Bundesverwaltungsgericht
20.12.2022
I417 2230106-1
I417 2230106-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Friedrich ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. DR Kongo, vertreten durch Verein Tralalobe, Lerchenfelder Gürtel 48/14, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2020, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.07.2022 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 28.03.2019 nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab er befragt nach seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er wegen seiner Homosexualität bedroht und von seiner Familie hinaus geschmissen worden sei.
2. In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 19.11.2019 gab er zu seinen Fluchtgründen befragt zusammengefasst zu Protokoll, dass er mit einem weißen Mann eine sexuelle Beziehung gehabt hätte, die er aber eigentlich gar nicht wollte (AS 421). Er sei bei seinem Onkel und bei seiner Tante aufgewachsen, dort aber schlecht behandelt und immer wieder geschlagen worden. Er sei von seinem Onkel schon öfters aus dem Haus gejagt worden, aber erst als sein Onkel von seiner Beziehung erfuhr, habe er ihn endgültig davongejagt (AS 425).
3. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 13.03.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt römisch II.) zu. Zudem wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.03.2021 erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
4. Lediglich gegen den Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer durch seine damals ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 23.03.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte unrichtige Feststellungen infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Würdigung.
6. Am 27.07.2022 fand in Anwesenheit und unter Einvernahme des Beschwerdeführers im Beisein seiner Rechtsvertretung eine öffentliche mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht statt.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der umseits unter Punkt römisch eins. angeführte Verfahrensgang und dessen Ausführungen werden zu Feststellungen erhoben.
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige und ledige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo. Seine Identität steht nicht fest. Er fühlt sich keiner Religionsgemeinschaft zugehörig.
Der Beschwerdeführer stammt aus römisch 40 und besuchte dort sechs Jahre lang die Schule. Er wuchs bei seinem Onkel und seiner Tante auf, wo er verschiedenste Arbeiten verrichten musste und jahrelang misshandelt wurde.
Um seiner Familie zu entkommen, ging der Beschwerdeführer mit einem weißen Mann eine sexuelle Beziehung ein. Er tolerierte dessen sexuelle Handlungen; ist selbst aber nicht homosexuell. Nachdem sein Onkel von dieser Beziehung erfuhr, hat er den Beschwerdeführer aus dem Haus gejagt. Zunächst wohnte er gut eine Woche in mit dem weißen Mann in dessen Wohnung, ehe sie über Brazzaville in den Senegal reisten. Dort blieben sie ein paar Monate, ehe der Beschwerdeführer gemeinsam mit diesem Weißen nach Österreich reiste. Der Beschwerdeführer hält sich seit 28.03.2019 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.
Der Beschwerdeführer leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit dissoziativen Symptomen. Aufgrund dieser Erkrankung in Verbindung mit seinem jugendlichen Alter wurde dem Beschwerdeführer mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 13.03.2020 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.03.2021 erteilt.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Demokratischen Republik Kongo aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde.
Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
COVID-19
Die Einreise in die Demokratische Republik Kongo ist erlaubt. Die Einreise kann über die Flughäfen in Kinshasa sowie Lubumbashi erfolgen. Grenzen für den Landverkehr sind offen. Keine Beschränkungen im lokalen Flugverkehr (BMEIA 23.5.2022).
Offiziell benötigen Reisende zur Einreise unabhängig vom Impfstatus weiterhin einen PCR-Test, der nicht älter als 72 Stunden sein darf (AA 22.6.2022; vergleiche FD 17.6.2022). In der Praxis wird das Vorliegen eines solchen Tests aber nur noch selten kontrolliert. Personen ab 12 Jahren ohne Impfschutz müssen bei Ankunft am Flughafen einen weiteren PCR-Test durchführen, für den sie sich im Vorfeld beim kongolesischen Gesundheitsministerium registrieren sollen. Die Kosten für diesen Test betragen je nach Zahlungsart ca. 45 USD. Der vorhandene Impfschutz kann per Impfausweis nachgewiesen werden. Alle üblichen Vakzine und Kombinationen werden akzeptiert. Nachweise über Boosterimpfungen werden nicht in Betracht gezogen (AA 22.6.2022).
Vollständig Geimpfte können unter Vorlage eines Impfnachweises nationale Flüge uneingeschränkt nutzen. Nicht vollständig Geimpfte müssen vor Antritt der Reise einen negativen Test vorlegen, der zum Zeitpunkt der Ankunft am Zielflughafen nicht älter als sieben Tage sein darf. An Posten der Sicherheitskräfte und Grenzen erfolgen vereinzelt Gesundheitskontrollen. Im gesamten Stadtgebiet Kinshasas gelten Abstandsregeln und die Pflicht zum Tragen eines Mund- Nasen-Schutzes an öffentlichen Orten (AA 22.6.2022).
Auf dem ganzen Staatsgebiet der DR Kongo gilt:
- Korrektes Tragen von Masken (die Nase und Mund bedecken) an allen öffentlichen Orten
- Beachtung von Präventions- und Kontrollvorrichtungen an jedem Eingang zu öffentlichen Orten
- Einhaltung der körperlichen Distanzierung an allen Orten (FD 17.6.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (22.6.2022): Demokratische Republik Kongo - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kongodemokratischerepublik-node/kongodemokratischerepubliksicherheit/203202, Zugriff 22.6.2022
- BMEIA - Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten (23.5.2022): Reiseinformationen: Kongo - Demokratische Republik, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kongo-dem-rep/, Zugriff 23.6.2022
- FD - France Diplomatie (17.6.2022): Conseils aux voyageurs - République démocratique du Congo, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/republique-democratique-du-congo/, Zugriff 23.6.2022
Politische Lage
Die am 18.2.2006 verkündete Verfassung etablierte ein semipräsidentielles Regierungssystem nach französischem Muster, in dem die Nationalversammlung auf Vorschlag des Präsidenten den Premierminister wählt (AA 15.1.2021; vergleiche ANPI o.D.). Die Abgeordneten werden in freier und geheimer Wahl vom Volk gewählt. Gleiches gilt auch für Mitglieder der Provinzialversammlungen, die ihrerseits die Mitglieder der ersten Kammer des Senats bestimmen. Durch die Verfassung wurden einige föderale Elemente eingeführt (AA 15.1.2021). Der Präsident wird in direkter Wahl für fünf Jahre gewählt (ANPI o.D.; vergleiche FH 28.2.2022), für maximal zwei Amtszeiten (FH 28.2.2022).
Die DR Kongo ist seit 2015 in 26 Provinzen mit eigenen Parlamenten und Regierungen gegliedert. Das Parlament der DR Kongo besteht aus zwei Kammern: Nationalversammlung und Senat. Der Staatspräsident wird direkt gewählt und hat weitreichende Machtbefugnisse. Durch eine Verfassungsänderung wurde 2011 der zweite Wahlgang bei den Präsidentschaftswahlen abgeschafft. Dabei wurde dem Präsidenten das Recht zur Absetzung der Gouverneure und zur Auflösung der Provinzparlamente eingeräumt (AA 28.8.2019).
In der DR Kongo war Joseph Kabila über das verfassungsgemäße Ende seiner (zweiten und der Verfassung zufolge letzten) Amtszeit am 20.12.2016 im Amt verblieben. Die Präsidentschafts-, Parlaments- und Provinzratwahlen fanden mit über zweijähriger Verspätung am 30.12.2018 statt. Überraschend wurde der aus der politischen Opposition stammende Félix Tshisekedi als Wahlgewinner von der nationalen Wahlkommission CENI ausgerufen. Präsident Tshisekedi wurde am 24.1.2019 im Amt des Präsidenten vereidigt (AA 28.8.2019).
Die Abstimmung wurde aufgrund von Wählerunterdrückung und Wahlbetrug heftig kritisiert. Beobachter der katholischen Kirche und der zivilgesellschaftlichen Koalition "Synergy of Citizen Election Observation Missions" berichteten von massivem Betrug und Unregelmäßigkeiten. Eine unabhängige Auszählung durch die Nationale Bischofskonferenz der römisch-katholischen Kirche im Kongo (CENCO), die von unabhängigen Rechnungsprüfern überprüft wurde, ergab, dass Fayulu, ein weiterer Präsidentschaftskandidat 60% der Stimmen erhalten hatte. Wahlbeobachtern wurde in einigen Fällen der Zugang zu den Wahllokalen verweigert und ausländische Beobachter durften nicht teilnehmen. Darüber hinaus wurden 1,2 Millionen Wähler in drei Oppositionsgebieten - dem Beni-Gebiet und Butembo in der Provinz Nord-Kivu sowie Yumbi in der Provinz Mai-Ndombe - von der Stimmabgabe ausgeschlossen (FH 28.2.2022).
Als Folge der Wahlen im Dezember 2018 wurde zwar der oppositionelle UDPS-Kandidat Felix Tshisekedi zum Staatspräsidenten ernannt, im Parlament herrscht jedoch eine erdrückende Übermacht der Parteien rund um das ehemalige Regierungsbündnis FCC. Der FCC kommt auf über 300 Sitze, Tshisekedis Plattform Cach auf 48 und das Oppositionsbündnis Lamuka auf 99 Sitze (AA 15.1.2021).
Die oben genannten Machtverhältnisse führten zu hitzigen Gefechten rund um die Ernennung von wichtigen Regierungsposten. Letztendlich gefundene Kompromisse schafften jedoch nicht die erhoffte politische Stabilität, um dringend notwendige Reformen aktiv anzugehen. Vielmehr schafften die Machtkämpfe zwischen den Regierungspartnern eine Blockadehaltung, welche derzeit noch ungelöst ist (AA 15.2.2021). Die Regierung Ilunga Ilunkamba ist seit 2019 eingesetzt, gemäß den Mehrheitsverhältnissen im Parlament nach den Wahlen vom Dezember 2018 (ANPI o.D.).
Das politische System in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) ist in den letzten Jahren durch die Manipulation des Wahlprozesses durch politische Eliten gelähmt worden. Die Bürger sind nicht in der Lage, grundlegende bürgerliche Freiheiten frei auszuüben (FH 28.2.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- AA - Auswärtiges Amt (28.8.2019): Kongo (Demokratische Republik): Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kongodemokratischerepublik-node/innenpolitik/203252, Zugriff 23.6.2022
- ANPI - Agence Nationale pour la Promotion des Investissements (o.D.): Régime politique du pays, https://www.investindrc.cd/fr/Regime-politique-du-pays, Zugriff 23.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
Sicherheitslage
In Kinshasa und anderen kongolesischen Städten führten in der Vergangenheit wiederholt, teilweise gewalttätige, Proteste gegen die Regierung zur Verwendung scharfer Munition, Todesopfern und Verletzten, sowie zu zahlreichen Festnahmen. Die Sicherheitslage ist instabil. Versammlungen, Proteste und bestimmte Veranstaltungen können, selbst ohne erkennbaren äußeren Anlass, jederzeit zu unvorhersehbaren sicherheitsrelevanten Ereignissen oder gewalttätigen Ausschreitungen führen und scharfe Gegenmaßnahmen zur Folge haben. Dabei muss auch mit weitreichenden Störungen des öffentlichen Lebens sowie einer hohen Präsenz von bewaffneten Sicherheitskräften gerechnet werden (AA 22.6.2022).
Ein unbewältigtes politisches Problem bleiben die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Osten des Landes, insbesondere in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Ituri und Tanganyika, aber auch in den Provinzen Bas-Uélé, Haut-Uélé. Manche Regionen innerhalb dieser Provinzen sind nicht unter der Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte. Die strukturellen Ursachen der Auseinandersetzungen in den Kivu-Provinzen stehen im Zusammenhang mit dem Völkermord in Ruanda und den anschließenden Vertreibungen und Kämpfen auf dem Gebiet der DR Kongo. Bei den nicht abreißenden Konflikten handelt es sich um komplexe soziale Auseinandersetzungen um regionale bzw. lokale Vorherrschaft und den Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen, befeuert von inter-ethnischen Spannungen. Neben den staatlichen Streitkräften ist eine Vielzahl von Milizen bzw. paramilitärischen Verbänden in den Krisenprovinzen des Landes aktiv. Allein in den beiden Kivu-Provinzen sind es nach Zählung der Congo Research Group 120 verschiedene bewaffnete Gruppen (AA 15.1.2021).
Es kommt vor allem in der Hauptstadt Kinshasa, aber auch in anderen Ballungsräumen (Matadi, Bukavu, Goma, Kananga etc.), immer wieder zu schweren Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen Opposition und Sicherheitskräften. In den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Orientale, Ituri, Haut-Uele, Tanganyika, Haut-Lomani, Kasai und Maniema finden häufig kriegerische Handlungen zwischen den zahlreichen Rebellengruppen und der Armee sowie der MONUSCO statt (BMEIA 23.5.2022).
In den Provinzen Bas-Uele, Haut-Uele, Tshopo, Ituri, Nord-Kivu, Süd-Kivu, Maniema, Tanganyika, Haut-Lomami, Haut-Katanga (nur nördliche Gebiete), Lomami, Kasai, Kasai-Central und Kasai Oriental kommt es immer wieder zu gewaltsamen Zwischenfällen zwischen den kongolesischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen, insbesondere der Allied Democratic Force (ADF). Von der kongolesischen Armee wird derzeit eine Großoffensive gegen die ADF durchgeführt, welche zu einer weiteren Zunahme an Gefechten und Gewalt führen kann. Seit 6.5.2021 gilt für die Provinzen Nord-Kivu und Ituri das Kriegsrecht, ein sogenannter „État de Siège“, durch den die zivilen Regierungen temporär durch Militär- und Polizeiregierungen ersetzt werden. Die ohnehin angespannte Sicherheitslage könnte sich vor diesem Hintergrund noch verschärfen (AA 22.6.2022).
Der Konflikt zwischen den Streitkräften der Regierung und den mehr als 15 bedeutenden und miteinander in Verbindung stehenden illegalen bewaffneten Gruppen hält in den östlichen Provinzen des Landes an (USDOS 12.4.2022). Als Reaktion darauf verkündete der Präsident am 6.5.2021 das Kriegsrecht in den Provinzen Ituri und Nord-Kivu, das vom Parlament wiederholt verlängert wurde und bis zum Jahresende 2021 [Anm.: und darüber hinaus] in Kraft blieb. Durch das Kriegsrecht werden Befugnisse von zivilen auf militärische Behörden übertragen, die polizeilichen Befugnisse erweitert, die Zuständigkeit der Militärgerichte auf zivile Straftaten ausgedehnt, bestimmte Grundrechte und -freiheiten eingeschränkt und die Immunität bestimmter gewählter Amtsträger (einschließlich Abgeordneter und Senatoren auf nationaler und Provinzebene) aufgehoben (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Das Kriegsrecht wurde im Laufe des Jahres 2021 verlängert und die Zahl der Gewalttaten und der Vertriebenen, die durch den Konflikt mit den Milizen verursacht wurden, erreichte einen neuen Höchststand (FH 28.2.2022).
Unter Berufung auf das Netzwerk für Menschenrechte (REDHO) berichtete das UN-Informationsradio Okapi, dass die mit Inkraftsetzung des Belagerungszustandes Anfang Mai 2021 zeitweilig vollständig durch die Militärgerichtsbarkeit ersetzte zivile Strafgerichtsbarkeit in der Provinz Nord-Kivu zumindest teilweise wiedereingesetzt wurde (BAMF 13.6.2022).
Die Zivilbevölkerung ist hauptleidtragend. Teile der Bevölkerung werden aufgrund ihrer (angenommenen) Zugehörigkeit zu einer Ethnie (Hutu, Tutsi, Nande, Hunde, und zahlreiche andere) oder einer Sprachfamilie (insbesondere Kinyar-wanda-Sprecher) Opfer von Gewalt. Oftmals sind sie jedoch auch Opfer willkürlicher Gewalttaten. Die Zahl der Binnenvertrieben bleibt auf einem hohen Niveau und Flüchtlinge müssen nicht selten ein- bis zweimal im Monat ihren Aufenthaltsort wechseln und erneut fliehen, weil weitere Plünderungen und Missbrauch drohen. Internationale Bemühungen zur Befriedung der Situation haben bislang noch keine durchschlagende Wirkung erzielen können (AA 15.1.2021).
Die kongolesische Armee, sowie sämtliche Rebellengruppen und Milizen ernähren sich außerdem „aus dem Land“, d.h. sie plündern die Vorräte der Bevölkerung. Nur ein Teil der fliehenden Bevölkerung kann von UN-Organisationen oder NGOs unterstützt werden. Bei Rückkehr in ihre Stammesgebiete droht diesen nicht selten erneute Ausplünderung und physische Gewalt. Insgesamt herrscht in weiten Teilen der Unruheprovinzen des Landes ein Klima der Gewalt und Vertreibung, dem die Zivilbevölkerung weitestgehend schutzlos ausgesetzt ist. Trotz der Bemühungen der Friedensmission der Vereinten Nationen, MONUSCO, bleiben erhebliche Schutzlücken bestehen (AA 15.1.2021).
Laut Medienberichten weist ein am 23.5.2022 vorgestellter parlamentarischer Bericht darauf hin, dass innerhalb von 15 Jahren und nur in den ostkongolesischen Territorien Beni (Provinz Nord- Kivu), Irumu und Mambasa (jeweils Ituri), allesamt Einfluss- und Operationsgebiete der ausländischen, radikal-islamischen bewaffneten Gruppe Forces démocratiques alliées (ADF), mehr als 15.000 Zivilisten getötet wurden. Die Angriffe auf die Zivilbevölkerung zwischen den Jahren 2013 und 2018 hätten zu einer ganz erheblichen Steigerung der zivilen Opferzahlen (über 8.000) im Vergleich zu den Jahren 2008 bis 2012 (150) geführt. In den Jahren 2020 und 2021 hätte die Zahl der zivilen Opfer weiter zugenommen. Während im Jahr 2020 bei insgesamt 989 dokumentierten Angriffen 2.695 zivile Personen getötet worden seien, beziffere sich die Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2021 bei insgesamt 1.019 Angriffen auf 4.428. Die ADF habe verschiedene Orte innerhalb eines Jahres mehrfach angegriffen. Laut Presseberichterstattung der letzten Monate verübte allein die ADF in ihren derzeitigen Einfluss - und Operationsgebieten, vor allem in den Territorien Beni (Nord -Kivu) und Irumu (Ituri) aber auch in den Territorien Djugu und Mambasa (jeweils Ituri), Massaker an der Zivilbevölkerung und weitere Angriffe auf Zivilpersonen, die Vertreibungswellen auslösten. Es kam dabei u.a. zu Entführungen, sexualisierten Gewalttaten sowie Rekrutierungen und Einsätzen von Kindern in bewaffneten Konflikten. Berichte über die Präsenz der ADF in der Provinz Süd-Kivu sind bisher nicht (öffentlich) bekannt geworden. Die US - Überwachungsgruppe Kivu Security Tracker dokumentierte im Zeitraum von Jänner 2022 bis einschließlich 25.5.2022 die ADF u.a. als verantwortlich für mehr als 270 zivile Tote (BAMF 30.5.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (22.6.2022): Demokratische Republik Kongo - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kongodemokratischerepublik-node/kongodemokratischerepubliksicherheit/203202, Zugriff 22.6.2022
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.6.2022): Briefing Notes, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (30.5.2022): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw22-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 29.6.2022
- BMEIA - Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten (23.5.2022): Reiseinformationen: Kongo - Demokratische Republik, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kongo-dem-rep/, Zugriff 23.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Rechtsschutz/Justizwesen
Während gesetzlich eine unabhängige Justiz vorgesehen ist (USDOS 12.4.2022), ist die Justiz in der Praxis Korruption und politischer Einflussnahme unterworfen (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Beamte und andere einflussreiche Personen unterwerfen Richter häufig der Nötigung. Richtermangel führt zu langwierigen Gerichtsverfahren, insbesondere in den Provinzen. Behörden missachten regelmäßig Gerichtsurteile. Disziplinarkommissionen beschäftigen sich mit zahlreichen Fällen von Korruption und Amtsmissbrauch, die in Entlassungen und Suspendierungen von Richtern münden (USDOS 12.4.2022).
Eine funktionierende und unabhängige Justiz gibt es auch nach dem Präsidentschaftswechsel nicht. Beschäftigte im Justizdienst werden schlecht und unregelmäßig bezahlt und sind häufig korrupt. Die zivile Justiz ist mit den zu bewältigenden Aufgaben überfordert. Nach Einschätzung von nationalen und internationalen Experten, wird es noch Jahre dauern, bis neu ausgebildetes, motiviertes und angemessen bezahltes Justizpersonal die aktuelle Misere beenden könnte. Bemühungen ausländischer Organisationen, diesen Zustand mit Seminaren, Sachspenden etc. zu bessern, zeigen bisher nur geringen Erfolg. Reformen werden versprochen, dürften jedoch Jahrzehnte in Anspruch nehmen, um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen (AA 17.2.2020).
Die Militärjustiz ist für alle Vorgehen von und gegen Soldaten und Polizisten zuständig, sowohl für im Dienst als auch im Privaten begangene Straftaten. Sie ist überlastet, aber bemüht, ihrer Aufgabe, die Straflosigkeit bei Angehörigen der Sicherheitsdienste (Streitkräfte, Polizei) zu bekämpfen, gerecht zu werden. Ihr Personal ist in der Regel besser ausgebildet als das in der Ziviljustiz (AA 17.2.2020).
Die Verfassung sieht das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren, eine unabhängige Justiz und die Unschuldsvermutung für Angeklagte vor, aber diese Rechte werden nicht immer eingehalten. Die Behörden sind verpflichtet, die Angeklagten unverzüglich und ausführlich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu unterrichten, erforderlichenfalls mit freier Verdolmetschung, was jedoch nicht immer geschieht. Angeklagte haben das Recht auf eine Verhandlung innerhalb von 15 Tagen nach Anklageerhebung, doch können die Richter diese Frist auf maximal 45 Tage verlängern. Die Behörden halten sich nur gelegentlich an diese Vorschrift. Die Angeklagten haben das Recht, anwesend zu sein und sich von einem Verteidiger vertreten zu lassen, was seitens der Behörden gelegentlich missachtet wird. Die Angeklagten werden nicht gezwungen, auszusagen oder sich schuldig zu bekennen. Die Angeklagten haben das Recht, Berufung einzulegen, außer in Fällen, in denen es um die nationale Sicherheit, bewaffneten Raub und Schmuggel geht, über die in der Regel das Gericht für Staatssicherheit entscheidet (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Sicherheitsbehörden
Die primäre Verantwortung zur Rechtsdurchsetzung obliegt der kongolesischen Nationalpolizei (Police National Congolaise – PNC). Diese untersteht dem Innenministerium. Die Nationale Geheimdienstagentur (National Intelligence Agency – ANR) untersteht dem Präsidenten. Ihr obliegt die interne und externe geheimdienstliche Informationsbeschaffung. Die Streitkräfte der DR Kongo (FARDC) sowie der militärische Geheimdienst unterstehen dem Verteidigungsministerium. Sie haben primär Verantwortlichkeit in Bezug auf äußere Sicherheit, in der Praxis liegt ihr Fokus primär auf der inneren Sicherheit. Dem Präsidenten unterstehen die republikanischen Garden (Republican Guard – RG). Dem Innenministerium untersteht das Direktorat für Migration, das, gemeinsam mit der Polizei, für die Grenzkontrollen verantwortlich ist (USDOS 12.4.2022).
Die operative Zusammenarbeit zwischen MONUSCO (UN-Friedensmission in der DR Kongo) und der Regierung im Osten wird fortgesetzt. Die MONUSCO Force Intervention Brigade unterstützte die FARDC-Truppen in Nord-Kivu und den südlichen Ituri-Provinzen. MONUSCO-Kräfte führten Patrouillen zum Schutz von Binnenvertriebenen vor Angriffen bewaffneter Gruppen in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu und Ituri durch (USDOS 12.4.2022). Trotz einer Truppenreduzierung stellt die MONUSCO mit über 16.000 Soldaten und über 1.300 Polizisten nach wie vor eine der größten UN-Friedensmissionen weltweit dar (AA 15.1.2021).
Die Militärgerichte waren in erster Linie für die Untersuchung der Frage zuständig, ob die Tötungen durch die Sicherheitskräfte gerechtfertigt waren, und für die Verfolgung der Täter. Obwohl die Militärjustiz einige SSF-Agenten wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilte, blieb die Straflosigkeit ein ernstes Problem. Die Regierung unterhielt gemeinsame Menschenrechtsausschüsse mit der MONUSCO und nutzte verfügbare internationale Ressourcen, wie das von den Vereinten Nationen durchgeführte Programm zur technischen und logistischen Unterstützung von Militärstaatsanwälten sowie mobile Anhörungen, die von internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) unterstützt wurden (USDOS 12.4.2022).
Die zivilen Behörden üben keine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Das Militär ist notorisch undiszipliniert. Vorfälle von Informations- sowie Waffenaustausch zwischen kongolesischen Soldaten und Rebellengruppen gab es im Jahr 2021 weiterhin. Soldaten und Polizisten begehen regelmäßig schwerwiegende Menschenrechtsvergehen, wie etwa Vergewaltigung und physische Angriffe. Hochrangige Militärs gehen bei solchen Vergehen oft straffrei aus (FH 28.2.2022).
Laut einem Bericht von GlobalSecurity existiert eine richtige kongolesische Armee, gemessen an modernen Kriterien, gar nicht. Vielmehr gibt der Staat nur vor, eine zu haben. Die FARDC wurde 2003 aus verschiedenen bewaffneten Gruppen unterschiedlicher politischer Gruppierungen geformt, die seitdem kaum als einheitlicher Armeekörper in Erscheinung tritt und durch mangelnde Loyalität, Disziplin und eine kaum vorhandene Befehlskette gekennzeichnet ist. Daneben leidet die Armee unter schlechter Ausbildung und schlechtem Kriegsmaterial, Korruption, schwachen Kommandostrukturen, Versorgungsproblemen und unregelmäßiger Bezahlung, was dazu führt, dass Mitglieder der Armee oft in Plünderungen und Überfällen auf Zivilisten, einhergehend mit massiven Menschenrechtsverletzungen und selbst am ständigen Hin- und Her-Wechsel zwischen den Fronten beteiligt sind. Laut MONUSCO hat die kongolesische Armee bedeutende Schritte zur Hebung der Armeedisziplin durch Verfolgung von durch Soldaten begangenen Menschenrechtsverletzungen unternommen. Trotzdem bleibt Straffreiheit in der Armee weiterhin ein großes Problem (GS o.D.).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- GS - GlobalSecurity.org (o.D.): DR Congo Army, http://www.globalsecurity.org/military/world/congo/army.htm, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Folter und unmenschliche Behandlung
Das Gesetz kriminalisiert zwar die Anwendung von Folter, dennoch gibt es Berichte, dass die Sicherheitskräfte weiterhin Zivilisten, vor allem Häftlinge, foltern (USDOS 12.4.2022). Gefangene zahlen häufig Bestechungsgelder, um Folter zu vermeiden (FH 28.2.2022).
Viele Beobachter (Menschenrechtsorganisationen, UN-Menschenrechtsbüro, EU-Missionen, NGOs und die Botschaft) gehen davon aus, dass – entgegen dem in Artikel 16, der Verfassung statuierten ausdrücklichen Verbot – Folter in Gefängnissen, Polizeistationen und geheimen Haftanstalten (sogenannte „cachots“) durch Militär und Sicherheitskräfte nach wie vor angewandt wird. Dies betrifft nicht nur die Hauptstadt, sondern auch die Provinzen. Am 20.7.2011 trat ein Gesetz zum Verbot der Folter in Kraft. Kongolesische Menschenrechtsorganisationen begrüßten das Gesetz und mahnten angesichts der fortgesetzten Praxis seine gewissenhafte Umsetzung an (AA 15.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Korruption
Gesetzlich sind Strafen für Korruption durch Beamte zwar vorgesehen, jedoch setzt die Regierung diese Vorgaben nicht effektiv um und korrupte Praktiken sind oft mit Straflosigkeit verbunden. Durch behördliche Korruption auf allen Ebenen sowie in Firmen in Staatsbesitz entgehen der Staatskassa hunderte Millionen US-Dollar pro Jahr (USDOS 12.4.2022).
Korruption ist in der Regierung, den Sicherheitskräften und der Mineralienindustrie weit verbreitet, der öffentliche Dienst und Entwicklungshilfeversuche sind davon unterminiert. Ernennungen zu hochrangigen Positionen in der Regierung sind von Nepotismus geprägt. Rechenschafts-Mechansimen sind schwach, und Straffreiheit ist die Norm (FH 28.2.2022).
Im Jahr 2020 schuf Präsident Tshisekedi die Agentur für die Prävention und Bekämpfung von Korruption (APLC). Als Sonderdienststelle des Präsidialamts ist die APLC für die Koordinierung aller staatlichen Stellen zuständig, die mit der Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche betraut sind, für die Durchführung von Ermittlungen mit den vollen Befugnissen der Kriminalpolizei und für die Überwachung der Übergabe von Korruptionsfällen an die zuständigen Justizbehörden. Die Plattform für den Schutz von Informanten in Afrika stellte fest, dass die Bilanz der APLC durchwachsen ist und keine sichtbaren Ergebnisse zeigt (USDOS 12.4.2022). Der politische Wille zur Korruptionsbekämpfung schien jedoch 2021 nachzulassen und zivilgesellschaftliche Gruppen deckten große Korruptionsfälle in der Regierung des ehemaligen Präsidenten Kabila auf (FH 28.2.2022).
Im aktuellen Ranking von Transparency International für 2021 rangiert die DR Kongo an 169. Stelle bei insgesamt 180 gereihten Ländern (TI 2022).
Quellen:
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- TI - Transparency International (2022): Corruption Perceptions Index 2021, https://www.transparency.org/en/cpi/2021, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen sind aktiv und können grundsätzlich frei agieren. Menschenrechtsorganisationen erfahren auch in der Presse Rückhalt. Im Zuge der Wahlen im Dezember 2018 kam es zu massiven Einschüchterungswellen von Menschenrechtsverteidigern und aktiver Zivilgesellschaft durch staatliche Sicherheitskräfte. Nach Ernennung des neuen Staatspräsidenten Tshisekedi kam es zu ersten Anzeichen einer Entspannung und einem neuen, demokratischeren Umgang mit Menschenrechtsorganisationen. So ordnete der neue Präsident etwa die Entlassung einer Reihe politischer Gefangener an. NGO-Vertretern zufolge geschehen dennoch weiterhin nicht nachvollziehbare Verhaftungen von Aktivisten, insbesondere im, dem Wirkungskreis Kinshasas entzogenen, Osten des Landes. Das Verhältnis zwischen
Menschenrechtsorganisationen und insbesondere der nationalen Polizei PNC bleibt weiterhin angespannt (AA 15.1.2021).
Tausende von NGOs sind in der DR Kongo aktiv, aber viele sehen sich Hindernissen bei ihrer Arbeit ausgesetzt. Vor allem nationale Menschenrechtsverteidiger sind Belästigungen, willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt (FH 28.2.2022). Mitarbeiter des Justizministeriums treffen sich mit nationalen NGOs und antworten gelegentlich auf Anfragen seitens dieser NGOs. Die Regierung kooperiert zwar mit internationalen NGOs und der UNO, aber diese Kooperation ist nicht konsistent (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Wehrdienst und Rekrutierungen
Es gibt keine allgemeine Wehrpflicht. Desertion kann gem. Artikel 45, des Militärstrafgesetzbuchs mit dem Tod bestraft werden. In den Unruheprovinzen wird Fahnenflucht strenger kontrolliert und verfolgt. Generell werden Deserteure zur Bewährung wieder an die Front geschickt (AA 15.1.2021). Im Alter von 18-45 Jahren freiwilliger (Männer und Frauen) und obligatorischer (nur Männer) Wehrdienst; es ist unklar, in welchem Umfang die Wehrpflicht angewendet wird (Stand 2021) (CIA 14.6.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (14.6.2022): The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/congo-democratic-republic-of-the/, Zugriff 20.6.2022
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Verfassung enthält in ihrem 2. Abschnitt (Artikel 11 ff.) einen umfassenden Grundrechtskatalog. Die Menschenrechtslage bleibt gleichwohl unbefriedigend. Durch Soldaten der FARDC und durch die Milizen kommt es nach wie vor zu willkürlichen Tötungen, körperlichen Misshandlungen, Plünderungen und Zerstörungen. Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der kongolesischen Armee (FARDC), der Sicherheitsdienste und der Polizei sowie der Rebellengruppen treten nach wie vor insbesondere in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Ituri und in Teilen Tanganykas auf. Die Friedensmission der Vereinten Nationen (MONUSCO) und Beobachter aus der Zivilgesellschaft machen die FARDC, die Polizei und den Nachrichtendienst weiterhin für knapp die Hälfte der begangenen Menschenrechtsverletzungen verantwortlich (AA 15.1.2021).
Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehören glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen; erzwungenes Verschwinden; Folter und Fälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Inhaftierung; politische Gefangene oder Häftlinge; ernsthafte Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Missbräuche in Konflikten, darunter Berichten zufolge rechtswidrige oder weit verbreitete Schädigung der Zivilbevölkerung, gewaltsames Verschwindenlassen oder Entführungen, Folter und körperliche Misshandlungen oder Bestrafungen sowie rechtswidrige Rekrutierung oder Einsatz von Kindersoldaten durch illegale bewaffnete Gruppen; usw. (USDOS 12.4.2022).
Gesetzlich ist Pressefreiheit und Meinungsfreiheit vorgesehen, aber die Regierung respektiert dieses Recht nicht immer. Öffentliche Kritik an der Regierung oder ihren Beamten kann zu Einschüchterungen, Drohungen und Verhaftungen führen (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Journalist in Danger (JED), Human Rights Watch (HRW) und andere zivilgesellschaftliche Organisationen haben eine zunehmende Unterdrückung von Journalisten unter Tshisekedis Amtszeit festgestellt. Im Jahr 2021 wurden drei Journalisten ermordet; mindestens 106 weitere wurden inhaftiert, bedroht, angegriffen und zensiert - ein Anstieg um mehr als das Doppelte gegenüber den gemeldeten Übergriffen im Jahr 2020 (FH 28.2.2022).
Die Versammlungsfreiheit ist zwar per Verfassung garantiert, wird aber eingeschränkt (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022), vor allem in den östlichen Landesteilen. Die Verhängung des Belagerungszustandes seit dem 6.5.2021 in den Provinzen Ituri und Nord-Kivu führte zu weiteren Einschränkungen der Versammlungsfreiheit (USDOS 12.4.2022). Demonstrationen finden regelmäßig statt, aber die Teilnehmer riskieren Verhaftungen, Schläge, und tödliche Gewalt (FH 28.2.2022). Kundgebungen und Demonstrationen der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft, die als regierungskritisch galten, werden häufig verboten oder gewaltsam unterdrückt (AI 29.3.2022).
Die Verfassung gewährleistet Vereinigungsfreiheit, und dieses Recht wird seitens der Regierung auch üblicherweise respektiert (USDOS 12.4.2022). Bürger haben das Recht, sich in politischen Parteien zu organisieren. Es gibt Hunderte von Parteien, von denen viele nach ethnischen oder regionalen Gesichtspunkten organisiert sind. Den meisten fehlt es jedoch an nationaler Reichweite und ihre Funktionsfähigkeit ist in der Praxis begrenzt. Oppositionsführer und -anhänger werden häufig eingeschüchtert und in ihrer Bewegungsfreiheit sowie in ihrem Recht, Kampagnen durchzuführen oder öffentliche Veranstaltungen zu organisieren, eingeschränkt (FH 28.2.2022).
NGOs, Zivilgesellschaft und Journalisten, die sich kritisch über die Regierung äußern, sind zwar keiner systematischen staatlichen Verfolgung ausgesetzt, können aber in manchen Landesteilen jederzeit willkürlich durch die Sicherheitspolizei oder Armeedienste verfolgt werden. Der politische Betätigungsraum zeichnete sich nach den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2018 jedoch durch erste Entspannungen und Öffnungen aus. Zuletzt kam es jedoch wieder zu einer Zunahme an einschlägigen Menschenrechtsverstößen (AA 15.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Demokratische Republik Kongo 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070244.html, Zugriff 20.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Haftbedingungen
Der Zustand der Gefängnisse ist – auch im Vergleich zu anderen Staaten in Afrika – sehr schlecht (AA 15.1.2021). Die Bedingungen in den meisten Gefängnissen sind hart und lebensbedrohlich (USDOS 12.4.2022) und durch Nahrungsmittelmangel, starke Überbelegung, unangemessene sanitäre Einrichtungen und medizinische Versorgung gekennzeichnet (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 15.1.2021). Die Behörden inhaftieren Männer üblicherweise getrennt von Frauen, Jugendliche hingegen werden gemeinsam mit Erwachsenen untergebracht (USDOS 12.4.2022).
Gefangene zahlen häufig Bestechungsgelder, um Folter zu vermeiden oder ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen; Vergewaltigungen unter Häftlingen sind an der Tagesordnung (FH 28.2.2022).
Die UNJHRO berichtete, dass sich die Bedingungen in den Haftanstalten im Laufe des Jahres 2021 verschlechtert haben, insbesondere in den westlichen Provinzen, wo die Zunahme der Gefangenenpopulation und mangelnde Instandhaltung zum Verfall beigetragen haben. Die UNJHRO verzeichnete bis Juni 2021 insgesamt 154 Todesfälle in Haft, das sind 42 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Unterernährung, schlechte Hygiene, fehlender Zugang zu medizinischer Versorgung und Misshandlungen waren die Hauptursachen für diese Todesfälle. Ein Menschenrechtsaktivist führte den Rückgang der Todesfälle auf die verbesserte Ernährung zurück (USDOS 12.4.2022).
Üblicherweise erlaubte die Regierung dem Roten Kreuz, der UN-Mission MONUSCO und NGOs den Zugang zu offiziellen Haftanstalten des Innenministeriums, jedoch nicht zu Gefängnissen, die von der Republikanischen Garde und vom Geheimdienst betrieben wurden (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Todesstrafe
Das Strafgesetzbuch sieht in Artikel 5, die Todesstrafe vor, u.a. bei Mord, Hochverrat und Spionage. Das Militärstrafgesetzbuch sieht ebenfalls in Artikel 26, die Todesstrafe vor. Seit 2004 ist diese jedoch nicht mehr vollstreckt worden. Laut Artikel 16, der Verfassung von 2006 ist die Persönlichkeit des Menschen unverletzlich und der Staat hat die Pflicht, sie zu respektieren und zu schützen (AA 15.1.2021). Die DR Kongo gilt als „Abolitionist de facto“. Die Letzte Exekution fand im Jahr 2003 statt. Auch im Jahr 2021 gab es keine Hinrichtungen (CLS 2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- CLS - Cornell Law School (2022): Cornell Database - Democratic Republic of the Congo, https://deathpenaltyworldwide.org/database/#/results/country?id=20, Zugriff 21.6.2022
Religionsfreiheit
Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit und verbietet Diskriminierungen aufgrund der religiösen Einstellung (USDOS 2.6.2022; vergleiche FH 28.2.2022) und die Regierung respektiert dieses Recht üblicherweise auch in der Praxis (FH 28.2.2022). Grundsätzlich ist die Religionsausübung nicht eingeschränkt (AA 15.1.2021).
Obwohl sich religiöse Gruppen bei der Regierung registrieren lassen müssen, um anerkannt zu werden, arbeiten nicht registrierte Gruppen in der Regel ungehindert. Einige religiöse Einrichtungen, Mitarbeiter und Dienste sind von der Gewalt in Konfliktgebieten betroffen. Trotz allgemeiner Toleranz reagierten die Behörden aggressiv auf Protestaktionen der katholischen Kirche und einiger protestantischer Gruppen nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse im Jahr 2019 (FH 28.2.2022). Die Beziehungen zwischen der Regierung und religiösen Organisationen haben sich nach Angaben von Religionsführern und Medienberichten weiter verbessert, auch wenn es im Zusammenhang mit der Rolle religiöser Gruppen bei der Ernennung des Präsidenten der Wahlkommission zu Spannungen kam (USDOS 2.6.2022).
Die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien - Demokratische Republik Kongo (ISIS-DRC), die im März 2021 von den Vereinigten Staaten als terroristische Organisation eingestuft wurde, operierte weiterhin im Land. ISIS-DRC griff in der Regel wahllos Zivilisten, Krankenhäuser und Schulen in den Provinzen Nord-Kivu und Ituri an, nahm aber gelegentlich auch Kirchen und muslimische Führer ins Visier (USDOS 2.6.2022).
Sowohl in Kinshasa als auch in den Provinzen kommt es immer wieder zu Übergriffen gegen Personen, die der Hexerei beschuldigt werden. Der Hexenglaube ist im Land in allen Bevölkerungsschichten weit verbreitet. Übergriffe geschehen meist durch Privatpersonen und werden von der Polizei nicht geahndet. Opfer sind in der Regel von ihren Eltern wegen des Hexereiverdachts verstoßene Straßenkinder. „Charismatische“ und im Grunde auf Gelderwerb angelegte „freie Kirchen“ im Land – deren Zahl in Kinshasa allein auf 1.500 geschätzt wird – machen sich den Hexenglauben zunutze und befördern ihn noch (AA 15.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073974.html, Zugriff 21.6.2022
Ethnische Minderheiten
Insgesamt leben in der Demokratischen Republik Kongo mehr als 200 afrikanische ethnische Gruppen, von denen die meisten Bantu sind; die vier größten Stämme - Mongo, Luba, Kongo (alle Bantu) und die Mangbetu-Azande (Hamitic) - machen etwa 45 % der Bevölkerung aus (CIA 14.6.2022). 80 % der Menschen in der DR Kongo sind Bantu, aber es gibt mehr als 250 ethnische Gruppen im Lande. Zu den anderen Gruppen gehören die Zentralsudanesen/Ubangier, die Miloten und die Pygmäen (WPR 2022).
Quellen:
- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (14.6.2022): The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/congo-democratic-republic-of-the/, Zugriff 20.6.2022
- WPR - World Population Review (2022): DR Congo Population 2022 (Live), https://worldpopulationreview.com/countries/dr-congo-population, Zugriff 21.6.2022
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Die Verfassung verbietet zwar Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022), Gesetze gewähren Frauen aber nicht die gleichen Rechte wie Männern (USDOS 12.4.2022) bzw. sehen sie sich in der Praxis in fast jedem Aspekt ihres Lebens Diskriminierungen ausgesetzt (FH 28.2.2022).
Gesetzlich ist eine Reihe von Schutzmechanismen für Frauen vorgesehen. Im wirtschaftlichen Bereich dürfen Frauen, ohne die Zustimmung ihrer männlichen Verwandten agieren, Mutterschutz ist vorgesehen, für Diskriminierungen oder Missbrauch von Frauen sind Strafen vorgesehen. Dennoch werden Frauen wirtschaftlich diskriminiert und es gibt gesetzliche Beschränkungen für die Erwerbstätigkeit von Frauen, einschließlich Beschränkungen für als gefährlich geltende Berufe, aber keine Beschränkungen für die Arbeitszeit von Frauen (USDOS 12.4.2022). Das Familienrecht weist den Frauen eine untergeordnete Rolle im Haushalt zu. Junge Frauen suchen zunehmend eine berufliche Tätigkeit außerhalb des Hauses, vor allem in den städtischen Zentren, sind aber mit ungleichen Löhnen und Beförderungen konfrontiert. Wenn die Familien nicht genug Geld haben, um das Schulgeld zu bezahlen, werden Buben oft gegenüber Mädchen bevorzugt, um eine Ausbildung zu erhalten (FH 28.2.2022).
Die Verfassung von 2006 sieht in Artikel 11 und 12 ausdrücklich die Gleichberechtigung der Geschlechter vor. Durch eine Änderung des Familienrechts „Code de la Famille“ wurde 2016 versucht, diesem Verfassungsgrundsatz zu mehr Durchsetzung zu verhelfen. Eine Reihe diskriminierender Pflichten bleiben bestehen, u.a.die Pflicht zum Gehorsam der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann in Artikel 444 des „Code de la Familie“. Jedoch kam es auch zu begrüßenswerten, wenn auch längst überfälligen, Modernisierungen. So ist die Ehefrau nicht mehr verpflichtet, bei ihrem Ehemann zu leben und ihm überall dahin zu folgen, wo er einen Aufenthalt für angebracht hält. Stattdessen richtet sich diese Anforderung nun an beide Ehepartner (Artikel 454,). Größte Herausforderung ist die Implementierung der gesetzlichen Vorgaben in den Alltag der Betroffenen, gerade in ländlicheren Gebieten die oftmals keine Informationen über die gesetzlichen Bestimmungen haben (AA 15.1.2021).
Vergewaltigung steht unter Strafe, aber Opfer erstatten nicht immer Anzeige und das Gesetz wird somit nicht immer umgesetzt. Innereheliche Vergewaltigung ist nicht als Straftatbestand erfasst (USDOS 12.4.2022). Sexualisierte Gewalt kommt häufig vor und ist keineswegs auf die Ostprovinzen beschränkt. Unter dem Druck von Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft werden die Täter seit mehreren Jahren stärker verfolgt, das Problem der Straflosigkeit in diesem Bereich besteht jedoch prinzipiell fort. Zudem werden Vergewaltigungsopfer nicht selten durch die eigene Familie dadurch weiter diskriminiert, dass sie aus der örtlichen Gemeinschaft ausgestoßen, oder zu einer Heirat mit dem Täter gedrängt werden. Daneben sind schätzungsweise 4 bis 10 % der Vergewaltigungsopfer männlichen Geschlechts. Für sie sind die mit sozialer Isolation und Traumatisierung verbundenen Folgen der Tat ebenso schwerwiegend (AA 15.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Alleinstehende Frauen und Mütter
Kongolesische Frauen werden meist mit Müttern gleichgesetzt oder über den Bezug zu einem männlichen Familienmitglied definiert. Frauen werden von sich selbst und von anderen überwiegend als verheiratet mit Kindern definiert und erwachsene Frauen, die nie verheiratet gewesen sind, werden mit Argwohn betrachtet (Davis 2014). Ausgrenzung von Müttern beruht teilweise darauf, dass sie alleinerziehend sind. Das verstößt gegen den Familienkodex und die sozialen Normen. Oft werden diese Frauen nicht als „heiratsfähig“ angesehen, aufgrund der sozioökonomischen Belastung, die mit der Erziehung eines Kindes ohne männlichen Partner einhergeht (Wagner, 13.11.2020).
Ein im Juli 2019 befragter Anwalt aus der DR Kongo gab an, dass es für eine Frau in Kinshasa ein Symbol der Sicherheit und des Respekts ist, männliche Unterstützung zu haben und eine Frau ohne männliche Unterstützung oft herabwürdigender Behandlung und verbaler oder sexueller Belästigung ausgesetzt ist. In einigen Teilen des Landes hat es einige Verbesserungen in Hinsicht auf die Rechte von Frauen gegeben, die Situation für die meisten Frauen ohne männliche Unterstützung bleibt aber schwierig, insbesondere wenn es um die Achtung ihrer Menschenwürde gehe. Alleinstehende Frauen werden oft als wertlos oder revolutionär angesehen, insbesondere wenn sie versuchen, ihre Rechte zu verteidigen (IRB 3.9.2019).
Es ist für alleinstehende Mütter schwierig bis unmöglich finanziell durchzukommen. Um mit der Situation fertig zu werden, wenden diese Frauen verschiedene Methoden an. Einige würden sich mit kleinen Geschäften wie Brotverkauf, Haare flechten, Nähen, usw. durchschlagen. Wenn sie keine gute Ausbildung hätten oder keine Empfehlungen vorweisen könnten, um in einem kongolesischen Unternehmen angestellt zu werden, wo sie sich weiterentwickeln können, wäre ihre Lage existenzbedrohend (L‘avenir 23.3.2017). Sozialwohnungen stehen nicht für alleinstehende Frauen zur Verfügung, sondern nur für Menschen mit politischer oder sozialer Unterstützung (IRB 3.9.2019).
Was den Zugang zu Unterkünften betrifft, so wird berichtet, dass lokale Frauenorganisationen häufig Unterstützungsdienste für Vergewaltigungsopfer anbieten, während internationale humanitäre und Entwicklungsorganisationen psychologische und psychosoziale Unterstützung anbieten (EUAA 25.6.2021).
Quellen:
- Davis, Laura, et al. (2014): Democratic Republic of Congo - DRC, Gender Country Profile, https://www.lauradavis.eu/wp-content/uploads/2014/07/Gender-Country-Profile-DRC-2014.pdf, Zugriff 21.6.2022
- EUAA - European Union Agency for Asylum (25.6.2021): Anfragebeantwortung zur Demokratischen Republik Kongo: Lage alleinstehender Frauen, https://www.ecoi.net/en/file/local/2054559/2021_06_EASO_COI_QUERY_DRC_SINGLE_WOMEN.pdf, Zugriff 21.6.2022
- IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (3.9.2019): Democratic Republic of Congo: Ability to resettle in Kinshasa, particularly for women without male support, including access to housing, jobs and public services (2016-August 2019) [COD106311.FE], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028576.html, Zugriff 21.6.2022
- L’Avenir (23.3.2017): Se muer en association partagée pour pallier aux besoins du ménage: Une solution pour les femmes sans époux (verfügbar auf Factiva – entnommen der ACCORD AFB a-11424, liegt bei der Staatendokumentation auf)
- Wagner, K. et al. (13.11.2020): “If römisch eins was with my father such discrimination wouldn’t exist, römisch eins could be happy like other people”: a qualitative analysis of stigma among peacekeeper fathered children in the Democratic Republic of Congo, https://doi.org/10.1186/s13031-020-00320-x, Zugriff 21.6.2022
Kinder
Das Gesetz sieht vor, dass die Staatsbürgerschaft durch Geburt im Land oder dadurch erworben werden kann, dass ein Elternteil einer ethnischen Gruppe angehört, die nachweislich 1960 im Land ansässig war. Nach Angaben von UNICEF registrierte die Regierung etwa 25% der Kinder, die in irgendeiner medizinischen Einrichtung geboren wurden, aber nur 14% der Kinder hatten eine Geburtsurkunde (USDOS 12.4.2022).
Die Verfassung sieht eine gebührenfreie und obligatorische Grundschulbildung vor. Trotz der von Präsident Tshisekedi verfolgten Politik der kostenlosen Grundschulbildung war die Regierung nicht in der Lage, diese konsequent in allen Provinzen anzubieten. Die öffentlichen Schulen erwarteten im Allgemeinen, dass die Eltern zu den Gehältern der Lehrer beitragen. Diese Kosten in Verbindung mit dem möglichen Verlust des Einkommens aus der Arbeit ihrer Kinder, während diese den Unterricht besuchten, führen dazu, dass viele Eltern nicht in der Lage oder nicht bereit sind, ihre Kinder einzuschreiben. UNICEF berichtet, dass etwa 7,6 Millionen Kinder im Alter von fünf bis 17 Jahren nicht zur Schule gehen. Die Hälfte der Mädchen im Alter von fünf bis 17 Jahren besucht keine Schule (USDOS 12.4.2022).
Obwohl das Gesetz die Zustimmung verlangt und die Heirat von Buben und Mädchen unter 18 Jahren verbietet, wurden viele Ehen mit Minderjährigen geschlossen, was zum Teil auf die anhaltende gesellschaftliche Akzeptanz zurückzuführen ist. Die Verfassung stellt die Zwangsheirat unter Strafe. Gerichte können Eltern, die ein Kind zur Heirat zwingen, zu bis zu 12 Jahren Zwangsarbeit und einer Geldstrafe verurteilen. Die Strafe verdoppelt sich, wenn das Kind jünger als 15 Jahre ist; die Vollstreckung ist jedoch begrenzt (USDOS 12.4.2022).
Über die soziale Lage von Kinshasas zahlreichen Straßenkindern existieren keine verlässlichen Angaben. Es ist aber davon auszugehen, dass ihr Alltag durch Armut, Gewalt, Drogenkonsum und Prostitution ebenso geprägt ist wie durch mangelnde medizinische Versorgung bzw. Bildung. Pädophilie wird als Verbrechen gem. Artikel 169, Absatz 4, des Gesetzes zum Schutz von Kindern verfolgt (AA 15.1.2021).
Die meisten Rebellengruppen rekrutieren insbesondere in den Provinzen Nord-Kivu und Ituri
Kindersoldaten. Diese werden vor allem als Köche, Träger, Informanten, zur Verheiratung oder als Sexsklaven eingesetzt. Hauptakteur sind derzeit die Rebellengruppen CODECO und Mai-Mai Mazembe. Überraschend erfolgreich sind Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen für die bewaffneten Gruppen, dank derer es immer wieder zu freiwilligen Freilassungen von Minderjährigen kommt. In den FARDC befinden sich keine Kindersoldaten mehr, die Streitkräfte und das vorgesetzte Ministerium sind nach Auskunft des persönlichen Beauftragten des Staatspräsidenten für den Kampf gegen Kindersoldaten und sexualisierte Gewalt die am besten kooperierenden Institutionen (AA 15.1.2021).
Kinder sind eindeutig die am meisten gefährdete Bevölkerungsgruppe in der Demokratischen Republik Kongo. Obwohl die internationale Gemeinschaft versucht hat, einzugreifen, werden Kinder von allen beteiligten Parteien systematisch und in großem Umfang für den bewaffneten Konflikt im Land rekrutiert, und die DR Kongo hat eine der größten Zahlen von Kindersoldaten in Afrika. Sie werden zum Töten und Foltern ausgebildet und erleben nie eine echte Kindheit. Tausende von kongolesischen Familien wurden infolge des bewaffneten Konflikts getrennt. Die Demokratische Republik Kongo ist auch ein Herkunfts- und Zielland für Kinder, die zu Zwangsarbeit und kommerzieller Sexarbeit gezwungen werden. Es gibt Berichte über kongolesische Mädchen, die in Zelt- oder Hüttenbordellen zwangsprostituiert werden. Die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren ist mit 199 pro 1.000 Lebendgeburten extrem hoch, und Unterernährung ist eine der Hauptursachen für die hohe Sterblichkeitsrate bei Kindern. Mangelndes Wissen, das schlechte Gesundheitssystem und der Mangel an medizinischem Personal, Infrastruktur und Ausrüstung verschlechtern die Lebensbedingungen weiter. Die körperliche und geistige Entwicklung eines Kindes wird durch chronische Unterernährung oft stark beeinträchtigt. Die SOS-Kinderdörfer unterstützen kongolesische Kinder im Land und wollen ihnen Hoffnung und eine bessere Zukunft bieten (SOS o.D.).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- SOS Children’s Villages (o.D.): General information on the Democratic Republic of the Congo, https://www.sos-childrensvillages.org/where-we-help/africa/democratic-republic-congo, Zugriff 22.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Homosexuelle
Während es keine Gesetze gibt, die spezifisch Homosexualität oder homosexuelle Handlungen verbieten (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 15.1.2021), sind Personen, die öffentlich homosexuelle Handlungen tätigen, der Verfolgung unter den Bestimmungen bezüglich öffentlicher Ordnung (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022) und sexueller Gewalt unterworfen (USDOS 12.4.2022).
Gleichgeschlechtliche Handlungen sind gesellschaftlich geächtet (AA 15.1.2021). Sich öffentlich als homosexuell zu bekennen bleibt ein kulturelles Tabu. LGBTI Personen sind Belästigungen, Stigmatisierung und Gewalt, inklusive „korrektiver“ Vergewaltigung, ausgesetzt (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Bewegungsfreiheit
Gesetzlich sind interne Bewegungsfreiheit Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Regierung schränkte diese Rechte manchmal ein (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022).
Die Sicherheitskräfte errichten Sperren und Kontrollpunkte auf Straßen, Flughäfen und Märkten, sowohl aus Sicherheitsgründen als auch um die Bewegungen im Zusammenhang mit den Ebola- und COVID-19-Ausbrüchen zu verfolgen. Der Reiseverkehr war 2021 aufgrund von Vorschriften, mit denen die Verbreitung des COVID-19 eingedämmt werden sollte, erheblich eingeschränkt. Die Sicherheitskräfte schikanieren und erpressen routinemäßig Geld von Zivilisten für angebliche Verstöße und halten sie manchmal fest, bis sie oder ein Verwandter zahlten. Die Regierung verlangt von den Reisenden, dass sie sich bei Inlandsreisen sowie bei der Ein- und Ausreise in die bzw. aus der Stadt an Flughäfen und Häfen Kontrollen unterziehen (USDOS 12.4.2022).
Die Bewegungsfreiheit ist gesetzlich gewährleistet, wird in der Praxis aufgrund von bewaffneten Konflikten und anderen Sicherheitsproblemen stark eingeschränkt. Verschiedene bewaffnete Gruppen und Regierungskräfte erlegen Reisenden illegale Zölle bei der Durchreise durch von ihnen kontrolliertes Gebiet auf (FH 28.2.2022).
Quellen:
- FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Democratic Republic of the Congo, https://freedomhouse.org/country/democratic-republic-congo/freedom-world/2022, Zugriff 20.6.2022
- USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Right Practices 2021 - Democratic Republic of the Congo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071135.html, Zugriff 20.6.2022
Grundversorgung und Wirtschaft
Die Demokratische Republik Kongo ist zwar reich an natürlichen Ressourcen (Bodenschätze, Holz, Wasserkraft, fruchtbare Böden), aber ein armes Land. Bergbauprodukte, insbesondere Kupfer, Diamanten, Gold und Coltan sind die wichtigsten Devisenbringer und die bedeutendste Einnahmequelle des Staates. Die Einwohnerzahl liegt bei 90 Millionen, das BIP pro Kopf bei rund 500 US-Dollar (WKO 2022).
Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt am Rande des Existenzminimums. Großfamilien gelingt es nicht immer, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen. Die Stadtbevölkerung in der Millionenstadt Kinshasa ist immer weniger in der Lage, mit städtischer Kleinstlandwirtschaft und Kleinviehhaltung die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern (AA 15.1.2021). Die Arbeitslosigkeit bei den 15-64-jährigen beträgt 5,4% (WKO 4.2022).
Vor allem Frauen und Kinder müssen mit Kleinsthandel zum Familienunterhalt beitragen. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist für die Bevölkerung in Kinshasa und in den übrigen Landesteilen zwar schwierig und teuer, es herrscht jedoch noch keine akute Unterversorgung. Eine Ausnahme bilden die Unruheprovinzen, da die Vertriebenen oft keine Möglichkeit haben, sich neu anzusiedeln und zumindest eine Subsistenzlandwirtschaft zu betreiben. Ferner können sie von internationalen Hilfsorganisationen wegen der Aktivitäten vieler bewaffneter Gruppen immer noch nicht auf dem gesamten Territorium der DR Kongo versorgt werden. MONUSCO sowie der Staat sind bemüht, die staatliche Autorität flächendeckend zu etablieren. Diese Bemühungen haben auch 2020 erhebliche Rückschläge erlitten (AA 15.1.2021).
Das kongolesische Sozialversicherungssystem stützt sich im Wesentlichen auf die Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS). Diese deckt nur die Arbeitnehmer des formellen Sektors ab, die in Wirklichkeit weniger als 20% der Arbeitnehmer des Landes ausmachen. Die Mehrheit der Kongolesen verlässt sich stattdessen auf einen Sozialschutz, der auf familiären oder anderen informellen Bindungen beruht. Die Vereinten Nationen schätzten, dass im Jahr 2020 25,6 Millionen Bürger der Demokratischen Republik Kongo auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden (BS 23.2.2022).
Rund 27 Millionen Menschen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) sind zwischen September und Dezember 2021 von einer hohen akuten Ernährungsunsicherheit (IPC-Phase 3 oder höher) betroffen, davon rund 6,1 Millionen Menschen von einer kritischen akuten Ernährungsunsicherheit (IPC-Phase 4). Das Land hat weltweit die größte Anzahl von Menschen, die von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sind. Diese Ernährungsunsicherheit ist das Ergebnis einer Kombination aus Konflikten, wirtschaftlichem Niedergang, hohen Lebensmittelpreisen und den anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Obwohl die jüngste Analyse im Vergleich zu den Zahlen des letzten Jahres (27,3 Millionen) eine leichte Verbesserung darstellt, sind die Zahl und der Schweregrad der Fälle weiterhin unannehmbar hoch. Von den insgesamt 179 analysierten Gebieten wurden fünf Gebiete als Notstandsgebiete (IPC-Phase 4) eingestuft, hauptsächlich Djugu (Provinz Ituri), Kamonia und Luebo (Provinz Kasai) sowie Dibaya und Luiza (Provinz Zentral-Kasai). Im Projektionszeitraum von Jänner bis Juni 2022 werden sich voraussichtlich 25,9 Millionen Menschen oder 25% der untersuchten Bevölkerung in der IPC-Phase 3 oder darüber befinden, darunter 5,4 Millionen in der Notlage (IPC-Phase 4). Die Lage in Irumu (Provinz Ituri) und Gungu (Provinz Kwilu) wird sich wahrscheinlich verschlechtern, sodass diese Gebiete als Notstandsgebiete (IPC-Phase 4) eingestuft werden, in denen 65% bzw. 45% der Bevölkerung von kritischer Ernährungsunsicherheit betroffen sind (IPC 10.11.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Congo, DR, https://bti-project.org/en/reports/country-report/COD, Zugriff 21.6.2022
- IPC - Integrated Food Security Phase Classification (10.11.2021): Democratic Republic of Congo: Acute Food Insecurity and Acute Malnutrition Situation September 2021 - August 2022, https://www.ipcinfo.org/ipc-country-analysis/details-map/en/c/1155280/, Zugriff 21.6.2022
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (4.2022): Länderprofil DR KONGO, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-dr_kongo.pdf, Zugriff 21.6.2022
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2022): Demokratische Republik Kongo: Informationen zu Wirtschaft, Recht und Steuern sowie Reisen, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/demokratische-republik-kongo-wirtschaft-recht-steuern.html, Zugriff 21.6.2022
Medizinische Versorgung
Die Demokratische Republik Kongo hat eine der höchsten Armutsraten und eines der schlechtesten Gesundheitssysteme in Afrika südlich der Sahara. Der Kampf des Landes mit der Gesundheitsversorgung hängt mit vielen anderen sozioökonomischen Problemen zusammen, mit denen das Land zu kämpfen hat. Die Gesundheitsversorgung im Kongo ist für seine Bürger nicht gewährleistet. Dies ist auf die lang anhaltende Armut und die mangelnde Effizienz des Gesundheitswesens im Lande zurückzuführen. Da es in der DR Kongo keine Krankenhäuser gibt, die eine kostenlose Versorgung anbieten, muss jeder Patient selbst zahlen. Arztrechnungen können zwischen 50 und 100 US-Dollar liegen. Das durchschnittliche Jahresgehalt im Kongo beträgt jedoch nur 400 US-Dollar, was die medizinischen Kosten unerschwinglich macht. Hinzu kommt, dass 71% der Bevölkerung in Armut leben und das Gesetz nicht vorschreibt, dass die Menschen trotz ihrer wirtschaftlichen Lage Zugang zur Gesundheitsversorgung haben (TBG 20.1.2021).
Der bewaffnete Konflikt hat die Fähigkeit des Landes, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, über Jahrzehnte hinweg immer wieder beeinträchtigt. Der mit dem Konflikt verbundene Mangel an Stabilität hat die Situation noch verschlimmert. Auf 10.000 Einwohner kommen 0,28 Ärzte und 1,91 Krankenschwestern und Hebammen im Land. Im Kongo haben sich das Personal im Gesundheitswesen und das Niveau der Versorgung verschlechtert. Es gibt keine Koordinierungsstruktur, die es den Ausbildungseinrichtungen für Gesundheitspersonal ermöglicht, den aktuellen Bedürfnissen des Gesundheitssystems Rechnung zu tragen. In den Ausbildungsstätten fehlt es an materiellen und finanziellen Ressourcen. Die Patienten müssen einen Termin bei ihrem Arzt vereinbaren, um untersucht zu werden. In den meisten Fällen haben die Ärzte nur an bestimmten Tagen in der Woche Sprechstunden. Da es nur wenige Gesundheitszentren mit Ärzten gibt, müssen die Patienten lange warten, bis sie behandelt werden können. Derzeit gibt es im Kongo 401 Krankenhäuser. Darüber hinaus ist der Zugang zur medizinischen Grundversorgung in den Kleinstädten begrenzt, sodass viele Einwohner weiterhin Schwierigkeiten haben, eine angemessene medizinische Versorgung zu erhalten. Diese Krankenhäuser verfügen auch nicht über die notwendigen Geräte und Materialien, um die meisten gesundheitlichen Probleme der Patienten zu lösen. Unter anderem wegen des bewaffneten Konflikts gehen den Krankenhäusern oft wichtige Rezepte und Materialien für verschiedene Leistungen aus (TBG 20.1.2021).
Der Großteil der Bevölkerung kann nicht hinreichend medizinisch versorgt werden. In den entlegenen Landesteilen haben große Teile der Bevölkerung de facto überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Der UNHCR bezeichnet die Gesundheitsversorgung im ganzen Land als katastrophal. Ein funktionierendes Krankenversicherungssystem für die Bevölkerungsmehrheit existiert nicht. Nur im formellen Sektor (ca. 1,5 Mio. Beschäftigte, darunter der öffentliche Dienst) gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Krankenversicherung mit einem sehr eingeschränkten Leistungsspektrum. In der Regel zahlen Arbeitgeber die Behandlungskosten ihrer Beschäftigten. Nur wenn der Patient über die notwendigen Geldmittel verfügt, können die meisten vorkommenden Krankheiten überhaupt diagnostiziert und – mit Einschränkungen – fachgerecht behandelt werden. Für zahlungskräftige Patienten stehen in den großen Städten, vor allem in Kinshasa und Lubumbashi, hinreichend ausgestattete private Krankenhäuser und fachkundige Ärztinnen bzw. Ärzte zur Verfügung. Ebenso gibt es in Kinshasa mehrere Apotheken, die gegen Bezahlung binnen weniger Tage so gut wie alle auf dem europäischen Markt zur Verfügung stehenden Medikamente liefern können (AA 15.1.2021).
Die medizinische Versorgung im Land ist mit der in Europa nicht zu vergleichen, sie ist vielfach technisch und apparativ problematisch, die hygienischen Standards sind oft unzureichend, im unzugänglichen Landesinneren ist eine medizinische Versorgung oft gar nicht verfügbar. In der Hauptstadt Kinshasa sind die meisten Medikamente erhältlich, aber sehr teuer - vorübergehende Engpässe können nie ausgeschlossen werden. In Kinshasa und anderen Städten des Landes sind private Arztpraxen und Kliniken verfügbar (AA 22.6.2022).
In der Demokratischen Republik Kongo kommt es immer wieder zu lokalen Ebola-Fieber-Ausbrüchen vor allem im Osten, seltener im Norden / Nordwesten des Landes. Zuletzt wurden im April 2022 Fälle in der Provinz Equateur gemeldet (AA 22.6.2022).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (22.6.2022): Demokratische Republik Kongo - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kongodemokratischerepublik-node/kongodemokratischerepubliksicherheit/203202, Zugriff 22.6.2022
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- TBG - The Borgen Project (20.1.2021): Examining the Healthcare System in the Congo, https://borgenproject.org/healthcare-in-the-congo/, Zugriff 22.6.2022
Rückkehr
Es liegen auch keine Erkenntnisse vor, dass allein ein Asylantrag zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen gegen kongolesische Staatsangehörige nach deren Rückkehr geführt habe (AA 15.1.2021).
Abgelehnte und in die DR Kongo zurückgeführte Asylbewerber sowie Kongolesen mit deutschen und anderen ausländischen Pässen werden bei Ankunft am internationalen Flughafen N’Djili/Kinshasa grundsätzlich von Beamten der Einwanderungsbehörde, „Direction Générale de Migration“(DGM), befragt. Ebenfalls werden ankommende Passagiere, die nur mit einem Passersatzpapier einreisen oder als zurückgeführte Personen angekündigt sind, in die Büros der DGM neben der Abflughalle im Flughafengebäude begleitet, wo ihre Personalien aufgenommen werden und ein Einreiseprotokoll erstellt wird. Geprüft wird dabei vornehmlich die Staatsangehörigkeit. Daneben werden die aufliegenden Fahndungslisten abgeglichen. Bei begründeten Zweifeln an der kongolesischen Staatsangehörigkeit oder der Echtheit des ausländischen Passes wird die Einreise verweigert (AA 15.1.2021).
Nach bisherigen Erfahrungen bleiben die betroffenen Personen unbehelligt und können nach der Überprüfung durch die DGM, den Zoll und die Gesundheitsbehörden sowie in besonderen Fällen auch durch den ANR („Agence Nationale de Renseignement“, ziviler Nachrichtendienst) zu ihren Familienangehörigen weiterreisen. Staatliche Repressionen gegen diese Personen wurden dabei bislang in keinem Fall festgestellt. Diese Situation könnte sich jedoch ändern, soweit Rückkehrer sich in der DR Kongo politisch betätigen wollen (AA 15.1.2021).
OFII, die Organisation Française de l’Immigration et de l’Intégration, ist eine staatliche Einrichtung Frankreichs. Diese betreibt in vielen (vorwiegend frankophonen afrikanischen) Staaten Büros zur Reintegrationen von Rückkehrenden aus Frankreich. In die DR Kongo Rückkehrende aus Österreich können die französischen Reintegrationsbüros nutzen (BMI o.D.).
Rückkehrer sind zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf Unterstützung aus dem Familienkreis bzw. durch NGOs (international oder national) oder kirchliche Institutionen angewiesen. Staatliche Hilfe (Aufnahmeeinrichtung, Wohnraum, Sozialhilfe) steht nicht, oder nur sehr begrenzt zur Verfügung. Das Land ist zudem durch nicht abreißende IDP-Bewegungen geprägt, langfristige Rückkehr gibt es insbesondere im Ostkongo nur selten (AA 15.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
- BMI - Bundemsinisterium für Inneres [Österreich] (o.D.): Demokratische Republik Kongo - So funktioniert die Rückreise in Ihre Heimat, https://www.returnfromaustria.at/kongo_drc/kongo_drc_deutsch.html, Zugriff 22.6.2022
Dokumente
Angesichts der weit verbreiteten Korruption der Justiz- und Verwaltungsbehörden kann eine Vielzahl an Dokumenten (Reisepass, Personalausweis, Heirats- und Geburtsurkunde, Ledigkeitsbescheinigung, Scheidungsurteil, Haftbefehl, offizielle Bestätigungsschreiben jeglicher Art) mit vom Besteller vorgegebenem Inhalt von der formal zuständigen Stelle käuflich erworben werden. Zudem werden viele Personenstandsfälle nicht ordnungsgemäß bei den Standesämtern registriert, selbst wenn die Registrierung erfolgt ist, sind ältere Personenstandsregister oft zerstört, da insbesondere während der Plünderungen Anfang der 90er Jahre die Register vieler Standesämter vernichtet wurden (AA 15.1.2021).
Seit Jänner 2016 werden im Kongo neue, biometrische Reisepässe ausgestellt. Diese kosten zwischen 200 und 300 Dollar, abhängig davon, wie schnell der Pass ausgestellt werden soll und wie gut die Verbindungen des jeweiligen Antragstellers ins Außenministeriums sind. Reisepässe sind kein zuverlässiger Nachweis der Identität, da sie entweder mit einem bestimmten Inhalt gekauft werden oder schon die bei ihrer Ausstellung vorzuweisenden Dokumente gefälscht oder inhaltlich unrichtig (z. B. aufgrund einer ohne weitere Nachprüfung ausgestellten „attestation de naissance“) sein können (AA 15.1.2021).
Quelle:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.1.2021): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043855/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Demokratischen_Republik_Kongo_%28Stand_November_2020%29%2C_15.01.2021.pdf, Zugriff 20.6.2022
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Der unter Punkt römisch eins. festgestellte Verfahrensgang und dessen Ausführungen ergeben sich aus den unzweifelhaften Akteninhalten des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des Aktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz, in das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zur Demokratischen Republik Kongo, in die vom Beschwerdeführer vorgelegten weiteren Unterlagen sowie im Besonderen in seine Angaben in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2022 vor dem erkennenden Gericht. Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister der Republik Österreich, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB wurden ergänzend eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seiner Person, insbesondere zu seiner Volljährigkeit, seinem Familienstand, seiner Staatszugehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit, seiner Arbeitsfähigkeit sowie seiner Schulbildung in der Demokratischen Republik Kongo gründen auf den diesbezüglichen glaubhaften und übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Mangels der Vorlage eines identitätsbezeugenden Originaldokuments steht die Identität des Beschwerdeführers nicht zweifelsfrei fest.
Zum gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers ist insbesondere auf die unbekämpft gebliebenen Feststellungen im Bescheid vom 13.03.2020 sowie auf das medizinische Sachverständigengutachten von Dr. römisch 40 vom 02.10.2019 (AS 329 ff.) zu verweisen, wonach der Beschwerdeführer an einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit z.T. psychotischen Radikalen leidet. Diesen Feststellungen schließ sich der erkennende Richter an.
Die Feststellungen zu seiner Ausreise, seinem Aufenthalt in Österreich sowie seinem derzeitigen Status als subsidiär Schutzberechtigter lassen sich dem vorliegenden Verwaltungsakt sowie dem IZR-Auszug entnehmen. Aus dem IZR-Auszug ist ebenso die Ausstellung eines Fremdenpasses samt Gültigkeitsdatum ersichtlich.
Die Herkunft des Beschwerdeführers aus römisch 40 sowie sein familiärer Status ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung am 27.07.2022 (OZ 5) sowie dem vorliegenden Akteninhalt.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
In seiner Erstbefragung führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er von seiner Familie wegen seiner Homosexualität hinaus geschmissen worden sei und sein Ziel gewesen sei, seinem Liebhaber zu folgen (AS 41 ff.).
Vor der belangten Behörde gab er - zusammengefasst – an, dass er von seinem Onkel und von seiner Tante, bei denen er aufgewachsen sei, sehr schlecht behandelt worden wäre, sein Onkel ihm sehr weh getan habe und er sehr viele Arbeiten im Haus habe verrichten müssen (AS 411 ff.). Er habe einen Weißen auf der Straße getroffen und kennen gelernt. Dieser Weiße hätte ihn mehrfach abgeholt und dann auch mit ihm eine sexuelle Beziehung gehabt. Nachdem sein Onkel und seine Tante von der Beziehung mit dem Weißen erfahren hätten, sei er vom Onkel aus dem Haus gejagt worden: „er hat gesagt, raus aus meinem Haus, du kannst nicht mehr bleiben.“ (AS 419). Im Anschluss daran habe er sich zu dem Weißen („ römisch 40 “) begeben, mit dem er dann über den Kongo nach Senegal gereist sei wo sie sich ein paar Monate aufgehalten hätten. römisch 40 hätte ihm auch die Flugreise bezahlt, mit der der Beschwerdeführer nach Wien gekommen sei.
Im angefochtenen Bescheid kam die belangte Behörde zum Schluss, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen konnte, dass er in seiner Heimat einer Verfolgung aus politischen, religiösen, rassischen, ethnischen oder sozialen Gründen ausgesetzt war oder bei einer allfälligen Rückkehr in seinen Heimatstaat eine solche Verfolgung zu gewärtigen hätte.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung schließt sich das erkennende Gericht den Ausführungen der belangten Behörde an und stimmt deren Beweiswürdigung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.07.2022 dahingehend zu, dass der Beschwerdeführer eine Asylrelevanz nicht glaubhaft zu begründen vermochte:
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten, einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert vergleiche VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Vorab gilt es festzuhalten, dass die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe bezieht und Beweisergebnisse daraus auch nicht unreflektiert übernommen werden dürfen vergleiche VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061). Jedoch normiert Paragraph 19, Absatz eins, AsylG kein vollständiges Beweisverwertungsverbot. Es ist nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429).
In der Erstbefragung am 29.03.2019 sprach der Beschwerdeführer von einer Bedrohung wegen seiner Homosexualität, die vom „Mann meiner Tante“ geäußert worden sei (AS 43).
In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde wiederholte der Beschwerdeführer das Bedrohungsszenario durch seinen Onkel und räumte allerdings ein, „aus dem Haus gejagt“ (AS 419) worden zu sein. Auch gab er an, dass er die sexuelle Beziehung nicht mochte (AS 425). Schließlich gab er auf die Frage, was im Fall einer aktuellen Heimkehr nach römisch 40 passieren würde an, dass er dort keine Familie mehr habe (AS 477).
In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG räumte der Beschwerdeführer nach mehreren Fragen des erkennenden Richters schlussendlich ein, nicht homosexuell zu sein Sitzung 5 in OZ 5), steigerte aber mehrfach sein Vorbringen indem er vorbrachte: „… hat mich mein Onkel aus dem Haus geworfen und hat versucht, mich umzubringen“ (S 5, OZ 5). Zudem gab er an, dass er im Fall einer Rückkehr von seinem Onkel umgebracht werden würde, da dieser strikt gegen Homosexualität wäre (S 6 in OZ 5).
Damit steigerte bzw. änderte der Beschwerdeführer sein Vorbringen massiv. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).
Es ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer zudem seine Fluchtgeschichte zu großen Teilen lediglich vage und wenig detailgenau geschildert hat. Da im gegenständlichen Verfahren die Aussage des Beschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, müssen seine Angaben bei einer Gesamtbetrachtung jedoch auf ihre Glaubhaftigkeit überprüft werden. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönliche Erlebnisse unter Angabe der eigenen Gefühle und unter spontaner Rückerinnerung an unwesentliche Details und Nebenumstände berichten, dies insbesondere bei prägenden Ereignissen.
Stattdessen änderte bzw. steigerte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.07.2022 (OZ 5) wesentliche Punkte bzw. Geschehnisse sein Fluchtvorbringen betreffend.
Vor dem Hintergrund der unbedenklichen Länderberichte wird nicht verkannt, dass Diskriminierungen und auch Übergriffe auf Homosexuelle und auch „unterstellte Homosexuelle“ stattfinden können. Im gegenständlichen Fall fehlt es aber an einer konkreten persönlichen Gefährdung des Beschwerdeführers und an einem fluchtauslösenden Ereignis. Mit Ausnahme seines Onkels nennt der Beschwerdeführer auch keine Person in seinem Heimatstaat, die ihm unterstellt habe, homosexuell zu sein.
Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang jedoch weder vor der belangten Behörde, noch vor dem erkennenden Gericht glaubhafte Angaben zu Vorkommnissen, die eine konkrete Bedrohung bzw. Verfolgung beschreiben, vor. Es fehlt sohin an einer konkreten persönlichen Gefährdung des Beschwerdeführers und entfaltet das Vorbringen damit keine Asylrelevanz.
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person vor dem Hintergrund der zu treffenden aktuellen Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung des VwG bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste vergleiche VwGH 18.05.2020, Ra 2019/18/0503).
Aus dem Fluchtvorbringen ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im gegenständlichen Zeitpunkt mit einer Verfolgungshandlung im Fall einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo im Sinne der zuvor genannten Judikatur rechnen müsste.
Damit ist die Beurteilung der Fluchtgründe und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden und haben sich auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung keine neuen oder anderen Hinweise auf eine den Beschwerdeführer drohende Verfolgung aufgetan. Das Bundesverwaltungsgericht gelangte somit ebenfalls zur Überzeugung, dass eine Verfolgung des Beschwerdeführers in der Demokratischen Republik Kongo von staatlichen und/oder privaten Gruppen aus politischen, rassischen, religiösen Gründen oder aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nicht gegeben ist.
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Die unter Punkt 1.3. getroffenen Feststellungen zur Lage der Demokratischen Republik Kongo basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Zu den darin verwendeten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Die Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer auch im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 27.07.2022 übermittelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde mit ihm der wesentliche Inhalt der Länderberichte erörtert und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Weder der Beschwerdeführer noch dessen Rechtsvertretung sind den getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, die auf den in das Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen beruhen, im Beschwerdeschriftsatz, in der eingebrachten Stellungnahme (OZ 4) oder in der mündlichen Verhandlung substantiiert entgegengetreten. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers brachte verschiedene Berichte in das gegenständliche Verfahren ein, jedoch erfolgte dazu keine weitere Stellungnahme. Das bloße Aufzeigen von spezifischen Problemlagen im Herkunftsstaat vermag die Glaubwürdigkeit der Länderfeststellungen nicht zu erschüttern. Vielmehr sparen die Länderfeststellungen die im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers vorherrschenden Probleme nicht nur nicht aus, sondern legen diese ebenfalls offen.
Hinsichtlich der länderkundlichen Feststellungen älteren Datums ist anzumerken, dass sich in Bezug auf das gegenständliche Beschwerdevorbringen keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben haben und sich die Lage in der Demokratischen Republik Kongo - die einer ständigen Beobachtung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegt - in den gegenständlichen Zusammenhängen im Wesentlichen unverändert darstellt. Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen, sodass an der Richtigkeit und am Zutreffen der Länderfeststellungen keine Zweifel bestehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht vergleiche VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht vergleiche VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; 17.11.2017, Ra 2017/20/0404).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt römisch II.2.3. bereits dargelegt, liegt der Ausreisegrund des Beschwerdeführers in Befürchtungen vor Verfolgung bzw. Tötung aufgrund einer ihm von seinem Onkel unterstellten Homosexualität. Der Beschwerdeführer konnte sein Vorbringen nicht glaubhaft und schlüssig darlegen und machte sohin keine wohlbegründete individuelle Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, geltend und hat somit keine asylrelevanten Verfolgungsgründe vorgebracht.
Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die ein Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).
Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
ECLI:AT:BVWG:2022:I417.2230106.1.00