, von denen 113 mit Kampfhandlungen des Türkei-PKK-Konflikts in Zusammenhang stehen. Im Jahr 2022 waren es 20 Vorfälle von denen 18 Kampfhandlungen zwischen der türkischen Armee und der PKK betrafen. Bei einem der Vorfälle beschoss die PKK eine Medienagentur (ACLED 2022).
Im umstritten Distrikt Akre wurden 2021 57 Vorfälle verzeichnet, von denen 55 Luft-/Drohnenangriffe der türkischen Armee gegen die PKK ausmachten. Bei den übrigen beiden handelte es sich um einen IED-Angriff der PKK gegen eine Peshmerga-Patrouille und um einen Vorfall, bei dem die PKk das Haus eines Zivilisten anzündete, der sich weigerte sie aufzunehmen. 2022 wurden 16 Vorfälle verzeichnet, von denen 15 im Zusammenhang mit dem Türkei-PKK-Konflikt stehen (ACLED 2022).
Im umstrittenen Distrikt Bardarash wurden 2021 und 2022 je zwei Vorfälle verzeichnet. Darunter die Ermordung eines Peshmerga außer Dienst und eine friedliche Demonstration (ACLED 2022).
Im umstrittenen Distrikt Shekhan wurden 2021 drei Vorfälle verzeichnet, von denen zwei mit dem Türkei-PKK-Konflikt in Verbindung standen (ACLED 2022).
Im Gouvernement Dohuk, unterteilt in die Distrikte Amediya, Dohuk, Semile, Zaxo, Akre (umstritten), Bardarash (umstritten) und Shekhan (umstritten) wurden 2021 vier Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten angegriffen wurden (Kategorie "violence against civilians"), sowie 13 Vorfälle, bei denen Zivilisten zu Betroffenen gehörten, z.B. durch IEDs, Luft-/Drohnenangriffe, etc., verzeichnet. 2022 waren es bis Juni sechs Vorfälle von gezielter Gewalt gegen Zivilisten, sowie drei weitere bei denen Zivilisten betroffen waren (Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann).
Zivilisten als Ziele oder Opfer von Gewalt (davon Entführungen):
Gouvernement Sulaymaniyah
Im Jänner 2021 wurden zwei sicherheitsrelevante Vorfälle mit einem Toten und drei Verletzten verzeichnet. Beide Vorfälle werden dem IS zugeschrieben (Wing 4.2.2021). Im April 2021 wurden neuerlich zwei sicherheitsrelevante Vorfälle, diesmal ohne Opfer, verzeichnet. Je ein Vorfall wird pro-iranischen Milizen und dem IS zugeschrieben (Wing 3.5.2021). Im September 2021 wurde ein Vorfall unter Beteiligung des IS verzeichnet, bei dem zwei Zivilisten starben und vier weitere verletzt wurden (Wing 4.10.2021). Im November 2021 wurden fünf sicherheitsrelevante Vorfälle mit sechs Toten und sieben Verletzten verzeichnet, die dem IS zugeschrieben werden. Alle Opfer waren Angehörige der Peshmerga (Wing 6.12.2021).
Im April 2022 wurde ein sicherheitsrelevanter Vorfall ohne Opfer verzeichnet, der dem IS zugeschrieben wird (Wing 11.5.2022). Ebenso im Mai 2022 (Wing 6.6.2022). Im Juni 2022 wurden drei sicherheitsrelevante Vorfälle mit zwei Verletzten Verzeichnet. Anders als in den Vormonaten werden diese Vorfälle pro-iranischen Milizen zugeschrieben. Es handelte sich dabei um Raketenangriffe auf das Khor-Mor-Erdgasfeld, die als Einschüchterungsversuche gegen die Patriotische Union Kurdistans (PUK) in Hinblick auf die Gespräche zur Regierungsbildung gesehen werden (Wing 6.7.2022).
Zwischen dem 1.10.2021 und dem 31.1.2022 wurden in Sulaymaniyah 85 Demonstrationen verzeichnet, von denen 77 verliefen friedlich, während es bei vieren zu Interventionen der Sicherheitskräfte kam, wobei zweimal auch Tränengas eingesetzt wurde, um die Demonstranten zu zerstreuen. Vier weitere Demonstrationen werden als gewalttätig kategorisiert. Am 23.11.2021 kam es bei einer Studentendemonstration zu einem Zusammenstoß mit der Polizei, die scharfe Munition einsetzte. Die Studenten setzten die Zentralen der Partei der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) und der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) sowie das Gebäude von Rudaw TV in Brand. Am Tag darauf, den 24.11.2021 wurden zwei gewalttätige Proteste in Saidsadiq verzeichnet, wobei brennende Straßensperren errichtet und auch das Hauptquartier der Gorran Bewegung in Brand gesetzt wurde. Auch bei einer weiteren Demonstration in Ziriyan in Halabja wurden brennende Straßensperren errichtet. Es wurden bei den Protesten jedoch keine Todesopfer verzeichnet (ACLED 2022).
Der Datenbank von ACLED zufolge gab es im Gouvernement Sulaymaniyah im Jahr 2021 234 Vorfälle, in der ersten Hälfte des Jahres 2022 waren es 90.
Die weitaus größte Kategorie an Vorfällen im Jahr 2021 sind "friedliche Demonstrationen", wovon 148 verzeichnet wurden, gefolgt von 26 Luft-/Drohnenangriffe der türkischen Armee gegen Stellungen der PKK. Davon betrafen neun den Distrikt Pshdar, je sechs die Distrikte Penjwen und Ranya, drei den Distrikt Mawat und zwei den Distrikt Sharbazher. Auch im Jahr 2022 waren friedliche Demonstrationen mit 60 der weitaus größte Anteil der verzeichneten Vorfälle. Bei einem Vorfall handelte es sich um einen Luft-/Drohnenangriff der türkischen Armee (ACLED 2022).
Im Gouvernement Sulaymaniyah, unterteilt in die Distrikte Chamchamal, Darbandokeh, Dokan, Kalar, Mawat, Penjwen, Pshdar, Qaradagh, Ranya, Saidsadiq, Sharazur, Sharbazher und Sulaymaniyah wurden, inklusive Halabja 2021 14 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten angegriffen wurden (Kategorie "violence against civilians"), sowie 15 Vorfälle, bei denen Zivilisten zu Betroffenen gehörten, z.B. durch IEDs, Luft-/Drohnenangriffe, etc., verzeichnet. 2022 waren es bis Juni fünf Vorfälle (Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann). [Anm.: Die beiden umstrittenen Distrikte Khanaqin und Kifri werden im Gouvernement Diyala behandelt.]
Zivilisten als Ziele oder Opfer von Gewalt (davon Entführungen):
Allgemeine Menschenrechtslage in der Kurdistan Region Irak (KRI)
Letzte Änderung: 12.08.2022
Es gibt eine unabhängige kurdische Menschenrechtskommission, die sich aber auf die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen beschränkt. Sie kann selten eine volle Aufklärung oder gar Ahndung von Menschenrechtsverletzungen gewährleisten (AA 25.10.2021, S.21).
Sicherheitskräfte der Kurdischen Regionalregierung (KRG) wie Peshmerga und Asayish verstoßen bisweilen gegen die Gesetze (USDOS 12.4.2022).
Kurdischen Sicherheitskräften werden Gewalt, Drohungen und willkürliche Inhaftierung von Journalisten und Medienvertretern vorgeworfen (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Es gibt auch Vorwürfe von willkürlichen Verhaftungen, sowie von Missbrauch und Folter von Gefangenen und Häftlingen (USDOS 12.4.2022). Es liegen keine zuverlässigen Statistiken über die Anzahl solcher Vorfälle vor (USDOS 30.3.2021). Peshmerga und Asayish wird vorgeworfen, Vorschriften selektiv umzusetzen, auch aus ethno-konfessionellen Gründen. Die Vorwürfe umfassen auch Erpressung und die Verweigerung einer Rückkehr von Zivilisten in ihre Heimat, insbesondere sunnitischer Araber sowie Angehöriger ethno-konfessioneller Minderheiten (USDOS 12.4.2022).
Es besteht quasi Straffreiheit für Regierungsbeamte und Sicherheitskräfte, einschließlich bestimmter Einheiten der kurdischen Sicherheitsdienste, wie der Asayish (USDOS 12.4.2022).
Ethnische und religiöse Minderheiten
Letzte Änderung: 12.08.2022
Die genaue ethno-konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung des Iraks ist unklar, da die letzten Volkszählungen manipulativ waren und beispielsweise nur die Angaben "Araber" und "Kurde" zuließen. Andere Bevölkerungsgruppen wurden so statistisch marginalisiert. Laut Schätzungen teilen sich die Einwohner Iraks folgendermaßen auf: in etwa 75-80 % Araber, 15-20 % Kurden und etwa 5 %, Tendenz fallend, Minderheiten, zu denen unter anderem Assyrer, Armenier, Mandäer/Sabäer und Turkmenen zählen (GIZ 1.2021c).
Die wichtigsten ethno-konfessionellen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60-65 % der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17-22 %) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15-20 %) (AA 25.10.2021).
Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Religiöse Minderheiten können im Alltag jedoch gesellschaftliche Diskriminierung erfahren. Übergriffe werden selten strafrechtlich geahndet. Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Kurdistan Region Irak (KRI), oft benachteiligt. Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten im Zentralirak faktisch unter weitreichender Diskriminierung. Der irakische Staat, unter der Verwaltung von Bagdad, kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen (AA 25.10.2021). Mitglieder bestimmter ethnischer oder religiöser Gruppen erleiden in Gebieten, in denen sie eine Minderheit darstellen, häufig Diskriminierung oder Verfolgung, was viele dazu veranlasst, Sicherheit in anderen Stadtteilen oder Gouvernements zu suchen (FH 28.2.2022). Es gibt Berichte über rechtswidrige Verhaftungen, Erpressung und Entführung von Angehörigen von Minderheiten, wie Kurden, Turkmenen, Christen und anderen, durch Volksmobilisierungskräfte (PMF), in den umstrittenen Gebieten, insbesondere im westlichen Ninewa und in der Ninewa-Ebene (USDOS 12.4.2022).
Die Hauptsiedlungsgebiete der meisten religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des Islamischen Staates (IS) standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäer/Sabäern, Kaka‘i, Shabak und Christen. Aus dieser Zeit liegen zahlreiche Berichte über Zwangskonversionen, Versklavung und Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Folter, Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmord und Massenvertreibungen vor. Auch nach der Befreiung der Gebiete wird die Rückkehr der Bevölkerung durch noch fehlenden Wiederaufbau, eine unzureichende Sicherheitslage, unklare Sicherheitsverantwortlichkeiten sowie durch die Anwesenheit unterschiedlicher Milizen zum Teil erheblich erschwert (AA 25.10.2021).
In der KRI sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 25.10.2021). Es gibt jedoch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Shabak und Christen) durch KRI-Behörden in den sogenannten "umstrittenen Gebieten" (USDOS 2.6.2022). Darüber hinaus empfinden dort Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte, der Peschmerga und vor allem der schiitischen Milizen und der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) (AA 25.10.2021).
Im Zusammenhang mit der Rückeroberung von Gebieten aus IS-Hand wurden besonders in den zwischen der Zentralregierung und der KRI "umstrittenen Gebieten" (Gouvernement Kirkuk, sowie Teile von Ninewa, Salah Ad-Din und Diyala) Tendenzen zur gewaltsamen ethnisch-konfessionellen Homogenisierung festgestellt. Die Mission der Vereinten Nationen für den Irak (UNAMI) und Amnesty International haben dokumentiert, wie angestammte Bevölkerungsgruppen vertrieben bzw. Binnenvertriebene an der Rückkehr gehindert wurden. Dabei handelte es sich oft um die sunnitische Bevölkerung, die häufig unter dem Generalverdacht einer Zusammenarbeit mit dem IS steht, aber auch um Angehörige anderer Bevölkerungsgruppen. Beschuldigt werden sowohl kurdische Peshmerga als auch PMF-Milizen und in geringerem Ausmaß auch Armee und Polizei (AA 25.10.2021).
BMI (2016): Atlas - Middle East & North Africa: Religious Groups
BMI (2016): Atlas - Middle East & North Africa: Ethnic Groups
Anmerkung zu beiden Karten:
Die religiös-konfessionelle sowie ethnisch-linguistische Zusammensetzung der irakischen Bevölkerung ist höchst heterogen. Die hier dargebotenen Karten zeigen nur die ungefähre Verteilung der Hauptsiedlungsgebiete religiös-konfessioneller bzw. ethnisch-linguistischer Gruppen und Minderheiten. Insbesondere in Städten kann die Verteilung deutlich von der ländlichen Umgebung abweichen (BMI 2016). Dazu muss hervorgehoben werden, dass ein und dieselbe Gruppe in einer Gegend die Minderheit, in einer anderen jedoch die Mehrheitsbevölkerung stellen kann und umgekehrt (Lattimer EASO 26.4.2017).
Die territoriale Niederlage des sog. IS im Jahr 2017 beendete dessen Kampagne zur Umwälzung der religiösen Demografie des Landes. Dennoch können rund eine Million Iraker, die vom IS vertrieben wurden, nicht in ihre Häuser zurückkehren, sowohl aus Sicherheits- als auch aus wirtschaftlichen Gründen (FH 28.2.2022). Angehörige der PMF verlangen an Kontrollpunkten von IDPs, insbesondere von Angehörigen von religiösen Minderheiten überhöhte Geldbeträge für die Überquerung der Grenze. Alternativ riskieren die Betroffenen in die Lager zurückgeschickt zu werden (USCIRF 4.2021).
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Letzte Änderung: 12.08.2022
In der Verfassung ist die Gleichstellung der Geschlechter festgeschrieben und eine Frauenquote von 25 % im Parlament verankert. In der Kurdischen Region im Irak (KRI) sind es 30 % (AA 25.10.2021; vergleiche FH 28.2.2022, USDOS 12.4.2022). Diese formale Repräsentation hat geringe Auswirkungen auf die staatliche Politik gegenüber Frauen, die von politischen Debatten und Führungspositionen üblicherweise ausgeschlossen sind (FH 28.2.2022).
Der Irak hat 1986 das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) ratifiziert. Irakische Gesetze erfüllen jedoch nicht die Anforderungen des Übereinkommens, insbesondere das Personenstandsgesetz und das Strafgesetz (BS 23.2.2022, S.26). Frauen sind auch im Alltag Diskriminierung ausgesetzt, die ihre gleichberechtigte Teilnahme am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben einschränkt. Sie werden selten in Entscheidungspositionen und andere einflussreiche Positionen ernannt (AA 25.10.2021; vergleiche FH 28.2.2022). Die traditionelle Rollenverteilung in der Familie lässt weniger Möglichkeiten für Frauen, sich im Studium oder beruflich weiter zu entwickeln. Dies wird zum Teil aus der religiösen Tradition begründet, aber auch patriarchalische Strukturen sind weit verbreitet (AA 25.10.2021).
Frauen werden unter mehreren Aspekten der Gesetzgebung ungleich behandelt (AA 25.10.2021; vergleiche FH 28.2.2022). Zwar ist laut Artikel 14 und 20 der Verfassung jede Art von Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes verboten. Artikel 41 bestimmt jedoch, dass Iraker Personenstandsangelegenheiten ihrer Religion entsprechend regeln dürfen. Viele Frauen kritisieren diesen Paragrafen als Grundlage für eine Re-Islamisierung des Personenstandsrechts und damit als eine Verschlechterung der Stellung der Frau. Zudem findet auf einfachgesetzlicher Ebene die verfassungsrechtlich garantierte Gleichstellung häufig keine Entsprechung (AA 25.10.2021). Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsbürgerschaftsrecht (AA 25.10.2021; vergleiche FH 28.2.2022). So können Frauen in Bezug auf das Erbrecht unter Druck geraten, ihre Rechte an männliche Verwandte abzutreten (FH 28.2.2022). Die Stellung der Frau hat sich jedenfalls im Vergleich zur Zeit des Saddam-Regimes teilweise deutlich verschlechtert (AA 25.10.2021; vergleiche FIS 22.5.2018). Auch die prekäre Sicherheitslage in Teilen der irakischen Gesellschaft hat negative Auswirkungen auf das Alltagsleben und die politischen Freiheiten der Frauen, insbesondere unter Binnenflüchtlingen (IDPs) (AA 25.10.2021). Die Bewegungsfreiheit von Frauen wird durch gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt (FH 28.2.2022). So hindert das Gesetz Frauen beispielsweise daran, ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds oder gesetzlichen Vertreters einen Reisepass zu beantragen (FH 28.2.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022), oder ein Dokument zur Feststellung des Personenstands zu erhalten, welches für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und einer Reihe von Sozialdiensten erforderlich ist (FH 28.2.2022).
Frauen werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Die Regierung al-Kadhimis hat zwar eine Untersuchungskommission eingesetzt, die solche Fälle untersuchen und die Täter vor Gericht bringen soll, bisher jedoch ohne konkrete Ergebnisse (BS 23.2.2022, S.14). Die geschätzte Erwerbsquote von Frauen liegt bei etwa 11,5 % (Stand 2019) (WB 29.1.2021a). Die geschätzte Arbeitslosigkeit bei Frauen, die an der Arbeitswelt teilhaben, liegt laut Weltbank bei etwa 30,6 % (Stand 2019) (WB 29.1.2021b). Der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak zufolge liegt sie bei 13 % (UNIraq 2021). Die Jugendarbeitslosigkeit bei Frauen und Mädchen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren wird auf etwa 63,3 % geschätzt (Stand 2017) (CIA 15.6.2021). Frauen, die nicht an der irakischen Arbeitswelt teilhaben, sind einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt, selbst wenn sie in der informellen Wirtschaft mit Arbeiten wie Nähen oder Kunsthandwerk beschäftigt sind (Frontine 12.11.2019). Die genauen Zahlen unterscheiden sich je nach Statistik und Erhebungsmethode (FIS 22.5.2018).
Frauen und Mädchen sind im Bildungssystem deutlich benachteiligt und haben noch immer einen schlechteren Bildungszugang als Buben und Männer (GIZ 1.2021c). Frauen wird überproportional der Zugang zu Bildung verwehrt (AA 25.10.2021). Im Alter von zwölf Jahren aufwärts sind Mädchen stärker von Analphabetismus betroffen als Buben (GIZ 1.2021c). Etwa 79,9 % der Frauen im Alter von über 15 Jahren können lesen und schreiben (Stand 2017) (UNESCO 2021; vergleiche WB 9.2020). In der Altersgruppe der 15 bis 24-jährigen Mädchen und Frauen liegt die Rate bei 92,1 % (Stand 2017) (UNESCO 2021). In ländlichen Gebieten ist die Einschulungsrate bei Mädchen (rund 77 %) weit niedriger als jene der Buben (rund 90 %). Je höher die Bildungsstufe ist, desto geringer ist der Anteil an Mädchen. Häufig lehnen die Familien eine weiterführende Schule für die Mädchen ab oder ziehen eine frühe Ehe für sie vor (GIZ 1.2021c).
Häusliche Gewalt, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt
Letzte Änderung: 22.08.2022
Häusliche Gewalt ist weiterhin ein allgegenwärtiges Problem (USDOS 30.3.2021; vergleiche HRW 13.1.2021, BS 23.2.2022). Im Jahr 2020 kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Fälle von häuslicher Gewalt (FH 28.2.2022). Meldungen über Vergewaltigung, häusliche Gewalt, Misshandlung in der Ehe, Verbrennunng und Selbstverbrennung, Selbstverletzung aufgrund von Misshandlung in der Ehe, sexuelle Belästigung von Minderjährigen und Selbstmord aufgrund der zunehmenden Spannungen in den Haushalten sind während der COVID-19 Pandemie angestiegen. Laut der föderalen Polizei hat häusliche Gewalt um fast 20 % zugenommen (USDOS 12.4.2022).
Auch Tötung von Frauen und Mädchen durch ihre Familien und Ehemänner wurden 2021 verzeichnet (HRW 13.1.2022). Das irakische Strafgesetz enthält zwar Bestimmungen zur Kriminalisierung von Körperverletzung, aber nach Artikel 41, Absatz 1 des Strafgesetzbuches hat der Ehemann das Recht, seine Frau, sowie seine Kinder innerhalb der durch Gesetz oder Gewohnheit vorgeschriebenen Grenzen zu disziplinieren (HRW 13.1.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022). Diese Grenzen sind recht vage definiert, sodass verschiedene Arten von Gewalt als rechtmäßig interpretiert werden können (FIS 22.5.2018). Nach Artikel 128, Absatz 1 des Strafgesetzbuches können Straftaten, die aufgrund der Ehre oder vom Opfer provoziert begangen wurden, ungestraft bleiben, bzw. kann in solchen Fällen die Strafe gemildert werden (FIS 22.5.2018; vergleiche HRW 13.1.2022, USDOS 12.4.2022). Täter, die Gemeinschaft, aber auch Opfer selbst sehen häusliche Gewalt oft als normal und rechtfertigen sie aus kulturellen und religiösen Gründen. Frauen tendieren dazu, häusliche Gewalt aus Scham oder Angst vor Konsequenzen nicht zu melden, manchmal auch, um den Täter zu schützen. Viele Frauen haben kein Vertrauen in die Polizei und halten den von ihr gebotenen Schutz für nicht angemessen (FIS 22.5.2018).
Während sexuelle Übergriffe, wie z. B. Vergewaltigung, sowohl gegen Frauen als auch gegen Männer strafbar sind, sieht Artikel 398 des irakischen Strafgesetzbuches vor, dass Anklagen aufgrund von Vergewaltigung fallen gelassen werden können, wenn der Angreifer das Opfer heiratet (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022, UNSC 30.3.2021, StC 25.6.2021). Dies gilt sowohl im Irak als auch in der Kurdistan Region Irak (KRI) (StC 25.6.2021). Eine Bestimmung verhindert hierbei eine Scheidung innerhalb der ersten drei Ehejahre (USDOS 12.4.2022). Dies trifft auch zu, wenn das Opfer minderjährig ist (FIS 22.5.2018). Vergewaltigung innerhalb der Ehe stellt keine Straftat dar (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Es gab keine zuverlässigen Schätzungen über die Häufigkeit von Vergewaltigungen oder Informationen über die Effektivität der staatlichen Durchsetzung des Gesetzes (USDOS 12.4.2022). Berichten zufolge sind besonders binnenvertriebene Frauen und Mädchen, insbesondere solche, die mit dem IS in Verbindung gebracht werden, sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt (EMHRM 6.2021).
Der Irak hat zwar eine nationale Strategie gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen angenommen, die Verabschiedung eines Gesetzesentwurfs zum Schutz vor häuslicher Gewalt steht jedoch noch aus (UNFPA 2020). Bemühungen des irakischen Parlaments, einen Gesetzesentwurf gegen häusliche Gewalt zu verabschieden, sind seit 2019 ins Stocken geraten (HRW 13.1.2022). Die erneuten Bemühungen irakischer Frauenrechtsorganisationen, das Parlament zur Verabschiedung eines Gesetzes zum Verbot geschlechtsspezifischer Gewalt zu bewegen, blieben erfolglos (FH 28.2.2022). Entsprechende parlamentarische Bemühungen zur Verabschiedung eines Gesetzentwurfs gegen häusliche Gewalt sind seit 2019 ins Stocken geraten (HRW 13.1.2022).
Fälle von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt bleiben weitgehend ungemeldet. Gründe dafür sind fehlender Zugang zu gerichtlichen oder administrativen Mechanismen, Angst vor Stigmatisierung und Repressalien (EMHRM 6.2021; vergleiche UNSC 30.3.2021) sowie fehlende strafrechtliche Verantwortung der Täter und Schutzmechanismen für Opfer (EMHRM 6.2021). Auch Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte haben Frauen in den von ihnen kontrollierten Lagern, wie z. B. in Ninewa, belästigt und sexuell missbraucht. 2020 wurden 30 Fälle von konfliktbezogener sexueller Gewalt durch bewaffnete Akteure, hauptsächlich gegen Frauen verzeichnet, einer gegen einen inhaftierten Mann (UNSC 30.3.2021). In der KRI ist die Zahl der Frauenmorde gestiegen. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2022 wurden in der KRI elf Frauen getötet, die meisten von ihnen durch Schüsse. 2021 waren es 45 Frauen, 2020 waren es 25 Frauen (France 24 20.3.2022).
Frauen, die infolge einer Vergewaltigung Kinder geboren haben, haben Probleme für ihre Kinder Identitätspapiere zu erhalten und damit einhergehend Zugang zu Dienstleistungen (UNSC 30.3.2021).
Obwohl der IS ein System organisierter Vergewaltigungen, sexueller Sklaverei und Zwangsheirat von jesidischen Frauen und Mädchen und anderen Minderheiten etablierte, wurde kein IS-Mitglied wegen dieser spezifischen Verbrechen strafrechtlich verfolgt oder verurteilt (HRW 13.1.2022). Im Zuge des IS-Vormarsches auf Sinjar sollen über 5.000 jesidische Frauen und Mädchen verschleppt worden sein, von denen Hunderte später als Trophäen an IS-Kämpfer übergeben oder nach Syrien verkauft wurden. Diese Frauen wurden anschließend oftmals von ihren Familien aus Gründen der Tradition verstoßen oder sie wurden gezwungen, die aus den Zwangsehen entstandenen Kinder zu verstoßen (AA 25.10.2021).
Schutzmaßnahmen, Schutzeinrichtungen, Frauenhäuser
Letzte Änderung: 12.08.2022
Das Innenministerium unterhält 16 Familienschutzeinheiten im ganzen Land, die dafür bestimmt sind, häusliche Streitigkeiten zu lösen und sichere Zufluchtsorte für Opfer sexueller oder geschlechtsspezifischer Gewalt zu schaffen. Diese Einheiten tendieren jedoch dazu, der Familienversöhnung Vorrang vor dem Opferschutz einzuräumen und verfügen nicht über die Fähigkeit, Opfer zu unterstützen. NGOs zufolge meiden es Opfer häuslicher Gewalt, sich an die Familienschutzeinheiten zu wenden, weil sie vermuten, dass die Polizei ihre Familien über ihre Aussage informieren würde. Einige Stammesführer im Süden des Irak haben Berichten zufolge ihren Stammesmitgliedern verboten, sich an Familienschutzeinheiten der Polizei zu wenden (USDOS 12.4.2022).
Die meisten Familienschutzeinheiten unterhalten keine Schutzräumlichkeiten für Opfer häuslicher Gewalt (USDOS 12.4.2022). NGOs ist es nicht explizit verboten, Schutzhäuser zu betreiben. Per Gesetz muss der Betrieb von Schutzhäusern durch das Arbeits- und Sozialministerium genehmigt werden. NGOs wurde ein solcher Betrieb jedoch nicht erlaubt (USDOS 11.3.2020). Manche NGOs betreiben daher inoffizielle Schutzhäuser unter der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung (USDOS 11.3.2020; vergleiche Al Jazeera 12.2.2021). So betreibt die Organisation für die Freiheit der Frauen im Irak mehrere Frauenhäuser in Bagdad. Im Jahr 2020 hat die Regierung ein gerichtliches Auflösungsverfahren gegen die Organisation eingeleitet. Ihr wird die Spaltung von Familien, die Ausbeutung von Frauen und Fluchthilfe vorgeworfen (Al Jazeera 12.2.2021). UNFPA unterstützt fünf Frauenhäuser im gesamten Irak, davon eines in Bagdad, mit einem Aufnahmevermögen von 80 Personen in zehn Schlafräumen sowie einem Beratungsraum und einem Raum für psychosoziale Unterstützung (UNFPA 20.2.2019). Aufgrund von Druck durch die Gemeinschaften, die Frauenhäuser häufig als Bordelle ansehen, werden diese regelmäßig durch das Ministerium geschlossen, um später an anderer Örtlichkeit wieder eröffnet zu werden. Manchmal werden Schutzhäuser Ziel von Gewalt. (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung hat am 1.3.2021 das Gesetz über weibliche Überlebende von IS-Verbrechen (Jesidinnen, Turkmeninnen, Christinnen und Shabak) erlassen (UNSC 3.8.2021; vergleiche DW 26.3.2021, HRW 13.1.2022, OHCHR 21.4.2021). Das Gesetz sieht eine Entschädigung für die Überlebenden von IS-Verbrechen und Maßnahmen zu ihrer Rehabilitierung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft sowie zur Verhinderung solcher Verbrechen in der Zukunft vor (HRW 13.1.2022; vergleiche OHCHR 21.4.2021). Das neue Gesetz sieht vor, dass der Irak den Opfern ein monatliches Stipendium, Wohngrundstücke oder kostenlosen Wohnraum (DW 26.3.2021; vergleiche OHCHR 21.4.2021) sowie psychologische Unterstützung gewährt (DW 26.3.2021). Überlebende von IS-Angriffen werden außerdem bei der Einstellung von 2% aller Stellen im öffentlichen Sektor bevorzugt (DW 26.3.2021; vergleiche OHCHR 21.4.2021). Im Mai 2021 hat der Ministerrat eine Generaldirektion für die Angelegenheiten der jesidischen Überlebenden eingerichtet, die dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales untersteht, und ernannte eine jesidische Juristin zur Generaldirektorin (UNSC 3.8.2021). Im September 2021 verabschiedete das Parlament die notwendigen Verordnungen zur Umsetzung des Gesetzes, aber bis November waren kaum Fortschritte bei der Anwendung des Gesetzes erzielt worden (HRW 13.1.2022).
Kurdistan Region Irak (KRI)
Im Jahr 2011 wurde vom kurdischen Regionalparlament Gesetz Nr. 8 zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt erlassen (PKI 21.6.2011). Häusliche Gewalt, einschließlich physischer und psychischer Misshandlung, Gewaltandrohung und Vergewaltigung in der Ehe stehen unter Strafe, und die Behörden setzen das Gesetz um (USDOS 12.4.2022). Die Richtlinien werden in der Praxis jedoch nicht durchgängig umgesetzt (AA 25.10.2021). Es gibt eine spezielle Polizeieinheit zur Untersuchung von Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt und ein Familienversöhnungskomitee innerhalb des Justizsystems. Lokale NGOs berichten jedoch, dass diese Programme bei der Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt nicht effektiv sind (USDOS 12.4.2022). Die kurdische Regionalregierung hat ihre Anstrengungen zum Schutz von Frauen verstärkt. So wurden im Innenministerium vier Abteilungen zum Schutz von weiblichen Opfern von (familiärer) Gewalt sowie vier staatliche Frauenhäuser eingerichtet. Zwei weitere werden von NGOs betrieben (AA 25.10.2021; vergleiche USDOS 12.4.2022). Die staatlichen Frauenhäuser werden vom Arbeits- und Sozialministerium betrieben (USDOS 12.4.2022), bzw. vom Direktorat für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Um dort aufgenommen zu werden, benötigen Frauen grundsätzlich einen Gerichtsbeschluss. In dringenden Fällen kann eine Frau jedoch direkt das Frauenhaus betreten, wobei ein Gerichtsbeschluss nachträglich beantragt werden muss. Die Frauen in den Frauenhäusern dürfen die Schutzeinrichtungen nicht ohne Gerichtsbeschluss verlassen. Familienangehörige dürfen die Frauen auch ohne deren Zustimmung sehen (UK Home Office 3.2021).
Die vier behördlichen kurdischen Frauenhäuser befinden sich in Dohuk, Erbil, Sulaymaniyah und Germian und werden von UNFPA unterstützt (UNFPA 2019). Es gibt jedenfalls nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen (USDOS 12.4.2022) mit Kapazitäten von 20 bis 40 Plätzen (UNFPA 2019; vergleiche UK Home Office 3.2021). Psychologische und therapeutische Dienste für betroffene Frauen sind unzureichend. NGOs spielen bei der Bereitstellung von Dienstleistungen, einschließlich Rechtshilfe für Opfer häuslicher Gewalt, eine wichtige Rolle. Die Behörden setzen auf Familienversöhnung (USDOS 12.4.2022).
Vereinzelt werden Frauen "zum eigenen Schutz" inhaftiert. Einige Frauen werden mangels Notunterkünften obdachlos (USDOS 11.3.2020). Anstatt Rechtsmittel einzulegen, vermittelten die Behörden häufig zwischen betroffenen Frauen und ihren Familien, damit die Frauen in ihre Häuser zurückkehren können. Abgesehen von einer Eheschließung oder der Rückkehr zu ihren Familien, was häufig zu einer weiteren Bestrafung durch die Familie oder die Gemeinschaft führt, gibt es für die in den Frauenhäusern untergebrachten Frauen nur wenige Alternativen (USDOS 12.4.2022).
Zwangsehen, Kinderehen, temporäre Ehen, Blutgeld-Ehe (Fasliya)
Letzte Änderung: 12.08.2022
Zwangs- und Kinderehen sind weit verbreitet, insbesondere im Zusammenhang mit Vertreibung und Armut (FH 28.2.2022; vergleiche AA 14.10.2020). Traditionelle Formen von arrangierten, frühen und erzwungenen Ehen sind besonders unter der überwiegend ungebildeten ländlichen und der Stammesbevölkerung vertreten (UK Home Office 3.2021). Rund 24 % der Frauen werden als Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet (AA 25.10.2021; vergleiche FH 28.2.2022).
Das gesetzliche Mindestalter für eine Eheschließung beträgt mit elterlicher Erlaubnis 15 Jahre, ohne Erlaubnis 18 Jahre (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Berichten zufolge unternimmt die Regierung jedoch wenig Anstrengungen, um dieses Gesetz durchzusetzen. Traditionelle Zwangsverheiratungen von Mädchen, Kinderehen und sogenannte Ehen auf Zeit (zawaj al-mut‘a) finden im ganzen Land statt (USDOS 12.4.2022). Zwangs-Kinderehen werden als passive Bewältigungsmechanismen für vertriebene, in Armut lebende Familien mit nachteiligen Lebensumständen eingesetzt (EMHRM 6.2021). Das Gesetz stellt Zwangsverheiratungen unter Strafe, macht aber vollzogene Zwangsverheiratungen nicht automatisch ungültig (USDOS 12.4.2022).
Ehen auf Zeit oder sogenannte Vergnügungs-Ehen sind ein Problem im Irak (StC 25.6.2021). Ehe auf Zeit ist eine im zwölferschiitischen Islam erlaubte Möglichkeit auf religiös gebilligten Geschlechtsverkehr. Im sunnitischen Islam sind diese Ehen nicht erlaubt, auch wenn manche sunnitische Geistliche eine ähnliche Form der Ehe auf Zeit, misyar, gestatten (BBC 4.10.2019). Dabei werden junge Mädchen und Frauen für kurze Zeit mit älteren Männern verheiratet (StC 25.6.2021). Zwangsehen und Ehen auf Zeit werden benutzt, um Frauen und Mädchen innerhalb des Irak zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zu verkaufen (OHCHR 11.11.2019; vergleiche USDOS 12.4.2022). Dabei zahlt ein Mann der Familie der Betroffenen eine Mitgift für die Erlaubnis, sie für einen bestimmten Zeitraum zu heiraten. Besonders junge Frauen, die durch den Konflikt mit dem IS verwitwet oder verwaist sind, werden für diese Art der Ausbeutung als anfällig angesehen (USDOS 30.3.2021). Viele Frauen und Mädchen sind durch Flucht und Verfolgung besonders gefährdet. Es gibt vermehrt Berichte, dass Mädchen in Flüchtlingslagern zur Heirat gezwungen werden. Dies geschieht entweder, um ihnen ein vermeintlich besseres Leben zu ermöglichen, oder um ihre Familien finanziell zu unterstützen. Häufig werden die Ehen nach kurzer Zeit wieder annulliert, mit verheerenden Folgen für die betroffenen Mädchen (AA 22.1.2021).
Fasliya bezeichnet eine traditionelle Stammespraxis zur Schlichtung von Konflikten, bei der Frauen eines Stammes mit Männern eines verfeindeten Stammes als Entschädigung für Mord bzw. für die Verletzung von Mitgliedern des anderen Stammes verheiratet werden (USDOS 12.4.2022; vergleiche Musawah 11.2019). Dies geschieht ohne die Zustimmung der betreffenden Frauen (Musawah 11.2019). Ende der 1950er Jahre wurde die Blutgeld-Ehe gesetzlich verboten (Al-Monitor 18.6.2015). Es kommt jedoch nach wie vor zu Blutgeld-Ehen zur Beilegung von Stammeskonflikten (UK Home Office 3.2021; vergleiche USDOS 12.4.2022). Diese Tradition wird besonders in Gebieten fortgesetzt, in denen der Einfluss der Stämme größer als der staatlicher Institutionen ist. Großayatollah as-Sistani fordert ein Ende dieser Praxis (USDOS 12.4.2022).
Im Jahr 2011 hat das kurdische Regionalparlament mit Gesetzt Nr. 8 ein Gesetz zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt erlassen, das auch die Zwangsehe, die Kinderehe und die Blutgeld-Ehe unter Strafe stellt (PKI 21.6.2011). Das gesetzliche Mindestalter für eine Eheschließung mit elterlicher Erlaubnis beträgt in der Kurdistan Region Irak (KRI) 16 Jahre, ohne Erlaubnis 18 Jahre (USDOS 12.4.2022).
Nach Angaben des Hohen Rates für Frauenangelegenheiten der Kurdischen Regionalregierung (KRG) tragen Flüchtlinge und IDPs in der KRI zu einer zunehmenden Zahl an Kinderehen und Polygamie bei. Die KRG hat die Polizei und Beamte des Büros zur Bekämpfung häuslicher Gewalt beauftragt, Eltern davon abzuhalten, ihre Kinder zwangssweise zu verheiraten und führt Aufklärungskampagnen zur Bekämpfung sexueller Gewalt durch (USDOS 12.4.2022). Das Gesetz der KRG stellt Zwangsheirat unter Strafe und setzt vollzogene Zwangsehen aus, macht sie aber nicht automatisch ungültig (USDOS 12.4.2022). Der kurdische Hohen Rat für Frauenangelegenheiten hat mit Unterstützung von UNFPA einen Plan zur Verringerung der Kinderheirat entwickelt, der sich auf Aufklärung konzentriert (StC 25.6.2021).
Ehrenverbrechen an Frauen
Letzte Änderung: 12.08.2022
Als Ehrenverbrechen werden Praktiken beschrieben, die zur Verhaltenskontrolle innerhalb von Familien oder sozialen Gruppen eingesetzt werden, um wahrgenommene kulturelle und religiöse Überzeugungen und/oder die Ehre zu schützen (CPS o.D.). Ehrenverbrechen können auftreten, wenn die Täter der Meinung sind, dass eine Person die Familie und/oder die Gemeinschaft beschämt hat, indem diese ihren Ehrenkodex gebrochen hat (CPS o.D.), bzw. "Schande" über die Familie oder den Stamm gebracht hat. Ehrenverbrechen werden oft in Form von Mord begangen, obwohl sie auch andere Arten der Gewalt umfassen können, wie z.B. körperliche Misshandlung, Einsperren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Entzug von Bildung, Zwangsverheiratung, erzwungener Selbstmord und öffentliche Schändung bzw. "Entehrung" (MRG 11.2015). Die Familien- und die individuelle Ehre wird ausschließlich von Männern gehalten und kann verloren oder wiedergewonnen werden. Frauen dagegen können nur eine Quelle der Familien- oder individuellen "Schande" sein, und können nicht aktiv Ehre in ihre Familie oder ihren Stamm bringen (TCF 7.11.2019).
Ehrendelikte werden überwiegend von männlichen Familienmitgliedern gegen weibliche Familienmitglieder verübt, obwohl gelegentlich auch Männer Opfer solcher Gewalt werden können. Ehrenverbrechen werden meist begangen, nachdem eine Frau eines der folgenden Dinge getan hat bzw. dessen verdächtigt wird: Freundschaft oder voreheliche Beziehung mit einem Mann; Weigerung, einen von der Familie ausgewählten Mann zu heiraten; Heirat gegen den Willen der Familie; Ehebruch; Opfer einer Vergewaltigung oder Entführung geworden zu sein. Solche Verletzungen der Ehre werden als unverzeihlich angesehen. In den meisten Fällen wird die Tötung der Frau, manchmal auch die des Mannes, als der einzige Weg gesehen, die Ehrverletzung zu sühnen (MRG 11.2015).
Ehrenmorde bleiben auch weiterhin ein ernstes Problem im ganzen Land (USDOS 12.4.2022; vergleiche EASO 1.2021, AA 25.10.2021). Ehrenverbrechen kommen in allen Teilen des Landes vor und beschränken sich nicht auf bestimmte ethnische oder religiöse Gruppen (EASO 1.2021). Das Ausmaß der Ehrenmorde ist aufgrund einer hohen Dunkelziffer nicht bekannt (UK Home Office 3.2021). UNAMI berichtete 2018, dass jedes Jahr mehrere hundert Frauen durch Ehrenmorde sterben. Einige Familien sollen Ehrenmorde so arrangiert haben, dass sie wie Selbstmord aussehen (UK Home Office 3.2021; vergleiche USDOS 12.4.2022). Obwohl einige Gemeinschaften Dekrete erlassen und Schritte unternommen haben, um Frauen von der vermeintlichen Schuld freizusprechen, die mit ihrer sexuellen Ausbeutung durch IS-Kämpfer verbunden ist, bleiben Ehrenmorde ein Risiko (USDOS 12.4.2022).
Das Strafgesetzbuch des Irak sieht für Gewalttaten aus "ehrenhaften Motiven", inklusive Ehrenmorde, milde, reduzierte Strafen vor (FH 28.2.2022; vergleiche HRW 13.1.2022, StC 25.6.2021, AA 25.10.2021). In Fällen von Gewalt gegen Frauen erlaubt das irakische Recht zudem den Grund der "Ehre" als rechtmäßige Verteidigung. Wenn ein Mann des Mordes an einer Frau angeklagt wird, die er getötet haben soll, weil sie des Ehebruchs verdächtigt worden war, begrenzt das Gesetz seine mögliche Strafe auf maximal drei Jahre Gefängnis (USDOS 12.4.2022). Strafen für Ehrenverbrechen sind selten (FH 28.2.2022; vergleiche EASO 1.2021).
In der Kurdistan Region Irak (KRI) wurden "Ehrenmorde" durch eine Abänderung des irakischen Strafrechts im Jahr 2015 anderen Morden strafrechtlich gleichgestellt. In einigen gesellschaftlichen Gruppen gilt der "Ehrenmord" aber immer noch als rechtfertigbar (AA 25.10.2021). Offizielle Daten der Kurdischen Regionalregierung (KRG) nennen in der KRI 50 Ehrenmorde im Jahr 2017, 46 im Jahr 2018 und 120 im Jahr 2019 (BS 23.2.2022, S.14). Die Generaldirektion für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen des Innenministeriums der Kurdischen Regionalregierung (KRG) hat für 2021 bis September 19 Fälle von Ehrenmord bestätigt (USDOS 12.4.2022). Im übrigen Irak werden Tötungen in der Familie von den Behörden nur unzureichend gemeldet, weshalb es keine genauen Daten über geschlechtsspezifische Gewalt gibt. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Situation für Frauen im föderalen Irak schlechter ist als in der KRI (BS 23.2.2022, S.14).
Genitalverstümmelung (FGM – Female Genital Mutilation)
Letzte Änderung: 12.08.2022
Das Thema der Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen im Irak war lange Zeit ein Tabu, über das kaum gesprochen wurde (UK Home Office 2.2020; vergleiche MRG 11.2015). Erst als durch Studien die alarmierend hohe FGM-Rate im kurdischen Norden aufgezeigt wurde, hat sich dies geändert (MRG 11.2015). Seit 2011 stellt ein Gesetz in der Kurdistan Region Irak (KRI) die Genitalverstümmelung unter Strafe (AA 25.10.2021; vergleiche PKI 21.6.2011). Die UNO arbeitet mit Regierungsinstitutionen und lokalen NGOs zusammen, um FGM durch Sensibilisierungskampagnen zu verhindern (UNICEF 6.2.2019). FGM ist in der KRI weit verbreitet (BS 23.2.2022, S.15). NGOs berichten, dass die Praxis weiter betrieben wird, vor allem in ländlichen Gebieten, insbesondere in Erbil und Sulaymaniyah, sowie in Kirkuk (USDOS 12.4.2022; vergleiche DFAT 17.8.2020). Eine Umfrage aus dem Jahr 2016 ergab, dass fast 45 % der befragten Frauen in der KRI FGM ausgesetzt waren, (DFAT 17.8.2020). In Erbil waren 2018 etwa 50,1 % der Frauen vom FGM betroffen, in Sulaymaniyah waren es 45,1 %. In Dohuk hingegen nur etwa 3,1% (UNICEF 6.12.2018; vergleiche BMC 1.4.2021). Auch unter IDPs wird FGM noch praktiziert (DFAT 17.8.2020). Allerdings geht die FGM-Rate kontinuierlich zurück (USDOS 12.4.2022; vergleiche BMC 1.4.2021). Außerhalb der KRI ist FGM nicht üblich (USDOS 12.4.2022; vergleiche BS 23.2.2022, S.15).
Einer Untersuchung aus 2018 zufolge wurden etwa 7,4 % der irakischen Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren einer FGM unterzogen. In der KRI waren es 37,5 %, im Zentral- und Südirak hingegen nur 0,4 %. Bei Mädchen im Alter von 0 bis 14 Jahren ist der Prozentsatz mittlerweile auf 1 % gesunken, bzw. auf 3 % in der KRI (UNICEF 6.12.2018).
Außerhalb der KRI gibt es bisher keine staatlichen Anstrengungen zur Bekämpfung von FGM. Dabei gibt es laut einer Studie in Kirkuk auch Betroffene in der arabischen und turkmenischen Bevölkerung, wenn auch in geringerem Ausmaß (AA 25.10.2021).
Weibliche Familienoberhäupter: Witwen, Geschiedene, alleinstehende Frauen
Letzte Änderung: 12.08.2022
Etwa 10 % aller irakischen Haushalte werden von einem weiblichen Haushaltsvorstand geführt (DFAT 17.8.2020; vergleiche REACH 2.6.2021). Etwa 80 % dieser weiblichen Haushaltsvorstände sind Witwen, Geschiedene, getrennt Lebende oder pflegen kranke Ehepartner. Sie sind aufgrund des niedrigeren Gesamteinkommens tendenziell stärker von Armut und Ernährungsunsicherheit betroffen und sind besonders benachteiligt, was den Zugang zu Bildung, Beschäftigung und angemessener Unterkunft angeht. Nach Angaben internationaler Organisationen sind nur 2 % der weiblichen Haushaltsvorstände erwerbstätig und haben ein festes Gehalt, während weitere 6 % informell arbeiten und kein regelmäßiges Einkommen haben (DFAT 17.8.2020).
Einer Studie von IOM zufolge bleiben Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand länger binnenvertrieben (IDPs) als Haushalte mit einem männlichen Haushaltsvorstand. Rund 70 % der weiblich geführten Haushalte waren IDPs (IOM 23.9.2020). Weiblich geführte Haushalte haben nicht unbedingt Zugang zu Finanzanlagen, Sozialleistungen oder dem öffentlichen Verteilungssystem (PDS) (FIS 22.5.2018). Nur etwa 10 % der Haushalten mit weiblichem Haushaltsvorstand erhalten Hilfe als Vertriebene (IOM 23.9.2020). Viele sind auf Unterstützung durch ihre Familien (FIS 22.5.2018; vergleiche IOM 23.9.2020), Behörden und NGOs angewiesen (FIS 22.5.2018). Soziale Netzwerke, Familie, Nachbarn und Freunde sind für das Wohlergehen und Überleben entscheidend. Bei fast 75 % der untersuchten Haushalte handelt es sich um Witwen. Wenn der Tod des Ehemannes dokumentiert ist, kann die Familie die staatliche Sozialhilfe für Witwen und Waisen sowie, wenn dieser eine staatliche Stelle innehatte, die Rente des Ehemannes in Anspruch nehmen. Frauen mit niedrigem Bildungsniveau und funktionale Analphabeten (41 %) finden es eine Herausforderung, sich in bürokratischen Systemen zurechtzufinden, insbesondere im Fall von Vertreibung (IOM 23.9.2020).
Es gibt unterschiedliche Angaben über den Anteil der berufstätigen weiblichen Haushaltsvorstände: Einer Quelle zufolge sind nur 2 % der weiblichen Haushaltsvorstände erwerbstätig und haben ein festes Gehalt, während weitere 6 % informell arbeiten und kein regelmäßiges Einkommen haben (DFAT 17.8.2020). Einer anderen Quelle zufolge sind etwa 13,5 % der weiblichen Haushaltsvorstände berufstätig. Rund 12,8 % haben sich aus dem Berufsleben zurückgezogen. 67,7 % sind als Hausfrauen tätig. 1,4 % sind auf Arbeitssuche, weitere 4,6 %, sind aus diversen Gründen nicht berufstätig (Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Krankheit, Studenten und Arbeitslose, die nicht auf Arbeitssuche sind) (IOM 23.9.2020).
Um ihre Grundbedürfnisse decken zu können, reduzieren viele Haushalte Lebensmittel und andere Ausgaben. Außerdem leihen sie Geld von Familie und Freunden. Fast 70 % der weiblichen Haushaltsvorstände geben an, für ihre Grundbedürfnisse sorgen zu können, wenn sie bei den Lebensmitteln und anderen Ausgaben Abstriche machen (IOM 23.9.2020).
Alleinstehende Frauen und Witwen haben oft Schwierigkeiten, ihre Kinder registrieren zu lassen, was dazu führt, dass den Kindern staatliche Leistungen, wie Bildung, Lebensmittelbeihilfen und Zugang zum Gesundheitswesen verweigert werden, obwohl die Behörden in den meisten Fällen Geburtsurkunden nach der Registrierung der Geburt durch die Ministerien für Gesundheit und Inneres ausgestellt haben. Diese Registrierung ist Berichten zufolge ein langwieriger und bisweilen komplizierter Prozess (USDOS 12.4.2022).
Berichten zufolge wurden Frauen von Arbeitgebern durch Zwangsehen und die Androhung von Scheidungen zu unfreiwilliger Hausarbeit gezwungen. Frauen, die aus solchen Ehen flohen oder, deren Ehemänner sich von ihnen scheiden ließen, sind sozialer Stigmatisierung und einer erhöhten Anfälligkeit für prekäre Arbeitssituationen, wie Zwangsarbeit ausgesetzt. Weibliche Binnenvertriebene (IDPs), alleinstehende Frauen und Witwen sind besonders anfällig für wirtschaftliche Ausbeutung und diskriminierende Beschäftigungsbedingungen (USDOS 12.4.2022).
Männer können sich einseitig von ihren Ehefrauen scheiden lassen, während Frauen nur aus bestimmten Gründen Scheidungsverfahren einleiten können, wie z.B. die Inhaftierung des Mannes für mehr als drei Jahre, Impotenz oder Unfruchtbarkeit des Mannes (OECD 12.2018; vergleiche HRW 25.2.2018), die Abwesenheit des Mannes für mehr als zwei Jahre, oder wenn der Ehemann für vier oder mehr Jahre als vermisst gilt (HRW 25.2.2018). Darüber hinaus haben sowohl Männer als auch Frauen das Recht, aus Gründen wie Untreue, Glücksspiel im Ehehaus oder Gewalt in einer Weise, die das Eheleben unmöglich macht, die Trennung zu verlangen. Frauen können zusätzlich eine „Khula“-Scheidung beantragen, bei der sie ihre Brautgabe zurückgeben und jede zukünftige finanzielle Unterstützung verlieren (OECD 12.2018). 2018 wurde ein Anstieg von Scheidungsanträgen, insbesondere durch Frauen verzeichnet. Obwohl nicht verfolgt wurde, ob es sich dabei um IS-bezogene Scheidungen handelte, wurde insbesondere in sunnitischen Regionen unter vormaliger IS-Herrschaft, wie Anbar und Ninewa, ein Anstieg verzeichnet (NBC 5.7.2018). Das gesellschaftliche Klima gegenüber Geschiedenen ist nicht offen repressiv. Üblicherweise werden geschiedene Frauen in die eigene Familie reintegriert. Sie müssen jedoch damit rechnen, schlechter bezahlte Arbeitsstellen annehmen zu müssen oder als Zweit- oder Drittfrau in Mehrehen erneut verheiratet zu werden. Im Rahmen einer Ehescheidung wird das Sorgerecht für Kinder ganz überwiegend den Vätern (und ihren Familien) zugesprochen (AA 25.10.2021). Nach anderen Angaben bleibt eine Scheidung im Irak weiterhin mit starkem sozialem Stigma verbunden (FIS 22.5.2018).
Verwestlichung, westlicher bzw. nicht-konservativer Lebensstil
Letzte Änderung: 12.08.2022
Sowohl Männer als auch Frauen stehen unter Druck, sich an konservative Normen zu halten, was das persönliche Erscheinungsbild betrifft (FH 3.3.2021). Personen, die als nicht konform mit den lokalen sozialen und kulturellen Normen angesehen werden, weil sie ein "westliches" Verhalten an den Tag legen, sind Drohungen und Angriffen von Einzelpersonen aus der Gesellschaft sowie von Milizen ausgesetzt. Volksmobilisierungskräfte (PMF) haben es auf Personen abgesehen, die Anzeichen für eine Abweichung von ihrer Auslegung der schiitischen Normen zeigen, manchmal mit Unterstützung der schiitischen Gemeinschaft (EASO 1.2021). Vor allem im schiitisch geprägten Südirak werden auch nicht gesetzlich vorgeschriebene islamische Regeln, z.B. Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten, stärker durchgesetzt. Frauen werden unter Druck gesetzt, ihre Freizügigkeit und Teilnahme am öffentlichen Leben einzuschränken (AA 25.10.2021). Einige Muslime bedrohen weiterhin Frauen und Mädchen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, wenn sich diese weigern, den Hijab zu tragen, bzw. wenn sie sich in westlicher Kleidung kleiden oder sich nicht an strenge Interpretationen islamischer Normen für das Verhalten in der Öffentlichkeit halten (USDOS 2.6.2022; vergleiche DFAT 17.8.2020). Nicht-schiitische Muslime und nicht-muslimische Frauen berichten, dass sie sich gesellschaftlich unter Druck gesetzt fühlen, bspw. während des heiligen Monats Muharram, insbesondere während Ashura, den Hijab und schwarze Kleidung zu tragen, um Belästigungen zu vermeiden (DFAT 17.8.2020). Im Jahr 2018 gab es einige Morde an Frauen aus der Schönheits- und Modebranche, die in der Öffentlichkeit standen. Die Angreifer blieben unbekannt, aber die Regierung machte extremistische Gruppen für die Morde verantwortlich (FH 3.3.2021).
Für Frauen außerhalb des Hauses zu arbeiten, wird in weiten Teilen der Gesellschaft als inakzeptabel angesehen. Berufe, wie die Arbeit in Geschäften, Restaurants oder in den Medien, wurden als etwas Schändliches angesehen. Gleiches gilt für die Teilnahme an lokaler und nationaler Politik (IWPR 8.3.2021). So wurden weibliche Aktivisten, die an den Protesten teilnahmen, in politischen Kampagnen als promiskuitiv verunglimpft (ICG 26.7.2021). Entsprechend sprach sich as-Sadr im Februar 2020 für eine Geschlechtertrennung auf den öffentlichen Plätzen aus (ICG 26.7.2021; vergleiche AIIA 1.4.2020). Im Zuge des darauffolgenden Frauenmarsches am 13.2.2020 wurden weibliche Demonstranten mit Tränengas angegriffen, bedroht, attackiert, entführt und in einigen Fällen getötet (AIIA 1.4.2020). Im August 2020 verübten Unbekannte eine Reihe von Attentaten auf regierungskritische Demonstranten. Die gewalttätigsten Angriffe ereigneten sich im Gouvernement Basra und führten zur Tötung von drei Aktivisten und zwei Zivilisten (MEMO 17.9.2020).
Kinder
Letzte Änderung: 12.08.2022
Artikel 29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Der Irak ist dem Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten (AA 25.10.2021). Nach Artikel 41, Absatz 1 des Strafgesetzbuches haben Eltern das Recht, ihre Kinder innerhalb der durch Gesetz oder Gewohnheit vorgeschriebenen Grenzen zu disziplinieren (HRW 13.1.2022).
Kinder sind einerseits in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage, andererseits durch Gewaltakte gegen sie selbst oder gegen Familienmitglieder stark betroffen (AA 25.10.2021). Laut UNICEF machen Kinder fast die Hälfte der durch den Konflikt vertriebenen Iraker aus (USDOS 12.4.2022).
Vor der COVID-19-Krise lebte laut UNICEF eines von fünf Kindern in Armut (AA 25.10.2021). Einem Bericht für das Jahr 2021 zufolge leben 38 % aller irakischer Kinder in Armut (USDOS 12.4.2022). Über 1,16 Millionen Kinder im Alter von unter fünf Jahren waren unterernährt (AA 25.10.2021). Ende 2020 lag die Zahl der Kinder im Irak, die humanitäre Hilfe benötigen, bei 1,89 Millionen (UNICEF 20.1.2021).
Nach dem Gesetz ist der Vater der Vormund seiner Kinder, aber auch einer geschiedenen Mutter kann das Sorgerecht für ihre Kinder bis zum Alter von zehn Jahren zugesprochen werden, verlängerbar durch ein Gericht bis zum Alter von 15 Jahren, wobei die Kinder zu diesem Zeitpunkt wählen können, bei welchem Elternteil sie leben möchten (USDOS 12.4.2022). Das irakische Familienrecht unterscheidet zwischen zwei Arten der Vormundschaft (wilaya und wasiya), sowie der Pflege bzw. Sorge (hanada). Dem Vater kommt immer die Vormundschaft (wilaya) zu. Wenn dieser nicht mehr lebt, dem Großvater bzw. nach Entscheidung eines Shari‘a-Gerichts einem anderen männlichen Verwandten. Nur ein Mann kann demnach wali sein. Die Fürsorgeberechtigung (hanada), d.h. die Verantwortung für die Erziehung, Sicherheit und Betreuung eines Kindes, kommt im Falle einer Scheidung der Mutter zu. D.h. die Kinder leben bei der Mutter, im Falle von Knaben bis zum 13. Lebensjahr und im Falle von Mädchen bis zum 15. Lebensjahr (Migrationsverket 15.8.2018).
Im Falle einer Nichtregistrierung der Geburt eines Kindes werden diesem staatliche Leistungen, wie Bildung, Lebensmittelbeihilfe und Gesundheitsversorgung vorenthalten. Alleinstehende Frauen und Witwen hatten oft Probleme bei der Registrierung ihrer Kinder. Kinder, die nicht die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, haben ebenfalls keinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Humanitäre Organisationen berichten von einem weitverbreiteten Problem bezüglich Kindern, die im Gebiet des Islamischen Staates (IS) geboren worden sind und keine von der Regierung ausgestellte Geburtsurkunden erhalten. Etwa 15.000 Kinder sind davon betroffen (USDOS 12.4.2022).
Gewalt gegen Kinder/Minderjährige
Gewalt gegen Kinder bleibt ein großes Problem, aber aktuelle, zuverlässige Statistiken über das Ausmaß des Problems sind nicht verfügbar (USDOS 12.4.2022). Berichten zufolge verkaufen Menschenhändlernetze irakische Kinder zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Letztere erfolgt im In- und Ausland (USDOS 1.7.2021). Verbrecherbanden sollen Kinder zwingen, im Irak zu betteln (USDOS 1.7.2021; vergleiche FH 28.2.2022). Sie werden auch gezwungen Drogen zu verkaufen (USDOS 1.7.2021). Ebenso ist Kinderprostitution ein Problem, insbesondere unter Flüchtlingen. Aufgrund der Strafmündigkeit ab einem Alter von neun Jahren im Irak, bzw. elf Jahren in der Kurdistan Region Irak (KRI), behandeln die Behörden sexuell ausgebeutete Kinder oft wie Kriminelle und nicht wie Opfer (USDOS 30.3.2021).
Kinderarbeit
Die Verfassung und das Gesetz verbieten die schwersten Formen von Kinderarbeit (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 21.1.2021). In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen, beträgt das Mindestbeschäftigungsalter 15 Jahre. Das Arbeitsgesetz begrenzt für Personen unter 18 Jahren die tägliche Arbeitszeit auf sieben Stunden und verbietet Arbeiten, die der Gesundheit, Sicherheit oder Moral schaden können. Dieses Gesetz gilt jedoch nicht für Jugendliche, die in Familienbetrieben arbeiten, die ausschließlich Waren für den Hausgebrauch herstellen. Es gibt daher Berichte über Kinder, die in Familienbetrieben gefährliche Arbeiten verrichten. Kinderarbeit, auch in ihren schlimmsten Formen, wie erzwungenes Betteln und kommerzielle sexuelle Ausbeutung, manchmal als Folge von Menschenhandel, kommt im ganzen Land vor (USDOS 12.4.2022). Trotz des Verbotes der Kinderarbeit arbeiten etwa 500.000 Kinder vorrangig in der Landwirtschaft oder im Straßenverkauf. Armut begünstigt Kindesentführungen und Kinderhandel (AA 21.1.2021).
Das Ministerium für Arbeit und Soziales der kurdischen Regionalregierung (KRG) schätzt, dass mehrere hundert Kinder in der KRI arbeiten, oft als Straßenverkäufer oder Bettler, was sie besonders gefährdet. Das Ministerium betrieb eine 24-Stunden-Hotline zur Meldung von Arbeitsmissbrauch, einschließlich Kinderarbeit, bei der monatlich etwa 200 Anrufe eingingen (USDOS 12.4.2022).
Strafverfolgung von Kindern/Minderjährigen
Die Strafmündigkeit im Irak in den Gebieten unter der Verwaltung der Zentralregierung beträgt neun Jahre und elf Jahre in der Kurdischen Region im Irak (KRI) (USDOS 12.4.2022; vergleiche HRW 13.1.2022).
Laut Berichten der Vereinten Nationen sind zahlreiche Jugendliche wegen Terrorismusvorwürfen angeklagt oder verurteilt (AA 21.1.2021; vergleiche HRW 13.1.2022). Bei einigen von ihnen handelt es sich um ehemalige Opfer von Zwangsrekrutierungen (USDOS 1.7.2021). Es mangelt nach wie vor an Jugendstrafanstalten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) berichtet jedoch, dass jugendliche Häftlinge mittlerweile vorwiegend von erwachsenen Straftätern getrennt inhaftiert werden (AA 21.1.2021). Einem Bericht des IHRCKR zufolge sind außerdem bspw. über 50 Minderjährige gemeinsam mit ihren Müttern in der Erziehungsanstalt für Frauen und Kinder in Erbil untergebracht (USDOS 30.3.2021),
Kindersoldaten, Rekrutierung von Kindern/Minderjährigen
Die Regierung und schiitische religiöse Führer verbieten Kindern unter 18 Jahren ausdrücklich den Kriegsdienst. Es gibt keine Berichte, wonach Kinder von staatlicher Seite zum Dienst in den Sicherheitskräften einberufen oder rekrutiert werden (USDOS 12.4.2022).
Rekrutierung von Kindern ist ein Problem (FH 28.2.2022). Kinder sind nach wie vor anfällig für Zwangsrekrutierung und den Einsatz durch diverse bewaffnete Gruppen, die im Irak operieren. Dazu zählen der IS, Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF), Stammesmilizen, die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) und andere vom Iran unterstützte Milizen (USDOS 1.7.2021). 2021 gab es jedoch einen bestätigten Bericht über den Einsatz eines Kindersoldaten durch PMF (USDOS 12.4.2022).
Es gibt Berichte, wonach der IS in den vergangenen Jahren Kinder als Soldaten eingesetzt hat (AA 21.1.2021; vergleiche USDOS 12.4.2022), ebenso als menschliche Schutzschilde, Informanten, Bombenbauer, Henker und Selbstmordattentäter (USDOS 1.7.2021). Unter anderem aufgrund der territorialen Niederlage des IS liegen für das Jahr 2021 nur wenige Informationen über den Einsatz von Kindern durch den IS vor (USDOS 12.4.2022).
Mehrere Quellen berichten, dass die PKK und die Volksschutzeinheiten (YPG), die in der KRI und in Sinjar, Ninewa operieren, weiterhin Kinder rekrutieren und einsetzen. Im Jahr 2021 berichtete eine nicht verifizierte Quelle, dass die PKK Dutzende von Kindern rekrutiert habe, um sie auf den Kampf vorzubereiten, darunter auch Kinder aus Kirkuk (USDOS 1.7.2021).
[Anm.: Informationen zu Kinderehen können dem Kapitel Zwangsehen, Kinderehen, temporäre Ehen, Blutgeld-Ehe (Fasliya) entnommen werden, Informationen zu Kindern, die unter dem IS geboren sind finden sich in Kapitel (Mutmaßliche) IS-Mitglieder, IS-Sympatisanten und IS-Familien (Dawa‘esh).]
Bildungszugang
Letzte Änderung: 12.08.2022
Die irakischen Bildungseinrichtungen unterstehen dem Bildungsministerium in Bagdad, welches durch Direktorate in allen Gouvernements vertreten ist (GIZ 1.2021c). Die Grundschulbildung für Kinder mit irakischer Staatsbürgerschaft in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten (USDOS 12.4.2022). Es existieren vier Schulstufen: Die nicht verpflichtende Vorschule, die verpflichtende Grundschule (Alter 6-11 Jahre), die Sekundarausbildung und die Hochschulausbildung (GIZ 1.2021c).
In der Kurdischen Region im Irak (KRI) ist ein eigenes, der Kurdischen Regionalregierung (KRG) unterstehendes Bildungsministerium zuständig. Der Lehrplan in der KRI ähnelt dem zentralirakischen Lehrplan weitgehend, es wird jedoch großteils auf Kurdisch gelehrt (GIZ 1.2021c). Schulpflicht besteht hier bis zum Alter von 15 Jahren. Auch sie ist kostenlos (USDOS 12.4.2022). Neben den staatlichen Schulen gibt es auch private, meist mit ausländischer Beteiligung aufgebaute Schulen (GIZ 1.2021c).
Eine flächendeckende Sicherung der Grundbildung konnte nicht gewährleistet werden (GIZ 1.2021c). Die Sicherheitslage, das Einquartieren von Binnenvertriebenen in Schulgebäuden und eine große Zahl zerstörter Schulen verhinderten, und verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate seit 2003 drastisch gefallen ist, besonders in ländlichen Gebieten (AA 25.10.2021). Nach Angaben von UNESCO auf 85,6 % (AA 25.10.2021; vergleiche BS 23.2.2022), laut dem irakischen Planungsministerium auf 87 %. Zum Unterschied dazu sind in der KRI fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig (AA 25.10.2021). Laut UNESCO waren 2017 79,9 % der Frauen und 91,2 % der Männer über 15 Jahre des Lesens und Schreibens mächtig (AA 25.10.2021; vergleiche BS 23.2.2022). Nach Angaben des Planungsministeriums von Januar 2020 liegt die Alphabetisierungsrate von Frauen bei 83 % im Vergleich zu 92 % bei den Männern (AA 25.10.2021).
Laut Schätzungen sind etwa 22 % der Erwachsenen nie zur Schule gegangen. Während mehr als 90 % der Kinder eine Grundschule besuchen, fällt die Schülerzahl in der Altersklasse 15 bis 17 unter die Hälfte (GIZ 1.2021c). Ein gleichberechtigter Zugang von Mädchen zu Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten (USDOS 12.4.2022). Es gibt eine Benachteiligung von Mädchen im Bildungssystem, die nach wie vor einen schlechteren Zugang zu Bildung haben. So sind Mädchen im Alter ab zwölf Jahren doppelt so stark von Analphabetismus betroffen wie Buben (GIZ 1.2021c). Auf dem Land fällt die Einschulungsrate von Mädchen (77 %) weit niedriger aus als die von Buben (90 %). Je höher die Bildungsstufe, desto weniger Mädchen sind vertreten. Häufig lehnen die Familien eine weiterführende Schule für die Mädchen ab oder ziehen eine frühe Ehe für sie vor (GIZ 1.2021c; vergleiche UN OCHA 2019). Tausende von Kindern ohne Ausweispapiere werden von den Behörden weiterhin daran gehindert staatliche Schulen zu besuchen, darunter auch staatliche Schulen in Vertriebenenlagern (HRW 13.1.2022).
Die Einschulungsquoten von Mädchen sind auf allen Bildungsebenen gestiegen, liegen aber immer noch unter denen der Buben. Mädchen brechen die Ausbildung tendenziell häufiger ab als Buben (BS 23.2.2022). Eine 2018 durchgeführte Umfrage zur Situation von Kindern im Irak hat ergeben, dass 91,6 % der Kinder im Irak in der Grundschule eingeschrieben sind (92,7 % der Buben, 90,4 % der Mädchen). Im Zentralirak sind dies 90,8 % (92,2 % der Buben, 89,3 % der Mädchen), in der KRI sind es 96 % (95,8 % der Buben, 96,2 % der Mädchen). Der Anteil der Kinder aus urbanen Gebieten, die eine Grundschule besuchen, ist dabei mit 93 % höher als jener in ruralen Gebieten mit 88,6%. Entsprechend sinkt auch der Anteil der Buben von 93,8 % auf 90,5 % und der der Mädchen von 92,2 % auf 86,7%. Der Anteil der Kinder, die die untere Sekundarstufe (Unterstufe) besuchen liegt bei 57,5 %, wobei der Anteil von Buben und Mädchen gleich ist. Im Zentralirak sind dies 55,6 % (56,5 % der Buben, 54,7 % der Mädchen), in der KRI sind es 67,1 % (63,1 % der Buben, 70,6 % der Mädchen). Auch hier ist der Anteil der Kinder aus urbanen Gebieten mit 64,5 % (63,7 % der Buben, 65,2% der Mädchen) höher als der in ruralen Gebieten mit 43,8 % (45,2 % der Buben, 42,4 % der Mädchen). Der Anteil der Kinder, die die obere Sekundarstufe (Oberstufe) besuchen, liegt bei 24,2 % (31 % der Buben, 35,3 % der Mädchen. Im Zentralirak sind dies 28,8 % (28,0 % der Buben, 29,7 % der Mädchen), in der KRI sind es 52 % (44,4 % der Buben, 60,7 % der Mädchen). Auch hier ist der Anteil der Kinder aus urbanen Gebieten mit 37 % (34,4 % der Buben, 39,6 % der Mädchen) höher als der in ruralen Gebieten mit 24,9 % (24,1 % der Buben, 25,7 % der Mädchen) (UNICEF 2.2019). Aktuelle, verlässliche Statistiken über Einschreibungen, Anwesenheit oder Abschlüsse sind nicht verfügbar (USDOS 30.3.2021).
Einer Umfrage von 2021 zufolge, die in Bagdad, Basra und Mossul durchgeführt wurde, geben 65 % der Befragten an, dass ihre Kinder zur Schule gehen können, während die Kinder von 24 % nicht zur Schule gehen. Während 72 % der von Männern geführten Haushalte angeben, dass ihre Kinder zur Schule gehen können, sind es bei den von Frauen geführten Haushalten nur 56%. Auch regional gibt es erhebliche Unterschiede in Bezug auf den Schulbesuch: In Mossul liegt die Quote bei 82 %, in Basra bei 74% und in Bagdad bei 56%. Was die ethnischen Gruppen betrifft, so gehen die Kinder von 67 % der Araber und 61 % der Kurden zur Schule. 57 % der Christen geben an, dass sie ihre Kinder zur Schule schicken können, ebenso wie 74 % der schiitischen und 68% der sunnitischen Muslime. 92 % der Kinder derjenigen, die mehr als 700.000 IQD verdienen, gehen zur Schule, aber nur 63 % derjenigen, die weniger verdienen (BFA, IRFAD 2021).
70 % der Befragten geben an, dass ihre Kinder eine öffentliche Schule besuchen, während nur 16 % eine Privatschule besuchen. Regional gesehen besuchen 82 % der Kinder in Mossul, 78 % in Basra und 62 % in Bagdad eine öffentliche Schule, während 18 % in Mossul, 22 % in Basra und 14 % in Bagdad eine Privatschule besuchen. Während die Quote bei den öffentlichen Schulen ähnlich hoch ist, besuchen 19 % der kurdischen Kinder eine Privatschule, gegenüber 9% der arabischen Kinder. Auch die religiösen Gruppen weisen unterschiedliche Muster auf: Öffentliche Schulen werden von 61 % der Kinder von Christen, 84 % der Kinder von schiitischen Muslimen und 73 % der Kinder von sunnitischen Muslimen besucht. Privatschulen werden von 26 % der Kinder von Christen, 9% der Kinder von sunnitischen Muslimen und 15 % der Kinder von sunnitischen Muslimen besucht. 30 % der Kinder von Personen mit einem Einkommen von mehr als 700.000 IQD besuchen eine Privatschule, aber nur 13 % der Kinder von Personen mit einem geringeren Einkommen. 39 % der Befragten geben an, weniger als 70.000 IQD pro Kind für die Schule zu zahlen, während nur 4 % zwischen 150.000 und 300.000 IQD zahlen. In Bagdad zahlen 34 % weniger als 70.000 IQD, ebenso 39 % in Basra und 54 % in Mosul; nur in Bagdad zahlen einige der Befragten (7 %) zwischen 150.000 und 300.000 IQD. 56 % der Kurden zahlen weniger als 70.000 IQD pro Kind und Monat, gegenüber 35 % der Araber. Was die religiösen Gruppen betrifft, so geben 54 % der sunnitischen Muslime an, weniger als 70.000 pro Monat zu zahlen, ebenso wie 30 % der Christen und 32 % der schiitischen Muslime (BFA, IRFAD 2021).
60 % der Befragten geben an, dass ihre Kinder keinen Zugang zur Hochschulbildung haben, während dieser für 31 % der Befragten gegeben ist. Von den weiblich geführten Haushalten haben nur 25 % der Befragten Hochschulzugang, wärend es 37 % bei männlich geführten Haushalten sind. Regionale Unterschiede zeigen, dass in Basra 83 % keinen Zugang haben, ebenso wie 77 % in Mossul, aber nur 42 % in Bagdad. 65 % der Kurden geben an, dass sie keinen Zugang zur Hochschulbildung haben, während 58 % der Araber keinen Zugang haben. Der fehlende Zugang ist fast gleichmäßig auf die Konfessionen verteilt: 60 % der Christen, 64 % der schiitischen Muslime und 64 % der sunnitischen Muslime. Hinsichtlich eines Zugangs zu höherer Bildung hat die Befragung ergeben, dass 58 % derjenigen, die mehr als 700.000 IQD verdienen, gegenüber 34 % derjenigen, die weniger als 700.000 IQD verdienen (BFA, IRFAD 2021).
Aufgrund der COVID-19-Pandemie waren die Schulen in den von Bagdad kontrollierten Gebieten von März bis November 2020 geschlossen, in der KRI von März 2020 bis zum Ende des Schuljahres (HRW 13.1.2021).
Wegen der COVID-19-Pandemie blieben die Schulen bis zum Ende des Schuljahres 2020-21 geschlossen, sodass mehr als zehn Millionen Schüler nicht zur Schule gehen konnten. UNICEF unterstützte das Bildungsministerium bei der Übertragung von Unterricht über das Bildungsfernsehen und digitale Plattformen. Der Zugang der Kinder zu alternativen Lernplattformen über das Internet und das Fernsehen wurde jedoch durch die begrenzte Konnektivität und Verfügbarkeit digitaler Geräte sowie durch den Mangel an Strom behindert. Außerdem hat das Bildungsministerium keine Richtlinien für die Durchführung von Fernunterricht herausgegeben (USDOS 12.4.2022). Schulen wurden vom irakischen Bildungsministerium angewiesen, den Lehrbetrieb aus der Ferne fortzusetzen, einschließlich der Ablegung von Prüfungen. In den Abschlussjahrgängen müssen die Schüler ihre Prüfungen jedoch in Anwesenheit ablegen. Einige Schulen haben hybride Unterrichtsmodelle eingerichtet, bei denen die Schüler an 2-3 Tagen pro Woche den Unterricht in Anwesenheit besuchen konnten. Ab Mai 2021 wurden jedoch alle Schulen wieder auf Fernstudien umgestellt (IOM 18.6.2021). Familien, die durch den IS-Konflikt vertrieben wurden, sind am meisten durch die Schulschließungen betroffen, da die meisten von ihnen keinen Zugang zu digitalen Lernmöglichkeiten haben (HRW 13.1.2021). Ebenso stehen Familien mit geringem Einkommen oder aus entlegenen Gebieten hinsichtlich eines Fernstudiums vor einem Hindernis, aufgrund der Erfordernis an eine stabile Internetleitung und an ein adäquates Equipment zu kommen (IOM 18.6.2021).
Einreise und Einwanderung in die Kurdistan Region Irak (KRI)
Letzte Änderung: 16.08.2022
Die Kurdistan Region Irak (KRI) schränkt die Bewegungsfreiheit in den von ihr verwalteten Gebieten für Nicht-Einheimische ein (USDOS 12.4.2022). Es wird für die Einreise in die Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah, zwecks Aufenthalt von bis zu 30 Tagen, kein Bürge benötigt (UNHCR 11.1.2021). Bürger, die aus dem Zentral- oder Südirak in die KRI einreisen (egal welcher ethno-religiösen Gruppe sie angehören - auch Kurden) müssen Checkpoints passieren und Personen- und Fahrzeugkontrollen über sich ergehen lassen. Checkpoints werden manchmal für längere Zeit geschlossen (USDOS 12.4.2022). Beamte hindern Personen, die ihrer Meinung nach ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, an der Einreise in die Region. Die Einreise ist für Männer oft schwieriger, insbesondere für arabische Männer, die ohne Familie reisen (USDOS 30.3.2021).
Inner-irakische Migration aus dem föderalen Irak in die KRI ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug (Niederlassung) jedoch kontrolliert (AA 25.10.2021). Wer sich dauerhaft niederlassen möchte, muss sich bei der kurdischen Geheimpolizei (Asayish-Behörde) des jeweiligen Distrikts anmelden (AA 25.10.2021; vergleiche UNHRC 11.1.2021). Eine Sicherheitsfreigabe durch die Asayish ist dabei in allen Regionen der KRI notwendig. Eine zusätzliche Anforderung für alleinstehende arabische und turkmenische Männer ist, dass sie eine feste Anstellung und ein Unterstützungsschreiben ihres Arbeitgebers vorweisen müssen. Nur in Dohuk muss eine Person in Begleitung des Bürgen, der die Einreise ermöglicht, vorstellig werden, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Für eine Niederlassung in Erbil oder Sulaymaniyah wird keine Bürgschaft verlangt (UNHCR 11.1.2021). Die Aufenthaltsgenehmigung ist, in der Regel, einjährig erneuerbar, abgesehen von Dohuk, wo die Aufenthaltsgenehmigung nur bis zu sechs Monate gültig ist (UNHCR 11.1.2021; vergleiche USDOS 12.4.2022). Personen ohne feste Anstellung erhalten jedoch nur eine einmonatige, erneuerbare Genehmigung. Auch alleinstehende arabische und turkmenische Männer erhalten generell nur eine monatlich erneuerbare Aufenthaltsgenehmigung. Unter Vorlage des Nachweises einer regulären Beschäftigung und eines Unterstützungsschreibens ihres Arbeitgebers können sie auch eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung beantragen (UNHCR 11.1.2021). Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht (AA 25.10.2021).
Die kurdischen Behörden wenden Beschränkungen regional unterschiedlich streng an. Die Wiedereinreise von IDPs und Flüchtlingen wird - je nach ethno-religiösem Hintergrund und Rückkehrgebiet - mehr oder weniger restriktiv gehandhabt (USDOS 30.3.2021). Die kurdischen Behörden haben Tausende von Arabern daran gehindert, in ihre Dörfer im Unterbezirk Rabia und im Bezirk Hamdaniya im Gouvernement Ninewa zurückzukehren, Gebiete, aus denen kurdische Einheiten 2014 den IS vertrieben und die territoriale Kontrolle übernommen hatten. Gleichzeitig jedoch erlaubte die KRG kurdischen Dorfbewohnern, in diese Gebiete zurückzukehren (HRW 13.1.2022).
Grundversorgung und Wirtschaft in der Kurdistan Region Irak (KRI)
Letzte Änderung: 16.08.2022
Wirtschaftslage
Wie im gesamten Land ist auch in der Kurdistan Region Irak (KRI) das Erdöl die Haupteinnahmequelle und trägt fast 80% zum BIP der Region bei. Die Landwirtschaft macht etwa 10% des BIP aus, der Tourismus 4% und Dienstleistungen und sonstige Industrie 6%. Öl macht auch bis zu 90% der Exporte aus der Region aus (IRIS 5.2021). Die Kurdische Regionalregierung (KRG) kann für ihren aufgeblähten öffentlichen Sektor und die Ölindustrie nicht zahlen. Die KRG hat Gehaltszahlungen mehrfach verzögert und im Mai 2021 eine Gehaltskürzung von 21% angekündigt. Darüber hinaus hat sie mehrfach die Zahlungen verpasst. Eine Studie der Vereinten Nationen hat ergeben, dass diese Probleme zu einem Rückgang des monatlichen Familieneinkommens in Kurdistan von 31% führten, höher als im Rest des Landes (Wing 9.6.2021).
Die Arbeitslosenrate in der KRI wird für das Jahr 2018 auf 9% geschätzt. Dabei lag im Jahr 2017 die Arbeitslosigkeit bei Männern bei 8,1% im Vergleich zu 20,1% bei Frauen (KRSO 2021). Die Arbeitsmarktbeteiligung wird in der KRI auf etwa 40% geschätzt (ILO 2021).
Nahrungsmittelversorgung
Grundnahrungsmittel sind in allen Gouvernements verfügbar. Das Lebensmittelrationierungsprogramm (PDS) des irakischen Handelsministeriums ist noch nicht abgeschlossen (IOM 18.6.2021). Ungünstige Niederschlagsmengen haben 2021 die Getreideproduktion im Nordirak und auch in der KRI beeinträchtigt. Die Ernte soll rund 50% unter jener im Jahr 2020 liegen (FAO 11.6.2021).
Wasserversorgung
In der KRI herrscht wegen einer Dürre, im Zusammenspiel mit Staudämmen im Iran, Wasserknappheit. Die KRG hat deswegen zusätzliche 1,7 Millionen Dollar (2,5 Mrd IQD) für Trinkwasser bereitgestellt (Rudaw 5.8.2021; vergleiche Rudaw 4.7.2021). Grundsätzlich ist Trinkwasser in allen Gouvernements verfügbar (IOM 18.6.2021).
Stromversorgung
Die Stromversorgung erfolgt durch Betrieb eigener Kraftwerke (AA 14.10.2020). Der Großteil des Stroms wird durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt. Etwa 9% des Stroms werden aus Wasserkraft gewonnen (Rudaw 18.9.2021).
Die Stromversorgung unterliegt erheblichen Schwankungen (AA 14.10.2020). Sie ist nur für bis zu 20 Stunden pro Tag gegeben (AA 14.10.2020; vergleiche K24 15.5.2021). Im Sommer 2021 konnten die drei kurdischen Gouvernements Erbil, Dohuk und Sulaymaniyah nur etwa zwölf Stunden lang Strom am Tag liefern. Darüber hinaus werden Generatoren verwendet, die jedoch nicht den gesamten Bedarf abdecken können (Anadolu 8.7.2021). Insbesondere im Sommer und im Winter ist der Strombedarf wegen Klimatisierung bzw. Heizung höher (AA 14.10.2020). Nach Angaben des KRG-Ministeriums für Elektrizität beträgt der Strombedarf im Sommer mindestens 4.500 MW (Rudaw 3.7.2021). Es werden jedoch nur bis zu 3.500 MW Strom produziert (K24 15.5.2021). Die Kraftwerke laufen jedoch vor allem wegen Brennstoffmangel nicht mit voller Kapazität (Rudaw 3.7.2021). Die KRG plant die Steigerung der Stromversorgung durch die Implementierung mehrerer Energieprojekte (K24 15.5.2021).
Erbil
Einer Umfrage zufolge gehen 29% der befragten Personen in Erbil einer formellen Beschäftigung nach, 28% einer informellen und 42% gingen keiner Beschäftigung nach. Als Gründe für Arbeitslosigkeit werden ein Mangel an Startkapital, der Lockdown aufgrund von COVID-19 (22%) und ein Mangel an verfügbaren Jobs genannt (DRC 4.2020). Die Arbeitslosenrate wird für das Jahr 2017 auf 9,2% geschätzt (KRSO 2021). Die Arbeitsmarktbeteiligung lag 2018 bei 65,9% bei den Männern und 14,8% bei den Frauen (IOM 7.2018; vergleiche EASO 9.2020). Laut einer Umfrage von Februar 2021 im Distrikt Khabat liegt das Durchschnittsgehalt für Fachkräfte bei 244 USD (~356.590 IQD). Der Lohn für ungelernte Arbeiter reicht von 34 bis 500 USD (~49.690 bis 730.710 IQD), wobei der Durchschnitt bei 168 USD liegt (~245.520 IQD). Etwa 10% der Frauen sind berufstätig (IOM 9.2021w). Im Distrikt Makhmur mussten viele Arbeitgeber aufgrund der COVID-19-Pandemie vorübergehend schließen. Nach der Wiedereröffnung fiel die Nachfrage geringer aus und Arbeitgeber haben etwa 73% der Beschäftigten gehalten. Das Durchschnittsgehalt für Fachkräfte ist im Vergleich zu vor COVID-19 um etwa 20 USD gesunken von 335 USD (~489.570 IQD) auf 315 (~460.350 IQD). Bei ungelernten Arbeitskräften ist der Durchschnittslohn jedoch gestiegen, von 159 USD (~232.360 IQD) auf 171 USD (~249.900 IQD) (IOM 9.2021x).
Im Jahr 2018 waren etwa 5,32% der Bevölkerung des Gouvernements Erbil armutsgefährdet (OPHI 10.9.2020). Einer anderen Quelle zufolge betrug die Armutsrate im Jahr 2018 6,7% (KRSO 2021). Etwa 2,63% der Bevölkerung Erbils (rund 128.700 Personen) sind unzureichend ernährt. Für rund 3,3% (rund 77.200 Personen) ist die Deckung des Nahrungsmittelbedarfs kritisch (WFP 9.2021). Bei der Verfügbarkeit von Lebensmitteln und anderen Waren hat Erbil im Zuge einer Untersuchung vom Juli 2020 zehn von zehn möglichen Punkten erhalten (WB, WFP, FAO, IFAD 9.2020).
Das Gouvernement Erbil und insbesondere die Stadt Erbil sind wegen der Dürre des Sommers 2021 besonders hart von Wasserknappheit betroffen (Rudaw 4.7.2021). Der Zab-Fluss und das Brunnenwasser der Stadt Erbil sind durch die Dürre beeinträchtigt, weswegen Trinkwasser seit Juli 2021 knapp ist. Die Bewohner sind gezwungen, abgefülltes Wasser zu kaufen. Eine Tankfüllung kostet über 50 Dollar (~72.970 IQD) und reicht für höchstens eine Woche. Das durchschnittliche Monatseinkommen eines Haushalts in der KRI liegt nach Angaben von NRT bei weniger als 250 Dollar (~364.870 IQD) pro Monat (Al Monitor 12.8.2021). Wasserknappheit tritt jedes Jahr erneut auf (Al Monitor 29.7.2021).
In Erbil herrscht Stromknappheit (Rudaw 4.7.2021). Stromausfälle beeinträchtigen auch die Wasserversorgung in Erbil (Al-Monitor 29.7.2021).
Dohuk
Die Arbeitslosenrate in Dohuk wird für das Jahr 2017 auf 13,8% geschätzt (KRSO 2021). Einer Umfrage vom Februar 2021 im Distrikt Zakho zufolge ist die Beschäftigungsquote aufgrund der COVID-19-Pandemie zurückgegangen, welche auch Auswirkungen auf das Durchschnittsgehalt hat. So ist das Durchschnittsgehalt für Fachkräfte von 418 USD (~610.870 IQD) auf 356 USD (~520.260 IQD) gefallen. Ungelernte Arbeitnehmer verdienten hingegen unverändert durchschnittlich 254 USD (~371.200 IQD).
Im Jahr 2018 waren etwa 0,98% der Bevölkerung des Gouvernements Dohuk von akuter Armut betroffen und 2,95% waren armutsgefährdet (OPHI 10.9.2020). Einer anderen Quelle zufolge betrug die Armutsrate im Jahr 2018 8,6% (KRSO 2021). Etwa 5,49% der Bevölkerung Dohuks (rund 330.900 Personen) hat unzureichende Nahrungsaufnahme. Für rund 34,33% (rund 615.700 Personen) ist die Deckung des Nahrungsmittelbedarfs kritisch (WFP 9.2021). Bei der Verfügbarkeit von Lebensmitteln und anderen Waren hat Dohuk im Zuge einer Untersuchung vom Juli 2020 zehn von zehn möglichen Punkten erhalten (WB, WFP, FAO, IFAD 9.2020).
Die Wasserversorgung im Gouvernement Dohuk ist stabilisiert und Flüchtlinge, Binnenvertriebene und die Bevölkerung in den Aufnahmegemeinden haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (GIZ 2021)
Aufgrund von Stromversorgungsproblemen hat die Regierung des Gouvernements eine Vereinbarung mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) unterzeichnet, um einen Solarenergiepark zu errichten (Al Monitor 20.2.2020). Bewohner des Deralok Sub-Distrikt berichten, dass sie nur etwa zehn bis zwölf Stunden Energie aus dem nationalen Stromnetz erhalten (Rudaw 3.7.2021)..
Sulaymaniyah
Schlechte Infrastruktur und Korruption behindern die wirtschaftliche Entwicklung des Gouvernements Sulaymaniyah (IOM 9.2021). Die Arbeitslosenrate in Sulaymaniyah wird für das Jahr 2017 auf 9,4% geschätzt (KRSO 2021). Im Jahr 2018 waren etwa 0,28% der Bevölkerung von akuter Armut betroffen und 2,69% waren armutsgefährdet (OPHI 10.9.2020). Einer anderen Quelle zufolge betrug die Armutsrate im Jahr 2018 4,46% (KRSO 2021).
Einer Umfrage vom Februar 2021 im Distrikt Halabja zufolge liegen die Durchschnittsgehälter für Facharbeiter bei 273 USD (~398.440 IQD) und reichen von 82 USD bis über 600 USD (~119.680 bis 875.690 IQD). Die Durchschnittslöhne für ungelernte Arbeitskräfte waren vor COVID-19 mit 290 USD (~423.250 IQD) höher und liegen nach den letzten Schätzungen der Arbeitgeber derzeit bei etwa 221 USD (~322.550 IQD). Allerdings gab nur die Hälfte der Arbeitgeber an, ungelernte Arbeitskräfte zu beschäftigen (IOM 9.2021). Im Distrikt Kalar verdienen Fachkräfte durchschnittlich 396 USD (~539.260 IQD) und reichen von etwa 100 USD bis 1000 USD (~146.140 bis 1.461.410 IQD). Mehr als zwei Drittel der Arbeitgeber gaben an, auch ungelernte Arbeitskräfte zu beschäftigen, die im Durchschnitt 241 USD (~352.200 IQD) erhielten, wobei die Löhne zwischen 100 und 600 USD (~146.140 bis 876.850 IQD) lagen (IOM 9.2021A).
Für je etwa 15,2% der Bevölkerung (rund 30.000 Personen) ist die Nahrungsaufnahme unzureichend, bzw. ist die Deckung des Nahrungsmittelbedarfs kritisch (WFP 9.2021). Bei der Verfügbarkeit von Lebensmitteln und anderen Waren hat Sulaymaniyah im Zuge einer Untersuchung vom Juli 2020 zehn von zehn möglichen Punkten erhalten (WB, WFP, FAO, IFAD 9.2020).
Der Fluss Chami Rokhana im Süden der Sulaymaniyahs ist aufgrund der Dürre und wegen iranischer Dammbauten ausgedrocknet (Rudaw 5.8.2021). Vertreter der Gesundheitsbehörden warnen davor, dass durch die Wasserknappheit Krankheiten, die durch verunreinigtes Wasser verursacht werden, zunehmen könnten (K24 10.6.2021).
Im Jahr 2020 wurde laut der Generaldirektion für Elektrizitätsversorgung in Sulaymaniyah täglich Strom für 20 Stunden geliefert. Auch für 2021 wurde diese Menge anvisiert, jedoch sorgte rückgängiger Wasserstand dafür, dass die Kraftwerke am Dukan-Damm und in Darbandikhan nicht wie bisher Energie produzieren konnten (Shafaq 20.5.2021).
Medizinische Versorgung in der Kurdistan Region Irak (KRI)
Letzte Änderung: 16.08.2022
Das öffentliche Gesundheitssystem in der Kurdistan Region Irak (KRI) wird durch das Gesundheitsministerium (MoH) in Erbil verwaltet. Es gibt fünf Gesundheitsdirektionen (DoH) des MoH, eine in Dohuk, eine in Erbil und drei in Sulaymaniyah: das Slemani DoH, das Germian DoH und das Rania DoH. Unter jeder der Direktionen gibt es Gesundheitssektoren auf Distriktebene. Finanziert wird das öffentliche Gesundheitssystem durch eine Haushaltszuweisung der Kurdischen Regionalregierung (KRG), aus der die Gehälter der im öffentlichen Sektor tätigen medizinischen Fachkräfte, sowie Medikamente, Verbrauchsmaterialien und Investitionen in die Infrastruktur des Gesundheitswesens, wie Gebäude und Geräte bezahlt werden. Dabei ist die KRG von Zahlungen der irakischen Zentralregierung in Bagdad abhängig, die 17 % ihres Budgets ausmachten (MedCOI 8.2020).
Gesundheitsdienste werden hauptsächlich durch den öffentlichen Sektor angeboten, wobei auch der private Sektor und Nichtregierungsorganisationen nach und nach ihre Gesundheitseinrichtungen aufbauen (MedCOI 8.2020).
Die Gesundheitsversorgung in der KRI ist dreigeteilt. Primäre Gesundheitsversorgung wird durch Hauptzentren der primären Gesundheitsversorgung (PHC) sowie PHC-Unterzentren bereitgestellt. Im Jahr 2017 gab es in der KRI 548 PHCs. Diese sind mit mindestens einem Allgemeinmediziner besetzt und bieten eine medizinische Grundversorgung. Die meisten der PHCs versorgen mehr als 10.000 Personen. PHC-Unterzentren verfügen hingegen nicht über einen Arzt und ihre Leistungen sind in der Regel eingeschränkter. Sie stellen grundlegende Medikamente zur Verfügung und versorgen in der Regel etwa 2.000 Personen. Krankenhäuser bieten sekundäre und tertiäre Versorgung. Im Jahr 2017 gab es in der KRI 19 öffentliche und sieben private Krankenhäuser im Gouvernement Dohuk, 24 öffentliche und 19 private Krankenhäuser im Gouvernement Erbil sowie 33 öffentliche und 16 private Krankenhäuser im Gouvernement Sulaymaniyah (MedCOI 8.2020).
Die meisten Menschen leben in einem Umkreis von 30 Minuten um ein Zentrum der PHC, und die Gesamtzahl und Art der Gesundheitseinrichtungen (d.h. Krankenhäuser und PHCs) sind im weltweiten Vergleich ausreichend, jedoch ist die geografische Verteilung der angebotenen Leistungen, des Personals und der Ausstattung ungleichmäßig. In mehreren PHCs waren Labor- oder andere Geräte zwar vorhanden, aber nicht funktionsfähig, oder das PHC hatte keinen geschulten Nutzer für diese. Die KRG ist dabei Gesundheitsinformationssysteme (HIS) und Evidenz für die Entscheidungsfindung zu verbessern, um damit auch die Behandlung zu verbessern und den Fortschritt hin zu einer universellen Gesundheitsversorgung zu beschleunigen (MedCOI 8.2020).
Die staatliche medizinische Versorgung in der KRI ist kostenlos bzw. sehr kostengünstig, allerdings qualitativ schlecht und mit langen Wartezeiten verbunden (AA 25.10.2021; vergleiche IOM 18.6.2021). Private Krankenhäuser, auch auf hohem medizinischem Niveau, sind kostspielig und sind nur für die obere Mittelschicht leistbar (AA 25.10.2021). Es gibt keine privaten Krankenversicherungen, sodass Zahlungen in privaten Einrichtungen aus eigener Tasche bezahlt werden müssen (MedCOI 8.2020).
römisch II.2. Beweiswürdigung:
römisch II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch die vorliegenden Verwaltungsakte Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren, sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
römisch II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der BF ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie den Sprach- und Ortskenntnissen und den vorgelegten Bescheinigungsmitteln.
römisch II.2.3. Die Feststellungen betreffend die von den BF in Anspruch genommenen Leistungen der Grundversorgung ergeben sich zweifelsfrei aus dem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit der erwachsenen BF in Österreich entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsichtnahme in das Strafregister).
römisch II.2.4. Zur getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu. Die BF traten auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen.
römisch II.2.5. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Paragraph 45, AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.
Im Rahmen der oa. Ausführungen ist durch das erkennende Gericht anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten -–z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.
Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).
römisch II.2.6. Der belangten Behörde ist insofern zuzustimmen, als sie zum Schluss kommt, dass die BF im Irak keiner asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt waren bzw. im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.
Vorerst ist zugleich festzuhalten, dass die von den BF1 bis BF4 gegen das Erkenntnis des BVwG erhobenen Revisionen bzw. Beschwerden gegen den Spruchpunkt römisch eins. der gegenständlichen Bescheide mit Beschluss des VwGH vom 13.12.2021 und hinsichtlich der BF5 mit Erkenntnis des VfGH vom 18.09.2023, zurückgewiesen bzw. die Behandlung der Beschwerden abgelehnt wurde und deswegen nicht mehr verfahrensgegenständlich sind. Über das Nichtvorhandensein glaubhafter Fluchtgründe im Sinne der GFK wurde somit bereits rechtskräftig abgesprochen.
römisch II.2.7. Hinsichtlich der bei der BF4 diagnostizierten leichten Aortenklappeninsuffizienz bleibt festzuhalten, dass diese in Österreich bereits erfolgreich behandelt wurde. Es sind im gegenständlichen Fall noch monatliche Nachkontrollen notwendig. Obwohl von der Rechtsvertretung mitgeteilt wurde, dass der Zustand stabil sei, wurde es bis dato verabsäumt, aktuelle medizinische Dokumente zu übermitteln. Der letzte diesbezügliche Arztbericht von MR Dr. NABI JINNIATE ist mit 09.09.2022 datiert. Darin wird in drei Zeilen allgemein darüber berichtet, dass die BF 5 eine Frühgeburt mit Apnoe-u. Bradykadie (wird als Unterbrechung des Gasflusses in den Atemwegen definiert und betrifft die große Mehrheit aller Frühgeborenen), PDA, PFO und frühgeb. Anämie ist. Weiter wird nunmehr behauptet, dass die Kinder an rez. Hauterkrankungen und rez. Infekten leiden, weswegen sie weiterhin regelmäßig Betreuung und Therapie benötigen. Es ist dem vagen Schreiben des Dr. NABI JINNIATE nicht ansatzweise zu entnehmen, welche Kinder jetzt tatsächlich erkrankt sein sollen, bzw. welche Therapie zur Anwendung gelangt oder welche Medikamente benötigt werden. Auch ist seit über einem Jahr kein aktueller und aussagekräftiger Befund oder Bericht mehr übermittelt worden.
Das BVwG geht daher folgerichtig davon aus, dass die BF4 monatlich einer Kontrolle hinsichtlich ihrer erfolgreich behobenen Aortenklappeninsuffizienz bedarf. Aus diesem Grund wurde bereits im Juni 2022 eine Anfrage an das ÖRK/ACCORD betreffend die Möglichkeit der Nachbehandlung einer (erfolgreich behobenen) Aortenklappeninsuffizienz im Raum Dohuk (welche Spitäler und Kosten?), übermittelt.
Der Beantwortung von ACCORD vom 22.08.2022 ist zu entnehmen:
Anfragebeantwortung zum Irak: Möglichkeit der Nachbehandlung einer (erfolgreich behobenen) Aortenklappeninsuffizienz im Raum Dohuk; welche Spitäler; Kosten [a-11934-1]
Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.
Kardiologische Kliniken und KardiologInnen in Dohuk:
Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR), die Agentur für technische Zusammenarbeit und Entwicklung (ACTED) und das Gesundheitsministerium der Regionalregierung Kurdistan nennen in einer Publikation über Gesundheitsinformationen für Flüchtlinge und Binnenvertriebene in der Provinz Dohuk das Azadi Teaching Hospital als ein auf Kardiologie spezialisiertes Spital (UNHCR/ACTED/Ministry of Health, April 2020, Sitzung 1). Auch das UK Home-Office nennt in einem COI-Bericht über die Gesundheitsversorgung im Irak vom Jänner 2021 unter Berufung auf MedCOI-Daten1 vom Februar 2020 das Azadi Teaching Hospital als eine öffentliche Einrichtung mit der Möglichkeit einer stationären Behandlung bei kardiologischen Problemen (UK Home-Office, Jänner 2021, Sitzung 14).
Die Gesundheitsdirektion der Provinz Dohuk beschreibt auf ihrer Webseite das Dohuk Herzzentrum, eine Abteilung innerhalb der kardiologischen Abteilung des Azadi Krankenhauses. Das Zentrum biete Dienstleistungen zur Diagnose und Behandlung von Herzerkrankungen im Allgemeinen und Erkrankungen der Koronararterien im Besonderen an. Das Zentrum biete eine Herzkatheterisierungs-Labormaschine, Echokardiographie, Langzeit EKG (Holter-Monitoring), permanente und temporäre Herzschrittmacher, Belastungs-EKG-Test (Laufbandtest), Ballondilatation und Stent-Implantation an (Directorate General of Health, Duhok, ohne Datum). Das UK Home-Office nennt unter Berufung auf MedCOI-Daten vom Februar 2020 außerdem eine Privatpraxis im Shilan Private Hospital als Anlaufstelle zur ambulanten Behandlung und Nachsorge durch eine/n Kardiolog·in (UK Home Office, Jänner 2021, Sitzung 14) und das Privatspital Vajeen Private Hospital als Anlaufstelle für Herzchirurgie und Herzklappenchirurgie (UK Home Office, Jänner 2021, Sitzung 15).
Es konnten im irakischen Ärzteleitfaden Tabib Iraq und auf der medizinischen Onlineplattform Al-Tibbi je ein Kardiologe mit Privatpraxis in Dohuk gefunden werden: Dr. Mazen Juma Ibrahim in der Al-Tajeer Straße (Tabib Iraq, ohne Datum) und Dr. Majid Hussein Dosky im Rosh Medical Complex (Al-Tibbi, ohne Datum).
Kosten
Laut UNHCR, ACTED und dem kurdischen Gesundheitsministerium würden öffentliche Gesundheitsdienste vom Gesundheitsministerium kostenlos bereitgestellt (mit einer nominalen Gebühr von 500 irakischen Dinar (0,34 EUR2)). Einige öffentliche Einrichtungen würden über halbprivate Einrichtungen verfügen, in denen sich die Patient·innen an den Behandlungskosten beteiligen müssten (UNHCR/ACTED/Ministry of Health, April 2020, Sitzung 1).
Labortests seien kostenlos in Zentren der primären Gesundheitsversorgung, Krankenhäusern und öffentlichen Labors erhältlich. Für kompliziertere Tests müsse ein Krankenhaus oder das Zentrallabor von Dohuk aufgesucht werden. Die Kosten für ein Ticket [entspricht einem Termin, Anmerkung ACCORD] für ein primäres Gesundheitszentrum mit einer größeren Auswahl von Medikamenten und Labortests betragen zwischen 2.000 und 3.000 irakische Dinar (1,35 EUR bzw. 2,03 EUR). (UNHCR/ACTED/Ministry of Health, April 2020, Sitzung 2)
Weitere aktuelle Informationen
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) veröffentlicht im Dezember 2021 einen Bericht über Korruption im irakischen Gesundheitssystem. Mediziner·innen, die in öffentlichen und privaten Einrichtungen im Irak, inklusive der Region Kurdistan, tätig seien, hätten wiederholt in Interviews auf das Problem der Umgehung der Qualitätskontrolle hingewiesen. Ein in der Arzneimittelversorgung tätiger Interviewpartner aus Sulaymaniyah habe angegeben, dass es bekannt sei, dass manche Medikamente, die sowohl an private Apotheken wie auch an öffentliche Krankenhäuser gehen, fast abgelaufen oder von sehr schlechter Qualität seien. Qualitätskontrollen an den Grenzen, die die Sicherheit von Medikamenten und die Eignung medizinischer Geräte garantieren sollten, würden ignoriert werden (KAS, Dezember 2021, Sitzung 9).
Zwei Mitarbeiter der Gesundheitsdirektion von Dohuk verfassten zusammen mit einem Mitarbeiter der medizinischen Fakultät der Universität Dohuk eine Bewertung der Arbeitsbelastung von Ärzt·innen in Zentren der primären Gesundheitsversorgung in der Provinz Dohuk, die im Jänner 2022 vom Journal „Human Resources for Health“ veröffentlicht wurde. Laut dem Artikel sei ein Mangel an Personal, speziell an Ärzt·innen, zu einer Herausforderung für die Gesundheitsbehörden in der Provinz Dohuk geworden. Ärztemangel und eine ungleiche Personalverteilung würden dazu führen, dass es einer großen Anzahl an Ärzt·innen in den primären Gesundheitszentren nicht möglich sei eine angemessene Gesundheitsversorgung bereitzustellen (Al-Dabbagh/Sulaiman/Abdulkarim, 28. Jänner 2022).
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 22. August 2022)
Den Länderinformationen ist zudem zu entnehmen, dass das öffentliche Gesundheitssystem in der Kurdischen Region im Irak (KRI) durch das Gesundheitsministerium (MoH) in Erbil verwaltet wird. Es gibt fünf Gesundheitsdirektionen (DoH) des MoH, eine in Dohuk, eine in Erbil und drei in Sulaymaniyah: das Slemani DoH, das Germian DoH und das Rania DoH. Unter jeder der Direktionen gibt es Gesundheitssektoren auf Distriktebene. Finanziert wird das öffentliche Gesundheitssystem durch eine Haushaltszuweisung der Kurdischen Regionalregierung (KRG), aus der die Gehälter der im öffentlichen Sektor tätigen medizinischen Fachkräfte, sowie Medikamente, Verbrauchsmaterialien und Investitionen in die Infrastruktur des Gesundheitswesens, wie Gebäude und Geräte bezahlt werden. Dabei ist die KRG von Zahlungen der irakischen Zentralregierung in Bagdad abhängig, die 17% ihres Budgets ausmachten (MedCOI 8.2020). Die Gesundheitsversorgung in der KRI ist dreigeteilt. Primäre Gesundheitsversorgung wird durch Hauptzentren der primären Gesundheitsversorgung (PHC) sowie PHC-Unterzentren bereitgestellt. Im Jahr 2017 gab es in der KRI 548 PHCs. Diese sind mit mindestens einem Allgemeinmediziner besetzt und bieten eine medizinische Grundversorgung. Die meisten der PHCs versorgen mehr als 10.000 Personen. PHC-Unterzentren verfügen hingegen nicht über einen Arzt und ihre Leistungen sind in der Regel eingeschränkter. Sie stellen grundlegende Medikamente zur Verfügung und versorgen in der Regel etwa 2.000 Personen. Krankenhäuser bieten sekundäre und tertiäre Versorgung. Im Jahr 2017 gab es in der KRI 19 öffentliche und sieben private Krankenhäuser im Gouvernement Dohuk, 24 öffentliche und 19 private Krankenhäuser im Gouvernement Erbil sowie 33 öffentliche und 16 private Krankenhäuser im Gouvernement Sulaymaniyah (MedCOI 8.2020).
Es kann demnach festgehalten werden, dass sowohl vom UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR), der Agentur für technische Zusammenarbeit und Entwicklung (ACTED), dem Gesundheitsministerium der Regionalregierung Kurdistan als auch vom UK Home-Office das Azadi Teaching Hospital in Dohuk als eine öffentliche Einrichtung mit der Möglichkeit einer stationären Behandlung bei kardiologischen Problemen vorhanden ist. Weiters ist der Anfragebeantwortung zu entnehmen, dass eine Abteilung innerhalb der kardiologischen Abteilung des Azadi Krankenhauses Dienstleistungen zur Diagnose und Behandlung von Herzerkrankungen im Allgemeinen und Erkrankungen der Koronararterien im Besonderen anbietet. Das Zentrum biete eine Herzkatheterisierungs-Labormaschine, Echokardiographie, Langzeit EKG (Holter-Monitoring), permanente und temporäre Herzschrittmacher, Belastungs-EKG-Test (Laufbandtest), Ballondilatation und Stent-Implantation an (Directorate General of Health, Duhok, ohne Datum). Bezüglich den Kosten teilen UNHCR, ACTED und das kurdische Gesundheitsministerium mit, dass öffentliche Gesundheitsdienste vom Gesundheitsministerium kostenlos bereitgestellt werden (mit einer nominalen Gebühr von 500 irakischen Dinar (0,34 EUR2)). Zudem seien Labortests kostenlos in Zentren der primären Gesundheitsversorgung, Krankenhäusern und öffentlichen Labors erhältlich. Eine erfolgreiche und adäquate Weiterbehandlung der BF4 ist somit faktisch verfügbar und erhältlich. Zudem muss festgehalten werden, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt.
Fallgegenständlich wurde auch im Beschluss des VwGH vom 30.06.2023, Ra 2022/14/0330 bis 0333-15, ausgeführt: Derartiges zeigen die Revisionen mit ihren allgemein gehaltenen Vorwürfen, es sei nicht bzw. nicht ausreichend geprüft worden, ob die medizinische Behandlung der „Hauterkrankungen und rezidivierenden Infekte“ der Dritt- und Viertrevisionswerberin sowie die - im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht näher beschriebenen - „Krankheit“ der Viertrevisionswerberin gewährleistet und tatsächlich leistbar seien, nicht auf.
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die medizinische Behandlung in Österreich grundsätzlich besser ist als im Irak. Dieser Umstand ist im Rahmen eines Antrages auf internationalen Schutz jedoch nicht relevant. Es ist zwar nachvollziehbar, dass die BF ihre Kinder in Österreich kostenlos behandeln lassen wollen, dennoch berechtigt der Wunsch nach einer besseren Behandlungsmöglichkeit nicht, sich weltweit ein Sozialsystem auszusuchen, welches den Wunsch- bzw. Idealvorstellungen entspricht. Zudem versuchen die BF augenscheinlich, die Situation im Heimatland in einem denkbar ungünstigen Licht darzustellen, was beim VfGH offenbar gelungen ist. Es liegt jedenfalls keine derartige Erkrankung vor, welche das Risiko bergen würden, im Falle der Rückkehr unter qualvollen Umständen im Irak zu sterben.
römisch II.2.8. Hinsichtlich der in Stellungnahme der BF monierten Bedrohung aufgrund der sunnitischen Konfession sind folgende Erwägungen maßgeblich:
Aus den Feststellungen zur Lage im Irak geht im Hinblick auf die Lage der sunnitischen Minderheit hervor, dass im Irak zahlreiche Sunniten leben. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die irakische Gesellschaft bereits seit dem Sturz des (sunnitisch geprägten) Regimes von Saddam Hussein in zunehmendem Maße religiös gespalten ist und sich etwa in den Jahren 2006 bis 2008 massive konfessionelle Konflikte ereigneten. Seit dem Vorrücken der (ebenfalls sunnitischen) Milizen des Islamischen Staates wird die sunnitische Minderheit im Irak darüber hinaus oftmals einerseits für das Erstarken des Islamischen Staates und die damit verbundenen zahlreichen vornehmlich schiitischen Opfer unter den Sicherheitskräften (wie etwa beim Massaker von Tikrit) und Zivilisten verantwortlich gemacht und andererseits selbst fallweise mit einer unterstellten Sympathie gegenüber dem Islamischen Staat konfrontiert.
Eine systematische Verfolgung sämtlicher Angehöriger der sunnitischen Minderheit durch die schiitische Mehrheitsbevölkerung kann dessen ungeachtet angesichts der Quellenlage nicht nachvollzogen werden, was sich auch insofern bestätigt, dass noch annähernd sämtliche Familienangehörige des BF1 und der BF2 bis dato in römisch 40 aufhältig sind und entsprechende Schwierigkeiten nicht vorgebracht wurden. Ein genereller Ausschluss von Sunniten vom Arbeitsmarkt und von Bildungseinrichtungen liegt in Anbetracht der Quellenlage sowie den vom Bundesverwaltungsgericht bei der Bearbeitung ähnlich gelagerter, den Irak betreffender Verfahren gewonnenen Wahrnehmungen ebenfalls nicht vor. Dazu tritt, dass ausweislich der Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak hohe Staatsämter auch von Sunniten bekleidet werden und diese auch im irakischen Parlament repräsentiert sind, war auch gegen eine Verfolgung sämtlicher Angehöriger des sunnitischen Religionsbekenntnisses im Irak spricht. Würde eine Gruppenverfolgung sämtlicher Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung im Irak tatsächlich stattfinden, wäre ferner mit Sicherheit davon auszugehen, dass entsprechende eindeutige und aktuelle Quellen vorhanden wären. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass von schiitischen Milizen nach wie vor Menschenrechtsverletzungen ausgehen und auch eine nicht feststellbare Zahl von Übergriffen auf sunnitische Iraker stattfindet, welche über die vorstehend dargelegten Diskriminierungen hinausgehen.
Auch verneinten die volljährigen BF dezidiert gestellte Fragen zu einer Bedrohung oder Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sunnitschen Glaubensgemeinschaft.
römisch II.2.9. Schließlich ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass es sich bei den beschwerdeführenden Parteien um eine Familie mit minderjährigen Kindern und damit um besonders vulnerable und besonders schutzbedürftige Personen handelt. Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung, ob den beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Artikel 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche Rückkehrsituation die BF tatsächlich vorfinden (siehe dazu statt aller VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 mwN; VfGH 11.12.2018, E 2025/2018).
Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass die minderjährigen BF keiner besonders gefährdeten Gruppe angehören und ist auch von einer Rückkehr der minderjährigen BF gemeinsam mit ihren Eltern davon auszugehen, sodass die Betreuung, Erziehung und Beaufsichtigung der Minderjährigen sichergestellt ist. Zudem halten sich in römisch 40 noch zahlreiche Verwandte der Kernfamilien der Eltern der minderjährigen BF, darunter Großeltern, Tanten und Onkeln auf, die ebenfalls für die minderjährigen BF als Bezugspersonen zur Verfügung stehen können. Sämtliche Verwandte im Irak beziehen eine Pension oder gehen einer Arbeit nach und verfügen alle über Häuser oder Wohnungen, sodass die volljährigen BF mit ihren drei minderjährigen Kindern – zumindest in der Anfangsphase über Wohnwöglichkeiten verfügen. Dass die Verwandten im Irak den BF keine Wohnmöglichkeit zur Verfügung stellen, wurde nicht ansatzweise vorgebracht. Zudem haben die volljähringen BF regelmäßigen Kontakt zu ihren Verwandten im Herkunftsland.
Das Bundesverwaltungsgericht kann außerdem in Ansehung der minderjährigen BF nicht die reale Gefahr erkennen, im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen zu sein. Die volljährigen BF vermittelten den Eindruck, am Wohlergehen ihrer Kinder sehr interessiert zu sein. Hinweise auf gewalttätige Übergriffe auf die Minderjährige im Bundesgebiet liegen nicht vor. Ausgehend davon ist auch nicht zu besorgen, dass die minderjährigen BF im Rückkehrfall einem davon abgeleiteten Risiko ausgesetzt würden oder sie sonst von häuslicher Gewalt betroffen wären.
Auch hinischtlich des Vorbringens, dass keine ausreichende Berücksichtigung des Kindeswohls stattgefunden hätte, wurde im Beschluss des VwGH vom 30.06.2023 festgehalten, dass die BF mit ihrem Vorbringen diesen Verfahrensmangel zwar aufzeigen, ohne sich dabei aber mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes zu den anderen Familienmitgliedern auseinanderzusetzen und ohne darzustellen, welche Aspekte noch berücksichtigt hätten werden müssen und welche konkreten Feststellungen noch zu treffen gewesen wären.
Im Irak ist die Grundversorgung mit Nahrung und medizinische Versorgung gegeben und steht auch schulpflichtigen Kindern laut Länderinformationsblatt ein diskriminierungsfreier Zugang zum Schulsystem. Die UNO-Unterstützungsmission für den Irak (UNAMI) und das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) fassen im Februar 2020 die rechtliche Grundlage des Schulbesuchs im Irak wie folgt zusammen: Artikel 34 der irakischen Verfassung garantiere das Recht auf Bildung. Darüber hinaus sehe die Verfassung vor, dass die Grundschulbildung obligatorisch sei und garantiere das Recht auf Bildung in der Muttersprache. Alle Irakerinnen hätten außerdem das Recht auf kostenlose Bildung in allen Stufen. Diese verfassungsrechtlichen Garantien würden von föderalen und regionalen Vorschriften und Richtlinien begleitet. (UNAMI/OHCHR, 17. Februar 2020, Sitzung 7)
Ob der obenstehenden Erwägungen und den getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsregion der BF ist nicht zu besorgen, dass die minderjährigen BF als besonders vulnerable Personen im Rückkehrfall von terroristischen oder kriminellen Aktivtäten betroffen wären. Aufgrund der Verfahrensergebnisse ist auch nicht davon auszugehen, dass sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit sonstiger Gewalt, wie etwa Blutrache oder einem Ehrenmord, zum Opfer fallen würden.
Ein dahingehendes Vorbringen wurde im Verfahren nicht erstattet und es kann das Bundesverwaltungsgericht in Ansehung der persönlichen Profile der BF auch kein amtswegig wahrzunehmendes besonderes Gefährdungsmoment erkennen.
Zudem muss in Ansehung der minderjährigen BF noch Augenmerk auf eine mögliche Genitalverstümmelung gelegt werden. Den Länderinformationen ist zu entnehmen, dass das Thema der Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen im Irak lange Zeit ein Tabu war, über das kaum gesprochen wurde (UK Home-Office 2.2020; vergleiche MRG 11.2015). Erst als durch Studien die alarmierend hohe FGM-Rate im kurdischen Norden aufgezeigt wurde, hat sich dies geändert (MRG 11.2015). Seit 2011 stellt ein Gesetz in der Kurdischen Region im Irak (KRI) die Genitalverstümmelung unter Strafe (AA 25.10.2021; vergleiche PKI 21.6.2011). Die UNO arbeitet mit Regierungsinstitutionen und lokalen NGOs zusammen, um FGM durch Sensibilisierungskampagnen zu verhindern (UNICEF 6.2.2019). NGOs berichten jedoch, dass die Praxis weiter betrieben wird, vor allem in ländlichen Gebieten, insbesondere in Erbil und Sulaymaniyah, sowie in Kirkuk (USDOS 30.3.2021; vergleiche DFAT 17.8.2020). Eine Umfrage aus dem Jahr 2016 ergab, dass fast 45% der befragten Frauen in der KRI FGM ausgesetzt waren, (DFAT 17.8.2020). In Erbil waren 2018 etwa 50,1% der Frauen vom FGM betroffen, in Sulaymaniyah waren es 45,1%. In Dohuk hingegen nur etwa 3,1% (UNICEF 6.12.2018; vergleiche BMC 1.4.2021). Einer Untersuchung aus 2018 zufolge wurden etwa 7,4% der irakischen Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren einer FGM unterzogen. In der KRI waren es 37,5%, im Zentral- und Südirak hingegen nur 0,4%. Bei Mädchen im Alter von 0 bis 14 Jahren ist der Prozentsatz mittlerweile auf 1% gesunken, bzw. auf 3% in der KRI (UNICEF 6.12.2018). Die Wahrscheinlichkeit, dass die minderjährigen BF einer FGM unterzogen werden könnten war somit bereits im Jahr 2018 bei lediglich 3 % und geht diese Quote aufgrund der unter Strafstellung der Genitalverstümmelung weiter zurück.
Aufgrund der oben dargelegten Erwägungen zur sozioökonomischen Lage kann schließlich nicht die reale Gefahr erkannt werden, dass die BF im Rückkehrfall von einer unzureichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder von Unterernährung betroffen wären. Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, die Kinder für ihre Bedürfnisse benötigen, liegen ausweislich der Feststellungen nicht vor. So ist auch dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass im Jahr 2018 etwa 0,98% der Bevölkerung des Gouvernements Dohuk von akuter Armut betroffen waren. Etwa 5,49% der Bevölkerung Dohuks (rund 330.900 Personen) hat unzureichende Nahrungsaufnahme. Bei der Verfügbarkeit von Lebensmitteln und anderen Waren hat Dohuk im Zuge einer Untersuchung vom Juli 2020 zehn von zehn möglichen Punkten erhalten (WB, WFP, FAO, IFAD 9.2020). Die Wasserversorgung im Gouvernement Dohuk ist stabilisiert und Flüchtlinge, Binnenvertriebene und die Bevölkerung in den Aufnahmegemeinden haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (GIZ 2021)
Ausgehend von den persönlichen Profilen der BF und den Erwägungen zur Lebensgrundlage im Herkunftsstaat geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die minderjährigen BF im Wege der Versorgung durch ihre Eltern und der durch das nach wie vor großflächige familiäre Netzwerk erlangbaren Hilfe nicht nur eine hinreichende Absicherung im Hinblick auf die Güter des täglichen Bedarfs, sondern insbesondere auch im Hinblick auf ihre altersgerechten Bedürfnisse erfahren werden.
An dieser Stelle ist eine Auseinandersetzung mit der im Mai 2019 veröffentlichten und in der Stellungnahme vom 19.05.2019 in der Vorgängerversion ziterten Position des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge „International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq“ erforderlich, da Empfehlungen internationaler Organisationen Indizwirkung nach der Rechtsprechung zukommt (VwGH 13.03.2019, Ra 2018/18/0500) und sich die angeführte Position von UNHCR ausführlich mit potentiellen Verfolgungsszenarien im Irak auseinandersetzt. Die zitierte Indizwirkung bedeutet jedoch nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in Bindung an entsprechende Empfehlungen etwa des UNHCR Asyl zu gewähren hat. Vielmehr ist, wenn in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Einschätzung des UNHCR nicht gefolgt wird, beweiswürdigend darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte von einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat ausgegangen wird (VwGH 13.12.2010, Zl. 2008/23/0976; 06.02.2017, Ra 2017/20/0016, zur Lage im Irak).
In der Folge identifiziert der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zwölf Personengruppen, die als besonders schutzbedürftig angesehen werden (siehe die Seiten 58 ff des Berichtes). In Ansehung der beschwerdeführenden Parteien ist festzustellen, dass diese keiner dieser Gruppen angehören. Die BF haben sich nicht als Kritiker des kurdischen politischen Systems exponiert oder anderweitig oppositionell betätigt, sodass eine diesbezügliche Gefährdung (deren Bezeichnung im Original: „Persons Opposing, or Perceived to Be Opposing, the KRG or Those Affiliated with the KRG“) ausgeschlossen werden kann. Des Weiteren können die minderjährigen BF keinem angeführten Risikoprofile zugeordnet werden. Die minderjährigen BF waren und sind nicht von Kinderarbeit, geschlechtsspezifischer oder häuslicher Gewalt, Zwangsprostitution oder Zwangsheirat betroffen, ebenso ist keine Zwangsrekrutierung zu besorgen. Die minderjährigen BF entspringen außerdem keiner außerehelichen bzw. nicht offiziell registrierten Beziehung. Sie sind nicht vom Zugang zu Bildung ausgeschlossen. Ansatzpunkte für eine aufgrund der Ausführungen im Berichts „International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq“ des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge vom Mai 2019 amtswegig wahrzunehmende Gefährdung der beschwerdeführenden Parteien liegen zusammenfassend nicht vor.
römisch II.2.10. Nachdem es sich bei den BF um Angehörige der kurdischen Volksgruppe handelt, welche im Nordirak ihren Lebensmittelpunkt vor der Ausreise begründeten, bleibt noch die Frage nach den Einreisebestimmungen in den den Nordirak.
Aus diesem Grund wurde eine Anfrage an ACCORD gerichtet, welche Folgendes ergab:
Anfragebeantwortung zum Irak: Brauchen Kurden zur Einreise in den Nordirak (Dohuk) einen Bürgen bzw. eine Bürgin? [a-11934-2]
Der am 22.08.2022 übermittelten Beantwortung ist zu entnehmen, dass „Danish Immigration Service (DIS) und Landinfo zitieren ein Interview mit einer als Menschenrechtsaktivist·in bezeichneten Person in Erbil vom April 2018. Laut der befragten Person könnten Kurdinnen aus dem gesamten Irak problemlos in die Region Kurdistan einreisen. Kurdinnen bräuchten auch für die Niederlassung keinen Bürgen, andere Personen jedoch schon (DIS/Landinfo, 5. November 2018, Sitzung 39).
Das UN Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) schreibt bereits im April 2017, dass Irakerinnen im Allgemeinen (mit Ausnahme von Personen aus der Provinz Ninawa) ohne Sponsor über den Internationalen Flughafen Erbil einreisen könnten (UNHCR, 12. April 2017, Sitzung 7). In der neuesten Information von UNHCR vom Jänner 2021 findet sich zudem die Information, dass auch ethnische Araber·innen und Turkmen·innen, die nicht aus der Region Kurdistan stammen, keinen Bürgen benötigen, um nach Dohuk, Erbil oder Sulaymaniyah einzureisen (UNHCR, Jänner 2021, Sitzung 2), jedoch benötigt diese Personengruppe für einen mehr als einmonatigen Aufenthalt einen Bürgen (UNHCR, Jänner 2021, Sitzung 4).“
Die BF benötigen demnach auch keinen Bürgen für die Einreise in den Nordirak bzw. nach Dohuk. Zudem bedürfen alle Kurden auch keinen Bürgen für die Niederlassung in Dohuk und leben ohnehin circa 20 Verwandte der BF nach wie vor in Dohuk bzw. in der angrenzenden Stadt Semile.
römisch II.2.11. Weiters sind in Ansehung der BF folgende Erwägungen zu im Rückkehrfall zu erwartenden sozioökonomischen Lage maßgeblich:
Der BF1 ist in römisch 40 geboren und besuchte fünf Jahre lang die Schule. Danach war er als Hilfsarbeiter in der Gastronomie und im Baugewerbe tätig. Die BF2 besuchte fünf Jahre lang die Grundschule und war danach als Hausfrau beschäftigt. Die minderjährigen BF leben bei und von den Eltern.
Keiner der BF leidet an einer schweren, lebensbedrohlichen Krankheit. Die bei der BF4 festgestellte leichte Aortenklappeninsuffizienz wurde im Bundesgebiet erfolgreich behoben. Die erforderlichen Nachkontrollen sind im Azadi Teaching Hospital in römisch 40 verfügbar.
Die erwachsenen BF sind mit der Sprache sowie den Gebräuchen in ihrem Herkunftsstaat vertraut und konsumierten im Irak eine grundlegende Schulbildung.
Den volljährigen BF steht es frei, im Rückkehrfall neuerlich einer Beschäftigung nachzugehen. Auch der BF2 ist es nach der Zeit der Karenz zumutbar, im Fall der Rückkehr zumindest eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen. So demonstriert ihre Schwägerin, die ein Lebensmittelgschäft betreibt, dass auch weibliche Personen im Irak erfolgreich am Erwerbsleben teilnehmen können. Dass es Frauen im Irak grundsätzlich nicht möglich wäre, einer Arbeit nachzugehen, lässt sich der Quellenlage zudem nicht entnehmen. Die minderjährigen BF können nach der Rückkehr und dem Erreichen des dafür erforderlichen Alters die Schule besuchen, wie bereits erörtert wurde.
Es ist nicht ersichtlich, weshalb die volljährigen BF im arbeitsfähigen Alter im Irak keine Tätigkeit ausüben sollten. Zwar ist die Situation im Land von einer generell hohen Arbeitslosenquote, insbesondere bei Jugendlichen und Frauen, gekennzeichnet allerdings zeigen auch die Angehörigen der Kernfamilien der volljährigen BF, welche in verschiedenen Berufen tätig sind, dass bei entsprechendem Willen eine Beschäftigung ausgeübt werden kann.
Die BF sind in der Lage, im Irak für ihre grundlegendsten Bedürfnisse selbst aufzukommen. In römisch 40 leben noch zwei Schwestern, zwei Brüder, zwei Tanten väterlicherseits und zwei Onkel mütterlicherseits. Ein Bruder ist Polizist, der andere arbeitet in einem Immobilienbüro, welches dem Onkel gehört, eine verwitwete Schwester betreibt mit ihrem Sohn ein Lebensmittelgeschäft. Die zweite Schwester wird vom Bruder, welcher Polizist ist, versorgt. Sowohl die beiden Brüder als auch die verwitwete Schwester besitzen Häuser. In römisch 40 wohnen noch die Eltern der BF2, weiters zwei Schwestern und fünf Brüder. Ein Bruder ist Bäcker und versorgt die Eltern. Die beiden Schwestern sind verheiratet und als Hausfrauen beschäftigt. Ein Bruder arbeitet beim Zoll, einer ist Taxifahrer, einer arbeitet als Hilfsarbeiter, der vierte Bruder studiert und ein Bruder ist noch schulpflichtig. Eine Schwester und ein Bruder leben bei den Eltern im eigenen Haus, ein Bruder lebt bei den Schwiegereltern im eigenen Haus.
Dazu tritt, dass sich, wie bereits angesprochen, die allgemeine Sicherheitslage im Irak im Allgemeinen und auch in der KRI im Besonderen seit der militärischen Niederlage des Islamischen Staates im Jahr 2017 entscheidend verbessert hat. So ist beispielsweise dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass für April 2021 der Irakexperte Joel Wing lediglich einen sicherheitsrelevanten Vorfall mit einem toten türkischen Soldaten und einem verwundeten Zivilisten verzeichnet hat (Wing 3.5.2021). Zwischen dem 1.10.2021 und dem 31.1.2022 wurden in Dohuk sieben friedliche Proteste verzeichnet (ACLED 2022).
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kann in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage im Irak dargestellten Gefahrendichte sowie auch aufgrund der aktuellen Medienberichterstattung nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz der BF im Irak davon ausgegangen werden muss, dass diese wahrscheinlichen Opfer eines Anschlages oder Gegenschlages der Sicherheitskräfte werden würden. (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137). Zwar kann die wirtschaftliche Situation im Land für den Großteil der Bevölkerung durchaus als angespannt bezeichnet werden und wird die Wirtschaftsentwicklung sicherlich durch die Corona-Pandemie – wie in anderen Staaten der Erde auch – weiter gedämpft. Dass es Menschen im Irak grundsätzlich nicht möglich wäre, einer Arbeit nachzugehen oder dort massenhaftes Elend und Hunger herrschen würden, lässt sich der Quellenlage und der aktuellen Medienberichterstattung jedoch nicht entnehmen.
Im Hinblick auf den Bezug von Wasser kommt es den eingesehenen Dokumenten zufolge im Irak, vor allen in den Sommermonaten, immer wieder zu Unterbrechungen. Auch die mitunter schlechte Wasserqualität bedingt die Notwendigkeit, Wasser in Flaschen und Medikamenten gegen Auswirkungen von verunreinigtem Wasser zu beziehen. Zudem leidet die Nahrungsmittelproduktion im Irak unter der Trockenheit und versalztem Wasser, was eine hohe Importrate bei bestimmten Nahrungsmitteln, wie etwa Zucker, Öl, Reis, Milchprodukte und Weizenmehl, bedingt und vor allem bei ausgeprägten Trockenperioden die Preise für gewisse Lebensmittel in die Höhe treiben kann.
Es ist zudem auch anzunehmen, dass die BF im Irak neben ihren zahlreichen Verwandten auch über einen gewissen Bekanntenkreis verfügen. Die BF werden deshalb auch wieder sozialen Anschluss im Irak finden und kann daher auch davon ausgegangen werden, dass den BF – zumindest für die Phase einer ersten Orientierung – Unterstützung durch die Verwandten und den Bekanntenkreis zuteilwerden wird.
Dessen ungeachtet vertritt das Bundesverwaltungsgericht auch ob des von den BF in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks die Auffassung, dass diese anpassungsfähig und arbeitsfähig sind. Die volljährigen BF gaben vor dem Bundesverwaltungsgericht an, arbeitswillig zu sein. Es ist daher davon auszugehen, dass die BF daher selbst in der Lage wären, für ihr Auskommen im Fall der Rückkehr zu sorgen.
Den BF steht es auch frei, am ERIN-Programm teilzunehmen. ERIN ist ein Rückkehr- und Reintegrationsprogramm auf europäischer Ebene mit dem Hauptziel, Reintegrationsunterstützung im Herkunftsland anzubieten. ERIN ist eine Spezifische Maßnahme (Specific Action) im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU, wird von den Niederlanden (Repatriation and Departure Service (R&DS) – Ministry of Security and Justice of the Netherland) geleitet und zu 90% aus Europäischen Mitteln finanziert.
Im Rahmen des ERIN Programms erhält jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin eine Reintegrationsleistung in der Höhe von 3.500 Euro, wobei 500 Euro als Bargeld und 3.000 Euro als Sachleistung vom Service Provider im Herkunftsland ausgegeben werden. Während die Geldleistung grundsätzlich dazu gedacht ist die unmittelbaren Bedürfnisse nach der Rückkehr zu decken, dient die Sachleistung insbesondere als Investition zur Schaffung einer Existenzgrundlage und trägt somit zu einer nachhaltigen Rückkehr bei. Von Juni 2016 bis Jänner 2018 erhielten 843 Personen im Rahmen ihrer Rückkehr von Österreich in ihr Heimatland Reintegrationsunterstützung über das ERIN-Programm. Unter Berücksichtigung von Familienangehörigen kehrten im selben Zeitraum sogar 1.254 Personen freiwillig in ihr Heimatland zurück. Aktuell wird ERIN-Reintegrationsunterstützung im Zentralirak und in der autonomen Region Kurdistan zur Verfügung gestellt (http://www.bmi.gv.at/107/EU_Foerderungen/Finanzrahmen_2014_2020/AMIF/ERIN.aspx). Die Teilnahme an diesem Programm vermittelt etwa hinreichende Starthilfe für eine selbständige Tätigkeit und den neuerlichen Aufbau eines eigenen Geschäftes.
Die BF sind als irakische Staatsbürger außerdem berechtigt, am Public Distribution System (PDS) teilzunehmen, einem sachleistungsorientierten Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft und an die Bevölkerung verteilt. Auch wenn das Programm von schlechter Organisation gekennzeichnet ist und Verzögerungen bei der Ausgabe der Rationen dokumentiert sind, ist zumindest von einer grundlegenden Absicherung im Hinblick auf den existenziellen Bedarf an Grundnahrungsmitteln auszugehen.
Dass Rückkehrer aus dem westlichen Ausland besonders vulnerabel wären, kann den zur Rückkehr getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak nicht entnommen werden. Seitens der BF wurde letztlich auch nicht vorgebracht, im Rückkehrfall in eine ausweglose Lage zu geraten oder in ihren Grundbedürfnissen nicht abgesichert zu sein, sodass insgesamt eine gesicherte Existenzgrundlage im Irak als erwiesen anzusehen ist.
römisch II.3. Rechtliche Beurteilung:
römisch II.3.1.1 Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht
Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß Paragraph 6, des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 10 aus 2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Dass Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, idgF geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Paragraph eins, BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 144 aus 2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gem. Paragraphen 16, Absatz 6,, 18 Absatz 7, BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.
römisch II.3.1.2. Familienverfahren gemäß Paragraph 34, AsylG:
Stellt ein Familienangehöriger von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist (Ziffer eins,); einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8,) zuerkannt worden ist (Ziffer 2,) oder einem Asylwerber (Ziffer 3,) einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt gemäß Paragraph 34, Absatz eins, AsylG dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß Paragraph 34, Absatz 4, AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Absatz 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Gemäß Paragraph 34, Absatz 5, AsylG gelten die Bestimmungen der Absatz eins bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Der BF1 ist der Ehegatte der BF2 und sind beide die Eltern der minderjährigen BF3 bis BF5. Hinsichtlich der BF liegt daher ein Familienverfahren gemäß Paragraph 34, AsylG vor.
Zu A)
römisch II.3.2. Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten
Die Beschwerden der BF1 bis BF4 gegen den Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide wurden aufgrund des Beschlusses des VwGH vom 13.12.2021, Ra 2021/01/0123 bis 0126-20 und des Erkenntnisses des VfGH vom 27.09.2021, E 1270-1273/2021-21, zurückgewiesen bzw. die Behandlung der Beschwerde abgelehnt, weswegen dieser Spruchpunkt nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist. Auch hinsichtlich der BF5 ist der Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides nicht mehr Gegenstand des Verfahrens, weil die Behandlung der Beschwerde mit Erkenntnis des VfGH vom 18.09.2023, E 3230/2022-11 ua.*, abgelehnt wurde.
römisch II.3.3. Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten:
römisch II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 8, AsylG lauten:
„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. | der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder |
2. | … |
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, … zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offensteht.
…“
Bereits Paragraph 8, AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Artikel 2, EMRK lautet:
„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Artikel 3, EMRK lautet:
„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Artikel eins, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Artikel 3, EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Artikel 3, EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffenen Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden vergleiche etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Artikel 3, EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Artikel 3, EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt vergleiche Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Artikel 3, EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Artikel 3, EMRK führen vergleiche für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gem. der Judikatur des EGMR muss ein BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen vergleiche EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, Sitzung 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus vergleiche EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: römisch zehn u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen vergleiche EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, Sitzung 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle vergleiche VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] Paragraph 8, Absatz eins, AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre vergleiche VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn des Artikel 15, Litera c, der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solch innerstaatlich bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (VG München 13.05.2016, M 4 K 16.30558).
Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des Beschwerdeführers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein vergleiche EuGH U. 17.02.2009, C-465/07). Ob eine Situation genereller Gewalt eine ausreichende Intensität erreicht, um eine reale Gefahr einer für das Leben oder die Person zu bewirken, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen: ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet sind; ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet sind; ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden; schließlich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilisten (EGRM U 28.06.2011, Sufi/Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 8319/07, 11449/07).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedoch nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; EGMR U 20.07.2010, N. gegen Schweden, Nr. 23505/09; U 13.10.2011, Husseini gegen Schweden, Nr. 10611/09). Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, zur Lage in Bagdad). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).
Im Hinblick der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die der Beschwerdeführer typischerweise zurückkehren wird. Zur Feststellung der Gefahrendichte kann auf eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung zurückgegriffen werden. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (dt BVerwG 17.11.2011, 10 C 13/10).
Dessen ungeachtet sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch dann abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (Paragraph 8, Absatz 3, AsylG 2005).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen im Übrigen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141).
römisch II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der BF scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Artikel 2, EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.
Da sich der Herkunftsstaat der BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Das Bundesverwaltungsgericht geht anhand der Länderinformationen davon aus, dass die Sicherheitssituation in der autonomen Kurdenregion vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak ist. Es kommt zwar auch hier hin und wieder zu militärischen Zusammenstößen, in die auch kurdische Streitkräfte (Peshmerga) verwickelt sind, weshalb die Lage labil ist. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen können immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein, solche können nicht ausgeschlossen werden.
Es kann auch nicht erkannt werden, dass den BF im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre vergleiche hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), haben doch die volljährigen BF selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihnen und ihren Kindern im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und sie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der BF in einigen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vergleiche auch Artikel 3, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Weitere, in der Person der BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Zur spezifischen Versorgungssituation der BF wird weiter festgestellt, dass diese im Irak über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Bei den volljährigen BF handelt es sich um mobile, gesunde, arbeitsfähige Menschen. Einerseits stammen die BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören sie keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
So war es den volljährigen BF auch vor dem Verlassen des Herkunftsstaates möglich, dort das Leben zu meistern. Zudem kam hervor, dass die BF im Herkunftsstaat über zahlreiche soziale Anknüpfungspunkte verfügen. Im Herkunftsstaat leben zumindest die in den Feststellungen angeführten Familienangehörigen des BF1 und der BF2, welche alle über Unterkünfte verfügen und grundsätzlich auch einer Beschäftigung nachgehen. Ein Bruder der BF2 studiert zudem, dies demonstriert folgerichtig, dass die Verwandten im Nordirak nicht von der Hand im Mund, sondern vielmehr in sozial gesicherten Verhältnissen leben.
Darüber hinaus ist es den BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt demnach nicht vor.
Ferner haben die BF als Staatsbürger des Irak Anspruch auf Leistungen des Lebensmittelverteilungssystem PDS, welches den Feststellungen zufolge zwar inneffizient geführt wird und mit teilweisen Ausfällen zu kämpfen hat, jedoch dennoch für eine gewisse Absicherung mit Grundnahrungsmittel sorgt.
römisch II.3.3.3. Bei den BF3 bis BF5 handelt es sich um minderjährige Kinder, sie sind somit besonders vulnerable Person vergleiche dazu etwa die Begriffsdefinition in Artikel 21, der Richtlinie 2013/33/EU), sodass sich das Bundesverwaltungsgericht im Besonderen mit der Lage der minderjährigen BF im Rückkehrfall auseinandersetzen hat (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0089).
In diesem Zusammenhang ist zunächst wesentlich, dass ausweislich der Feststellungen und der dazu angestellten beweiswürdigenden Erwägungen nicht nur von einer gesicherten Existenzgrundlage der Eltern auszugehen ist, sondern sich ein für eine bescheidene Lebensführung hinreichendes Einkommen für die gesamte Familie auch unter Berücksichtigung der minderjährigen BF erwarten lässt. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, die Kinder für ihre Bedürfnisse benötigen (Obst, Milch oder medizinische Produkte), konnten im Rahmen der Recherche nicht erhoben werden, sodass keine dahingehenden Schwierigkeiten im Herkunftsstaat feststellbar sind.
Dass die minderjährigen BF im Irak nicht von geschlechtsspezifischer Gewalt, Zwangsrekrutierung oder Zwangsarbeit betroffen sein werden, wurde bereits erörtert.
Den minderjährigen BF steht in weiterer Folge ausweislich der Feststellungen der Zugang zum irakischen Schulsystem offen. Alle Ausbildungsstufen bis einschließlich der Hochschule sind kostenlos. Nach Abschluss der Mittelschule können die Schülerinnen und Schüler ihren Bildungsweg fortsetzen, indem sie sich entweder für eine allgemeine Sekundarschule oder eine berufliche Ausbildung in verschiedenen Bereichen entscheiden. Die Einschulungsrate in der Grundschule beträgt 96 Prozent, 67 Prozent der Kinder besuchen in der Folge die Sekundarstufe. Die minderjährige BF4 genießt demnach Zugang zu einer hinreichenden schulischen Ausbildung. Dass das Schulwesen unter einer schlechten Qualität der Schulgebäude leidet und der Unterricht abschnittsweise in mehreren Schichten durchgeführt werden muss führt noch nicht zur realen Gefahr einer Verletzung des Artikel 3, EMRK.
römisch II.3.3.4. Zum Gesundheitszustand der minderjährigen BF bleibt festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind.
Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt vergleiche die Beschlüsse des VwGH vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien; auch Beschluss des VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038; siehe auch Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“]; Erk. d. VfGH 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9). Bloß spekulative Überlegungen über einen fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung sind ebenso unbeachtlich wie eine bloße Minderung der Lebensqualität (Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05).
Die genannten allgemeinen Ausführungen gelten auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen bzw. Störungen. Zur Verdeutlichung der vom EGMR gesetzten Schwelle sei hier auf die Entscheidung SALKIC and others against Sweden (Application no. 7702/04) hingewiesen, wo die Zulässigkeit der Abschiebung schwer traumatisierter und teilweise suizidale Tendenzen aufweisende Bosnier nach Bosnien und Herzegowina bejaht wurde, wobei hier wohl außer Streit gestellt werden kann, dass das bosnische Gesundheitssystem dem schwedischen qualitätsmäßig unterliegt.
Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005 (Appl. 1383/04), wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der sich seit 2002 in psychiatrischer Behandlung befunden hat und der selbstmordgefährdet war, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes „real risk“.
Aufgrund des hier vorliegenden Krankheitsbildes ist jedenfalls nicht ableitbar, dass eine Überstellung in den Irak zu einer Beeinträchtigung des gesundheitlichen Zustandes der mj. BF führt, womit folgerichtig keine Verletzung von Artikel 3, EMRK gegeben ist.
Es liegt aktuell auch bei der BF4 keine derartige Erkrankung vor, welche das Risiko bergen würde, im Falle der Rückkehr unter qualvollen Umständen im Irak zu sterben. Es gibt Irak und in speziell in Dohuk auch wie in der Beweiswürdigung bereits ausführlich erörtert ausreichend Behandlungsmöglichkeiten. Es kann zwar eventuell mit einer Verschlechterung des persönlichen Zustandes der BF4 gerechnet werden, diese ist jedoch nicht unwiederbringlich oder derart gravierend, dass eine Abschiebung unzulässig zu erklären oder subsidiärer Schutz zu gewähren wäre. Im Irak sind nach wie vor zahlreiche Verwandte der BF aufhältig, welche sie bei der Rückkehr unterstützen werden, wie sie das schon vor der Ausreise taten. Neben den Möglichkeiten, Sozialleistungen zu beziehen, steht den BF damit auch ein Netz von Verwandten zur Verfügung, welche zur Finanzierung der etwaig teilweise kostenpflichtigen Behandlung beitragen können.
Im vorliegenden Fall konnten seitens der BF keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung in den Irak belegt werden, welche die Notwendigkeit weiterer Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts notwendig machen würden.
Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass die BF vom Zugang zu medizinsicher Versorgung im Irak ausgeschlossen wären und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens der BF beschriebenen und diagnostizierten Krankheiten nicht behandelbar wären. Auch faktische Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person der BF gelegenen Umständen belegen würden, kamen nicht hervor.
Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E mwN). Zur individuellen Versorgungssituation der BF wird weiter festgestellt, dass diese im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen.
römisch II.3.3.5. Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat die dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in ihren Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden.
Weder droht im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten gewährleisteten Rechte, noch bestünde die Gefahr, der Todesstrafe unterzogen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Mit Erkenntnis des VfGH vom 18.09.2023, E 3230/2022-11 ua.*, wurde jedoch diametral dazu festgestellt, dass das Bundesverwaltungsgericht zwar in der Entscheidung nunmehr Ermittlungen zur konkreten medizinischen Versorgungslage der minderjährigen BF4 im Herkunftsstaat durchführte und sich insoweit auch nachvollziehbar mit der sicheren Erreichbarkeit der Herkunftsprovinz der BF auseinandersetzt. Jedoch lässt das angefochtene Erkenntnis nach wie vor keine ausreichende Berücksichtigung der Situation der BF als Familie mit zwei minderjährigen Kindern erkennen. Das Bundesverwaltungsgericht hat somit die spezifische Situation der Erst- bis Viertbeschwerdeführer als Familie mit Kleinkindern abermals nicht ausreichend berücksichtigt und dadurch seiner Entscheidung nicht den konkreten Sachverhalt zugrunde gelegt vergleiche VfGH 24.11.2020, E 3373/2020 ua.). Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erweist sich daher im Hinblick auf die Beurteilung einer den BF im Falle der Rückkehr drohenden Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Artikel 2 und 3 EMRK schon aus diesen Gründen als verfassungswidrig. Die Entscheidung betreffend die Erst- bis Viertbeschwerdeführer ist somit mit Willkür behaftet vergleiche VfGH 12.3.2019, E 2314/2018 ua.; 3.10.2019, E 5128/2018 ua.; 24.11.2020, E 3373/2020 ua.). Diese Ausführungen gelten auch für das zu E 816/2023 protokollierte Verfahren betreffend die Fünftbeschwerdeführerin.
Obwohl vom VwGH im Beschluss vom 30.06.2023 festgehalten wurde, dass dem Vorbringen in der ao. Revision, dass das BVwG vom Erfordernis der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewichen sei, entgegenzuhalten ist, dass das Bundesverwaltungsgericht am 8. März 2021 eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis der Darlegung der Relevanz nach bereits erfolgter Verhandlung auch in jenem Fall gilt, in dem geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht hätte nach bereits erfolgter Verhandlung eine weitere Tagsatzung anberaumen müssen vergleiche VwGH 26.4.2021, Ra 2021/20/0006, mwN). Ausführungen dazu, was die Revisionswerber im Rahmen einer weiteren Verhandlungstagsatzung konkret vorgebracht hätten, das zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte führen können, sind den Revisionen nicht zu entnehmen. Insoweit wird die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang nicht ausreichend dargetan vergleiche zum Erfordernis der Relevanz bei Behauptung eines derartigen Mangels - auch im Anwendungsbereich von Artikel 47, GRC bzw. Artikel 6, EMRK - VwGH 3.12.2021, Ra 2021/19/0186 bis 0187, mwN). Den Revisionen gelingt es dazu auch nicht mit dem Verweis auf die behauptete Verletzung des Parteiengehörs, die Relevanz dieses Mangels darzulegen vergleiche etwa jüngst zum Erfordernis einer Relevanzdarstellung bei behaupteter Verletzung des Parteiengehörs VwGH 24.04.2023, Ra 2023/14/0119 bis 0122, mwN). Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass den Revisionswerbern die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt wurde.
Den Beschwerden zum Spruchpunkt römisch II. der gegenständlichen Bescheide war daher aufgrund des in diesem Verfahren konkret ergangenen Erkenntnisses des VfGH vom 18.09.2023 Folge zu geben, dieser Spruchpunkt aufzuheben und die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigen auszusprechen, wenngleich die erkennende Richterin die Ansichten des VfGH nicht teilt.
Gemäß Paragraph 34, Absatz 3, AsylG hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist, gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Paragraph 9,) und dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
Weil keiner der genannten Ausschließungsgründe vorliegt, war auch der BF2 und den minderjährigen BF3 bis BF5 im Familienverfahren der Status subsidiär Schutzberechtigter zuzuerkennen.
römisch II.3.4. Befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte
Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen. Diese gilt für ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über den Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert.
Den BF wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 zu erteilen war.
römisch II.3.6. Zur Nichtdurchführung einer (weiteren) mündlichen Verhandlung:
Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt Paragraph 24, VwGVG.
Gemäß Paragraph 24, Absatz eins, VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Paragraph 24, Absatz 2, VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Ziffer eins,) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Ziffer 2,) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6, Absatz eins, der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, noch Artikel 47, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 Sitzung 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß Paragraph 24, Absatz 5, VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten Rechtsprechung abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.
ECLI:AT:BVWG:2023:L519.2210154.1.00