Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

27.06.2023

Geschäftszahl

L518 2206549-2

Spruch


L518 2206552-2/9E

L518 2206547-2/11E

L518 2206555-2/8E

L518 2206549-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des (1.) römisch 40 , der (2.) römisch 40 , der (3.) römisch 40 , (Erwachsenenvertretung durch den Vater) und der (4.) römisch 40 , alle Staatsangehörigkeit Georgien, alle vertreten durch RAe Dr. LECHENAUER & Dr. SWOZIL, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 21.03.2023, Zlen. 1146810200-221636601, 1146816901-221636644, 1146816803-221636598, 1146809101-221636628, wegen Paragraphen 10 und 56 Asylgesetz (AsylG 2005) und Paragraphen 46,, 52, 53 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.05.2023, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

römisch eins.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „BF1“ bis „BF4“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Georgien und brachten nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 23.07.2017 Anträge auf internationalen Schutz ein. Begründend wurde ausgeführt, dass die BF3 an einer Zerebralparese leidet und in Georgien keine adäquate Behandlung erhalten hätte.

römisch eins.2. Bei der BF 2 wurde am 10.01.2018 ein Mammakarzinom festgestellt.

römisch eins.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 03.09.2018 wurden die Anträge gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen gewährt (Spruchpunkt römisch II.).

Gegen diese Entscheidung wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

römisch eins.4. Dem BF1 wurde von der BH römisch 40 am 01.11.2019 eine Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe der Hausbetreuung erteilt. Diese erlosch am 18.08.2022.

römisch eins.5. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.03.2021 wurde die Beschwerde gegen die Bescheide des BF als unbegründet abgewiesen. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde auf die Dauer von zwei Monaten erhöht.

römisch eins.6. Dagegen wurde fristgerecht eine Beschwerde an den VfGH erhoben. Mit Beschluss des VfGH vom 08.06.2021, Zahl E 1563-1565/2021-12 wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Eine außerordentliche Revision an den VwGH wurde von den BF nicht erhoben.

römisch eins.7. Die BF kamen der rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung vom 09.08.2021 bis dato beharrlich nicht nach und verblieben rechtswidrig im Bundesgebiet.

römisch eins.8. Die BF wurden am 26.04.2022 wegen Paragraph 120, Absatz eins b, FPG in Verbindung mit Paragraphen 52,, 52a Absatz 2, BFA-VG, zur Anzeige gebracht, weil sie nicht unverzüglich ihrer Pflicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachgekommen sind.

römisch eins.9. Der Ausreiseverpflichtung trotzend, stellten die BF am 06.05.2022 die gegenständlichen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gem. Paragraph 56, Absatz eins, AsylG.

Am 23.08.2022 wurden die BF beim BFA, Außenstelle Salzburg, zu Ihrem Antrag niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde dem BF1 eine Frist von 2 Wochen zur Vorlage aktueller medizinischer Befunde der BF3 eingeräumt. Es wurden bis dato keine Befunde eingereicht.

römisch eins.10. Gegen die BF wurde am 31.08.2022 wegen Paragraph 120, Absatz eins a, in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 8, FPG, eine rechtskräftige Strafverfügung erlassen.

römisch eins.11. Bei der BF2 wurde am 20.10.2022 ein Cervixtumor diagnostiziert. Mit Parteiengehör vom 02.12.2022 wurden die BF2 aufgefordert, ärztliche Befunde vorzulegen. Am 23.02.2023 langte die Antwort der Leiterin der Frauenklinik römisch 40 zur am 21.02.23 übermittelten Frage hinsichtlich des Behandlungsstatus beim BFA ein.

römisch eins.12. Ein am 01.03.2023 stattgefundenes Rückkehrberatungsgespräch ergab, dass die BF nicht rückkehrwillig sind.

römisch eins.13. Mit den gegenständlichen Bescheiden wurde den BF kein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 56, AsylG erteilt (Spruchpunkt römisch eins.), gemäß Paragraph 10, Absatz 3 AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 3 FPG erlassen Spruchpunkt römisch II.) und festgestellt, dass gemäß Paragraph 52, Absatz 9 FPG, die Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt römisch III.). Gegen die BF1 und BF2 wurde gemäß Paragraph 53, Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Ziffer 1 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 55, Absatz 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkt römisch fünf.).

Begründend wurde ausgeführt, dass bereits mit der Entscheidung des BVwG vom 17.03.2021 festgestellt wurde, dass kein schützenswertes Privat- und Familienleben vorliegt. Seit Eintritt der Rechtskraft dieses Erkenntnis haben sich keine Umstände ergeben, die ein anderes Ergebnis zum jetzigen Zeitpunkt zulässt. Die BF sind noch immer kaum in der Lage, sich in deutscher Sprache verständlich zu machen. Sie können weder ein Sprachdiplom noch den Werte- und Orientierungskurs vorweisen. Auch haben die BF praktisch keine Kontakte zu Personen, die zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. Das einzig neue Ereignis im Privatleben war der im Oktober 2022 diagnostizierte Cervixtumor der BF2. Diese Tumorerkrankung wurde erfolgreich behandelt.

Hinsichtlich des Einreiseverbotes wurde ausgeführt, dass die BF die österreichischen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetze missachtet hätten und sich beharrlich weigern, der Rückkehrverpflichtung nachzukommen.

römisch eins.14. Gegen diese Entscheidung wurde von der rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben. Moniert wurde Rechtswidrigkeit in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Inhaltlich wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme zur Beurteilung der Intensität der privaten und familiären Bindungen der Beschwerdeführer in Österreich keinesfalls auseichend ist. Die Erst-, und Zweitbeschwerdeführer hätten jedenfalls einvernommen werden müssen. Zudem hätte sich das BFA nicht mit dem Gesundheitszustand der BF2 auseinandergesetzt. Auch werde nochmals auf den besonderen Grad ihrer Integration verwiesen. Sie leben seit 6 Jahren in Salzburg und haben sehr viele Freunde in Österreich. Zudem haben die Beschwerdeführer österreichische Freunde und akzeptieren sie die österreichische Rechts- und Wertordnung. Zum Einreiseverbot wird ausgeführt, dass eine bloße Mittellosigkeit angesichts der Unbescholtenheit und des kurzen illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht die Erlassung eines Einreiseverbots zusätzlich zur Rückkehrentscheidung erfordert, zumal abgesehen von Paragraph 53, Absatz 2 Ziffer 6 FPG keine weiteren Tatbestände, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indizieren würde, erfüllt sind.

Beantragt werde, das Bundesverwaltungsgericht möge in der Sache selbst entscheiden und den Bescheid vollinhaltlich zu allen Spruchpunkten aufzuheben und der gegenständlichen Beschwerde statt zu geben. Weiters eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes römisch IV., Einreiseverbot, ersatzlos zu beheben; den Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

römisch eins.15. Am 30.05.2023 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein der BF, deren rechtsfreundlichen Vertretung und einer Dolmetscherin durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde den BF die Gelegenheit gegeben, ihren Standpunkt umfassend darzulegen.

römisch eins.16. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

römisch II.1. Feststellungen:

römisch II.1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Der BF1 führt den im Spruch genannten Namen, er ist der Mehrheits- und Titularethnie angehöriger Georgier, welcher sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennt. Der BF1 wurde am römisch 40 in römisch 40 geboren. Nach der Schule absolvierte er eine Ausbildung zum Elektriker, vor der Ausreise war er als Schweißer beschäftigt. Der BF1 ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Der BF1 ist gesund und benötigt keine Medikamente. In Georgien wohnen noch eine Tochter, die Mutter, zwei Brüder und zahlreiche Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins. Die Eltern beziehen eine Pension und besitzen eine eigene Landwirtschaft, die aktuell von einem Bruder bewirtschaftet wird. Der BF1 hat regelmäßig Kontakt zu seinen Verwandten.

Die BF2 führt den im Spruch genannten Namen, sie ist der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Georgierin, welcher sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennt. Die BF2 wurde am römisch 40 in römisch 40 geboren. Die BF2 absolvierte nach der Schule eine Ausbildung zur Keramikerin und war bis zur Geburt der BF3 beschäftigt. In Georgien wohnen noch der Vater, fünf Schwestern und ein Bruder. Zwei der Schwestern haben eigene Familien gegründet und leben von den Einkommen ihrer Gatten, zwei Schwestern leben zusammen mit dem Vater und dem Bruder in einem Dorf. Mehrere Schwestern gehen Beschäftigungen nach. Der Vater war Polizist und bezieht eine Pension. Der Bruder ist Jurist. Die Familie der BF2 besitzt ein Haus im Dorf römisch 40 . Die BF2 hat Kontakt zu ihren Verwandten.

Die BF2 wurde wegen eines Mammakarzinoms in Österreich am 21.02.2018 operiert und erhielt im Anschluss eine Chemobehandlung bis Juni 2018, sowie eine Bestrahlung bis August 2018. Im Zuge der ca. fünfjährigen Nachbehandlung erhält sie monatlich eine Injektion im Rahmen einer antihormonellen Therapie (Zoladex). Sie hat alle 3 Monate in der Onkologie eine Nachsorgekontrolle, bei der spezielle Untersuchungen (Mammographie, Thorax Röntgen, Sonografie, Knochendichtemessung) in verschiedenen Intervallen festgelegt werden. Während des laufenden Verfahren wurde bei der BF2 ein Cervixtumor im Anfangsstadium diagnostiziert. Dieser wurde in der Frauenklinik der römisch 40 Landeskliniken mittels Strahlentherapie erfolgreich behandelt. Weitere Behandlungen oder Therapien sind aus heutiger Sicht nicht nötig.

Die BF3 führt den im Spruch genannten Namen, sie ist der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Georgierin, welcher sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennt. Die BF3 wurde am römisch 40 in römisch 40 geboren. Die BF3 ist aufgrund einer bilateralen Zerebralparese nicht selbsterhaltungsfähig. Der Grad Ihrer Behinderung wurde mit 100% festgestellt. Der BF1 wurde für sie zum Erwachsenenvertreter bestellt. Die BF3 erhält eine Physiotherapie, darüber hinaus wird keine weitere Behandlung benötigt. Die Behandlung der Erkrankung ist in Georgien verfügbar. 2021 wurde bei der BF3 ein Gewächs im Bauchbereich operativ entfernt, sie benötigt diesbezüglich keine Behandlung mehr. Die BF3 wurde in Georgien ab ihrem vierten Lebensmonat bis zu Ihrer Ausreise behandelt. Vor der Ausreise bezog sie eine Behindertenpension.

Der BF4 führt den im Spruch genannten Namen, er ist der Mehrheits- und Titularethnie angehöriger Georgier, welcher sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennt. Der BF4 wurde am römisch 40 in römisch 40 geboren. Der BF4 lebte bei und von den Eltern. Der BF4 ist gesund und benötigt keine Medikamente.

Vor ihrer Ausreise wurden die BF bereits finanziell bzw. mit Lebensmitteln von ihren Familienangehörigen unterstützt und können diese Unterstützung auch nach ihrer Rückkehr wieder erwarten. Sie lebten in der Stadt römisch 40 in der Eigentumswohnung der Eltern des BF1.

Die Identitäten der BF stehen fest.

Die Familie reiste illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein, wo sie am 23.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Die volljährige BF3 und der minderjährige BF4 wurden vom BF1 vertreten. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 03.09.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz abgewiesen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.03.2021 wurde die Beschwerde gegen die Bescheide des BF mit Erkenntnissen des BVwG als unbegründet abgewiesen. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde auf die Dauer von zwei Monaten erhöht. Dagegen wurde fristgerecht eine Beschwerde an den VfGH erhoben. Mit Beschluss des VfGH vom 08.06.2021, Zahl E 1563-1565/2021-12 wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Eine Revision an den VwGH wurde nicht erhoben.

Die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten erwuchs sohin mit 08.06.2021 in Rechtskraft. Die BF weigern sich beharrlich, der seit 09.08.2021 bestehenden Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

Gegen die BF1, BF2 und BF3 wurde von der LPD Salzburg eine Strafverfügung wegen einer Übertretung gemäß Paragraph 120, Absatz eins a, in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 8, FPG erlassen.

Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet war und ist nicht nach Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO.

Die BF verfügen über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in ihrem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte.

Die BF leben von der Grundversorgung und haben Deutschkurse besucht. Der BF1 hat bis dato keine Prüfung absolviert. Er war zweitweise als selbständiger Hausmeister beschäftigt, die Gewerbeberechtigung erlosch am 18.08.2022. Er ist in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglied. In der Pfarre ist der BF1 fallweise ehrenamtlich tätig. Bezüglich österreichischer Freunde gab der BF1 vier männliche Vornamen bekannt. Die BF2 brachte ein A1-Diplom in Vorlage. Sie ist in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglied und betätigt sich fallweise in der Pfarre. Für die BF1 und BF2 wurde eine unkonkrete Einstellungszusage der Fa. römisch 40 GmbH in Vorlage gebracht. Bezüglich österreichischer Freunde konnte sie acht Vornamen bekannt geben. Die BF3 absolviert aktuell eine Schwimmtherapie. Der BF4 besucht die dritte Klasse der Volksschule und spielt in Bruck in der U10 Mannschaft Fußball.

Die BF haben in Österreich keine Verwandten und sind der BF1 und die BF2 außer für ihre beiden Kinder, für keine Personen im Bundesgebiet sorgepflichtig.

In Bezug auf die individuelle Lage der BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.

Weiter konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Georgien eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor.

römisch II.1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. Paragraph 19, BFA-VG handelt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

Länderspezifische Anmerkungen

Letzte Änderung: 15.10.2021

Sofern nicht anders angegeben, schließen die Themenbereiche zu Georgien die Situation in den separatistischen Landesteilen Abchasien und Südossetien nicht ein.

Die Verwendung von Bezeichnungen wie "Regierung", "Behörden" o.Ä. im Zusammenhang mit Abchasien oder Südossetien stellt keine Wertung der Staatendokumentation hinsichtlich des Status dieser Gebiete dar.

Hinweis:

Die Länderinformationen gehen auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie auf eventuelle Maßnahmen gegen diese nur insoweit ein, wie sie der Staatendokumentation für asyl- und fremdenrechtliche Verfahren in Österreich relevant erscheinen. Betreffend die aktuelle Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in Georgien empfiehlt die Staatendokumentation, bei Interesse/Bedarf folgende - täglich aktualisierte - Websites zu kontaktieren: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports (WHO), https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 (Johns-Hopkins-Universität).

COVID-19

Letzte Änderung: 06.12.2022

Die Regierung Georgiens hat alle COVID-19-Beschränkungen, außer der allgemeinen Maskenpflicht innerhalb medizinischer Einrichtungen, aufgehoben (Provax.ge o.D.; vergleiche AA 15.8.2022, WKO 8.11.2022). Das Nicht-Tragen der Gesichtsmaske zieht eine Geldstrafe von GEL 20 (georgische Lari) [ca. EUR 7] nach sich. Wiederholungstäter werden mit Geldstrafen von GEL 40 [ca. EUR 14] belangt (USEMB 13.10.2022). Es existiert ein nationaler Impfplan. Insgesamt wurden bislang 2.882.587 Personen geimpft (Provax.ge o.D.).

Seit dem 15. Juni 2022 müssen Staatsangehörige aller Länder, unabhängig davon, auf welchem Weg sie nach Georgien reisen (auf dem Land-, See- oder Luftweg), keinen Nachweis über eine COVID-Impfung oder einen negativen PCR-Test vorlegen (Provax.ge o.D.; vergleiche AA 15.8.2022, MFAG o.D., WKO 8.11.2022).

Politische Lage

Letzte Änderung: 21.11.2022

Georgien wurde im April 1991 unabhängig [bis dahin Teilrepublik der Sowjetunion]. Nach der georgischen Unabhängigkeit erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien. 1992 erfolgten Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die jedoch von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden (AA 19.10.2022a). Russland betreibt gegenüber beiden Regionen eine Politik der informellen militärischen und wirtschaftlichen Annexion (bpb 26.8.2020) und kontrolliert ein Fünftel des georgischen Staatsgebiets (FAZ 23.2.2021).

Durch Verfassungsänderung am 17.11.2013 wurde das Land von einer Präsidialrepublik zu einer parlamentarischen Demokratie. Die georgische Außenpolitik sieht in der Integration Georgiens in EU und NATO ein prioritäres Ziel für eine nachhaltige demokratische Entwicklung des Landes (AA 19.10.2022a). In Georgien finden regelmäßige und kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewonnen hatte, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen, und die Rechtsstaatlichkeit wird durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist dynamisch, jedoch wird es für Oppositionsparteien immer schwieriger, dem politischen Wettbewerb standzuhalten. Die politische Landschaft ist seit ca. 20 Jahren von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 28.2.2022).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl gewählt. Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt von einem Gremium gewählt, bestehend aus nationalen Gesetzgebern, regionalen und lokalen Amtsträgern. Die Amtszeit soll zukünftig 5 Jahre betragen. Der Präsident ernennt formell den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 28.2.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022, FAZ 29.11.2018). Der derzeitige Ministerpräsident ist Irakli Garibaschwili, dessen Amtsantritt am 22.2.2021 war (AA 19.10.2022b).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabischwili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei Georgischer Traum, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60 % der abgegebenen Stimmen gegen ihren Konkurrenten Grigol Vaschadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakaschwili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vergleiche CW 29.11.2018, FH 3.3.2021). Die OSZE beurteilte die Wahl als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Zu den Kritikpunkten gehören die missbräuchliche Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie eine qualitativ mangelhafte Wahl-Berichterstattung (OSCE 28.2.2019).

Das Parlament Georgiens hat 150 Sitze, wovon 120 Sitze über Parteienlisten und 30 Sitze über Direktmandate in Wahlkreisen vergeben werden (KP 26.11.2020). Die Änderungen zu einem reinen Verhältniswahlrecht wurden vom Parlament für die nächsten, planmäßig 2024 stattfindenden Wahlen, beschlossen (KP 23.11.2019; vergleiche RFE/RL 28.11.2019, taz 2.11.2020, FH 3.3.2021, USDOS 12.4.2022). Die Reform des Wahlrechts konnte erst nach Massenprotesten 2019 durchgesetzt werden (taz 2.11.2020; vergleiche DW 24.6.2019).

Die Wahlhürde für die Verhältniswahl ist auf 1 % der Stimmen festgelegt. Es besteht ein Begrenzungsmechanismus, der vorsieht, dass keine einzelne Partei, die weniger als 40 % der abgegebenen Stimmen erhält, die Mehrheit der Sitze im Parlament erhalten darf. Im Falle einer vorgezogenen Neuwahl zwischen 2020 und 2024 wird diese gemäß demselben Wahlsystem wie im Jahr 2020 abgehalten. Alle nachfolgenden Wahlen werden jedoch auf der Grundlage des rein proportionalen Wahlsystems abgehalten, wie es für die Parlamentswahlen 2024 vorgesehen ist (civil.ge 8.3.2020; vergleiche KP 11.4.2020).

Bei den am 31.10.2020 durchgeführten Parlamentswahlen erzielte die bisherige Regierungspartei Georgischer Traum 48 % der abgegebenen Stimmen und mit 91 Sitzen erneut eine satte Mehrheit von 60 % der Mandate (KP 26.11.2020; vergleiche EN 2.11.2020). Das größte Oppositionsbündnis, die Vereinigte Nationale Bewegung, erhielt 26,9 % der abgegebenen Stimmen zugeschrieben (EN 2.11.2020). Insgesamt haben neun Parteien den Sprung ins Parlament geschafft (KP 26.11.2020; vergleiche Jam 26.11.2020).

Die unterlegene Opposition prangerte erhebliche Wahlmanipulationen an und mobilisierte ihre Anhänger auf der Straße. Die Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Wasserwerfer ein (KP 26.11.2020; vergleiche EN 2.11.2020). Einheimische Wahlbeobachter stellten zahlreiche Ungereimtheiten fest (taz 2.11.2020). Gemäß der OSZE waren die Parlamentswahlen weitgehend kompetitiv, und insgesamt wurden die Grundfreiheiten respektiert. Dennoch haben weitverbreitete Vorwürfe der Ausübung von Druck auf Wähler und Vorwürfe der unklaren Abgrenzung zwischen der Regierungspartei und dem Staat das Vertrauen der Öffentlichkeit in einige Aspekte des Ablaufs der Wahl unterminiert. Der grundlegend überarbeitete Rechtsrahmen bot eine solide Grundlage für die Abhaltung demokratischer Wahlen. Die technischen Aspekte der Wahlen wurden trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie effizient gehandhabt [zur Covid-19-Situation in Georgien siehe das dementsprechende Kapitel]. Jedoch hat sich die Dominanz der Regierungspartei in den Wahlkommissionen negativ auf die Wahrnehmung ihrer Unparteilichkeit und Unabhängigkeit ausgewirkt, insbesondere auf den unteren Ebenen (OSCE 5.3.2021).

In Folge rief die Opposition zum Boykott der Stichwahl am 21.11.2020 in 17 Direktwahlkreisen auf, wodurch sich alle Kandidaten des Georgischen Traums bei einer Wahlbeteiligung von 26 % durchsetzen konnten (KP 26.11.2020; vergleiche Eurasianet 27.11.2020). Die Oppositionsparteien planten aus Protest, ihre Parlamentssitze nicht zu besetzen (KP 26.11.2020; vergleiche Eurasianet 27.11.2020, Jam News 26.11.2020). Tatsächlich boykottierte nach den Wahlen im Jahr 2020 die Opposition wegen behaupteten Wahlbetrugs ihre Sitze im Parlament. Im April 2021 brachten Vermittlungsbemühungen der EU ein Abkommen zwischen der Regierungspartei Georgischer Traum und Oppositionsparteien zustande, wodurch der Boykott beendet wurde (HRW 13.1.2022). Am 8.6.2021 hat auch die größte Oppositionspartei, die Vereinigte Nationale Bewegung, ihren Boykott beendet und nahm erstmals an einer Parlamentssitzung teil (FNS 11.6.2021).

Georgien unterzeichnete 2014 ein Assoziierungsabkommen einschließlich einer vertieften und umfassenden Freihandelszone mit der EU (ADA 2.2022). Anfang März 2022 beantragte Georgien offiziell eine Mitgliedschaft bei der Europäischen Union (ZO 3.3.2022).

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.12.2022

Aufgrund des russischen militärischen Angriffs auf die Ukraine haben die Spannungen in der Region zugenommen. Auch bestehen gewisse politische Spannungen, u. a. im Zusammenhang mit den ungelösten Konflikten in den beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen. Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden (EDA 7.7.2022).

Die Situation an der De-facto-Grenze zwischen Georgien und den abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien ist seit dem georgisch-russischen Krieg im August 2008 weitgehend ruhig. Doch bleibt die Lage angesichts der Unvereinbarkeit der Positionen und der zahlreichen Behinderungen des kleinen Grenzverkehrs angespannt. Russland betreibt gegenüber beiden Regionen eine Politik der informellen militärischen und wirtschaftlichen Annexion. Seit dem August-Krieg 2008 stellt Moskau finanzielle Unterstützung für die sozio-ökonomische Entwicklung und die Infrastruktur bereit und gewährt der abchasischen und südossetischen Bevölkerung Zugang zur russischen Staatsbürgerschaft. Russland unterhält weiterhin Stützpunkte und Truppen in Abchasien und Südossetien (bpb 26.8.2020; vergleiche ACLED 2.2020). Menschen, die von dem Konflikt betroffen sind, können nicht frei die südossetische Verwaltungsgrenze (ABL) überqueren, mit Ausnahme z. B. medizinischer Transfer oder während der orthodoxen Osterzeit. Inhaftierungen sind ein Hauptproblem entlang der südossetischen ABL (EC 10.8.2022). Menschen, die in der Nähe der Besatzungslinie zu Südossetien und Abchasien leben, spüren täglich die Gefahr. Dort werden zum Teil Zivilisten entführt und erleben Gewalt. Die De-facto-Grenzlinien werden von russischer Seite verschoben und willkürlich durchgesetzt (NTV 18.6.2022; vergleiche NZZ 25.8.2022).

Zwischen Tiflis und den De-facto-Regierungen in Sochumi und Zchinwali bestehen keine offiziellen bilateralen Kontakte. Einziges Forum zum Austausch auf hochrangiger politischer Ebene sind die vierteljährlichen internationalen Gespräche im Rahmen des Genfer Prozesses. Trotzdem hat Georgien seit 2012 seine Politik der Isolation Abchasiens und Südossetiens aufgegeben und bemüht sich um Kooperation auf humanitärer Ebene. Dazu zählt etwa das Angebot, der abchasischen und südossetischen Bevölkerung den kostenfreien Zugang zum georgischen Bildungs- und Gesundheitssystem zu ermöglichen (bpb 26.8.2020; vergleiche ACLED 2.2020).

Aus Sicht Abchasiens und Südossetiens ist der politische Status ihrer Gebiete endgültig geklärt. Sie lehnen Verhandlungen mit Georgien über eine gemeinsame Staatlichkeit ab und verfolgen den Aufbau bilateraler Beziehungen unter Anerkennung ihrer Unabhängigkeit. Die Regierung in Tiflis pocht dagegen auf die Wahrung der territorialen Integrität Georgiens. Sie versucht, ihre guten Beziehungen zur EU und den USA zu nutzen, aber auch multilaterale Foren wie die Vereinten Nationen, um ihrer Position Nachdruck zu verschaffen (bpb 26.8.2020). Gemäß dem georgischen Gesetz über besetzte Gebiete vom 23. Oktober 2008 (in der Fassung vom 15.7.2020) sind die Gebiete der Autonomen Republik Abchasien und der Region Zchinwali (Südossetien) als "besetzt" zu betrachten (PARL 15.7.2020).

Die EU setzt sich entschieden für die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens innerhalb international anerkannter Grenzen ein, indem sie unter anderem eine aktive Rolle bei Konfliktmanagement und -lösung spielt. Die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien, die Arbeit der Beobachtungsmission der Europäischen Union (EUMM) und eine breite Palette von Projektaktivitäten über die Verwaltungsgrenzen hinweg (ABLs), gehören zu den wichtigsten Aspekten dieser Unterstützung (EC 10.8.2022). Obwohl der EUMM der Zutritt zu Abchasien und Südossetien verwehrt bleibt (bpb 26.8.2020; vergleiche EUMM o.D.) und es weiterhin zu Zwischenfällen kommt, konnte bisher ein Wiederaufflammen der bewaffneten Auseinandersetzungen verhindert werden (bpb 26.8.2020).

Der Beitritt zur EU und NATO zählt zu den wichtigsten außenpolitischen Zielen Georgiens (CIA 15.11.2022). Am 3.3.2022 hat Georgien einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt (ER 16.11.2022). 1994 trat Georgien dem Programm "Partnership for Peace" der NATO bei. Seit 2010 befindet sich in Georgien ein Verbindungsbüro der NATO (NATO 14.7.2022). Georgien ist einer der Teilnehmerstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE o.D.).

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 17.11.2022

Die Reform der Justiz ist seit Regierungsbeginn eines der wichtigsten Vorhaben der Partei 'Georgischer Traum'. Im Vergleich zur Vorgängerregierung hat die Unabhängigkeit der Justiz große Fortschritte gemacht. In der Regel ist davon auszugehen, dass die Justiz unabhängig und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen entscheidet. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 25.3.2022).

In den Jahren 2016-2020 hat die Regierungspartei Georgischer Traum mehrere Wellen der Justizreform umgesetzt (TI 30.10.2020; vergleiche USDOS 12.4.2022). Die Änderungen umfassten die Einführung der elektronischen Zuteilung von Fällen; die Einführung des Amtes eines unabhängigen Inspektors des Hohen Justizrates und die Verbesserung der Normen zur Disziplinarhaftung von Richtern und zu Gerichtsverfahren. Es wurden wichtige Schritte unternommen, um die Transparenz und Offenheit der Aktivitäten des Hohen Justizrates zu erhöhen (TI 30.10.2020). Trotz laufender Justizreformen beeinflussen Exekutive und Legislative die Justiz. Auch die mangelnde Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren stellen ein Problem dar (ADA 2.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein Selbstverwaltungsorgan der Justiz wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 28.2.2022). Bei der Justizreform ist der Ansatz der Behörden fragmentiert und inkonsistent. In bestimmten Fällen diente die Reform nur dazu, die Interessen einer kleinen Gruppe zu stärken (TI 30.10.2020).

Das Gesetz garantiert ein ordnungsgemäßes Verfahren, aber die damit verbundenen Vorschriften werden nicht immer respektiert. Urteile des Verfassungsgerichts in Bezug auf ordnungsgemäße Verfahren werden mangelhaft umgesetzt. Es kommt zu administrativen Verzögerungen bei Gerichtsverfahren, zu Verletzungen der Unschuldsvermutung, Nichteinhaltung von Vorschriften in Bezug auf Inhaftierung und Verhöre sowie Verweigerung des Zugangs zu einem Anwalt bei Festnahme (FH 28.2.2022).

Obwohl sich die regierende georgische Partei dazu verpflichtet hat, eine ehrgeizige Justizreform umzusetzen, wurden die Postenbesetzungsverfahren im Justizwesen dennoch auch im Jahr 2021 ohne umfassende Reformen fortgesetzt. Die Reformen im Justizwesen sind ins Stocken geraten und haben in wichtigen Bereichen Rückschritte gemacht. In der Phase von Ernennungsverfahren durch das Parlament fehlt es an angemessenen Sicherheitsvorkehrungen, was die Integrität des gesamten Prozesses untergräbt (EC 10.8.2022).

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 17.11.2022
Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch oft als untätig oder wenig effektiv wahrgenommen. Der Staatssicherheitsdienst tritt nicht als Repressionsinstrument auf, hat jedoch weitreichende Kompetenzen und ist in seiner Tätigkeit nur eingeschränkt transparent. Staatliche Stellen haben auch weitreichenden Zugang zu elektronischer Kommunikation der Bevölkerung und zu den persönlichen Daten, die bei privaten Netzbetreibern hinterlegt sind (AA 25.3.2022).

Das Innenministerium und der Staatssicherheitsdienst (SSSG) tragen die Hauptverantwortung für den Gesetzesvollzug und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Das Ministerium ist die primäre Organisation für die Vollziehung von Gesetzen und umfasst die nationale Polizei, die Grenzsicherheitskräfte und die georgische Küstenwache. Der SSSG ist der Inlandsnachrichtendienst, welcher für Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung und Korruptionsbekämpfung zuständig ist. Es gibt Anzeichen dafür, dass die zivilen Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben (USDOS 12.4.2022).

Am 30. Dezember 2021 stimmten die Abgeordneten des georgischen Parlaments für die Abschaffung des SIS (State Inspector’s Service) (USDOS 12.4.2022), einer Behörde, die mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen durch Strafverfolgungsbeamte untersuchte und mit der Aufsicht zum Schutz personenbezogener Daten betraut war. Mit dem neuen Gesetz sind zwei separate Institutionen (Special Investigative Service; Personal Data Protection Service) gegründet worden (UN 14.1.2022). Im Gegensatz zu dem bisherigen Aufgabenbereich, in allen Bereichen des Gesetzesvollzugs gleichermaßen zu ermitteln, ermächtigt das Gesetz die neue Ermittlungsbehörde nicht, bestimmte von Staatsanwälten begangene Straftaten wie Mord und Körperverletzung zu untersuchen (USDOS 12.4.2022).

Eine laufende Polizeireform zielt auf die Trennung der Rollen zwischen Staatsanwälten und Ermittlern sowie zwischen operativen und investigativen Funktionen von Polizeibeamten ab. Bürgernahe und nachrichtendienstlich geführte Polizeiarbeit soll ausgeweitet, die zentralisierte analytische Arbeit verbessert, der Kampf gegen Computerkriminalität und organisierte Kriminalität intensiviert sowie die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden (EC 10.8.2022).

Mit Stand September 2021 waren an das Büro der Ombudsperson 133 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder Polizei herangetragen worden. Die Ombudsperson forderte das State Inspector’s Service auf, in all diesen Fällen Ermittlungen einzuleiten (HRW 13.1.2022).

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 17.11.2022

Georgien ist dem UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (einschließlich der Zusatzprotokolle) beigetreten (AA 25.3.2022). Die Verfassung Georgiens sowie gesetzliche Vorgaben verbieten Folter und unmenschliche Behandlung, dennoch wenden Berichten zufolge Staatsbedienstete solche Methoden in der Praxis an (USDOS 12.4.2022). Vorfälle von Gewaltanwendung scheinen auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar (AA 25.3.2022). Mit Stand September 2021 waren an die Ombudsperson 133 Beschwerden in Bezug auf Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder Polizei herangetragen worden (HRW 13.1.2022). Straffreiheit in Fällen missbräuchlicher Handlungen durch Gesetzesvollzugsorgane stellt ein Problem dar (HRW 13.1.2022; vergleiche PD o.D.).

Es existiert unter Führung des Justizministeriums ein behördenübergreifender Koordinationsrat gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. In Ausarbeitung ist eine staatliche Strategie zur Rehabilitation und Reintegration von Folteropfern. Im Februar 2021 verabschiedete die Regierung für die Jahre 2021-2022 einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (UNGA 12.7.2021). Die Vereinten Nationen und die EU zeigen sich besorgt über die Zerschlagung des georgischen Staatlichen Inspektionsdienstes (State Inspector's Service) im Jahr 2022. Der Staatliche Inspektionsdienst untersuchte als unabhängige Einrichtung behauptete Menschenrechtsverletzungen, welche von Gesetzesvollzugsorganen begangen wurden. Anstatt des Staatlichen Inspektionsdienstes entstanden nun zwei separate Institutionen: der Spezielle Ermittlungsdienst (Special Investigative Service) und der Dienst zum Schutz persönlicher Daten (Personal Data Protection Service) (UN Georgia 14.1.2022; vergleiche EEAS 28.12.2021, Regnum 16.2.2022).

Die Regierung erlaubt ein unabhängiges Monitoring der Lage in den Gefängnissen durch Organisationen wie das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) (USDOS 12.4.2022). Die Ombudsperson ist der Ansicht, dass sich die Situation in Bezug auf die Behandlung von festgenommenen Personen durch die Polizei im Jahr 2021 im Vergleich zu den Vorjahren nicht wesentlich verändert hat (PD o.D.). Im Mai 2021 stattete das CPT Georgien einen Ad-hoc-Besuch ab und untersuchte die Situation in halb-offenen Strafvollzugseinrichtungen ('Zonas') (CoE 25.5.2021). Ärztliche Untersuchungen in Haftanstalten finden in keinem vertraulichen Rahmen statt. Dies erschwert die Identifizierung und Dokumentierung von Gewaltvorfällen (PD o.D.).

Die Menschenrechtssituation in den abtrünnigen Gebieten Abchasien und Südossetien ist besorgniserregend. Es wird über Misshandlungen durch Exekutivorgane berichtet (ADA 2.2022). Zu den Menschenrechtsverletzungen in den abtrünnigen Gebieten Abchasien und Südossetien/Region Zchinwali gehören Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie Folter und andere Misshandlungen (AI 29.3.2022; vergleiche UNGA 12.7.2021).

Korruption

Letzte Änderung: 17.11.2022

Georgien, das früher für die Reformen gelobt wurde, hat seit 2012 keine großen Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung gemacht (TI 28.1.2021; vergleiche EC 10.8.2022). Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkorruption Fortschritte gemacht hat, bleibt Korruption ein Problem (FH 28.2.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022, SWP 5.2020, NZZ 30.12.2020). Es existiert keine unabhängige Behörde zur Bekämpfung von Korruption auf höheren Ebenen (USDOS 12.4.2022). Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen (AA 25.3.2022).

Das politische System weist ein extrem hohes Maß an Machtkonzentration auf, da eine einzelne politische Gruppe eine unverhältnismäßige Kontrolle über alle wichtigen öffentlichen Institutionen ausübt. Dieselbe dominante Gruppe strebt häufig auch eine unangemessene Beeinflussung nicht staatlicher Akteure an, einschließlich der Medien und des Privatsektors (TI 28.1.2021). Korruption hat bei der staatlichen Postenbesetzung und bei der öffentlichen Beschaffung die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Gesetzesvollzugsbehörden als auch der Justiz behindert die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen. Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte sowie gegen Personen, welche solchen Beamten nahestehen, sind selten (FH 28.2.2022).

Die Verlegung des Sekretariats des Anti-Korruptionsrates von der analytischen Abteilung des Justizministeriums in die Verwaltung der Regierung wurde in der Praxis noch nicht vollständig umgesetzt. Infolgedessen wurden die Ausarbeitung und Annahme der neuen nationalen Korruptionsbekämpfungsstrategie und die Umsetzung der Methodologie zur Korruptionsrisikobewertung verzögert (EC 10.8.2022).

Gemäß dem Corruption Perceptions Index 2021 von Transparency International wird Georgien mit 55 von 100 Punkten bewertet (0=sehr korrupt, 100=sehr wenig korrupt). Georgien liegt gleichauf mit Botswana, Dominica und Fidschi. (Der Corruption Perceptions Index misst das von Experten und Geschäftsleuten wahrgenommene Korruptionsniveau im öffentlichen Sektor) (TI 2022).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Letzte Änderung: 17.11.2022

Menschenrechtsorganisationen und andere NGOs können sich ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit durchführen. Sie werden in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben (AA 25.3.2022). In den meisten Fällen werden die Tätigkeiten von Menschenrechtsorganisationen durch die Regierung nicht eingeschränkt. Menschenrechtsorganisationen dürfen frei ermitteln und die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichen (USDOS 12.4.2022). Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden (FH 28.2.2022; vergleiche AA 25.3.2022, USDOS 12.4.2022), berichten andere, dass sie politischem Druck ausgesetzt sind, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten (FH 28.2.2022).

Da NGOs in der Gesellschaft relativ schwach verankert sind, können sie leicht ins Visier populistischer Politiker geraten. Trotzdem erlegt der Staat den NGOs keine formellen Beschränkungen auf, und sie können finanzielle Zuwendungen aus dem Ausland erhalten. Ihre Einflussnahme auf die demokratische Regierungsführung bleibt begrenzt. Sie können jedoch Einfluss auf die politische Agenda nehmen, indem sie kritische Argumente für öffentliche Debatten liefern. Über die von der EU unterstützte Nationale Plattform des Forums der Zivilgesellschaft hat Letztere die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene kundzutun (BS 23.2.2022). Die Zivilgesellschaft ist weiterhin sehr aktiv, wenn es z. B. darum geht, öffentliche Institutionen, auch bis zu einem gewissen Grad auf lokaler Ebene, zur Rechenschaft zu ziehen (EC 10.8.2022).

Ombudsperson

Letzte Änderung: 17.11.2022

Georgien verfügt über starke nationale und verfassungsrechtlich garantierte Menschenrechtsinstitutionen, wie z.B. das Amt der Ombudsperson (Public Defender), welches Einzelfälle aufgreift und Missstände aller Art regelmäßig öffentlich anspricht (AA 25.3.2022; vergleiche EC 10.8.2022, USDOS 12.4.2022). Die Ombudsperson (Public Defender) überwacht die Einhaltung der Menschenrechte und Freiheiten in Georgien. Sie berät die Regierung in Menschenrechtsfragen. Die Ombudsperson analysiert außerdem die Gesetze, Strategien und Praktiken des Staates in Übereinstimmung mit den internationalen Standards und gibt entsprechende Empfehlungen ab. Die Ombudsperson übt die Funktionen des Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) aus, welchen das UN-Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) vorsieht. Basierend auf dem Gesetz zur "Beseitigung aller Formen von Diskriminierung" wird die Ombudsperson als Gleichbehandlungsstelle definiert. Eine von deren Hauptfunktionen ist es, die Umsetzung des Gesetzes zu überwachen. Das Büro der Ombudsperson führt zudem Bildungsaktivitäten im Bereich der Menschenrechte und Freiheiten durch und reicht beim Verfassungsgericht Beschwerden ein, wenn die Menschenrechte und Freiheiten durch einen normativen Akt verletzt werden. Die Ombudsperson ist ferner ermächtigt, die Funktion des Amicus Curiae bei den ordentlichen Gerichten und dem Verfassungsgericht auszuüben [Anm.: "Amicus Curiae" bedeutet unbeteiligte Partei, der es gestattet ist, zu wichtigen Fragen eines anhängigen Rechtsstreits Stellung zu nehmen] (ENNHRI o.D.).

Im Dezember 2017 ernannte das Parlament Nino Lomjaria zur neuen Ombudsfrau. Sie gehörte zu den von Menschenrechtsorganisationen empfohlenen Kandidaten für dieses Amt. Mit ihren sehr zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen zu vielen Themen und Einzelfällen und mit konkreten Empfehlungen an Regierungsstellen erzielt sie viel öffentliche Aufmerksamkeit. Neben Einzelstellungnahmen veröffentlicht sie einen jährlichen Bericht mit Handlungsempfehlungen, der vom Menschenrechtsausschuss des Parlaments diskutiert wird. Die Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten sind allerdings beschränkt. Die Ombudsfrau kann die Staatsanwaltschaft auffordern, Untersuchungen einzuleiten und Verfassungsklagen zu erheben. Ein stetiger Anstieg von Eingaben bei der Ombudsfrau zeigt ein zunehmendes Bewusstsein der Bevölkerung für ihre Rechte und ein zunehmendes Ansehen der Institution des Public Defenders (AA 25.3.2022).

NGOs betrachten das Amt der Ombudsperson, das sich mit Menschenrechten befasst und Anschuldigungen über Missbrauch und Diskriminierung prüft, als objektivste aller staatlichen Einrichtungen. Während das Büro der Ombudsperson im Allgemeinen ohne staatliche Einmischung tätig ist und als effektiv gilt, berichtet die Ombudsperson im Gegenzug, dass Regierungsstellen manchmal nur teilweise oder gar nicht auf Anfragen und Empfehlungen reagieren, obwohl sie verpflichtet sind, innerhalb von zehn Tagen zu antworten und Folgemaßnahmen innerhalb von 20 Tagen einzuleiten (USDOS 12.4.2022).

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 17.11.2022

Gemäß Artikel 4 der georgischen Verfassung schützt und anerkennt der Staat die universell anerkannten Menschenrechte und Freiheiten als ewige und höchste menschliche Werte. Bei der Ausübung der Staatsgewalt sind das Volk und der Staat an diese Rechte und Freiheiten als unmittelbar anwendbares Recht gebunden. Die einzelnen fundamentalen Menschenrechte sind explizit im Kapitel 2 der Verfassung aufgeführt. Die Verfassung leugnet nicht andere allgemein anerkannte Menschenrechte und Freiheiten, die hier nicht ausdrücklich erwähnt werden, die sich aber aus den Grundsätzen der Verfassung ergeben (Artikel 4) (PARL 29.6.2020).

Ein vom georgischen Parlament ernannter unabhängiger Public Defender (Ombudsperson) beobachtet mit einem Stab von rund 140 Mitarbeitern und zehn Regionalbüros die Wahrung der Menschenrechte im Land und klärt problematische Vorfälle auf. Neben Einzelstellungnahmen veröffentlicht die Ombudsperson einen jährlichen Bericht mit Handlungsempfehlungen, der vom Menschenrechtsausschuss des Parlaments diskutiert wird. NGOs äußern immer wieder Zweifel an der Unabhängigkeit von Gerichten und Staatsanwaltschaft. Sie kritisieren, dass die Selbstverwaltung der Justiz von einer engen Machtgruppe beherrscht wird, die auch die Ernennungen der obersten Richter kontrolliert. Im Vergleich zur Vorgängerregierung hat die Unabhängigkeit der Justiz große Fortschritte gemacht. Im Justizwesen und Strafvollzug kann eine menschenrechtswidrige Behandlung, die bis 2012 systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden. Menschenrechtsorganisationen können sich ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit durchführen. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom Staat weitgehend geachtet und gestärkt. Die Lage der Menschenrechte hat in vielen Bereichen einen guten Stand erreicht. Problematisch bleibt die mangelnde politische, soziale und wirtschaftliche Teilhabe Angehöriger ethnischer Minderheiten sowie insbesondere die ablehnende Einstellung der Gesellschaft gegenüber sexuellen Minderheiten, verstärkt durch die ablehnende Haltung der Georgischen Orthodoxen Kirche (AA 25.3.2022).

Beim Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit treten viele systemische Probleme zutage. Die georgische Regierung wird weiterhin für politische Inhaftierung kritisiert. Die Bedrohung durch Informationsmanipulation und Radikalisierung im polarisierten Medienumfeld nehmen zu. Der Schutz der Rechte verschiedener Minderheitengruppen und die Umsetzung von Gleichberechtigung gehören zu den größten Herausforderungen im Lande. Ungeachtet der positiven Gesetzesänderungen der vergangenen Jahre und der verstärkten Reaktion auf die begangenen Straftaten, ist die Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt eine sehr große Herausforderung in der georgischen Gesellschaft (HRC 2022; vergleiche USDOS 12.4.2022). Die Gruppe der LGBTIQ-Personen ist besonders unter Druck, wie die Gewaltvorfälle am 5.7.2021 zeigten (EC 10.8.2022). Straffreiheit in Fällen missbräuchlicher Handlungen durch Gesetzesvollzugsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 13.1.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022).

Es kommt weiterhin zu systematischen Menschenrechtsverletzungen in den separatistischen Regionen Georgiens (HRC 2022; vergleiche USDOS 12.4.2022).

Meinungs- und Pressefreiheit

Letzte Änderung: 17.11.2022

Die Verfassung und die Gesetze sehen Meinungs- und Pressefreiheit vor. Die Bürger dürfen dieses Recht im Allgemeinen frei ausüben (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 25.3.2022), obwohl die Regierung diese Freiheiten nicht ausreichend schützt (USDOS 12.4.2022). Die georgische Medienlandschaft ist nach wie vor vielfältig, aber gleichzeitig auch stark polarisiert (EC 10.8.2022; vergleiche AA 25.3.2022, FH 28.2.2022, ROG o.D.). Im Laufe des Jahres 2021 äußerten Journalisten, NGOs und die internationale Gemeinschaft Bedenken hinsichtlich des Umfelds für den Medienpluralismus. Einige Medien und NGOs äußern weiterhin ihre Besorgnis über politische Einflüsse auf die Medienlandschaft (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 25.3.2022). Im Laufe des Jahres 2021 kam es zu einer erheblichen Zahl von Angriffen auf Journalisten durch rechtsextreme Gruppen und politisch motivierte Akteure. Beobachter der Zivilgesellschaft waren der Ansicht, dass die Regierung solche Gewalttaten nicht angemessen untersuchte und strafrechtlich verfolgte (USDOS 12.4.2022).

Die Bürger genießen im Allgemeinen Meinungsfreiheit, auch in ihrer Online-Kommunikation. Allerdings äußern Watchdog-Gruppen Bedenken, dass staatliche Behörden Überwachung und Datensammlung ohne eine angemessene Aufsicht betreiben dürfen (FH 28.2.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022, AA 25.3.2022).

Die Reformen der letzten Jahre haben die Transparenz des Medienbesitzes und den Pluralismus des Satellitenfernsehens verbessert, aber Eigentümer bestimmen häufig die redaktionellen Inhalte. Gewalt durch Polizei gegen Journalisten kommt weniger oft vor, jedoch werden Reporter manchmal von der Polizei attackiert, vor allem während Wahlen. Dabei gehen Polizisten straffrei aus. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit 2021 von Reporter ohne Grenzen rangiert Georgien gegenwärtig (und wie auch im Jahr zuvor) auf Platz 60 von insgesamt 180 Plätzen (ROG o.D.).

Mangelnde Professionalität der Journalisten und parteiische Berichterstattung sind verbreitet und beschränken nicht nur Qualität, sondern auch Unabhängigkeit der Presse (AA 25.3.2022). Informationsmanipulation und Radikalisierung nehmen zu. Der Gebrauch von Hassrede, unangemessener Sprache und das Ignorieren journalistischer Ethiknormen sind Alltag, sowohl bei regierungsnahen als auch eindeutig oppositionellen Medien (HRC 2022).

Im März 2021 wurden geheime Tonaufnahmen aus den Jahren 2011-2012 veröffentlicht, wonach Polizeibeamte beauftragt worden seien, Personen einzuschüchtern, die in sozialen Medien Bera Iwanischwili - Rapmusiker und Sohn des Gründers der heutigen Regierungs- bzw. damals noch Oppositionspartei Georgischer Traum, Bidzina Iwanischwili - kritisierten. In die Vorfälle war u.a. auch der spätere Premierminister Irakli Gharibaschwili involviert (OC 7.3.2021; vergleiche GT 11.3.2021). Nach der Veröffentlichung leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen unerlaubten Abhörens, Aufzeichnens und Veröffentlichens von Privatgesprächen ein; nicht jedoch wegen des Inhalts dieser Gespräche (GT 11.3.2021).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Letzte Änderung: 21.11.2022

Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung und die Gesetze Georgiens garantiert (AA 25.3.2022). Menschenrechtsorganisationen äußern sich besorgt über die gesetzlichen Bestimmungen, darunter die Verpflichtung, dass politische Parteien und andere Organisationen den lokalen Behörden fünf Tage im Voraus mitteilen müssen, wenn sie sich in einem öffentlichen Bereich versammeln wollen, wodurch spontane Demonstrationen ausgeschlossen werden (USDOS 12.4.2022). In Bezug auf den Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit gibt es viele Systemprobleme. Versammlungen und Demonstrationen werden für gewöhnlich von Polizeikräften (HRC 2022), gelegentlich auch durch exzessive Polizeigewalt, aufgelöst (FH 28.2.2022). Versammlungen finden vor dem Hintergrund einer angespannten politischen Situation statt (BS 23.2.2022).

Die Regierung vollzieht die Gesetze, welche die Vereinigungsfreiheit der Arbeitnehmer schützen oder gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung verbieten, nicht wirksam. Rechtsmittel, um gegen willkürliche Entlassungen anzukämpfen, und Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsrechte sind mit langen Verzögerungen verbunden (USDOS 12.4.2022).

Wie in den Vorjahren wurden im Jahr 2021 hauptsächlich politische Versammlungen verschiedener Größenordnungen abgehalten. Deren Verlauf verdeutlichte zum einen das Problem der unzureichenden Umsetzung der Verpflichtungen, die den Gesetzesvollzugsbehörden auferlegt wurden, um die volle Verwirklichung der Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, und andererseits die Notwendigkeit einer frühzeitigen Verbesserung des rechtlichen Rahmens (PD o.D.).

Infolge der Parlamentswahlen 2020 wurden gegen die Massenproteste ohne Vorwarnung Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt (taz 9.11.2020). Das Versammlungsrecht von LGBT+-Gruppen wird selten geschützt, und LGBT+-Veranstaltungen werden selten abgehalten (FH 28.2.2022).

Opposition

Letzte Änderung: 17.11.2022

Die politischen Freiheiten sind verfassungsrechtlich verankert. Die politische Opposition kann ungehindert agieren und die bestehende Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen. Pandemiebedingte Einschränkungen waren der Situation angemessen, Protestaktionen, beispielsweise nach den Parlamentswahlen, möglich (AA 25.3.2022).

Der politische Lernprozess wurde seit der Unabhängigkeit durch die anhaltende tiefe Spaltung in der georgischen Politik beeinträchtigt (BS 23.2.2022). Die geringe politische Erfahrung vieler Abgeordneter sowie hierarchische Traditionen und Klientelstrukturen in der Gesellschaft erschweren die Festigung demokratischer Strukturen, auch wenn Recht und Institutionen in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit seit 2012 kontinuierlich an internationale Standards angepasst wurden (AA 25.3.2022). Die Opposition ist zerstritten und formuliert keine klare Alternative zur Regierungspartei. Die Polarisierung in der Gesellschaft wird dadurch weiter befördert (taz 2.11.2020; vergleiche FAZ 23.2.2021).

Parteien als solche spielen kaum eine Rolle, sie sind wenig mehr als One-Man-Shows und dienen als Resonanzboden für die persönlichen Fehden ihrer jeweiligen Vorsitzenden (taz 2.11.2020). Das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition bleibt konfrontativ und kontraproduktiv. Nur in seltenen Fällen gelingt es beiden politischen Lagern, ihre erheblichen Differenzen zu überbrücken. Zivilgesellschaftliche Akteure sind bei der Konfliktbewältigung und dem Aushandeln von Kompromissen (mit der Hilfe vom Westen) verstärkt aktiv und kompensieren so eine schwache politische Opposition (BS 23.2.2022).

Kritiker werfen der Regierungskoalition "Georgischer Traum" vor, die umfassende Kontrolle über alle Regierungsbereiche und -ebenen zu konsolidieren (WP 23.2.2021). Es gibt Berichte, dass die Regierung Oppositionspolitiker überwachen lässt sowie dass Oppositionspolitiker oder -anhänger unter Druck gesetzt werden (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). 2019/2020 kam es zu einer Reihe von Strafverfahren und Verurteilungen von Oppositionspolitikern und der Opposition nahestehenden Personen wegen unterschiedlicher Delikte (AA 25.3.2022). Mehrere Oppositionelle haben längere Zeit in Haft verbracht (FAZ 23.2.2021).

Nach den Wahlen im Jahr 2020 boykottierte die Opposition wegen behaupteten Wahlbetrugs ihre Sitze im Parlament. Im Zuge von Vermittlungsbemühungen der EU wurde der Boykott schließlich beendet (HRW 13.1.2022). Am 8.6.2021 hat auch die größte Oppositionspartei, die Vereinigte Nationale Bewegung, ihren Boykott beendet und nahm erstmals an einer Parlamentssitzung teil (FNS 11.6.2021).

Todesstrafe

Letzte Änderung: 21.11.2022

In Georgien wurde 1997 die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft (AA 25.3.2022; vergleiche AI 5.2022). Das zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe hat Georgien ratifiziert (AI 5.2022).

In Abchasien wurden seit ca. 1992 zehn Todesurteile verhängt, aber nicht vollstreckt (UNPO 23.1.2007). Ein De-Facto-Moratorium auf die Todesstrafe wurde 1993 eingeführt (Jam 10.4.2019), welches 2007 rechtlich verankert wurde (UNPO 23.1.2007; vergleiche civil.ge 5.3.2020). 2020 trat ein Gesetz in Kraft, wonach bei Suchtgifthandel die Todesstrafe verhängt werden kann (Jam 10.4.2019). Aufgrund des geltenden Moratoriums werden Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umgewandelt (civil.ge 5.3.2020).

Südossetien hat im Jahr 1992 beschlossen, die Gesetze der Russischen Föderation zu übernehmen. Somit ist auch das russische Moratorium auf Hinrichtungen von 1996 in Südossetien in Kraft getreten (PVE 21.4.2006).

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 21.11.2022

Gemäß der Volkszählung von 2014 sind ca. 83 % der Bevölkerung griechisch-orthodox, ca. 11 % Muslime und rund 3 % Anhänger der armenisch-apostolischen Kirche. Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Ethnie, Religionszugehörigkeit und Heimatregion. Die meisten ethnischen Georgier gehören der georgisch-orthodoxen Kirche an. Eine geringe Anzahl an Personen, hauptsächlich ethnische Russen, ist anderen orthodoxen Gruppen zugehörig. Ethnische Aseris – überwiegend schiitische Muslime – bilden eine Bevölkerungsmehrheit in der südöstlichen Region Kvemo-Kartli. Weitere muslimische Gruppen sind u. a. die ethnisch georgischen Muslime in Adscharien und die tschetschenischen Kisten im Nordosten. Ethnische Armenier gehören hauptsächlich der armenisch-apostolischen Kirche an und bilden eine Bevölkerungsmehrheit in der südlichen Region Samtskhe-Javakheti. Katholiken, Jesiden, Griechisch-Orthodoxe, Menschen jüdischen Glaubens, nicht-traditionelle religiöse Gruppen wie z.B. Baptisten, Zeugen Jehovas, Pfingstbewegung, Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein und Menschen ohne Bekenntnis machen 3 % aus (USDOS 2.6.2022; vergleiche CIA 16.2.2022, BAMF 10.2020). In den Hochlagen des Kaukasus haben sich heidnische und vorchristliche Rituale bis heute erhalten, wobei die Menschen Christentum und Heidentum parallel praktizieren (Independent 14.8.2015; vergleiche BATSAV 2015).

Die Verfassung sieht Religionsfreiheit sowie Trennung von Kirche und Staat vor. Die Verfassung verbietet religiöse Verfolgung und erkennt die Gleichheit für alle ungeachtet der Religion an, vorbehaltlich von Erwägungen der öffentlichen Sicherheit oder Gesundheit oder der Rechte anderer (USDOS 2.6.2022). Diskriminierung aufgrund des religiösen Bekenntnisses oder die Behinderung der Religionsausübung sind unter Strafe gestellt (AA 25.3.2022). Gesetze und politische Strategien gewähren der georgisch-orthodoxen Kirche jedoch Privilegien, die keiner anderen religiösen Gruppe gewährt werden (USDOS 2.6.2022; vergleiche FH 28.2.2022, AA 25.3.2022).

Ein Religionsrat beim Büro des Public Defender (Ombudsperson) mit Vertretern 22 religiöser Organisationen soll den Austausch, Aktivitäten und Integration der verschiedenen Glaubensgemeinschaften fördern, konnte aber noch keine große Wirkung entfalten. Angehörige religiöser Minderheiten müssen mit Intoleranz und Nachteilen im gesellschaftlichen und beruflichen Leben rechnen, z. B. bei der Besetzung öffentlicher Ämter in verschiedenen Regionen (AA 25.3.2022). Nach Angaben der Ombudsperson gibt es eine verbesserte Tendenz zur Identifizierung von Hassmotiven, jedoch ist die Durchführung effektiver Ermittlungen durch die zuständigen Behörden bei dieser Art von Straftaten eine Herausforderung (PD o.D.).

Religiöse Minderheitengruppen berichten über Widerstand von Ortsgemeinden gegen die Errichtung von Andachtsstätten und gegen Errichtung religiöser Schulen für religiöse Minderheiten. Die Ombudsperson und religiöse Minderheitengruppen berichten über die weitverbreitete gesellschaftliche Meinung, dass religiöse Minderheiten eine Bedrohung für die Georgisch-Orthodoxe Kirche und die kulturellen Werte des Landes darstellen. Die NGO Media Development Foundation dokumentierte im Jahr 2021 117 Fälle religiös intoleranter Äußerungen in nationalen Medien, gegenüber 30 im Jahr zuvor (USDOS 2.6.2022). Religiöse Minderheiten - darunter Zeugen Jehovas, die Pfingstbewegung und Muslime - berichten von Diskriminierung und Feindseligkeit, auch seitens georgisch-orthodoxer Priester und Anhänger, und dass sie vom Staat unzureichend geschützt werden (FH 28.2.2022). Die Zeugen Jehovas haben der Regierung 2021 sechs religiös motivierte Vorfälle gemeldet, im Jahr 2020 waren es acht (USDOS 2.6.2022).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Letzte Änderung: 24.11.2022

Die Istanbul-Konvention des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt wurde von Georgien im Jahr 2017 ratifiziert und trat im selben Jahr in Kraft (CoE o.D.). Georgien hat außerdem die Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frauen (CEDAW) - im Jahr 1994 - ratifiziert (OHCHR o.D.). Gesetzlich sind Frauen den Männern gleichgestellt und genießen auch im öffentlichen Leben die gleichen Rechte, welche sie aber aufgrund gesellschaftlicher Traditionen und Konventionen, ungeachtet gleich hohen Bildungsstandes, nicht immer ausüben können (AA 25.3.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Aufgrund der existierenden Geschlechterklischees bleibt die vollwertige Einbindung von Frauen ins öffentliche und politische Leben und in Entscheidungsprozesse problematisch (PD o.D.). Mindestens 25 % der Kandidaten auf Parteilisten müssen weiblichen Geschlechts sein (FH 28.2.2022).

Gewalt gegen Frauen ist weiterhin ein ernstes Problem. Fälle häuslicher Gewalt werden von der Gesellschaft und den Behörden meist als interne Familienangelegenheit betrachtet. Die Bereitschaft, dagegen Maßnahmen zu ergreifen, nimmt jedoch weiterhin zu (AA 25.3.2022; vergleiche HRC 2022). Der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen ist eine der Prioritäten der Regierung und der Staatsanwaltschaft. Jedoch trotz der Fortschritte der vergangenen Jahre im Präventionsbereich stellt eine wirksame und umfassende Strafverfolgung nach wie vor eine Herausforderung dar (HRC 2022).

2019 wurden 4.185 Fälle häuslicher Gewalt von den Behörden strafrechtlich verfolgt, verglichen mit 3.232 im Jahr 2018 und 1.986 im Jahr 2017. Im Jahr 2019 wurden 51 % der Angeklagten in Untersuchungshaft genommen. Laut NGOs zeigen sowohl Vollzugsbehörden als auch Staatsanwälte in Tiflis eine höhere Professionalität bei der Bekämpfung von Straftaten in Verbindung mit häuslicher Gewalt (USDOS 11.3.2020). Gemäß dem Generalstaatsanwalt wurden im Jahr 2021 22 Morde an Frauen gemeldet, wovon 11 Fälle Anzeichen häuslicher Gewalt aufwiesen. Darüber hinaus wurden 31 Mordversuche an Frauen gemeldet, wovon 16 Fälle häusliche Gewalt betrafen (PD o.D.).

Trotz gesetzlicher Änderungen berichtete die Ombudsstelle in ihrem Jahresbericht 2020, dass den Behörden ein umfassender Ansatz zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen fehlt und die Koordinierung zwischen den Regierungsstellen unzureichend ist. Vergewaltigung ist gesetzeswidrig. Ersttäter können mit einer Haftstrafe von bis zu acht Jahren belangt werden. Die Regierung setzt das Gesetz nicht wirksam um (USDOS 12.4.2022). Schutz vor häuslicher Gewalt kann in Frauenhäusern oder Einrichtungen für Mütter und Kinder geboten werden (AA 25.3.2022). NGOs und die Regierung haben in den letzten Jahren das Angebot für Überlebende häuslicher Gewalt erweitert. Gemeinsam betreiben sie eine 24-Stunden-Hotline sowie Unterkünfte für misshandelte Frauen und deren minderjährige Kinder. Plätze in Schutzeinrichtungen sind begrenzt, und nur fünf der zehn Regionen des Landes verfügen über solche Einrichtungen (USDOS 12.4.2022).

Sexuelle Belästigung wird als eine Verwaltungsübertretung behandelt und hat strafrechtlich keine Folgen. Vor allem am Arbeitsplatz stellt sexuelle Belästigung ein Problem dar (USDOS 12.4.2022; vergleiche PD o.D.). Man findet kaum Frauen in Führungspositionen (NZZ 30.12.2020; vergleiche FH 28.2.2022).

Gemäß dem Global Gender Gap Index 2022 des Weltwirtschaftsforums nimmt Georgien Rang 55 von insgesamt 146 Ländern ein. Rangmäßig befindet sich Georgien zwischen Montenegro und Timor-Leste. [Der Global Gender Gap Index misst die Entwicklung der Gesamtsituation für Frauen in Bezug auf folgende Aspekte: Teilnahme am Wirtschaftsleben; Bildungschancen; Gesundheit und politische Rechte] (WEF 7.2022).

Kinder

Letzte Änderung: 24.11.2022

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde von Georgien im Jahr 1994 ratifiziert (OHCHR o.D.). Staatliche repressive Handlungen gegen Kinder gibt es in Georgien nicht. Jedoch ist die staatliche Unterstützung von Kindern – ob bei Bildung oder Sozialhilfe – gering. Der Erwerb des Familieneinkommens mithilfe von Kindern und die frühe Verheiratung von Mädchen sind insbesondere bei ethnischen Minderheiten verbreitet und akzeptiert mit der Folge, dass die Schulpflicht vernachlässigt wird (AA 25.3.2022). Gewalt gegen Kinder im familiären Umfeld, in Heimen, Pflegefamilien und Bildungseinrichtungen stellt ein erhebliches Problem dar, wobei 70 % der Kinder mindestens eine Form der gewaltsamen Disziplinierung erfahren. Zugleich wächst das Vertrauen der Öffentlichkeit, Fälle von Gewalt den zuständigen Behörden zu melden (EC 5.2.2021; vergleiche AA 25.3.2022). Die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren betrug im Jahr 2021 1 % (WHI 2021).

Es mangelt an qualifiziertem Personal für den Bereich sexueller Missbrauch. Die Herausforderungen bei der Aufdeckung von Verbrechen sexueller Gewalt gegen Kinder und bei der rechtzeitigen und wirksamen Reaktion sind unter anderem auf den Mangel an Informationen über Anzeichen von Sexualverbrechen und entsprechenden Schutzmechanismen zurückzuführen. Die Schulabbrecherquote ist hoch. Es existieren mehrere Fälle von Minderjährigen, welche obdachlos sind und harte körperliche Arbeiten verrichten müssen. Die vom Staat ergriffenen Maßnahmen reichen nicht aus, um extreme Formen von Kinderarbeit, Saisonarbeit oder Arbeitsmigration zu verhindern und zu beseitigen. Die Rate der Kinderarmut nimmt weiter zu (PD o.D.).

Mit 1.9.2020 ist das Gesetz über Kinderrechte in Kraft getreten (HRC 2021). Mit dem Gesetz wurde die Aufsichtsfunktion der Ombudsperson (Public Defender) bei der Beurteilung des Rechtsstatus von Kindern gestärkt (HRC 2021; vergleiche IOM 7.2022). Das Justizsystem gewährt u. a. kostenlose Rechtshilfe und Ausbildung von Fachkräften im Bereich der Arbeit mit Kindern. Bildungseinrichtungen wurde die Pflicht auferlegt, Kinder über deren Rechte und Mechanismen zu ihrem Schutz zu informieren. Ein ständiger parlamentarischer Rat für den Schutz der Kinderrechte wurde in der Legislative eingerichtet, um die Arbeit zwischen den Behörden zu koordinieren. In Übereinstimmung mit dem Gesetz darf nur ein Richter die Frage der Trennung eines Kindes von seiner Familie, und dies nur im Falle äußerster Notwendigkeit, entscheiden. Gemäß dem neuen Gesetz ist der Staat dafür verantwortlich, sozial bedürftige Familien bedarfsgerecht finanziell zu unterstützen. Außerdem helfen Sozialarbeiter und Psychologen den Eltern bei Erziehungsfragen (HRC 2021).

Gesetzlich ist Erwerbstätigkeit ab einem Alter von 16 Jahren erlaubt. In Ausnahmefällen dürfen Kinder bereits mit 14 Jahren einer Arbeit nachgehen, dies aber nur mit Zustimmung der Eltern. Personen unter 18 Jahren dürfen keine gesundheitsgefährden Tätigkeiten durchführen. Gesetzliche Vorgaben werden von der Regierung wirksam umgesetzt, dennoch bleibt ein gewisses Ausmaß an Kinderarbeit unentdeckt (USDOS 12.4.2022).

Das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung beträgt für Männer und Frauen 18 Jahre. Die Zwangsverheiratung von Personen unter 18 Jahren wird mit zwei bis vier Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Gemäß dem Büro der Ombudsperson kommen Kinderehen vor (USDOS 12.4.2022; vergleiche Humanium o.D.). Einem Bericht der Ombudsperson zufolge kommt es bei bestimmten ethnischen und religiösen Gruppen häufiger zu Kinderehen (USDOS 12.4.2022).

Der Unterricht an öffentlichen Schulen ist kostenlos (IOM 7.2022). Die staatliche Kinderbetreuung findet bislang teilweise noch in Einrichtungen statt und nicht im familiären Rahmen (Pflegefamilien usw.). Zwei große staatliche Einrichtungen sind in Betrieb und beherbergen etwa 80 Kinder mit schweren und mehrfachen Behinderungen. Die Regierung hat spezialisierte familienähnliche Dienste entwickelt und zwei solche Einrichtungen ins Leben gerufen. Mechanismen für spezialisierte Pflegedienste für Kinder mit komplexen Behinderungen und Bedürfnissen wurden gestärkt. Über 900 Kinder leben in 38 unregulierten Einrichtungen, hauptsächlich Internaten, die von örtlichen Gemeinden, der georgisch-orthodoxen Kirche und muslimischen Glaubensgemeinden finanziert und betrieben werden (EC 5.2.2021). Die Regierung setzt ihre Strategie fort, große Waisenheime durch Alternativlösungen zu ersetzen. Die Regierung gewährt Zuschüsse für die Hochschulbildung von Pflegekindern und Kindern in Heimen, einschließlich einer vollständigen Deckung der Studiengebühren und eines Stipendiums, und leistet Soforthilfe für Pflegefamilien (USDOS 12.4.2022).

Gemäß dem Index der Umsetzung von Kinderrechten erreicht Georgien 7,79 von insgesamt 10 Punkten, was „wahrnehmbare Probleme“ bedeutet (orange Stufe) (Humanium o.D.).

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 24.11.2022

Georgier dürfen frei reisen, im Inland innerhalb des von der Regierung kontrollierten Territoriums sowie ins Ausland. Sie dürfen ihren Wohnsitz, ihre Beschäftigung oder ihre Ausbildung ohne unangemessene Einmischung wechseln (FH 28.2.2022).

Es ist nach georgischem Recht illegal, von Russland aus über Südossetien oder Abchasien nach Georgien einzureisen. Wer auf diesem Weg nach Georgien gelangt, muss mit Strafverfolgung rechnen, welche mit potenziell hohen Geldstrafen und/oder einer Haftstrafe von bis zu vier Jahren verbunden ist. Wenn der Reisepass mit Ein-/Ausreisestempeln der separatistischen Behörden versehen ist, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübergang werten (FCDO o.D.).

Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Erscheinen nach eine effektive Pass- und Identitätskontrolle auf Grundlage eines EDV-basierten Systems zur Erfassung von Reisebewegungen in Echtzeit. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter und irreguläre Migranten zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen von Personen, welche mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche Durchführung von Kontrollen erkennen (AA 25.3.2022). Georgische Staatsbürger dürfen visafrei in den Schengen-Raum einreisen (EC 10.8.2022). Seit 1.1.2021 müssen bei der Ausreise aus Georgien georgische Staatsbürger, welche in die Schengen-Staaten reisen, durch zusätzliche Nachweise glaubhaft machen, dass sie nicht planen, illegal in der EU zu bleiben. Dazu zählen ein biometrischer Reisepass, der noch mindestens drei Monate ab dem Datum der beabsichtigten Ausreise aus dem Schengen-Raum gültig sein muss; ein gültiges erstattungsfähiges Reiseticket oder ein gültiges Buchungsdokument für ein solches Reiseticket; ein gültiger Buchungsbeleg für ein Hotel oder eine andere Unterkunft; eine Reisekrankenversicherung sowie Nachweise der Finanzmittel für die Reise. Für Reisen zu Konferenzen, Seminaren oder Geschäftstreffen ist zusätzlich zu den genannten Dokumenten ein Einladungsschreiben erforderlich. Können diese Dokumente nicht vorgelegt werden, ist eine Ausreise aus Georgien nicht möglich (SVI 3.1.2021; vergleiche Agenda.ge 1.1.2021).

Die de-facto-Behörden und russische Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten Abchasien und Südossetien schränken die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung beim Passieren der administrativen Grenze ein, gleichwohl sie Flexibilität bei Reisen nach Georgien aus medizinischen Gründen, zwecks Pensionsleistungen, Bildung usw. zeigen. Personen, die sich der Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022).

In Georgien gibt es kein zentrales Melderegister. Jedoch existiert ein auskunftsfähiges, zentrales Personenregister, da jedem georgischen Staatsbürger von Geburt an eine persönliche Identitätsnummer zugeteilt wird (AA 25.3.2022, vergleiche VB 10.8.2022). Adressanmeldungen werden durchgeführt. Diese werden in den sogenannten "Public Halls" administriert, welche vom Justizministerium verwaltet werden (VB 10.8.2022).

IDPs und Flüchtlinge

Letzte Änderung: 28.11.2022

Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) gab es mit Stand Dezember 2021 rund 290.000 Binnenvertriebene aus den Konflikten der Jahre 1992-1993 und 2008. UNHCR schätzt, dass sich davon 50.000 Personen in einer 'IDP-ähnlichen' Situation befinden und dringend Schutz und humanitäre Hilfe benötigen. Zu dieser Zahl gehören Personen, welche nach Abchasien und Südossetien zurückgekehrt sind, sowie diejenigen, die im Konflikt von 2008 vertrieben und anschließend umgesiedelt wurden oder eine Unterkunft oder Barausgleich erhalten haben. Die meisten im Jahr 2008 Vertriebenen erhielten den formellen Status eines Binnenvertriebenen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften, obwohl einige Personen, welche der Konflikt 2008 nicht vertrieben hat und die in der Nähe der administrativen Grenze (ABL) lebten, offiziell als in einer 'IDP-ähnlichen Situation' beschrieben wurden. Die Regierung gewährt den als Binnenvertriebene anerkannten Personen monatliche Zuschüsse, fördert ihre sozio-ökonomische Integration und versucht, Bedingungen für ihre Rückkehr in Sicherheit und Würde zu schaffen (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 25.3.2022).

Das besondere Problem der Binnenvertriebenen (IDPs) ist Armut und das Fehlen normaler Lebensbedingungen. Während der Covid-19-Pandemie ist die Anzahl der Arbeitslosen gestiegen, was die Arbeitslosigkeit und soziale Isolation dieser Gemeinschaft zusätzlich verschlimmert hat (HRC 2022) [zur Covid-Situation in Georgien siehe das entsprechende Kapitel]. Eine der größten Herausforderungen im Jahr 2021 ist die Situation von Familien, die in Gebäuden leben, die eine erhöhte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit darstellen (sogenannte Abrissgebäude). Die Situation hat sich in dieser Hinsicht nicht verbessert. Im Gegenteil, es zeigt sich eine Tendenz der Verschlechterung in Bezug auf die Rechte von Familien, die unter schwierigen Lebensbedingungen leben (PD o.D.). Viele Siedlungen der Binnenvertriebenen liegen abseits von Städten, weit entfernt von Versorgungseinrichtungen (IWPR 27.4.2020). Weiterhin verfolgt der Staat keine einheitliche Strategie, um die Binnenvertriebenen aus ihren beschädigten Gebäuden umzusiedeln. Die Frage der langfristigen Unterbringung der Binnenvertriebenen zieht sich auch in Tiflis noch hin (HRC 2022).

Zwischen 45.000 und 60.000 IDPs sind nach Abchasien (in die Bezirke Gali, Tkvartscheli und Otschamtschire) zurückgekehrt. Allerdings verwehren die de-facto-Behörden den Binnenflüchtlingen eine Rückkehr in andere Bezirke. In Abchasien verbietet das "Rechtssystem" Eigentumsansprüche ethnischer Georgier, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg 1992-1993 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 12.4.2022).

Ausländische Flüchtlinge erfahren in Georgien nur geringe Aufmerksamkeit (AA 25.3.2022). Im Land befinden sich ca. 1.800 Flüchtlinge und 1.300 Asylwerber (UNHCR 9.2021). Unterstützungsleistungen für Flüchtlinge kommen überwiegend von internationalen Organisationen und Projekten (v. a. IOM, UNHCR, ICMP) (AA 25.3.2022). Die Regierung kooperiert mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen (USDOS 12.4.2022). Eine Integration ausländischer Flüchtlinge ist wegen Sprachbarrieren und einer distanzierten georgischen Öffentlichkeit schwierig (AA 25.3.2022).

Grundversorgung und Wirtschaft

Letzte Änderung: 01.12.2022

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die staatliche Sozialhilfe liegt bei bis zu GEL 220 [ca. EUR 80] im Monat. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband (AA 25.3.2022). Mit 1.1.2022 stieg die Alterspension auf GEL 260 [ca. EUR 72] für Personen unter 70 Jahre und auf GEL 300 [ca. EUR 83] für Personen über 70 Jahre. Es gibt Zuschläge für Pensionisten, die in Hochgebirgssiedlungen leben (Agenda.ge 6.12.2021).

Große Teile der georgischen Bevölkerung sind unterbeschäftigt oder arbeitslos (ADA 2.2022). Das nationale Statistikbüro Georgiens gibt die Arbeitslosenrate für das Jahr 2021 mit 20,6 % an (GeoStat o.D.c). Etwa 21 % der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch besonders gefährdete Gruppen in Städten, wie Binnenvertriebene und Alleinerziehende. Ländliche Armut führt häufig zu Landflucht oder Emigration (ADA 2.2022).

Die meisten Personen sind in der Landwirtschaft, Jagd und Forstwirtschaft tätig. Die größte Nachfrage nach Arbeitsplätzen besteht im Dienstleistungssektor (IOM 7.2022). Der Industriesektor ist gering ausgeprägt (WKO 5.2022). Die meisten Erwerbstätigen sind zwischen 25 und 55 Jahre alt (IOM 7.2022). Das monatliche Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbstständig Beschäftigten lag im ersten Quartal 2022 bei den Männern bei ca. GEL 1.695 [ca. EUR 615] und bei den Frauen bei GEL 1.185 [ca. EUR 430] (GeoStat o.D.a).

Als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie hat die Regierung ein Hilfspaket für die Wirtschaft im Ausmaß von GEL 2 Mrd. [ca. EUR 563 Mio.] verabschiedet [zur Covid-Situation in Georgien siehe das entsprechende Kapitel]. Auch im Jahr 2021 hat die georgische Regierung weitere Unterstützungsmaßnahmen für die Bürger und die Wirtschaft angekündigt (WKO 14.3.2022). Das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrug im ersten Quartal 2022 14,9 % (GeoStat o.D.b). Der georgische Lari wertete 2021 um -9,6 % ab. Eine der größten Schwächen der georgischen Wirtschaft ist das sehr hohe Leistungsbilanzdefizit, welches im Jahr 2021 -8,8 % (rund EUR 1,46 Mio.) betrug. Eine hohe Energie- und Rohstoffabhängigkeit sowie der herrschende Fachkräftemangel bilden eine schlechte Grundlage, um das bestehende Außenhandelsdefizit zu verringern (WKO 5.2022). Die Inflation beträgt 11,5 % (GeoStat o.D.c). Der Bankensektor wächst (HF o.D.).

Hauptexportgüter sind neben landwirtschaftlichen Produkten vor allem Rohstoffe mit geringer Wertschöpfung: Kupfer, Metalle bzw. gebrauchte Autos, zunehmend auch Textilien. Hauptzielländer der georgischen Exporte waren auch 2021 die Mitgliedsländer der EU mit einem Anteil von 22 %. Bei den Importen ist ebenfalls die EU mit ca. 20,8 % Anteil führend. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind auch die „Gastarbeiterüberweisungen“ aus dem Ausland. Im Jahr 2021 betrugen diese Überweisungen insgesamt EUR 2,17 Mrd.; 25 % mehr als im Vorjahr (WKO 5.2022).

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 01.12.2022

Es gibt ein staatliches Sozialprogramm für Unterhaltsbeihilfen. Familien unterhalb der Armutsgrenze können mit einer Unterstützung von GEL 30-60 [ca. EUR 11-22] pro Familienmitglied rechnen (IOM 7.2022). Um Sozialhilfe zu erhalten, müssen Familien unter der Armutsgrenze folgendermaßen vorgehen: Der Vertreter der Familie muss zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden. Danach besucht ein Vertreter der Social Service Agency die Familie vor Ort, wobei die „Familiendeklaration“ den sozio-ökonomischen Status der Familie festhält. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: GEL 60 [ca. EUR 17] für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied GEL 60 und alle anderen Familienmitglieder GEL 48 [ca. EUR 14] pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere Gefängnishaft, Militärdienst oder beispielsweise ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen „Haushaltsunterstützung“ oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).

Eine Arbeitslosenunterstützung existiert nicht. Es gibt ein staatliches Pensionssystem. Bezugsberechtigt sind Männer ab 65 und Frauen ab 60 Jahre. Der Pensionsantrag ist bei der nächstgelegenen Sozialdienststelle einzureichen. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen. Personen, die bereits aus dem Ausland eine Pension beziehen, sind vom georgischen Pensionssystem ausgeschlossen (IOM 7.2022). Die Höhe der Pension wird jährlich gemäß Inflationsrate und Wirtschaftswachstumsdaten angeglichen (Agenda.ge 5.1.2021). Mit 1.1.2022 stieg die Alterspension auf 260 GEL [ca. EUR 72] für Personen unter 70 Jahre und auf 300 GEL [ca. EUR 83] für Personen über 70 Jahre. Es gibt Zuschläge für Pensionisten, die in Hochgebirgssiedlungen leben (Agenda.ge 6.12.2021). Seit 2019 ist ein kumulatives Pensionssystem eingeführt worden, welches für Selbstständige freiwillig ist, auch für Arbeitnehmer über 40 Jahre. Die Teilnahme an diesem System ist für georgische Staatsbürger unter 40 Jahren, die angestellt und/oder selbstständig erwerbstätig sind, sowie für Ausländer, die im Besitz einer Daueraufenthaltsgenehmigung sind, verpflichtend. 2 % des Gehalts des Beitragszahlers gehen auf dessen persönliches Pensionskonto. Darüber hinaus überweisen die Regierung und der Arbeitgeber 2 % auf das Konto des Beitragszahlers. Bei Erreichen des Pensionsalters hat der Beitragszahler Anspruch auf eine Pension auf monatlicher Basis (IOM 7.2022).

Das Recht auf Mutterschaftskarenz- und Kinderbetreuungszeit gewährleistet 730 Tage Freistellung, wovon 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal GEL 1.000 [ca. EUR 282] (SSA o.D.b).

Der Staatliche Fonds zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel verfügt über zwei Unterkünfte in Tiflis und Batumi für Opfer von Menschenhandel und häuslicher Gewalt. Betroffene können außerdem in einem Krisenzentrum in Tiflis untergebracht werden und erhalten u.a. folgende Dienstleistungen: psychologische Unterstützung, medizinische Hilfe, Rechtsbeistand und Übersetzungsdienst (IOM 7.2022).

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 06.12.2022

Medizinische Versorgung ist für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care, UHC) sowie zusätzlich bestehende staatliche Gesundheitsprogramme für bestimmte Krankheitsbilder (z.B. Diabetes, Hepatitis C, Tuberkulose) je nach sozialer Lage kostenlos oder mit Zuzahlungen gewährleistet. Mit privater Krankenversicherung kann die Leistungsübernahme medizinischer Behandlungen beitragsabhängig erweitert werden (AA 25.3.2022; vergleiche BDA 2019, EUAA MedCOI 3.8.2022, WHO 15.7.2021).

Alle Bürger können das öffentliche Krankenversicherungssystem in Anspruch nehmen, mit einem System der staatlichen Deckung der Gesundheitsausgaben in Kombination mit einer Patientenbeteiligung (Co-payment System) (EUAA MedCoi 3.8.2022; vergleiche IOM 7.2022). Das universelle Gesundheitsprogramm bietet Voll- und Basispakete an, je nach Einkommen der einzelnen Personen (IOM 7.2022). In diesem Zusammenhang hat das Gesundheitsministerium ein Punktesystem entwickelt, um festzustellen, ob eine Person als sozioökonomisch gefährdet einzustufen ist. Die Höhe der Punktzahl hängt vom Vermögen, Einkommen und der Haushaltszusammensetzung ab und bestimmt, ob eine Person Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen und auf das oben erwähnte öffentliche Krankenversicherungssystem hat (EUAA MedCoi 3.8.2022). Nur sozial gefährdete Gruppen haben Anspruch auf das Gesamtpaket. Erwerbstätige, deren Bruttogehalt GEL 1.000 [ca. EUR 360] übersteigt, aber das Jahreseinkommen weniger als GEL 40.000 [ca. EUR 14.422] beträgt, haben Anspruch auf das staatliche universelle Gesundheitspaket mit eingeschränkten Leistungen. Da viele Gesundheitsleistungen noch nicht von der staatlichen Versicherung abgedeckt sind, entscheiden sich einige Menschen für eine private Versicherung (IOM 7.2022).

Georgische Staatsbürger sind automatisch krankenversichert (EUAA MedCoi 3.8.2022). Offiziell anerkannte Staatenlose haben ebenfalls Anrecht auf UHC (SEM 21.3.2018; vergleiche BDA 2019).

Im Notfall wendet sich ein georgischer Bürger an eine beliebige medizinische Einrichtung. Alle medizinischen Einrichtungen sind an der UHC beteiligt. Für geplante stationäre Behandlungen wendet man sich mit einem gültigen Ausweis und einer Überweisung eines Allgemeinmediziners an die Abteilung Social Service Agency. Die Social Service Agency betreibt eine Hotline unter der Nummer 1505. Die Social Service Agency stellt einen Gutschein (Voucher) oder einen „Letter of Guarantee“ (dt. Garantiebrief) über die von ihr berechneten Kosten für die beantragte medizinische Dienstleistung aus (SEM 21.3.2018; vergleiche BDA 2019). Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und weitgehend moderne Behandlungen an. Staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung (AA 25.3.2022). Es sind zwar ausreichend Ärzte vorhanden, jedoch herrscht ein Mangel an Pflegepersonal (WHO 23.11.2021). Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus EU-Ländern (AA 25.3.2022).

Das staatliche Gesundheitssystem (UHC) umfasst ambulante und stationäre Behandlungen in folgenden Fällen (IOM 7.2022):

●             Notfallversorgung wird zu 70-100 % abgedeckt.

●             Die Behandlung von HIV, Hepatitis C und TB sowie Insulin für Diabetespatienten sind kostenfrei.

●             Dialyse ist in den Großstädten kostenlos verfügbar.

●             Für Suchtgiftabhängige ist ein staatlich finanziertes Methadon-Ersatzprogramm kostenfrei verfügbar. Lediglich eine Registrierungsgebühr von GEL 70 [ca. EUR 25] muss entrichtet werden.

●             Die Kosten für die Behandlung von Kindern bis zu einem Alter von 5 Jahren sind teilweise gedeckt, abhängig von der Art der Erkrankung (IOM 7.2022).

Hat man Anrecht auf die gesamten Leistungen der UHC, werden Kosten in den drei Bereichen Notfallbehandlung, stationäre Behandlung und ambulante Behandlungen ganz oder zum Teil übernommen. Eine Kostenübernahme von 100 % bedeutet in den meisten Fällen, dass der Staat der medizinischen Institution einen fixen Betrag zurückerstattet. Für die Berechnung dieses Betrags analysiert der Staat, wie viel die Dienstleistung in der Vergangenheit kostete und nimmt davon einen tiefen Durchschnittswert. Kommt die Behandlung teurer, muss der Patient die Differenz selbst bezahlen (SEM 21.3.2018; vergleiche BDA 2019). Von den stationären Behandlungen werden spezifische Operationen und die stationäre Nachbetreuung zu 100 % übernommen. Andere Leistungen werden zu 70 % übernommen (SEM 21.3.2018).

Alle Kliniken in Georgien sind privatisiert. Obwohl die allgemeine Krankenversicherung nicht alle Kosten abdeckt, können georgische Staatsbürger zu jeder Zeit jede beliebige Klinik aufsuchen. Diese Dienstleistung ist allerdings kostenpflichtig. Versicherte der staatlichen Krankenversicherung müssen ihren Hausarzt kontaktieren, um eine Überweisung für einen Facharzt zu erhalten. Große Apotheken bieten eine Vielzahl von Medikamenten an. Die Verfügbarkeit gewisser Medikamente kann online oder telefonisch überprüft werden: Medizinischer Informationsdienst, http://www.mis.ge/ka, Tel. +995 032 2 252233. Die meisten Medikamentenkosten werden nicht von staatlichen Programmen abgedeckt. Daher müssen die Patienten die Kosten selbst tragen (IOM 7.2022). Im Jahr 2021 erklärte die Ombudsperson, dass sich der Zugang zu Medikamenten in Georgien aufgrund der ständig steigenden Preise allmählich verschlechtert und es daher für einen großen Teil der Bevölkerung schwierig ist, sich Medikamente zu leisten. Weiters stellt sie fest, dass die Qualität der Medikamente oft nicht den Anforderungen entspricht und ihre Wirksamkeit fraglich ist (COE 3.2022).

Für Behandlungskosten, welche von Patienten selbst getragen werden müssen, kann bei der zuständigen Kommission des Ministeriums um Kostenersatz angesucht werden. Die Unterstützungsleistungen hängen sowohl von der Art der Erkrankung bzw. Therapie als auch von der Bedürftigkeit der Person selbst ab. Bei manchen Therapien gibt es z. B. für "Veteranen" 100 % Vergütung, bei anderen Erkrankungen nur 50 % oder gar keine Unterstützung. Manches Mal sind die Unterstützungsleistungen auch zeitlich begrenzt. Aus diesem Grund muss betreffend Unterstützung bei Behandlungskosten jede Erkrankung/Medikament/Therapie separat betrachtet werden (VB 30.8.2022).

Behandlungsmöglichkeiten: Chemotherapie

Letzte Änderung: 22.03.2022

Chemotherapien sowie die notwendigen Medikamente sind verfügbar. Die Kosten einer Chemotherapie hängen von der Art der Behandlung ab und können zwischen USD 200 und USD 100.000 [ca. EUR 56 bis 27.982] je nach Krebsart, Tumor, Verschreibung, Verfügbarkeit von Medikamenten und finanziellen Ressourcen des Patienten betragen. Neuere und in der Regel wirksamere Medikamente sind in Georgien wegen ihrer hohen Preise nicht erhältlich. In Georgien gibt es keine wirkliche Nachbehandlung für Chemotherapie. Menschen werden normalerweise nach Hause geschickt, es sei denn, die Situation ist für den betreffenden Patienten lebensbedrohlich. Die Krebsbehandlung in Georgien ist von geringer Qualität. Personen, die es sich leisten können, lassen sich in der Türkei behandeln (BDA 25.5.2018; vergleiche BDA 2019).

Chemotherapie und Bestrahlung sind zu 80 % abgedeckt (BDA 25.5.2018; vergleiche BDA 2019). Der Maximalbetrag im Rahmen des staatlichen Programms für Krebspatienten wurde im August 2020 um GEL 8.000 [ca. EUR 2.243] auf GEL 23.000 [ca. EUR 6.449] erhöht (Agenda.ge 20.8.2020). Die restlichen 20 % müssen vom Patienten getragen werden, wie auch alle Kosten für Behandlungen über dem Maximalbetrag. Obwohl verfügbar, bestehen Zweifel an der Qualität onkologischer Medikamente und Behandlungen, insbesondere wenn diese vom Staat bereitgestellt werden. Wenn der Patient nicht in der Lage ist, die Kosten zu decken, wird ihm die Behandlung verweigert. Zwar gibt es etliche NGOs und Wohlfahrtsorganisationen im Gesundheitsbereich, doch sind diese auf Kinder und beeinträchtigte Personen ausgerichtet (BDA 25.5.2018; vergleiche BDA 2019).

Vor August 2020 erhielten Patienten nur in einem bestimmten Stadium der Behandlung Mittel für Medikamente. Wer nicht über ausreichende Finanzmittel verfügte, konnte die Behandlung nicht abschließen. Von der Änderung profitieren insgesamt 40.000 georgische Staatsbürger (Agenda.ge 20.8.2020).

Rückkehr

Letzte Änderung: 07.12.2022

Georgische Rückkehrer/Rückgeführte können die allgemeinen, wenn auch in der Regel insgesamt unzureichenden Sozialleistungen in Anspruch nehmen, darunter eine kostenlose medizinische Grundversorgung. Traditionell bietet der Familienverband eine soziale Absicherung. Internationale Organisationen, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD), bieten Beratung und finanzielle Unterstützung für Rückkehrer an. Das Ministerium für Binnenvertriebene, Arbeit, Gesundheit und Soziales koordiniert das staatliche Reintegrationsprogramm (State Reintegration Programme). Hier wird Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbstständigkeit) und bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft zur Verfügung gestellt. Staatliche Repressalien gegen Rückkehrer sind nicht bekannt. Auch die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland ist für die Behandlung durch staatliche Stellen ohne Bedeutung. Georgien hat Rückübernahme-Abkommen mit der EU und weiteren europäischen Ländern geschlossen. Die georgische Regierung stellt sich zunehmend den Problemen von Rückkehrern (AA 25.3.2022).

Das staatliche Programm zur Reintegration von Rückkehrern sieht die Gewährung von Zuschüssen für Einkommens- und Beschäftigungszwecke, die Unterstützung der beruflichen Bildung, Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistungen und Bereitstellung vorübergehender Unterkünfte vor. Insgesamt sollen 200 zurückgekehrte Migranten finanziert werden, um Einkommensquellen zu schaffen sowie Beschäftigung und Selbstständigkeit zu unterstützen. Es werden maximale Zuschüsse von GEL 4.000 [ca. EUR 1.123] geboten. Teilnahmeberechtigt sind georgische Staatsbürger (oder staatenlose Personen, die dauerhaft in Georgien leben), welche sich seit mehr als 12 Monaten unrechtmäßig im Ausland aufhalten oder im Ausland Asyl beantragt oder erhalten haben (MoH 16.3.2021).

IOM bietet Rückkehrern Unterstützung im Rahmen des AVRR-Programms an (Assisted Voluntary Return and Reintegration) (IOM 25.11.2021).

Dokumente

Letzte Änderung: 07.12.2022

Die Echtheit behördlich ausgestellter Dokumente steht in der Regel außer Zweifel. Problematisch sind privatrechtliche Bescheinigungen zum Nachweis von tatsächlich vorhandenen Eigenschaften / Qualifikationen (AA 25.3.2022). Gemäß Experten sind Dokumentenvermittler, die gegen Bezahlung gefälschte Dokumente wie Arbeitsbescheinigungen oder Dokumente zur Untermauerung von Asylanträgen ausstellen, in Georgien sehr gefragt. Trotz der angeblich hohen Nachfrage nach diesen Diensten ist die Verwendung von gefälschten Dokumenten für Reisen nach Georgien in die EU-Mitgliedstaaten relativ selten (EUAA 18.8.2022).

Eine Identitätsfeststellung georgischer Staatsangehöriger, die ohne Reisedokumente in Georgien eintreffen, ist in der Regel zügig möglich, da umfangreiche Datensätze – inklusive einer unveränderbaren persönlichen Identifikationsnummer von Geburt an – bestehen. Personenstandsurkunden verfügen seit geraumer Zeit nicht mehr über klassische Sicherheitsmerkmale wie Unterschrift oder Siegel; ihre Echtheit lässt sich aber online über ein Portal der Bürgerämter anhand einer Dokumentennummer prüfen. Erkenntnisse über gefälschte Haftbefehle gibt es nicht. Das Einspeisen von falschen oder zumindest übertriebenen Informationen in die Presse zur Dokumentation staatlicher Repressionsmaßnahmen ist durchaus möglich: Die Presselandschaft ist stark politisiert und neigt schnell zu Übertreibungen (AA 25.3.2022).

römisch II.2. Beweiswürdigung:

römisch II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben, ein ergänzendes Ermittlungsverfahren und eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

römisch II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der BF ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie den Sprach- und Ortskenntnissen und den vorgelegten Bescheinigungsmittel in Form von nationalen Identitätsdokumenten.

römisch II.2.3. Die Feststellungen betreffend die von der BF in Anspruch genommenen Leistungen der Grundversorgung ergeben sich zweifelsfrei aus dem amtswegig angefertigten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit der BF in Österreich entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsichtnahme in das Strafregister).

Den Daten des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister kann schließlich entnommen werden, dass der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet nie nach Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG 2005 geduldet war. Hinweise darauf, dass sein weiterer Aufenthalt zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig wäre oder der Beschwerdeführer im Bundesgebiet Opfer von Gewalt im Sinn der Paragraphen 382 b, oder 382e EO wurde, kamen im Verfahren nicht hervor und es wurde auch kein dahingehendes Vorbringen erstattet, sodass keine dahingehenden positiven Feststellungen getroffen werden können.

Die getroffenen Feststellungen zum rechtswidrigen Aufenthalt der BF im Bundesgebiet ergeben sich aus dem Beschluss des VfGH vom 08.06.2021, Zahl E 1563-1565/2021-12, mit dem die Behandlung der Beschwerde gegen die Erkenntnisse des BVwG abgelehnt wurden. Die BF kamen der rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung vom 09.08.2021 bis dato beharrlich nicht nach und teilten zudem bei zwei Rückkehrberatungsgesprächen mit, nicht ausreisewillig zu sein.

Die Feststellung zur Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts der BF beruht darauf, dass gegen diese eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung, im Fall der BF1 und BF2 verbunden mit einem Einreiseverbot, besteht und sie auch sonst über keine Berechtigung zum Aufenthalt verfügen. Zudem begründen nach Paragraph 58, Absatz 13, AsylG und Paragraph 16, Absatz 5, BFA-VG weder die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 56, AsylG, noch die Erhebung der gegenständlichen Beschwerde ein Aufenthalts- oder Bleiberecht in Österreich.

römisch II.2.4. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

Die BF trat auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen und wird neuerlich darauf hingewiesen, dass die Republik Österreich die Republik Georgien als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Paragraph 19, BFA-VG betrachtet und daher von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Georgiens auszugehen ist.

römisch II.2.5. Das Bundesamt hat die Ermittlungsergebnisse des von ihr geführten Verfahrens in der Begründung des angefochtenen Bescheides sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesamt gewährte den BF1 und BF2 Parteiengehör und wurden beide am 23.08.2022 niederschriftlich dazu einvernommen. Vom BFA wurde weiters mit Aktenvermerk vom 21.03.2023 eine umfangreiche Kindeswohlprüfung des BF4 durchgeführt. Zudem fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, womit die BF sohin ausreichend Gelegenheit hatten, ihren Standpunkt bzw. ihre Bemühungen hinsichtlich eines schützenswerten Privat- und Familienlebens bzw. ihrer Integration darzulegen. Inwiefern die rechtsfreundliche Vertretung eine fehlende Einvernahme bzw. ein fehlendes Parteiengehör moniert, erhellt sich dem Bundesverwaltungsgericht in keinster Weise. Insgesamt vermochte es die rechtsfreundliche Vertretung ohnehin nicht, der Beweiswürdigung der belangten Behörde überzeugend entgegenzutreten, worauf in der rechtlichen Beurteilung noch eingehend einzugehen sein wird.

römisch II.2.6. In der Beschwerde wurde weiter moniert, dass die BF hervorragend integriert wären und seit über fünf Jahren in Österreich aufhältig sind. Dazu bleibt festzuhalten, dass sich die BF seit über sechs Jahren im Bundesgebiet aufhalten, wovon auch mehr als die Hälfte und somit mehr als drei Jahre rechtmäßig waren. Vom BF4, der die Schule in Österreich besucht, abgesehen, sind die Deutschkenntnisse der BF allerdings als sehr rudimentär zu bezeichnen. So war eine Unterhaltung in der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2023 lediglich durch die Zuziehung eines Dolmetschers möglich. Die BF1 und BF2 beherrschen die deutsche Sprache nur bruchstückhaft und sind nicht in der Lage, sich in Deutsch zu verständigen. So wurde auch nur von der BF2 ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A1 vorgelegt, die Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung liegt folgerichtig nicht vor. Die BF leben seit Ihrer Ankunft in Österreich ausschließlich von Leistungen aus der österreichischen Grundversorgung, auch wenn der BF1 kurzfristig eine Gewerbeberechtigung „Hausbesorgung“ innehatte, war er nicht in der Lage, Erträge zu erwirtschaften um für seinen und den Unterhalt der Familie aufzukommen. Eine Selbsterhaltungsfähigkeit ist nicht ansatzweise erkennbar. Auch konnten die BF keinen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nachweisen. Zudem besteht der Versicherungsschutz lediglich im Rahmen der Grundversorgung. Auch die vorgelegte Einstellungszusage begründet keinen Anspruch auf die Erteilung des von den BF beantragten Aufenthaltstitel, alleine schon deshalb, da sie sehr allgemein und vage gehalten ist und nicht einmal Angaben über Wochenarbeitszeit und Höhe der Entlohnung enthält. Die BF sind in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglieder. In der Pfarre sind die BF1 und BF2 fallweise ehrenamtlich tätig. Bezüglich österreichischer Freunde gab der BF1 vier männliche Vornamen bekannt. Für die BF1 und BF2 wurde eine unkonkrete Einstellungszusage der Fa. römisch 40 GmbH in Vorlage gebracht. Bezüglich österreichischer Freunde konnte die BF2 acht Vornamen bekannt geben. Die BF3 absolviert aktuell eine Schwimmtherapie. Der BF4 besucht die dritte Klasse der Volksschule und spielt in Bruck in der U10 Mannschaft Fußball. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben ist nicht ansatzweise erkennbar.

Festgehalten muss zudem noch in aller Deutlichkeit werden, dass im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in „besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 56, AsylG erteilt werden kann. Dass bedeutet folgerichtig, dass es sich – selbst bei Erfüllung aller Voraussetzungen – um keinen Rechtsanspruch auf Ausstellung eines derartigen Aufenthaltstitels handelt.

Die ohnehin nur marginal vorhandene Integration wird zudem noch dadurch relativiert, als dass sich die BF seit bald zwei Jahren rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalten und der bestehenden Rückkehrentscheidung bis dato beharrlich nicht nachgekommen sind. Der Aufenthalt des BF war während der gesamten Aufenthaltsdauer in Österreich nur ein vorläufiger und unsicherer. Dieses Umstandes mussten sich die BF jedenfalls nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens, das mit der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten bzw. Nichtzuerkennung der subsidiär Schutzberechtigten und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Zulässigkeit der Abschiebung nach Georgien, auch verstärkt bewusst sein. Jedoch konnte im konkreten Fall nicht einmal eine diesbezügliche Strafverfügung der LPD Salzburg die BF zur Ausreise bewegen. Die Einhaltung gesetzlicher Normen bzw. der österreichischen Rechtsordnung berührt die BF in keinster Weise.

römisch II.2.7. Zu den gesundheitlichen Leiden der BF2 und der BF3 sind folgende Überlegungen maßgeblich: die BF2 wurde wegen eines Mammakarzinoms in Österreich am 21.02.2018 operiert und erhielt im Anschluss eine Chemobehandlung bis Juni 2018, sowie eine Bestrahlung bis August 2018. Im Zuge der ca. fünfjährigen Nachbehandlung erhält sie monatlich eine Injektion im Rahmen einer antihormonellen Therapie (Zoladex). Sie hat alle 3 Monate in der Onkologie eine Nachsorgekontrolle, bei der spezielle Untersuchungen (Mammographie, Thorax Röntgen, Sonografie, Knochendichtemessung) in verschiedenen Intervallen festgelegt werden. Während des laufenden Verfahren wurde bei der BF2 ein Cervixtumor im Anfangsstadium diagnostiziert. Dieser wurde in der Frauenklinik der römisch 40 Landeskliniken mittels Strahlentherapie erfolgreich behandelt. Weitere Behandlungen oder Therapien sind aus heutiger Sicht nicht nötig. Zudem ist dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass Chemotherapien sowie die notwendigen Medikamente in Georgien verfügbar sind. Zum Vorbringen, dass es in Georgien keine Medikamente gäbe ist wiederum auf die Länderfeststellungen zu verweisen, wonach alle Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente bzw. wirkstoffgleiche Präparate vorhanden und erhältlich sind.

Dazu darf zusätzlich noch angeführt werden, dass es hinsichtlich der Notwendigkeit von bestimmten Medikamenten, die in Georgien nicht erhältlich sind, einen entsprechenden Erlass des Gesundheitsministeriums vom 15.Juni 2011, No:01 31/N gibt, der die Einfuhr von bestimmten „Heilmitteln“ und deren Mengen regelt und auch nach nachstehenden Kriterien ermöglicht:

a) Ohne eine entsprechende medizinische Dokumentation für den individuellen Bedarf einer natürlichen Person dürfen nic ht mehr als zehn Standardpackungen eingeführt werden. Hinsichtlich der Verwendung und Wirkung des betreffenden Medikaments erfolgt dies „auf eigene Verantwortung“

b) Sollte eine natürliche Person georgischer Staatsbürger Medikamente / Heilmittel in Standardpackung, einer größeren (mehr als 10) Zahl benötigen, kann das notwendige Medikament / Heilmittel entsprechend einer vorliegenden medizinischen Dokumentation mit der Auflistung / Berechnung der notwendigen Tagesdosis eingeführt werden.

(VB des BM. römisch eins für Georgien und Aserbaidschan (31.1.2019): Auskunft des VB, per Email.)

Hinsichtlich der Behauptung, die BF könnten sich die notwendigen Medikamente in Georgien nicht leisten ist festzuhalten, dass die Familie bereits in Georgien von ihren Familienangehörigen und Verwandten finanziell unterstützt wurden und kein Grund ersichtlich ist, warum dies in Zukunft nicht wieder erfolgen könnte. Ferner sind sich staatliche Unterstützungsleistungen erhältlich.

Die BF3 leidet unter einer bilateralen Zerebralparese und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Grad Ihrer Behinderung wurde mit 100% festgestellt. Der BF1 wurde für sie zum Erwachsenenvertreter bestellt. Die BF3 erhält eine Physiotherapie, darüber hinaus wird keine weitere Behandlung benötigt. Die Behandlung der Erkrankung ist in Georgien verfügbar. 2021 wurde bei der BF3 ein Gewächs im Bauchbereich operativ entfernt, sie benötigt diesbezüglich keine Behandlung mehr. Die BF3 wurde in Georgien ab ihrem vierten Lebensmonat bis zu Ihrer Ausreise behandelt. Die BF3 befindet sich seit November 2019 in physiotherapeutischer und ergotherapeutischer Behandlung im Therapiezentrum Pinzgau. Eine Zerebralparese ist bis dato leider nicht heilbar.

Dass Bundesverwaltungsgericht verkennt zudem nicht, dass die medizinische Behandlung in Georgien nicht kostenfrei oder auf gleichem Standard wie in Österreich ist. Dennoch steht es zumindest dem BF1 frei, zumindest durch Gelegenheitsarbeit für das Familieneinkommen und die medizinische Versorgung der BF3 zu sorgen. Ebenfalls verfügt die Familie über einen erheblichen familiären Rückhalt in Georgien und steht es ihnen frei, das – wenngleich nicht auf gleichem Niveau befindliche – Sozialsystem in Georgien in Anspruch zu nehmen. So besteht etwa eine gewisse Unterstützung für Kinder und ihre Familien durch NGOs oder staatliche Institutionen.

Wie aber auch aus dem Bericht zur Reform des georgischen Gesundheitswesens hervorgeht, hat sich der Zugang zum Gesundheitswesen in den letzten fünf Jahren, in welchen die BF sich in Österreich aufhielten, deutlich verbessert. Informelle Zahlungen im Gesundheitswesen sind kaum ein Thema mehr. Im Georgien-Kontext ist zudem die hohe Solidarität innerhalb der Großfamilie zu berücksichtigen. Sie spielt auch bei der Finanzierung von medizinischen Behandlungen eine wichtige Rolle und spiegeln die Angaben der BF zu Unterstützungsleistungen diese Feststellungen wieder.

römisch II.2.8. Abschließend kann somit festgehalten werden, dass die weitere Behandlung der BF2 in Georgien möglich und alle dafür benötigten Medikamente bzw. Wirkstoffe erhältlich sind. Hinsichtlich der BF3 bleibt festzuhalten, dass diese bereits von ihrem vierten Lebensjahr ab bis zur Ausreise in Georgien behandelt wurde. Auch bezog sie, bzw. ihre Eltern eine Behindertenpension. Die Krankheit an sich ist leider nicht heilbar, auch nicht in Österreich. Da es sich bei den BF um georgische Staatsbürger handelt, gelten die gleichen Bedingungen und Voraussetzungen und besteht kein Unterschied hinsichtlich des Zugangs zur medizinischen Behandlung. Die Darstellung der rechtlichen Vertretung, dass die BF2 in Georgien qualvoll sterben würde, stellt sich folgerichtig als massiv übertrieben dar.

Dazu bleibt festzuhalten, dass eine Chemo- als auch eine Strahlentherapie in Georgien erhältlich sind. Zudem hat nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Den Länderinformationen ist ferner zu entnehmen, dass die Kosten für Chemotherapien und Medikamente zu 80 % in Georgien abgedeckt sind.

Zudem steht auch nach wie vor der Erlass des Gesundheitsministeriums vom 15.Juni 2011, No:01 31/N in Geltung. Im Rahmen dieses Erlasses wird die die Einfuhr von bestimmten Medikamenten und Heilmitteln und deren Mengen geregelt und auch tatsächlich nach nachstehenden Kriterien ermöglicht:

a) Ohne eine entsprechende medizinische Dokumentation für den individuellen Bedarf einer natürlichen Person dürfen nicht mehr als zehn Standardpackungen eingeführt werden. Hinsichtlich der Verwendung und Wirkung des betreffenden Medikaments erfolgt dies „auf eigene Verantwortung“

b) Sollte eine natürliche Person georgischer Staatsbürger Medikamente / Heilmittel in Standardpackung, einer größeren (mehr als 10) Zahl benötigen, kann das notwendige Medikament / Heilmittel entsprechend einer vorliegenden medizinischen Dokumentation mit der Auflistung / Berechnung der notwendigen Tagesdosis eingeführt werden. (VB des BM.I für Georgien und Aserbaidschan (31.1.2019): Auskunft des VB, per E-Mail)“.

Eine eventuell benötigte Therapie ist aus den angeführten Gründen auch in Georgien durchführbar, weswegen keine Verletzung der Artikel 2 und 3 dem EMRK festgestellt werden kann. Zudem ist anzuführen, dass sich auch das Gesundheitssystem in Georgien kontinuierlich verbessert und erweitert und auch die dort praktizierenden Ärzte im Rahmen des hippokratischen Eides auf die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Patienten achten und das Bestmögliche tun werden. Den Länderinformationen zu Georgien ist weiters zu entnehmen, wie sich der Zugang zur medizinischen Behandlung, besonders für Rückkehrer gestaltet:

Auswahl und Voraussetzungen: Georgische Staatsbürger sind automatisch versichert, hierfür muss lediglich die nächstgelegene Klinik aufgesucht werden. Weil die BF2 und die BF3 georgische Staatsbürger sind, sind sie automatisch versichert und müssen lediglich die nächstgelegene Klinik aufsuchen.

Registrierung: für georgische Staatsbürger genügt es im Krankheitsfall eine Klinik aufzusuchen, alle medizinischen Einrichtungen sind an der staatlichen Krankenversicherung beteiligt. Die BF sind jedenfalls in der Lage ist, eine Klinik aufzusuchen.

Benötigte Dokumente: nur gültiger Ausweis. Die BF sind im Besitz gültiger Ausweise.

Daher ist den BF2 und BF3 der Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich möglich. Die BF erfüllen alle Kriterien für den Zugang zu den entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten bei einer Rückkehr. Auch kann für Behandlungskosten, welche von Patienten selbst getragen werden müssen, bei der zuständigen Kommission des Ministeriums um Kostenersatz angesucht werden, wie den Länderinformationen zu entnehmen ist. Dass die BF2 und die BF3 einem realen Risiko ausgesetzt wären, unter qualvollen Umständen zu sterben, ergibt sich in diesem Fall nicht.

Es wird auch angemerkt, dass die BF2 und BF3 während des Rücktransfers in ihr Heimatland bei Bedarf ärztliches Beisein zur Verfügung gestellt werden kann. Bei einer Abschiebung nach Tiflis ist jedenfalls eine adäquate ärztliche Behandlung der BF realistisch und durchführbar. Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass die BF2 und BF3 im Herkunftsstaat für den Fall einer Rückkehr jedenfalls adäquat behandelt werden können und demnach für den Fall einer Rückkehr in keine lebensbedrohende Situation geraten würden. Eine fehlende Behandlungsmöglichkeit in Georgien liegt – wie umfassend dargelegt – jedenfalls nicht vor.

Zudem wurde schon im rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG vom 17.03.2021, Zl: L518 2206552-1/10E, hinsichtlich der Krankheitsbilder festgehalten „Im vorliegenden Fall konnten seitens der bP keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Georgien belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich“.

römisch II.2.9. Die wirtschaftliche Lage stellt sich für die BF bei einer Rückkehr nach Georgien ausreichend gesichert dar. Die Feststellungen zu Ihren Familienangehörigen und deren Aufenthalt ergeben sich aus den Angaben der BF1 und BF2 im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren, in der Einvernahme vor dem BFA und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung. Wie diesen entkommen werden kann, befinden sich zahlreiche Verwandte in Georgien, die notfalls Unterstützung leisten können. Es kann angenommen werden, dass die BF von Verwandten in Georgien unterstützt werden. Dass seitens der Verwandten kein Platz für die BF vorhanden wäre, kann somit nicht erkannt werden. Zudem ist zumindest der BF1 selbst arbeitsfähig und gab dieser im Rahmen der mündlichen Verhandlung bekannt, dass er arbeiten möchten. Durch die Beschäftigungen bzw. den erhaltenen Pensionen der in Georgien aufhältigen Verwandten wird demonstriert, dass diese nicht von „der Hand in den Mund“ leben, sondern vielmehr in finanziell gesicherten Verhältnissen, welche auch in weiterer Folge die Versorgung der BF nach der Rückkehr in Georgien ermöglicht.

römisch II.2.10. Schließlich ist im vorliegenden Beschwerdefall zu beachten, dass es sich bei den beschwerdeführenden Parteien um eine Familie mit einem minderjährigen Kind und damit um besonders vulnerable und besonders schutzbedürftige Personen handelt. Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung, ob den beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Artikel 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche Rückkehrsituation die BF tatsächlich vorfinden (siehe dazu statt aller VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 mwN; VfGH 11.12.2018, E 2025/2018).

Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass der minderjährige BF keiner besonders gefährdeten Gruppe angehört und ist auch von einer Rückkehr des minderjährigen BF gemeinsam mit seinen Eltern davon auszugehen, sodass die Betreuung, Erziehung und Beaufsichtigung der Minderjährigen sichergestellt ist. Das Gleiche gilt selbstverständlich für die zu 100 % behinderte und nicht selbsterhaltungsfähige BF3, welche vom Vater erwachsenen vertreten ist.

Das Bundesverwaltungsgericht kann außerdem in Ansehung des minderjährigen BF nicht die reale Gefahr erkennen, im Rückkehrfall von häuslicher Gewalt betroffen zu sein. BF1 und BF2 vermittelten den Eindruck, am Wohlergehen ihrer Kinder sehr interessiert zu sein. Hinweise auf gewalttätige Übergriffe auf den Minderjährigen im Bundesgebiet liegen nicht vor. Ausgehend davon ist auch nicht zu besorgen, dass der minderjährige BF im Rückkehrfall einem davon abgeleiteten Risiko ausgesetzt würde oder er sonst von häuslicher Gewalt betroffen wäre.

In Georgien ist die Grundversorgung mit Nahrung und medizinische Versorgung gegeben und steht den schulpflichtigen Kindern auch ein diskriminierungsfreier Zugang zum Schulsystem offen. Ob der obenstehenden Erwägungen und den getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsregion der BF ist nicht zu besorgen, dass der minderjährige BF als besonders vulnerable Personen im Rückkehrfall von terroristischen oder kriminellen Aktivtäten betroffen wäre. Aufgrund der Verfahrensergebnisse ist auch nicht davon auszugehen, dass er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit sonstiger Gewalt, wie etwa Blutrache oder einem Ehrenmord, zum Opfer fallen würden.

Ein dahingehendes Vorbringen wurde im Verfahren nicht erstattet und es kann das Bundesverwaltungsgericht in Ansehung der persönlichen Profile der BF auch kein amtswegig wahrzunehmendes besonderes Gefährdungsmoment erkennen.

Aufgrund der oben dargelegten Erwägungen zur sozioökonomischen Lage kann schließlich nicht die reale Gefahr erkannt werden, dass die BF im Rückkehrfall von einer unzureichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder von Unterernährung betroffen wären. Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, die Kinder für ihre Bedürfnisse benötigen, liegen ausweislich der Feststellungen nicht vor.

Ausgehend von den persönlichen Profilen der BF und den Erwägungen zur Lebensgrundlage im Herkunftsstaat geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass dem minderjährigen BF im Wege der Versorgung durch seine Eltern und der durch das breite familiäre Netzwerk erlangbaren Hilfe nicht nur eine hinreichende Absicherung im Hinblick auf die Güter des täglichen Bedarfs, sondern insbesondere auch im Hinblick auf ihre altersgerechten Bedürfnisse erfahren werden.

Für den Fall einer Rückkehr ist demnach nicht davon auszugehen, dass den BF Ihre Lebensgrundlage entzogen wäre. Vielmehr haben Sie in Georgien familiären Anschluss und steht Ihnen die Rückkehr in Ihren Familienverband unverändert offen. Laut Länderinformationen gibt es in Georgien zudem für Familien, welche unter der Armutsgrenze leben, die Möglichkeit, um Sozialhilfe anzusuchen.

Gemäß Paragraph 52 a, BFA-VG kann auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für ihren Neubeginn in der Republik Georgien gewährt werden. Rückkehrerinnen werden auf Basis dieser gesetzlichen Grundlage vom ersten Informationsgespräch bis zur tatsächlichen Rückreise in einer Einrichtung beraten, begleitet und umfassend unterstützt. Die Bereitschaft zur Rückkehr ist darüber hinaus eng verbunden mit der Schaffung von Überlebensgrundlagen im Herkunftsstaat. Abgestimmt auf die individuelle Situation der Rückkehrenden sind verschiedene Formen der Unterstützung notwendig bzw. möglich: Schaffung des Zugangs zu Wohn-, Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten; Beschaffung von Arbeitsgeräten; Vermittlung zu den Hilfsorganisationen im Heimatland; finanzielle Unterstützung. Durch den Aufbau eines Netzwerkes von Kontakten zu Hilfsorganisationen in den jeweiligen Rückkehrländern soll der Neubeginn der rückkehrenden, in der Regel entwurzelten Menschen während der Anfangsphase erleichtert werden vergleiche hierzu www.verein-menschenrechte.at und www.caritas.at/return).

Rückkehrerinnen, die Unterstützung benötigen, sind bislang vor allem auf Familie und Freunde angewiesen. Internationale Organisationen – wie IOM, ICMPD –bieten ebenfalls Unterstützung an.

Um die Reintegration der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, wurden 650.000 Lari (ca. 216.460 Euro) aus dem Staatshaushalt 2018 bereitgestellt, die an förderungswürdige NGOs verteilt werden:

- Öffentliche Fürsprache" - Tiflis, Kvemo Kartli, Mtskheta-Mtianeti

- Samtskhe-Javakheti Regionalverband "Toleranti" - Samtskhe-Javakheti, Shida Kartli

- Stiftung "AbkhazInterncont"(AIC) - Samegrelo-Zemo Svaneti

- Vereinigung junger Wissenschaftler "Intellekt" - Adjara, Guria

- Fonds "AbkhazInterncont"(AIC) - Racha-Lechkhumi, Kvemo Svaneti

- Kakheti Regional Development Foundation (KRDF) – Kakheti

Um den Wiedereingliederungsprozess der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, werden die NGOs die folgenden Dienstleistungen für die Begünstigten erbringen – gültig für das gesamte Staatsgebiet:

- Bereitstellung von medizinischer Behandlung und Medikamenten

- Finanzierung einkommensschaffender Projekte

- Unterstützung der beruflichen Weiterbildung/Umschulung und Qualifizierung der

Begünstigten

- Bereitstellung von temporären Unterkünften (SCMI 9.3.2018).

Im staatlichen Programm sind jene teilnahmeberechtigt, die georgische Bürger oder staatenlos sind und über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen; sich mehr als ein Jahr illegal im Ausland aufgehalten haben oder im Ausland um Asyl angesucht haben, und seit weniger als einem Jahr in Georgien sind (MRA o.D.). Die BF erfüllen somit die Voraussetzungen für die Teilnahme an diesem staatlichen Programm.

Aufgrund des weiträumigen familiären Netzwerkes kann daher nicht erkannt werden, dass die BF nicht wiederum nach der Rückkehr Unterkunft und familiäre Unterstützung vorfinden. Ferner spricht nichts dagegen, dass der BF1 nach der Rückkehr berufliche Tätigkeiten aufnimmt, um für ein geregeltes Familieneinkommen zu sorgen. Zumindest die Annahme einer Teilzeitbeschäftigung ist jedenfalls vorstellbar.

In diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die rechtsfreundlich vertretenen BF im Rahmen der ihnen bekannten Obliegenheit zur Bescheinigung ihres Vorbringens keinen einzigen Beleg über das Nichtvorhandensein von Wohnmöglichkeiten oder die Behandlungskosten in Georgien vorlegten. Es wurde lediglich substanzlos behauptet, dass die BF keine Wohnmöglichkeit und keinen Kontakt zu Verwandten in Georgien hätten. Dass dies nicht ansatzweise der Realität entspricht ist bereits den Feststellungen zu den Familienangehörigen und Verwandten des BF1 und der BF2 zu entnehmen. Genauso beruhen die Behauptungen des BF1 und der BF2, dass in Georgien keine adäquate Nachbehandlung bzw. eine solche nur im Ausland möglich wäre auf bloßen Mutmaßungen. Einzelne Fehldiagnosen bzw. Komplikationen sind in jedem Land möglich und können auch mittlerweile in Österreich nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

Auch aufgrund des ergänzendem Ermittlungsverfahren und im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergab sich keine andere Einschätzung des Sachverhaltes, wie dies bereits in der ersten ho. ergangen Entscheidungsfindung aufgezeigt wurde.

römisch II.2.11. Zu den Gründen für das über den BF1 und die BF2 erlassenen Einreiseverbotes bleibt noch festzuhalten, dass die Aufzählung des Paragraph 53, FPG demonstrativ und demnach nicht als enumerativ abschließend anzusehen ist. Dies geht auch eindeutig aus dem Gesetzestext hervor, nachdem klar festgestellt wird, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit insbesondere gegeben ist, wenn einer der aufgezählten Tatbestände des Paragraph 53, Absatz 2, FPG vorliegt. Es sind daher weitere Verhaltensweisen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, jedenfalls auch geeignet ein Einreiseverbot zu rechtfertigen.

Das Fehlverhalten der BF1 und BF2, nämlich die Nichteinhaltung der behördlichen bzw. gerichtlichen Anweisung in der gewährten Frist das Bundesgebiet bzw. das Schengengebiet zu verlassen, bzw. eine damit einhergehende rechtskräftige Bestrafung iSd Paragraph 53, Absatz 2, Ziffer 3, FPG wurde seitens der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung eingeräumt, wenn diese ausführt, eine Geldstrafe in der Höhe von € 500.—bekommen zu haben, da die Familie nicht ausgereist ist und diese Strafe in Raten beglichen wird und stellt diese Verhaltensweise sehr wohl eine Gefahr dar, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden. Mit Beschluss des VfGH vom 08.06.2021 wurde die Behandlung der Beschwerde gegen die Erkenntnisse des BVwG abgelehnt und die Entscheidung sohin rechtskräftig. Weil vom BVwG im Erkenntnis eine zweimonatige Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt wurde, halten sich die die BF demnach seit 09.08.2021 rechtswidrig und illegal im Bundesgebiet auf. Auch ist kein sonstiges Aufenthalt- oder Bleiberecht ersichtlich. Aus diesem Grund wurde gegen die BF1 bis BF3 von der LPD Salzburg eine Strafverfügung wegen der Übertretung gemäß Paragraph 120, Absatz eins a, in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 8, FPG erlassen. Dessen ungeachtet stellten die BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen und gaben auch bei der zweiten Rückkehrberatung am 01.03.2023 bekannt, nicht ausreisen zu wollen.

Die BF1 und BF2 sind somit nicht gewillt, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen und versuchen offensichtlich die Republik Österreich, durch den jahrelangen rechtswidrigen Aufenthalt, ein Recht zum Verweilen im Bundesgebiet abzunötigen. Aus diesem Grund ging das BFA zu Recht davon aus, dass die BF1 und BF2 die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden.

römisch II.3. Rechtliche Beurteilung:

römisch II.3.1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, Sicherer Herkunftsstaat

Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß Paragraph 6, des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 10 aus 2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Dass Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, idgF geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Paragraph eins, BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 144 aus 2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. Paragraphen 16, Absatz 6,, 18 Absatz 7, BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.

römisch II.3.1.2. Familienverfahren gemäß Paragraph 34, AsylG:

Stellt ein Familienangehöriger von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist (Ziffer eins,); einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8,) zuerkannt worden ist (Ziffer 2,) oder einem Asylwerber (Ziffer 3,) einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt gemäß Paragraph 34, Absatz eins, AsylG dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Gemäß Paragraph 34, Absatz 4, AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Absatz 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Gemäß Paragraph 34, Absatz 5, AsylG gelten die Bestimmungen der Absatz eins bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 22, AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet, der minderjährige BF4 ist das leiblichen Kind der beiden. Hinsichtlich der BF1, BF2 und BF4 liegt daher ein Familienverfahren gemäß Paragraph 34, AsylG vor. Für die BF3, bei der ein Behinderungsgrad von 100% festgestellt wurde, wurde der BF1 als Erwachsenenvertreter bestellt.

Mangels Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 56, AsylG kann hinsichtlich der BF3 keine andere Entscheidung als bei den BF1, BF2 und BF4 ergehen, auch wenn diese – nicht mehr – im Familienverfahren geführt werden kann.

Zu A)

römisch II.3.2. Zur Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 56, AsylG:

römisch II.3.2.1. die gesetzlichen Bestimmungen lauten:

56 AsylG

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Absatz eins, Ziffer eins und 2 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Paragraph 60, Absatz 2, Ziffer eins bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 26,) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.“

Paragraph 60, AsylG 2005 „Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen“

(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß Paragraphen 52, in Verbindung mit 53 Absatz 2, oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 56, dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Paragraph 11, Absatz 5, NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2. im Falle der Paragraphen 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.“

Gemäß Paragraph 11, Absatz 5, NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Absatz 2, Ziffer 4,), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des Paragraph 293, des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), Bundesgesetzblatt Nr. 189 aus 1955,, entsprechen.

Für Alleinstehende beträgt dieser Richtsatz ab 01.01.2022 EUR 1.030,49. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in Paragraph 292, Absatz 3, zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe (EUR 309,93 für das Jahr 2022) unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (Paragraph 2, Absatz 4, Ziffer 3,) oder durch eine Haftungserklärung (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 15,) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß Paragraph 291 a, der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

Paragraph 9, IntG lautet auszugsweise:

[…]

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß Paragraph 11, vorlegt,

Anmerkung, Ziffer 2, aufgehoben durch Art. römisch III Ziffer 15,, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 41 aus 2019,)

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des Paragraph 64, Absatz eins, Universitätsgesetz 2002, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 120 aus 2002,, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß Paragraph 41, Absatz eins, oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß Paragraph 43 a, NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer eins bis 3 Kunstförderungsgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 146 aus 1988,, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (Paragraph 10,) beinhaltet das Modul 1.

[…]“

Paragraph 11, IntG lautet:

(1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom Österreichischen Integrationsfonds durchgeführt.

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

(3) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Qualifikationen der Prüfer sowie die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 1 werden durch Verordnung der Bundesministerin, die für die Angelegenheiten der Integration zuständig ist, festgelegt.“

römisch II.3.2.2. Im gegenständlichen Fall sind die Voraussetzungen nach Paragraph 56, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG erfüllt, weil sich die BF seit 23.07.2017, somit seit annähernd sechs Jahren, im Bundesgebiet aufhalten.

Im Hinblick auf den Tatbestand des Paragraph 56, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG musste darüber hinaus der Aufenthalt über zumindest einen Zeitraum von drei Jahren rechtmäßig sein. Im vorliegenden Fall halten sich die BF seit beinahe sechs Jahren im Bundesgebiet auf. Ihre Anträge auf internationalen Schutz wurde vom BFA mit Bescheid vom 03.09.2018 abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig ist. Vom BVwG wurde schließlich die Beschwerde gegen die Bescheide des BFA mit Erkenntnis vom 17.03.2021 als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom VfGH mit Beschluss vom 08.06.2021 abgelehnt. Eine Revision an den VwGH wurde nicht erhoben. Weil im Erkenntnis des BVwG eine Frist von zwei Monaten zur freiwilligen Ausreise gewährt wurde, befinden sich die BF seit 09.08.2021 rechtswidrig im Bundesgebiet. Der bestehenden Ausreiseverpflichtung wird beharrlich nicht nachgekommen. Sie halten sich bald zwei Jahre illegal im Bundesgebiet auf und beziehen zudem Grundversorgung und medizinische Leistungen. Zudem begründen Anträge gemäß Paragraphen 55 bis 57 AsylG 2005 gemäß Paragraph 58, Absatz 13, leg cit kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Der rechtmäßige Aufenthalt des BF beläuft sich sohin auf etwas mehr als vier Jahre. Damit ist zumindest mehr als die Hälfte und jedenfalls auch mehr als drei Jahre ihres festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen, weshalb auch Paragraph 56, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG erfüllt ist.

Die Voraussetzungen des Paragraph 56, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG erfüllen die BF nicht. Es wurde keinen Nachweis des ÖSD über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 vorgelegt. Lediglich von der BF2 wurde ein A1 Zertifikat vorgelegt.

römisch II.3.2.3. Bei der Bestimmung des Paragraph 56, Absatz eins, AsylG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Behörde, jedoch wird diese durch die Gebundenheit an die in Paragraph 60, AsylG angeführten, allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen eingeschränkt.

Nach Paragraph 56, Absatz 3, AsylG hat die Behörde überdies den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen.

Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach Paragraph 56, Absatz eins, AsylG setzt somit neben der Erfüllung der Voraussetzungen der Ziffer eins bis 3 legcit. auch voraus, dass ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliegt (VwGH 29.03.2022, Ra 2021/22/0069).

Gesetzeszweck des Paragraph 56, AsylG 2005 ist die Bereinigung von besonders berücksichtigungswürdigen "Altfällen" unter isolierter Bewertung allein des faktischen - notwendigerweise mindestens zur Hälfte rechtmäßigen - Aufenthaltes sowie des Grades der in Österreich erlangten Integration. Den betroffenen Drittstaatsangehörigen soll in diesen Fällen die Möglichkeit zur Legalisierung ihres Aufenthalts durch Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben werden, wobei hiervon jene Konstellationen erfasst sein sollen, in denen die Schwelle des Artikel 8, EMRK, sodass gemäß Paragraph 55, AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, noch nicht erreicht wird (zuletzt VwGH 22.03.2021, Ra 2020/21/0448 mit Verweis auf VwGH 29.04.2010, 2009/21/0255; VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0032, 0033).

Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliegt, können die in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten, bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Artikel 8, EMRK zu beachtenden Gesichtspunkte einfließen, und zwar in dem Maße, als sie auf den Integrationsgrad des Fremden Auswirkungen haben. Jedoch spielen – mangels Bedeutung für den Integrationsgrad – allfällig vorhandene, aber auch fehlende Bindungen zum Heimatstaat (iSd Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 5, BFA-VG) oder die Unsicherheit des Aufenthaltsstatus (iSd Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG) keine Rolle (VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0032).

römisch II.3.2.4. Im gegenständlichen Fall weist keiner der vier BF einen besonders hohen bzw. geforderten Integrationsgrad auf:

Die BF hielten sich – wie bereits ausgeführt – von März 2017 bis August 2021 über vier Jahre auf Grundlage ihrer Anträge auf internationalen Schutz rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Anträge auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des Bundesamtes vom 03.09.2018 abgewiesen. Vom BVwG wurde die Beschwerde gegen diese Bescheide mit Erkenntnis vom 17.03.2021 als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 08.06.2021 abgelehnt. Die BF halten sich demnach seit annähernd zwei Jahren rechtswidrig im Bundesgebiet auf und kommen ihrer Ausreiseverpflichtung beharrlich nicht nach. Auch sind sich die BF ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes bewusst, es fanden zwei Rückkehrberatungsgespräche statt und wurde gegen die BF1 bis BF3 Straferkenntnisse der LPD Salzburg erlassen. Die BF haben durch ihr nachhaltiges rechtsmissbräuchliches Verhalten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht gewillt sind, die österreichische Rechtsordnung zu respektieren und suchen zudem konträr dazu um einen Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen an.

Die BF leben von der Grundversorgung und haben Deutschkurse besucht. Der BF1 hat bis dato keine Prüfung absolviert. Er war zweitweise als selbständiger Hausmeister beschäftigt, die Gewerbeberechtigung erlosch am 18.08.2022. Er ist in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglied. In der Pfarre ist der BF1 fallweise ehrenamtlich tätig. Bezüglich österreichischer Freunde gab der BF1 vier männliche Vornamen bekannt. Die BF2 brachte ein A1-Diplom in Vorlage. Sie ist in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglied und betätigt sich fallweise in der Pfarre. Für die BF1 und BF2 wurde eine unkonkrete Einstellungszusage der Fa. Maiskogelblick GmbH in Vorlage gebracht. Bezüglich österreichischer Freunde konnte sie acht Vornamen bekannt geben. Die BF3 absolviert aktuell eine Schwimmtherapie. Der BF4 besucht die dritte Klasse der Volksschule und spielt in Bruck in der U10 Mannschaft Fußball.

Die BF sind im Bundesgebiet nicht wirtschaftlich integriert und folgerichtig nicht selbsterhaltungsfähig. Sie sind außerhalb der Familie für niemanden sorgepflichtig. Sie finanzieren ihren Aufenthalt lediglich durch den Erhalt der Grundversorgung.

Auch die gesellschaftliche Integration der BF ist insgesamt als moderat zu bezeichnen. Die BF haben keine weitergehenden Integrationsschritte wie z.B. eine Vereinsmitgliedschaft o.ä. gesetzt, lediglich der minderjährige BF4 spielt im Verein Fußball. Ehrenamtlich sind der BF1 und die BF2 fallweise in der Pfarre tätig. Auch wenn ein Konvolut von Unterstützungsschreiben vorgelegt wurde, kamen keine Tatsachen hervor, welche auf einen großen Freundes- oder Bekanntenkreis schließen würden, den sie auch tatsächlich kennen. So konnte der BF1 auf die Frage des Richters in der mündlichen Verhandlung, welche österreichischen Freunde er hätte, lediglich vier männliche Vornamen bekannt geben, die BF2 teilte acht Vornamen mit. Hinsichtlich Deutschkenntnissen wurde lediglich von der BF2 ein A1 Zertifikat in Vorlage gebracht, die BF sind – abgesehen vom BF4, der die Schule besucht – nicht imstande, sich auf Deutsch zu unterhalten. Insgesamt betrachtet steht außer Zweifel, dass der Grad der Integration der BF nicht in einer Weise fortgeschritten ist, dass von einem besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinne des 56 AsylG ausgegangen werden könnte.

Die BF verfügen auch über keine Verwandten im Bundesgebiet und es besteht auch zu niemanden ein Abhängigkeitsverhältnis.

In Georgien wohnen noch eine Tochter, die Mutter, zwei Brüder und zahlreiche Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins des BF1. Die Eltern beziehen eine Pension und besitzen eine eigene Landwirtschaft, die aktuell von einem Bruder bewirtschaftet wird und eine Eigentumswohnung in Rustavi. Der BF1 hat regelmäßig Kontakt zu seinen Verwandten. Hinsichtlich der BF2 wohnen noch der Vater, fünf Schwestern und ein Bruder in Georgien. Zwei der Schwestern haben eigene Familien gegründet und leben von den Einkommen ihrer Gatten, zwei Schwestern leben zusammen mit dem Vater und dem Bruder in einem Dorf. Mehrere Schwestern gehen Beschäftigungen nach. Der Vater war Polizist und bezieht eine Pension. Der Bruder ist Jurist. Die Familie der BF2 besitzt ein Haus im Dorf römisch 40 . Die BF2 hat Kontakt zu ihren Verwandten. Vor ihrer Ausreise wurden die BF bereits finanziell bzw. mit Lebensmitteln von ihren Familienangehörigen unterstützt und können diese Unterstützung auch nach ihrer Rückkehr wieder erwarten. Sie lebten in der Stadt Rustavi in der Eigentumswohnung der Eltern des BF1.

Das Bundesverwaltungsgericht geht insgesamt nicht von einer derart starken intensiven Beziehung aus, sodass keine schützenswertes Privat- und Familienleben des BF in Österreich vorliegt. Sonstige soziale Beziehungen mit Ausnahme von losen Bekannten haben die BF nicht. Die BF haben sich sonst auch nicht in der österreichischen Gesellschaft außergewöhnlich engagiert, sind – vom BF4 abgesehen – auch nicht Mitglieder in einem Verein oder einer Organisation. Auch eine beachtliche sprachliche Integration liegt nicht vor, eine außergewöhnliche schulische/berufliche sowie soziale Integration ist nicht gegeben vergleiche VwGH 11.06.2014, 2013/22/0356). Das Gericht erkennt im Falle der BF, die sich auf aufgrund eines unbegründeten Asylantrages im Bundesgebiet aufhielten und nunmehr einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen beantragten, nicht einen zu bereinigenden Altfall und einen besonders hohen Integrationsgrad iSd Paragraph 56, AsylG 2005.

Abschließend ist auch noch ergänzend anzumerken, dass zumindest die volljährigen BF nach wie vor enge Bindungen zu ihrem Heimatstaat aufweisen. Sie verbrachten den Großteil ihres gesamten Lebens in Georgien, sind mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates vertraut und sprechen die dortige Landessprache. Ferner leben in Georgien noch die bereits oben angeführten Verwandten.

Gegenständlich ist daher insgesamt ersichtlich, dass die BF über keinen hohen Grad der Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht verfügen. Ihr Integrationsgrad ist für das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles nicht ausreichend. Insgesamt fehlt es damit bereits an der zwingenden Tatbestandsvoraussetzung eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles (VwGH 11.02.2020, Ra 2019/21/0308), sodass die Prüfung der Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen des Paragraph 60, Absatz 2, Ziffer eins bis 3 AsylG im gegenständlichen Fall unterbleiben konnte.

Aber selbst bei einer hypothetischen Prüfung, würden die Erteilungsvoraussetzungen des Paragraph 60, Absatz 2, AsylG im konkreten Fall nicht vorliegen. Die BF leben nach wie vor in einem Quartier der Grundversorgung und gehen keiner geregelten, legalen Arbeit nach. Sie sind nur durch die Grundversorgung versichert und es ist davon auszugehen, dass ein weiterer Verbleib im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der österreichischen Gebietskörperschaften führen wird. Ein konkreter arbeitsrechtlicher Vorvertrag wurde nicht vorgelegt, aus der übermittelten Einstellungszusage sind weder ein Beschäftigungsausmaß, noch eine vorgesehene Entlohnung ersichtlich. Die kurzzeitig zur Verfügung stehende Gewerbeberechtigung zur Ausübung des freien Gewerbes der Hausbetreuung und

Reinigung wurde zwar vom BF1 fallweise in Anspruch genommen, ein tragfähiges Einkommen, von den die Familie leben könnte, wurde damit zu keiner Zeit erzielt. Auch konnten die BF keinen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nachweisen oder eine Patenschaftserklärung in Vorlage bringen.

Wie beweiswürdigend umfassend erläutert stellt der weitere Aufenthalt des BF darüber hinaus aufgrund ihrer beharrlichen Weigerung, das Bundesgebiet zu verlassen und des damit einhergehenden fehlenden Unrechtsbewusstseins eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Die BF erfüllen daher auch in diesem Zusammenhang nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach Paragraph 60, AsylG.

Unter Zugrundelegung auch dieser Erwägungen teilt das BVwG die Ansicht des BFA, wonach die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen jedenfalls nicht erfüllt sind.

Folglich wies die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8, EMRK nach Paragraph 56, AsylG zu Recht ab und war folgerichtig die Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch eins. abzuweisen.

römisch II.3.3. Zur Rückkehrentscheidung

römisch II.3.3.1. Die relevanten Bestimmungen lauten:

Paragraph 10, AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

Paragraph 10, (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des Paragraph 58, Absatz 9, Ziffer eins bis 3 vorliegt.“

Paragraph 9, BFA-VG: Schutz des Privat- und Familienlebens

Paragraph 9, (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Paragraph 52, FPG, Rückkehrentscheidung:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.           nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.           nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.           dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.           dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.           ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.           ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.           nachträglich ein Versagungsgrund gemäß Paragraph 60, AsylG 2005 oder Paragraph 11, Absatz eins und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2.           ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins,, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.           ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins,, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.           der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (Paragraph 11, Absatz eins und 2 NAG) entgegensteht oder

5.           das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), Bundesgesetzblatt römisch eins. Nr. 68 aus 2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß Paragraph 24, NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt – EU” verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß Paragraph 53, Absatz 3, die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Absatz eins, zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Absatz eins, ist abzusehen, wenn ein Fall des Paragraph 45, Absatz eins, vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des Paragraph 16, Absatz 4, BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist Paragraph 28, Absatz 2, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013, auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, kann auch über andere als in Absatz 9, festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Artikel 8, EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

römisch II.3.3.2. Gemäß Paragraph 52, Absatz 3, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird. Das Bundesamt hat seine Entscheidung richtigerweise auf Paragraph 52, Absatz 3, FPG gestützt, weil der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 56, AsylG 2005 abgewiesen wurde.

Gemäß Paragraph 10, Absatz 3, AsylG 2005 ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 AsylG 2005 abgewiesen wurde, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des Paragraph 58, Absatz 9, Ziffer eins bis 3 AsylG 2005 vorliegt.

Ein Fall des Paragraph 58, Absatz 9, Ziffer eins bis 3 AsylG 2005 liegt gegenständlich nicht vor.

Gemäß Paragraph 59, Absatz 5, FPG bedarf es, wenn gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß Paragraph 53, Absatz 2 und 3 hervorgekommen.

Im Hinblick auf Paragraph 59, Absatz 5, FPG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, dass im Sinne der Verfahrensökonomie rechtskräftige Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverbot gerade bei Folgeanträgen weiter als Rechtsgrundlage für eine Außerlandesbringung dienen können vergleiche zuletzt VwGH 31.03.2020, Ra 2019/14/0209, mwN). Nur im Falle einer Änderung des für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots relevanten Sachverhalts bedarf es einer neuerlichen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können vergleiche VwGH 26.03.2019, Ra 2019/19/0018; 22.03.2018, Ra 2017/01/0287; 19.11.2015, Ra 2015/20/0082 bis 0087). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass Paragraph 59, Absatz 5, FPG (in diesem Umfang) eine spezielle Regelung der Rechtskraft (einer Rückkehrentscheidung) darstellt (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/01/0287). Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist vergleiche zu allem VwGH 28.04.2017, Ra 2017/03/0027, mwN). Diese Bindungswirkung besteht innerhalb der Grenzen der Rechtskraft, sohin nicht im Falle einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage vergleiche VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0029).

Die gegen die BF bestehende rechtskräftige Rückkehrentscheidung ist nicht mit einem Einreiseverbot verbunden. Gemäß der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fällt diese Rückkehrentscheidung daher nicht in den Anwendungsbereich von Paragraph 59, Absatz 5, FPG und ist die verfahrensgegenständliche zurückweisende Entscheidung – da kein Fall des Paragraph 58, Absatz 9, Ziffer eins bis 3 AsylG 2005 vorliegt – aus diesem Grund, unabhängig vom Bestehen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung im Entscheidungszeitpunkt, gemäß Paragraph 52, Absatz 3, FPG und Paragraph 10, Absatz 3, AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

Gemäß Paragraph 52, FPG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.

römisch II.3.3.3. Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK begründet, stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen – etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder – äußern können vergleiche mwN (u. a. EGMR 02.11.2010, Serife Yigit gegen die Türkei) VwGH 29.11.2017, Ra 2017/18/0425). In der soeben zitierten Entscheidung ging der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte von folgendem Sachverhalt aus, den er als Familienleben im Sinne des Artikels 8 Absatz eins, EMRK qualifizierte: Beziehungsdauer und Zusammenleben von über 25 Jahren, sechs gemeinsame Kinder, religiöse Trauung über 25 Jahre vor dem Ende der Beziehung infolge des Todes eines der Partner.

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

römisch II.3.3.4. Die BF haben in Österreich keine Verwandten. Es besteht folglich außerhalb der Familie kein Abhängigkeitsverhältnis. Die BF wohnen, wie schon in Georgien, in einem gemeinsamen Haushalt, sie pflegen normale soziale Kontakte. Eine besondere Integration ist nicht ansatzweise erkennbar, die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar.

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme bewirkt somit lediglich einen Eingriff in das Privatleben des BF.

Es ist somit zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Artikel 8, EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Artikel 8, Absatz 2, EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

Die Aufenthaltsdauer nach Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins, BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist vergleiche etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu vergleiche VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0058; VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070 unter Hinweis auf VwGH 21.01.2016, Ra 2015/22/0119; 10.05.2016, Ra 2015/22/0158; 15.03.2016, Ra 2016/19/0031). Erst bei einem (knapp unter) zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden kann regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich ausgegangen werden vergleiche VwGH 14.04.2016; Ra 2016/21/0029).

Die Dauer des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet seit der Einreise im März 2017 beträgt sechs Jahre. Eine derartige Aufenthaltsdauer in Österreich stellt nun zwar keine geringe Dauer dar, führt aber nicht per se dazu, dass seine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären wäre. Ferner wird die Relevanz der Aufenthaltsdauer erheblich gemindert, zumal die BF abgesehen von seinem zulässigen Aufenthalt im Rahmen des rechtskräftig negativ entschiedenen Asylverfahrens nie über ein anderes Aufenthaltsrecht für Österreich verfügten. Der Aufenthalt der BF ist seit 09.08.2021 rechtswidrig, der bestehenden Ausreiseverpflichtung kamen die BF bis dato beharrlich nicht nach.

Weder der verfahrensanhängige Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 56, AsylG, noch die Erhebung der gegenständlichen Beschwerde begründen ein Aufenthalts- oder Bleiberecht in Österreich. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch auf Erteilung der beantragten Aufenthaltsberechtigung bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfGH 12. 6. 2010, U 613/10-10, vergleiche idS VwGH 11. 12. 2003, 2003/07/0007).

Seit der Nichtbehandlung der Beschwerde durch den VfGH vom 08.06.2021 halten sich die BF seit 09.08.2021 (es wurde eine Frist von zwei Monaten zur freiwilligen Ausreise gewährt) rechtswidrig in Österreich auf und kamen ihrer Pflicht zum Verlassen des österreichischen Bundesgebietes bis dato entschieden nicht nach. Die Anträge auf internationalen Schutz wurden mit Bescheid des Bundesamtes vom 0309.2018 abgewiesen, womit sich die BF ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bereits sehr früh bewusst gewesen sein mussten. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist vergleiche VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

römisch II.3.3.5. Der BF halten sich seit dem 23.03.2017 durchgehend in Österreich auf. Die BF leben von der Grundversorgung und haben Deutschkurse besucht. Der BF1 hat bis dato keine Prüfung absolviert. Er war zweitweise als selbständiger Hausmeister beschäftigt, die Gewerbeberechtigung erlosch am 18.08.2022. Er ist in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglied. In der Pfarre ist der BF1 fallweise ehrenamtlich tätig. Bezüglich österreichischer Freunde gab der BF1 vier männliche Vornamen bekannt. Die BF2 brachte ein A1-Diplom in Vorlage. Sie ist in keinen Vereinen oder Organisationen Mitglied und betätigt sich fallweise in der Pfarre. Für die BF1 und BF2 wurde eine unkonkrete Einstellungszusage der Fa. Maiskogelblick GmbH in Vorlage gebracht. Bezüglich österreichischer Freunde konnte sie acht Vornamen bekannt geben. Die BF3 absolviert aktuell eine Schwimmtherapie. Der BF4 besucht die dritte Klasse der Volksschule und spielt in Bruck in der U10 Mannschaft Fußball.

In diesem Zusammenhang ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst die – hier bei weitem nicht vorhandenen – Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt vergleiche VwGH 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029). Die gesamte Stufe "A" (A1 und A2) bezieht sich auf den Standard der elementaren Sprachverwendung und reichen die derartigen Ausbaustufen aber bis zum Stand "C2", welcher einer nahezu muttersprachlichen Verwendung der jeweiligen Sprache gleichkommt. Einzig von der BF1 wurde ein Zertifikat – auf dem Niveau A1 – vorgelegt. Weitere Bemühungen der BF, sich in Österreich zu integrieren, sind nicht zu erkennen. Der BF4 besucht die Schule, dies ist jedoch folgerichtig nicht als Zeichen einer Integration zu werten. Eine berücksichtigungswürdige Integration der BF ist im konkreten Fall nicht ansatzweise erkennbar. Dies wurde zudem bereits im Erkenntnis des BVwG vom 17.03.2021 festgestellt, worin eine intensive Auseinandersetzung mit dem Privat- und Familienleben stattfand. In diesem Erkenntnis hat das BVwG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Erlassung in Ihrem Fall kein schützenswertes Privat- und Familienleben vorlag. Wesentliche Änderungen haben sich bis dato nicht ergeben.

Hinsichtlich der äußerst unkonkreten Einstellungszusage der Fa. römisch 40 GmbH bleibt noch festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer Einstellungszusage gegenüber einem Asylwerber, der nur über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Vorschriften und nicht über eine Arbeitserlaubnis verfügt, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mwN) und ist dies nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch auf den gegenständlichen Fall zu übertragen. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob den Betroffenen ein "Vorwurf" im Hinblick auf eine unterlassene Integration am Arbeitsmarkt zu machen ist, sondern darauf, ob ihm diese objektiv gelungen ist oder nicht vergleiche VwGH 19.04.2012, 2010/21/0242). Fallbezogen ist nach den getroffenen Feststellungen die wirtschaftliche Integration des BF in Österreich als im Entscheidungszeitpunkt (noch) nicht gelungen anzusehen und erweist sich die Einstellungszusage angesichts des äußeren Erscheinungsbildes als Gefälligkeitsschreiben. Dass sich der potentielle Arbeitgeber um eine entsprechende Arbeitsbewilligung bemüht hätte, wurde nicht substantiiert dargelegt.

Insgesamt besteht noch keine derartige Verdichtung der persönlichen Interessen, dass der BF schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des Artikel 8, EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste vergleiche VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).

Bei dieser Interessenabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 5, BFA-VG (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen vergleiche VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).

Die Bindungen zum Heimatstaat des BF sind deutlich stärker ausgeprägt. So besuchten die BF1 und BF2 dort die Schule, absolvierten eine Ausbildung zum Elektriker (BF1) und Keramikerin (BF2) und waren jahrelang beruflich legal beschäftigt. Die BF wurden in Georgien sozialisiert und sprechen die dortige Sprache auf muttersprachlichen Niveau. In Georgien wohnen noch eine Tochter, die Mutter, zwei Brüder und zahlreiche Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins des BF1. Die Eltern beziehen eine Pension und besitzen eine eigene Landwirtschaft, die aktuell von einem Bruder bewirtschaftet wird und eine Eigentumswohnung in Rustavi. Der BF1 hat regelmäßig Kontakt zu seinen Verwandten. Hinsichtlich der BF2 wohnen noch der Vater, fünf Schwestern und ein Bruder in Georgien. Zwei der Schwestern haben eigene Familien gegründet und leben von den Einkommen ihrer Gatten, zwei Schwestern leben zusammen mit dem Vater und dem Bruder in einem Dorf. Mehrere Schwestern gehen Beschäftigungen nach. Der Vater war Polizist und bezieht eine Pension. Der Bruder ist Jurist. Die Familie der BF2 besitzt ein Haus im Dorf Saguramo. Die BF2 hat Kontakt zu ihren Verwandten. Vor ihrer Ausreise wurden die BF bereits finanziell bzw. mit Lebensmitteln von ihren Familienangehörigen unterstützt und können diese Unterstützung auch nach ihrer Rückkehr wieder erwarten. Sie lebten in der Stadt Rustavi in der Eigentumswohnung der Eltern des BF1.

Zumindest beim BF1 handelt es sich um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann, weswegen nicht erkennbar ist, inwiefern sich die BF im Falle ihrer Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenüberstehen könnten. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung der BF zu Georgien auszugehen.

Es ist auch davon auszugehen, dass die BF Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage im Falle einer Rückkehr haben. Beim BF1 handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann, der über umfassende Schulbildung sowie über Berufserfahrung verfügt. Es kann daher die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden. Aus welchen Gründen der BF1 bei einer Rückkehr nach Georgien nicht in der Lage sein sollte, für seinen und den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen, ist nicht ersichtlich, zumal er auch über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse in Georgien verfügt. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der B1F in der Lage sein wird, in seinem Heimatland, dessen Sprache er spricht, sich eine Existenzgrundlage aufzubauen umso, wie bereits vor der Ausreise, für seine Familie sorgen zu können. Auch wird er anfänglich Unterstützung von der in Georgien aufhältigen Verwandten erwarten können.

Zu Ungunsten der BF ist selbstverständlich jener Umstand zu berücksichtigen, dass sie durch ihren unrechtmäßigen Verbleib in Österreich nach rechtskräftiger Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz und in Missachtung des in Form der damit verbundenen Rückkehrentscheidung erlassenen Ausreisebefehls versucht haben, in Bezug auf ihren Aufenthalt vollendete Tatsachen zu schaffen, was dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen widerspricht, dem ein hoher Stellenwert zukommt vergleiche VwGH 23.01.2020, Ra 2020/21/0002 unter Hinweis auf VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0020, Rn. 7). Hinzu kommt erschwerend, dass die BF bei zwei Rückkehrberatungsgesprächen eindeutig zum Ausdruck brachten, nicht nach Georgien zurückkehren zu wollen, obwohl sich dort sogar noch eine Tochter aufhält. Auch wurden gegen die volljährigen BF Strafverfügungen wegen dem illegalen Aufenthalt von der LPD Salzburg erlassen.

Im gegenständlichen Verfahren ist zudem insgesamt auch keine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer festzustellen, die den zuständigen Behörden zur Last zu legen wäre vergleiche hiezu auch VwGH 24.05.2016, Ro 2016/01/0001).

Die BF vermochten zum Entscheidungszeitpunkt daher keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet darzutun, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr in den Herkunftsstaat führen könnten.

römisch II.3.3.6. Hinsichtlich der Krankheitsbilder der BF2 und der BF3 bleibt festzuhalten, dass diese einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegenstehen. Die BF3 leidet an einer bilateralen Zerebralparese und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Die Erkrankung stellt per se kein Rückkehrhindernis dar. Die vorgebrachte Erkrankung ist in Georgien behandelbar und wurde die BF bereits ab ihrem vierten Lebensjahr in Georgien diesbezüglich behandelt. Die Erkrankung ist nicht heilbar, auch nicht in Österreich. Die BF3 erhält aktuell Physiotherapien, eine weitere Behandlung wird nicht benötigt. In Georgien kann eine Behindertenpension beantrag werden, welche bereits vor der Ausreise auch bezogen wurde.

Die BF2 wurde wegen eines Mammakarzinoms in Österreich am 21.02.2018 operiert und erhielt im Anschluss eine Chemobehandlung bis Juni 2018, sowie eine Bestrahlung bis August 2018. Im Zuge der ca. fünfjährigen Nachbehandlung erhält sie monatlich eine Injektion im Rahmen einer antihormonellen Therapie (Zoladex). Sie hat alle 3 Monate in der Onkologie eine Nachsorgekontrolle, bei der spezielle Untersuchungen (Mammographie, Thorax Röntgen, Sonografie, Knochendichtemessung) in verschiedenen Intervallen festgelegt werden. Während des laufenden Verfahren wurde bei der BF2 ein Cervixtumor im Anfangsstadium diagnostiziert. Dieser wurde in der Frauenklinik der Salzburger Landeskliniken mittels Strahlentherapie erfolgreich behandelt. Weitere Behandlungen oder Therapien sind aus heutiger Sicht nicht nötig.

Festgehalten werden muss zudem, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt vergleiche die Beschlüsse des VwGH vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien; auch Beschluss des VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038; siehe auch Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“]; Erk. d. VfGH 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9). Bloß spekulative Überlegungen über einen fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung sind ebenso unbeachtlich wie eine bloße Minderung der Lebensqualität (Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05).

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005 (Appl. 1383/04), wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der sich seit 2002 in psychiatrischer Behandlung befunden hat und der selbstmordgefährdet war, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes „real risk“.

Aufgrund des hier vorliegenden Krankheitsbilder ist jedenfalls nicht ableitbar, dass eine Überstellung nach Georgien zu einer Beeinträchtigung des gesundheitlichen Zustandes der BF2 und der BF3 führen, womit folgerichtig keine Verletzung von Artikel 3, EMRK gegeben ist.

Es liegt aktuell auch bei den BF2 und BF3 keine derartigen Erkrankungen vor, welche das Risiko bergen würden, im Falle der Rückkehr unter qualvollen Umständen in Georgien zu sterben.

Im vorliegenden Fall konnten seitens der BF keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Georgien belegt werden, welche die Notwendigkeit weiterer Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts notwendig machen würden.

Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass die BF2 und BF3 vom Zugang zu medizinischer Versorgung in Georgien ausgeschlossen wären und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens der BF beschriebenen und diagnostizierten Krankheiten nicht behandelbar wären. Auch faktische Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person der BF gelegenen Umständen belegen würden, kamen nicht hervor.

römisch II.3.3.7. Zur Minderjährigkeit und somit zum Kindeswohl des BF4 sind folgende Überlegungen maßgeblich: allfällige ungünstigere Entwicklungsbedingungen im Ausland begründen für sich allein noch keine Gefährdung des Kindeswohls, vor allem dann, wenn die Familie von dort stammt (OGH 08.07.2003, Zl. 4Ob146/03d unter Verweis auf Coester in Staudinger, BGB13 Paragraph 1666, Rz 82 mwN). Zudem gehören die Eltern und deren sozioökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (ebd.).

Bei der Beurteilung, ob im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von durch Artikel 2 und 3 EMRK geschützten Rechten droht, ist nach der Judikatur des VwGH eine eventuelle besondere Vulnerabilität der Betroffenen im Speziellen zu berücksichtigen, wobei der VwGH auch auf die Definition schutzbedürftiger Personen in Artikel 21, Der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) verweist vergleiche zuletzt VwGH vom 13.12.2018, Zl. Ra 2018/18/0336 sowie vom 30.08.2017, Zl. Ra 2017/18/0089 zum Irak sowie VwGH vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0315 und diverse andere zu Afghanistan). Artikel 21, der Aufnahmerichtlinie zählt als besonders schutzbedürftige Personen unter anderem Minderjährige auf.

Der Verfassungsgerichtshof hat - aufgrund der vom BVwG selbst herangezogenen UNHCR-Richtlinien- in seiner Entscheidung vom 12.12.2018, Zl E 667/2018 hinsichtlich einer Familie aus Kabul festgehalten, dass Familien mit besonderem Schutzbedarf - nach Ansicht des UNHCR - nur dann eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offensteht, wenn sie Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, die Zurückkehrenden tatsächlich zu unterstützen. Die zugrundeliegende Entscheidung des BVwG wurde behoben, da vom BVwG nicht näher begründet wurde, warum es davon ausging, dass der Bruder der Erstbeschwerdeführerin eine sechsköpfige Familie ausreichend unterstützen könne bzw wolle. Es sei verabsäumt worden, die Erstbeschwerdeführerin zur konkreten Lebenssituation ihres Bruders und ihrer Schwester zu befragen.

Demnach wird von der Judikatur – zuletzt auch in einer Einzelentscheidung hinsichtlich des sicheren Herkunftsstaates Georgien (VwGH vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0216 bis 0217-13) - eine konkrete Auseinandersetzung damit gefordert, welche Rückkehrsituation eine Familie mit minderjährigen Kindern im Herkunftsstaat tatsächlich vorfindet, insbesondere unter Berücksichtigung der dort herrschenden Sicherheitslage und Bewegungsfreiheit (VwGH 21.03.2018, Ra 2017/18/0474 bis 0479) sowie der Unterkunftsmöglichkeit (VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0315).

Im vorliegenden Fall ist daher insbesondere zu berücksichtigen, dass der BF4 ein minderjähriges Kind – somit Angehöriger einer besonders vulnerablen und besonders schutzbedürftigen Personengruppe - ist. Daher ist eine konkrete Auseinandersetzung mit der Rückkehrsituation, die der minderjährige BF bzw. die Eltern mit ihrem minderjährigen Kind im Heimatstaat tatsächlich vorfinden würden, erforderlich.

Im gegenständlichen Fall sind sowohl die Eltern als auch der Sohn georgische Staatsbürger und sind somit alle BF im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen. Der BF4 teilt somit das sozioökonomische Schicksal seiner Eltern. Den BF stehen nach der Rückkehr sowohl private, karitative als auch bei Bedarf staatliche Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie Unterkunft finden werden und wird auf die Beweiswürdigung oben verwiesen. Eine Verletzung des Kindeswohles ist daher nicht ersichtlich. Zudem halten sich in Georgien noch eine Vielzahl von Verwandten der Eltern des BF4 auf. Dem BF4 ist es zudem möglich, in Georgien die Schule zu besuchen, der Unterricht an öffentlichen Schulen ist kostenlos, wie den Länderfeststellungen zu entnehmen ist.

römisch II.3.3.8. Auf Grund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen der BF am Verbleib im Bundesgebiet. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht den Erwerb von – marginalen – Deutschkenntnissen, nicht verkennt, wiegt im gegenständlichen Fall das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens schwerer als die privaten Interessen der BF an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet, zumal ie BF illegal in das Bundesgebiet einreisten und einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz stellten. Außerdem sind die BF bis dato nicht wirtschaftlich unabhängig oder selbsterhaltungsfähig, sondern seit ihrer Einreise auf Leistungen aus der Grundversorgung angewiesen. Auch sind die BF mangels Aufenthaltstitel nicht in der Lage, im Bundesgebiet einer legalen Tätigkeit nachzugehen. Dazu tritt, dass die BF ihr Privatleben auch in einem Zeitraum aufbauten, als sie über den unsicheren Aufenthaltsstatus Bescheid wussten. Sie kamen der Pflicht zum Verlassen des österreichischen Bundesgebiets seit bald zwei Jahren beharrlich nicht nach.

Durch die angeordnete Rückkehrentscheidung liegt eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vor. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 10, Absatz 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 3, FPG stellt sohin keine Verletzung des Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK dar.

Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch II. der angefochtenen Bescheide war deswegen abzuweisen.

römisch II.3.4. Zu Spruchpunkt römisch III. des gegenständlichen Bescheides – Zulässigkeit der Abschiebung

Mit der Rückkehrentscheidung ist gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.

Unter Verweis auf die aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach über die Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat ausschließlich im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen sei und demzufolge die Feststellung im Sinn des Paragraph 52, Absatz 9, FPG bloß der Festlegung des Zielstaates der Abschiebung diene vergleiche VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119), sind im Hinblick auf die gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG getroffenen Feststellungen nunmehr keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung der BF nach Georgien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert behauptet vergleiche auch VwGH 22.01.2013, 2012/18/0182; 17.04.2013, 2013/22/0068; 20.12.2012, 2011/23/0480, wonach im Verfahren über das Treffen einer Rückkehrentscheidung nicht primär die Fragen des internationalen Schutzes im Vordergrund stünden, sondern dies Aufgabe eines eigenen Verfahrens sei).

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG in Verbindung mit Paragraph 50, FPG und die dazu oben getroffenen länderkundlichen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Georgien unzulässig wäre.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde vom BFA am 03.09.2018 abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht vom 17.03.2021 als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom VfGH mit Beschluss vom 08.06.2021 abgelehnt. Eine Folgeantragstellung unterblieb und sind auch von Amts wegen keine relevanten Gründe im Sinn des Paragraph 50, Absatz 2, FPG ersichtlich. Ebenso wenig existiert im gegenständlichen Fall eine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Bezüglich Paragraph 50, Absatz eins, FPG bleibt festzuhalten, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden konnte, dass die BF im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in Rechten nach Artikel 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Lage in Georgien nicht vor.

Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würden, sind nicht hervorgekommen. Zudem halten sich noch zahlreiche Verwandte in Georgien auf, wie bereits ausgeführt wurde. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kann in Anbetracht der zu den Länderfeststellungen dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz der BF davon ausgegangen werden muss, dass sie wahrscheinlich das Opfer eines terroristischen Anschlags, krimineller Aktivtäten oder von Gewalt bei Demonstrationen und Ausschreitungen werden würden.

Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Georgien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre vergleiche hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), haben doch die BF selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihnen im Falle einer Rückführung nach Georgien jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und sie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären.

Die BF haben auch nicht angegeben, dass es ihnen vor dem Verlassen des Heimatlandes wirtschaftlich besonders schlecht gegangen sei und ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen ein Leben wie vor der Ausreise im Falle ihrer jetzigen Rückkehr nicht wieder möglich sein sollte.

Was die Folgen der COVID-19-Pandemie in Georgien betrifft, hebt das Bundesverwaltungsgericht hervor, dass es sich bei COVID-19 um eine überregional auftretende Viruserkrankung handelt und kein Staat der Welt absolute Sicherheit vor dieser Erkrankung bieten kann, was die aktuellen Entwicklungen der Infektionszahlen in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika belegen. Es ist derzeit auch keine dauerhafte und maßgebliche Verschlechterung der Wirtschaftslage durch die COVID-19-Pandemie in Georgien bzw. kein über die kurzfristigen und pandemiebedingten wirtschaftlichen Einbußen hinausgehender Zusammenbruch der georgischen Wirtschaft zwingend erkennbar. Insbesondere wurde auch nicht vorgebracht, dass die allgemeine Situation im Herkunftsstaat (mittlerweile) so beschaffen wäre, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin schlechthin eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten würde; der BF selbst erstattete auch kein substantiiertes Vorbringen, welches eine maßgeblich wahrscheinliche Artikel 2, oder Artikel 3, EMRK widersprechende Situation für ihn im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat indizieren würde. Schließlich stehen die Erwägungen und die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Einklang auch mit aktueller höchstgerichtlicher Judikatur im Zusammenhang mit COVID-19: VwGH 23.06.2020, Ra 2020/20/0188, VwGH 06.07.2020, Ra 2020/01/0176, VwGH 06.07.2020, Ra 2020/01/0177; siehe auch VfGH 26.06.2020, E 1558/2020-12 (Danach ist die Vollzugsbehörde bei der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme verpflichtet, Artikel 3, EMRK zu beachten.).

Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch III. der angefochtenen Bescheide war deswegen abzuweisen.

römisch II.3.5. Zur Frist für die freiwillige Ausreise:

römisch II.3.5.1. Paragraph 55, FPG lautet (auszugsweise)

1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

römisch II.3.5.2. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht Paragraph 55, Absatz 2, erster Satz FPG.

Dass besondere Umstände, die die Drittstaatsangehörigen bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidungen geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen der BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerdeschrift getroffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Übrigen bereits festgehalten, dass es sich bei den in Paragraph 55, Absatz 2 und 3 FPG genannten „besonderen Umständen“, die gegebenenfalls im Rahmen der gebotenen Abwägung zu einer Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise über 14 Tage hinaus führen können, ohnehin nur um solche handeln kann, die bei der Regelung der persönlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Organisation der freiwilligen Ausreise zu berücksichtigen sind (VwGH vom 31.07.2020; Ra 2020/19/0252; vergleiche VwGH 20.2.2014, 2013/21/0114; vergleiche näher zu der nach Paragraph 55, FPG zu setzenden Frist VwGH 16.5.2013, 2012/21/0072, mwN).

Im Hinblick darauf, dass das Gesetz bei der Verlängerung der in einer Rückkehrentscheidung festgelegten Ausreisefrist ebenfalls auf die "Regelung der persönlichen Verhältnisse" abstellt und die (Verlängerung der) Ausreisefrist auch der Sache nach i.W. dieselbe Zielrichtung hat wie der Durchsetzungsaufschub, ist die erwähnte Rechtsprechung auch bei der Auslegung des§ 55 Absatz 2 und 3 FPG einzubeziehen. Demnach muss es sich bei den in diesen Bestimmungen genannten "besonderen Umständen" um solche handeln, die bei der Regelung der persönlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Organisation der freiwilligen Ausreise zu berücksichtigen sind.

Vor diesem Hintergrund ist Paragraph 55, Absatz 2 und 3 FPG auszulegen und zu beurteilen, ob im jeweiligen Einzelfall besondere Gründe im genannten Sinn, welche die Einräumung einer mehr als 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise notwendig machen, gegeben sind. Dabei ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Weiters ist zu beachten, dass es sich bei den Gründen, die eine Verlängerung der Ausreisefrist rechtfertigen können, schon definitionsgemäß um vorübergehende Umstände handeln muss; ihre Beseitigung bzw. ihr Wegfall muss absehbar sein.

römisch II.3.5.3. Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

römisch II.3.5.4. Da auch alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Rückkehrentscheidungen und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, waren die Beschwerden auch gegen diese Spruchpunkte (Spruchpunkt römisch fünf. bei den BF1 und BF2, Spruchpunkt römisch IV. bei den BF3 und BF4) der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

römisch II.3.6. Zum Einreiseverbot des BF1 und der BF2:

römisch II.3.6.1. Paragraph 53, FPG lautet:

Paragraph 53, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(1a) Anmerkung, aufgehoben durch Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2013, )

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins, ist, vorbehaltlich des Absatz 3,, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß Paragraph 20, Absatz 2, der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, in Verbindung mit Paragraph 26, Absatz 3, des Führerscheingesetzes (FSG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 120 aus 1997,, gemäß Paragraph 99, Absatz eins,, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß Paragraph 37, Absatz 3, oder 4 FSG, gemäß Paragraph 366, Absatz eins, Ziffer eins, der Gewerbeordnung 1994 (GewO), Bundesgesetzblatt Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den Paragraphen 81, oder 82 des SPG, gemäß den Paragraphen 9, oder 14 in Verbindung mit Paragraph 19, des Versammlungsgesetzes 1953, Bundesgesetzblatt Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Absatz 3, genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

Anmerkung, aufgehoben durch VfGH, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 202 aus 2022,)

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins, ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Ziffer 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (Paragraph 278 a, StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (Paragraph 278 b, StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (Paragraph 278 c, StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (Paragraph 278 d, StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (Paragraph 278 e, StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (Paragraph 278 f, StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Absatz 3, maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Paragraph 73, StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Absatz 3, Ziffer eins,, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zl. 2011/21/0237, zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen vergleiche ErläutRV, 1078 BlgNR 24. Gesetzgebungsperiode 29 ff und Artikel 11, Absatz 2, Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Ziffer eins bis 9 des Paragraph 53, Absatz 2, FrPolG 2005 in der Fassung FrÄG 2011 anzunehmen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum früher geltenden Paragraph 63, FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011), der die Festlegung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes regelte, war ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet), wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.

Paragraph 53, Absatz 3, FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Gericht diese auch nach wie vor als anwendbar.

Ob das BFA ein Einreiseverbot verhängt, liegt in seinem Ermessen und ist der Prüfungsrahmen des ho. Gerichts dahingehend eingeschränkt, ob das BFA sein Ermessen im Rahmen des Gesetzes ausübte.

Im gegenständlichen Fall ging das BFA davon aus, dass soweit eine Rückkehrentscheidung erlassen wird, die Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu prüfen sei. Die BF fallen unzweifelhaft unter den Anwendungsbereich des Artikels 11 der RückführungsRL vergleiche auch Artikel 11, Absatz eins, Litera b, RückführungsRL: Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher, wenn der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde).

Im gegenständlichen Fall ging das BFA richtigerweise weiter davon aus, dass soweit eine Rückkehrentscheidung ohne Einreiseverbot verfügt wurde und der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung nicht fristgerecht freiwillig nachkommt, die Erlassung einer neuen Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu prüfen sei. In diesem Fall könne nämlich nicht mehr von einer nur geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung gesprochen werden. Die BF sind ihrer Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen, daher fallen sie unter den Anwendungsbereich des Artikels 11 der RückführungsRL vergleiche auch Artikel 11, Absatz eins, Litera b, RückführungsRL: Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher, falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde).

römisch II.3.6.2 Das BFA legte – hinsichtlich der BF1 und BF2 – folgend dar:

Die Aufzählung des Paragraph 53, FPG ist demonstrativ und demnach nicht als enumerativ abschließend anzusehen, was auch eindeutig aus dem Gesetzestext hervorgeht, nachdem klar festgestellt wird, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit insbesondere gegeben ist, wenn einer der aufgezählten Tatbestände des Paragraph 53, Absatz 2, FPG vorliegt. Es sind daher weitere Verhaltensweisen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, jedenfalls auch geeignet ein Einreiseverbot zu rechtfertigen.

Ihr Fehlverhalten, nämlich die Nichteinhaltung der behördlichen bzw. gerichtlichen Anweisung in der gewährten Frist das Bundesgebiet bzw. Schengengebiet zu verlassen, konnte in keine der oben genannten Ziffern des Paragraph 53, FPG subsumiert werden, ist jedoch geeignet die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden und widerläuft auch den Interessen des Artikel 8, EMRK.

Umgehungen (Missachtung) der Vorschriften des FPG und der aus diesen Bundesgesetz ableitenden Bescheide sind keinesfalls als mindere oder geringfügige Fehlverhalten Kommentar, 2016, §53 3. Regierungsvorlage 2144 römisch 24 .GP).

Soweit eine Rückkehrentscheidung zuvor ohne Einreiseverbot samt Frist zur freiwilligen Ausreise verfügt wurde, der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung jedoch nicht fristgerecht freiwillig nachkommt, ist die Erlassung einer neuen Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu prüfen. In diesem Fall kann nämlich nicht mehr von einer nur geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung gesprochen werden.

römisch II.3.6.3. Bei einem Fremden, dem bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt zur Last gelegt wird, kann dies im Einzelfall unterbleiben (VwGH, 2011/21/0237). Im konkreten Fall liegt allerdings nicht nur ein illegaler Aufenthalt vor, sondern der Ausreisebefehl nach einem negativen Asylverfahren wurde missachtet, was in Zeiten eines Migrationsstromes nach Mitteleuropa unter Missbrauch des Asylrechts als Einwanderungsrecht niemals als nur geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen gewertet werden kann. Hier sind nicht nur spezialpräventive, sondern vor allem auch generalpräventive Überlegungen anzustellen. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH und VfGH steht fest, dass ein öffentliches Interesse daran besteht, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 2007/01/0479). Zudem wurde seitens der Zweitbeschwerdeführerin eingeräumt, dass sie rechtskräftig verwaltungsrechtlich bestraft wurden, weil sie ihrer Obliegenheit zur Ausreise nicht nachgekommen sind (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls).

Ein Fehlverhalten kann auch dann zur Beurteilung der Gefährdungsprognose herangezogen werden, wenn diese nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt hat vergleiche etwa das hg. Erkenntnis vom 26.01.2010, 2008/22/0890, sowie schon zur Rechtslage nach dem FPG 1997 jenes vom 12.01.2000, 99/21/0357).

Die BF halten sich seit dem 09.08.2021 rechtswidrig im Bundesgebiet auf und sind der Ausreiseverpflichtung bis dato beharrlich nicht nachgekommen. Bei zwei Rückkehrberatungsgesprächen, das letzte am 01.03.2023, teilten sie unbeugsam mit, dass sie Österreich nicht verlassen werden. Auch eine gegen sie erlassene Strafverfügung wegen illegalen Aufenthalt konnte sie nicht dazu bewegen, die gesetzlichen Normen in Österreich zu beachten und der Ausreiseverpflichtung zu entsprechen.

Weiters hat die Behörde bei Ihrer Entscheidung Artikel 11 Absatz 3, RückführungsRL zu berücksichtigen, wonach in Einzelfällen aus humanitären Gründen von der Verhängung eines Einreiseverbots abgesehen werden kann. Hier ist zu vermerken, dass humanitäre Gründe in Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung geprüft wurden. Das dortige Prüfergebnis ist aus Sicht des Bundesamtes auch auf die humanitären Gründe Artikel 11 Absatz 3, RückführungsRL anzuwenden. Die humanitären Gründe des Artikel 11 Absatz 3, RückführungsRL können nur so verstanden werden, dass sie deckungsgleich zu bewerten sind wie die Gründe für die Zuerkennung des humanitären Aufenthaltsrecht im Sinne des AsylG. Nachdem derartige Gründe nicht vorliegen, da sonst erstens eine Rückkehrentscheidung nicht zulässig und zweitens ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu erteilen gewesen wäre, könne diese humanitären Gründe jedenfalls nicht vorliegen und daher ist auch in diesem Einzelfall nicht von der Verhängung eines Einreiseverbotes im Sinne des Artikel 11 Absatz 3, abzusehen.

Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens der BF, ihre Lebensumstände sowie ihre familiären und privaten Anknüpfungspunkte haben daher für das Bundesverwaltungsgericht ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von den BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot ist daher zur Erreichung der in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Das Einreiseverbot bezieht sich gem. Paragraph 53, Absatz eins, FPG auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, womit lt. VwGH vom 22.5.2013, 2013/18/0021 jene Staaten erfasst sind, für die die Rückführungsrichtlinie, (RL 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger) gilt.

Demnach umfasst das Einreiseverbot alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Irland und das Vereinigte Königreich. Umfasst sind allerdings weiters Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein.

Die BF1 und BF2 sind daher angewiesen, im festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet dieser Staaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten. Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

römisch II.3.6.4. Seitens des BVwG wird weiters festgestellt, dass sich aus der Formulierung des Paragraph 53, Absatz 2, FPG ergibt, dass die dortige Aufzählung nicht als taxativ, sondern als demonstrativ bzw. enumerativ zu sehen ist ("Dies ist insbesondere dann anzunehmen, "), weshalb das BFA in mit den in Ziffer eins, - 9 leg. cit expressis verbis nicht genannten Fällen, welche jedoch in ihrer Interessenslage mit diesen vergleichbar sind, ebenso ein Einreisverbot erlassen kann.

Das BVwG schließt sich den o. a. diesbezüglichen Ausführungen des BFA an, wonach zusammenfassend festgestellt wurde, dass die BF offensichtlich nicht bereit sind, die österreichische Rechtsordnung und die aus dieser Rechtordnung in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen der Behörden oder Gerichte zu achten und beachten, weshalb man zum Schluss kommt, dass ihr Aufenthalt in Österreich jedenfalls eine Gefahr für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Diese Verhaltensweise zeigt eindeutig, dass sie nicht gewillt sind, sich den Entscheidungen der österreichischen Behörden und Gerichten gegenüber zu fügen und sich rechtskonform zu verhalten, was auch nichts Positives im Sinne einer Zukunftsprognose vermuten lässt. Wenn die BF schon zum jetzigen Zeitpunkt nicht bereit sind, sich den in Österreich festgelegten rechtlichen und gesellschaftlichen Regeln zu unterwerfen, so kann nur eine negative Zukunftsprognose ihre Person betreffend erfolgen.

Das BFA war im gegenständlichen Fall somit berechtigt, die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot zu verbinden. Dies auch insbesondere in Ansehung der rechtskräftigen Bestrafung, da sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sind (Paragraph 53, Absatz 2, Ziffer 3, FPG).

Eine entsprechende Interessensabwägung im Sinne des Artikel 8, EMRK wurde bereits durchgeführt, ebenso wurde bereits dargelegt, welchen öffentlichen Interessen im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK der Aufenthalt der bP im Bundesgebiet widerspricht.

Zur Dauer des Einreiseverbotes ist festzustellen, dass das BFA vom Höchstmaß der möglichen Dauer ohnehin nicht Gebrauch gemacht hat. Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die BF1 und BF2 keine rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen aufweisen, erscheint die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von drei Jahren als verhältnismäßig.

Allerdings kann unter Berücksichtigung aller genannten Umstände, in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes der BF eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften sowie an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, als gegeben angenommen werden vergleiche VwGH 19.05.2004, 2001/18/0074).

Im Falle der BF führt die beharrliche Weigerung ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen, ihre stattdessen gestellten Anträge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, welche offensichtlich lediglich dazu dienen sollten, ihren Aufenthalt in Österreich zu prolongieren, sowie die Tatsache, dass die BF auf staatliche Zuwendungen angewiesen sind, dazu, dass sich ein Einreiseverbot in der Höhe von drei Jahren in einer Gesamtschau als unbedingt notwendig und gerade noch angemessen erweist.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde der BF1 und BF2 in Bezug auf Spruchpunkt römisch IV. ihrer Bescheide als unbegründet abzuweisen.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, der hier vertretenen Zurechnungstheorie und den Anforderungen an einen Staat und dessen Behörden, um von dessen Willen und Fähigkeit, den auf seinem Territorium aufhältigen Menschen Schutz vor Übergriffen zu gewähren ausgehen zu können, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Artikel 8, EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2023:L518.2206549.2.00