Bundesverwaltungsgericht
11.10.2023
W211 2267725-1
W211 2267725-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Barbara SIMMA LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , StA. Syrien, gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, in der Fassung BF, ist eine weibliche Staatsangehöriger Syriens. Sie stellte, damals minderjährig, am römisch 40 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei ihrer Erstbefragung am römisch 40 2021 gab die BF zusammengefasst und soweit wesentlich an, sie komme aus dem Dorf römisch 40 in Syrien, habe Syrien im Jahr 2021 zu Fuß über die Grenze in die Türkei verlassen und sei ausgereist, weil sie in Syrien zum kurdischen Militär müsse und Angst vor Vergewaltigungen und dem Krieg habe. Ihr Ehemann befinde sich in Österreich.
3. Im Rahmen ihrer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Fassung BFA) am römisch 40 2022 führte die BF, unter Anwesenheit ihrer Vertretung, zusammengefasst und soweit wesentlich aus, dass sie Kurdin sei, in Aleppo geboren sei, aus römisch 40 stamme, mittlerweile geschieden sei, sich ein Teil ihrer Familie (Vater, Stiefmutter, Bruder, zwei Schwestern und eine Stiefschwester) in Syrien, in Aleppo, aufhalten würde, und sie Syrien wegen des Krieges verlassen habe. Sie habe regelmäßig Kontakt zu ihrem Vater. Sie habe die Volksschule und zwei Jahre das Gymnasium in Aleppo besucht. Die BF gab an, zunächst in die Türkei geflüchtet zu sein, die Türkei aber wieder verlassen zu haben, da nur in Österreich die Chance auf Asyl und Gerechtigkeit bestehe.
4. Mit Stellungnahme vom römisch 40 2022 führte die vertretene BF zusammengefasst und soweit wesentlich aus, dass ihr eine reale Gefahr drohe, aufgrund ihres Geschlechts in ihrem Herkunftsstaat verfolgt zu werden, und sie sich dieser Verfolgung dort nicht entziehen könne.
5. Am römisch 40 2022 führte das BFA eine Zeugeneinvernahme des geschiedenen Ehemanns der BF durch. Dieser gab im Wesentlichen an, sich von der BF nach dem traditionellen Recht der Sharia getrennt, die Scheidung einmalig ausgesprochen und die Ehe via Internettelefonie geschlossen zu haben. Wenn die BF volljährig sei, würden beide erneut heiraten wollen.
6. Im Rahmen ihrer ergänzenden Einvernahme durch das BFA am römisch 40 2023 bestätigte die BF im Wesentlichen die Ausführungen ihres geschiedenen Ehemanns.
7. Mit Bescheid vom römisch 40 wies das BFA den Antrag der BF bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihr gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III).
8. In der gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die BF zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits geschieden gewesen sei, ein selbstbestimmtes Leben führen wolle, der Plan, erneut zu heiraten, dem nicht entgegenstehe, und die Lage für Frauen in Syrien prekär sei. Das BFA habe Willkür geübt, und sei die Zugehörigkeit der BF zur sozialen Gruppe der Frauen und Mädchen asylrelevant.
9. Am römisch 40 2023 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die kurdische Sprache und in Anwesenheit der BF und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die BF Gelegenheit hatte, zu ihren Fluchtgründen im Detail Stellung zu nehmen, und die Länderinformation aktualisiert wurde. Die belangte Behörde hatte sich für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt. Die erkennende Richterin erörterte insbesondere die Diskrepanz der genannten Herkunftsorte zwischen der BF und ihrem Bruder, dessen Beschwerdeverfahren ebenfalls in der GA W211 anhängig war und der in seinem Verfahren den Ort römisch 40 in der Provinz Hassakah als Herkunftsort angegeben hatte.
10. Mit Stellungnahme vom römisch 40 2023 gab die vertretene BF zusammengefasst und soweit wesentlich an, sie komme aus römisch 40 in der Provinz Aleppo, das zur Zeit syrisch kontrolliert sei. Ihr Vater, ihre Stiefmutter, die Schwestern und die Halbschwester würden ebenfalls in römisch 40 leben, nur die Tanten würden sich in römisch 40 aufhalten. Die BF habe ein abweichendes Rollenbild zur traditionellen Rolle der Frau in Syrien und die Gefahr von geschlechtsspezifischer Gewalt in Syrien vorgebracht, die auch von der aktualisierten Länderinformation untermauert würde. Die BF habe sich einer arrangierten Ehe widersetzt und sich scheiden lassen. Sie habe in der mündlichen Verhandlung auch ihre in Syrien nicht umsetzbaren beruflichen Pläne bekannt gegeben. Schließlich könne die BF nicht sicher nach Syrien einreisen und würde einer Einziehung zur Selbstverteidigungspflicht durch die kurdische Seite befürchten.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur BF: Die BF ist eine Staatsangehörige Syriens, die am römisch 40 2021, damals noch minderjährig, einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte. Sie gehört der Volksgruppe der Kurdinnen und Kurden an und ist sunnitische Muslimin.
Die BF wurde in römisch 40 in der Region Al Hassakah geboren und reiste auch von dort aus. In römisch 40 halten sich der Vater der BF, die Stiefmutter, (Halb-) Schwestern sowie zumindest eine Tante väterlicherseits auf. Der Vater der BF besitzt in römisch 40 landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, von deren Bewirtschaftung die Familie lebt. Die BF steht mit ihren Familienangehörigen, insbesondere mit ihrem Vater in Syrien, in Kontakt.
Die Familie lebte davor bis zum Beginn des Krieges in römisch 40 in der Nähe von Aleppo Stadt.
Die BF verließ Syrien über die Grenze zur Türkei. Sie ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Relevante Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Syrien:
1.2.1. Länderinformation der Staatendokumentation:
Politische Situation:
Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).
Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).
Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023).
In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).
Sicherheitssituation:
Die Gebiete im Norden und Nordosten entlang der Grenze zur Türkei stehen in Teilen unter Kontrolle der Türkei und der ihr nahestehenden bewaffneten Gruppierungen und in Teilen unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) und in einigen Fällen auch des syrischen Regimes (AA 29.11.2021). Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023).
Der Think Tank Newslines Institute for Strategy and Policy sieht auf der folgenden Karte besonders die Gebiete von Tal Rifa'at, Manbij und and Kobanê als potenzielle Ziele einer türkischen Offensive. Auf der Karte sind auch die Strecken und Gebiete mit einer Präsenz von Regime- und pro-Regime-Kräften im Selbstverwaltungsgebiet ersichtlich, die sich vor allem entlang der Frontlinien zu den pro-türkischen Rebellengebieten und entlang der türkisch-syrischen Grenze entlangziehen. In Tal Rifa'at und an manchen Grenzabschnitten sind sie nicht präsent. (Newsline 7.3.2023)
Aufgrund der türkischen Vorstöße sahen sich die SDF dazu gezwungen, mehrere tausend syrische Regierungstruppen aufzufordern, in dem Gebiet Stellung zu beziehen, um die Türkei abzuschrecken, und den Kampf auf eine zwischenstaatliche Ebene zu verlagern (ICG 18.11.2021). Regimekräfte sind seither in allen größeren Städten in Nordostsyrien präsent (AA 29.11.2021).
Folter und unmenschliche Behandlung:
Im März 2022 wurde ein neues Gesetz gegen Folter verabschiedet (HRW 12.1.2023). Das Gesetz Nr. 16 von 2022 sieht Strafen von drei Jahren Haft bis hin zur Todesstrafe vor (OSS 18.1.2023b). Die Todesstrafe gilt für Folter mit Todesfolge oder in Verbindung mit einer Vergewaltigung (HRW 12.1.2023). Eine lebenslange Strafe ist für Fälle vorgesehen, in welchen Kinder oder Menschen mit Beeinträchtigungen gefoltert wurden oder das Opfer einen permanenten Schaden davonträgt (OSS 18.1.2023b). Das Gesetz verbietet auch das Anordnen von Folter durch Behörden (HRW 12.1.2023). Es weist jedoch wichtige Lücken auf, und die Anwendung bleibt unklar. So werden keine Organisationen genannt, auf welche das Gesetz angewendet werden soll. Verschiedene Teile des Sicherheitsapparats einschließlich der Zollbehörden sowie die Streitkräfte sind de facto weiterhin von Strafverfolgung ausgenommen (OSS 18.1.2023), was durch Dekrete gedeckt ist (OSS 1.10.2017b, STJ 12.7.2022) - ebenso wie Gefängnisse (OSS 18.1.2023b). Dort wurden und werden Zehntausende gefoltert (OSS 18.1.2023b, FH 9.3.2023), und zahlreiche Menschen starben in der Haft oder man ließ sie "verschwinden" (FH 9.3.2023). Der Einsatz von Folter, des Verschwindenlassens und schlechter Bedingungen in den Gefängnissen ist keine Neuheit seit Ausbruch des Konflikts, sondern war bereits seit der Ära von Hafez al-Assad Routinepraxis verschiedener Geheimdienst- und Sicherheitsapparate in Syrien (SHRC 24.1.2019). Folter bleibt eine der meisten schweren Menschenrechtsverletzungen durch die syrische Regierung und ist breit dokumentiert (STJ 12.7.2022). Laut Einschätzung des Auswärtigen Amtes unterliegen Personen, die unter dem Verdacht stehen, sich oppositionell zu engagieren oder als regimekritisch wahrgenommen werden, einem besonders hohen Folterrisiko (AA 29.3.2023).
Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen, der Folter von Inhaftierten (darunter laut SNHR drei Todesfälle durch Folter im Jahr 2022), Verschwindenlassen und willkürlicher Verhaftungen beschuldigt. Opfer sind vor allem Personen, die der Regimetreue verdächtigt werden, Kollaborateure und Mitglieder von regimetreuen Milizen oder rivalisierenden bewaffneten Gruppen. Die Berichte dazu betreffen u. a. HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham), SNA (Syrian National Army) und SDF (Syrian Democratic Forces) (USDOS 20.3.2023). Im Fall von Folteropfer der SDF starben im Zeitraum Januar 2014 bis Juni 2022 SNHR zufolge mindestens mindestens 83 Menschen durch Folter, darunter ein Kind und zwei Frauen (SNHR 26.6.2022).
Wehrpflichtgesetz der "Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien":
Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten [YPJ - Frauenverteidigungseinheiten] (AA 29.3.2023; vergleiche DIS 6.2022) oder in den Selbstverteidigungseinheiten (HXP) leisten (DIS 6.2022). Es gibt Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen in der Vergangenheit (AA 29.3.2023; vergleiche SNHR 26.1.2021) und minderjährigen Mädchen (Savelsberg 3.11.2017; vergleiche HRW 11.10.2019).
Rekrutierung Minderjähriger:
Laut den Vereinten Nationen und dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) wurden zwischen Januar 2014 und September 2020 mindestens 911 Kinder durch die YPG zwangsrekrutiert (AA 29.3.2023). Im Juni 2019 wurde von den Syrian Democratic Forces (SDF) [Anm.: YPG und YPJ sind Kernbestandteile der SDF] und dem Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs für Kinder und bewaffnete Konflikte ein Aktionsplan zur Beendigung und Verhinderung der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindern unter 18 Jahren unterzeichnet. 2020 beschloss der Exekutivrat der Selbstverwaltung [Autonomous Administration of North and East Syria, AANES] die Einrichtung von Kinderschutzbüros und es gibt anhaltende Bemühungen der SDF, der Praxis der Rekrutierung von Kindern ein Ende zu setzen (UNHRC 7.2.2023). Seit Inkrafttreten des Abkommens zwischen den SDF und den Vereinten Nationen im Jahr 2019 wurden rund 700-750 Kinder aus den Diensten der SDF entlassen (DIS 6.2022). Dennoch wurde im zweiten Halbjahr 2022 weiterhin von der Rekrutierung von Kindern in die SDF berichtet (UNHRC 7.2.2023). Bezüglich der Frage, wie es zu Rekrutierungen, bzw. möglichen Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen für die SDF kommt, gibt es verschiedene Erklärungen, darunter die schlechte Wirtschaftslage, welche das Gehalt der SDF attraktiv macht (DIS 6.2022). Einige Familien wandten sich an die Kinderschutzbüros, um Fälle zu melden, in denen Kinder im Alter von 14 Jahren rekrutiert wurden, aber ihnen wurde gesagt, dass keine Maßnahmen ergriffen werden könnten, da die Kinder von der Bewegung der kurdischen Revolutionären Jugend entführt worden seien. Trotz Anfragen von Familien blieb der Verbleib einiger rekrutierter Kinder unbekannt (UNHRC 7.2.2023).
Zwangsrekrutierung in AANES- Gebieten:
Menschenrechtsorganisationen, darunter das Syria Justice and Accountability Center (SJAC), dokumentierten die Rekrutierung von Kindern durch die Revolutionäre Jugend, eine mit den SDF verbundene Organisation, die Jugendliche auf den Dienst bei der YPG und den Asayish, dem internen Sicherheits- und Geheimdienst der AANES, vorbereitet. Einige Minderjährige, die für Kampfeinsätze rekrutiert wurden, waren unter fünfzehn Jahre alt, eine Praxis, die nach Angaben von SJAC ein Kriegsverbrechen darstellt. Medienberichten zufolge erfolgt die Rekrutierung häufig über den Unterricht in Fächern wie Musik oder Sport, der von der Revolutionären Jugend durchgeführt wird. In diesen Klassen werden die Kinder schrittweise in der Ideologie der Organisation geschult, und in vielen Fällen werden sie dann in militärischen Ausbildungslagern untergebracht, ohne dass die Eltern über den Verbleib ihrer Kinder informiert werden. Andere werden unter dem Vorwand einer Anstellung angelockt (SJAC 3.2023).
Wehr- und Reservedienst – Syrisches Regime:
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 29.3.2023). Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind (ÖB Damaskus 12.2022).
Allgemeine Menschenrechtslage:
Die Menschenrechtslage in Syrien wird weiterhin - auch bei Wahrnehmung regionaler Unterschiede - vom deutschen Auswärtigen Amt als 'katastrophal' eingestuft (AA 29.3.2023). Von allen Akteuren agiert das Regime am meisten mit gewaltsamer Repression und die PYD am wenigsten - autoritär sind alle Machthaber nach Einschätzung der Bertelsmann-Stiftung (BS 23.2.2023). Die UNO konstatiert im Bericht der von ihr eingesetzten Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (COI) vom 7.2.2023 landesweit schwere Verstöße gegen die Menschenrechte sowie das humanitäre Völkerrecht verschiedener Akteure und sieht keine Erfüllung der Voraussetzungen für nachhaltige, würdige Rückkehr von Flüchtlingen (UNCOI 7.2.2023). Die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic geht davon, dass die syrische Regierung weiterhin Morde, Folter und Misshandlungen begeht, die sich gegen Personen in Haft richten, darunter auch Praktiken, welche zum Tod in der Haft führen. Hinzukommen willkürliche Haft und Verschwindenlassen. Die UN-Kommission sieht hierin ein Muster von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Im Berichtszeitraum wurden auch Fälle umfassender Verletzungen von Prozessrechten und des Rechts auf ein faires Verfahren im syrischen Justizstrafsystem dokumentiert (UNCOI 7.2.2023).
Haftbedingungen:
Der Einsatz von Folter, des Verschwindenlassens und schlechter Bedingungen in den Gefängnissen ist keine Neuheit seit Ausbruch des Konflikts, sondern war bereits seit der Ära von Hafez al-Assad Routinepraxis verschiedener Geheimdienst- und Sicherheitsapparate in Syrien (SHRC 24.1.2019). Folter bleibt eine der meisten schweren Menschenrechtsverletzungen durch die syrische Regierung und ist breit dokumentiert (STJ 12.7.2022). Die Gefängnisse sind überdies stark überfüllt. Es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung u. a., sodass die Zustände insgesamt lebensbedrohlich sind (USDOS 20.3.2023).
Kurd:innen:
In der Gesamtbetrachtung stellt sich die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts jedoch trotz Menschenrechtsverletzungen der Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat – PYD) und ihres bewaffneten Arms der Volksverteidigungseinheiten (YPG - Yekîneyên Parastina Gel) als insgesamt weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer und jihadistischer Gruppen befinden (AA 29.3.2023). Die provisorische Verfassung dieser Gebiete erlaubt lokale Wahlen, aber die ultimative Kontrolle wird von der PYD ausgeübt (FH 9.3.2023). Die syrische Regierung erkennt die Legitimität der föderalen kurdischen Gebiete jedoch nicht an. Die fehlende Präsenz der syrischen Regierung in den kurdischen Gebieten in den Anfangsjahren des Konfliktes verschaffte den Kurden aber auch mehr Freiheiten, indem in diesen Gebieten zum Beispiel die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet werden kann (MRG 3.2018).
Die Kurd:nnen sind seit Jahrzehnten staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Dazu zählt auch das Vorgehen gegen kurdische Aktivist:nnen (FH 9.3.2023). Die kurdische Bevölkerung (mit oder ohne syrische Staatsbürgerschaft) sieht sich offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung, Repressionen sowie vom Regime geförderter Gewalt ausgesetzt. Das Regime begrenzt weiterhin den Gebrauch der kurdischen Sprache sowie die Publikation von Büchern und anderen Materialien in Kurdisch ebenso wie Ausdrucksformen kurdischer Kultur. Das Regime, die Pro-Regime-Einheiten wie auch der sogenannte Islamische Staat (IS) und bewaffnete Oppositionsgruppen, wie die von der Türkei unterstützte Syrian National Army (SNA), verhaften, foltern, töten oder misshandeln in sonstiger Weise zahlreiche kurdische Aktivist:nnen und Einzelpersonen wie auch Mitglieder der Syrian Democratic Forces (SDF) (USDOS 20.3.2023).
Relevante Bevölkerungsgruppen – Frauen (allgemein):
Die persönliche gesellschaftliche Freiheit von Frauen variiert je Gebiet außerhalb der Regierungskontrolle und reicht von schwerwiegenden Kleidungs- und Verhaltensvorschriften in Gebieten extremistischer Gruppen bis hin zu formaler Gleichheit im Selbstverwaltungsgebiet der Partiya Yekîtiya Demokrat (PYD). Durch die Niederlage des sogenannten Islamischen Staats (IS) und dem Zurückgehen der Kampfhandlungen im Lauf der Zeit ist die Bevölkerung in geringerem Ausmaß den extremsten Verletzungen persönlicher gesellschaftlicher Freiheiten ausgesetzt (FH 9.3.2023). Gleichwohl haben verschiedene Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufgrund der Pandemie und der Bewegungseinschränkungen zugenommen, welche auch zur ökonomischen Ausbeutung von Frauen beitragen (UNFPA 28.3.2023).
Frühe Heiraten nehmen zu (UNFPA 28.3.2023): In Syrien lässt sich in den letzten Jahren ein sinkendes Heiratsalter von Mädchen beobachten, weil erst eine Heirat ihnen die verloren gegangene, aber notwendige rechtliche Legitimität und einen sozialen Status, d. h. den 'Schutz' eines Mannes, zurückgibt (ÖB Damaskus 1.10.2021), denn die Angst vor sexueller Gewalt und ihr Stigma könnte die Mädchen zu Ausgestoßenen machen. Überdies müssen die Eltern durch eine möglichst frühe Verheiratung ihrer Töchter nicht mehr für deren Unterhalt aufkommen. Die Verheiratung von Minderjährigen gilt als die häufigste Form von Gewalt gegen heranwachsende Mädchen. Einige Frauen und Mädchen werden auch gezwungen, die Täter, welche ihnen sexuelle Gewalt angetan haben, zu heiraten. Bei Weigerung droht Isolation, weil sie nicht zu ihren Familien zurückkehren können, bzw. kann ein 'Ehrenmord' drohen. Hintergrund ist, dass rechtliche Mittel gegen den Täter zuweilen nicht leistbar sind, und so mangels eines justiziellen Wegs die Familien keine andere Möglichkeit als eine Zwangsehe sehen (UNFPA 28.3.2023). Dieses Phänomen ist insbesondere bei IDPs (FH 9.3.2023) (und Flüchtlingen in Nachbarländern) zu verzeichnen. Das gesunkene Heiratsalter wiederum führt zu einem Kreislauf von verhinderten Bildungsmöglichkeiten, zu frühen und mit Komplikationen verbundenen Schwangerschaften und in vielen Fällen zu häuslicher und sexueller Gewalt (ÖB Damaskus 1.10.2021). Auch geschiedene oder verwitwete Frauen gelten als vulnerabel, denn sie können Druck zur Wiederverheiratung ausgesetzt sein (UNFPA 28.3.2023). Im Allgemeinen ist eine von fünf Frauen in Syrien heutzutage von sexueller Gewalt betroffen (ÖB Damaskus 1.10.2021).
Per legem haben Männer und Frauen dieselben politische Rechte. Der Frauenanteil im syrischen Parlament liegt je nach herangezogener Quelle zwischen 11,2 und 13,2 %. Auch manche der höheren Regierungspositionen werden derzeit von Frauen besetzt. Allerdings sind sie im Allgemeinen von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen und haben wenig Möglichkeiten, sich inmitten der Repression durch Staat und Milizen unabhängig zu organisieren. Im kurdisch-geprägten Selbstverwaltungsgebiet werden alle Führungspositionen von einem Mann und einer Frau geteilt, während außerhalb der PYD-Strukturen die politische Autonomie für die Bevölkerung eingeschränkt ist (FH 9.3.2023)
Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konflikts einem besonderen Risiko von Gewalt oder Belästigung ausgesetzt. Das Ausmaß des Risikos hängt vom sozialen Status und der Stellung der Frau oder ihrer Familie ab. Die gesellschaftliche Akzeptanz alleinstehender Frauen ist jedoch nicht mit europäischen Standards zu vergleichen (STDOK 8.2017). Armut, Vertreibung, das Führen eines Haushalts oder ein junges Alter ohne elterliche Aufsicht bringen Frauen und Mädchen in eine Position geringerer Macht und erhöhen daher das Risiko der sexuellen Ausbeutung. Mädchen, Witwen und Geschiedene werden als besonders gefährdet eingestuft. Auch Überlebende sexueller Gewalt sind besonders vulnerabel (UNFPA 10.3.2019, vergleiche für aktuelle Beispiele UNFPA 28.3.2023).
Im November 2021 schätzte das Syrian Network for Human Rights (SNHR), dass die Konfliktparteien seit März 2011 sexuelle Gewalt in mindestens 11.526 Fällen verübt haben. Die Regimekräfte und mit ihr verbündete Milizen waren für den Großteil dieser Straftaten verantwortlich - mehr als 8.000 Fälle, darunter mehr als 880 Straftaten in Gefängnissen und mehr als 440 Übergriffe auf Mädchen unter 18 Jahre. Fast 3.490 Fälle sexueller Gewalt wurden vom sogenannten Islamischen Staat (IS) begangen und 13 Verbrechen durch die Syrian Democratic Forces (SDF) (USDOS 20.3.2023). Die Niederlage des sogenannten Islamischen Staats (IS) im Jahr 2019, Rückschläge für andere extremistische Gruppen und der Rückgang an Kampfhandlungen haben dazu geführt, dass die Bevölkerung nicht mehr derart den extremsten Verletzungen persönlicher gesellschaftlicher Freiheit ausgesetzt ist (FH 9.3.2023).
Frauen in AANES-Gebieten:
Nachdem sich die Regierungstruppen 2012 aus dem Nordosten zurückgezogen und die Partei der Demokratischen Union (PYD) die Kontrolle übernommen hatte, wurde die Geschlechterfrage zu einem zentralen Thema der Politik der Partei der Demokratischen Union (PYD), und in jeder autonomen Gemeinde und auf jeder Ebene des Systems wurden Frauenverbände gegründet (Allsop, van Wilgenburg 2019). Per Gesetz werden alle Regierungseinrichtungen von einem Mann und einer Frau gleichzeitig geleitet, und die meisten staatlichen Behörden und Gremien müssen zwischen Männern und Frauen gleich besetzt sein, abgesehen von Einrichtungen, die nur für Frauen sind und von Frauen geleitet werden. Mit den YPJ-Einheiten (Women’s Protection Units, Y.P.J.) gibt es eigene Milizen aus Frauen (TNYT 24.2.2018), und bei der Rückeroberung Raqqas hatte ein Mitglied dieser Einheit das übergeordnete Kommando. Gesetze und Regulierungen sollen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen abschaffen. Kinderheiraten und häusliche Gewalt stehen unter Strafe (NMFA 6.2021) Anmerkung, für Beispiele in Manbij siehe TNYT 24.2.2018). Die Verwaltungscharta des Gesellschaftsvertrags räumt den Frauen das Recht auf Teilhabe an politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Angelegenheiten ein und legt den Frauenanteil in allen Leitungsgremien, Institutionen und Ausschüssen auf 40 Prozent fest. Dies ist jedoch nur auf Bereiche beschränkt, die unter der Kontrolle der Syrian Democratic Forces (SDF) stehen, und es wird in diesem Zusammenhang betont, dass Partizipation nicht gleichbedeutend mit tatsächlicher Ermächtigung ist (AC 13.8.2019), zumal außerhalb der PYD-Strukturen die politische Autonomie für die Bevölkerung eingeschränkt ist (FH 9.3.2023).
Kurdische Frauen erleben liberalere kulturelle Normen in den kurdischen Gemeinschaften, was durch die politischen Parteien gefördert wird. Die Partizipation von Frauen an traditionell männlichen Aktivitäten ist in vielen Fällen weniger restriktiv. Allerdings ist die jeweilige Lage der Frauen großteils von ihren Familien und deren Einstellungen abhängig, sodass in religiöseren oder traditionelleren kurdischen Gemeinschaften auch mehr traditionelle gesellschaftliche Normen gelten (Allsop & van Wilgenburg 2019). Diese Aspekte gelten jedoch nur für kurdische Frauen in den kurdischen Gebieten, nicht für arabische Frauen in den kurdischen Gebieten oder für kurdische Frauen im Rest Syriens. Beispiele für vulnerable Frauen wären z. B. kurdische Frauen in den kurdischen Gebieten, die gegen die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) eingestellt sind (STDOK 8.2017).
Generell wurde geschlechtsspezifische Gewalt, wie sexuelle Gewalt, häusliche und familiäre Gewalt, Kinderehen und Ehrenmorde, aus allen Teilen Syriens gemeldet, auch aus den von den SDF kontrollierten Regionen (UNPFA 28.3.2023).
Rückkehr:
Eine besondere Gefahr, Ziel staatlicher und von Willkür geprägter Repression zu werden, besteht für alle, die sich in der Vergangenheit (system-) kritisch geäußert oder betätigt haben oder sich auf andere Weise das Missfallen des Regimes zugezogen haben. Dies kann nach Einschätzungen von Menschenrechtsorganisationen bereits dann der Fall sein, wenn Betroffene in familiären Verbindungen zu vermeintlichen Oppositionellen oder Regimefeinden stehen oder ihre regionale Herkunft (z. B. ehemalige Oppositionsgebiete) dies nahelegt. Berichte deuten jedoch darauf hin, dass selbst regimenahe Personen Opfer von Repressionen werden können (AA 29.3.2023). Einer Umfrage des Middle East Institute im Februar 2022 zufolge berichteten 27 % der RückkehrerInnen, dass sie oder jemand Nahestehender aufgrund ihres Herkunftsorts, für das illegale Verlassen Syriens oder für das Stellen eines Asylantrags Repression ausgesetzt sind. Ein Rückkehrhindernis ist zudem laut Menschenrechtsberichten das Wehrdienstgesetz, das die Beschlagnahmung von Besitz von Männern ermöglicht, die den Wehrdienst vermieden haben, und nicht die Befreiungsgebühr bezahlt haben (USDOS 20.3.2023).
Syrische Flüchtlinge müssen bereit sein, der Regierung gegenüber vollständig Rechenschaft über ihre Beziehungen zur Opposition abzulegen, um nach Hause zurückkehren zu dürfen. Die Rückkehrer:innen sind Schikanen oder Erpressungen durch die Sicherheitsbehörden sowie Inhaftierung und Folter ausgesetzt, um Informationen über die Aktivitäten der Flüchtlinge im Ausland zu erhalten (TWP 2.6.2019) [Anm.: siehe hierzu auch Unterkapitel Überwachungsmaßnahmen im Ausland und deren Folgen].
Jeder Geheimdienst führt eigene Fahndungslisten. Es findet keine zuverlässige und für Betroffene verlässliche Abstimmung und Zentralisierung statt. Die Dokumentation von Einzelfällen zeigt immer wieder, dass es insbesondere auch bei aus dem Ausland Zurückkehrenden trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung durch einen anderen Dienst kommen kann. In nur wenigen Fällen werden Betroffene in reguläre Haftanstalten oder an die Justiz überstellt (AA 29.3.2023). Alles in allem kann eine Person, die von der Regierung gesucht wird, aus einer Vielzahl von Gründen oder völlig willkürlich gesucht werden. So kann die Behandlung einer Person an einem Checkpoint von verschiedenen Faktoren abhängen, darunter der Willkür des Kontrollpersonals oder praktischen Problemen wie eine Namensähnlichkeit mit einer gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, müssen mit verschiedenen Konsequenzen seitens der Regierung rechnen, z. B. mit Verhaftung und im Zuge dessen auch mit Folter. Einigen Quellen zufolge gehört medizinisches Personal zu den Personen, die als oppositionell oder regierungsfeindlich gelten, insbesondere wenn es in einem von der Regierung belagerten Oppositionsgebiet gearbeitet hat. Dies gilt auch für Aktivisten und Journalisten, die die Regierung offen kritisiert oder Informationen oder Fotos von Ereignissen wie Angriffen der Regierung verbreitet haben, sowie generell für Personen, die die Regierung offen kritisieren. Einer Quelle zufolge kann es vorkommen, dass die Regierung eine Person wegen eines als geringfügig eingestuften Vergehens nicht sofort verhaftet, sondern erst nach einer gewissen Zeit. Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Kontrollpunkt beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. Wenn eine Person an einem Ort lebt oder aus einem Ort kommt, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, kann dies das Misstrauen des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018). Die Definition des Regimes, wer ein Oppositioneller ist, ist nicht immer klar oder kann sich im Laufe der Zeit ändern. Es gibt keine Gewissheit darüber, wer vor Verhaftungen sicher ist. In Gesprächen mit der NGO International Crisis Group (ICG) berichteten viele Flüchtlinge, dass der Verzicht auf regimefeindliche Aktivitäten keine sichere Rückkehr garantiert (ICG 13.2.2020). So folgten z. B. Abschiebungen aus dem Libanon im April 2023 von mindestens 130 Menschen - darunter auch unbegleitete Minderjährige - Berichte, wonach es zu Verhaftungen [Anm.: die Zahlen variieren je nach Quelle - z.B. mindestens vier dokumentierte Verhaftungen] und zwangsweisem Einzug zum Wehrdienst [Anm.: keine Zahlenangaben, nur Beispiele] kam (Reuters 1.5.2023).
1.2.2. Ergänzende Informationen aus der Anfragebeantwortung von ACCORD vom 06.05.2022:
Ein Syrienexperte, der im Auftrag von ACCORD mit lokalen Quellen vor Ort, inklusive Beamten der Provinz Al-Hasaka und der Autonomen Region Kurdistan Irak, sowie Fahrern, die am Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur arbeiten, gesprochen hat, gibt an, dass es nur Syrer·innen, die aus Gebieten unter Kontrolle der SDF/YPG stammen, gestattet sei, von außerhalb in die Region Nordostsyrien einzureisen. Dies bedeute, dass eine Person innerhalb der von den SDF kontrollierten Gebiete registriert sein müsse, um von außerhalb einreisen zu können. Selbst wenn eine Person zum Beispiel 50 Jahre in Al-Hasaka gelebt habe, jedoch ihr Personenstandsregister in Deir Ezzor registriert sei, gelte die Person nicht als aus Al-Hasaka stammend (Syrienexperte, 25. April 2022).
ANHA (Hawar News Agency) schreibt in einem Artikel vom April 2021, dass die Türkei alle Grenzübergänge mit dem Nordosten Syriens seit 2014 für Personen- und Güterverkehr geschlossen habe (ANHA, 12. April 2021).
Der genannte Syrienexperte gibt an, dass es keinen Flugverkehr in die von den SDF kontrollierten Gebiete gebe. Die einzige Möglichkeit den Nordosten Syriens direkt von Europa kommend zu erreichen, sei nach Erbil (Autonome Region Kurdistan Irak) zu fliegen und von dort zum Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur zu fahren. Syrer·innen, die mit syrischen Reisedokumenten reisen, müssten zunächst ein Visum der irakischen Autonomen Region Kurdistan beantragen und erhalten (Syrienexperte, 25. April 2022).
Laut der Vertretung der Regionalregierung Kurdistan-Irak in Großbritannien müssten Antragsteller·innen einen Reisepass vorlegen, dessen Gültigkeit nicht weniger als sechs Monate betrage. Weiters werde eine Farbkopie des Reisepasses oder des Reisedokuments benötigt, ein Passfoto, das ausgefüllte Visumsformular, Name und Adresse des Hotels, in dem die Person in der Region Kurdistan übernachten werde, beziehungsweise Name, Telefonnummer, Adresse und E-Mail-Adresse, wenn der/die Antragsteller·in bei einer Privatperson übernachten werde, sowie die Antragstellungsgebühr (Kurdistan Regional Government - Representation in the United Kingdom, ohne Datum).
Enab Baladi schreibt in einem Artikel vom März 2022, dass sich die Grenze der Autonomen Verwaltung von Nordostsyrien zum Irak über 150 Kilometer erstrecke. Es gebe vier Grenzübergänge und Einreisepunkte: Rabia-Yarubiyah, Semalka- Faysh Khabur, Al-Waleed und Al-Faw.
Der Rabia-Yarubiyah-Grenzübergang sei 2020 durch ein russisches Veto im UN-Sicherheitsrat geschlossen worden (Enab Baladi, 9. März 2022). Der Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur liege zwischen der Stadt Faysh Khabur am Ostufer des Tigris in der Provinz Duhok auf irakischer Seite und dem Ort Semalka im Distrikt Malikiya auf syrischer Seite. Der Übergang sei zwischen er irakischen Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung umstritten, und die Regierung in Bagdad erkenne ihn nicht offiziell an. Derzeit verwalte die Demokratische Partei Kurdistan (KDP) die irakische Seite und die SDF würden die syrische Seite kontrollieren (CEIP, 30. März 2021). Laut Enab Baladi hänge die Öffnung beziehungsweiße Schließung des Grenzüberganges von den politischen Spannungen zwischen der Regionalregierung Kurdistans und der Autonomen Verwaltung Nordostsyriens ab (Enab Baladi, 9. März 2022). Der Al-Waleed-Übergang befinde sich im umstrittenen Unterbezirk Zummar in der Nähe der Provinz Duhok im Irak. Er werde von der Regionalregierung Kurdistans (KRG) auf irakischer Seite und der Autonomen Verwaltung auf syrischer Seite kontrolliert. Im Jahr 2013 habe die KRG den Übergang vorübergehend geöffnet, nachdem der Semalka-Faysh Khabur-Grenzübergang geschlossen worden sei. Die Benutzung des Grenzübergangs sei auf Personen beschränkt gewesen, die vom Irak nach Syrien hätten ziehen wollen. 2017 sei der Grenzübergang für Handel genützt worden. 2019 hätten die US-Truppen den Grenzübergang bei ihrem Abzug aus Syrien genützt (CEIP, 30. März 2021).
Al-Faw sei ein informeller Übergang, der laut lokalen Quellen vor allem von der PKK genützt werde (CEIP, 30. März 2021).
NPA (North Press Agency) berichtet am 16. Dezember 2021 von der Schließung des Grenzübergangs für jeglichen Transitverkehr sowie Handel. In den vergangenen Jahren sei der Übergang mehrmals geschlossen worden, unter anderem für eine Woche im Juni 2021 (NPA, 16. Dezember 2021). Laut VOA (Voice of America) sei der Grenzübergang von Seiten der Regionalregierung Kurdistans im Irak Im Dezember 2021 auf unbestimmte Zeit geschlossen worden, aufgrund von Zusammenstößen zwischen Demonstranten der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und Sicherheitskräften der irakischen Regionalregierung Kurdistans. Auch frühere Schließungen seien das Resultat politischer Dispute gewesen. Die Grenzschließung verhindere nicht nur den Reiseverkehr, sondern auch den Warentransport, was Befürchtungen aufkommen lasse, dass dies zu einer Verknappung der Grundversorgung in Syrien führen könnte (VOA, 22. Dezember 2021).
Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur
Der kontaktierte Syrienexperte erklärt gegenüber ACCORD den Ablauf ab Einreise in der Region Kurdistan bis zur Ankunft in Syrien für Personen, die im Gebiet der Autonomen Verwaltung gemeldet sind:
Vom Flughafen Erbil brächten Taxis oder Minibusse Reisende zum Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur, welcher der einzige offene Grenzübergang zwischen der Autonomen Region Kurdistan Irak und Nordostsyrien sei. Die Transportkosten vom Flughafen Erbil nach Semalka- Faysh Khabur betrügen in etwa 50 US-Dollar pro Person in einem geteilten Minibus oder etwa 100 US-Dollar für ein privates Taxi. Die Fahrt dauere ca. 2,5 Stunden. Am Grenzübergang angekommen, gehe der/die Reisende ein kurzes Stück zu Fuß, um dann Grenzbeamt·innen Ausweispapiere und etwaige andere Dokumente, nach denen in manchen Fällen gefragt werde, wie den Personalausweis, das Familienbuch, das Personenstandsregister und ähnliches vorzulegen. Wenn es der Person erlaubt wird zu passieren, nehme sie auf syrischer Seite des Grenzüberganges ein neues Auto mit Fahrer, um nach Al-Hasaka zu gelangen. Es sei für Reisende nicht möglich, die Grenze mit einem Auto zu passieren. Fahrer von beiden Seiten würden sich jedoch oft kennen und zusammenarbeiten. Die Fahrt vom Grenzübergang nach Al-Hasaka koste in etwa 50 US-Dollar und dauere circa zwei Stunden.
Der Grenzübergang sei momentan montags, freitags und samstags geöffnet. Laut dem Syrienexperten seien logistische Hürden, um die Grenze passieren zu können, ein Problem. Der Grenzübergang sei häufig geschlossen und seine betrieblichen Regeln und Vorschriften würden sich häufig ändern (Syrienexperte, 25. April 2022).
Schließungen des Semalka - Faysh Khabur Grenzübergangs
NPA (North Press Agency) berichtet am 16. Dezember 2021 von der Schließung des Grenzübergangs für jeglichen Transitverkehr sowie Handel. In den vergangenen Jahren sei der Übergang mehrmals geschlossen worden, unter anderem für eine Woche im Juni 2021 (NPA,
16. Dezember 2021). Laut VOA (Voice of America) sei der Grenzübergang von Seiten der Regionalregierung Kurdistans im Irak Im Dezember 2021 auf unbestimmte Zeit geschlossen worden, aufgrund von Zusammenstößen zwischen Demonstranten der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und Sicherheitskräften der irakischen Regionalregierung Kurdistans. Auch frühere Schließungen seien das Resultat politischer Dispute gewesen. Die Grenzschließung verhindere nicht nur den Reiseverkehr, sondern auch den Warentransport, was Befürchtungen aufkommen lasse, dass dies zu einer Verknappung der Grundversorgung in Syrien führen könnte (VOA, 22. Dezember 2021).
1.2.3. Ergänzende Informationen aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 02.03.2023:
Den zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die Kontrolle in Qamischli zwischen den von den USA unterstützten kurdischen Kräften und den syrischen Regierungstruppen, die von mit dem Iran verbundenen Gruppen unterstützt werden, aufgeteilt ist.
Der Flughafen von Qamischli, der südwestlich der Stadt liegt, steht unter der Kontrolle des Regimes. Qamischli steht allerdings mehrheitlich unter der Kontrolle der SDF. Das syrische Regime hält dort einige Regierungsgebäude am sogenannten „Sicherheitsplatz“. Auf dem „Sicherheitsplatz“ kontrollieren Regimekräfte noch das Gericht, das Gebäude der Bezirksdirektion, die Abteilung für technische Dienste und die Landwirtschaftsdirektion. Es gibt Gerüchte, denen zufolge die Asayish [Anm.: Nachrichtendienst der Selbstverwaltung] die Kontrolle über mehrere Einrichtungen und Zentren des syrischen Regimes in Qamischli übernommen hätten. Die Asayish selbst bestreitet dies.
Die Autonome Verwaltung Nordostsyriens unterstreicht gelegentlich die Forderung nach der Expat-Karte, indem sie ihre Sicherheits- und Militärkontrollstellen in den von ihr kontrollierten Gebieten, insbesondere die SDF, anweist, die Einreisenden in diesen Gebieten zu kontrollieren. Die Expat-Karte bedeutet, dass Personen, die im Personenstandsregister der Bezirke in Gebieten außerhalb der Kontrolle der Autonomiebehörde eingetragen sind und die von ihr kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens besuchen oder durchqueren wollen, eine Karte erhalten müssen, die sie zur Einreise und zum Aufenthalt in diesen Gebieten berechtigt. Die Karte wird von Institutionen ausgestellt, die von der Autonomieverwaltung bestimmt werden. Die Expat-Karte ist keine neue Regelung, aber sie wird erst seit 2019 eingesetzt.
1.3. Feststellungen zum relevanten Vorbringen des BF iZm einer Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten:
Die BF verließ Syrien, um den Kriegshandlungen in ihrer Herkunftsregion zu entkommen und in einem europäischen Land Zuflucht zu suchen und sich eine Zukunft aufzubauen. Die BF reiste im 2021 als Minderjährige illegal über die Türkei aus Syrien aus und weiter nach Österreich. Sie wurde am römisch 40 2023 volljährig.
Die BF lebte vor ihrer Ausreise in römisch 40 in der Region Al Hassakah, gemeinsam mit ihrem Vater, ihrer Stiefmutter und den (Halb-) Schwestern. Ihre Verwandten halten sich nach wie vor in römisch 40 auf; mit diesen besteht auch regelmäßiger Kontakt.
Der Bruder der BF reiste im römisch 40 2022 aus Syrien aus und stellte in Österreich einen Asylantrag. Über seine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erging am römisch 40 2023 ein Erkenntnis zur GZ W211 römisch 40 .
Der Ort römisch 40 ist von den Kurden und Kurdinnen kontrolliert; Regime und pro-Regimekräfte haben im kurdischen Selbstverwaltungsgebiet eine Präsenz, vor allem entlang der Frontlinien zu den pro-türkisch Rebellen und der türkisch-syrischen Grenze sowie in allen größeren Städten in Nordostsyrien.
Festgestellt wird, dass die BF im Falle einer Rückkehr nach Syrien – römisch 40 – keinem entsprechend hohen und systemischen Risiko einer Gefährdung als Frau, als Kurdin, im Zusammenhang mit einer Zwangsrekrutierung oder im Zusammenhang mit ihrer Ausreise und Asylantragstellung in Österreich unterliegen würde.
Der kurdische Militärdienst in der Frauenverteidigungseinheit (YPG) ist freiwillig und für die BF nicht verpflichtend.
Die syrische Regierung sieht nur für männliche Staatsbürger einen verpflichtenden Wehrdienst vor. Die BF hat keinen syrischen Wehrdienst zu leisten.
Aufgrund der aktuellen Kontrollsituation in der Herkunftsregion der BF muss die BF keinen relevanten Kontakt mit syrischen Kräften fürchten.
Insgesamt stellt sich die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten, trotz der berichteten Menschenrechtsverletzungen durch die PYD und die YPG, als weniger gravierend dar, als in anderen Gebieten in Syrien. Die kurdische Selbstverwaltung stellt Frauen formal Männern gleich und fördert deren berufliche Einbindung. Sie stellt strafbare Handlungen gegen Frauen unter Strafe. Kurdische Frauen erleben liberalere kulturelle Normen in den kurdischen Gemeinschaften, wobei die jeweilige Lage der Frauen von ihren Familien und deren Einstellungen abhängig ist.
Die Familie der BF stellt kein besonders religiöses oder traditionelles Umfeld dar. Die BF reiste auch nicht wegen eines Konflikts mit ihrem Vater aus Syrien aus und könnte auch wieder, auch als geschiedene Frau, zu ihrem Vater zurückkehren. Dieser unterstützt die Bildungs- und Berufswünsche seiner Kinder und wünscht sich für diese, dass sie Berufe erlernen und idealerweise Beamt:innen werden.
Durch den Vater ihres nunmehrig ehemaligen Ehemanns wurde im Jahr 2021 eine Ehe (nach syrischen Verhältnissen) mit der damals minderjährigen BF arrangiert. Der ehemalige Ehemann der BF befand sich damals in Österreich, die BF noch in Syrien. Die Eheschließung fand über das Telefon statt. Eine legale Zusammenführung der Ehegatten (nach syrischen Verhältnissen) in Österreich scheiterte an der rechtlichen Lage in Österreich. Die BF reiste daraufhin illegal zu ihrem Ehemann nach Österreich, wobei beide hier feststellen mussten, dass aufgrund der Minderjährigkeit der BF ein Zusammenleben des Paares in Österreich nicht möglich war. Daraufhin ließ sich das Paar mündlich, traditionell scheiden, wobei dabei der damalige Ehemann die BF gefragt hat, ob sie sich scheiden lassen wolle und die BF zugestimmt hat. Das Paar ist nach wie vor befreundet und können sich beide vorstellen, nach Volljährigkeit der BF uU wieder zu heiraten, wobei die BF möglicherweise davor Deutsch lernen und eine Ausbildung machen möchte.
Die BF möchte jedenfalls in Österreich Deutsch lernen, eine Ausbildung machen und einen Beruf ergreifen.
Die BF kann nach Syrien über den Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur einreisen. Dieser steht unter Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte, sodass sie dort mit syrischen Sicherheitskräften nicht in Kontakt kommen muss. Das Betreten des selbsternannten kurdischen Autonomiegebiets über diesen Grenzübergang ist abhängig von den – unregelmäßigen – Öffnungszeiten dieses Grenzüberganges. Die Modalitäten für eine Einreise über den Irak können je nach aktueller (politischer) Lage variieren. Die BF hätte bei einer Rückkehr in ihre Heimatregion keine Gebiete zu durchqueren, die vom syrischen Regime kontrolliert werden. Der BF ist es somit möglich, in das kurdische Gebiet und ihren Heimatort zu reisen, ohne in den Einflussbereich der Regierung zu gelangen.
Die BF ist Kurdin und verfügt über einen Personalausweis, aus dem der Ort römisch 40 als Geburtsort hervorgeht.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zu Punkt 1.1. ergeben sich, soweit diese nicht den Herkunftsort der BF und den Aufenthaltsort ihrer Familie betreffen, in erster Linie aus den weitgehend glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des BF im Laufe des Verfahrens.
Entgegen dem Vorbringen der BF vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wird als relevanter Herkunftsort der BF hier römisch 40 festgestellt, da sich hinsichtlich des von der BF namhaftgemachten Dorfes römisch 40 in der Provinz Aleppo begründete Zweifel ergeben haben:
So ist das Asylverfahren des Bruders der BF, der im Jahre 2022 nach Österreich einreiste, einen Asylantrag stellte, den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhielt, eine Beschwerde an das BVwG erhob, die als unbegründet abgewiesen wurde, bereits abgeschlossen. Der Bruder der BF gab während seines Asylverfahrens glaubhaft an, dass die Familie zwar ursprünglich aus der Region Aleppo stammt, und er als Kind dort auch die Schule besuchte, jedoch die Familie dann nach römisch 40 zog:
Der Bruder der BF führte dazu in seiner Einvernahme beim BFA am römisch 40 2022 an, sechs Jahre lang die Grundschule in Aleppo und fünf Jahre das Gymnasium in römisch 40 besucht (AS 45 zu W211 römisch 40 ) und bis zu seiner Flucht in römisch 40 gelebt zu haben. Vor dem Krieg habe die Familie in Aleppo (ebda) gelebt. In römisch 40 würden noch der Vater, die Stiefmutter, zwei Schwestern und eine Halbschwester des Bruders der BF leben. In römisch 40 habe die Familie ein Haus und landwirtschaftliche Grundstücke; der Vater arbeite in der Landwirtschaft und versorge die Familie (AS 47 zu W211 römisch 40 ). Wirtschaftlich gehe es der Familie gut (ebda). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung des Bruders der BF am BVwG am römisch 40 2023 gab der Bruder der BF auf die Frage, wo er vor seiner Ausreise gelebt habe, an, dass dies in römisch 40 in der Provinz Al Hassakah gewesen sei, wo sich noch die oben genannten Verwandten aufhalten würden (siehe Verhandlungsprotokoll zu W211 römisch 40 ).
Die BF gab nun in ihrem Verfahren an, dass sie mit ihrem Vater, der Stiefmutter, dem Bruder (und zwar jenem Bruder, zu dem das Verfahren zu W211 römisch 40 geführt wurde), den Schwestern und der Halbschwester in römisch 40 bei Aleppo gelebt habe (Verhandlungsprotokoll vom römisch 40 2023). Auf die unterschiedlichen Angaben zum Wohnort der Familie aufmerksam gemacht, meinte die BF, dass sich der Bruder der BF manchmal in römisch 40 und manchmal in römisch 40 aufgehalten habe.
Diese Angabe kann nun aber die Diskrepanz der Angaben der Geschwister iZm dem Wohnort der Familie vor ihrer Ausreise (und auch jetzt noch) nicht nachvollziehbar aufklären: Nach dem Vorbringen der BF kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sie alleine (gemeint: ohne Stammfamilie, aber vielleicht bei Onkeln oder Tanten) in römisch 40 gelebt haben könnte, da sie selbst angibt, in römisch 40 mit ihrem Vater, der Stiefmutter und den Geschwistern gewohnt zu haben. Gerade zum Aufenthaltsort der Familie aber führt der Bruder der BF in seinem Verfahren konsistent aus, dass diese zwar vor dem Krieg – und damit schon seit einem längeren Zeitraum nicht mehr – in Aleppo gelebt hat, aber nunmehr in römisch 40 ist, wo sie über ein Haus und Grundstücke verfügt.
Die Frage nach dem Herkunftsort ist aufgrund der unterschiedlichen Kontrollsituationen von Aleppo/ römisch 40 und römisch 40 bedeutsam. Sie war in diesem Sinne auch für den Bruder der BF bedeutsam, da sich die Prüfung seines Vorbringens betreffend eine Gefahr einer Rekrutierung in den syrischen Militärdienst ebenso mit der Kontrolllage und Zugriffsmöglichkeit des syrischen Militärs auseinandersetzen musste. Insoferne hatte der Bruder der BF bei einem durchgehend konsistenten Vorbringen einer Herkunft und eines Wohnsitzes in kurdisch kontrolliertem Gebiet nichts zu gewinnen. Hinweise darauf, dass daher die durchgehend gleichbleibenden Angaben des Bruders der BF unglaubwürdig sein sollten, haben sich weder in seinem Verfahren noch in jenem der BF ergeben.
Es ist tatsächlich nicht erklärlich, warum die BF hier anderslautende Angaben zu jenen ihres Bruders machte; eine Motivation dafür ist nicht erkennbar. Im Lichte dessen, dass aber, wie gesagt, Hinweise dazu, dass jene Angaben des Bruders falsch sein könnten, nicht hervorgekommen sind, der Geburtsort der BF in ihrem Personalausweis ebenfalls mit römisch 40 angeführt wurde (AS 98, Einvernahmeprotokoll BFA römisch 40 2022 – wobei die Schreibweise des Orts an jene in der Landkarte angepasst wurde) und eine nachvollziehbare Erklärung der Diskrepanz durch die BF auch bei Nachfrage in der mündlichen Verhandlung am römisch 40 2023 nicht zum Vorschein kam, wird als Herkunftsort der BF römisch 40 in der Region Al Hassakah festgestellt.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit gründet sich auf einen Auszug aus dem Strafregister.
2.2. Die Länderfeststellungen zu 1.2.1. beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.07.2023, und darin auf den folgenden Detailquellen:
Detailquellen zur politischen Situation:
● Alaraby - New Arab, the (31.5.2023): Why Syria's Kurds and Hayat Tahrir al-Sham are offering to host refugees, https://www.newarab.com/analysis/why-syrias-kurds-and-hts-are-offering-host-refugees, Zugriff 28.6.2023
● Brookings (27.1.2023): Syria’s dissolving line between state and nonstate actors, https://www.brookings.edu/blog/order-from-chaos/2023/01/27/syrias-dissolving-line-between-state-and-nonstate-actors/, Zugriff 27.6.2023
● FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2022 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2088564.html, Zugriff 23.6.2023
● ICG - International Crisis Group (18.11.2021): Syria: Shoring Up Raqqa’s Shaky Recovery, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064234/229-raqqas-shaky-recovery.pdf, Zugriff 29.6.2023
● K24 - Kurdistan 24 (6.9.2018): New administration formed for northeastern Syria, https://www.kurdistan24.net/en/news/c9e03dab-6265-4a9a-91ee-ea8d2a93c657, Zugriff 28.6.2023
● KAS - Konrad Adenauer Stiftung (4.12.2018): Zwischen den Fronten - Die Kurden in Syrien, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/zwischen-den-fronten-1, Zugriff 28.6.2023
● MEI - Middle East Institute (26.4.2022): Divided Syria: An examination of stabilization efforts and prospects for state continuity, https://www.mei.edu/publications/divided-syria-examination-stabilization-efforts-and-prospects-state-continuity, Zugriff 27.6.2023
● ÖB Damaskus - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (1.10.2021): Asylländerbericht Syrien 2021 (Stand September 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2066258.html, Zugriff 28.6.2023
● Savelsberg, Eva: Der Aufstieg der kurdischen PYD im syrischen Bürgerkrieg (2011 bis 2017). In STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 28.6.2023
● SD - Syria Direct (22.7.2021): Authoritarian tendencies mar the AANES’ quest for recognition, https://syriadirect.org/authoritarian-tendencies-mar-the-aanes-quest-for-recognition/, Zugriff 28.6.2023
● SO - Syrian Observer, the (27.6.2022): Belgium Seeks Recognition of AANES – Belgian Envoy to Syria, https://syrianobserver.com/news/76218/belgium-seeks-recognition-of-aanes-belgian-envoy-to-syria.html, Zugriff 28.6.2023
● taz - Tageszeitung, die (15.10.2022): Kurdischer Kanton Afrin in Nordsyrien: Eine Bande durch die andere ersetzt, https://taz.de/Kurdischer-Kanton-Afrin-in-Nordsyrien/!5888260/, Zugriff 28.6.2023
● USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089061.html, Zugriff 23.6.2023
Detailquellen zur Sicherheitssituation sowie Folter und unmenschlichen Behandlung:
● AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2089904/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_29.03.2023.pdf, Zugriff 17.4.2023
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.11.2021): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2072999/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien%2C_%28Stand_November_2021%29%2C_29.11.2021.pdf, Zugriff 6.7.2023
● FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2023 - Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2023, Zugriff 9.3.2023
● HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085501.html, Zugriff 9.3.2023
● ICG - International Crisis Group (18.11.2021): Syria: Shoring Up Raqqa’s Shaky Recovery, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064234/229-raqqas-shaky-recovery.pdf, Zugriff 6.7.2023
● Newlines Institute for Strategy and Policy (7.3.2023): Operation Claw-Sword Exposes Blind Spots in the US’ NE Syria Strategy, https://newlinesinstitute.org/syria/operation-claw-sword-exposes-blind-spots-in-the-us-ne-syria-strategy/, Zugriff 6.7.2023
● OSS - Omran Center for Strategic Studies (18.1.2023b): The Syrian Regime Signals Legal and Military Shifts to the World, https://omranstudies.org/index.php/publications/papers/the-syrian-regime-signals-legal-and-military-shifts-to-the-world.html, Zugriff 13.2.2023
● OSS - Omran Center for Strategic Studies (1.10.2017): Changing the Security Sector in Syria, https://omranstudies.org/publications/papers/book-changing-the-security-sector-in-syria.html, Zugriff 13.2.2023
● SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 10.3.2023
● SNHR - Syrian Network for Human Rights (26.6.2022): The 11th Annual Report on Torture in Syria on the International Day in Support of Victims of Torture, https://snhr.org/wp-content/uploads/2022/06/R220610E.pdf, Zugriff 9.3.2023
● STJ - Syrians for Truth & Justice (12.7.2022): Syria: Anti-Torture Law Issued 35 Years After the Convention against Torture Went Effective, https://stj-sy.org/en/syria-anti-torture-law-issued-35-years-after-the-convention-against-torture-went-effective/, Zugriff 10.3.2023
● USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089061.html, Zugriff 17.4.2023
Detailquellen zum Wehrdienst des syrischen Regimes und der der demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien:
● AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2089904/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_29.03.2023.pdf, Zugriff 12.5.2023
● DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (6.2022): Syria: Military recruitment in Hasakah Governorate, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075255/syria_fmm_rappport_military_recruitment_hasakah_governorate_june2022.pdf, Zugriff 24.5.2023
● HRW - Human Rights Watch (11.10.2019): Turkey/Syria: Civilians at Risk in Syria Operation, https://www.hrw.org/news/2019/10/11/turkey/syria-civilians-risk-syria-operation, Zugriff 24.5.2023
● ÖB Damaskus - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (12.2022): Asylländerbericht Syrien 2022, Antwortschreiben per E-Mail [liegt im Archiv der Staatendokumentation auf]
● PAR - Webseite des Parlaments [Syrien] (12.5.2007): المرسوم التشريعي 30 لعام 2007 قانون خدمة العلم [Legislativdekret Nr. 30 von 2007 Militärdienstgesetz], http://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201&nid=4921&, Zugriff 19.5.2023
● Savelsberg, Eva [Vorsitzende des Europäischen Zentrum für Kurdische Studien] (3.11.2017): Informationen per E-Mail
● SNHR - Syrian Network for Human Rights (26.1.2021): The Bleeding Decade - Tenth Annual Report: The Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2020, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/Tenth_Annual_Report_The_Most_Notable_Human_Rights_Violations_in_Syria_in_2020_en.pdf, Zugriff 24.5.2023
● AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2089904/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_29.03.2023.pdf, Zugriff 14.4.2023
● DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (6.2022): Syria: Military recruitment in Hasakah Governorate, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075255/syria_fmm_rappport_military_recruitment_hasakah_governorate_june2022.pdf, Zugriff 23.5.2023
● OSS - Omran Center for Strategic Studies (18.1.2023) :The Syrian Regime Signals Legal and Military Shifts to the World, https://omranstudies.org/index.php/publications/papers/the-syrian-regime-signals-legal-and-military-shifts-to-the-world.html, Zugriff 23.5.2023
● SJAC - Syria Justice and Accountability Center (3.2023): The State of Justice in Syria, https://syriaaccountability.org/content/files/2023/03/State- of- Justice- in-Syria- 2023- 1.pdf, Zugriff 23.5.2023
● UNGA - United Nations General Assembly (23.6.2022): Children and armed conflict, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075706/N2234471.pdf, Zugriff 23.5.2023
● UNHRC - United Nations Human Rights Council (7.2.2023): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic*, **, https://www.ecoi.net/en/file/local/2088857/G2301021.pdf, Zugriff 23.5.2023
● USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2089061.html, Zugriff 17.5.2023
● USDOS - United States Department of State [USA] (29.7.2022): 2022 Trafficking in Persons Report: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2077593.html, Zugriff 23.5.2023
Detailquellen zur allgemeinen Menschenrechtslage und Haftbedingungen:
● AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2089904/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_29.03.2023.pdf, Zugriff 14.4.2023
● BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report - Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069699/country_report_2022_SYR.pdf, Zugriff 6.7.2023
● UNCOI - United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (7.2.2023): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic, https://undocs.org/en/A/HRC/52/69, https://www.ohchr.org/en/hr-bodies/hrc/iici-syria/report-coi-syria-march2023, Zugriff 18.3.2023
● SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 10.3.2023
● STJ - Syrians for Truth & Justice (12.7.2022): Syria: Anti-Torture Law Issued 35 Years After the Convention against Torture Went Effective, https://stj-sy.org/en/syria-anti-torture-law-issued-35-years-after-the-convention-against-torture-went-effective/, Zugriff 10.3.2023
● USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089061.html, Zugriff 17.4.2023
Detailquellen zu der ethnischen Minderheit der Kurd:innen:
● AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2089904/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_29.03.2023.pdf, Zugriff 14.4.2023
● FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2023 - Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2023, Zugriff 10.3.2023
● MRG - Minority Rights Group International (3.2018): Syria – Kurds, https://minorityrights.org/minorities/kurds-5/, Zugriff 29.4.2023
● USDOS - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089061.html, Zugriff 14.4.2023
Detailquellen zu der relevanten Bevölkerungsgruppe - Frauen:
● FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2023 - Syria, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088564.html, Zugriff 29.4.2023
● FH - Freedom House, Kelly Sanja & Breslin Julia (3.3.2010): Syria, in 'Women’s Rights in the Middle East and North Africa': Progress Amid Resistance, http://www.freedomhouse.org/sites/default/files/inline_images/Syria.pdf, Zugriff 29.4.2023
● ÖB Damaskus - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (1.10.2021): Asylländerbericht Syrien 2021 (Stand September 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2066258.html, Zugriff 29.4.2023
● UNFPA – UN Population Fund, GPC – Global Protection Cluster (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb (28.3.2023): Whole of Syria; Gender-Based Violence Area of Responsibility; Voices from Syria 2023; Assessment Findings of the Humanitarian Needs Overview, https://reliefweb.int/attachments/338b5a3e-2c43-405b-8298-86612ec88e09/Voices%20from%20Syria%202023_FINAL_online%20version_En.pdf, Zugriff 29.4.2023
● STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 3.5.2023
● UNPFA- United Nations Population Fund (10.3.2019): Voices from Syria 2019, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/voices_from_syria_2019_0_0.pdf, Zugriff 3.5.2023
● USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089061.html, Zugriff 3.5.2023
Detailquellen zu Frauen in AANES-Gebieten und Zwangsrekrutierung:
● AC - Atlantic Council (Stein, Aaron; Burchfiel, Emily) (13.8.2019): The future of northeast Syria, Atlantic Council, https://www.atlanticcouncil.org/in-depth-research-reports/report/the-future-of-northeast-syria/, Zugriff 6.5.2023
● Allsopp & van Wilgenburg - Allsopp, Harriet; van Wilgenburg, Wladimir (2019): The Kurds of Northern Syria. Governance, Diversity and conflicts. In: EASO – European Asylum Support Office (2.2020): Syria - Situation of women, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024298/02_2020_EASO_COI_Report_Syria_Situation_of_women.pdf, Zugriff 6.5.2023
● FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2023 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088564.html, Zugriff 4.5.2023
● NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069799/EN-AAB-Syrie-juni-2021.pdf, Zugriff 10.7.2023
● SJAC - Syria Justice and Accountability Center (3.2023): The State of Justice in Syria, https://syriaaccountability.org/content/files/2023/03/State-of-Justice-in-Syria-2023-1.pdf, Zugriff 23.5.2023
● STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien (mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak), August 2017, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 3.5.2023
● TNYT - The New York Times (24.2.2018): Women Are Free, and Armed in Kurdish-Controlled Northern Syria, https://www.nytimes.com/2018/02/24/world/middleeast/syria-kurds-womens-rights-gender-equality.html?searchResultPosition=1, Zugriff 6.5.2023
● UNPFA – UN Population Fund, GPC – Global Protection Cluster (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb (28.3.2023): Whole of Syria; Gender-Based Violence Area of Responsibility; Voices from Syria 2023; Assessment Findings of the Humanitarian Needs Overview, https://reliefweb.int/attachments/338b5a3e-2c43-405b-8298-86612ec88e09/Voices%20from%20Syria%202023_FINAL_online%20version_En.pdf, Zugriff 6.5.2023
Detailquellen zur Rückkehr:
● AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2089904/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_29.03.2023.pdf, Zugriff 14.4.2023
● FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 16.6.2023
● ICG - International Crisis Group (13.2.2020): Easing Syrian Refugees‘ Plight in Lebanon, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/eastern-mediterranean/lebanon/211-easing-syrian-refugees-plight-lebanon, Zugriff 16.6.2023
● Reuters (1.5.2023): Syrian refugees deported from Lebanon face arrest, conscription, say relatives https://www.reuters.com/world/middle-east/syrian-refugees-deported-lebanon-face-arrest-conscription-say-relatives-2023-05-01/, Zugriff 16.6.2023
● TWP - The Washington Post (2.6.2019): Assad urged Syrian refugees to come home. Many are being welcomed with arrest and interrogation, https://www.washingtonpost.com/world/assad-urged-syrian-refugees-to-come-home-many-are-being-welcomed-with-arrest-and-interrogation/2019/06/02/54bd696a-7bea-11e9-b1f3-b233fe5811ef_story.html?utm_term=.e0a2c27a072f, Zugriff 16.6.2023
● USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089061.html, Zugriff 21.6.2023
2.3. Die ergänzende Information unter 1.2.2. und 1.2.3. beruht auf den folgenden Detailquellen:
2.3.1. Quellen zur Anfragebeantwortung von ACCORD vom 06.05.2022: Voraussetzungen für Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der SDF/YPG in Nordostsyrien; Legale Einreise aus dem Irak bzw. der Türkei; Informationen zum Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur; Kontrolle der Grenzübergänge zwischen Nordostsyrien und der Türkei/dem Irak [a-11859-1]
- ANHA – Hawar News Agency: Crossings … exploited to put pressure on AANES, 12. April 2021 http://hawarnews.com/en/haber/crossings-exploited-to-put-pressure-on-aanesh24001.html
- CEIP - Carnegie Endowment for International Peace, Middle East Center: The Making of the Kurdish Frontier: Power, Conflict, and Governance in the Iraqi-Syrian Borderlands, 30. März 2021 https://carnegie-mec.org/2021/03/30/making-of-kurdish-frontier-power-conflict-andgovernance-in-iraqi-syrian-borderlands-pub-84205
- Enab Baladi: The alternative solutions for turbulent “Semalka”, Conflict of interest shadowing border crossings in Autonomous Administration regions, 9. März 2022 https://english.enabbaladi.net/archives/2022/03/conflict-of-interest-shadowing-bordercrossings-in-autonomous-administration-regions/
- Kurdistan Regional Government, Representation in the United Kingdom: Visa on arrival, ohne Datum https://uk.gov.krd/?page_id=1083
- North Press Agency: Crossing Between Kurdistan Region-Autonomous Admiration Areas Closed, 16. Dezember 2021 https://npasyria.com/en/69345/
- Syrienexperte, E-mail-Auskunft, 25. April 2022
- VOA – Voice of America: Closure of Iraq-Syria Border Crossing Worries Aid Groups, Travelers, 22. Dezember 2021 https://www.voanews.com/a/closure-of-iraq-syria-border-crossing-worries-aid-groupstravelers/6365880.html
2.3.2. Quellen zur Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 02.03.2023: Sicherheitslage Nordost-Syrien; Iranische Militärstandorte:
- Agos (25.5.2022): Looking North from Qamishli, https://www.agos.com.tr/en/article/27138/looking-north-from-qamishli, Zugriff 12.1.2023
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (26.4.2021): Briefing Notes KW 17 2021, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw17-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 10.1.2023
- Enab Baladi (14.4.2022): SDF seizes six state buildings in Qamishli, https://english.enabbaladi.net/archives/2022/04/sdf-seizes-six-state-buildings-in-qamishli/, Zugriff 7.2.2023
- EUAA – European Union Agency for Asylum (9.2022): COI Report Syria Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078716/2022_09_EUAA_COI_Report_Syria_Security_situation.pdf, Zugriff 15.2.2023
- JFL – Justice for Life (2.2022): Expat Card in Northeastern Syria, https://jfl.ngo/wp-content/uploads/2022/02/Expat-Card-in-Northeastern-Syria.pdf, Zugriff 7.3.2023
- Kurdistan24 (9.4.2022): Kurdish Asayish forces besieged Syrian government bakery in Qamishlo: SOHR, https://www.kurdistan24.net/en/story/27915-Kurdish-Asayish-forces-besieged-Syrian-government-bakery-in-Qamishlo:-SOHR?__cf_chl_tk=tL7nkU6KWJNkHBElbPW14nsvz437RUz7_2Eu63kZVjE-1673515075-0-gaNycGzNCFE, Zugriff 12.1.2023
- Reuters (14.11.2022): Factbox: What is the Syrian Kurdish YPG? https://www.reuters.com/world/middle-east/what-is-syrian-kurdish-ypg-2022-11-14/, Zugriff 5.1.2023
- Rojava Center for Strategic Studies (18.1.2022): The IRGC and the new tasks in Syria, https://nrls.net/en/the-irgc-and-the-new-tasks-in-syria/, Zugriff 12.1.2023
- The New Humanitarian (30.6.2020): No papers, no rights: Understanding Syria’s civil documentation crisis, https://www.thenewhumanitarian.org/analysis/2020/07/30/syria-civil-documentation-crisis-rights. Zugriff 8.3.2023
An der Aktualität, Relevanz und Richtigkeit der Informationen hat die erkennende Richterin keinen Zweifel; auch die Stellungnahme der BF vom römisch 40 2023 richtet sich nicht gegen diese.
2.4. Die Feststellung zur aktuellen Kontrollsituation im Dorf römisch 40 beruht auf den Länderinformationen sowie einer Einschau auf der Website Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com (10.10.2023).
Die Feststellungen zu den Gründen der Ausreise der BF, zur Ausreise und zum Alter der BF beruhen auf dem Verwaltungsakt und insbesondere auf den Angaben der BF selbst sowie den vorgelegten Unterlagen. Zur Feststellung des Herkunftsorts wird auf die obige Beweiswürdigung verwiesen. Der Kontakt zu den Familienangehörigen geht aus den Angaben der BF selbst hervor.
Die Feststellungen zum Verfahren des Bruders der BF beruhen auf dessen Verwaltungsakt zur Zahl W211 römisch 40 .
Die Feststellungen, dass keine relevante Gefährdung der BF im – theoretischen - Falle einer Rückkehr nach römisch 40 besteht, basieren auf den folgenden Gründen:
Syrisches Regime: eine Verfolgung als Kurdin, eine mögliche Verfolgung wegen einer illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Österreich und zur Erreichbarkeit des Herkunftsortes:
Insoweit die BF während des Verfahrens eine Gefährdung als Kurdin durch das Regime andeutet, ist auf die Kontrolllage in römisch 40 zu verweisen: römisch 40 wird durch die Kurdinnen und Kurden kontrolliert. Dass die BF in ihrem Dorf durch die syrische Regierung wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer entsprechenden Bedrohung unterliegen würde, kann demnach nicht festgestellt werden.
Aus dem gleichen Grund, der mangelnden Möglichkeiten eines Zugriffs durch die syrische Regierung, kann auch keine Gefährdung der BF wegen einer illegalen Ausreise und einer Asylantragstellung im Ausland angenommen werden.
Dass die BF grundsätzlich ohne Kontakt mit syrischen Sicherheitskräften nach Syrien über den Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur einreisen könnte, und dieser unter Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte steht, ergibt sich aus der Anfragebeantwortung vom 06.05.2022, wonach es Personen, die aus Gebieten unter Kontrolle der SDF/YPG stammen, gestattet ist, von außerhalb in die Region Nordostsyrien über den durch die SDF kontrollierten Grenzübergang einzureisen. Dies trifft auf die BF zu, sodass sie keine so genannte „Expat-Karte“ brauchen würde. Sie kann ihre Herkunft aus der Provinz Al Hassakah auch mit dem Personalausweis im Akt belegen, in dem ihr Geburtsort römisch 40 vermerkt ist vergleiche AS 98, Niederschrift der Einvernahme vom römisch 40 2022, und im Gegensatz zur Behauptung in der Stellungnahme vom römisch 40 2023, wonach die BF in Aleppo geboren sein soll). Das Betreten des selbsternannten kurdischen Autonomiegebiets über diesen Grenzübergang ist abhängig von den – unregelmäßigen – Öffnungszeiten dieses Grenzüberganges. Die Modalitäten für eine Einreise über den Irak können je nach aktueller (politischer) Lage variieren. Den Länderinformationen lässt sich somit insgesamt entnehmen, dass eine solche Einreise Einschränkungen und Auflagen der betreffenden Behörden bzw. Organe unterliegt, jedoch nicht als unmöglich anzusehen ist. Der BF wäre es nach rechtskräftig negativem Abschluss des Verfahrens unter hypothetischer Annahme einer Einreise in den Irak auch grundsätzlich möglich und zumutbar, sich bei syrischen Vertretungsbehörden einen Reisepass ausstellen zu lassen und damit ein irakisches Visum zu erhalten bzw. bei Unzumutbarkeit sich als subsidiär Schutzberechtigte einen Fremdenpass nach Paragraph 88, FPG ausstellen zu lassen.
Die BF hätte bei einer Rückkehr in ihre Heimatregion keine Gebiete zu durchqueren, die vom syrischen Regime kontrolliert werden vergleiche dazu Map of Syrian Civil War - Syria news and incidents today - syria.liveuamap.com, 10.10.2023). Der BF ist es somit möglich, in das kurdische Gebiet und ihren Heimatort zu reisen, ohne in den Einflussbereich der syrischen Regierung zu gelangen. Hierbei wird auch nicht verkannt, dass es immer wieder zu Einschränkungen und Sperren bei Grenzübergängen kommen kann (wie zuletzt eine Meldung aus Mai 2023 zur Schließung des Grenzübergangs Semalka zeigt), wovon laut herangezogener Berichte jedoch selbst der Flughafen Damaskus regelmäßig betroffen ist. Schließungen von Grenzübergängen sowie Risikofaktoren auf den Reiserouten sind im Wesentlichen der allgemeinen (Bürgerkriegs-)Situation geschuldet, wobei sich die Sicherheitslage laut herangezogener Länderberichte in ganz Syrien als volatil erweist. Eine von der BF behauptete asylrelevante Verfolgung, die über die allgemein unsichere Lage, welche die Zivilbevölkerung im gleichen Ausmaß betrifft, hinausgeht, kann jedoch nicht erkannt werden.
Kurdische Kontrolle: Eine drohende Zwangsrekrutierung durch die YPJ:
Die PYD, bzw. die YPJ, rekrutiert tatsächlich, nach der Rechtslage freiwillig, Frauen in die kurdischen Kampfeinheiten. Weiter deuten die Länderberichte darauf hin, dass die YPG/YPJ auch insbesondere minderjährige Buben wie Mädchen zwangsweise rekrutierte: demnach wurden in Schulen während des regulären Unterrichts (z.B. im Fach Sport) die militärischen Werte und Ideologien mit den Kindern verfestigt, ohne das Wissen oder Einverständnis der Erziehungsberechtigten. Die SDF reagierte auf die Berichte der UN und von Menschenrechtsorganisationen damit, dass im September 2018 die Rekrutierung Minderjähriger verboten und vorgesehen wurde, das Alter der Rekruten und Rekrutinnen zu kontrollieren. In der Folge fanden zwar Entlassungen von Kindern aus der SDF statt (51 Mädchen 2020), aber Berichten zufolge gibt es immer noch Fälle von Rekrutierungen Minderjähriger.
Während daher jedenfalls anerkannt wird, dass es seitens der SDF, YPG und YPJ zu Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen kommt, ist die BF mittlerweile volljährig geworden und fällt daher nicht mehr in die Gruppe der besonders vulnerablen Kinder und Jugendlichen, die von einer solchen Maßnahme betroffen sein können.
In Bezug auf eine vorgebrachte mögliche (Zwangs-) Rekrutierung der BF durch die YPJ geht aus der aktuellen Länderinformation hervor, dass der Dienst zur Selbstverteidigung für Frauen freiwillig ist. Es gab zwar Berichte über Zwangsrekrutierungen von Frauen, aber für die Vergangenheit. Insoferne kann eine ausreichend belastbare aktuelle Gefahr für die BF, im Falle einer Rückkehr durch die Kurdinnen und Kurden zwangsweise zum „Militärdienst“ verpflichtet zu werden, nicht ausgemacht werden.
Gefährdung der BF als Frau bzw. iZm der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe:
Bei der gegenständlichen Einschätzung der Situation von Frauen in Syrien wird die aktuelle Berichtslage keineswegs übersehen, wonach geschlechtsspezifische Gewalt im langjährigen Bürgerkriegsland teilweise systemisch geworden ist und viele Ausformungen haben kann, wie Kinderehen, Zwangsehen, sexuelle und häusliche Gewalt, und für geschiedene und verwitwete und alleinstehende Frauen eine besondere Vulnerabilität besteht. Allerdings darf auch bei der Sichtung der diesbezüglichen Länderinformation nicht übersehen werden, dass die persönliche gesellschaftliche Freiheit von Frauen je Gebiet außerhalb der Regierungskontrolle variiert und von schwerwiegenden Kleidungs- und Verhaltensvorschriften in Gebieten extremistischer Gruppen bis hin zu formaler Gleichheit im Selbstverwaltungsgebiet der PYD reicht.
In den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich die Situation der Frauen in Bezug auf Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und die Vormundschaftsgesetze insgesamt besser ist, als in Restsyrien. Kurdische Frauen erleben liberalerer kulturelle Normen in den kurdischen Gemeinschaften, was durch die politischen Parteien gefördert wird. Im Allgemeinen darf daher davon ausgegangen werden, dass eine rein geschlechtsspezifische Gefährdung und entsprechend schwerwiegende Diskriminierung von Kurdinnen im Nordosten Syriens auf Basis der Länderinformation nicht festgestellt werden kann. Dabei wird nicht verkannt, dass es auch von dort Meldungen über geschlechtsspezifische Gewalt gibt: das Risiko, einer solchen zu unterliegen, muss aber geringer, iSv nicht systemisch, eingestuft werden, als in Restsyrien.
Die Feststellungen zur Familie der BF in Syrien, zum familiären Hintergrund und zu ihrem Verhältnis mit ihrer Familie und mit ihrem Vater beruhen auf den Angaben der BF im Laufe des Verfahrens.
Nach diesen Feststellungen verfügt die BF noch über Familienangehörige in Syrien, römisch 40 , nämlich ihren Vater, die Stiefmutter und (Halb-) Schwestern. Der Vater ist in der Lage, die Familie aus der Produktion seiner Landwirtschaft zu versorgen. Es besteht daher für die BF auch die Möglichkeit, den Schutz ihrer Kernfamilie in Syrien in Anspruch zu nehmen; sie ist daher nicht als alleinstehend anzusehen.
Die Feststellungen zur nach syrischen Verhältnissen geschlossenen Ehe, Scheidung und zum aktuellen Verhältnis mit dem ehemaligen Ehemann beruhen auf den Angaben der BF sowie des ehemaligen Ehemannes im Verfahren.
Zum Status der BF als geschiedene Frau ist zu sagen, dass die BF nicht vorbrachte, überhaupt oder wegen ihrer Scheidung zB mit ihrem Vater einen Konflikt auszutragen. Im Gegenteil, gab sie in der Einvernahme beim BFA vom römisch 40 2022 an, mit ihrem „Vater und Geschwistern […] überhaupt kein Problem“ zu haben (AS 102). Da die BF aufgrund ihrer Kernfamilie vor Ort jedenfalls nicht als alleinstehend und damit als geschiedene Frau mangels Ehemann als schutzlos angesehen werden kann, ist eine erhöhte Vulnerabilität aus diesem Grund auch nicht erkennbar.
Zur Eheschließung, Scheidung und aktuellen Situation der BF ist weiter auszuführen, dass im gegenständlichen Fall nicht verkannt wird, dass die BF als Minderjährige mit einem ihr unbekannten Mann verheiratet und zu diesem nach Europa geschickt wurde. Entweder auf ihren Wunsch oder auf jenen ihres ehemaligen Mannes hin, fand in Österreich eine traditionelle Scheidung statt, insbesondere deshalb, weil die BF als Minderjährige in Österreich nicht mit jenem Mann leben durfte. Die BF gab dazu im Verfahren an, sich noch zu jung zu fühlen und noch nicht verheiratet sein zu wollen, andererseits könne sie sich vorstellen, ihren ehemaligen Mann nach Volljährigkeit wieder zu heiraten; aktuell seien die beiden Freunde (AS 98, 147, 166f, Protokoll der Verhandlung).
Dass sich aber aus dieser Trennung entsprechend ernstzunehmende Schwierigkeiten für die BF im Falle einer Rückkehr nach Syrien ergeben würden, kam im Verfahren nicht hervor. Die BF berichtete diesbezüglich nicht von zB familiären Konflikten oder Zurechtweisungen durch ihre in Syrien verbliebene Familie. Ein Gefährdungsrisiko für den Fall einer – theoretischen – Rückkehr kann daher daraus nicht abgeleitet werden. Hinweise dafür, dass der BF im Falle einer theoretischen Rückkehr nach Syrien eine (neuerliche) Zwangsverheiratung drohen würde, kamen im Verfahren auch nicht hervor: die BF äußerte eine entsprechende Sorge nicht, sondern gab, wie erwähnt, ein gutes Verhältnis mit ihrer in Syrien verbliebenen Familie zu Protokoll.
Dass die BF uU Berufspläne wie Richterin, Dolmetscherin oder Krankenschwester, wie sie sie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung definierte, in Syrien nicht oder nur schwerlich umsetzen können würde, lässt sich wohl in erster Linie auf ein durch den langen Bürgerkrieg in Trümmern liegendes Bildungs-, Ausbildungssystem, die schlechte Wirtschaftslage und die uU fehlende Infrastruktur zurückführen. Sie selbst berichtete in der mündlichen Verhandlung darüber, dass ihr Vater sich für seine Kinder Berufsausbildungen wünschen würde. Daher erlauben weder die persönlichen Verhältnisse der BF noch die allgemeine Situation im kurdisch kontrollierten Nordost Syrien die Annahme, dass der BF aufgrund ihres Geschlechts eine Berufstätigkeit verschlossen bleiben würde.
2.5 Die erkennende Richterin übersieht gegenständlich weder die Jugend der BF, noch ihren nachvollziehbaren Wunsch, lernen und sich ohne Angst eine Zukunft aufbauen zu können. Auch in Hinblick auf die nach wie vor volatile Sicherheitssituation in Syrien wurde der BF zu Recht subsidiärer Schutz in Österreich zuerkannt. Aus der Zusammenschau der Vorbringen der BF, ihrer persönlichen Situation und der aktuellen Länderinformation haben sich jedoch keine Hinweise darauf ergeben, dass die BF im Falle einer Rückkehr einer hier für die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten zu prüfenden Gefährdung unterliegen würde.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Rechtsgrundlagen:
3.1.1. Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einer Fremden, die in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) verweist). Gemäß Paragraph 3, Absatz 3, AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abzuweisen, wenn der Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG) offensteht oder wenn sie einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6, AsylG) gesetzt hat.
3.1.2. Nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).
Voraussetzung für die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten ist, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht. Sie muss Ursache dafür sein, dass sich die Asylwerberin außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet vergleiche VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113).
3.1.3. Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in der konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350, mwN). Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird. Auch kommt einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH vom 18.11.2015, Ra 2014/18/0162, mwN). Eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/20/0030). Ob in diesem Zusammenhang eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, kommt darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 08.09.2009, 2008/23/0027, mwN).
Relevant ist nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
Auf Basis der getroffenen Feststellungen kann für die BF keine aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr durch die syrische Regierung wegen einer illegalen Ausreise, einer Asylantragstellung im Ausland, ihrer Eigenschaft als Frau oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und damit aus Gründen einer auch nur unterstellten oppositionellen Gesinnung, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe der Frauen oder der Ethnie angenommen werden. Die BF würde im Falle einer theoretischen Rückkehr nach Syrien ohne Regierungskontakt in eine kurdisch kontrollierte Region bzw. ein kurdisch kontrolliertes Dorf reisen.
Zwar ist den herangezogenen länderkundlichen Informationen zu entnehmen, dass eine Einreise in das Kurdengebiet über den Irak Beschränkungen bzw. Auflagen durch die Behörden dieser Länder unterliegt, nicht jedoch, dass eine Einreise für die BF grundsätzlich unmöglich wäre vergleiche dazu auch VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0075).
Ebensowenig kann nach den Feststellungen der Schluss gezogen werden, der BF drohe durch die Kurdinnen und Kurden eine maßgeblich wahrscheinliche und aktuelle Verfolgung aus Gründen einer auch nur unterstellten politischen oppositionellen Gesinnung wegen einer möglichen Verweigerung der erzwungenen Teilnahme an der Selbstverteidigung, da dieser Dienst für Frauen freiwillig ist, und die Berichtslage nicht erlaubt anzunehmen, dass es zu systemischen Zwangsrekrutierungen von Frauen in die YPJ kommt.
Noch kann davon ausgegangen werden, dass der BF als Frau im kurdisch kontrollierten Gebiet eine aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgung aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zur bestimmten sozialen Gruppe der Frauen drohen würde: so stellt sich die Situation der Kurdinnen im kurdisch kontrollierten Gebiet als insgesamt besser dar, als in Restsyrien, und wurde dort auf politischer Ebene die Geschlechterfrage zum zentralen Thema erkoren. Während die tatsächliche Freiheit und Sicherheit der Kurdinnen auch in Nordost Syrien von der reellen familiären Konstellation abhängt, kamen im Verfahren keine Hinweise darauf hervor, dass die BF den Schutz und Unterstützung in Syrien durch ihre dort verbliebene Kernfamilie nicht in Anspruch nehmen könnte, noch, dass sich diese gegen die Scheidung der BF gestellt haben soll, noch, dass sie eine berufliche Entfaltung der BF grundsätzlich ablehnen würde. Eine Gruppenverfolgung von Frauen im kurdisch kontrollierten Gebiet ergibt sich weiter nicht aus den getroffenen Feststellungen vergleiche auch VwGH, 11.11.2020, Ra 2020/18/0147).
3.3. Im Umstand, dass im Heimatland der BF Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung der Asylwerberin, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger:innen des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat die BF aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.
Der BF ist es daher insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann nicht erkannt werden, dass der BF aktuell in Syrien einer asylrelevanten Verfolgung aus einem in der GFK genannten Gründen droht.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
ECLI:AT:BVWG:2023:W211.2267725.1.00