Bundesverwaltungsgericht
02.03.2023
W242 2217020-2
W242 2217020-2/8E
W242 2217022-2/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerden des 1.) römisch 40 , geb. römisch 40 und der 2.) römisch 40 , geb. römisch 40 beide Staatsangehörigkeit Iran, beide vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2022, 1.) Zl. römisch 40 und 2.) Zl. römisch 40 nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 08.07.2022 und 13.07.2022, zu Recht:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
römisch eins.1. Zum Vorverfahren:
Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2), beide iranische Staatsangehörige, sind verheiratet, reisten gemeinsam mit ihrer zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Tochter im Jahr 2018 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellten am 23.09.2018 Anträge auf internationalen Schutz.
Im Zuge der Erstbefragung am 24.09.2018 sowie der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.01.2019 führte der BF1 zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst aus, dass er im Iran zum Christentum konvertiert sei und Hauskirchen besucht habe. Aus diesem Grund sei er von der Revolutionsgarde festgenommen und geschlagen worden.
Die BF2 führte sowohl in der am 24.09.2018 durchgeführten Erstbefragung sowie der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.01.2019 aus, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe und berief sich auf die Fluchtgründe des BF1.
Mit Bescheiden vom 13.02.2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) wie auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt römisch II.) ab, erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV.), stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.) und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt römisch VI.).
Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 17.12.2020, GZ. 1.) W274 2217020-1/22E und 2.) W274 2217022-1/20E, ab.
römisch eins.2. Zum gegenständlichen Verfahren:
Am 04.02.2021 stellten die Beschwerdeführer die gegenständlichen Folgeanträge auf internationalen Schutz.
Am 05.02.2021 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Farsi vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung der Beschwerdeführer statt.
Dabei führte der BF1 zu seinen Fluchtgründen aus, dass er nicht in den Iran zurückkehren könne, weil er als Christ verfolgt werde. Er sei dort festgenommen und gefoltert worden. Konvertiten würden als Abtrünnige und Gotteslästerer betrachtet, was mit der Todesstrafe geahndet werde. Seine Fluchtgründe seien seit dem ersten Antrag auf internationalen Schutz gleichgeblieben.
Die BF2 gab zu ihren Fluchtgründen an, dass sie als Christin verpflichtet sei, zu missionieren und sie diese Pflicht ihrer Schwester im Iran gegenüber erfüllt habe. Deren Mann, der fanatisch religiös sei, habe davon erfahren und sie telefonisch bedroht. Sie missioniere auch über ihre Instagram-Seite, auf der sie von ihrem Schwager und dessen Schwester bedroht worden sei.
Am 23.02.2021 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer statt.
Dabei hielt der BF1 an seinen im ersten Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründen fest und brachte ergänzend vor, dass die Sepa zweimal bei seiner Mutter zuhause gewesen sei, um zu sehen, ob er dort sei. Seine Mutter und sein Bruder, der mit ihr zusammenlebe, hätten ihnen gesagt, dass er sich nicht mehr im Iran aufhalte. Er „poste“ auf Instagram über das Christentum und missioniere, soweit es ihm möglich sei. Zudem habe der Schwager der BF2 Anzeige erstattet und die gesamte Familie über Instagram-Kommentare bedroht.
Die BF2 führte aus, dass sie ihre bisherigen Fluchtgründe aufrechterhalte und brachte ergänzend vor, dass die Sepa bei ihrer Schwiegermutter nach ihnen gesucht habe. Sie habe vor etwa sechs Monaten ihrer Schwester vom Christentum erzählt und habe missionieren wollen. Daraufhin sei sie von ihrem Schwager, der strenggläubiger Moslem sei, bedroht worden. Am 30.01.2021 habe er sie in einer Sprachnachricht bedroht. Drei Tage später habe er Anzeige erstattet. Sie sei außerdem in einer Whats-App-Gruppe, in der sie mit anderen Frauen über das Christentum schreibe. Zwei von ihnen habe sich zum Christentum eingeladen.
Am 25.01.2022 wurde die BF2 erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und legte Auszüge aus ihrer Instagram-Seite sowie diverse Integrationsunterlagen vor. In Ergänzung zu ihrem bisherigen Vorbringen schilderte sie, dass fünf Personen der Sepa bei ihrer Schwiegermutter gewesen seien, ihr Haus durchsucht und mitgeteilt hätten, dass die Beschwerdeführer zum Christentum konvertiert wären, der Schwager der BF2 deshalb Anzeige erstattet habe und sie Abtrünnige seien, was mit dem Tod bestraft werde. Sie sei gemeinsam mit dem BF1 und ihrer Tochter am 26.01.2021 in einer protestantischen Kirche getauft worden. Sie besuche die evangelische Kirche in ihrer Wohnsitzgemeinde und manchmal auch jene in einem anderen Dorf.
Am 27.01.2022 wurde der BF1 erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, legte diverse Integrationsunterlagen und Bilder zu Aktivitäten in sozialen Medien vor, hielt an seinen bisherigen Fluchtgründen fest und brachte in Ergänzung dazu vor, dass sie von den Eltern seiner Ehefrau von der Anzeige ihres Schwagers erfahren hätten. Sie wüssten allerdings nicht, wo er die Anzeige erstattet habe und welchen Inhalt sie habe. Über die Durchsuchung in seinem Elternhaus sei er von seinem Bruder informiert worden. Er besuche aktuell die evangelische Kirche in seiner Wohnsitzgemeinde. Wenn er einen Vers aus der Bibel in sozialen Medien veröffentliche, würden ihn die BF2 und seine Tochter manchmal fragen, wie dies zu verstehen sei und er erkläre es ihnen. Er lebe nach christlichen Werten, indem er freiwillige Tätigkeiten verrichte, den Abfall, den er etwa bei einem Spaziergang bemerke, sammle und entsorge oder seine Nachbarn nach ihrem Wohlbefinden frage.
Mit den angefochtenen Bescheiden vom 14.04.2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt römisch II.) ab und erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen sie wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, den Beschwerdeführern sei es nicht gelungen, eine innere Überzeugung vom christlichen Glauben glaubhaft zu machen. Die Beschwerdeführer würden an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten leiden, hätten Kontakt zu ihren Familienangehörigen im Iran, die ihnen bei Bedarf die notwendige Unterstützung zukommen lassen könnten und die Möglichkeit, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Es sei insgesamt nicht zu erwarten, dass sie im Falle der Rückkehr einer Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wären. Die Beschwerdeführer seien ihrer Ausreiseverpflichtung trotz einer rechtskräftigen negativen Entscheidung nicht nachgekommen und hätten sich bei all ihren Integrationsschritten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Eine derart außergewöhnliche Integration, die zu einer rechtlich geschützten Aufenthaltsverfestigung führe, liege im Falle der Beschwerdeführer nicht vor. Insgesamt überwögen die öffentlichen Interessen an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften, die sich insbesondere darin manifestierten, dass das Asylrecht nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen dürfe, gegenüber den Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib in Österreich. Die Rückkehrentscheidung sei daher zulässig.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer am 10.05.2022 fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und brachten dazu vor, dass es keine Grundlage für die Annahme einer Scheinkonversion gebe und die Länderberichte nur unzureichend ausgewertet worden seien.
Am 02.06.2022 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern sowie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Ladungen für die am 08.07.2022 zur Einvernahme der BF2 und der am 13.07.2022 zur Einvernahme des BF1 anberaumten mündlichen Verhandlungen sowie ein Schreiben, in dem auf die anberaumten mündlichen Verhandlungen verwiesen und ihnen Gelegenheit gegeben wurde, binnen zwei Wochen ab Zustellung die Einvernahme von Zeugen unter Angabe einer ladungsfähigen Adresse und des genau bezeichneten Beweisthemas zu beantragen sowie die als Beweismittel beabsichtigten Urkunden und Dokumente im Original und als Kopie vorzulegen, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass fremdsprachigen Dokumenten eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen ist.
Am 30.06.2022 übermittelten die Beschwerdeführer ein Empfehlungsschreiben einer Nachbarin, eine Unterschriftenliste von Freunden und Bekannten sowie ein Schreiben der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. ihrer Wohnsitzgemeinde.
Am 08.07.2022 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher die BF2 ausführlich zur ihrer Identität und Herkunft, ihren persönlichen Lebensumständen, ihren Fluchtgründen und ihrer Integration in Österreich befragt wurde.
Am 13.07.2022 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF1 ausführlich zur seiner Identität und Herkunft, seinen persönlichen Lebensumständen, seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt wurde.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person der Beschwerdeführer:
Die Beschwerdeführer führen die im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten und sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Iran. Ihre Identität steht fest. Die Beschwerdeführer gehören der Volksgruppe der Perser an. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Farsi. Die Beschwerdeführer sind verheiratet und haben einen volljährigen Sohn und eine volljährige Tochter. Sie wurden im islamisch-schiitischen Glauben erzogen.
Der BF1 besuchte im Iran zwölf Jahre die Schule, die er mit Matura abschloss. Er betrieb im Iran eine Schneiderei für Bettwäsche. Die BF2 schloss die Schule ebenfalls mit Matura ab, absolvierte eine Berufsausbildung zur Schneiderin und war anschließend in diesem Beruf tätig.
Am römisch 40 1993 heiratete der BF1 die BF2. Nach ihrer Heirat lebten sie in der römisch 40 in der Provinz römisch 40 in einer Eigentumswohnung.
Der BF1 hat im Iran seine Mutter sowie zwei Brüder. Die Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern der BF2 leben ebenfalls im Iran. Die Beschwerdeführer haben regelmäßig Kontakt zu ihren Verwandten im Iran.
Die Beschwerdeführer sind gesund und arbeitsfähig.
Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:
Die Beschwerdeführer reisten gemeinsam mit ihrer zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Tochter im September 2018 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellten am 23.09.2018 Anträge auf internationalen Schutz, die das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheiden vom 13.02.2019 zur Gänze abwies. Den dagegen eingebrachten Beschwerden gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 17.12.2020, GZ. 1.) W274 2217020-1/22E und 2.) W274 2217022-1/20E, keine Folge.
Am 04.02.2021 stellten die Beschwerdeführer jeweils weitere – die gegenständlichen – Anträge auf internationalen Schutz.
In Österreich lebten die Beschwerdeführer gemeinsam mit ihrer Tochter zunächst in verschiedenen Asylunterkünften. Seit römisch 40 2021 leben sie gemeinsam in einer Unterkunft der Caritas in römisch 40 .
Von März 2019 bis zu ihrem Umzug Anfang März 2021 engagierten sich die Beschwerdeführer im Haus römisch 40 der Caritas für Armutsmigrantinnen und Obdachlose, wobei ihr Aufgabenbereich Kochen, Essensausgabe und Aufräumen der Küche, des Speisesaals und der Speisekammer umfasste. Ab römisch 40 2021 besuchten sie 40 Einheiten zu je 60 Minuten eines von einer Deutsch-Trainerin im Pfarrhof ihrer Wohnsitzgemeinde angebotenen Deutschkurses auf Sprachniveau A2.
Der BF1 hat im Februar 2020 das ÖSD-Zertifikat auf Sprachniveau A1 erworben, half im Rahmen einer Jubiläumsfeier des Katastrophenhilfsdienstes des Roten Kreuzes ehrenamtlich mit und besuchte von römisch 40 2020 die Dialogreihe Men’s Talk. Seit 2021 ist er als Hilfskraft beim Bauhof der Stadtgemeinde römisch 40 tätig.
Die BF2 nahm am römisch 40 2019 an einem Werte- und Orientierungskurs teil und erwarb am römisch 40 2020 das ÖSD-Zertifikat auf Sprachniveau A1. Die BF2 arbeitete zudem ehrenamtlich bei der Lebenshilfe und in einem Museum. Derzeit ist sie nicht ehrenamtlich tätig.
In ihrer Wohnsitzgemeinde haben die Beschwerdeführer mehrere Bekannte und Freunde. Sie sind strafgerichtlich unbescholten.
Die Beschwerdeführer wurden im Oktober 2018 vom Bruder der BF2 der Baptistengemeinde römisch 40 und dem dortigen Pastor vorgestellt. Sie besuchten etwa ab Oktober 2018 die wöchentlichen Gottesdienste der Farsi-Gemeinde der Baptistengemeinde römisch 40 und von Februar 2019 bis Oktober 2019 einen Glaubensgrundkurs der Farsi-Gemeinde, geleitet von farsisprachigen Gemeindemitgliedern. Die Beschwerdeführer wurden gemeinsam mit ihrer Tochter und drei weiteren Täuflingen am römisch 40 2020 in der Baptistengemeinde römisch 40 getauft.
Seit ihrem Umzug im März 2021 besuchen die Beschwerdeführer regelmäßig Gottesdienste der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. ihrer Wohnsitzgemeinde sowie gelegentlich auch Gottesdienste der evangelischen Pfarrgemeinde des Nachbarbezirkes.
Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
Fest steht, dass die Beschwerdeführer nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sind. Ebenso steht fest, dass den Beschwerdeführern im Falle der Rückkehr in den Iran aufgrund ihrer behaupteten Konversion zum christlichen Glauben keine Lebensgefahr oder Eingriffe in ihre körperliche Integrität durch Mitglieder der Regierung oder durch andere Personen drohen würde.
Auch sonst sind die Beschwerdeführer keiner Gefahr ausgesetzt, aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Iran mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Im Falle der Rückkehr in den Iran sind die Beschwerdeführer in der Lage, ihre notwendigsten Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft, zu befriedigen, ohne in eine ausweglose oder existenzbedrohende Notlage zu geraten.
Zur maßgeblichen Situation im Iran:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 23.05.2022 wiedergegeben:
1. COVID-19
Letzte Änderung: 23.05.2022
[…]
Die Covid-Lage flachte nach einer dramatischen fünften Welle im August 2021 mit den weltweit höchsten Fallzahlen etwas ab (ÖB Teheran 11.2021). Trotzdem ist Iran noch stark von der Pandemie betroffen. Beispielsweise herrscht in den Krankenhäusern ein gravierender Mangel an medizinischen Gütern, und es wird befürchtet, dass die Sanktionen den Zugang zu medizinischer Ausrüstung und Produkten zusätzlich erschwert haben. Gesundheitsexperten zufolge haben die begrenzten Impfstoffvorräte und die schleppende Impfkampagne erheblich zu der Gesundheitskrise beigetragen (HRC 13.1.2022). Bis Ende 2021 wurden in Iran über sechs Millionen Covid-Fälle und mehr als 130.000 Todesfälle registriert (UNHCR 14.4.2022).
Bei einer Einreise nach Iran ist unter Umständen auf Aufforderung der iranischen Behörden am Flughafen ein PCR-Test zu machen, dessen Kosten Änderungen unterliegen und zwischen 15 und 50 Euro liegen. Ein Nachweis über eine vollständige Impfung vor mindestens 15 Tagen ist erforderlich. Personen, die (auch) im Besitz der iranischen Staatsangehörigkeit sind und daher mit einem iranischen Pass einreisen, benötigen jedenfalls einen maximal 72 Stunden alten PCR-Test in englischer Sprache (BMeiA 19.5.2022). Reisende können bei der Einreise zusätzlich zu ihrem gesundheitlichen Befinden und ihrer Reiseroute nach ihren geplanten Aufenthaltsorten in Iran befragt werden. Bei Covid-19-Symptomen können ärztliche Untersuchungen und ein Covid-19-Test vorgenommen werden. Ein erneuter Covid-19-Test kann von den iranischen Behörden angeordnet und durchgeführt werden. Bei einem positiven Testergebnis erfolgt eine rigorose Kontrolle der Kontaktpersonen und gegebenenfalls ergehen weitere verpflichtende (Quarantäne-)Anweisungen. Alle entstehenden Kosten sind von den Reisenden zu tragen. Sollten Reisende innerhalb von zwei Wochen nach Einreise Symptome entwickeln, die auf eine Erkrankung an Covid-19 hinweisen, kann ebenfalls ein erneuter Test durchgeführt werden. Abweichende Handhabungen sind jederzeit und kurzfristig möglich. Landgrenzen bleiben weiterhin größtenteils geschlossen. Es gibt Einschränkungen im Flugverkehr. Transitflüge einiger internationaler Fluglinien sowie Direktflüge zu verschiedenen europäischen Destinationen werden durchgeführt. Es kann dabei stets zu kurzfristigen Änderungen des Flugplans kommen (AA 19.5.2022b).
Das Tragen von Gesichtsmasken an geschlossenen öffentlichen Orten ist verpflichtend. Bei Nichteinhaltung kann eine Geldstrafe verhängt werden. In Iran gelten Maßnahmen und Beschränkungen, darunter die vorübergehende Schließung nicht wesentlicher Geschäfte und religiöser Schreine und die Absage einiger öffentlicher Veranstaltungen. Jede Provinz ist in der Lage, Beschränkungen einzuführen, um auf örtlich begrenzte Infektionsspitzen zu reagieren. Dies kann einen Lockdown und eine Bewegungseinschränkung beinhalten. Interne Reisebeschränkungen, auch in wichtige Tourismus- und Pilgergebiete, können kurzfristig verhängt werden (GOV.uk o.D.).
Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Gesundheitssektor sind schwer abzuschätzen. Während der schlimmsten Pandemie-Phasen führte Iran regelmäßig die Statistiken an Infizierten und Todesfällen in der Region und teilweise weltweit an. Die tatsächlichen Zahlen dürften etwa dreimal höher gelegen haben. Berichte über Kranke, die mangels Betten aus Spitälern nach Hause geschickt wurden, häuften sich. Kosten für Medikamente - auch in Spitalsbehandlung - konnten sich nicht alle leisten. Wegen voller Auslastung der Krankenhäuser (am meisten in den großen Städten und Ballungsräumen) wurden Feldspitäler aufgebaut. Seitens der Behörden wurden zwar Maßnahmen erlassen, um das Gesundheitssystem zu entlasten, insbesondere Hygienemaßnahmen und Bewegungseinschränkungen, die jedoch regelmäßig missachtet werden. Ein besonderes Problem stellen religiöse Prediger bzw. Veranstaltungen dar, bei denen viele Männer zusammenkommen, ohne Abstand zu halten (ÖB Teheran 11.2021).
Die Covid-19-Krise verstärkt die aufgrund der US-Sanktionen ohnehin ökonomisch schwierige Lage. Eine Reihe von UN-Sonderberichterstattern kritisierten die Auswirkungen der Sanktionen auf die Anschaffung von Impfstoffen. Nachdem der Oberste Führer Khamenei den Import von Impfstoffen aus Großbritannien und den USA zunächst verboten hatte, und im Lichte der Probleme mit der Bezahlung von Importen aufgrund der US-Sanktionen (als 'middle income country' muss Iran COVAX-Impfstoffe bezahlen) setzte man im Sinne der Doktrin der nationalen Resilienz auf eigene Impfstoff-Entwicklung. Die Massenproduktion stockte jedoch, und auch Offizielle kritisieren den Umgang mit der Pandemie. Organisierte zivilgesellschaftliche Kritik wird unterdrückt (Verhaftung von Rechtsanwälten, die Klage gegen Behörden anstrebten). Mittlerweile hat die Lieferung ausländischer Impfstoffe seit September 2021 deutlich zugenommen (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche HRC 13.1.2022). Das iranische Gesundheitsministerium berichtete, dass bis Ende Dezember über 50 Millionen Menschen in Iran vollständig geimpft waren, darunter über 1 Million afghanische Staatsangehörige, einschließlich Flüchtlinge und Menschen ohne Registrierung. In enger Zusammenarbeit mit dem Büro für Ausländer- und Einwanderungsangelegenheiten (BAFIA) unterstützt UNHCR die iranische Regierung weiterhin bei der Bekämpfung von Covid-19 (UNHCR 14.4.2022).
[…]
2. Politische Lage
Letzte Änderung: 23.05.2022
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 14.9.2021b; vergleiche ÖB Teheran 11.2021). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der 'velayat-e faqih', der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage ist, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel 'Revolutionsführer' (GIZ 12.2020a; vergleiche BS 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter, religiöser Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche US DOS 12.4.2022, FH 28.2.2022, AA 14.9.2021b). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 14.9.2021a; vergleiche FH 28.2.2022), ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und die höchste Autorität des Landes (FH 28.2.2022). Er steht somit höher als der Präsident. Des Weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran bzw. IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche FH 28.2.2022, US DOS 12.4.2022). Doch obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen und unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 28.1.2022).
Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: An der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (ÖB Teheran 11.2021). Am 18.6.2021 fanden in Iran Präsidentschaftswahlen statt (Tagesschau.de 18.6.2021; vergleiche AA 14.9.2021a). Gewonnen hat die Wahl der konservative Hardliner und vormalige Justizchef Ibrahim Raisi mit mehr als 62% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei unter 50% und war somit niedriger als jemals zuvor in der Geschichte der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran lag die Wahlbeteiligung bei nur 26%. Zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt (Standard.at 19.6.2021; vergleiche DW 19.6.2021). Wie bei jeder Wahl hat der Wächterrat die Kandidaten im Vorhinein ausgesiebt (Tagesschau.de 18.6.2021; vergleiche AA 28.1.2022). Raisi wurde mehr oder weniger von Revolutionsführer Khamenei ins Amt gehievt (ZO 23.6.2021). Raisi ist seit 5.8.2021 Staatspräsident. Am 25.8.2021 hat das Parlament seinen Vorschlag für das Kabinett gebilligt, und damit hat die neue Regierung ihr Amt angetreten (AA 14.9.2021a.). In Folge der Präsidentschaftswahlen vom Juni 2021 befindet sich die gesamte Befehlskette in konservativer bzw. erzkonservativer Hand (Oberster Führer, Präsident/Regierungschef, Leiter der religiösen Judikative, Regierung, Parlament, Wächterrat, Expertenrat) (ÖB Teheran 11.2021).
Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Amtsträger im Staat (FH 28.2.2022). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive, zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt (GIZ 12.2020a), da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 12.2020a; vergleiche OD 19.1.2022).
Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 11.2021). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren (GIZ 12.2020a). Bei den Parlamentswahlen vom 21.2.2020 haben (ultra-)konservative Kandidaten knapp 80% der Sitze im Parlament gewonnen (AA 28.1.2022). Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten (FH 28.2.2022). Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6%, was als die niedrigste Wahlbeteiligung in die Geschichte der Islamischen Republik einging (FH 28.2.2022; vergleiche AA 28.1.2022) mit einem Rekord an ungültigen Stimmen. Es herrscht breite Politikverdrossenheit aufgrund nicht eingelöster Versprechen der vorigen Regierung Rohani zu wirtschaftlichen Reformen, Westöffnung und Korruptionsbekämpfung (ÖB Teheran 11.2021).
Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern, davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte (klerikale) Juristen, die vom Parlament bestätigt werden müssen. Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt unter anderem auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche GIZ 12.2020a, FH 28.2.2022, BS 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 12.2020a). Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der 'Gesamtinteressen des Systems' zu achten (AA 14.9.2021a; vergleiche GIZ 12.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 12.2020a).
Präsident, Parlament und Expertenrat werden also in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den von Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 28.1.2022; vergleiche FH 28.2.2022).
Das Regime reagierte auch unter der moderaten Regierung von Ex-Präsident Rohani in den letzten Jahren auf die wirtschaftliche Krise und immer wieder hochkommenden Unmut und Demonstrationen mit hartem Vorgehen gegen Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtsaktivisten, religiöse und ethnische Minderheiten und Umweltaktivisten. Die Regierung Raisi ist noch dabei, ihre Machtstruktur auf allen Ebenen zu festigen. Sie hat jedoch bereits stärkere Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Sinne der 'islamischen Gesellschaftsordnung' (Rolle der Frauen fokussiert auf Gebärfunktion), der Ablehnung 'westlicher' Kultur, der Unterdrückung von Kritik (Internetzensur) und eine stärkere Ausrichtung auf Russland und China und deren politische Modelle angekündigt (ÖB Teheran 11.2021).
[…]
3. Sicherheitslage
Letzte Änderung: 23.05.2022
Iran verfügt über eine stabile politische Ordnung und Infrastruktur. Es bestehen jedoch gewisse Spannungen, die periodisch zunehmen. Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage in Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latente Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sowie mit Straßenblockaden gerechnet werden. Zum Beispiel haben im Juli 2021 Proteste gegen die Wasserknappheit in der Provinz Khuzestan und im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 19.5.2022).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 19.5.2022). In Iran kommt es, vor allem in Regionen mit einem hohen Anteil an Minderheiten in der Bevölkerung, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zum Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 19.5.2022b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrt Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 19.5.2022b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie verüben immer wieder Anschläge und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 19.5.2022).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, Personal der Justiz und Angehörige des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 19.5.2022b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte im Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen, kriminellen Banden und den Sicherheitskräften (EDA 19.5.2022). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 11.2021). Gelegentlich kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Auch für unbeteiligte Personen besteht das Risiko, unversehens in einen Schusswechsel zu geraten (EDA 19.5.2022).
Obwohl die iranische Führung den Taliban in Afghanistan misstrauisch gegenübersteht, begrüßte sie im August 2021 nicht nur das Ende des Bürgerkriegs in Afghanistan, sondern auch den Abzug der US-geführten Koalition aus dem Land, insbesondere von den Ostgrenzen Irans. Iranische Beamte haben Taliban-Vertretern im April 2022 erlaubt, in die afghanische Botschaft in Teheran zurückzukehren. Dennoch sind die Taliban-Mitarbeiter nur befugt, konsularische Aufgaben wahrzunehmen, da Iran, wie alle anderen Regierungen auch, die Taliban nicht offiziell als Regierungsbehörde Afghanistans anerkannt hat. Das Misstrauen Irans gegenüber den Taliban besteht weiterhin, was zum Teil durch mehrere Bombenanschläge auf afghanische schiitische Moscheen, die von den Sicherheitskräften der Taliban nicht verhindert werden konnten, sowie durch angebliche Misshandlungen von Schiiten durch die Taliban genährt wurde. Ende April 2022 kam es im Bezirk Islam Qala westlich von Herat zu Zusammenstößen zwischen iranischen Grenzschützern und afghanischen Streitkräften, weil die Afghanen in der Nähe der Grenze Straßen gebaut hatten. Die afghanischen Behörden reagierten darauf mit der Beschlagnahmung eines iranischen Militärfahrzeugs, woraufhin Iran zusätzliche reguläre Boden- und Hubschrauber-Militäreinheiten (keine Kräfte der Islamischen Revolutionsgarden) an die Grenze entsandte. Iran schloss den Grenzübergang vorübergehend und spielte die militärische Aufstockung als Teil der routinemäßigen Grenzsicherheitsmaßnahmen herunter. Beamte des iranischen Außenministeriums kritisierten gleichzeitig die Afghanen wegen 'möglicher mangelnder Fähigkeiten' und der Unfähigkeit, die Grenzpunkte zwischen den beiden Ländern zu unterscheiden. Beide Seiten versuchten daraufhin, die Spannungen zu entschärfen, indem sie ankündigten, dass der amtierende Taliban-Minister für Flüchtlinge und Rückführungen Anfang Mai eine Delegation nach Iran führt, um die Grenzzusammenstöße und die angebliche iranische Misshandlung afghanischer Flüchtlinge zu besprechen (SC 4.5.2022).
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4. Haftbedingungen
Letzte Änderung: 23.05.2022
Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche US DOS 12.4.2022, FH 28.2.2022, AI 29.3.2022, HRC 13.1.2022). Im Juni 2020 waren 211.000 Personen inhaftiert, womit die Gefängnisse mehr als zweieinhalbmal überbelegt waren (ÖB Teheran 11.2021). Der Mangel an Betten ist weiterhin ein Problem (US DOS 12.4.2022). Die Haftbedingungen sind sehr oft auch gesundheitsschädigend. Berichtet wird über unzureichende Ernährung, die langfristig zu entsprechenden Folgeschäden führen kann, und vor allem von der Verweigerung notwendiger medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche US DOS 12.4.2022, FH 28.2.2022, AI 29.3.2022). Die Zellen sind auch schlecht belüftet und teils von Ungeziefer befallen (AI 29.3.2022). Im Allgemeinen verschlechterten sich die Haftbedingungen während der Covid-19-Pandemie erheblich (US DOS 12.4.2022; vergleiche HRC 13.1.2022, AA 28.1.2022).
Folter und andere Misshandlungen sind nach wie vor weit verbreitet und werden systematisch angewendet - vor allem während Verhören (AI 29.3.2022). Regelmäßig versterben Menschen in Haft. Laut Berichten sind folgende Foltermethoden verbreitet: Elektroschocks, Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, Aufhängen mit dem Kopf nach unten, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen, Vergewaltigungen – teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 11.2021). Im August 2021 wurden Aufnahmen von Überwachungskameras des Evin-Gefängnisses in Teheran vom März 2021 veröffentlicht, auf denen schockierende Folter und Misshandlungen von Gefangenen durch Aufseher und andere Gefangene zu sehen sind. Der Justiz-Leiter besuchte das Gefängnis daraufhin und rief zu ordnungsgemäßer Behandlung von Gefangenen auf (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AI 29.3.2022, US DOS 12.4.2022). Daraufhin wurden Strafverfahren gegen sechs Gefängniswärter eingeleitet (FH 28.2.2022; vergleiche US DOS 12.4.2022). Politische Gefangene oder Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche US DOS 12.4.2022). Menschenrechtsorganisationen verweisen häufig auf einige Haftanstalten, in denen politische Gegner grausam und über längere Zeit gefoltert werden, insbesondere in den Abteilungen 209 und zwei des Evin-Gefängnisses, die Berichten zufolge von den Revolutionsgarden kontrolliert werden (US DOS 12.4.2022). Politische Gefangene haben in den letzten Jahren wiederholt Hungerstreiks durchgeführt, um gegen Misshandlungen in Gewahrsam zu protestieren (FH 28.2.2022; vergleiche US DOS 12.4.2022, AA 28.1.2022, HRC 13.1.2022).
Die Haftbedingungen variieren im Einzelfall nach Gefängnis-Trakt und Status der Gefangenen, wobei generelle Aussagen nicht möglich sind. So ist im Evin-Gefängnis in Teheran ein Trakt für Ausländer reserviert, ein Trakt wird vom Geheimdienst der Revolutionsgarden verwaltet, manche Trakte sind unterirdisch. Das Quarchak-Frauengefängnis in Teheran dürfte als ehemaliger Hühnerstall sanitär unzureichend sein (ÖB Teheran 11.2021). Die Behörden unterhalten angeblich auch inoffizielle Geheimgefängnisse und Haftanstalten außerhalb des staatlichen Gefängnissystems, in denen es zu Misshandlungen kommt (US DOS 12.4.2022; vergleiche HRC 13.1.2022). Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark von einander ab. Dies betrifft in erster Linie den Zugang zu medizinischer Versorgung (einschließlich Verweigerung grundlegender Versorgung oder lebenswichtiger Medikamente) sowie hygienische Verhältnisse (AA 28.1.2022).
Mindestens 24 Gefangene starben unter Umständen, die den Verdacht nahelegen, dass ihr Tod in Verbindung mit Folter und anderen Misshandlungen stand, wie z. B. der Verweigerung einer angemessenen medizinischen Versorgung (AI 29.3.2022). Gefangene können Beschwerden bei den Justizbehörden einreichen, werden jedoch häufig mit Zensur oder Vergeltung in Form von Verleumdung, Schlägen, Folter und Verweigerung von medizinischer Versorgung und Medikamenten oder Urlaubsanträgen sowie Anklage wegen zusätzlicher Straftaten konfrontiert (US DOS 12.4.2022).
Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran fließend. Politisch als unzuverlässig geltende Personen werden manchmal in 'sichere Häuser' gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen. Dort werden sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten (ÖB Teheran 11.2021). Ein besonders prominentes Beispiel ist Oppositionsführer Mehdi Karroubi, der zusammen mit seiner Frau und zwei anderen Oppositionsführern seit 2011 unter Hausarrest steht (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AI 29.3.2022).
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5. Todesstrafe
Letzte Änderung: 23.05.2022
Die Todesstrafe wird nach unfairen Gerichtsverfahren verhängt, u a. für Straftaten, die gemäß Völkerrecht nicht zu den 'schwersten Verbrechen' zählen, wie Drogenhandel und Finanzkriminalität, sowie für Handlungen, die international nicht als Straftaten anerkannt sind. Todesurteile werden als Mittel der Unterdrückung gegen Demonstrierende, Andersdenkende und ethnische Minderheiten eingesetzt (AI 29.3.2022). Iran ist auch weiterhin eines der Länder, wo die Todesstrafe am häufigsten vollstreckt wird (HRW 13.1.2022). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 28.2.2022). Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen richtete der Iran im Jahr 2021 mindestens 333 Menschen hin, darunter zumindest 17 Frauen (BBC News 28.4.2022), sieben Personen wegen angeblicher terroristischer Anschuldigungen (HRW 13.1.2022) und zumindest zwei zum Tatzeitpunkt Minderjährige (HRC 13.1.2022). Iran ist nach wie vor eines der wenigen Länder, die Minderjährige, Homosexuelle und Frauen hinrichten, die sich auf Notwehr gegen Vergewaltiger berufen (CSW 22.3.2022). In diesen Fällen liegen der Todesstrafe für Frauen und Mädchen oft Tötungen von ihren Ehemännern zugrunde, die sie in Selbstverteidigung nach langjährigem Missbrauch begehen (ÖB Teheran 11.2021). Ein großer Teil der Hingerichteten sind Angehörige religiöser oder ethnischer Minderheiten, insbesondere sunnitische Muslime und Kurden (CSW 22.3.2022). Regelmäßig gehen der Todesstrafe ein unfaires Verfahren und Misshandlung (erzwungene Geständnisse) voraus (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AI 29.3.2022, US DOS 12.4.2022).
Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, 'Moharebeh' (Waffenaufnahme gegen Gott) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche HRW 13.1.2022, AA 28.1.2022); des weiteren auf terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslims mit einer Muslimin (AA 28.1.2022). Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 28.1.2022; vergleiche ÖB Teheran 11.2021). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 28.1.2022).
Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt auf Verurteilungen wegen Mordes (AA 28.1.2022). Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießung durchgeführt, allerdings in letzter Zeit nicht mehr öffentlich (ÖB Teheran 11.2021). Betroffen hiervon sind auch zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AA 28.1.2022, HRW 13.1.2022, FH 28.2.2022, HRC 13.1.2022, CSW 22.3.2022). In den Todeszellen befinden sich noch immer mehr als 80 Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren (AI 29.3.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei neun Jahren (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AA 28.1.2022) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. 2020 wurden mindestens vier zur Tatzeit minderjährige Täter hingerichtet, 2021 mindestens zwei. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht die Hinrichtung. Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen. Die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 28.1.2022). Selbst nach der Hinrichtung durch das Regime werden repressive Maßnahmen gegen Angehörige fortgesetzt. Hingerichtete werden weit entfernt von ihrem früheren Wohnort begraben, manchmal ohne Benachrichtigung der Angehörigen. Totenfeiern sowie Grabbesuche für Regimegegner werden aufgelöst (ÖB Teheran 11.2021).
2017 trat eine Änderung des Strafgesetzes für Drogendelikte in Kraft, die die Todesstrafen im Bereich der Drogenkriminalität auf bestimmte Fallkonstellationen beschränkt. Bagatelldelikte sind damit von der Todesstrafe ausgenommen (AA 28.1.2022). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 28.2.2022). Durch die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte Ende 2017 konnte Iran seit 2018 die Zahl der Hinrichtungen etwa halbieren. Über gewalttätige Drogenstraftäter und diejenigen, die mehr als 100 Kilo Opium oder zwei Kilo industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 11.2021). Ca. 9% aller Exekutionen stehen in Verbindung mit Drogenvergehen (AI 4.2021). Seit 2021 ist ein erneuter Anstieg bei der Zahl der Hinrichtungen für Drogenkriminalität zu verzeichnen (AA 28.1.2022). Die Zahl der Hinrichtungen wegen Drogendelikten war mit 126 von 333 fünfmal so hoch wie 2020 (BBC News 28.4.2022).
Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom 'Geschädigten' gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen. Seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 11.2021).
Regierung und NGOs sind bemüht, Hinrichtungen durch Förderung des Blutgeld-Prozesses zu verhindern, und es werden z.B. mit Spendenaufrufen Blutgelder gesammelt (ÖB Teheran 11.2021).
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6. Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 23.05.2022
In Iran leben ca. 86 Millionen Menschen (CIA 10.5.2022), von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA 3.5.2018, vergleiche USCIRF 4.2022). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Artikel 13, der iranischen Verfassung anerkannten 'Buchreligionen' (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben in ihren Gemeinden relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als 'mohareb' (Waffenaufnahme gegen Gott) verfolgt und mit der Todesstrafe bestraft werden (AA 28.1.2022; vergleiche ÖB Teheran 11.2021). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018). Religiöse Minderheiten werden mit Argwohn betrachtet und als Bedrohung für das theokratische System gesehen (CSW 22.3.2022). Auch unterliegen Anhänger religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 28.1.2022). Somit werden auch anerkannte religiöse Minderheiten (Zoroastrier, Juden, Christen) diskriminiert, sie sind in ihrer Religionsausübung jedoch nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Sie haben gewisse rechtlich garantierte Minderheitenrechte, etwa eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 11.2021). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA 3.5.2018; vergleiche FH 3.3.2021, IRB 9.3.2021, USCIRF 4.2022). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA 23.5.2018; vergleiche FH 28.2.2022, BAMF 3.2019), und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 28.2.2022). Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AI 29.3.2022; OD 19.1.2022).
Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha'i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche OD 19.1.2022). Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Mitunter wird von bedrohlicher Diskriminierung von Nicht-Schiiten seitens des familiären oder gesellschaftlichen Umfelds berichtet. Auch oppositionelle schiitische Geistliche und muslimische Sekten sind der Verfolgung ausgesetzt (ÖB Teheran 11.2021). Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Das Parlament höhlte das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit im Jänner 2021 weiter aus, indem es zwei neue Paragrafen in das Strafgesetzbuch aufnahm, wonach die 'Diffamierung staatlich anerkannter Religionen, iranischer Bevölkerungsgruppen und islamischer Glaubensrichtungen' sowie 'abweichende erzieherische oder missionarische Aktivitäten, die dem Islam widersprechen' mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren und/oder einer Geldstrafe geahndet werden können. Im Juli 2021 wurden drei Männer, die zum Christentum konvertiert waren, auf dieser Grundlage zu langjährigen Haftstrafen verurteilt (AI 29.3.2022; vergleiche OD 19.1.2022).
Die Regierung überwacht weiterhin die Aussagen und Ansichten hochrangiger schiitischer religiöser Führer, die die Regierungspolitik oder die Ansichten des Obersten Führers Ali Khamenei nicht unterstützten. Diese werden durch Behörden weiterhin mit Festnahmen, Inhaftierungen, Mittelkürzungen, Verlust von geistlichen Berechtigungsnachweisen und Beschlagnahmungen von Eigentum unter Druck gesetzt (US DOS 12.5.2021). Die Inhaftierung von Angehörigen religiöser Minderheiten, welche ihre Kultur, ihre Sprache oder ihren Glauben praktizieren, ist weiterhin ein ernstes Problem (HRC 11.1.2021; vergleiche AI 29.3.2022).
Atheisten laufen prinzipiell ebenfalls Gefahr – im Extremfall wegen der 'Beleidigung des Propheten' auch zum Tode – verurteilt zu werden, auch wenn derartige Fälle in den letzten Jahren nicht bekannt wurden. In der Praxis werden kaum mehr Verurteilungen wegen Apostasie registriert. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 11.2021).
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6.1. Christen
Letzte Änderung: 23.05.2022
Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan (BFA 3.5.2018). Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt, allerdings werden evangelikale Freikirchen von der Regierung nicht als christlich anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt (ÖB Teheran 11.2021); christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche OD 19.1.2022, BAMF 3.2019, IRB 9.3.2021), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Soweit ethnische Christen die Ausübung ihres Glaubens ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Gemeinden beschränken, werden sie kaum behindert oder verfolgt. Dies trifft insbesondere auf armenische und assyrische Christen zu. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind demgegenüber willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt (AA 28.1.2022).
Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu (BFA 3.5.2018; vergleiche BAMF 3.2019, FH 28.2.2022, USCIRF 4.2022). Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben (BFA 3.5.2018; vergleiche BAMF 3.2019, FH 28.2.2022). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben (ÖB Teheran 11.2021). Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (US DOS 12.5.2021; vergleiche IRB 9.3.2021).
Grundrechtlich besteht 'Kultusfreiheit' innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen (ÖB Teheran 10.2020). Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung von anders Gläubigen ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche BAMF 3.2019, BFA 3.5.2018, OD 19.1.2022). Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA 3.5.2018; vergleiche ÖB Teheran 11.2021), wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen ('Hauskirchen') oft hart vorgegangen (u.a. Verhaftungen und Beschlagnahmungen). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen (ÖB Teheran 11.2021). Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht (BFA 3.5.2018; vergleiche OD 19.1.2022). Im Weltverfolgungsindex 2022 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem neunten Platz (2021: Platz 8). Der Weltverfolgungsindex ist eine Rangliste der 50 Länder, in denen Christen der stärksten Verfolgung und Diskriminierung wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind. Je niedriger die Zahl, desto höher die Verfolgung. Der durchschnittliche Druck in Iran ist weiterhin extrem hoch. Die etwas bessere Platzierung im Vergleich zum Vorjahr ist mit jährlichen Schwankungen zu erklären (OD 19.1.2022). Christen werden weiterhin schikaniert, willkürlich inhaftiert und wegen der Ausübung ihres Glaubens verurteilt (AI 29.3.2022; vergleiche CSW 22.3.2022). Dies betrifft auch Personen, die zum Christentum konvertiert sind (AI 29.3.2022). Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 28.1.2022).
Ausländische christliche Gemeinden können ihre Religion weitgehend ungehindert ausüben, werden jedoch von staatlicher Seite dabei genau beobachtet. Eine nachhaltige Gemeindearbeit wird durch staatliche Schikanen verhindert (z. B. Verweigerung der Visaverlängerung für in Iran praktizierende, ausländische Priester oder Visaverweigerung). Dadurch dürften die Gemeinden langfristig 'aussterben'. Insbesondere Iraner, die sich aktiv für nicht-muslimische Glaubens- und Gemeindearbeit einsetzen, laufen Gefahr, ins Visier der Sicherheitsbehörden zu geraten (AA 28.1.2022).
Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben (BFA 3.5.2018). Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden (BFA 3.5.2018; vergleiche IRB 9.3.2021, OD 19.1.2022). Es gehört zum Erscheinungsbild in den Großstädten, dass christliche Symbole im Modebereich als Accessoires Verwendung finden und auch in den entsprechenden Geschäften angeboten werden. Auch Dekorationen mit christlichen Motiven sind nicht ungewöhnlich. Eine solche kommerzielle Präsentation führte bisher nach Darstellung der in Teheran vertretenen westlichen Botschaften zu keinen Strafverfahren. Laut der Nachrichtenseite der iranischen Christen, Mohabat News, können Christen öffentlich im ganzen Land Weihnachtsgeschenke, Tannenbäume oder Schmuckwaren für ihre Feste kaufen. Vor einigen Kirchen in Teheran stehen anlässlich der Weihnachtsfeiertage, zu denen von staatlicher Seite immer wieder Glückwünsche übermittelt werden, Weihnachtsbäume (BAMF 3.2019).
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6.2. Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Letzte Änderung: 23.05.2022
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 11.2021). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel 'mohareb' ('Waffenaufnahme gegen Gott'), 'mofsid-fil-arz/fisad-al-arz' ('Verdorbenheit auf Erden'), 'Handlungen gegen die nationale Sicherheit' (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche DIS/DRC 23.2.2018), 'Organisation von Hauskirchen' und 'Beleidigung des Heiligen', wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 28.1.2022). In der Praxis werden kaum mehr Verurteilungen wegen Apostasie registriert, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (OD 2021). Quellen zufolge fand 1990 die einzige 'offizielle' Hinrichtung eines Christen wegen Apostasie in Iran statt (IRB 9.3.2021). Der christliche Glaube gilt als gefährlicher westlicher Einfluss und als Bedrohung der islamischen Identität der Republik. Dies erklärt, warum insbesondere Konvertiten, die sich dem Islam ab- und dem christlichen Glauben zugewandt haben, wegen 'Verbrechen gegen die nationale Sicherheit' verurteilt werden (OD 19.1.2022). Hierzu ist zu erwähnen, dass der Oberste Gerichtshof in Iran im November 2021 entschieden hat, dass neun christliche Konvertiten, die wegen ihrer Beteiligung an Hauskirchen zu fünf Jahren Haft verurteilt wurden, nicht wegen 'Handelns gegen die nationale Sicherheit' angeklagt werden sollten. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs heißt es, dass: 'Die bloße Verkündigung des Christentums und die Förderung der 'evangelikalen zionistischen Sekte', was beides offensichtlich bedeutet, dass das Christentum durch Familientreffen [Hauskirchen] propagiert wird, ist kein Ausdruck der Zusammenkunft und der geheimen Absprache, um die Sicherheit des Landes zu stören, weder im Inneren noch nach außen' (Artikel18 25.11.2021). Die neun Konvertiten sind 2022 offiziell freigesprochen worden. Die Abteilung 34 des Teheraner Berufungsgerichts schloss sich der Argumentation des Richters des Obersten Gerichtshofs an, der im November letzten Jahres entschieden hatte, dass die Verkündigung des Christentums nicht als Verstoß gegen die nationale Sicherheit Irans zu werten ist. Der Präzedenzfall ist überzeugend, so Mansour Borji, Leiter der Interessenvertretung von Artikel 18, da die Richter im Freispruch neun Gründe ausführlich dargelegt haben, die mit der iranischen Verfassung und der islamischen Tradition im Einklang stehen. Es könnte jedoch einige Zeit dauern, bis das Urteil rechtskräftig wird. Einer der neun Angeklagten sitzt bereits wieder im Gefängnis, wegen einer sechs Jahre alten separaten Anklage wegen Verbreitung des Christentums, für die er zuvor freigesprochen wurde. Zwei andere Angeklagte, die per Video zur Freiheit der Religionsausübung aufgerufen hatten, wurden wegen Propaganda gegen den Staat angeklagt. Die iranischen Christen begrüßten das Urteil, bleiben aber vorsichtig. Laut Borji ist dieses Urteil anders als alle anderen seiner Art, die er bisher gesehen hat (CT 1.3.2022). Die iranische Regierung ist jedoch dafür bekannt, dass sie ihre eigenen Regeln nicht befolgt (CT 21.12.2021).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar - noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 28.1.2022; vergleiche OD 19.1.2022). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Die Probleme, die durch Konversion auftreten können, sind breit gefächert. Sie beginnen in der Schule, wo Kinder aus konvertierten Familien einen Verweis, oder die Verwehrung des Hochschuleintritts riskieren, sollten sie den Fächern Religionsunterricht, Islamische Lehre und Koranstunde fernbleiben (ÖB Teheran 11.2021).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich 'konvertierte' Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 11.2021).
Die Versammlung in – meist evangelikalen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden 'kontrolliert', de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet (ÖB Teheran 10.2020). Die Schließungen der 'Assembly of God'-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen (DIS/DRC 23.2.2018; vergleiche IRB 9.3.2021). Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018). Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Razzien gegen Hauskirchen werden weiterhin durchgeführt (AI 29.3.2022).
Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche FH 28.2.2022, CSW 22.3.2022). Im August 2020 wurden 35 neu Konvertierte verhaftet und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen wie 'Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen', 'Verbreitung vom zionistischen Christentum' und 'Gefährdung der inneren Sicherheit' zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden (ÖB Teheran 11.2021). Derzeit befinden sich in Iran ca. 20 Christen wegen des Vorwurfs einer Bedrohung der nationalen Sicherheit in Haft, und seit 2012 wurden mehr als hundert Personen wegen dieser Straftat verurteilt (Vatikan News 7.12.2021; vergleiche OD 3.12.2021, CT 1.3.2022). Die Aussichten für iranische Christen, insbesondere für christliche Konvertiten, trüben sich weiter ein. Inhaftierten Christen, besonders christlichen Konvertiten, wird oft eine Entlassung gegen Kaution angeboten. Dabei geht es meist um hohe Geldbeträge, die Berichten zufolge zwischen 2.000 und 150.000 US-Dollar liegen. Die betroffenen Christen oder deren Familien werden dadurch gezwungen, ihre Häuser oder Geschäfte mit Hypotheken zu belasten. Personen, die gegen Kaution freigelassen werden, schweigen oft, da sie den Verlust ihres Familienbesitzes fürchten müssen. Das iranische Regime drängt sie, das Land zu verlassen und damit ihre Kaution aufzugeben (OD 19.1.2022). Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche Landinfo 16.10.2019). Darüber hinaus wird Christen mitunter der Konsum von Alkohol (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens vorgeworfen (ÖB Teheran 11.2021).
Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen 'Verbrechen gegen Gott' angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte (DIS/DRC 23.2.2018). Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche Landinfo 16.10.2019, UK HO 2.2020, DIS/DRC 23.2.2018), es kommt aber auch vor, dass einfache Mitglieder inhaftiert werden (OD 19.1.2022; vergleiche DIS/DRC 23.2.2018). Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen ist, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018). Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden steht, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden in der Regel nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018; vergleiche Landinfo 16.10.2019).
Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social-Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein 'high-profile'-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen (DIS/DRC 23.2.2018). Die iranischen Behörden sind in erster Linie daran interessiert, die Ausbreitung des Christentums zu stoppen, und verfügen allem Anschein nach nicht über die notwendigen Ressourcen, um alle christlichen Konvertiten zu überwachen (UK HO 2.2020). Die von der Regierung ausgeübte Kontrolle ist in städtischen Gegenden am höchsten. Ländliche Gebiete werden weniger stark überwacht. In der Anonymität der Städte haben Christen jedoch mehr Freiheiten, Treffen und Aktivitäten zu organisieren als in ländlichen Gebieten, in denen die soziale Kontrolle stärker ist (OD 19.1.2022).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 11.2021).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS/DRC 23.2.2018). Open Doors gibt im Weltverfolgungsindex 2022 an, dass die Taufe als öffentliches Zeichen der Abwendung vom Islam gesehen wird und deshalb verboten ist (OD 19.1.2022).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (USDOS 12.5.2021). Der Besitz christlicher Literatur in Farsi, besonders in größeren Stückzahlen, legt den Verdacht nahe, dass sie zur Weitergabe an muslimische Iraner gedacht ist (OD 19.1.2022). Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens des Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der 'Katholischen Jerusalem Bibel' ins Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis in Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetzte noch im Jahr 2015 den 'Katechismus der Katholischen Kirche' ins Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (BAMF 3.2019).
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7. Relevante Bevölkerungsgruppen
7.1. Frauen
Letzte Änderung: 23.05.2022
Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie hinsichtlich der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis inzwischen verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Insbesondere junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen (GIZ 12.2020c).
Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 12.2020c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Genehmigungsvorbehalt des Ehemannes oder Vaters bezüglich Arbeitsaufnahme oder Reisen). In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen also vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden (AA 28.1.2022).
Iran hat die 'Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau' als einer von wenigen Staaten weltweit nicht unterzeichnet. Im Global Gender Gap Report 2021 des World Economic Forum liegt Iran auf Platz 150 von 156 (WEF 3.2021; vergleiche AA 28.1.2022). Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen (AA 28.1.2022; vergleiche BAMF 7.2020). Es ist hier anzumerken, dass es sehr wohl einige Richterinnen - insbesondere an Familiengerichten - gibt. Ihnen steht es aber nicht zu, ein Urteil auszusprechen oder den Prozess zu leiten. Sie dürfen unter der Aufsicht eines männlichen Richters lediglich beratend tätig werden (BAMF 7.2020). Nur eine Frau gehört dem Kabinett von Staatspräsident Raisi an, die Vizepräsidentin für Frauen- und Familienangelegenheiten Ensieh Khazali. Die ultrakonservative Politikerin gilt als Befürworterin der frühen Heirat von Mädchen (AA 28.1.2022).
Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BS 2020). Zusätzlich sind Frauen seit dem Beginn der Covid-19-Krise stärker als Männer vom Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffen. Da Arbeitgeber durch die Pandemie wirtschaftlich unter Druck geraten sind, versuchen diese, den ausbleibenden Umsatz durch eine Reduzierung der Lohnzahlungen auszugleichen. Am stärksten davon, aber auch vom Verlust des Arbeitsplatzes, betroffen sind die Lohnzahlungen von Frauen (BAMF 7.2020). Laut offiziellen Daten wurden aufgrund der Covid-19-Krise binnen eines Jahres eine Million Frauen zusätzlich arbeitslos. Die Stärkung der Schattenwirtschaft, und damit von religiösen Stiftungen und Unternehmen im Besitz der Revolutionsgarden, in denen konservative Männer dominieren, hat die Arbeitsmöglichkeiten von Frauen besonders eingeschränkt (ÖB Teheran 11.2021). Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei knapp 18%. Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Die ultrakonservative Regierung wird die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt nicht vorantreiben, weil sie die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie stärken und die Geburtenrate erhöhen will (AA 28.1.2022). Gründe für die stärkere Betroffenheit von Frauen von Arbeitslosigkeit sind neben der Covid-Pandemie auch die US-Sanktionen und die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und die beruflichen Möglichkeiten für Frauen sind durch soziale und rechtliche Regelungen eingeschränkt, mit dem Ziel der Beschränkung der Rolle von Frauen als Mutter und Ehefrau. Oftmals wird von Frauen das Einverständnis des Ehemannes oder Vaters verlangt, um eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können. Gesetzlich kann ein Ehemann seiner Ehefrau jederzeit verbieten, arbeiten zu gehen. Stellenausschreibungen werden oft geschlechtsspezifisch nur für Männer ausgeschrieben. Regelmäßig werden Frauen nach Rückkehr aus der neunmonatigen Karenz gekündigt. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern den gewerkschaftlichen Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen. Konservative Politiker haben in der Vergangenheit mehrmals versucht, die Erwerbstätigkeit von Frauen weiter einzuschränken oder in manchen Sektoren zu verbieten (ÖB Teheran 11.2021).
In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 28.1.2022; vergleiche HRW 13.1.2022, ÖB Teheran 11.2021, AI 29.3.2022, BAMF 7.2020). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 13.1.2022; vergleiche FH 28.2.2022, BAMF 7.2020). Kinder unter 18 Jahren benötigen für die Ausstellung des Reisepasses die schriftliche Erlaubnis ihres Vaters. Wenn der Ehemann oder der Vater nicht anwesend ist, hat die Frau sich bei einem Wunsch zur Ausreise an die zuständige Behörde des Außenministeriums zu wenden, sofern die schriftliche Erlaubnis nicht vorliegt. Während dieses Verfahrens werden auch Unterschrift sowie personenbezogene Angaben überprüft (BAMF 7.2020). Unverheiratete und geschiedene Frauen sowie Witwen benötigen keine Erlaubnis ihres Vaters oder eines männlichen Vormunds, um zu reisen (Cedoca 30.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 13.1.2022; vergleiche BAMF 7.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Mädchen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Buben mit 15 Jahren) (AA 28.1.2022; vergleiche BAMF 7.2020, ÖB Teheran 11.2021). Zeugenaussagen von Frauen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet (AA 28.1.2022; vergleiche FH 28.2.2022, ÖB Teheran 11.2021) und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (FH 28.2.2022; vergleiche ÖB Teheran 11.2021). Selbst KFZ-Versicherungen zahlen nur die Hälfte bei Personenschäden von Frauen. Auch erben Frauen nur die Hälfte von Männern (ÖB Teheran 11.2021).
Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 28.1.2022).
Laut Gesetz darf eine Jungfrau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (US DOS 12.4.2022). Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren. Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen (US DOS 12.4.2022; vergleiche ÖB Teheran 11.2021, AI 29.3.2022, BAMF 7.2020). Das gesetzliche Alter für Buben liegt bei 15 Jahren. Mit der schlechten Wirtschaftslage geht ein Anstieg des Verkaufs von Mädchen zum Kindesmissbrauch in Kinderehen einher (ÖB Teheran 11.2021). 2020 stieg die Rate nach offiziellen Zahlen um 10,5% auf 31.379 Mädchen zwischen zehn und 14 Jahren. Jüngere Mädchen werden nicht gezählt, auch wenn die Verheiratung von Mädchen ab neun Jahren mit Zustimmung der Eltern und eines religiösen Richters erlaubt ist (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AI 29.3.2022).
Im Juni 2020 erließ der Präsident ein Dekret, mit dem eine Änderung des Zivilgesetzbuches in Kraft gesetzt wurde. Dadurch wird es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, ihren Kindern die Staatsbürgerschaft zu übertragen (US DOS 12.4.2022; vergleiche BAMF 7.2020, ÖB Teheran 11.2021, FH 28.2.2022). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen, während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (USDOS 12.4.2022; vergleiche BAMF 7.2020). Die ersten Personalausweise für solche Kinder wurden im Juli 2021 ausgestellt (FH 28.2.2022).
Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über mögliche (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende bzw. alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht imstande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 11.2021). Ein Mann kann sich zu jedem Zeitpunkt von seiner Frau scheiden lassen. Die Möglichkeiten der Frau, sich von ihrem Ehemann scheiden zu lassen, sind dagegen eingeschränkt und nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Bei Schließung einer dauerhaften Ehe besteht die Möglichkeit, Regelungen vor dem Heiratsnotariat zu vereinbaren, unter denen sich die Ehefrau an ein Gericht wenden kann, um eine schriftliche Erlaubnis zur Scheidung zu erhalten (BAMF 7.2020).
Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen oder Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden. Alleinstehende Frauen haben oft Schwierigkeiten, eine Wohnung oder Arbeit zu finden, da sie für Prostituierte gehalten werden (ÖB Teheran 11.2021).
Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Gesetze zur Verhinderung und Bestrafung geschlechtsspezifischer Gewalt existieren nicht. Ein geplantes Gesetz 'gegen Gewalt gegen Frauen' ist noch immer nicht verabschiedet worden. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 28.1.2022). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe. Das Gesetz betrachtet Geschlechtsverkehr innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat. Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie staatliche Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (US DOS 12.4.2022). Sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz und in der Familie ist weit verbreitet, für die Männer herrscht gänzliche Straflosigkeit. Ein iranischer 'Me-Too'-Moment im Sommer 2020, als eine junge Frau Interviews mit Überlebenden sexueller Gewalt veröffentlichte, zeigte das Ausmaß des ansonsten totgeschwiegenen Problems auf. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Die schwierige Beweislast für sexuellen Missbrauch und das Verbot außerehelicher Beziehungen hat zur Folge, dass Frauen Missbrauch nicht anzeigen, da sie ansonsten regelmäßig selbst Beschuldigte wären. Ein Gesetzesentwurf der Regierung Rohani zu Gewaltschutz wurde vom erzkonservativen Parlament solange boykottiert, bis der jetzige Präsident Raisi an die Macht kam, unter dem das Gesetz keine Aussicht auf Umsetzung hat (ÖB Teheran 11.2021).
Am 1.11.2021 wurde ein neues Gesetz zur 'Verjüngung der Gesellschaft und zum Schutz der Familie' verabschiedet, das von neun UN-Sonderberichterstattern und Menschenrechtsmechanismen als menschenrechtswidrig bezeichnet wurde (ÖB Teheran 11.2021). Das Gesetz schränkt den Zugang von Frauen zu reproduktiven Rechten stark ein. So soll der Zugang zu Abtreibungen v.a. mithilfe strafrechtlicher Drohungen weiter stark eingeschränkt werden (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AI 29.3.2022, AA 28.1.2022), insbesondere dürfte bei Abtreibungen als 'mohareb' (Waffenaufnahme gegen Gott) die Todesstrafe drohen (ÖB Teheran 11.2021). Darüber hinaus werden der Verkauf von Verhütungsmitteln und Sterilisationen verboten (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche AI 29.3.2022, AA 28.1.2022), eine Datenbank von Frauen, die gynäkologische Hilfe suchen wird erstellt, und religiöse Richter sollen mitentscheiden, ob einer Frau medizinische indizierte Abtreibung gewährt wird (ÖB Teheran 11.2021).
Dem Gesetz nach müssen alle Frauen in Iran ab einem Alter von neun Jahren die islamischen Bekleidungsvorschriften in der Öffentlichkeit einhalten. Das Kopftuch ist zwingend vorgeschrieben, jedoch nicht das Tragen des Tschadors. Nach einer Studie des wissenschaftlichen Dienstes des iranischen Parlamentes heißen nur 13% der befragten Frauen das Tragen des Tschadors gut (BAMF 7.2020). Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Zahlreiche Frauen, die öffentlich ihren Schleier abnahmen und davon Fotos und Videos verbreiteten, befinden sich weiterhin in Haft und sind zu Peitschenhieben verurteilt, wie auch ihre Rechtsanwälte (ÖB Teheran 11.2021). In einigen Fällen wurden auch besonders harte Haftstrafen verhängt (u.a. 24 Jahre Haft für eine Frauenrechtsaktivistin im August 2019) (AA 28.1.2022). Der Kopftuchzwang führt zu täglichen Schikanen, willkürlichen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen sowie dazu, dass Frauen der Zugang zu Bildung, Beschäftigung und öffentlichen Räumen verweigert wird. Mindestens sechs Frauenrechtlerinnen, die sich gegen den Kopftuchzwang eingesetzt hatten, sitzen noch immer im Gefängnis (AI 29.3.2022). Obwohl Frauen im Oktober 2019 einmalig auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen konnten, hat sich am grundsätzlichen Stadionverbot für Frauen nichts geändert (AA 28.1.2022). Neben den Beschränkungen in Bezug auf Sportveranstaltungen gibt es solche auch bezüglich Kultur, beispielsweise ein Singverbot außer im Chor, Verbot des Tanzens, etc. Die Regierung Raisi hat bereits angekündigt, das Rad- und Motorradfahrverbot für Frauen streng durchzusetzen (ÖB Teheran 11.2021).
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8. Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 23.05.2022
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen eine Ausreisebewilligung. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebewilligungen (US DOS 12.4.2022). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker, Künstler sowie Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (US DOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022).
Zur rechtmäßigen Ausreise aus der Islamischen Republik Iran benötigen iranische Staatsangehörige einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (gestaffelte Gebühr: derzeit 4 bis 8 Millionen Real, das sind 11 bis 23 Euro). Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 28.1.2022).
Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Zivile und militärische Verwaltungsstrukturen arbeiten effektiv. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 28.1.2022).
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9. Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung: 23.05.2022
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der monatliche Mindestlohn für eine vierköpfige Familie mit einer erwerbstätigen Person liegt bei umgerechnet etwa 130 Euro im Monat (aufgrund von Inflation und Wechselkursveränderung stark schwankend). Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt umgerechnet bei ca. 180 Euro pro Monat (AA 28.1.2022).
Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche BS 2020). Gründe sind die US-Sanktionen und deren extraterritoriale Anwendung und damit Zurückhaltung europäischer Unternehmen vor Geschäften mit Iran, aber auch die Folgen der Covid-19-Pandemie. Viele Privatunternehmen mussten aufgrund fehlender Devisen und Importmöglichkeiten von Rohstoffen, Bestandteilen oder Ausrüstung die Produktion drosseln oder schließen (ÖB Teheran 11.2021).
Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen, aber auch ein beträchtlicher 'Braindrain', der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft beeinträchtigt (ÖB Teheran 11.2021). Angesichts der Kaufkrafteinbußen können viele Menschen ihre Lebenserhaltungskosten nur sehr knapp abdecken, jede Verschlechterung führt zu Verzweiflung (ÖB Teheran 11.2021). So kam es zu lokal begrenzten kurzzeitigen Protesten und Streiks, etwa wegen Gehaltsrückständen und schlechten Arbeitsbedingungen oder aufgrund des Preisdrucks in der Produktion (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche HRC 13.1.2022).
Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 12.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BS 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 12.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BS 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 12.2020b). Soziale Unzufriedenheit war in den letzten Jahren mehrmals der Hintergrund von Unruhen in der Bevölkerung. Bei den gewalttätigen Unruhen im November 2019 starben Hunderte Menschen (Landinfo 12.8.2020) und Tausende wurden verletzt (FH 3.3.2021). In mehreren Provinzen, darunter auch in Khuzestan, hielten Demonstranten ab Mitte Juli 2021 Kundgebungen wegen Wassermangels und schlechter Lebensbedingungen ab. Die Sicherheitskräfte reagierten darauf, indem sie die Teilnehmer festnahmen und im weiteren Verlauf des Monats tödliche Gewalt anwendeten. Während dieser Proteste sollen mindestens elf Personen durch Sicherheitskräfte getötet worden sein (FH 28.2.2022). [Bezüglich der Unruhen vergleiche Sie bitte das Kapitel zur Versammlungsfreiheit].
Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 12.2020b; vergleiche BS 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mithilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 12.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BS 2020).
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9.1. Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 23.05.2022
Dem Arbeitsministerium ist die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten 'Hohen Versicherungsrat' (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Der Hauptversicherer ist die 'Organisation für Sozialversicherung' (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in das System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden (ÖB Teheran 11.2021). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 9 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 500.000 IRR (ca. 1,5 Euro) sog. Yarane (AA 28.1.2022). Selbstständige und Beamte sind nicht Teil der Arbeitslosenversicherung, da angenommen wird, dass ihre Arbeitsverträge nicht gekündigt werden können (Landinfo 12.8.2020).
Iranischen Bürgern stehen unterschiedliche Arten von Versicherungsschutz zur Verfügung. Bei der obligatorischen Versicherung werden Arbeitnehmer von den Arbeitgebern versichert. 7% der Prämie werden von den Arbeitnehmern und 23% von den Arbeitgebern gezahlt. Weiters steht den Eigentümern der Unternehmen eine freiwillige Abdeckung zur Verfügung. Es gibt drei Prämiensätze von 12%, 14% und 18%, die zulasten der Versicherten gehen. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei Letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Ein freiwilliger Versicherungsschutz ist für zuvor versicherte Personen zwischen 18 und 50 Jahren verfügbar. Dieser ist vollständig von der versicherten Person zu zahlen. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Generell ist für Angestellte die Mitgliedschaft im Sozialversicherungssystem verpflichtend. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Zuschüsse und Leistungen werden auf Basis des Gehalts (insbesondere der letzten zwei Jahre) der zu versichernden Person berechnet, sowie auf Basis der monatlichen Zahlungen bei privat versicherten Personen. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgeben, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag bezahlen (IOM 2021). Die Mittel für die Altersrente werden durch gemeinsame Beiträge der versicherten Person, des Arbeitgebers und der Regierung gedeckt und variieren je nach Beitragsjahren. Die Altersrente wird über die Pensionskasse für Beamte, über die Organisation für soziale Sicherheit sowie über 16 weitere Pensionsfonds in Iran bereitgestellt. Die Hinterbliebenenrente wird an Angehörige einer versicherten verstorbenen Person gezahlt. Zu den Angehörigen zählen Witwe/Witwer, Kinder (das heißt Söhne bis zum Alter von 20 Jahren und Töchter bis zur Heirat) und Eltern. Die Rente des Ehepartners beträgt 50% der Alters- oder Invalidenrente der versicherten Person, während sie für Waisen 25% und für Eltern 20% beträgt. Die kombinierte Hinterbliebenenrente darf nicht unter dem gesetzlichen Mindestlohn oder über der Rente des Verstorbenen liegen. In Iran gibt es einen gesetzlichen monatlichen Mindestlohn für ungelernte Arbeitnehmer, der unter Berücksichtigung der Inflation jährlich neu berechnet wird. Darüber hinaus zahlt der Staat (praktisch) jeder Familie eine Wohnungs- und Lebensmittelzulage in Form von monatlichen Geldtransfers (yaraneh-ye naqdi). Familienbeihilfe wird im Rahmen von Sozialversicherungssystemen für Eltern gewährt, die mindestens 720 Tage gearbeitet und Beiträge gezahlt haben. Die Familienbeihilfe wird gezahlt, bis das Kind 18 Jahre alt ist, oder - wenn es studiert - bis das Studium abgeschlossen ist. Die Familienbeihilfe wird monatlich gezahlt und als das Dreifache des gesetzlichen täglichen Mindestlohns eines ungelernten Arbeitnehmers für jedes Kind berechnet. Die Leistungen werden jährlich angepasst (Landinfo 12.8.2020).
Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 28.1.2022). Als Teil des iranischen Sozialwesens haben alle iranischen Bürger das Recht auf kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung. Alle Bürger können über die Wohlfahrtsorganisation TAMIN EJTEMAEI eine Sozialversicherung beantragen. Darüber hinaus können Leistungen von Arbeitgebern oder privaten Anbietern und Organisationen angeboten werden (IOM 2021).
Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt, um die 'sadeqe', die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße (GIZ 12.2020b). Die staatliche Wohlfahrtsorganisation betreibt Selbsthilfegruppen für Familien in schwierigen Situationen, die in Familienzentren organisiert sind. Einige erhalten Unterstützung bei der Arbeitssuche. Ein Projekt mit einem Mikrofinanzierungsansatz umfasst 50.000 Menschen - nicht nur Frauen, sondern auch Landbevölkerung und andere. Ziel ist es, die Armut zu verringern. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf weiblichen Ernährern. Es gibt ca. drei Millionen Familien, die von Frauen geführt werden. 180.000 von ihnen werden von der staatlichen Wohlfahrtsorganisation betreut. Das Budget ist begrenzt und nicht alle Bedürftigen erhalten Hilfe. Die Leistungen gehen nicht unbedingt an die Frauen, sondern können beispielsweise die Bildung für Kinder abdecken (Landinfo 12.8.2020).
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10. Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 23.05.2022
Seit der Islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert allen Bürgern das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung (ÖB Teheran 11.2021). Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche IOM 2021). Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche Landinfo 12.8.2020). Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 11.2021). Neben den medizinischen Universitäten wird ein Teil der Dienstleistungen von Versicherungsunternehmen und den Provinz- und Bezirkseinheiten erbracht. Die dezentralen Einrichtungen (Gesundheitshäuser, ländliche Gesundheitszentren) bieten in den Räumlichkeiten der medizinischen Universitäten kostenlose Dienstleistungen an. An anderer Stelle bezahlt die erkrankte Person einen kleinen Betrag, um eine medizinische Behandlung zu erhalten (IOM 2021). Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird. Die Mahak-Gesellschaft zur Unterstützung krebskranker Kinder ist beispielsweise ein bekanntes gemeinnütziges Forschungs-, Krankenhaus- und Rehabilitationszentrum für Kinder mit Krebs. Die Patienten werden von Ärzten im ganzen Land an Mahak überwiesen. Laut einem Vertreter von Mahak wird jedes Kind, bei dem Krebs diagnostiziert wird, entweder im Mahak-Krankenhaus oder in anderen Krankenhäusern behandelt. Mahak deckt auch die Behandlung von Patienten in anderen Krankenhäusern in Iran ab. Die Behandlung ist kostenlos und die Patienten müssen nicht versichert sein, um eine Behandlung zu erhalten. Selbst Verwandte können bei der Begleitung ihrer kranken Kinder eine Finanzierung für die Unterkunft erhalten. Mahak empfängt Krebspatienten auch aus mehreren Nachbarländern (Landinfo 12.8.2020).
Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 11.2021). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitszentrum kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2021).
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend - laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung - die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2020c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung, gerade bei Notfällen oder Unfällen, ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischen Standards. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen zumeist auf relativ hohem Niveau möglich (AA 11.5.2022a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede zwischen den Regionen. Folgende Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan sowie Sistan und Belutschistan. Es ist davon auszugehen, dass sich eine Vielzahl an Haushalten keine ausreichende Gesundheitsversorgung leisten kann. Gesundheitsdienste sind geografisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 11.2021).
Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen 'Behvarz' (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird. In Städten übernehmen sogenannte 'Gesundheitsposten' in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 11.2021). Bis zu 90% der Bevölkerung in ländlichen Regionen haben Zugang zu Basisgesundheitsdienstleistungen. Auch in städtischen Regionen gibt es eine Vielzahl an Gesundheitszentren (IOM 2021). Weitere staatliche Institutionen wie die Iranian National Oil Corporation, die Justiz und Revolutionsgarden betreiben ihre eigenen Krankenhäuser. Die medizinische Belegschaft in Iran umfasst insgesamt mehr als 51.000 Allgemeinärzte, 32.000 Fachärzte, 115.000 Krankenschwestern, 33.000 Hebammen und 35.000 örtliche Gesundheitshelfer (behvarz) (Landinfo 12.8.2020). Im Jahr 2020 wurden 161 Projekte zum Bau ländlicher Gesundheitszentren abgeschlossen. Somit wurde der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen verbessert. Daneben hat das Überweisungssystem bei Hausärzten dazu beigetragen, dass Servicepakete für Prävention, Pflege und Behandlung auch in ländlichen Gebieten angeboten werden (IOM 2021).
Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind, und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen noch immer out-of-pocket-Zahlungen von den versicherten Personen geleistet werden (ÖB Teheran 11.2021). Es ist jedoch anzuführen, dass der Anteil derartiger Zahlungen durch die Patienten in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen ist. Vor dem Health Transformation Plan im Jahr 2014 waren Out-of-pocket-Zahlungen die Hauptfinanzierungsquelle, und lagen über 50% der Kosten. 2010 erreichten die Zahlungen einen Höchststand von 58%, während sie bis 2016 auf 35,5% zurückgingen. Dies ist jedoch noch weit von dem erklärten Ziel entfernt, die Out-of-pocket-Zahlungen auf unter 30% zu senken. Dies bedeutet, dass das Zahlungssystem nach wie vor weitgehend auf Servicegebühren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Gesundheitswesen basiert (Landinfo 12.8.2020). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2020c). Iran verwendet interne Referenzpreise für Arzneimittel, was bedeutet, dass Arzneimittel zum Preis des Referenz-Arzneimittels erstattet werden und die Patienten die Möglichkeit haben, teurere Arzneimittel zu kaufen und die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Der Erstattungspreis wird von der Regierung festgelegt, während Hersteller, Händler oder Einzelhändler ihren eigenen Arzneimittelpreis festlegen können (Landinfo 12.8.2020).
Alle iranischen Staatsbürger, inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt zwei verschiedene Arten von Krankenversicherungen, jene über den Arbeitsplatz oder eine private Versicherung. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt. Um eine Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig. Zusätzliche Dokumente können später gegebenenfalls angefordert werden (IOM 2021).
Allen iranischen Bürgern stehen mehrere Arten eines primären Krankenversicherungsschutzes zur Verfügung, darunter Tamin-Ejtemaei, Salamat, Khadamat-Darmani und Nirouhaye - Mosalah. Der Krankenversicherungsschutz umfasst medizinische Behandlungen und die Versorgung mit Medikamenten und Impfstoffen. Im Allgemeinen ist der primäre Krankenversicherungsschutz begrenzt. Für weitere medizinische Dienstleistungen kann zusätzlich eine private Krankenversicherung abgeschlossen werden (IOM 2021). Die 'Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste' (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die 'Imam Khomeini Stiftung', um nicht versicherte Personen - etwa mittellose Personen oder nicht anerkannte Flüchtlinge. Registrierte afghanische Flüchtlinge können sich in der staatlichen Krankenversicherung registrieren (ÖB Teheran 11.2021).
Da es keine allgemein akzeptierte Definition für schutzbedürftige Personen gibt, ist es schwierig, diese Gruppe zu spezifizieren. Dennoch gibt es einige NGOs, die sich auf einen bestimmten Kreis Betroffener spezialisieren. Allgemein gibt es zwei Arten von Zentren, die Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen in Iran leisten, nämlich öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen, sich oft an kleinere, spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, die Projekte zu Gender, alten Menschen, Menschen mit Behinderung (inklusive psychischer Probleme), ethnische und religiöse Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem sozio-psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlung etc. Die Imam Khomeini Relief Foundation bietet Dienstleistungen für Frauenhaushalte, Waisen, Familien von Häftlingen usw. an, um ihre Lebensumstände zu verbessern. Der Zugang zu öffentlichen Angeboten ist für alle Bürger gleich. Dennoch gibt es zusätzliche Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen, die von den Gemeinden/Organisationen abgedeckt werden (IOM 2021).
Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2021; vergleiche Landinfo 12.8.2020, HRC 13.1.2022). Obwohl auf dem Papier Medikamente und Lebensmittel von den Sanktionen nicht betroffen sind, ist es seit 2020 u.a. wegen fehlender Zahlungskanäle zu mehr Engpässen bei bestimmten Medikamenten wie z.B. Insulin gekommen (ÖB Teheran 11.2021). Das Gesundheitsministerium ist sehr bemüht, den Bedarf an Medikamenten zu decken. Aufgrund der mangelnden Devisen steigen aber die Preise der Medikamente, die aus dem Ausland eingeführt werden, sodass schwache Gesellschaftsschichten sich diese nicht mehr leisten können. Viele Medikamente werden in Iran selbst produziert, jedoch oftmals nicht in entsprechender Qualität (ÖB Teheran 11.2021). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2021).
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11. Rückkehr
Letzte Änderung: 23.05.2022
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei einer Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. Ausgenommen davon sind Personen, die seitens iranischer Sicherheitsbehörden als ernsthafte Regimegegner identifiziert wurden und an denen ein Verfolgungsinteresse besteht (AA 28.1.2022). In der iranischen Gesetzgebung gibt es kein Gesetz, das die Beantragung von Asyl im Ausland strafbar macht (Cedoca 30.3.2020). In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden (AA 28.1.2022). Allerdings gibt es zum Thema Rückkehrer nach wie vor kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 11.2021).
Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 28.1.2022).
Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala, unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).
In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch üblich, dass Personen die Grenze zwischen dem Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird das Risiko für Repressionen eher gering ausfallen (DIS/DRC 23.2.2018).
Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Iraner oder Ausländer, die bestimmte Straftaten im Ausland begangen haben und in Iran festgenommen werden, werden nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Auf die Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss; die Gerichte erlassen eigene Urteile. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind jedoch keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 28.1.2022).
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2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch:
- Einsichtnahme in die Verwaltungsakte des ersten Asylverfahrens der Beschwerdeführer sowie die hiergerichtlichen Vorakte vergleiche W274 2217020-1 und W274 2217022-1);
- Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt der Tochter der Beschwerdeführer vergleiche W242 2217021-2);
- Einsichtnahme in die Verwaltungsakte, insbesondere in die Protokolle der Erstbefragungen vom 05.02.2021, der niederschriftlichen Einvernahmen vom 23.02.2021, 25.01.2022 und 27.01.2022, in die Beschwerde vom 10.05.2022 und die Urkundenvorlage vom 30.06.2022;
- Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt zum Iran;
- Einsichtnahme in die von den Beschwerdeführern im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Integrationsunterlagen;
- Einvernahme des BF1 am 13.07.2022 und der BF2 am 08.07.2022;
- Einsicht in das Grundversorgungsinformationssystem;
- Einsicht in das Strafregister.
Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:
Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer ergeben sich aus den im Vorverfahren vorgelegten Personenstandsurkunden, ihren damit übereinstimmenden und daher glaubhaften Angaben sowie dem Umstand, dass sich daran im gegenständlichen Verfahrens nichts geändert hat.
Die Feststellungen zu Volksgruppenzugehörigkeit, Muttersprache, Familienstand, Erziehung im schiitisch-muslimischen Glauben, Ausbildung und Arbeitserfahrung im Iran und zum Aufenthalt ihrer Angehörigen im Herkunftsstaat ergeben sich aus ihren Ausführungen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht, die sich mit ihren im vorangegangenen Asylverfahren gemachten Angaben und den darauf basierenden Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erkenntnis vom 17.12.2020, GZ. 1.) W274 2217020-1/22E und 2.) W274 2217022-1/20E, decken. Das Gericht hat daher keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer beruhen auf den Angaben des BF1 in der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2022 sowie der BF2 in der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2022, wonach sie weder an chronischen oder akuten Krankheiten leiden, noch Medikamente einnehmen würden und dem Umstand, dass keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, aus denen gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit ersichtlich wären.
Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:
Die Feststellungen zur Einreise und zum vorangegangen Asylverfahren ergeben sich aus den hiergerichtlichen Vorakten vergleiche W274 2217020-1; W274 2217022-1).
Die Feststellungen zur neuerlichen Asylantragstellung ergeben sich aus den Erstbefragungsprotokollen vom 05.02.2021.
Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen der Beschwerdeführer beruhen auf amtswegig eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister.
Die Feststellungen zu ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit, dem Besuch eines Deutschkurses, den erworbenen Sprachzertifikaten, ihren sozialen Kontakten in ihrer Wohnsitzgemeinde sowie den Kontakten zur Baptistengemeinde römisch 40 , der dort erfolgten Taufe und den Gottesdienstbesuchen und Kursteilnahmen stützen sich auf die vorgelegten Unterlagen, die – soweit sie sich auf die Zeiträume vor 17.12.2020 beziehen – mit den im vorangegangenen Verfahren getroffenen Feststellungen übereinstimmen, sowie die Angaben der Beschwerdeführer während des Verfahrens.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit geht aus amtswegig eingeholten Auszügen aus dem Strafregister hervor.
Die Feststellungen zum Besuch von Gottesdiensten der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. ihrer Wohnsitzgemeinde ergeben sich aus ihren diesbezüglich übereinstimmenden Ausführungen zuletzt am 08.07.2022 und 13.07.2022 vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie dem Schreiben der Kuratorin der evangelischen Pfarrgemeinde A.B römisch 40 vom römisch 40 2022.
Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:
Vorweg ist festzuhalten, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer, soweit es sich auf die vor ihrer Ausreise geschilderten Ereignisse im Herkunftsstaat und ihre behaupteten Kontakte bzw. Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.2020 bezieht, im vorangegangen Asylverfahren einer umfassenden Würdigung unterzogen wurde und das Bundesverwaltungsgericht zum damaligen Zeitpunkt letztlich zum Ergebnis gelangte, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten oder des Status der subsidiär Schutzberechtigten und die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraphen 55,, 57 AsylG 2005 nicht erfüllt sind. Im gegenständlichen Verfahren sind keinerlei Anhaltspunkt dafür hervorgekommen, dass sich diesbezüglich etwas geändert hätte. Eine neuerliche Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vorbringen kann daher unterbleiben.
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2, der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Zum Zweck der Glaubhaftmachung ist der Beschwerdeführer verpflichtet, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und hat er diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auf seine Glaubhaftigkeit hin zu überprüfen. Im Zuge dieser Überprüfung ist auch auf das Kriterium der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers abzustellen. Diese persönliche Glaubwürdigkeit kann dadurch eingeschränkt werden, wenn der Beschwerdeführer sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel stützt, wichtige Tatsachen verheimlicht bzw. diese bewusst falsch darstellt, sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet, keine Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Hinzu kommt, dass das Vorbringen genügend substantiiert sein muss. Ungenügende Substantiierung ist dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer den Sachverhalt sehr vage schildert, seine Angaben auf Gemeinplätze beschränkt, nicht in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine behaupteten Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein. D.h. es muss mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Schließlich muss ein Vorbringen auch in sich schlüssig sein, was nicht gegeben ist, wenn sich der Beschwerdeführer in wesentlichen Aussagen widerspricht.
Zur behaupteten Bedrohung durch den Schwager der BF2:
Die BF2 brachte erstmals in der Erstbefragung am 05.02.2021 vor, dass sie ihrer im Iran aufhältigen Schwester gegenüber missioniert habe. Als deren fanatisch religiöser Mann davon erfahren habe, habe er sie telefonisch bedroht. Außerdem sei sie von ihm und seiner Schwester auf ihrer Instagram-Seite bedroht worden. Diesen Ausführungen kommt allerdings aus folgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:
In ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.02.2021 führte die BF2 aus, dass sie etwa ein halbes Jahr zuvor damit begonnen habe, ihre Schwester zu missionieren. Als ihr Schwager davon erfahren habe, sei sie von ihm am 30.01.2021 per Sprachnachricht bedroht worden. Abweichend davon gab die BF2 während der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 25.01.2022 an, sie habe ihre Schwester ein Jahr lang missioniert und erst dann habe deren Ehemann davon erfahren und sie bedroht. Schon die unterschiedliche zeitliche Dauer der behaupteten Missionierung gegenüber ihrer Schwester deutet auf ein unglaubhaftes Fluchtvorbringen hin.
Außerdem decken sich die Ausführungen der BF2 zur Missionierung ihrer Schwester nicht mit jenen des BF1. Während die BF2 am 25.01.2022 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Ausdruck brachte, ihre Schwester habe den Glauben letztlich angenommen („Ich habe sie ein Jahr lang missioniert, bis sie am Ende geglaubt hat.“) führte der BF1 aus, die Schwester der BF2 sei fast soweit gewesen, das Christentum für sich zu finden. Allerdings nehme nicht jede Person, die missioniert werde, den Glauben an und sie wüssten nicht, ob die Schwester des BF2 diesen Schritt gehen und tatsächlich konvertieren würde. Auch aufgrund dieses Widerspruches bestehen erhebliche Zweifel an der von der BF2 behaupteten Missionierung gegenüber ihrer Schwester und der darauf basierenden Bedrohung durch ihren Schwager.
Die von der BF2 in der Einvernahme am 23.02.2021 abgerufene Sprachnachricht bezieht sich laut der von der anwesenden Dolmetscherin vorgenommenen Übersetzung auf Nachrichten, welche die darin angesprochene Person der Frau des Verfassers geschickt und die er gesehen haben soll („Wenn du noch einmal meiner Frau Nachrichten schickst […]“; „Ich möchte gar keine Nachrichten mehr sehen.“). Laut Ausführungen der BF2 am 25.01.2022 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl soll die Missionierung aber nicht in Form von Nachrichten stattgefunden haben, sondern sei im Zuge von Telefongesprächen erfolgt („Ich habe ihr am Telefon Passagen aus der Bibel vorgelesen. Ich habe bestimmte Verse aus der Bibel vorgelesen und ihr erklärt, was damit gemeint ist. Ich habe von der Kirche erzählt und was das Christentum bedeutet. Ich habe gesagt, was Jesu sagt […]“). Ebenso wenig geht aus den Schilderungen der BF2 hervor, dass ihr Schwager von der Missionierung erfahren habe, indem er Nachrichten gelesen habe, sondern soll er eines ihrer Gespräche mitbekommen haben, woraufhin die Schwester der BF2 zugegeben habe, dass sie über das Christentum gesprochen hätten. Die Angaben der BF2 zur Missionierung sind somit nicht mit dem Inhalt der von ihr abgerufenen Sprachnachricht in Einklang zu bringen. Es bestehen daher erhebliche Zweifel an der Echtheit der Sprachnachricht und ist diese daher nicht geeignet, die behaupteten Drohungen glaubhaft zu machen.
Zum Beleg der Ausführungen der BF2 in ihrer Erstbefragung, wonach sie von ihrem Schwager und dessen Schwester auf ihrem Instagram-Account bedroht worden sei, legte die BF2 mehrere Fotos ihres Profils und der unter den Beiträgen verfassten Kommentare vor. Dazu führte die BF2 am 25.01.2022 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, hinter dem Profilnamen „ römisch 40 “ stehe die Schwester ihres Schwagers, während ihr Schwager den Profilnamen „ römisch 40 “ verwende. Beide Profilnamen weisen allerdings keinerlei Ähnlichkeit mit dem Namen des Schwagers des BF2 auf, der laut übereinstimmender Angaben des BF1 und der BF2 römisch 40 heiße, sodass die Kommentare von jeder Person stammen können und eine eindeutige Zuordnung zu den von der BF2 genannten Personen nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass die BF2 im Laufe der weiteren Einvernahme in Widerspruch dazu ausführte, ihr Schwager sei gar nicht auf Instagram. Auch stehen die Angaben der BF2 zur Bedrohung auf ihrem Instagram-Profil in Widerspruch zu den Ausführungen ihrer Tochter. Diese gab nämlich in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.01.2022 vergleiche Verfahren W242 2217021-2) an, die BF2 habe ihren Schwager auf Instagram mehrmals blockiert, jedoch erstelle er immer wieder neue Profile und bedrohe die BF2 weiter. Vor diesem Hintergrund in Verbindung mit den Ausführungen der BF2, die sowohl im Vergleich zu ihren eigenen Ausführungen, als auch zu jenen des BF1, den Ausführungen ihrer Tochter und zum Inhalt der abgespielten Sprachnachricht durchwegs widersprüchlich blieben, lässt sich aus den vorgelegten Auszügen ihres Instagram-Accounts eine vom Schwager der BF2 ausgehende Bedrohung nicht ableiten.
Zu den behaupteten Hausdurchsuchungen bei der Mutter des BF1 durch die Sepa:
In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.02.2021 brachte der BF1 vor, die Sepa sei zweimal bei seiner Mutter zuhause gewesen um nach ihm zu suchen („Um zu schauen, ob ich dort bin oder nicht. […]“). Dies sei vor sechs Monaten (Anmerkung: vom Zeitpunkt der Einvernahme zurückgerechnet also etwa im August 2020) gewesen. Hingegen gab er während der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.01.2022 zu Protokoll, Anlass für die Durchsuchung seines Elternhauses sei die Anzeige des Schwagers der BF2 gewesen. Den tatsächlichen Grund für die Durchsuchung wisse er allerdings nicht genau („Nach dem negativen Bescheid gab es eine Gefahrenlage für uns, da der Mann der Schwester meiner Frau uns gedroht hat, und er hat sogar eine Anzeige erstattet und im Zuge dessen wurde auch mein Elternhaus durchsucht […]“). Weiters führte er unmittelbar im Anschluss an diese Schilderungen aus, die Hausdurchsuchung habe etwa fünf bis sechs Monate vor der Einvernahme in Wien beim Bundesverwaltungsgericht stattgefunden. Ausgehend davon, dass die letzte mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.01.2022 voranging, am 11.11.2020 durchgeführt wurde, müsste sich die Hausdurchsuchung im Mai oder Juni 2020 zugetragen haben. In weiterer Folge dazu befragt, ob er sämtliche Gründe geschildert habe, die ihn zum neuerlichen Antrag veranlasst hätten, gab der BF1 zu Protokoll, dass sich die erste Hausdurchsuchung vor der Drohung des Mannes der Schwester seiner Ehefrau ereignet habe, während die zweite Durchsuchung danach stattgefunden habe.
Im Hinblick darauf, dass der BF1 damit zunächst von zwei Hausdurchsuchungen sprach, in weiterer Folge unterschiedliche Angaben sowohl zum Durchsuchungsgrund wie auch zur zeitlichen Abfolge machte, wobei er im Zusammenhang mit diesen beiden Aspekten vorerst keine Unterscheidung betreffend zweier Vorfälle traf während er später hinsichtlich der zeitlichen Einordnung der Hausdurchsuchungen doch wieder differenzierte, erscheinen die Ausführungen zu den Hausdurchsuchungen nicht glaubhaft.
Außerdem stimmen die Ausführungen des BF1 hinsichtlich der Hausdurchsuchungen bei seiner Mutter nicht mit jenen der BF2 überein. Die BF2 sprach nämlich bereits in der ersten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.02.2021 von zwei Durchsuchungen, wobei eine davon sechs Monate zuvor (Anmerkung: demnach also etwa im August 2020) und die andere zwei Wochen zuvor (Anmerkung: sohin etwa um den 09.02.2021) stattgefunden habe und blieb in der darauffolgenden Einvernahme am 25.01.2022 im Wesentlichen bei diesen Ausführungen, indem sie angab, die erste Durchsuchung habe sich etwa eineinhalb Jahre zuvor und die zweite etwa ein halbes Jahr danach ereignet. Einerseits stellt die BF2 – anders als der BF1 –damit nicht auf einen Zeitpunkt sechs Monate vor ihrer Einvernahme beim Bundesverwaltungsgericht ab. Andererseits gab die BF2 am 25.01.2022 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, die Mutter des BF1 habe sie telefonisch von der Hausdurchsuchung informiert, während der BF1 am 27.01.2022 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schilderte, sein Bruder, der bei seiner Mutter im Elternhaus lebe, habe ihn darüber informiert. Auch diese Widersprüche lassen die Ausführungen der Beschwerdeführer zu den behaupteten Hausdurchsuchungen unglaubhaft erscheinen.
Schließlich stehen die Angaben des BF1 zu den Hausdurchsuchungen in Widerspruch zu den Angaben seiner Tochter. Während der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.01.2022 nämlich angab, sein Bruder habe den Beamten bereits bei der ersten Hausdurchsuchung mitgeteilt, dass sich er und seine Familie in Österreich befänden und die Beamten dennoch auf die Durchsuchung bestanden hätten, führte seine Tochter in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.02.2021 aus vergleiche Verfahren W242 2217021-2), ihre Großmutter habe den Beamten der Sepa nicht mitgeteilt, dass sie sich in Österreich aufhalten würden. Sie habe ihnen lediglich gesagt, dass sie nicht anwesend seien. Diese Abweichungen sprechen abermals dafür, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer zu den Hausdurchsuchungen im Elternhaus des BF1 nicht glaubhaft ist.
Insgesamt ist festzuhalten, dass angesichts der zahlreichen Widersprüche die sich sowohl hinsichtlich der von den Beschwerdeführern behaupteten Hausdurchsuchungen wie auch hinsichtlich der von ihnen vorgebrachten Bedrohung und Anzeige seitens des Schwagers der BF2 nicht davon auszugehen ist, dass den iranischen Behörden die Aktivitäten der Beschwerdeführer innerhalb der christlichen Glaubensgemeinschaft in Österreich bekannt geworden sind. Eine daraus resultierende den Beschwerdeführern im Falle der Rückkehr in den Iran drohende Bestrafung ist daher nicht wahrscheinlich.
Zur behaupteten Konversion der BF in Österreich:
Weiters begründeten die Beschwerdeführer ihre gegenständlichen Asylanträge (wie bereits im vorangegangenen Verfahren) damit, dass sie zum Christentum konvertiert seien und ihnen deshalb in ihrem Herkunftsstaat die Todesstrafe drohe.
Dazu ist vorweg auszuführen, dass das BVwG im Erkenntnis vom 17.12.2020 zum Ergebnis gelangte, dass eine Auseinandersetzung des BF1 mit dem christlichen Glauben im Iran nicht glaubhaft ist und die Beschwerdeführer den christlichen Glauben auch in Österreich nicht derart angenommen haben, dass sie das Bedürfnis hätten, diesen im Falle einer Rückkehr in den Iran innerlich oder äußerlich auszuleben, wobei dieses Erkenntnis in Rechtskraft erwuchs.
Im gegenständlichen Fall ist daher ausschließlich jenes Vorbringen der Beschwerdeführer zur behaupteten Konversion auf seine Glaubhaftigkeit zu überprüfen, soweit es sich auf den Zeitraum nach 17.12.2020 bezieht.
Zu seinem Glaubensleben führte der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.02.2021 aus, dass er auf Instagram Beiträge über das Christentum veröffentliche. Während seiner Einvernahme am 27.01.2022 ergänzte er diese Angaben dahingehend, dass er auch auf Facebook aktiv und journalistisch tätig sei, indem er christliche Ereignisse und Schicksale von Christen veröffentliche. Er besuche regelmäßig die Kirche, lebe nach christlichen Werten und bete.
Die BF2 führte in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.02.2021 aus, dass sie in einer WhatsApp-Gruppe mit anderen Frauen aus Deutschland über das Christentum schreibe und zwei von ihnen zum Christentum eingeladen habe. Sie missioniere, indem sie über Jesus und sein Leben spreche und erzähle, dass er wegen der Sünden der Menschheit gekreuzigt worden sei. Die BF2 ergänzte ihre Angaben am 25.01.2022 dahingehend, dass sie regelmäßig die Kirche in ihrer Wohnsitzgemeinde besuche.
Zwar besteht an den regelmäßigen Gottesdienstbesuchen einer evangelischen Kirche sowie den in sozialen Medien veröffentlichten Beiträgen der Beschwerdeführer aufgrund der vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten Auszüge aus ihren Profilen in sozialen Medien sowie der am 30.06.2022 vorgelegten Bestätigung der Kuratorin der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. römisch 40 vom römisch 40 .2022, und damit an den äußeren Umständen und Aktivitäten der Beschwerdeführer bei der evangelischen Pfarrgemeinde A.B. ihrer Wohnsitzgemeinde kein Zweifel.
Unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beschwerdeführer während des Verfahrens ist allerdings aus folgenden Gründen nicht erkennbar, dass diese Aktivitäten auf einer inneren Überzeugung, sich mit dem christlichen Glauben zu beschäftigten, beruhen:
Während der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.01.2022 gab der BF1 dazu befragt, welches christliche Fest er zuletzt gefeiert habe und wie, an: „Weihnachten. Wir beginnen ca. ein Monat davor mit den Vorbereitungen des Advents. Wir haben einen Weihnachtsbaum besorgt, diesen geschmückt. Dann waren wir in der evangelischen Kirche beim Gottesdienst und haben dort gebetet. Wir haben aus der Bibel gelesen.“ Die BF2 führte in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 25.01.2022 zur selben Frage aus: „Wir haben einen Tannenbaum gehabt und geschmückt, wir waren in der Kirche, […] am Sonntag nach dem Geburtstag von Jesus.“ Zur Frage, wie er Ostern feiern werde, führte der BF1 aus: „In der Kirche gibt es sicher einen Gottesdienst. Es wird ein Thema geben, über das wir dann alle reden wir werden Lieder singen. […] wir werden zusammen essen und ein dem Anlass entsprechendes Gericht essen und telefonisch unseren Christlichen Freunden gratulieren. Wir werden dann auch in den sozialen Medien christliche Beiträge zu Ostern posten.“ Die BF2 gab zu dieser Frage zu Protokoll: „Bei diesem Fest geht es um die Auferstehung Jesus. Wir sind dann sehr froh und werden in die Kirche gehen. Und dort werden christliche Lieder gesungen und Gebete gelesen.“ Aus diesem Vorbringen der Beschwerdeführer ist abzuleiten, dass sich das von ihnen geschilderte religiöse Leben in Zusammenhang mit christlichen Festen fast ausschließlich auf Aktivitäten bezieht, die von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, während im innerfamiliären Rahmen kaum ein religiöser Bezug zu erkennen ist. Das von den Beschwerdeführern erwähnte Schmücken des Weihnachtsbaumes und das vom BF1 zusätzlich angeführte gemeinsame Essen sowie die ebenfalls von ihm geschilderten Telefonate mit Freunden lassen nämlich nicht darauf schließen, dass die Beschwerdeführer ein persönliches Interesse daran hätten, sich mit der Bedeutung der soeben genannten christlichen Feste auch innerhalb ihres Familienkreises auseinanderzusetzen, sodass erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Religionsausübung bestehen.
Der BF1 behauptete zwar in weiterer Folge, dass bei ihm zuhause über Religion gesprochen werde, konnte aber keine konkreten Angaben zum Inhalt dieser Gespräche machen, sondern bezog sich allgemein auf Bibelverse, die er in sozialen Medien veröffentliche, ohne darzulegen, um welche Bibelverse es sich dabei handelt oder worum es darin im Wesentlichen geht („Manchmal, wenn ich aus der Bibel einen Vers in den sozialen Medien poste, fragen meine Frau und meine Tochter mich, wie das genau zu verstehen ist und ich erkläre ihnen dann, was damit gemeint ist.“). Die BF2 führte in Widerspruch dazu am 25.01.2022 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass sie sich über Nächstenliebe unterhalten und zusammen beten würden, wobei sie überwiegend über ihren Sohn bete, der sich von ihnen entfernt habe. Zwar sprach auch die Tochter der Beschwerdeführer in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.01.2022 vergleiche Verfahren W242 2217021-2), vom gemeinsamen Gebeten, führte allerdings abweichend von den Angaben der BF2 aus, diese würden auf die im Iran an Corona erkrankten Personen, die die Maßnahmen nicht einhalten würden sowie auf die in Österreich an Corona erkrankten Personen Bezug nehmen. Im Gegensatz dazu führte die BF2 am 25.01.2022 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, während des Weihnachtsgottesdienstes sei für die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung, für alle Kranken sowie dafür, dass Corona endlich überwunden werde, gebetet worden. Demgegenüber finden weder Unterhaltungen über Nächstenliebe noch gemeinsame Gebete in den Einvernahmen des BF1 Erwähnung. Die oberflächliche und vage Darstellung des BF1 zur Religionsausübung im häuslichen Rahmen sowie die dazu in Widerspruch stehenden Angaben der BF2, die wiederum von jenen ihrer Tochter abweichen, lassen die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung und damit eine Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben aus innerer Überzeugung ebenso vermissen.
Weiters ist auszuführen, dass die Beschwerdeführer seit ihrem Umzug in die römisch 40 im März 2021 offenbar keinerlei Kontakt mehr zur Baptistengemeinde römisch 40 pflegen, was zum einen daraus abzuleiten ist, dass die Beschwerdeführer derartige Kontakte weder in ihren nach dem Umzug durchgeführten Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 25.01.2022 und 27.01.2022 erwähnten und sich zum anderen daraus ergibt, dass die letzte vom Pastor der Baptistengemeinde ausgestellte Bestätigung, welche die BF2 in ihrer Einvernahme am 27.01.2022 vorlegte und in welcher die Religionsausübung der Beschwerdeführer dokumentiert wird, mit 22.02.2021 datiert ist.
Das Gericht verkennt nicht, dass es plausibel erscheint, dass sich die Beschwerdeführer nach ihrem Umzug in die römisch 40 für den Besuch einer näher gelegenen Kirche entschieden, zumal die Beschwerdeführer laut Angaben des BF1 in der mündlichen Verhandlung am 13.07.2022 etwa vier Stunden mit dem Zug benötigen, um nach Salzburg zu gelangen. Doch ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer die Gottesdienste der Baptistengemeinde seit Oktober 2018 und damit über einen Zeitraum von knapp zweieinhalb Jahren regelmäßig besuchten, dort im Jänner 2020 getauft wurden und die Möglichkeit hatten, sowohl die Gottesdienste wie auch die Glaubenskurse in ihrer Muttersprache zu besuchen. Demgegenüber ergibt sich aus den Ausführungen der BF2 am 27.01.2022, dass die Gottesdienste in der evangelischen Kirche ihrer Wohnsitzgemeinde im Wesentlichen auf Deutsch abgehalten werden und gab die BF2 darüber hinaus zu Protokoll, dass sie der Priester, bevor er etwas aus der Bibel lese, darauf hinweise, wo die entsprechende Stelle in ihrer persischen Bibel zu finden sei, sodass sie beim Verständnis der in der Kirche vorgetragenen Texte völlig auf sich gestellt sind.
Aufgrund der sohin über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren aufgebauten Kontakte zur Baptistengemeinde, der dort bestehenden Möglichkeit des farsisprachigen Austausches, während dieser in der evangelischen Kirche ihrer Wohnsitzgemeinde nicht geboten wird, des Umstandes, dass es sich beim evangelischen Glauben des Augsburger Bekenntnisses, wie er in der Kirche der Wohnsitzgemeinde der Beschwerdeführer praktiziert wird und dem Glauben der Baptisten um verschiedene Zweige des protestantischen Glaubens handelt sowie der Angaben des BF1 in der mündlichen Verhandlung, wonach er sich zu den Baptisten zugehörig fühle und zumindest einmal im Monat in Salzburg sei, ist trotz der zwischen den Beschwerdeführern und der Baptistengemeinde bestehenden räumlichen Distanz nicht nachvollziehbar, dass sie nicht zumindest versuchten, den Kontakt telefonisch, über soziale Medien oder gelegentliche Besuche aufrechtzuerhalten, zumal aus dem Schreiben des Pastors der Baptistengemeinde vom 22.02.2021 hervorgeht, dass die Beschwerdeführer zumindest bis 22.02.2021 an einer von der Baptistengemeinde veranstalteten Online-Bibelstunde teilgenommen hätten und die Aufrechterhaltung des Kontakts damit auch online möglich gewesen wäre. Der vollständige Kontaktabbruch zur Baptistengemeinde, in welcher die Beschwerdeführer erstmals in Österreich mit dem christlichen Glauben in Kontakt kamen und über mehrere Jahre an Gottesdiensten teilnahmen, ist ein weiterer Beleg für die fehlende Ernsthaftigkeit der Religionsausübung.
In der mündlichen Verhandlung am 13.07.2022 beschrieb der BF1 seine Glaubensrichtung mit unterschiedlichen Begriffen. So gab er zunächst an, dass er den Baptisten angehöre und ergänzte in weiterer Folge, dass es in dem Dorf, in dem er lebe, keine protestantische Kirche gebe, weshalb er eine evangelische Kirche gewählt habe. Auf die Frage, ob die Baptisten nun zu den Protestanten oder den Evangelischen gehören, antwortete er: „Wir sind Teil von einer Freikirche.“ Der BF1 war allerdings nicht in der Lage, zu erklären, inwiefern sich die protestantische von der evangelischen Konfession unterscheidet, sondern verwies wiederum auf die Taufe bei den Baptisten, ohne darzulegen, ob und gegebenenfalls wie sich der Taufvorgang im protestantischen bzw. evangelischen Glauben gestaltet („Es gibt nicht viele Unterschiede. Bei der Taufe ist es auch unterschiedlich. Die Baptisten werden richtig im Wasser getauft. Besondere Unterschiede gibt es nicht.“). Hinzu kommt, dass der BF1 zur Frage, warum er sich für ein evangelisches Bekenntnis entschieden habe unter anderem ausführte, dass es ihm wichtig sei, zu beten, und er dazu auch die katholische Kirche besuche, wenn er die evangelische nicht aufsuchen könne. Damit wird ersichtlich, dass sich der BF1 weder mit den Unterschieden verschiedener Glaubensrichtungen des Christentums auseinandergesetzt hat, noch Überlegungen dahingehend anstellte, ob und gegebenenfalls wie sich die von ihm verwendeten Begriffe der Glaubensrichtungen voneinander unterscheiden, obwohl er sich ausdrücklich zu den Baptisten bekannte. Auch diese Ausführungen lassen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der vom BF1 gewählten christlichen Konfession vermissen, sodass eine aus innerer Überzeugung erfolgte Zuwendung zu einer bestimmten Glaubensrichtung des Christentums nicht glaubhaft ist.
Die BF2 begründete die Abwendung vom Islam in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2022 damit, dass sie im Iran ihre Religion nicht selbst habe wählen können, sondern von Geburt an Muslimin gewesen sei. Für den christlichen Glauben habe sie sich entschieden, weil das Christentum die Religion der Liebe sei. Man habe Hoffnung in dieser Religion. Jesus Christus sei so groß gewesen. Trotzdem habe er die Füße der Apostel gewaschen und sich so klein gemacht. Ein persönliches Erlebnis oder eine besondere Erfahrung, die die Abkehr vom Islam ausgelöst haben und das Interesse der BF2 am Christentum geweckt haben könnte wird dadurch nicht deutlich. Die BF2 legte nämlich weder dar, dass ihr die Religionsfreiheit ein besonderes Anliegen wäre und sie sich dementsprechend mit verschiedenen Religionen auseinandergesetzt hätte, noch gab sie zu Protokoll, dass Liebe und Hoffnung im Islam keine Rolle spielen würden. Auch ein Zusammenhang zwischen dem von der BF2 beschriebenen Verhalten von Jesus Christus und ihrem eigenen Leben wurde von ihr nicht vorgebracht. Die Ausführungen der BF2 zur Abwendung vom Islam und Hinwendung zum Christentum sind daher wenig überzeugend und lassen ein für den Glaubenswechsel ausschlaggebendes schlüssiges Motiv nicht erkennen.
Der BF1 konnte auch nicht darlegen, welches Motiv letztlich zur Abwendung vom Islam und Hinwendung zum Christentum geführt haben soll. Soweit er in der mündlichen Verhandlung am 13.07.2022 zur Frage, warum er den Islam ablehne, ausführte: „Ich bin nicht Islamgegner, aber das was ich gesucht habe, habe ich im Christentum gefunden.“, ließ er nämlich gänzlich offen, was er gesucht hat und inwiefern er dies im Christentum gefunden hat. Ebenso wenig lässt die Antwort auf die Frage, warum er den Propheten Mohammed ablehne, erkennen, aus welchem Motiv heraus sich der BF1 entschieden haben soll, die Religionszugehörigkeit zu wechseln, zumal er weder darlegte, welche inhaltlichen Aspekte des Koran ihm nicht erlauben, Mohammed als Propheten anzuerkennen bzw. welche „Geschichten vom Islam“ seinen Überzeugungen zuwiderlaufen („Wie schon gesagt, wir Christen sind nicht gegen jemanden. Aber ich kann Mohammed nicht als meinen Propheten, meinen Gott bezeichnen, weil ich den Koran gelesen habe. Ich kenne die Geschichte vom Islam.“). Über Nachfrage, warum er sich nicht für den Islam entschieden habe, gab der BF1 zu Protokoll: „Weil ich habe keine Ehrlichkeit gesehen.“. Auch diese Angaben lassen nicht erkennen, inwiefern dem islamischen Glauben „Ehrlichkeit“ fehlt und wo diese nach Ansicht des BF1 im christlichen Glauben zum Ausdruck kommt. Da der BF1 außerdem selbst ausdrücklich anführte, dass er den Islam nicht ablehne sowie im Hinblick auf die dargestellten äußerst oberflächlichen, vagen und detailarmen Ausführungen zu den Motiven bezüglich der Abwendung vom Islam ist es dem BF1 nicht gelungen, eine innere Überzeugung vom christlichen Glauben glaubhaft zu machen.
Während die Kuratorin der evangelischen Kirche, welche die Beschwerdeführer regelmäßig besuchen, in ihrem Schreiben vom römisch 40 .2022 angab, in ihren vielen Gesprächen mit den Beschwerdeführern über Glaubensfragen sei ein Bibelwissen aufgefallen, das man bei österreichischen Christen erst suchen müsse, vermochten die Beschwerdeführer diesen Eindruck in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2022 sowie am 13.07.2022 nicht zu vermitteln:
Der BF1 gab in der mündlichen Verhandlung am 13.07.2022 zunächst an, dass ihm im Taufunterricht aufgetragen worden sei, „das Buch“ zu lesen und dass es noch ein anderes Buch gegeben habe, dessen Bezeichnung er nicht mehr wisse. Auf das erste von ihm genannte Buch angesprochen gab der BF1 zu Protokoll, dass es sich dabei um das „heilige Buch“ handle. Dazu befragt, ob es eine Bezeichnung für das „heilige Buch“ gebe, gab der BF1 an, dass es auch Evangelium genannt werde. Von dieser Bezeichnung wich der BF1 in weiterer Folge allerdings ab, indem er zur Frage, wie sich das „heilige Buch“ bzw. „Evangelium“ von der Bibel unterscheide, ausführte: „Das heilige Buch besteht aus 27 Teilen, 4 davon sind Evangelium […]“. Damit bezog sich der BF1 allerdings nicht bloß auf die Evangelien, sondern auf das gesamte Neue Testament. In Widerspruch dazu führte er zur Frage, ob die Bibel und das „heilige Buch“ zusammengehören würden, aus, dass sie mit Bibel das Neue Testament bezeichnen würden.
Außerdem schilderte der BF1, dass er die Evangelien gelesen habe, konnte deren Anzahl sowie die vier Evangelisten nennen („[…] 4 davon sind Evangelikum. Ja, 4. Mattheus, Markus, Lukas und Johannes.“), darunter insbesondere auch das Johannesevangelium und verwies in weiterer Folge mehrfach auf Johannes, indem er von den drei Johannesbriefen und der Offenbarung des Johannes sprach, die ebenfalls Teil des Neuen Testaments sind („[…] Es gibt dort auch 3 Teile von Johannes […] Das letzte ist von Johannes im neuen Testament.“; „Wir nennen es Mokashefa.“; D: „Mokashefa heißt Offenbarung.“). Demgegenüber konnte der BF1 allerdings keinerlei Angaben zu Lazarus von Bethanien machen, obwohl es sich dabei um eine Figur handelt, die im Johannesevangelium thematisiert wird und der BF1 ausdrücklich angab, die Evangelien gelesen zu haben.
Das Gericht verkennt nicht, dass der BF1 demgegenüber auch einige zutreffende Angaben zur Bibel machen konnte. So legte er neben den bereits erwähnten Angaben zu den Evangelien dar, wie viele Teile das Neue Testament enthält, konnte das letzte Abendmahl beschreiben und verwies allgemein auf mehrere Briefe, die im neuen Testament enthalten sind. Auch kann nicht erwartet werden, dass der BF1 über sämtliche Aspekte des christlichen Glaubens Bescheid weiß und den gesamten Inhalt der Bibel widergeben kann, zumal die Gottesdienste in der Kirche, die sie besuchen, lediglich auf Deutsch abgehalten werden und die ihnen in der Baptistengemeinde angebotene Möglichkeit zum farsisprachigen Austausch nicht mehr in Anspruch nehmen. Ein über die oberflächliche Beschäftigung mit dem Aufbau der Bibel hinausgehende tiefere Auseinandersetzung mit deren Inhalt und damit ein auffallendes Bibelwissen, wie es von der Kuratorin der evangelischen Kirche, welche die Beschwerdeführer besuchen, in ihrem Schreiben vom römisch 40 .2022 angesprochen wurde, konnte der BF1 in der mündlichen Verhandlung angesichts der widersprüchlichen Angaben zur Bezeichnung der Bibel bzw. des „heiligen Buches“ und der Ahnungslosigkeit betreffend eine Figur, die im vom BF1 genannten Johannesevangelium, das er seinen Angaben zufolge auch gelesen haben soll, vorkommt, dennoch nicht vermitteln. Auch aus diesem Grund erscheint eine aus innerer Überzeugung erfolgte Zuwendung des BF1 zum Christentum nicht glaubhaft.
Bei der BF2 konnte hingegen nicht einmal eine oberflächliche Auseinandersetzung mit der Bibel erkannt werden. So lässt schon der Umstand, dass der BF2 die Evangelisten in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2022 überhaupt kein Begriff waren, obwohl sie behauptete, dass ihre Lieblingsbibelstellen aus dem Matthäus-Evangelium stammen würde, nicht auf eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Bibel schließen. Zudem konnte die BF2 – abgesehen von der Aufteilung in das Alte und das Neue Testament – weder den Aufbau der Bibel beschreiben, noch angeben, wie sie sich darin zurechtfindet. Der BF2 war nämlich nicht einmal die Fundstelle ihrer Lieblingsbibelstellen bekannt. Das von der Kuratorin der evangelischen Pfarrgemeinde angesprochene auffallende Bibelwissen und eine daraus abzuleitende aus innerer Überzeugung heraus erfolgte Hinwendung zum Christentum kann daher auch bei der BF2 nicht erkannt werden.
Auch sonst kann aus dem Schreiben der Kuratorin nicht auf eine innere Hinwendung der Beschwerdeführer zum Christentum geschlossen werden, weil darin weder dargelegt wurde, über welche Glaubensfragen Unterhaltungen geführt worden wären, noch ausgeführt wurde, welches auffallende Wissen die Beschwerdeführer dabei vermittelt hätten.
Darüber hinaus handelt es sich bei der von der BF2 in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2022 angesprochenen Bibelstelle in Matthäus 8 um dieselbe Stelle, die der BF1 den Angaben der BF2 in der Einvernahme am 25.01.2022 zufolge während einer Predigt über Aufforderung des Priesters vorgelesen haben soll. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der BF2 weder die Fundstelle, die für die Abgrenzung von anderen Bibelstellen wesentlich ist, noch die Evangelien bekannt waren, obwohl sich die genannte Bibelstelle darin befindet, entstand für das Gericht der Eindruck, dass sich die BF2 lediglich mit wenigen ausgewählten Bibelstellen beschäftigte, um den Anschein einer Auseinandersetzung mit deren Inhalt aufrechterhalten zu können. Letztlich ist es der BF2 allerdings auch in diesem Zusammenhang nicht gelungen, eine aus innerer Überzeugung erfolgte Konversion zum Christentum glaubhaft zu machen, zumal sie in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2022 nicht erklären konnte, weshalb gerade diese Stelle für sie von Bedeutung ist. Soweit die BF2 auf die in der Bibelstelle erfolgte Heilung des Gelähmten Bezug nimmt („wenn ich so einen starken Glauben habe und an Jesus Christus glaube, er hört meine Stimme und die Frau, nur Jesus Christus anzufassen, dadurch wird sie geheilt oder der Herr, der krank war.“), ist nämlich kein Zusammenhang zu ihrer Person zu erkennen, da sie zu Beginn der mündlichen Verhandlung angab, völlig gesund zu sein.
Ebenso wenig kann aus den Angaben der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- oder Einstellungsänderung abgeleitet werden. Dazu befragt, wie sich sein Leben geändert habe, seit er Christ sei, führte der BF1 am 13.07.2022 nämlich lediglich oberflächlich und vage aus, dass er anderen Menschen helfe, für andere da sei und ein liebevoller Mensch geworden sei. Die BF2 führte am 08.07.2022 ebenfalls aus, dass sie liebevoller geworden sei und anderen Menschen helfe und ergänzte zudem, dass sie Gott nähergekommen sei und bete. Inwiefern dies von ihrer früheren Lebenssituation abweicht, ließen die Beschwerdeführer allerdings gänzlich offen. Das von der BF2 angesprochene Beten ist auch im Islam üblich und genügt daher nicht zur alleinigen Erklärung der Annahme eines neuen Glaubens.
Die BF2 führte zu ihrer Bereitschaft, anderen zu helfen außerdem aus, dass sie bei der Kuratorin der evangelischen Kirche gesehen habe, wie sie anderen Menschen während der Coronazeit geholfen und ihnen Essen gebracht habe, weshalb sie dies auch tun wolle und gab weiters an, dass sie diese Frau zu sich nach Hause zum Essen einlade, sie jeden Sonntag gemeinsam Karten spielen, miteinander reden und gemeinsam essen würden. Allerdings legte die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern zwischen den Einladungen und den gemeinsamen Essen sowie ihrem Glauben ein Zusammenhang besteht und gab – anders als die Kuratorin in ihrem Schreiben vom römisch 40 .2022 – auch nicht an, dass sich die Gespräche, die sie miteinander führen, auf Glaubensfragen oder die Bibel beziehen würden, sodass ein Zusammenhang zwischen den Einladungen und gemeinsamen Essen einerseits und dem Glauben der Beschwerdeführer andererseits nicht ersichtlich ist. Auch dies Angaben der BF2 sind daher nicht geeignet, den behaupteten Religionswechsel glaubhaft zu machen.
Obwohl die Beschwerdeführer regelmäßig Gottesdienste besuchen und sich zwischenzeitlich zumindest oberflächliches Wissen über den christlichen Glauben aneigneten (beispielsweise zählten sie jeweils in der mündlichen Verhandlung die wichtigsten Feiertage auf; der BF1 beschrieb die Entstehungsgeschichte der Baptisten und in Grundzügen den Aufbau des Neuen Testaments; die BF2 zählte einen Teil der zehn Gebote auf und gab das Vater Unser wieder), gelangte das Gericht aufgrund des in der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks, insbesondere der wenig überzeugenden Ernsthaftigkeit der Religionsausübung und Auseinandersetzung mit der von den Beschwerdeführern gewählten Konfession, der unterbliebenen Darlegung der Motive für die Abwendung vom Islam und der nicht erkennbaren Einstellungs- oder Verhaltensänderung, nicht zur Überzeugung, dass sich die Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt hätten.
Soweit der BF1 in der mündlichen Verhandlung vorbrachte, aufgrund seiner Postings in sozialen Netzwerken wüssten nunmehr sowohl Freunde wie auch Feinde von seinem Glaubenswechsel, ist festzuhalten, dass der BF1 nicht konkretisierte, um welche Feinde es sich dabei handeln soll. Zudem waren die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Hausdurchsuchungen im Elternhaus des BF1 – wie bereits erörtert – nicht glaubhaft.
Die BF2 brachte am 08.07.2022 vor, dass ihre Eltern und Geschwister von ihrem Religionswechsel erfahren hätten, weil sie ihnen selbst davon erzählt habe, jedoch sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass sich diese an die iranischen Behörden gewendet hätten oder dies in Zukunft beabsichtigen würden oder die Aktivitäten der Beschwerdeführer sonst im Iran bekannt geworden wären, zumal sich die von der BF2 behauptete Missionierung gegenüber ihrer Schwester und die Anzeige ihres Schwagers – wie oben umfassend dargelegt – als unglaubhaft erwiesen und – aus oben näher dargelegten Gründen – erhebliche Zweifel an der Echtheit der von den Beschwerdeführern behaupteten Bedrohungen durch ihren Schwager bestehen.
Weiters ist anzumerken, dass den in ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten Lichtbildern und den in den Einvernahmen am 25.01.2022 und 27.01.2022 erfolgten Übersetzungen zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführer in erster Linie Bibelzitate sowie Fotos von sich veröffentlichten. Außerdem legten die Beschwerdeführer seit ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Jänner 2022 keinerlei Belege zu Aktivitäten in sozialen Medien vor, obwohl sie mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich dazu aufgefordert wurden, beabsichtigte Beweismittel nachzureichen und auch danach noch ausreichend Gelegenheit dazu hatten. Im Übrigen war in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2022 und 13.07.2022 keine Rede mehr von den in vorangegangenen Einvernahmen als Missionierung bezeichneten Aktivitäten der Beschwerdeführer in sozialen Netzwerken. Zwar geht aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation hervor, dass Aktivitäten in sozialen Netzwerken in Zusammenhang mit einem behaupteten Religionswechsel dazu führen können, dass die Betroffenen in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten und im Falle der Rückkehr in den Iran Repressionen ausgesetzt sein können. Aus den Länderinformationen geht aber auch hervor, dass sich dies vorwiegend auf Personen bezieht, die schon vor ihrer Ausreise in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten sind, was auf die Beschwerdeführer jedenfalls nicht zutrifft, zumal sich ihre diesbezüglichen Angaben als unglaubhaft erwiesen. Darüber hinaus sind für die iranischen Behörden laut Länderberichten insbesondere Personen von Interesse, die einem „high-profil“ entsprechen oder ihre Reichweite politisch nutzen, um beispielsweise Vorteile des Christentums mit Nachteilen des Islam zu vergleichen, was auf die Beschwerdeführer ebenso wenig zutrifft. Vor diesem Hintergrund sowie im Hinblick darauf, dass seit Jänner 2022 keinerlei Aktivitäten der Beschwerdeführer in sozialen Netzwerken mehr dokumentiert sind und des Umstandes, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise nicht in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten sind, ist nicht davon auszugehen, dass sie im Falle der Rückkehr aufgrund der Teilnahme an Gottesdiensten in Österreich und vorübergehenden Aktivitäten in sozialen Netzwerken Gefahr laufen würden, von iranischen Behörden angehalten, verhaftet und bestraft zu werden.
Aufgrund der aufgezeigten Widersprüche der Ausführungen der Beschwerdeführer hinsichtlich der behaupteten Hausdurchsuchungen im Elternhaus des BF1 sowie der Anzeige des Schwagers der BF2, der Ungereimtheiten in Zusammenhang mit der Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, der unterbliebenen Darlegung schlüssiger Motive zum Religionswechsel und der fehlenden Erkennbarkeit einer mit dem Religionswechsel einhergehenden Verhaltens- oder Einstellungsänderung, ist insgesamt der Argumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu folgen, wonach eine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Auch ist nicht zu erwarten, dass die Beschwerdeführer ihre Aktivitäten im Falle der Rückkehr in den Iran fortsetzen werden, zumal sie vor dem Hintergrund der dargestellten Ausführungen sowie des trotz rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens, in dem sich das Bundesverwaltungsgericht schon einmal mit der von den Beschwerdeführern behaupteten Konversion auseinandergesetzt hatte und des daraufhin dennoch neuerlich gestellten Asylantrags, der ebenfalls mit dem Nachfluchtgrund der Konversion begründet wurde, den Anschein erweckten, dass sie die Konversion zum christlichen Glauben lediglich behaupteten, um in Österreich bleiben zu können.
Der BF1 verfügt über einen Schulabschluss und mehrjährige Berufserfahrung. Die BF2 hat ebenfalls einen Schulabschluss, eine abgeschlossene Berufsausbildung und übte ihren erlernten Beruf anschließend auch aus. Die Beschwerdeführer verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat und sind daher mit den dort herrschenden Gepflogenheiten vertraut. Der BF1 war im Iran in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und die BF2 zu bestreiten. Sie lebten im Iran gemeinsam in einer Eigentumswohnung. Die Beschwerdeführer haben im Iran mehrere Verwandte, darunter die Eltern der BF2, die Mutter des BF1 und mehrere Geschwister, zu denen regelmäßig Kontakt besteht und die nach wie vor im Iran leben, weshalb davon auszugehen ist, dass sie zumindest anfänglich bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche auf Unterstützung zurückgreifen können. Außerdem sind die Beschwerdeführer im erwerbsfähigen Alter und gesund und fallen daher nicht unter jene Personengruppe, bei der im Falle einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlaufes üblicherweise erhöht ist. Es sind daher keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran in eine ausweglose oder existenzgefährdende Notlage geraten würden.
Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die den Länderfeststellungen zu Grunde liegenden Berichte wurden den Beschwerdeführern mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt. Den Beschwerdeführern wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben in die Länderberichte Einsicht zu nehmen und in der mündlichen Verhandlung dazu Stellung zu nehmen, wovon sie letztlich keinen Gebrauch machten. Im Übrigen sind die Beschwerdeführer den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 in der Fassung BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 59, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Paragraph eins, BFA-VG, BGBl. römisch eins 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.
Zu A)
Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.):
Vorauszuschicken ist, dass im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß Paragraph 34, AsylG vorliegt, weil der BF1 und die BF2 verheiratet sind und die Ehe vor der Einreise beider Ehegatten geschlossen wurde.
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche etwa VwGH 19.01.2023, Ra 2022/20/0313, mwN).
Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht vergleiche VwGH 23.01.2019, Ra 2018/01/0442, mwN). Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden vergleiche VwGH 28.06.2018, Ra 2018/19/0262, mwN).
Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen vergleiche VwGH 01.09.2021, Ra 2021/19/0233, mwN).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. - im vorliegenden Fall - des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste vergleiche VwGH 12.06.2020, Ra 2019/18/0440, mwN).
Im Rahmen einer "Wahrunterstellung" wird geprüft, ob im Fall der hypothetischen Richtigkeit des Vorbringens zum Sachverhalt aus den geltend gemachten Tatsachen - allenfalls in Verbindung mit bereits feststehenden Sachverhaltselementen - der behauptete Rechtsanspruch überhaupt begründet werden kann. Ist dies nicht der Fall, bedarf es keiner Ermittlungen und Feststellungen zur Richtigkeit des (allenfalls: übrigen, noch keinen Feststellungen unterworfenen) sachverhaltsbezogenen Vorbringens vergleiche VwGH 25.06.2019, Ra 2019/19/0032, mwN).
Hinsichtlich der behaupteten Konversion ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach es gerade bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung ankommt, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist vergleiche VwGH 26.01.2023, Ra 2022/19/0103, mwN; siehe auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23.09.2019, E 450/2019).
Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel vergleiche VwGH 21.11.2022, Ra Ra 2022/18/0189, mwN).
In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden vergleiche VwGH 07.05.2018, Ra 2018/20/0186, mwN).
Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es darauf an, ob der Asylbewerber aufgrund der Ausübung der Religionsfreiheit in seinem Herkunftsland u.a. tatsächlich Gefahr läuft, verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden vergleiche das Urteil des EuGH vom 5.9.2012, C-71/11 bzw. C-99/11).
Für die Frage des Vorliegens des geltend gemachten Nachfluchtgrundes der Konversion des Fremden zum Christentum kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Fremde schon im Herkunftsstaat mit dem Christentum in Berührung gekommen ist vergleiche das Erk. des VwGH vom 17.9.2008, Zl. 2008/23/0675 hinsichtlich eines iranischen Staatsangehörigen).
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, konnten die Beschwerdeführer aufgrund der aufgetretenen Ungereimtheiten in Zusammenhang mit der Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, der dürftigen Angaben zu den Motiven für den Religionswechsel und der fehlenden Darlegung einer Verhaltens- oder Einstellungsänderung nicht glaubhaft machen, dass sie in Österreich ernsthaft zum christlichen Glauben konvertiert sind, obwohl sie regelmäßig Gottesdienste besuchen, getauft wurden und sich zumindest oberflächliches Wissen des christlichen Glaubens aneigneten. Für das Gericht steht daher fest, dass es sich in ihrem Fall um eine Scheinkonversion handelt und ist nicht davon auszugehen, dass sie das Bedürfnis haben, im Falle einer Rückkehr die christliche Religion zu praktizieren, nach außen zu tragen oder missionarisch tätig zu sein.
Aus den Länderberichten ist zwar ersichtlich, dass religiöse Aktivitäten in Social-Media-Kanälen von den iranischen Behörden ausgewertet werden können, doch führt die bloße Bekanntgabe einer Konversion nicht zu einer Verfolgung und ist eine solche auch nicht anzunehmen, wenn der Konvertit vor seiner Ausreise nicht ins Blickfeld der iranischen Behörden geraten ist, kein „high-profile“-Fall ist, nicht missionarisch tätig ist und auch keine anderen Aktivitäten politischen Zusammenhangs (beispielsweise auf sozialen Netzwerken Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums zu vergleichen) setzt. Wie beweiswürdigend umfassend dargelegt, trifft dies auf die Beschwerdeführer nicht zu und ist daher auch aus den Länderfeststellungen ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko nicht ableitbar.
Den Beschwerdeführern ist es deshalb entgegen der Ausführungen in der Beschwerdeschrift sowie dem ergänzenden Vorbringen in der mündlichen Verhandlung insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Im gegenständlichen Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK, nicht gegeben. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht, anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführern aus den von ihnen ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Die allgemeine Lage im Iran ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.
Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide sind daher als unbegründet abzuweisen.
Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt römisch II.):
Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Artikel 2, EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Artikel 3, EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 25.04.2022, Ra 2021/20/0448).
Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG) offen steht. Dies ist gem. Paragraph 11, Absatz eins, AsylG dann der Fall, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerberin zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (Paragraph 11, Absatz 2, AsylG).
Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Artikel 3, EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung daher dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (Paragraph 11, AsylG). Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden vergleiche Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, Paragraph 11, AsylG 2005, K15).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016 mwN).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle vergleiche VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] Paragraph 8, Absatz eins, AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre vergleiche VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
Eine besondere Vulnerabilität - etwa aufgrund von Minderjährigkeit - ist bei der Beurteilung, ob den revisionswerbenden Parteien (hier: beschwerdeführenden Parteien) bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Artikel 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, im Speziellen zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung mit der Situation, die eine solche Person bei ihrer Rückkehr vorfindet vergleiche VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336, mwN).
Für den vorliegenden Fall ist daher Folgendes festzuhalten:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, lebensbedrohende Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der Beschwerdeführer (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, es gibt aber keinerlei Hinweise, dass die Beschwerdeführer eine mit dieser Strafe bedrohte Handlung begangen hätten, zumal die behauptete Konversion nicht glaubhaft gemacht werden konnte und laut Länderfeststellungen die Todesstrafe bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, zum einen keine geläufige Bestrafung darstellt und zum anderen allein wegen Konversion – ohne Hinzutreten weiterer Umstände wie etwa Organisation einer Hauskirche – keine Gerichtsverfahren geführt werden) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Artikel 2, EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.
Da sich der Herkunftsstaat der Beschwerdeführer nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer in einigen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vergleiche auch Artikel 3, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.
Weitere, in den Beschwerdeführern begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Die Beschwerdeführer verfügen im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage. Beim BF1 handelt es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen Mann, der einen Schulabschluss und mehrjährige Berufserfahrung als selbständiger Unternehmer hat. Zudem leben die Mutter des BF1, die Eltern der BF2 und mehrere Geschwister der Beschwerdeführer nach wie vor im Iran und besteht auch regelmäßiger Kontakt zu ihnen, sodass anzunehmen ist, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr zumindest anfänglich auf Unterstützung bei der Wohnraum- und Arbeitsplatzsuche zurückgreifen können. Die BF2 hat eine Ausbildung zur Schneiderin abgeschlossen und diesen Beruf im Anschluss daran ausgeübt, sodass auch bei ihr die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Einerseits stammen die Beschwerdeführer aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören sie keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Zudem kam der BF1 schon vor seiner Ausreise für den Lebensunterhalt für sich und die BF2 auf. Es ist ihm daher auch in Zukunft zuzutrauen, dass er für sich und seine Familie sorgen wird. Die Beschwerdeführer haben den überwiegenden Teil ihres Lebens im Iran verbracht, wodurch sie mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates und der Sprache vertraut sind.
Auch steht es den Beschwerdeführern frei, beispielsweise in römisch 40 , wo sie bereits vor ihrer Ausreise wohnten, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.
Darüber hinaus ist es den Beschwerdeführern unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Im Hinblick auf die Gefahr, dass sich die Beschwerdeführer im Iran mit dem SARS-CoV-2-Virus infizieren bzw. von dort wegen der Krise herrschenden Einschränkungen des Wirtschaftslebens und der daraus resultierenden Versorgungslage betroffen sein könnten, kann ein Rückkehrhindernis nur dann vorliegen, wenn die Beschwerdeführer aufgrund der Bedingungen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssten, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein. Bei der Beurteilung, ob den Beschwerdeführern im Fall ihrer Rückführung die reale Gefahr einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung drohe, sind die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien vergleiche VwGH 14.8.2019, Ra 2019/20/0347, mwN) zu beachten.
Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Artikel 3, EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen vergleiche VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0250, mwN).
Bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 3, EMRK besteht, kommt es somit nicht darauf an, ob infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen sich die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist vergleiche VwGH 11.11.2020, Ra 2020/14/0390; VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0314; VwGh 20.01.2021, Ra 2020/19/0334 jeweils mwN).
Eine derartige Extremgefahr kann für die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in den Iran nicht angenommen werden. Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführer als arbeitsfähige Menschen ohne bestehende schwerwiegende Erkrankungen im Iran dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wären. Selbst bei Zugrundlegen der vom iranischen Staat getroffenen Maßnahmen zur medizinischen Versorgung besteht keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher die Beschwerdeführer angehören.
Weiters ist die Versorgungslage für die Bevölkerung im Iran auch unter Berücksichtigung gewisser Einschränkungen nicht derart desolat, dass auch nur annähernd von einer allgemeinen Gefahrenlage gesprochen werden könnte.
Weitere, in der Person der Beschwerdeführer begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden. Insbesondere ist auf die Ausführungen oben zu verweisen, wonach sie die behaupteten Rückkehrbefürchtungen (Verfolgung wegen Konversion zum Christentum) nicht glaubhaft machen konnten und daher auch keine ernsthafte Gefahr einer Inhaftnahme im Iran besteht.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.
Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch II. der angefochtenen Bescheide sind daher als unbegründet abzuweisen.
Rückkehrentscheidung – Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkte römisch III. bis römisch fünf.):
Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt wird.
Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG (Spruchpunkt römisch III.)
Gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführer weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 wurden. Weder haben die Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des Paragraph 57, AsylG 2005 behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.
Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch III. der angefochtenen Bescheide sind sohin ebenfalls als unbegründet abzuweisen.
Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG (Spruchpunkt römisch IV.)
Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG ist, dass dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach Paragraph 55, AsylG überhaupt in Betracht (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Artikel 8, EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden vergleiche VwGH 19.01.2023, Ra 2022/19/0216, Rn. 20, mwN).
Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Artikel 8, Absatz eins, EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen vergleiche VwGH 16.12.2022, Ra 2022/19/0302, Rn. 13, mwN).
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen vergleiche EGMR, Cruz Varas/Schweden, 20.03.1991, 15576/89).
Die Beschwerdeführer sind verheiratet und leben mit ihrer mittlerweile volljährigen Tochter, gegen die mit Erkenntnis vom heutigen Tag, GZ W242 2217021-2, ebenfalls eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wurde, in gemeinsamen Haushalt zusammen. Da die Beschwerdeführer sonst keine Familienangehörigen oder relevanten engen Nahebeziehungen in Österreich haben und gegen die volljährige Tochter der Beschwerdeführer ebenfalls einer Rückkehrentscheidung erlassen wurde, ist ein Eingriff in ihr Recht auf Familienleben iSd Artikel 8, EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben der Beschwerdeführer eingreifen.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Artikel 8, EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt vergleiche dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Artikel 8, EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist vergleiche Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt vergleiche VwGH 28.02.2022, Ra 2022/14/0038, mwN).
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist vergleiche VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).
Zur Integration der Beschwerdeführer in Österreich ist auszuführen, dass sie während ihres Aufenthaltes Deutschkenntnisse erworben haben, ehrenamtlich tätig waren, regelmäßig an Gottesdiensten teilnehmen und in ihrer Wohnsitzgemeinde zahlreiche Bekanntschaften und Freundschaften schließen konnten. Der BF1 verdient sich darüber hinaus als Hilfskraft bei der Stadtgemeinde seiner Wohnsitzgemeinde etwas dazu.
Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass sich die ehrenamtlichen Tätigkeiten des BF1 bei der Caritas seit seinem Umzug im März 2021 nur noch auf maximal einmal monatlich stattfindende gelegentliche Besuche reduziert haben und die BF2 seither überhaupt nicht mehr ehrenamtlich tätig ist. Auch eine nennenswerte Steigerung der Deutschkenntnisse der Beschwerdeführer konnte seit der im vorangegangenen Asylverfahren ergangenen Entscheidung des BVwG vom 17.12.2020 nicht festgestellt werden, zumal die letzten Sprachprüfungen noch vor diesem Zeitpunkt absolviert wurden.
Die seit der letzten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht besonders ausgebauten Integrationsschritte der Beschwerdeführer werden außerdem zum einen dadurch maßgeblich relativiert, dass sie sich während sämtlicher ihrer Integrationsschritte ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten vergleiche VwGH 21.12.2022, Ra 2022/19/0312, Rn. 19, mwN). Zum anderen war relativierend zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer trotz der rechtskräftigen Abweisung ihrer ersten Asylanträge ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sind, sondern im Bundesgebiet verblieben sind, um neuerlich Asylanträge zu stellen, die sich letztlich ebenfalls als erfolglos erwiesen vergleiche zur Einbeziehung von Folgeanträgen vergleiche VwGH 19.01.2023, Ra 2022/19/0216, Rn. 25, mwN).
Außerdem ist nach wie vor von einer engen Bindung der Beschwerdeführer im Iran auszugehen, zumal sie dort den Großteil ihres bisherigen Lebens verbracht haben. Sie wurden im Iran sozialisiert und bestritten dort ihre gesamte Schul- und Berufsausbildung und ihr Berufsleben. Hinzu kommt, dass sie nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte im Iran haben. Demgegenüber halten sie sich mit knapp viereinhalb Jahren erst verhältnismäßig kurze Zeit in Österreich auf, haben keine Familienangehörigen in Österreich und weder eine Ausbildung absolviert noch konnten sie beruflich Fuß fassen. Es besteht daher nach wie vor eine größere Bindung der Beschwerdeführer zu ihrem Herkunftsstaat als zu Österreich und ist davon auszugehen, dass sie mit den dort herrschenden Gepflogenheiten nach wie vor vertraut sind.
Darüber hinaus kommt der Aufenthaltsdauer von – wie vorliegend – weniger als fünf Jahren für sich betrachtet im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Artikel 8, EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu und wird in Fällen, in denen eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vorliegt, regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären vergleiche VwGH 16.12.2022, Ra 2022/19/0302, Rn. 17, mwN). Eine außergewöhnliche Integration der Beschwerdeführer kann allerdings aus den oben näher dargelegten Gründen nicht festgestellt werden.
Dass die Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten sind, vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).
Wenngleich die Beschwerdeführer während ihres Aufenthaltes einige Integrationsschritte setzen konnten, überwiegt bei Gesamtbetrachtung der dargestellten Umstände, insbesondere der Setzung der Integrationsschritte während unsicheren Aufenthaltes, der Missachtung der Ausreiseverpflichtung und des nach wie vor bestehenden größeren Bezugs zum Herkunftsstaat das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Vorschriften gegenüber den persönlichen Interessen der Beschwerdeführer am weiteren Verbleib im Bundesgebiet.
Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG liegt durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vor. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG stellt sohin keine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK dar.
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 ist ebenfalls nicht geboten.
Die Voraussetzungen des Paragraph 10, AsylG 2005 liegen vor: Da die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz abgewiesen wurden, ist die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach Paragraph 57, AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.
Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG setzt weiters voraus, dass den Beschwerdeführern kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Die Beschwerdeführer haben weder behauptet über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.
Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.
Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch IV. der angefochtenen Bescheide sind als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt römisch fünf.)
Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, leg.cit. in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG. Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des Paragraph 3, AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.
Die Abschiebung ist nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für den Iran nicht.
Die Abschiebung der Beschwerdeführer in den Iran ist daher zulässig und die dagegen gerichteten Beschwerden sind als unbegründet abzuweisen.
Ausreisefrist Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG (Spruchpunkt römisch VI.):
Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach Paragraph 55, Absatz 2, FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Gemäß Paragraph 55, Absatz 3, FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.
Da derartige Umstände weder von den Beschwerdeführern behauptet wurden noch im Ermittlungsverfahren hervorkamen, wurde die Frist für die freiwillige Ausreise zu Recht mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Auch die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch VI. der angefochtenen Bescheide sind sohin als unbegründet abzuweisen.
Zu B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
ECLI:AT:BVWG:2023:W242.2217020.2.00