Bundesverwaltungsgericht
19.06.2023
I414 2271616-1
I414 2271616-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. MAROKKO, vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg (BFA-S) vom 20.03.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5. Juni 2023 zu Recht erkannt:
A)
römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser wie folgt zu lauten hat:
„Gemäß Paragraph 8, Absatz 1 in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Marokko abgewiesen.“
römisch II. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch VII. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser wie folgt zu lauten hat:
„Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wird gemäß Paragraph 18, Absatz 2, Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 87 aus 2012,, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.“
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 19. Jänner 2023 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am nächsten Tag stattgefundenen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, 22 Jahre alt, ledig, Moslem, Araber und Staatsangehöriger Marokkos zu sein. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab er an, dass er sein Heimatland aufgrund der Armut verlassen habe. Zudem wolle er sich in Europa weiterbilden. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Bei einer Rückkehr nach Marokko habe er keine Befürchtungen, er habe weder mit unmenschlicher Behandlung, Strafe oder Todesstrafe noch mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen.
Am 17. März 2023 wurde der Beschwerdeführer von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) niederschriftlich einvernommen. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab er im Wesentlichen an, dass mehrere Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes gehabt habe. Er habe weiterstudieren wollen, jedoch habe er nicht die finanziellen Möglichkeiten gehabt. Zudem wolle er seine Eltern unterstützen. In Marokko habe er keine für ihn passende Arbeit gefunden. Sein letzter Grund für die Ausreise sei seine Bisexualität.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 20. März 2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 19. Jänner 2023 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat (gemeint Marokko; Anmerkung abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel besonderer Schutz wurde ihm gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, Fremdenpolizeigesetz (FPG) 2005 erlassen (Spruchpunkt römisch IV.), und es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins a, FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt römisch VI.). Einer Beschwerde gegen die Entscheidung über diesen Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß Paragraph 18, Absatz eins, Ziffer eins und 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt römisch VII.).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht vollumfänglich erhobene Beschwerde vom 20. April 2023. Darin monierte der Beschwerdeführer eine Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Zusammengefasst wurde bezüglich seines Fluchtvorbringens ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Bisexualität nicht nach Marokko zurückkehren könne. Er habe in Marokko für ein Jahr eine Beziehung mit einem Mann geführt, welche sie geheimhalten hätten müssen. Bei Bekanntwerden seiner sexuellen Orientierung befürchte er von seiner Familie verstoßen zu werden. Von Seiten der Gesellschaft befürchte er belästigt, gemobbt und geschlagen oder verhaftet zu werden. Er habe in Österreich mit einem Freund bereits versucht Kontakt zu Queer Base in Wien aufzunehmen, jedoch sei aufgrund der Gebietsbeschränkung eine Kontaktaufnahme nicht möglich gewesen. Aufgrund seiner Bisexualität befürchte er zudem in Marokko keine Arbeit und Wohnung zu finden.
Am 5. Juni 2023 fand eine Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung, eines Dolmetschers für die arabische Sprache und eines Vertreters des Bundesamtes statt und wurde hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt römisch eins. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der mittlerweile 23-jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Marokko, er ist ledig und kinderlos. Er ist der Volksgruppe der Araber zugehörig und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er leidet an keiner lebensbedrohlichen Gesundheitsbeeinträchtigung und gehört keiner COVID-19 Risikogruppe an.
Er spricht Arabisch und etwas Englisch.
Er ist in der Stadt römisch 40 geboren und lebte vor seiner Ausreise im Oktober 2022 in römisch 40 .
In Marokko hat er zwölf Jahre die Schule sowie drei Jahre die Universität besucht und ging verschiedenen beruflichen Tätigkeiten nach. Seine Eltern und Geschwister leben nach wie vor in Marokko. Er steht mit diesen in regelmäßigen Kontakt.
Der Beschwerdeführer reiste im Oktober 2022 auf dem Luftweg von Marokko legal in die Türkei. Anschließend reiste er von der Türkei weiter nach Griechenland. Von Griechenland reiste er dann weiter über Nordmazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich, wo er am 19. Jänner 2023 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine maßgeblichen privaten und familiären Anknüpfungspunkte. Er hält sich seit etwa sechs Monaten im Bundesgebiet auf und weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher bzw. kultureller Hinsicht auf.
Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.
Er ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine bisexuelle Orientierung des Beschwerdeführers ergeben und es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt wäre.
Er wird im Falle seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
1.3. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage in Marokko:
Gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 177 aus 2009, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 129 aus 2022,) gilt Marokko als sicherer Herkunftsstaat.
COVID-19
Letzte Änderung: 03.10.2022
Der COVID-19 bedingte gesundheitliche Notstand ist in Marokko seit dem 20.3 2020 in Kraft und wird seither monatlich verlängert (FD 6.9.2022). Der Ausnahmezustand (l'état d'urgence sanitaire) wurde bis auf Weiteres bis 30.9.2022 verlängert. Mit weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben ist zu rechnen (BMEIA 6.9.2022; vergleiche WKO 29.7.2022). Die Fährverbindungen für den Personenverkehr zwischen Marokko und Spanien, Frankreich sowie Italien wurden wieder aufgenommen (BMEIA 6.9.2022; vergleiche FD 6.9.2022). Der Zugang zu den Fährhäfen soll nur mit vorab gebuchten Tickets möglich sein (AA 6.9.2022).
Der reguläre Flugverkehr von und nach Marokko ist seit 7.2.2022 wieder aufrecht. Die Seegrenzen Marokkos sind seit 8.4.2022 wieder offen. Die Landesgrenzen zwischen Ceuta, Melilla und Marokko sind seit 17.5.2022 wieder geöffnet (WKO 29.7.2022).
Verpflichtend für alle Einreisende sind:
● Vorlage eines Impfzertifikats, bzw. ein gültiger Impfpass oder Impfnachweis [Ein gültiger Impfnachweis liegt vor, wenn drei (3) Dosen verabreicht wurden, oder, falls nicht vorhanden, zwei Dosen, wobei die Zeit bis zur Verabreichung der 2. Dosis 4 Monate nicht überschreiten darf (BMEIA 6.9.2022)], mit der Bestätigung, dass die vollständige Impfung im Ausgabeland gültig ist und die
● Vorlage eines negativen PCR-Tests, der nicht älter als 72 Stunden ist und
● ein ausgefülltes online abrufbares Gesundheitsformular, bzw. „Fiche Sanitaire“ mit Unterschrift [es wird auch an Bord von Flugzeugen und Fähren verteilt (FD 6.9.2022)] und
● Unter Einreisenden werden, ab dem sechsten Lebensjahr nach Zufallsprinzip, nach Ankunft stichprobenartig COVID-19-Tests durchgeführt (BMEIA 6.9.2022 vergleiche AA 6.9.2022, FD 6.9.2022, WKO 29.7.2022).
Einreisebedingung für Kinder:
Kinder unter 12 Jahren können ohne Impfpass oder PCR-Test nach Marokko einreisen (FD 6.9.2022; vergleiche WKO 29.7.2022). Für Kinder im Alter von 12 bis 18 Jahren gilt die Vorlage eines gültigen Impfnachweis, wenn zwei Dosen verabreicht wurden. Kinder unter 12 Jahren sind von allen Anforderungen befreit. Ein Genesungsnachweis wird in Marokko für Einreisende nicht anerkannt (BMEIA 6.9.2022; vergleiche WKO 29.7.2022).
Für nach der Ankunft positiv getestete Personen gelten je nach Gesundheitszustand, eine Quarantäneverpflichtung mit engmaschiger Kontrolle durch die marokkanischen Behörden zu absolvieren. Bei schweren Verläufen erfolgt die Einweisung in ein lokales Krankenhaus (BMEIA 6.9.2022 vergleiche AA 6.9.2022).
Ob ein Genesenennachweis im Zusammenhang mit dem geltenden Impfregime des Wohnsitzlandes als ausreichend für die Einreise nach Marokko anerkannt wird, kann nicht verlässlich durch das Auswärtige Amt bestätigt werden. Ausnahmen für Genesene oder Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, sind nicht bekannt (AA 6.9.2022). Laut BMEIA wird in Marokko ein Genesungsnachweis nicht anerkannt (BMEIA 9.6.2022).
Die Grundimmunisierung wird nur noch verlässlich anerkannt, wenn die letzte Impfung nicht mehr als vier Monate zurückliegt (AA 6.9.2022).
Die Vorlage eines Impfpasses ist erforderlich, um sich zwischen den Präfekturen und Provinzen zu bewegen und Zugang zu öffentlichen und privaten Verwaltungen, Hotels, Restaurants, Cafés, Geschäften, Sporthallen und Hammams im Königreich zu erhalten (FD 6.9.2022).
Darüber hinaus ist das Tragen eines Mundschutzes im gesamten Königreich Pflicht (FD 6.9.2022), wird aber in der Praxis nicht mehr gelebt; es gelten Abstandsregeln im ganzen Land - auch im Freien (WKO 29.7.2022).
Seit Beginn der Pandemie bis zum 27.9.2022 wurden in Marokko 1.264.879 Infizierte und 16.278 Todesfälle gemeldet. Die aktuelle Inzidenz in der Woche bis zum 27.09.2022 zählt 0,3 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner. 23,49 Millionen Mensachen in Marokko gelten als vollständig geimpft (63,7 %) (LI o.D.).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (6.9.2022): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 6.9.2022
● BMEIA - Bundesministerium europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (6.9.2022): Marokko – Reiseinformationen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 6.9.2022
● FD - France Diplomatie [Frankreich] (6.9.2022): Maroc, Dernière minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 6.9.2022
● LI - Länder.info (o.D.): Gesundheitswesen in Marokko, https://www.laenderdaten.info/Afrika/Marokko/gesundheit.php, Zugriff 27.9.2022
● WKO - Wirtschaftskammer Österreich (29.7.2022): Coronavirus: Situation in Marokko, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in-marokko.html, Zugriff 6.9.2022
Politische Lage
Letzte Änderung: 03.10.2022
Marokko ist eine islamisch legitimierte Monarchie mit konstitutionellen und demokratischen Elementen. Die zentralen politischen Vorrechte und die Führung des Landes liegen bei König Mohammed römisch VI. (AA 22.8.2022; vergleiche AA 24.11.2021, USDOS 12.4.2022). Die Verfassung belässt maßgebliche exekutive Reservat- und Gestaltungsrechte beim König. Er steht über den Staatsgewalten und ist staatsrechtlicher Kontrolle entzogen. In Bezug auf die Königsmacht bringt die Verfassung nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung, aber keinen Bruch mit dem bisherigen politischen System an sich (ÖB 8.2021).
Seit der Reform der Verfassung aus dem Jahr 2011 wird die Regierung jedoch durch das Parlament gebildet (AA 22.8.2022). Diese Reformen haben die Autorität über die Regierung teilweise vom Monarchen zur gewählten Legislative verschoben. Marokko führt regelmäßig Wahlen in einem parlamentarischen Mehrparteiensystem durch (FH 28.2.2022). Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die Verfassung aus dem Jahr 2011 aufgewertet, und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Neu ist die Einführung einer regionalen Staatsebene mit demokratisch gewählten Institutionen und gestärkter Selbstverwaltung, die im Zuge des Jahres 2015 mit zahlreichen Wahlgängen konkret Gestalt angenommen hat (ÖB 8.2021). Dennoch verfügt König Mohamed römisch VI. durch formale Machtbefugnisse sowie informelle Einflussmöglichkeiten in Staat und Gesellschaft über eine dominante Stellung (FH 28.2.2022).
Am 8. September 2021 wurde ein neues Parlament gewählt. Aus der Wahl ging die Partei Unabhängige Nationalversammlung (RNI) als Sieger hervor. Sie erhielt 102 Sitze. Die ebenfalls liberale Partei für Ehrlichkeit und Modernität (PAM) stellt 87 Abgeordnete vor der Mitte-Rechts-Partei Istiqlal, welche auf 81 Mandate kommt. Die seit 2011 führende gemäßigt-islamistische Partei für Recht und Gerechtigkeit (PJD) konnte lediglich 13 ihrer 125 Sitze verteidigen. Als Reaktion auf die Wahlniederlage traten die Mitglieder des Generalsekretariats der PJD sowie der bisherige Parteivorsitzende und Regierungschef zurück. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50 %. Im Rahmen der Wahlen ist es laut Collectif Associatif pour l’Observation des Élections (CAOE) zu Unregelmäßigkeiten gekommen (BAMF 13.9.2021).
Die Verwaltungsstrukturen sind vornehmlich zentralistisch. Marokko ist in 12 Regionen unterteilt, die sich ihrerseits in 62 Provinzen und 13 Präfekturen untergliedern. Hierin ist auch die Westsahara enthalten, die Marokko als integralen Teil seines Territoriums betrachtet, was international jedoch nicht anerkannt wird (AA 22.8.2022).
Die Judikative wird in der Verfassung 2011 als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist dennoch vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 8.2021).
Am 24.8.2021 sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Algerien und Marokko aufgrund von Spannungen zwischen den beiden Ländern seitens Algerien abgebrochen worden (Reuters 25.8.2021). Auslöser war u. a., dass Marokko die interne Krise in Algerien ausgenutzt hat, um in den letzten Jahren Erfolge im Bereich der Westsahara-Frage zu verbuchen - etwa den Beitritt zur Afrikanischen Union (AU) 2017 und die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara durch die USA. Die im Zuge dieser Anerkennung erfolgte Normalisierung der marokkanischen Beziehungen zu Israel hat Algerien ebenfalls unter Druck gesetzt. Gleichzeitig interpretierte Algerien einige marokkanische Äußerungen der jüngeren Vergangenheit als „feindliche Aktionen“ - etwa die Forderung eines marokkanischen Diplomaten nach Selbstbestimmung für die algerischen Kabylen. Algerien hat Gaslieferungen nach Marokko via Maghreb-Europa-Gaspipeline ebenfalls am 1.11.2021 eingestellt (ACWDC 4.11.2021).
Am 1.11.2021 wurden darüber hinaus drei algerische Staatsbürger im umstrittenen Territorium der Westsahara bei einem Drohnenangriff getötet. Die rhetorischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko sind in der Folge weiter angestiegen (MEI@75 10.11.2021). Algerien hat Gaslieferungen nach Marokko via Maghreb-Europa-Gaspipeline ebenfalls am 1.11.2021 eingestellt (MEI@75 10.11.2021; vergleiche ACWDC 4.11.2021) und liefert Gas nur noch nach Spanien (ACWDC 4.11.2021). Die Lage kann als regionaler Kalter Krieg bezeichnet werden, diplomatische Bemühungen von beiden Seiten sind nötig, um militärische Konfrontationen zu vermeiden (MEI@75 10.11.2021), die jedoch als unwahrscheinlich gelten. Die gegenwärtigen diplomatischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko hingegen könnten Jahrzehnte dauern (ACWDC 4.11.2021).
Im Juni 2022 hat Spanien die marokkanische Souveränität über die Westsahara anerkannt (DW 9.6.2022). Von der EU-Kommission wurde dieser Zug begrüßt, von der Polisario hingegen verurteilt (DW 23.3.2022).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.8.2022): Marokko - Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/politisches-portrait/224120, Zugriff 5.9.2022
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 30.9.2022
● ACWDC - Arab Center Washington DC (4.11.2021): Western Sahara Figures Prominently in Algeria-Morocco Tensions, https://arabcenterdc.org/resource/western-sahara-figures-prominently-in-algeria-morocco-tensions/, Zugriff 30.9.2022
● BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.9.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw37-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 30.9.2022
● DW - Deutsche Welle (9.6.2022): Neue Spannungen im Dauerkonflikt um Westsahara, https://www.dw.com/de/neue-spannungen-im-dauerkonflikt-um-westsahara/a-62079174, Zugriff 8.9.2022
● DW - Deutsche Welle (23.3.2022): Nordafrika-Kehrtwende in Spaniens Westsahara-Politik, https://www.dw.com/de/kehrtwende-in-spaniens-westsahara-politik/a-61211839, Zugriff 30.9.2022
● FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung: (6.4.2022): Westsahara-Konflikt: Marokkanisch-spanische Versöhnung beim Fastenbrechen, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/westsahara-konflikt-marokkanisch-spanische-versoehnung-17939427.html, Zugriff 30.9.2022
● FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 30.9.2022
● MEI@75 / Zine Labidine Ghebouli (10.11.2021): Algeria-Morocco tensions: The onset of a regional cold war, https://www.mei.edu/publications/algaeri-morocco-tensions-onset-regional-cold-war, Zugriff 30.9.2022
● Reuters (25.8.2021): Algeria cuts diplomatic relations with Morocco, https://www.reuters.com/world/algeria-says-cutting-diplomatic-ties-with-morocco-2021-08-24/, Zugrrff 30.9.2022
● USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 30.9.2022
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 03.10.2022
Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 7.9.2022). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 6.9.2022), bzw. wird deutschen Staatsbürgern von Reisen abgeraten. Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 6.9.2022; vergleiche BMEIA 6.9.2022). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 6.9.2022; vergleiche FD 6.9.2022, BMEIA 6.9.2022). Die Grenzregion zu Mauretanien ist zum Großteil vermint. Weder die marokkanischen noch mauretanischen Behörden verfügen dort über Exekutivrechte. Aufgrund der Aktivitäten durch die Terrororganisation Al Qaida in der benachbarten Sahelregion und in Westafrika besteht auch in Marokko ein gewisses Risiko (BMEIA 6.9.2022).
In der Region Tanger-Tetouan-Al Hoceima – vor allem im Rif-Gebirge – herrscht aufgrund sozialer Konflikte eine angespanntere Situation als im Rest des Landes. Die Kriminalitätsrate ist infolge des Rauschgifthandels sehr hoch. Es besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (BMEIA 6.9.2022; vergleiche AA 6.9.2022).
Marokko kann als sicheres Land angesehen werden, nicht nur in Bezug auf Terrorismus. Eine Ausnahme bildet nur die Westsahara, wo es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen marokkanischen Truppen und der POLISARIO (Frente Popular para la Liberación de Saguía el Hamra y Río de Oro - Volksfront zur Befreiung von Saguía el Hamra und Río de Oro) kommt. Der letzte größere Terroranschlag fand im Jahr 2011 statt. 2018 gab es bei Morden mit mutmaßlich terroristischem Hintergrund zwei, im Jänner 2022 ein weiteres Todesopfer und einen Verletzten. Die Exekutive arbeitet effizient im Bereich der Terrorismusbekämpfung. Die Behörden, hier vor allem das Bureau central d‘investigation judiciaire (BCIJ) sind effektiv beim Erkennen und Verhindern potenzieller terroristischer Bedrohungen durch rechtzeitiges Ausheben von Terrorzellen. Es kommt zu zahlreichen Verhaftungen von Terrorverdächtigen (STDOK 17.3.2022).
Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich. Vereinzelte gewalttätige Auseinandersetzungen können dabei nicht ausgeschlossen werden (EDA 7.9.2022; vergleiche BMEIA 6.9.2022). In den größeren Städten ist fallweise mit Demonstrationen und Ausschreitungen zu rechnen (BMEIA 6.9.2022; vergleiche AA 6.9.2022). Zuletzt kam es in verschiedenen Städten Marokkos zu nicht genehmigten Protesten und vereinzelt auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften (AA 6.9.2022). Es kann zu Taschendiebstählen und Raubüberfällen kommen (BMEIA 6.9.2022). Eigentumsdelikte kommen, vor allem in Großstädten, häufig vor. Dabei werden zum Teil auch Hieb- und Stichwaffen gegen Touristen eingesetzt (AA 6.9.2022).
Partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für Reisen in das Landesinnere des völkerrechtlich umstrittenen Territoriums der Westsahara und in entlegene Saharazonen Südmarokkos. Insbesondere vor der unmittelbaren Grenzregion zu Algerien, wird gewarnt (BMEIA 6.9.2022; vergleiche AA 6.9.2022). Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden. Seit November 2020 haben die Spannungen in der Westsahara zugenommen. In El Guerguerat an der Grenze zu Mauretanien und entlang der Demarkationslinie ist es wiederholt zu Scharmützeln zwischen marokkanischen Truppen und Einheiten der Frente Polisario gekommen (EDA 7.9.2022).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (6.9.2022): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 6.9.2022
● BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (6.9.2022): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 6.9.2022
● EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (7.9.2022): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/marokko/reisehinweise-fuermarokko.html, Zugriff 7.9.2022
● FD - France Diplomatie [Frankreich] (6.9.2022): Conseils aux Voyageurs - Maroc – Dernière minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/, Zugriff 6.9.2022
● STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (17.3.2022): Themenbericht intern: Nordafrika - Terrorismus in Ägypten, Libyen, Marokko und Tunesien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 03.10.2022
Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 12.4.2022). In der Praxis unterliegt die Justiz jedoch weiterhin dem Einfluss der Exekutive und ist an die Interessen der Monarchie gebunden (BS 23.2.2022; vergleiche FH 28.2.2022); zudem wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 24.11.2021, FH 28.2.2022) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Das Gerichtssystem ist nicht unabhängig vom Monarchen, der dem Obersten Justizrat vorsitzt (FH 2.2022; vergleiche BS 2022). Marokko bekennt sich zu rechtsstaatlichen Grundsätzen, allerdings weist das Justizsystem Schwächen (mangelnde Unabhängigkeit der Richter, ausstehende Modernisierung der Justizverwaltung, bedenkliche Korruptionsanfälligkeit) auf. Die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze wird von staatlichen und nicht staatlichen Einrichtungen überwacht bzw. kritisch beobachtet (AA 24.11.2021).
Durch die Zusammenarbeit mit internationalen Partnerorganisationen (EU, Europarat, EU-Mitgliedstaaten) soll die Justiz effizienter, unabhängiger und weniger korruptionsanfällig gemacht werden. Noch liegt sie allerdings in ihrer Unabhängigkeit und Bindung an Recht und Gesetz hinter den in der Verfassung normierten Ansprüchen (Artikel 107 f, f,) zurück. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt - Oberster Justizrat) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 24.11.2021).
Die Verfassung sieht darüber hinaus eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (der erwähnte Oberste Justizrat, Gleichstellungsrat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch vor oder am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 8.2021).
Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 24.11.2021). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 24.11.2021). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden (BS 23.2.2022; vergleiche AA 24.11.2021). Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam (garde à vue) zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 24.11.2021).
Berichten zufolge werden Untersuchungshäftlinge in der Praxis länger als ein Jahr festgehalten, und das Gesetz enthält keine Bestimmungen, die es Untersuchungshäftlingen erlauben, ihre Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Einige Verdächtige, insbesondere diejenigen, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden tage- oder wochenlang in geheimer Haft gehalten, bevor eine formelle Anklage erhoben wird (AA 24.11.2021). Zudem wird Angeklagten nach ihrer Verhaftung der sofortige Zugang zu Anwälten verwehrt, und Verteidiger stoßen beim Zugang bei der Vorlage von Prozessbeweisen auf Hindernisse (BS 23.2.2022). Nach der Strafprozessordnung hat ein Angeklagter das Recht, nach 24 Stunden Polizeigewahrsam einen Anwalt zu kontaktieren, was auf 36 Stunden verlängert werden kann. Häftlinge haben jedoch nicht das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen, wenn die Polizei sie verhört oder ihnen ihre Aussagen zur Unterschrift vorlegt. In den letzten Jahren haben Polizeibeamte Häftlinge oft gezwungen oder dazu gebracht, selbstbelastende Aussagen zu unterschreiben, auf die sich Richter später stützten, um sie zu verurteilen, selbst wenn die Angeklagten diese Aussagen vor Gericht widerriefen (HRW 13.1.2022).
Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z. B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 24.11.2021).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 30.9.2022
● BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 30.9.2022
● FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 30.9.2022
● HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066500.html, Zugriff 30.9.2022
● ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 30.9.2022
● USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 30.9.2022
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 03.10.2022
Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN „Direction Générale de la Sûreté Nationale“ (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den Forces Auxiliaires handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Nationalstraßen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 24.11.2021, ÖB 8.2021). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED (Direction Générale des Etudes et de Documentation) und den Inlandsdienst DGST (Direction Générale de la Surveillance du Territoire). Im April 2015 wurde zusätzlich das Bureau Central d'Investigations Judiciaires (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST (AA 24.11.2021; vergleiche ÖB 8.2021).
Das BCIJ hat originäre Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 24.11.2021; vergleiche ÖB 8.2021) sowie Entführungen. Damit wurde die Schlagkraft des Polizeiapparats gestärkt, diese spezialisierte Polizeitruppe ist besser ausgebildet und besser ausgerüstet. Seit der Gründung des BCIJ im Jahr 2015 wurden 84 Terrorzellen ausgehoben (ÖB 8.2021).
Auch wenn Angehörige der Sicherheitskräfte einige Übergriffe begingen, ist die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte gemäß USDOS wirksam (USDOS 12.4.2022), gemäß Auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 24.11.2021). [Anm.: Das Auswärtige Amt bezieht sich hier wohl auf die weitgehende Kontrolle der Sicherheitskräfte durch den König und sein Umfeld.] Typisch für das marokkanische politische System ist, dass die Weisungskette der Polizeidienste an der Regierung vorbei unmittelbar zur Staatsspitze führt (ÖB 8.2021).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 30.9.2022
● ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 30.9.2022
● USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 30.9.2022
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 03.10.2022
Der Grundrechtskatalog (Kapitel römisch eins und römisch II) der Verfassung ist substanziell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen „roten Linien“ - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i. e. Annexion der Westsahara) - quasi als „Baugesetze“ des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 8.2021). In den Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte. Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen. Die nächste Überprüfung im Rahmen der Universellen Staatenüberprüfung (UPR) soll im Jahr 2022 erfolgen (AA 24.11.2021).
Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam infrage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt (AA 24.11.2021).
Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken jedoch die Meinungsfreiheit im Bereich der Presse und in den sozialen Medien ein (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 24.11.2021).
Marokko belegte im Weltindex der Pressefreiheit 2020 Platz 133 (BS 23.2.2022). Selbstzensur ist die Regel; aber auch offene Repression bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung journalistisch oder politisch aktiver Personen konnte im Berichtsjahr beobachtet werden (AA 24.11.2021). 2021 wurde Marokko auf Platz 136 runtergestuft. Kritik am König ist in Marokko verboten und wird als „Angriff auf die heiligen Werte der Nation“ mit Gefängnis bestraft. Tabuthemen sind auch politische Proteste, die Westsahara-Politik, Korruption hochrangiger Politiker und inzwischen die Massenmigration nach Europa. Immer wieder werden Journalisten wegen unliebsamer Berichte vor Gericht gebracht und zu Haftstrafen verurteilt oder Korrespondenten ausländischer Medien abgeschoben. Zum Einschüchterungsrepertoire des Staats gehören auch Anzeigenboykotte, Drohungen, untergeschobene Drogendelikte, Rufmord, Überfälle, Einbrüche und seit neuestem Anklagen wegen angeblicher Sexualdelikte. Manche Gerichtsprozesse gegen Medienschaffende werden über Jahre hinweg verschleppt (ROG 2022). Es kommt auch zu Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, v.a. gegen Blogger, Aktivisten und Studenten (BS 23.2.2022).
Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich (AA 24.11.2021). Gelegentlich unterbrechen die Behörden Webseiten und Internetplattformen (FH 2.2022). Die unabhängige Presse wurde in der Covid-19-Krise ruhig gestellt (Stopp von Printmedien, Online-Berichterstattung weitgehend über offizielle Kommuniqués, Gesetzentwurf gegen Nutzung sozialer Medien) (AA 24.11.2021). Die staatliche Überwachung von Online-Aktivitäten und persönlicher Kommunikation ist ein ernstes Problem. Der Einsatz von Spionageprogrammen und Überwachungstechnologien durch die Regierung ist weit verbreitet (FH 2.2022). Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten – Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten – vor allem im Gebiet der Westsahara selbst – besonders exponiert sind (ÖB 8.2021).
Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, von staatlicher Einflussnahme auf quasi die gesamte Medienlandschaft ist jedoch auszugehen (AA 24.11.2022), bzw. ist diese eng mit den Machtzentren verbunden (BS 23.2.2022), und wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der oben genannten drei Tabuthemen ersetzt (AA 24.11.2021). Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität bzw. den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 12.4.2022; vergleiche HRW 13.1.2022, AA 24.11.2021, FH 2.2022, ÖB 8.2021). Dies gilt auch für Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (ÖB 8.2021; vergleiche HRW 13.1.2022). Zu den wichtigsten Fernseh- und Radioeigentümern gehören die Königsfamilie und andere politisch einflussreiche Unternehmer (ROG 2022).
Internationale NGOs werfen dem marokkanischen Staat vor, allgemeine Straftatbestände (Sexualstrafrecht, Steuerrecht, Verleumdung) zu nutzen, um kritische journalistische Stimmen und oppositionelle Meinungen zu unterdrücken. Aktivisten, die wegen ihres Engagements für Umweltschutz oder soziale Fragen vor Gericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt wurden. 2021 sind vermehrt Verfolgungen verschiedener Personengruppen aufgefallen, die in ihren Foren offen z. B. wirtschaftliche Missstände angeprangert und dabei den König angegriffen haben (AA 24.11.2021). In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben HRW und andere Menschenrechtsorganisationen dokumentiert, wie marokkanische Gerichte Dutzende von Journalisten und Aktivisten verurteilt und behördenkritische Medien geschlossen, mit hohen Geldstrafen belegt oder anderweitig mit Sanktionen belegt haben, und zwar wegen Verleumdung, Veröffentlichung falscher Nachrichten, Beleidigung oder Verleumdung lokaler Beamter, staatlicher Stellen oder ausländischer Staatsoberhäupter sowie Untergrabung der Staatssicherheit oder Anfechtung der Monarchie. Gemäß HRW hat die marokkanischen Behörden ein ganzes Arsenal von Taktiken entwickelt und verfeinert, um abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen. Dabei verletzten die Behörden eine lange Liste von Rechten, darunter das Recht auf Privatsphäre, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Eigentum und das Recht auf ein faires Verfahren, während sie gleichzeitig schwere Straftaten wie Vergewaltigung, Unterschlagung oder Spionage ins Lächerliche ziehen (HRW 28.7.2022).
Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden. Es wurden auch 2021, Journalisten und Menschen, wegen ihrer kritischen, gewaltfreien Äußerungen in sozialen Medien, nach dem Strafgesetzbuch strafrechtlich verfolgt und inhaftiert (HRW 13.1.2022; vergleiche BS 23.2.2022). Sie wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, unter anderem wegen mangelnden Respekts vor dem König, Diffamierung staatlicher Institutionen und Beleidigung von Amtsträgern (HRW 13.1.2022). Aktuell [2022], befinden sich 3 Journalisten, 4 Medienmitarbeiter und 4 Blogger bzw. Bürgerjournalisten in Haft (ROG 2022). Eine Reihe von Journalisten und Aktivisten, die über die Hirak-Bewegung berichtet haben, wurden wegen Straftaten verurteilt. Der König hat auch das Vorrecht der Begnadigung (Artikel 58), und begnadigte am 30.7.2020 mehrere Mitglieder der Hirak-Bewegung. Ferner wurden Berichten zufolge Hirak-Aktivisten während ihrer Verhöre gefoltert und misshandelt (BS 23.2.2022).
Am 21.9.2022 wurde die Menschenrechtsaktivistin Saida El Alami in zweiter Instanz zu drei Jahren Haft verurteilt. Sie war wegen Beleidigung eines Verfassungsorgans, Beleidigung von Amtsträgern in Ausübung ihrer Pflicht, Angriff auf die Justiz und Verbreitung falscher Behauptungen angeklagt worden. Die 48-Jährige postete regelmäßig kritische Berichte über Behörden, soziale Themen betreffend (BAMF 26.9.2022).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die „roten Linien“ Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 24.11.2021). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 12.4.2022). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 24.11.2021; vergleiche USDOS 12.4.2022). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 24.11.2021; vergleiche FH 2.2022, USDOS 12.4.2022, HRW 13.1.2022). Ein großer Rückschlag für die Meinungsfreiheit und die bürgerlichen Freiheiten war auch die Verhaftung von Journalisten, Künstlern und Menschenrechtsaktivisten aufgrund verschiedener Anschuldigungen, die ein Zeichen dafür sind, dass das Justizsystem weiterhin gegen Kritiker und unabhängige Akteure eingesetzt wird (BS 23.2.2022).
Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 12.4.2022). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 13.1.2022). Politischen Oppositionsgruppen und Organisationen, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen, wird kein NGO-Status zuerkannt (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 30.9.2022
● BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (26.9.2022): Marokko, Drei Jahre Haft für Menschenrechtsaktivistin Saida El Alami, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683355/1094994/1094995/1095013/13446325/23477053/23954340/-/Deutschland._Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_KW39%2C_26.09.2022_%28deutsch%29.pdf?nodeid=23953998&vernum=-2, Zugriff 27.9.2022
● BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 30.9.2022
● FH - Freedom House (2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 30.9.2022
● HRW - Human Rights Watch (28.7.2022): They’ll Get You No Matter What; Morocco’s Playbook to Crush Dissent, https://www.ecoi.net/en/file/local/2076394/morocco0722_web.pdf, Zugriff 28.9.2022
● HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066500.html, Zugriff 30.9.2022
● ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 30.9.2022
● ROG - Reporter ohne Grenzen (2022): Rangliste der Pressefreiheit, Marokko, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/marokko, Zugriff 30.9.2022
● USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 30.9.2022
Relevante Bevölkerungsgruppen
HOMOSEXUELLE
Letzte Änderung: 03.10.2022
Homosexualität, bzw. einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen, stehen weiterhin unter Strafe (AI 29.3.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022). Artikel 489, stellt homosexuelle Handlungen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe: Haftstrafen von sechs Monate bis drei Jahren (AA 24.11.2021; vergleiche FH 28.2.2022, HRW 13.1.2022; USDOS 12.4.2022), sowie Geldstrafen von 200 bis 1.000 Dirham (AA 24.11.2021). Im Rahmen der Strafrechtsreform wurde diskutiert, die Strafbarkeit homosexueller Handlungen abzuschaffen, dies wird jedoch von der PJD und von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Wie auch außerehelicher Geschlechtsverkehr so wird auch Homosexualität, die im Verborgenen gelebt wird, nur in Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt - in der Regel auf Anzeige von Familien oder Nachbarn (AA 24.11.2021). Im Feber 2021 wurde ein Künstler nach einer viermonatigen Haftstrafe entlassen, nachdem er auf einer Polizeistation verhaftet wurde, weil er über homophobe Belästigung und Todesdrohungen berichten wollte (AI 29.3.2022).
Sexuelle Minderheiten werden vom marokkanischen Staat nicht anerkannt. Die sexuelle Selbstbestimmung wird durch das generelle Verbot außerehelicher einvernehmlicher sexueller Beziehungen sowie durch die generelle Kriminalisierung der Homosexualität stark eingeschränkt. Homosexualität muss im Verborgenen gelebt werden. Offen gelebte Homosexualität wird gesellschaftlich nicht toleriert (AA 24.11.2021). Anti-Diskriminierungsgesetze gelten nicht für Angehörige sexueller Minderheiten. Es kommt zur Stigmatisierung solcher Personen, und es gibt einzelne Berichte über offensichtliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität in Beschäftigung, Wohnung, Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung (USDOS 12.4.2022). Im Juli 2021 verabschiedete das Parlament Artikel 28 des Personenstandsgesetzes, der besagt, dass das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht eines "hermaphroditischen" Neugeborenen auch später im Leben geändert werden kann. Obwohl dies als Fortschritt für die LGBTI-Rechte in Marokko angepriesen wurde, erklärten und kritisierten NGOs den Begriff "Hermaphrodit" als beleidigend. Darüber hinaus ordnet das Gesetz intersexuelle Menschen weiterhin entweder dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zu, erlaubt Transgender-Personen nicht die Transition. Transgender-Personen werden im Gesetz nach wie vor nicht erwähnt (AI 29.3.2022).
Im Bereich Homosexualität gibt es keine offen und legal agierenden zivilgesellschaftlichen Initiativen. Eine bekannte - aber nicht als NGO registrierte - Initiative ist „Aswat“ (AA 24.11.2021).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf Zugriff 30.9.2022
● AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Morocco and Western Sahara 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070307.html, Zugriff am 30.9.2022
● FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 30.9.2022
● HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066500.html, Zugriff 30.9.2022
● USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 30.9.2022
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 03.10.2022
Gesetzlich sind innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Behörden respektieren diese Rechte üblicherweise (USDOS 12.4.2022). Auch Sahrawis/Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit (AA 24.11.2021). Die Regierung stellt Sahrawis üblicherweise weiterhin Reisedokumente zur Verfügung. Es wird allerdings von Fällen berichtet, wo die Behörden Sahrawis daran hinderten, Reisen anzutreten (USDOS 12.4.2022).
Wer nicht per Haftbefehl gesucht wird, kann unter Beachtung der jeweiligen Visavorschriften in der Regel problemlos das Land verlassen. Dies gilt auch für bekannte Oppositionelle oder Menschenrechtsaktivisten (AA 24.11.2021).
Es gibt einige Berichte wonach Regierungsbehörden lokalen und internationalen Organisationen sowie der Presse den Zugang zum Rif und der östlichen Region verweigern. Die Regierung bestreitet dies (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 30.9.2022
● USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 30.9.2022
Grundversorgung
Letzte Änderung: 03.10.2022
Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert (AA 24.11.2021). Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, Wasser, Strom und Abwasserentsorgung verbessert sich allmählich, aber es bestehen nach wie vor große infrastrukturelle Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sowie innerhalb marginalisierter städtischer Viertel, in denen es immer noch an grundlegenden Dienstleistungen mangelt. Insgesamt sind 77 % der Haushalte an Abwassersysteme und 85 % an verbesserte Wasserquellen angeschlossen. Einigen Gemeinden fehlen noch immer die technischen und finanziellen Mittel für die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen, einschließlich öffentlicher Verkehrsmittel (BS 23.2.2022). Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 24.11.2021).
Marokko hat die pandemiebedingte Ausnahmesituation der vergangenen zwei Jahre gut überstanden. Das Land konnte sich dynamisch an die Herausforderungen der Covid-Ausnahmesituation anpassen und damit verbundene Chancen nützen. Die weltweit gestiegenen Energiepreise (Öl, Gas und Kohle), die Unterbrechung der Gaspipeline aus Algerien und ein sehr trockener Winter, der die Preise für Getreide und Gemüse bereits sehr angeheizt hatte, gaben dem aufkeimenden wirtschaftlichen Optimismus im Land jedoch einen ordentlichen Dämpfer. Dazu kam die Ukrainekrise mit den weltweiten Auswirkungen. Die marokkanische Zentralbank kündigte Anfang April 2022 ein erwartetes Wirtschaftswachstum von 0,7 % und eine Inflation von 4,7 % für 2022 an, die Weltbank geht von einem Wachstum von 1,1 % für 2022 und +4,3 für 2023 aus (WKO 22.6.2022).
Abgesehen von den Einbußen durch die Corona-Krise kann man, sofern die globale Situation halbwegs stabil bleibt, insgesamt wieder von einem vorsichtig positiven Ausblick sprechen. Die, trotz Regierungswechsel, stabilen politischen Verhältnisse und die zahlreichen Investitionspläne mit dem Ziel der Diversifizierung und Stärkung der marokkanischen Wirtschaft und einer Umstellung auf erneuerbare Energie ziehen mittelfristig gute Geschäftschancen in den unterschiedlichsten Bereichen nach sich: Prozessoptimierung und Modernisierung der Industrie steht ganz oben auf der Agenda der marokkanischen Industrie. Hier ergeben sich für Automobilzulieferer, Industrieausstatter, Anlagenlieferanten und Dienstleister gute Marktchancen (WKO 22.6.2022).
Marokko ist ein agrarisch geprägtes Land: Die Landwirtschaft erwirtschaftet in Marokko ca. 20 % des BIP und ist damit der bedeutendste Wirtschaftszweig des Landes. Ca. zwei Drittel der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt, davon 18 % als Ackerland. Da davon nur rund 15 % systematisch bewässert werden, ist die Wetterabhängigkeit sehr hoch. Der Sektor schafft 40 % der Arbeitsplätze und ist Einkommensquelle für drei Viertel der Landbevölkerung. Von den 1,5 Mio. landwirtschaftlichen Betrieben sind mehr als zwei Drittel Kleinstbetriebe, die über weniger als drei Hektar Land verfügen, mit geringer Mechanisierung arbeiten und nur zu 4 % am Export beteiligt sind. Die modernen Landwirtschaftsbetriebe decken erst rund ein Achtel der kultivierbaren Gesamtfläche ab (WKO 14.6.2022).
Unsichere Arbeitsplätze und fehlende Möglichkeiten betreffen Arbeitnehmer im informellen Sektor, aber auch Facharbeiter und junge Hochschulabsolventen. Obwohl der Wert des Landes auf dem Index der menschlichen Entwicklung (HDI) von 0,608 im Jahr 2009 auf 0,686 im Jahr 2019 gestiegen ist, liegt Marokko auf Platz 121 von 189 Ländern und Gebieten und befindet sich damit in der mittleren Entwicklungskategorie (BS 23.2.2022).
Es wird davon ausgegangen, dass COVID-19 enorme soziale und wirtschaftliche Auswirkungen haben wird, vor allem auf gefährdete und unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen. Die Höhere Planungskommission Marokkos erwartet einen Anstieg der Armutsquote von 17,1 % (2019) auf 19,87 % (2020). Am stärksten ist die Pandemie im informellen Sektor und unter gering qualifizierten Arbeitnehmern sowie unter Migranten und Flüchtlingen zu spüren. Informell Beschäftigte sind anfälliger für Verarmung und Gesundheitsprobleme, da es ihnen an Unterstützungsmechanismen und Zugang zu sozialen Sicherheitsnetzen fehlt, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können (BS 23.2.2022).
Kurz gesagt, COVID-19 wird die Kluft zwischen den sozialen Schichten in Marokko vertiefen, zumal die Pandemie die Ungleichheiten beim Zugang zu Bildung verschärft hat, was es den Unterprivilegierten erschwert, ihre Lebensbedingungen zu verbessern (BS 23.2.2022).
Die Arbeitslosenquote liegt 2022 bei 12,1 % [Prognose] (WKO 22.6.2022). Die Arbeitslosenquote der Erwerbstätigen zwischen 15-64 lag 2021 bei 11,5 %, die Jugendarbeitslosenquote (15-24 Jahre) lag bei 27,2 % (WKO 6.2022). Die Dunkelziffer liegt wesentlich höher - vor allem unter der Jugend. Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z. B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mithilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021).
Armut ist weit verbreitet, und für einen großen Teil der Bevölkerung gibt es kaum wirtschaftliche Möglichkeiten (FH 28.2.2022). Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.828 Dirham (ca. EUR 270). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.060 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 8.2021).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 30.9.2022
● BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 - Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 30.9.2022
● FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 30.9.2022
● ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 30.9.2022
● WKO - Wirtschaftskammer Österreich (22.6.2022) : Aussenwirtschaft, Wirtschaftsbericht Marokko, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/marokko-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 30.9.2022
● WKO - Wirtschaftskammer Österreich (14.6.2022): Die marokkanische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-marokkanische-wirtschaft.html, Zugriff 30.9.2022
● WKO - Wirtschaftskammer Österreich (6.2022) : Länderprofil Marokko, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-marokko.pdf, Zugriff 30.9.2022
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 03.10.2022
Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert (AA 24.11.2021). Die medizinische Versorgung durch Ärzte und Krankenhäuser in Marokko ist im Vergleich zur Weltbevölkerung unterdurchschnittlich. Pro 1000 Einwohner stehen im Land 1,0 Krankenhausbetten zur Verfügung. Der weltweite Mittelwert liegt hier bei 2,9 Betten. Innerhalb der EU stehen 4,6 Betten für jeweils 1000 Einwohner zur Verfügung (LI o.D.). Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern und gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards (AA 24.11.2021). Der öffentliche Gesundheitssektor ist in seiner Ausstattung und Qualität sowie bei der Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten (ÖB 8.2021). Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 24.11.2021). Mit rund 27.200 ausgebildeten Ärzten in Marokko stehen pro 1000 Einwohner rund 0,73 Ärzte zur Verfügung (LI o.D.). Es kommt zu einem ungleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung in den verschiedenen Regionen. Etwa 52 % der Ärzte befinden sich in den beiden Regionen Rabat-Salé-Kénitra und Casablanca-Settat, obwohl dort nur 34 % der Bevölkerung leben (Gesundheitsministerium, 2016). So hat nur 30 % der Landbevölkerung Zugang zu Gesundheitseinrichtungen (BS 23.2.2022). Im Mai 2021 streikten die Ärzte im öffentlichen Dienst 48-Stunden lang, um gegen die Untätigkeit der Behörden zu protestieren, und forderten eine bessere Ausstattung der öffentlichen Krankenhäuser, wie auch bessere Gehalts- und Arbeitsbedingungen (AI 29.3.2022).
Private Spitäler, Ambulanzen und Ordinationen bieten medizinische Leistungen in ähnlicher Qualität wie in Europa an, wenn auch nicht in allen fachmedizinischen Bereichen gleich und örtlich auf die Städte beschränkt (Casablanca, Rabat, Tanger und andere größere Städte). Diese Dienstleistungen sind freilich mit entsprechenden Honoraren verbunden. Eine Konsultation beim Wahlarzt (Allgemeinmedizin) kostet ab 150 Dirham (13 €), beim Facharzt ab 200 (17 €) Dirham bis 500 (45 €) Dirham und mehr bei Spezialisten (zum Vergleich der Mindestlohn: 2.570 Dirham/234 €) (ÖB 8.2021).
Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 24.11.2021). Allerdings kann durch die medizinische Versorgung in Marokko die Sterblichkeit wesentlicher, bekannter Krankheiten weitestgehend reduziert werden. So sterben nach aktuellem Stand nur etwa 24 Prozent aller Menschen, die an Krebs, Diabetes, Herzkreislauferkrankungen oder der Chylomikronen-Retentions-Krankheit (CRD) leiden (LI o.D.).
Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 152 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 25.440 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.381 Einwohner); daneben bestehen 2.408 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei erhalten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 8.2021). Nach anderen Angaben sind medizinische Dienste kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt ein an die Beschäftigung geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNSS). Seit 2015 können sich unter bestimmten Umständen auch Studierende und sich legal im Land aufhaltende Ausländer versichern lassen. Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine Carte RAMED zur kostenfreien Behandlung erhalten (AA 24.11.2021).
Die Pandemie hat auch die Anfälligkeit der Gesundheitsinfrastrukturen deutlich gemacht. Marokko verdoppelte seine Kapazität an Krankenhausbetten, es wurden Testzentren eingerichtet und im Jänner 2021 startete landesweit eine massive Impfkampagne (BS 23.2.2022). Bis Ende des Jahres 2021 hatte Marokko rund 67 % der Bevölkerung vollständig gegen Covid-19 geimpft (AI 29.3.2022). Ende Jänner 2021 wurden 2,4 Infektionen pro 100.000 Menschen gemeldet, mit einer Sterblichkeitsrate von 1,8 %. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums starben mehr als 8.000 Menschen (BS 23.2.2022).
Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. auf vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3% der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis (Carte RAMED), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 8.2021).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 30.9.2022
● AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Morocco and Western Sahara 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070307.html, Zugriff am 30.9.2022
● BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 30.9.2022
● LI - Länder.info (o.D.): Gesundheitswesen in Marokko, https://www.laenderdaten.info/Afrika/Marokko/gesundheit.php, Zugriff 27.9.2022
● ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 30.9.2022
Rückkehr
Letzte Änderung: 03.10.2022
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 24.11.2021).
Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 24.11.2021). Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat eine solche Abmachung getroffen. Freiwillige Rückkehrer werden bei der Ausreise und auch bei der Einreise nach Marokko unterstützt. Freiwillige Rückkehrer aus Österreich nach Marokko haben zudem die Möglichkeit, nach Bestätigung der Projektaufnahme durch das BFA und Erfüllung der Teilnahmekriterien, am Reintegrationsprojekt ERRIN, welches vom BMI in Österreich noch bis 30.6.2022 umgesetzt wird, teilzunehmen. Zudem kann es Unterstützungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene über den EU Trust Fund (EU-IOM Joint Initiative for Migrant Protection and Reintegration in North Africa) geben, diese wären aber gesondert nochmals nach Aktualität und Verfügbarkeit für Rückkehrer aus Österreich abzufragen (IOM 25.4.2022).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 30.9.2022
● IOM - International Organisation for Migration (25.4.2022): Informationen zur freiwilligen Rückkehr nach Marokko, Auskunft von IOM via E-Mail, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor diesem und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie den in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 5. Juni 2023 gemachten Aussagen, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Marokko.
Ergänzend wurden Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister der Republik Österreich, dem Betreuungsinformationssystem (GVS) und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (AJ-Web) eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Herkunft sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung und in der Einvernahme vor dem Bundesamt.
Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht fest. Er gab an, dass er seinen Reisepass in der Türkei verloren habe (Aktenseite 9).
Die Feststellung, dass er an keiner lebensbedrohlichen behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung leidet und gesund ist, ergibt sich ebenfalls aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung und in der Einvernahme vor dem Bundesamt. Er gab an gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen (Aktenseite 37). Er leidet an keinen chronischen Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen und steht nicht in ärztlicher Behandlung (Verhandlungsschrift Seite 3 und 4).
Dass der Beschwerdeführer keiner COVID-19-Risikogruppe angehört, ergibt sich aus dem Umstand, dass er im Verfahren auch keine medizinische Indikation für eine etwaige Zuordnung seiner Person zur COVID-19-Risikogruppe gemäß Paragraph 2, der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 203 aus 2020,) geltend gemacht hat. Auch ist keine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit ersichtlich und wurde eine solche zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vorgebracht.
Die Feststellung zu seinen Sprachkenntnissen ergibt sich einerseits aus den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme am 24. Februar 2023 und andererseits aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung. So gab er an, muttersprachlich Arabisch und etwas Englisch zu sprechen (Aktenseite 37).
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer in der Stadt römisch 40 geboren wurde und vor seiner Ausreise in römisch 40 lebte, ergibt sich aus seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 24. Februar 2023 (Aktenseite 40, 42) und aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung (Verhandlungsschrift Seite 5).
Die Feststellungen zu seiner Schul- und Universitätsausbildung sowie zu seiner beruflichen Tätigkeit ergeben sich ebenfalls aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung (Verhandlungsschrift Seite 6,7). So gab er an, dass er zwölf Jahre die Schule und drei Jahre die Universität besucht und in der Landwirtschaft oder auf Baustellen gearbeitet habe. Daraus, und aus seinen Angaben in der Erstbefragung, ergibt sich des Weiteren, dass seine Eltern und Geschwister weiterhin in Marokko leben und er mit diesen in regelmäßigen Kontakt steht (Aktenseite 7 und Verhandlungsschrift Seite 8, 26).
Die Feststellungen zur Ausreise, Reiseroute und Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich ergeben sich aus der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Aktenseite 9).
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht aufweist, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer sich erst seit rund sechs Monaten in Österreich aufhält. Die Feststellung, dass er in Österreich über keine maßgeblichen privaten oder familiären Anbindungen verfügt, beruhen auf seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung, in welcher er angab, dass er kein Deutsch spreche, keiner Arbeit nachgehe, sich bei keiner Organisation oder Verein betätige, keine soziale Kontakte zur österreichischen Gesellschaft und keine Angehörige in Österreich oder im EWR-Raum habe.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus der aktuellen Abfrage aus dem Betreuungsinformationssystem.
Die Feststellung zu seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit in Österreich ergibt sich aus dem aktuellen Strafregisterauszug.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
2.3.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der Glaubhaftmachung im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinn der Zivilprozessordnung zu verstehen. Es genügt, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hierzu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers, voraus (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058, mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt ebenso wie die Beweisführung den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 27.05.1998, Zl. 97/13/0051). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 01.10.1997, Zl. 96/09/0007).
Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers sind positive Feststellungen von der Behörde nicht zu treffen (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).
Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Angaben eines Asylwerbers hat der Verwaltungsgerichtshof als Leitlinien entwickelt, dass es erforderlich ist, dass der Asylwerber die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 05.04.1995, Zl. 93/18/0289). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Der Asylwerber hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach Paragraph 15, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage und allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Es entspricht ferner der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass im Allgemeinen Fluchtgründe nicht als glaubwürdig angesehen werden können, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens bzw. der niederschriftlichen Einvernahmen unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650). Die Unkenntnis in wesentlichen Belangen indiziert ebenso mangelnde Glaubwürdigkeit (VwGH 19.03.1997, Zl. 95/01/0466).
2.3.2. Zu den geltend gemachten wirtschaftlichen Gründen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung wird vom erkennenden Gericht folgendes ausgeführt:
Der Beschwerdeführer begründete seinen verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und auch vor dem Bundesamt unter anderem mit der schlechten wirtschaftlichen Lage in Marokko (Aktenseite 10, 42).
Soweit der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz auf wirtschaftliche Gründe stützte, ist auszuführen, dass diesem Vorbringen weder eine konkrete Verfolgung noch eine konkrete Rückkehrgefährdung zu entnehmen ist. Der Beschwerdeführer leidet seinen eigenen Angaben nach an keiner lebensbedrohlichen Krankheit und ist erwerbsfähig. Er wohnte bis zu seiner Ausreise Taroudannt, verfügt über eine Schul- und Universitätsbildung und konnte zudem bereits Arbeitserfahrung sammeln.
Im Falle seiner Rückkehr sollte er durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine bloße Hilfstätigkeit handelt, seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Ihm sollte dabei zugute kommen, dass er bereits Berufserfahrung gesammelt hat. Es ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Erwerbsfähigkeit zumindest eine Unterkunft und eine Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln zur Verfügung stehen werden. Wie aus dem aktuellen Länderbericht hervorgeht, ist die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet. Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Zudem leben noch seine Eltern und Geschwister, mit welchen er in regelmäßigen Kontakt steht, in Marokko und kann er gegebenenfalls auch deren Hilfe in Anspruch nehmen.
Aus dem soeben zitierten Länderinformationsblatt ergibt sich, dass die Arbeitslosigkeit zwar weiterhin ein Problem darstellt, das nationale Arbeitsmarktservice aber eine Internet-Plattform zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt und auch Fortbildungsmöglichkeiten angeboten werden. Von der marokkanischen Regierung wird auch ein Programm zur Armutsbekämpfung und des sozialen Wohnbaus geführt und ist eine medizinische Behandlung auch für nicht krankenversicherte Personen mit sehr geringem Einkommen durch das System RAMED gesichert. Der Beschwerdeführer brachte jedenfalls keine gesundheitlichen Einschränkungen vor, sodass auf spezifische medizinische Versorgungsmöglichkeiten nicht weiter eingegangen werden muss. Aus dem Länderinformationsblatt geht jedoch hervor, dass die medizinische Grundversorgung vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert ist.
Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf den Beschwerdeführer. Dass er derzeit an einer COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt bei unter 1%. Es fehlt daher auch vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie fallgegenständlich an den geforderten außergewöhnlichen Umständen iSd Artikel 3, EMRK.
Die vom Beschwerdeführer in der Erstbefragung geltend gemachten wirtschaftlichen Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates stellen keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung dar. Dazu stellte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Stammrechtssatz (E 20.02.1985, 85/01/0052) bereits fest, dass wirtschaftliche Gründe für sich genommen eine Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu rechtfertigen vermögen.
Aus dem Gesagten war die Feststellung zu treffen, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Marokko somit nicht automatisch dazu führt, dass er einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Auch ist er angesichts der weitgehend stabilen Sicherheitslage nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.
2.3.3. Der Beschwerdeführer modifizierte bzw. erweiterte und stützte seinen Antrag auf internationalen Schutz in der Einvernahme vor dem Bundesamt auf seine bisexuelle Orientierung.
Wie sich aus den vom United Nations High Commissioner for Refugees (UN-HCR) herausgegebenen „Guidelines on International Protection No. 9: Claims to Refugee Status based on Sexual Orientation and/or Gender Identity within the context of Article 1A(2) of the 1951 Convention and/or its 1967 Protocol relating to the Status of Refugees" vom 23. Oktober 2012 (im Folgenden: SOGI-Richtlinien) ergibt, können sich Diskriminierung, Hass und Gewalt in all ihren Formen nachteilig auf die Fähigkeit eines Antragstellers auswirken, seine Ansprüche geltend zu machen: Manche Menschen litten unter Schamgefühlen, verinnerlichter Homophobie und Traumata, weshalb ihre Fähigkeit, ihren Fall vorzutragen, stark eingeschränkt sein könne. Wenn ein Antragsteller im Stadium sei, sich mit seiner Identität zu arrangieren, oder sich davor fürchte, seine sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität offen zu äußern, werde er möglicherweise zögern, das wahre Ausmaß der erlittenen oder befürchteten Verfolgung anzugeben. Die Tatsache, dass eine Person ihre sexuelle Ausrichtung oder Geschlechtsidentität in der "Screening-Phase" oder am Beginn des Gesprächs nicht angegeben hat, solle im Allgemeinen nicht zu einem negativen Urteil führen. Auf Grund ihrer oft komplexen Natur eigneten sich Anträge, die auf der sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität beruhen, im Allgemeinen nicht für eine beschleunigte Bearbeitung oder die Anwendung des Konzepts des "sicheren Herkunftslandes".
Den Berichten des UNHCR und des European Asylum Support Office (EASO; nunmehr European Union Agency for Asylum, EUAA) ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bei der Beurteilung von Anträgen auf internationalen Schutz besondere Beachtung zu schenken vergleiche zB VfSlg. 20.358/2019, 20.372/2020; VfGH 12.12.2019, E 2692/2019; 23.6.2021, E 865/2021). Dies gilt auch für die oben erwähnten SOGI-Richtlinien vergleiche jüngst VfGH 26.6.2020, E 902/2020; 27.9.2021, E 1951/2021; 19.9.2022, E 2406/2021).
Auch der Gerichtshof der Europäischen Union meint, dass nicht alleine deshalb, weil eine Person zögert, intime Aspekte ihres Lebens – wie insbesondere ihrer Sexualität – zu offenbaren, auf die Unglaubwürdigkeit dieser Person geschlossen werden könne. Angesichts des sensiblen Charakters der Fragen, die die Sexualität betreffen würden, spreche alleine der Umstand, dass eine Person nicht sofort ihre Homosexualität angegeben hat, nicht gegen die Glaubwürdigkeit eines solchen Vorbringens vergleiche EuGH 2.12.2014, Rs. C-148/13 bis C-150/13, A., B., C., Rz 69). Außerdem sei zu beachten, dass die in Artikel 4, Absatz eins, der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vorgesehene Pflicht, "so schnell wie möglich" alle zur Begründung des Antrages auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen, dadurch abgemildert werde, dass die zuständigen Behörden nach Artikel 13, Absatz 3, Litera a, der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft und Artikel 4, Absatz 3, der Richtlinie 2004/83/EG bei der Anhörung die persönlichen oder allgemeinen Umstände des Antrages einschließlich der Verletzlichkeit des Antragstellers zu berücksichtigen hätten und den Antrag individuell prüfen müssten, wobei die individuelle Lage und die persönlichen Umstände jedes Antragstellers zu berücksichtigen seien (EuGH, A., B., C., Rz 70). Es liefe somit auf einen Verstoß gegen das dargestellte Erfordernis hinaus, wenn ein Asylwerber allein deshalb als unglaubwürdig angesehen würde, weil er seine sexuelle Ausrichtung nicht bei der ersten ihm gegebenen Gelegenheit zur Darlegung der Verfolgungsgründe offenbart hat (EuGH, A., B., C., Rz 71).
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen sowie insbesondere aufgrund des persönlichen und unmittelbaren Eindrucks, welcher vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 5. Juni 2023 gewonnen werden konnte, unter Berücksichtigung der SOGI-Richtlinien zum Schluss, dass er nicht bisexuell ist und er keine aktuelle Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung glaubhaft machen konnte.
Zunächst ist darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer seine bisexuelle Orientierung in der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnte. Die Begründung des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung, weshalb er in der Erstbefragung seine sexuelle Orientierung nicht anführte, sind inkonsistent. So gab er vor dem Bundesamt noch an, dass er aufgrund seiner Nervosität nicht all seine Fluchtgründe angab (Aktenseite 39). In der Beschwerdeverhandlung gab er wiederum an, dass seine sexuelle Orientierung etwas Privates sei. Vor dem Bundesamt habe er jedoch beschlossen seine sexuelle Orientierung nicht mehr geheim zu halten, da er ein Infoblatt einer Organisation bekommen habe, in welchem darauf hingewiesen worden sei, dass man bei einer nichtvorliegenden heterosexuellen Orientierung international Schutz erhalte (Verhandlungsschrift Seite 12). Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (VwGH, 23.06.2020, Ra 2020/20/0188). Dem erkennenden Richter ist bewusst, dass nicht alleine deshalb, weil eine Person zögert, intime Aspekte ihres Lebens – wie insbesondere ihrer Sexualität – zu offenbaren, auf die Unglaubwürdigkeit dieser Person geschlossen werden könne, jedoch leidet die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit seinen inkonsistenten, vagen und unschlüssigen Angaben zu seiner sexuellen Orientierung darunter und ergibt sich ein Bild, welches gegen seine Bisexualität spricht.
2.3.4. Zu den Angaben des Beschwerdeführers über seine sexuelle Orientierung, insbesondere die Entdeckung und Auslebung seiner Bisexualität:
Die Angaben hinsichtlich der persönlichen Historie des Beschwerdeführers in Bezug auf sein Sexualleben gestalten sich unschlüssig, vage und widersprüchlich. Der Beschwerdeführer antwortete auf die Situation seiner sexuellen Orientierung und zu seinen gleichgeschlechtlichen Erfahrungen nur oberflächlich und vage, trotz mehrmaligen Nachfragens konnte der Beschwerdeführer kaum Details benennen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers auf die Frage, wann er seine Bisexualität entdeckt habe, bleiben oberflächlich und vage. So gab er in der Beschwerdeverhandlung an, er habe seine Bisexualität mit 13/14 oder doch mit 12 Jahren entdeckt. Sie seien noch Kinder gewesen und hätten miteinander Geschlechtsverkehr gehabt. Als er reifer geworden sei, habe er bemerkt, dass er sich auch zu Männern hingezogen fühle (Verhandlungsschrift Seite 12). Wenig später gab er in der Beschwerdeverhandlung an, dass er mit 16 Jahren die Vermutung gehabt habe, bisexuell zu sein (Verhandlungsschrift Seite 13). Nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben über seine ersten gleichgeschlechtlichen Erfahrungen machen kann. Seine Angaben dahingehend, dass er mit 12, 13 oder 14 Jahren seine Bisexualität entdeckt habe, sind wenig konkret und vage gestaltet. Gerade die ersten sexuellen Erfahrungen können als einprägsame Erlebnisse betrachtet werden, weshalb es nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer nicht konkret zuordnen kann, in welchem Lebensjahr er diese sexuellen Erfahrungen gemacht habe.
Vage und wenig konkret sind auch seine Angaben zu seiner geführten Beziehung in Marokko. In der Beschwerdeverhandlung gab er diesbezüglich an, dass er im Jahr 2018 eine längerfristige Beziehung mit einem Mann in Marokko, mit welchem er zusammengelebt habe, geführt habe. Er habe mit diesem Mann von April/Mai 2018 bzw. im Juni 2018 bis Ende 2019 in einer Mietwohnung mit sechs weiteren Personen zusammengelebt (Verhandlungsschrift Seite 14, 15). Wenig später gab er divergierend an, dass das bis Ende Dezember 2018 mit diesem Mann zusammengelebt habe. Der Beschwerdeführer vermeinte sodann, dass der Dolmetscher falsch übersetzt habe, jedoch wurde vom anwesenden Dolmetscher auf Nachfrage des erkennenden Richters bestätigt, dass der Beschwerdeführer zuvor 2019 angegeben habe (Verhandlungsschrift Seite 15). Aus den Angaben ist erkennbar, dass der Beschwerdeführer nicht von sich selbst aus Angaben über seine gleichgeschlechtliche Beziehung in Marokko machen konnte, sondern erst auf dezidiertes Nachfragen genaueres ausführen konnte und seine Angaben nach Belieben anpasste.
Zudem weisen seine Angaben in der Beschwerdeverhandlung zu seiner in Marokko geführten Beziehung im Hinblick zu seinen Angaben vor dem Bundesamt Widersprüche auf. In der Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass er in Marokko einen Freund gehabt habe und mit diesem im Jahre 2018 eine Beziehung in der Dauer von einem Jahr geführt habe. Diesen Freund habe er in dessen Zuhause besucht. Kennengelernt habe er ihn in der Schule. Weitere Beziehungen habe er nicht gehabt (Aktenseite 12,13). In der Beschwerdeverhandlung führte der Beschwerdeführer über seiner längerfristigen Beziehung in Marokko näher aus und verstrickte sich in Widersprüche. Er gab an, dass er im Jahr 2018 eine längerfristige Beziehung mit einem Mann, mit welchem er zusammengelabt habe, geführt habe. Während er anfangs – wie bereits oben ausgeführt – noch angab mit diesem Mann von April/Mai bzw. Juni 2018 bis Ende 2019 zusammengelebt zu haben, revidierte er kurze Zeit seine Angaben dahingehend, dass er von Juni 2018 bis Dezember 2018, also ungefähr ein halbes Jahr, mit diesem Mann namens römisch 40 zusammengelebt habe. Die Beziehung habe insgesamt 5 bis 6 Monate gedauert. Vergleicht man nun diese Angaben mit seinen Angaben vor dem Bundesamt, ist klar erkennbar, dass der Beschwerdeführer Angaben über seine geführte Beziehung nicht stringent wiedergeben kann. So gab er einerseits vor dem Bundesamt an, dass er mit einem Mann ein Jahr lang eine Beziehung geführt habe und diesen öfters in dessen Zuhause besucht habe. Andererseits gab in der Beschwerdeverhandlung an, dass er mit einem Mann namens römisch 40 eine Beziehung geführt und zusammengelebt habe. Dass es sich um die gleiche Beziehung handelte, ist aus den Angaben des Beschwerdeführers zu entnehmen, da er vor dem Bundesamt angab, dass dies sein einziger Freund gewesen sei und in der Beschwerdeverhandlung auch nur angab, mit einem Mann namens römisch 40 eine längerfristige Beziehung geführt zu haben. Zudem gab er auf Nachfrage des erkennenden Richters bezüglich seinen divergierenden Angaben vor dem Bundesamt nicht an, dass es sich um eine andere Person gehandelt habe. Weitere Beziehungen zu Männern brachte er nicht vor. Nicht stringent wiedergeben konnte er zudem die Dauer dieser in Marokko geführten Beziehung. So gab er in der Beschwerdeverhandlung an, dass diese sexuelle Beziehung zu römisch 40 fünf bis sechs Monate gedauert habe. Vor dem Bundesamt hingegen gab er an, dass diese ein Jahr gedauert habe. Die anschließende Begründung des Beschwerdeführers, weshalb er divergierende Angaben bezüglich der Dauer seiner Beziehung gemacht hat, ist nicht überzeugend, zumal selbst bei einer nicht allzu detaillierten Angabe über eine ehemalige Beziehung eine Divergenz von einem halben Jahr nicht verständlich bzw. nachvollziehbar ist.
Insgesamt reduzierte der Beschwerdeführer seine ersten bisexuellen Erfahrungen und seine weitere sexuelle Persönlichkeitsbildung auf wenige, detailarme Fakten. So gab er zum Beispiel auf die Frage des erkennenden Richters in der Beschwerdeverhandlung, was es für ihn emotional bedeute bisexuell zu sein, an, dass er mit Männern und Frauen Geschlechtsverkehr habe bzw. bevorzuge. Auf weiteres Nachfragen des erkennenden Richters, ob das seine Antwort sei, gab er noch ergänzend an, dass man eine Person sehr viel lieben müsse (Verhandlungsschrift Seite 17). Auch die Ausführungen zu der Frage des erkennenden Richters, wie der Beschwerdeführer seine Bisexualität wahrgenommen habe, bleiben oberflächlich. So gab er an, dass ein Mann sich von Natur aus zur Frau hingezogen fühlen soll, er habe jedoch an sich eine andere Seite entdeckt (Verhandlungsschrift Seite 19). Eine nachvollziehbare Schilderung über seine sexuelle Orientierung (Erkenntnisprozesse, Bewusstwerdung, etc.) ist im gegenständlichen Verfahren nicht erkennbar geworden. Gerade bei einer derart zentralen Kernfrage der persönlichen Identität können detailliertere und tiefergehende Ausführungen erwartet werden. Aus dieser Schilderung ist nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer sich tiefergreifender mit seiner sexuellen Orientierung auseinandergesetzt hat. Ein etwaiger innerer Konflikt ist aus seinen Angaben nicht ersichtlich. Gerade in Ländern mit einer staatlichen und/oder gesellschaftlichen Ächtung von Homosexualität bzw. Bisexualität, ist zu erwarten, dass das Gefühl, anders zu sein und irgendwie nicht dazuzugehören noch größer ist und dementsprechend intensiv erlebt wird. Die knappe Ausführungen des Beschwerdeführers, wie er bevorzuge Geschlechtsverkehr mit Männern und Frauen, lassen keine Rückschlüsse auf eine etwaige Bisexualität zu.
Nicht nachvollziehbar ist – wie bereits oben in Grundzügen erwähnt -, dass der Beschwerdeführer nicht exakt wiedergeben kann, wie er mit seinem damaligen Freund gelebt habe. So gab er vor dem Bundesamt noch an, dass er seinen Freund öfters besucht habe (Aktenseite 43). In der Beschwerdeverhandlung hingegen gab er an, dass er mit ihm in einer WG gewohnt und dort mit ihm auch Geschlechtsverkehr gehabt habe (Verhandlungsschrift Seite 19). Die Begründung des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung, dass sich in der Einvernahme vor dem Bundesamt nichts dergleichen gesagt habe (Verhandlungsschrift Seite 19), vermag nicht zu überzeugen. Aus der im Akt erliegenden Niederschrift vom 17. März 2023 geht hervor, dass diese dem Beschwerdeführer zur Durchsicht vorgelegt bzw. durch den anwesenden Dolmetscher rückübersetzt wurde und der Niederschrift diesbezüglich keine Hinweise auf etwaige Einwände des Beschwerdeführers zu entnehmen sind. Ferner hat der Beschwerdeführer durch seine Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokolls bestätigt und gab er auf die Frage des Leiters der Amtshandlung am Ende der Befragung an, dass er alles verstanden habe und nichts mehr anzuführen habe (Aktenseite 45). Ganz abgesehen davon gab er am Anfang der Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass er den Dolmetscher einwandfrei verstehe (Aktenseite 36). Das dahingehende Vorbringen wird demnach seitens des erkennenden Richters als reine Schutzbehauptung gewertet und geht sohin ins Leere.
Auch sind die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich der Kontaktaufnahme mit Queer Base widersprüchlich. So gab er im Beschwerdeschriftsatz noch an, er habe in Österreich mit einem Freund bereits versucht Kontakt zu Queer Base in Wien aufzunehmen, jedoch sei aufgrund der Gebietsbeschränkung eine Kontaktaufnahme nicht möglich gewesen. In der Beschwerdeverhandlung gab er hingegen auf die Frage des erkennenden Richters, weshalb er den Kontakt zu Queer Base nicht gesucht habe, an, dass er nervös sei und sich nicht traue darüber zu reden. Er gab an: „Wenn ich darüber rede bekomme ich Angst“ (Verhandlungsschrift Seite 22). Während im Beschwerdeschriftsatz also noch die Gebietsbeschränkung ein Hindernis dargestellt habe, stellte in der Beschwerdeverhandlung hingegen seine Angst und Nervosität ein Hindernis für seine Kontaktaufnahme zu diesem Verein dar.
Dem erkennenden Richter ist bewusst, dass es bei der eigenen Entwicklung der sexuellen Orientierung nicht um „richtige“ Antworten geht, sondern um die innere Stimmigkeit, jedoch mangelte es den Ausführungen des Beschwerdeführers genau an dieser inneren Stimmigkeit.
Aus den Angaben des Beschwerdeführers lässt sich keine Bisexualität feststellen. Dass er sexuelle Kontakte zu Männern pflegt, kann aufgrund seiner nicht stimmigen Angaben – wie oben bereits ausgeführt - nicht angenommen werden. Der Beschwerdeführer war in der Beschwerdeverhandlung am 5. Juni 2023 nicht dazu in der Lage, von sich aus den Weg zu seiner eigenen sexuellen Identität nachvollziehbar zu beschreiben. Er konnte das Zustandekommen seiner sexuellen Erfahrungen und Beziehungen nicht nachvollziehbar darstellen und war somit nicht in der Lage, seine persönliche Entwicklung sowie die Reaktionen Dritter auf seine sexuelle Orientierung stimmig zu schildern, weshalb eine bisexuelle Orientierung nicht angenommen werden kann.
Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht im Lichte der SOGI-Guidelines Anmerkung, es handelt sich hierbei um ein Akronym für Sexual Orientation and/or Gender Identity) des UNHCR vom 23.10.2012 nicht verkennt, dass gewisse Hemmungen in Bezug auf Schilderungen eines Asylwerbers gegenüber Behörden im Hinblick auf einen derart höchstpersönlichen Lebensbereich wie die eigene Sexualität durchaus zu erwarten und nicht unüblich sind, so ist es dem Beschwerdeführer aufgrund einer Gesamtschau aus all diesen dargelegten Umständen gegenständlich nicht gelungen, seine bisexuelle Orientierung als solche und somit auch keine damit einhergehende Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung in Marokko glaubhaft zu machen und waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material vergleiche VwGH 04.04.2001, 2000/01/0348, mwN).
Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zum Status des Asylberechtigten:
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, Zl. 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt römisch II. 2.3. dargelegt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Verfolgung wegen seiner bisexuellen Neigungen glaubhaft zu machen. Der von ihm geltend gemachte Grund der wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung aufgrund seiner sexueller Orientierung im Sinn des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK findet gegenständlich keine Anwendung. Weitere oder andere Gründe wurden von ihm nicht geltend gemacht und haben sich auch keine Hinweise dafür ergeben.
Insofern der Beschwerdeführer Marokko verlassen hat, um sich in Europa bzw. Österreich wirtschaftlich zu verbessern und hat dadurch keine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung geltend gemacht. Die wirtschaftlichen Beweggründe für das Verlassen eines Herkunftsstaates werden von der Genfer Flüchtlingskonvention allerdings nicht abgedeckt und begründen somit keine Asylrelevanz.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zum Status des subsidiärem Schutzberechtigten:
3.2.1. Rechtslage:
Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 28.06.2011, Zl. 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Artikel 3, EMRK angenommen werden kann (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen vergleiche VwGH 07.09.2016, Ra 2015/19/0303).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG nicht gegeben sind.
Dem Beschwerdeführer droht in Marokko – wie bereits unter Punkt römisch II. 2.3. dargelegt wurde – keine asylrelevante Verfolgung.
Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr nach Marokko mit existentiellen Nöten konfrontiert ist. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, mwN).
Derartige Umstände wurden seitens des Beschwerdeführers nicht dargelegt. Er ist jung, gesund und erwerbsfähig, zudem ledig und ohne Sorgepflichten. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb er im Falle seiner Rückkehr nicht durch die neuerliche Aufnahme eines seiner früheren Berufe oder einer anderweitigen Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, seinen Lebensunterhalt bestreiten können sollte. Er wird mit seiner Berufserfahrung in der Lage sein können, sich ein Grundeinkommen zu sichern, zumal er in seinem Herkunftsstaat auch über ein soziales Netzwerk in Form seiner Familie (Eltern und Geschwister) verfügt, welche ihm Hilfe zukommen lassen können. Es liegen gegenständlich keine exzeptionellen Umstände vor welche nahelegen würden, dass er im Falle seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, zumal die Grundversorgung der Bevölkerung in Marokko ebenfalls gewährleistet ist vergleiche Punkt römisch II.1.3.). Der Umstand, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers in Marokko möglicherweise bescheidener ausfallen mag, als er in Österreich sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, ihm wäre im Falle seiner Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die "Schwelle" des Artikel 3, EMRK überschritten vergleiche VfGH 24.02.2020, E 3683/2019; zur "Schwelle" des Artikel 3, EMRK vergleiche VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059). Es fehlt im vorliegenden Fall jeglicher Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Es ist letztlich davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde und ist er angesichts der stabilen Sicherheitslage in Marokko auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht. Nicht zuletzt gilt Marokko gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, HStV als sicherer Herkunftsstaat.
Auch ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse im Hinblick auf den Beschwerdeführer vergleiche Punkt römisch II.2.3.).
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG abzuweisen.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels besonderer Schutz
3.3.1. Rechtslage
Gemäß Paragraph 58, Absatz eins, AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Ziffer 2,) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Ziffer 5,). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (Paragraph 58, Absatz 3, AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der Paragraphen 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des Paragraph 46, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer eins a, FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG .
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes römisch III. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 57, AsylG mit der Maßgabe abzuweisen war, dass eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, AsylG dem Beschwerdeführer nicht erteilt wird.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung
3.4.1 Rechtslage
Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.“
Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
3.4.2 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein iSd Artikel 8, EMRK geschütztes Familienleben in Österreich sowie auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren das Bestehen eines Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK nicht behauptet und stellt somit die Ausweisungsentscheidung schon aus dieser Erwägung keine Verletzung des Artikel 8, EMRK dar (AsylGH 03.12.2009, A2 253.985-0/200853).
Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Artikel 8, EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vergleiche etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts des ungefähr sechsmonatigen Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes das Interesse an der Achtung seines Privat- und Familienlebens überwiegt.
Angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers, seiner fehlenden Integration sowie des Umstandes, dass er in Österreich kein iSd Artikel 8, EMRK geschütztes Familienleben führt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass seine privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen. Dies wurde in der Beschwerde auch nicht substantiiert behauptet.
Es sind - unter der Schwelle des Artikel 2 und 3 EMRK – aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach Paragraph 9, BFA-VG miteinzubeziehen vergleiche dazu VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt jedoch im Fall des jungen und gesunden Beschwerdeführer nicht vor.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Artikel 8, EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch IV. gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG abzuweisen.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko
3.5.1 Rechtslage
Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellungen des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative.
Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.5.2 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig wäre.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen vergleiche dazu etwa VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des Paragraph 50, Absatz 2, FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.
Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko erfolgte daher zu Recht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes römisch fünf. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 9, FPG abzuweisen war.
3.6. Zur Nicht-Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt römisch VI. des angefochtenen Bescheides) und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt römisch VII. des angefochtenen Bescheides):
Wie bereits oben erörtert, besteht bei der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Marokko keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Artikel 8, EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienlebens in Österreich nicht zu befürchten. Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt – wie bereits oben ausgeführt – einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG gegeben.
Gemäß Paragraph 18, Absatz eins, BFA-VG kann vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (Paragraph 19, BFA-VG) stammt (Ziffer 1) bzw. wenn das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht (Ziffer 5). Sichere Herkunftsstaaten sind ua die Herkunftsstaaten, die mit Verordnung der Bundesregierung als sichere Herkunftsstaaten festgestellt wurden (Paragraph 19, Absatz 5, Ziffer 2, BFA-VG).
Nach Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK, Artikel 8, EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 20. März 2023 die aufschiebende Wirkung zu Recht aberkannt. Marokko gilt gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, der Herkunftsstaaten-Verordnung als sicherer Herkunftsstaat.
Gemäß Paragraph 55, Absatz eins a, FPG besteht ua eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG erfolgt ist.
Zu Recht hat daher das Bundesamt Paragraph 55, Absatz eins a, FPG sowie jedenfalls Paragraph 18, Absatz eins, Ziffer eins, BFA-VG zur Anwendung gebracht und erweist sich die Beschwerde daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich der Spruchpunkte römisch VI. und römisch VII. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
ECLI:AT:BVWG:2023:I414.2271616.1.00