Bundesverwaltungsgericht
23.09.2022
I406 2259473-1
I406 2259473-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Marokko, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.08.2022, Zl. römisch 40 , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein marokkanischer Staatsangehöriger, wurde am 11.05.2022 von der Polizei wegen Schlepperei auf frischer Tat fest- und anschließend in Untersuchungshaft genommen.
Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (BFA), vom 23.05.2022 wurde dem Beschwerdeführer rechtliches Gehör gewährt betreffend die Absicht, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und eventuell die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung zu verhängen.
Diese Möglichkeit nahm der rechtsvertretene Beschwerdeführer wahr.
Mit Urteil eines Landesgerichts vom 04.07.2022, GZ römisch 40 , r. k. 08.07.2022, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Schlepperei nach Paragraph 114, Absatz eins und 3 Ziffer 2, FPG zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 7 Monate unbedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.
Mit angefochtenem Bescheid vom 19.08.2022 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG (Spruchpunk römisch eins.), erließ gemäß Paragraph 10, Absatz 2 AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 1 Ziffer 1 FPG. (Spruchpunk römisch II.), stellte gemäß Paragraph 52, Absatz 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunk römisch III.), erließ gemäß Paragraph 53, Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 Ziffer 1 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunk römisch IV.), erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 18, Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunk römisch fünf.) und gewährte gemäß Paragraph 55, Absatz 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunk römisch VI.)
5. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 07.09.2022 fristgerecht Beschwerde.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt römisch eins. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige und gesunde Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Marokko.
Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer unterliegt als marokkanischer Staatsangehöriger in Österreich grundsätzlich der Visumspflicht, verfügt jedoch in Österreich über kein Visum, welches ihn zu einem über touristische Zwecke hinausgehenden Aufenthalt berechtigt, ebenso keinen gültigen Aufenthaltstitel, war hier noch nie gemeldet, hat abgesehen von der Justizvollzugsanstalt keinen Wohnsitz im Bundesgebiet und geht hier keiner Erwerbstätigkeit nach.
Der Beschwerdeführer spricht seine Muttersprache Arabisch, über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt er nicht.
Der Beschwerdeführer lebt seit seinem römisch 40 Lebensjahr durchgehend mit seinen Eltern und Geschwistern sowie nunmehr überdies mit seiner Frau, die er im Jahr 2021 in Marokko geheiratet hat, in Spanien, hat keine Kinder, jedoch Verwandte in der Schweiz, hat in Spanien die Sekundarschule absolviert, anschließend Arbeitserfahrungen in der Landwirtschaft gesammelt und ca EUR 1.100,00 ins Verdienen gebracht und ist somit arbeitsfähig.
Zu Österreich hat der Beschwerdeführer keinerlei berufliche, familiäre oder private Beziehungspunkte und ist im Bundesgebiet nicht aufenthaltsverfestigt.
Der Beschwerdeführer hat in Spanien mehrere strafrechtliche Einträge, alle aus dem Jahr 2020, so unter anderem drei Mal Bankbetrug, Raub mit Gewalt und sexueller Übergriff.
Der Beschwerdeführer wurde von der Polizei auf frischer Tat am 11.05.2022 festgenommen und ist geständig, nur aus einem Grund nach Österreich eingereist zu sein, nämlich, um gegen Entgelt fremde Personen aus Drittstaaten illegal nach und durch Österreich zu schleppen.
Mit Urteil eines Landesgerichts vom 04.07.2022, GZ römisch 40 , r. k. 08.07.2022, wurde der Beschwerdeführer deshalb wegen des Verbrechens der Schlepperei nach Paragraph 114, Absatz eins und 3 Ziffer 2, FPG zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 7 Monate unbedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat:
Zur aktuellen Lage in Marokko werden folgende Feststellungen getroffen, soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:
COVID-19
Letzte Änderung: 19.04.2022
Der COVID-19 bedingte gesundheitliche Notstand ist in Marokko seit dem 20.3 2020 in Kraft und wird seither monatlich verlängert (FD 1.4.2022); bis zunächst 30.4.2022 gilt der Ausnahmezustand (l'état d'urgence sanitaire) (AA 1.4.2022; vergleiche FD 1.4.2022).
In Marokko gilt weiterhin ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4) im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19). Die Ausbreitung von Covid-19 führt weiterhin zu Einschränkungen des internationalen Luft- und Reiseverkehrs. Es ist mit weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben zu rechnen (BMEIA 1.4.2022).
Der reguläre Flugverkehr von und nach Marokko wurde zum 7.2.2022 schrittweise wieder aufgenommen und eine Einreise ist unter folgenden Voraussetzungen möglich (AA 1.4.2022; vergleiche WKO 29.3.2022, FD 1.4.2022).
Verpflichtend für alle Einreisende sind:
● Vorlage eines Impfzertifikats, bzw. ein gültiger Impfpass, mit der Bestätigung, dass die vollständige Impfung im Ausgabeland gültig ist und die
● Vorlage eines negativen PCR-Tests, der nicht älter als 48 Stunden ist und
● ein ausgefülltes online abrufbares Gesundheitsformular, bzw. „Fiche Sanitaire“ mit Unterschrift und
● Durchführung von Schnelltests für alle Passagiere (seit 1.3.22 nach dem Zufallsprinzip) bei ihrer Ankunft auf den Flughäfen (WKO 29.3.2022 ; vergleiche AA 1.4.2022, FD 1.4.2022).
Einreisebedingung für Kinder:
Für Kinder unter 6 Jahren gibt es keine Einreisebedingung.
Für Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren: Die einzige Einreisebedingung ist die Vorlage eines negativen PCR-Tests, der nicht älter als 48 Stunden ist (WKO 29.3.2022; vergleiche FD 1.4.2022). Bei Einreise wird bei Reisenden ab dem römisch 40 Lebensjahr nach Zufallsprinzip ein Schnelltest durchgeführt. Reisende können aufgefordert werden, an ihrem Zielort einen PCR-Test nach 48 Stunden durchführen zu lassen (AA 1.4.2022).
Die positiven Fälle müssen sich an Quarantäne im Aufenthaltsort halten. Personen mit starken Symptomen/schweren Krankheitsverlauf werden, um die notwendige medizinische Versorgung zu erhalten, in Krankenhäusern untergebracht (WKO 29.3.2022; vergleiche AA 1.4.2022).
Ein Genesenennachweis wird nach Kenntnisstand des Auswärtigen Amtes nicht als ausreichend für die Einreise anerkannt (AA 1.4.2022). Die Grundimmunisierung wird nur noch verlässlich anerkannt, wenn die letzte Impfung nicht mehr als vier Monate zurückliegt. Der Anspruch auf eine „Booster“-Impfung wurde von sechs auf vier Monate verkürzt (AA 1.4.2022; vergleiche WKO 1.4.2022).
Bis Ende des Jahres 2021 hatte Marokko rund 67 % der Bevölkerung vollständig gegen Covid-19 geimpft (AI 29.3.2022).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.4.2022): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 1.4.2022
● AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Morocco and Western Sahara 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070307.html, Zugriff am 31.3.2022
● BMEIA - Bundesministerium europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (1.4.2022): Marokko – Reiseinformationen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 1.4.2022
● FD - France Dipplomatie [Frankreich] (1.4.2022): Maroc, Dernière minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 1.4.2022
● WKO - Wirtschaftskammer Österreich (29.3.2022): Coronavirus: Situation in Marokko, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in-marokko.html, Zugriff 1.4.2022
Politische Lage
Letzte Änderung: 19.04.2022
Marokko ist eine islamisch legitimierte Monarchie mit konstitutionellen und demokratischen Elementen. Die zentralen politischen Vorrechte und die Führung des Landes liegen bei König Mohammed römisch VI. (AA 9.2.2021; vergleiche AA 24.11.2021, USDOS 12.4.2022). Die Verfassung belässt maßgebliche exekutive Reservat- und Gestaltungsrechte beim König. Er steht über den Staatsgewalten und ist staatsrechtlicher Kontrolle entzogen. In Bezug auf die Königsmacht bringt die Verfassung nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung, aber keinen Bruch mit dem bisherigen politischen System an sich (ÖB 8.2021).
Seit der Reform der Verfassung aus dem Jahr 2011 wird die Regierung jedoch durch das Parlament gebildet (AA 9.2.2021). Diese Reformen haben die Autorität über die Regierung teilweise vom Monarchen zur gewählten Legislative verschoben. Marokko führt regelmäßig Wahlen in einem parlamentarischen Mehrparteiensystem durch (FH 28.2.2022). Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die Verfassung aus dem Jahr 2011 aufgewertet, und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Neu ist die Einführung einer regionalen Staatsebene mit demokratisch gewählten Institutionen und gestärkter Selbstverwaltung, die im Zuge des Jahres 2015 mit zahlreichen Wahlgängen konkret Gestalt angenommen hat (ÖB 8.2021). Dennoch verfügt König Mohamed römisch VI. durch formale Machtbefugnisse sowie informelle Einflussmöglichkeiten in Staat und Gesellschaft über eine dominante Stellung (FH 28.2.2022).
Am 8. September 2021 wurde ein neues Parlament gewählt. Aus der Wahl ging die Partei Unabhängige Nationalversammlung (RNI) als Sieger hervor. Sie erhielt 102 Sitze. Die ebenfalls liberale Partei für Ehrlichkeit und Modernität (PAM) stellt 87 Abgeordnete vor der Mitte-Rechts-Partei Istiqlal, welche auf 81 Mandate kommt. Die seit 2011 führende gemäßigt-islamistische Partei für Recht und Gerechtigkeit (PJD) konnte lediglich 13 ihrer 125 Sitze verteidigen. Als Reaktion auf die Wahlniederlage traten die Mitglieder des Generalsekretariats der PJD sowie der bisherige Parteivorsitzende und Regierungschef zurück. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50%. Im Rahmen der Wahlen ist es laut Collectif Associatif pour l’Observation des Élections (CAOE) zu Unregelmäßigkeiten gekommen (BAMF 13.9.2021).
Die Verwaltungsstrukturen sind vornehmlich zentralistisch. Marokko ist in 12 Regionen unterteilt, die sich ihrerseits in 62 Provinzen und 13 Präfekturen untergliedern. Hierin ist auch die Westsahara enthalten, die Marokko als integralen Teil seines Territoriums betrachtet, was international jedoch nicht anerkannt wird (AA 9.2.2021).
Die Judikative wird in der Verfassung 2011 als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist dennoch vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 8.2021).
Am 24.8.2021 sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Algerien und Marokko aufgrund von Spannungen zwischen den beiden Ländern seitens Algerien abgebrochen worden (Reuters 25.8.2021). Auslöser war u.a., dass Marokko die interne Krise in Algerien ausgenutzt hat, um in den letzten Jahren Erfolge im Bereich der Westsahara-Frage zu verbuchen - etwa den Beitritt zur Afrikanischen Union (AU) 2017 und die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara durch die USA. Die im Zuge dieser Anerkennung erfolgte Normalisierung der marokkanischen Beziehungen zu Israel hat Algerien ebenfalls unter Druck gesetzt. Gleichzeitig interpretierte Algerien einige marokkanische Äußerungen der jüngeren Vergangenheit als „feindliche Aktionen“ - etwa die Forderung eines marokkanischen Diplomaten nach Selbstbestimmung für die algerischen Kabylen (ACWDC 4.11.2021).
Am 1.11.2021 wurden darüber hinaus drei algerische Staatsbürger im umstrittenen Territorium der Westsahara bei einem Drohnenangriff getötet. Die rhetorischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko sind in der Folge weiter angestiegen (MEI@75 10.11.2021). Algerien hat Gaslieferungen nach Marokko via Maghreb-Europa-Gaspipeline ebenfalls am 1.11.2021 eingestellt (MEI@75 10.11.2021; vergleiche ACWDC 4.11.2021). und liefert Gas nur noch nach Spanien (ACWDC 4.11.2021). Die Lage kann als regionaler kalter Krieg bezeichnet werden, diplomatische Bemühungen von beiden Seiten sind nötig, um militärische Konfrontationen zu vermeiden (MEI@75 10.11.2021), die jedoch als unwahrscheinlich gelten. Die gegenwärtigen diplomatischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko hingegen könnten Jahrzehnte dauern (ACWDC 4.11.2021).
Mittlerweile folgt auch Spaniens Premierminister Pedro Sánchez dem Kurs der USA und erkannte die marokkanische Souveränität über die Westsahara an (DW 23.3.2022; vergleiche FAZ 6.4.2022). Von der EU- Kommission wurde dieser Zug begrüßt, von der Polisario hingegen verurteilt (DW 23.3.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.2.2021): Marokko - Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/politisches-portrait/224120, Zugriff 23.9.2021
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
ACWDC - Arab Center Washington DC (4.11.2021): Western Sahara Figures Prominently in Algeria-Morocco Tensions, https://arabcenterdc.org/resource/western-sahara-figures-prominently-in-algeria-morocco-tensions/, Zugriff 17.11.2021
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.9.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw37-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 20.9.2021
DW - Deutsche Welle (23.3.2022): Nordafrika-Kehrtwende in Spaniens Westsahara-Politik, https://www.dw.com/de/kehrtwende-in-spaniens-westsahara-politik/a-61211839, Zugriff 8.4.2022
FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung: (6.4.2022): Westsahara-Konflikt: Marokkanisch-spanische Versöhnung beim Fastenbrechen, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/westsahara-konflikt-marokkanisch-spanische-versoehnung-17939427.html, Zugriff 7.4.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 22.3.2022
MEI@75 / Zine Labidine Ghebouli (10.11.2021): Algeria-Morocco tensions: The onset of a regional cold war, https://www.mei.edu/publications/algaeri-morocco-tensions-onset-regional-cold-war, Zugriff 17.11.2021
Reuters (25.8.2021): Algeria cuts diplomatic relations with Morocco, https://www.reuters.com/world/algeria-says-cutting-diplomatic-ties-with-morocco-2021-08-24/, Zugrrff 17.11.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 14.4.2022
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 22.04.2022
Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 1.4.2022). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 1.4.2022), bzw. wird deutschen Staatsbürgern von Reisen abgeraten. Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 1.4.2022; vergleiche BMEIA 1.4.2022). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 1.4.2022; vergleiche FD 11.4.2022 , BMEIA 1.4.2022). Die Grenzregion zu Mauretanien ist zum Großteil vermint. Weder die marokkanischen noch mauretanischen Behörden verfügen dort über Exekutivrechte. Aufgrund der Aktivitäten durch die Terrororganisation Al Qaida in der benachbarten Sahelregion und in Westafrika besteht auch in Marokko ein gewisses Risiko (BMEIA 1.4.2022).
In der Region Tanger-Tetouan-Al Hoceima – vor allem im Rif-Gebirge – herrscht aufgrund sozialer Konflikte eine angespanntere Situation als im Rest des Landes. Die Kriminalitätsrate ist infolge des Rauschgifthandels sehr hoch. Es besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (BMEIA 1.4.2022; vergleiche AA 1.4.2022).
Marokko kann als sicheres Land angesehen werden, nicht nur in Bezug auf Terrorismus. Eine Ausnahme bildet nur die Westsahara, wo es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen marokkanischen Truppen und der POLISARIO (Frente Popular para la Liberación de Saguía el Hamra y Río de Oro - Volksfront zur Befreiung von Saguía el Hamra und Río de Oro) kommt. Der letzte größere Terroranschlag fand im Jahr 2011 statt. 2018 gab es bei Morden mit mutmaßlich terroristischem Hintergrund zwei, im Jänner 2022 ein weiteres Todesopfer und einen Verletzten. Die Exekutive arbeitet effizient im Bereich der Terrorismusbekämpfung. Die Behörden, hier vor allem das Bureau central d‘investigation judiciaire (BCIJ) sind effektiv beim Erkennen und Verhindern potenzieller terroristischer Bedrohungen durch rechtzeitiges Ausheben von Terrorzellen. Es kommt zu zahlreichen Verhaftungen von Terrorverdächtigen (STDOK 17.3.2022).
Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich. Vereinzelte gewalttätige Auseinandersetzungen können dabei nicht ausgeschlossen werden (EDA 1.4.2022; vergleiche BMEIA 1.4.2022). In den größeren Städten ist fallweise mit Demonstrationen und Ausschreitungen zu rechnen (BMEIA 1.4.2022; vergleiche AA 1.4.2022). Zuletzt kam es in verschiedenen Städten Marokkos zu nicht genehmigten Protesten und vereinzelt auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften (AA 1.4.2022). Es kann zu Taschendiebstählen und Raubüberfällen kommen (BMEIA 1.4.2022). Eigentumsdelikte kommen, vor allem in Großstädten, häufig vor. Dabei werden zum Teil auch Hieb- und Stichwaffen gegen Touristen eingesetzt (AA 1.4.2022).
Partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für Reisen in das Landesinnere des völkerrechtlich umstrittenen Territoriums der Westsahara und in entlegene Saharazonen Südmarokkos. Insbesondere vor der unmittelbaren Grenzregion zu Algerien, wird gewarnt (BMEIA 1.4.2022; vergleiche AA 1.4.2022). Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden. Seit November 2020 haben die Spannungen in der Westsahara zugenommen. In El Guerguerat an der Grenze zu Mauretanien und entlang der Demarkationslinie ist es wiederholt zu Scharmützeln zwischen marokkanischen Truppen und Einheiten der Frente Polisario gekommen (EDA 1.4.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.4.2022): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 1.4.2022
BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (1.4.2022): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 1.4.2022
EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (1.4.2022): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 1.4.2022
FD - France Diplomatie [Frankreich] (1.4.2022a): Conseils aux Voyageurs - Maroc – Dernière minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/, Zugriff 1.4.2022
FD - France Diplomatie [Frankreich] (1.4.2022b): Conseils aux Voyageurs - Maroc – Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#securite, Zugriff 1.4.2022
STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (17.3.2022): Themenbericht intern: Nordafrika - Terrorismus in Ägypten, Libyen, Marokko und Tunesien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
USDOS - US Department of State [USA] (16.12.2021): Country Report on Terrorism 2020 - Chapter 1 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2065420.html, Zugriff 12.4.2022
Westsahara
Letzte Änderung: 20.04.2022
Vormals spanische Kolonie, besetzte Marokko mittels Militäreinsatz und dem sogenannten grünen Marsch 1975 das Gebiet der Westsahara, Spanien zog sich 1976 offiziell zurück. Die Volksfront zur Befreiung von Saguia el-Hamra und Rio de Oro (Polisario-Front) war bereits 1973 gegründet worden. Am 27.2.1976 rief die Polisario die Demokratische Arabische Republik Sahara (SADR) aus und gründete wenige Tage später eine Exilregierung in Algerien. Es kam zum offenen Konflikt zwischen marokkanischen Streitkräften und der Polisario, der erst 1991 durch einen Waffenstillstand beendet wurde. Seitdem ist die UN Mission MINURSO vor Ort (bpb 29.3.2021). Am 29.10.2021 hat der UN-Sicherheitsrat die Friedensmission MINURSO in der Westsahara um ein Jahr verlängert (BAMF 22.11.2021).
Der Westsaharakonflikt tritt seit Jahrzehnten auf der Stelle: Marokko beansprucht Souveränität über das Gebiet der ehemaligen spanischen Kolonie, die Befreiungsbewegung Polisario pocht auf das Selbstbestimmungsrecht der saharauischen Bevölkerung und auf die Abhaltung eines Referendums. Die zahlreichen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Generalversammlung werden von beiden Seiten vom jeweiligen Standpunkt interpretiert (ÖB 8.2021). Während des Krieges begann Marokko 1981 mit der Errichtung einer mittlerweile 2.700 Kilometer langen, verminten und befestigten Sand- und Steinmauer (Berm), die die Westsahara in zwei Hälften teilt (bpb 29.3.2021).
Das Volk der Sahraui ist heute in vier geographisch verstreute Gruppen zersplittert: diejenigen, die in dem von Marokko besetzten Gebiet leben, diejenigen, die in den von der Polisario kontrollierten Gebieten wohnen, diejenigen, die in Flüchtlingslager in Algerien geflohen sind, und die saharauische Diaspora in anderen Teilen der Welt, hauptsächlich in Europa. 2014 veröffentlichten Daten zufolge sind von den 530.000 Einwohnern des von Marokko besetzten Gebiets in der Westsahara 180.000 (34%) Angehörige des marokkanischen Militärs, 245.000 sind marokkanische Zivilisten (46%) und 105.000 gehören zum Volk der Saharaui (20%). Marokko hat eine Anreiz-Politik betrieben, um Marokkaner zu ermutigen, sich in der Westsahara niederzulassen, indem neue Häuser gebaut und Arbeitsplätze angeboten wurden. Diese Strategie hatte einen großen Einfluss auf die soziale und demographische Entwicklung und Zusammensetzung der Bevölkerung im von Marokko besetzen Gebiet und hat dazu geführt, dass die Sahrauis zu einer Minderheit in ihrem eigenen Land geworden sind. Ihre Präsenz im besetzen Territorium ist auf bestimmte Gebiete und Stadtteile beschränkt (bpb 29.3.2021).
Am 13.11.2020 rückten Rund 1.000 marokkanische Soldaten in den UN-überwachten Guerguerat-Pufferstreifen, was einen Verstoß gegen das Waffenstillstandsabkommen von 1991 darstellt. Das Ende des jahrzehntealten Waffenstillstandes zwischen Marokko und der für die Unabhängigkeit eintretenden Polisario weckte die Sorge, dass der lange eingefrorene Konflikt wieder aufflammen könnte. Die Polisario beschuldigte marokkanische Sicherheitskräfte, auf Zivilisten geschossen zu haben, die friedlich demonstriert hatten, und erklärte das Ende des Waffenstillstands und die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten. Die marokkanische Regierung wies die Anschuldigungen sofort zurück und bekräftigte ihre Verpflichtung zur Waffenruhe. In den darauffolgenden Tagen griffen die Truppen der Polisario verschiedene Militärposten entlang der Ost-West-Sandbank an, die das von Marokko kontrollierte Gebiet der Westsahara von dem von der Arabischen Demokratischen Republik Sahara kontrollierten Gebiet trennt; die Zahl der Toten ist unbekannt. Die UN-Mission in der Westsahara bestätigte am 16.11.2020, dass sich die gegnerischen Seiten in den vorangegangenen Tagen einen Schlagabtausch geliefert hatten. Gewalt auf niedrigem Niveau hielt den ganzen November über an (ICG 3.12.2020).
Die Anerkennung der Souveränität Marokkos‘ über die Westsahara durch die USA im Dezember 2020 im Zuge eines Abraham Accords (bei Zusage der Normalisierung der Beziehungen Marokko-Israel) erzeugte eine neue Dynamik. Marokko tritt seither selbstbewusster auf und versucht, andere Staaten dazu zu bewegen, sich diesem Schritt anzuschließen. Marokko sieht die Zukunft im Verhandeln einer Autonomielösung, wobei es Verhandlungen mit der Polisario, die sich aus marokkanischer Sicht desavouiert hat, möglichst vermeiden möchte. Die Eröffnung von Konsulaten von großteils mit Marokko befreundeten afrikanischen Staaten in der Westsahara und die Zusage der Eröffnung eines Büros der USA sieht Marokko als Anzeichen einer Welle der Anerkennung der marokkanischen Souveränität. Die Polisario bzw. die kritischen Staaten lehnen diesen Ansatz ab. Algerien hat im August 2021 seine diplomatischen Beziehungen zu Marokko unter Hinweis auf eine feindselige marokkanische Politik in verschiedenen Bereichen (u.a. auch Aufbringen der Frage einer Autonomie der Kabylen in Algerien) abgebrochen (ÖB 8.2021).
Seit Juni 2020 ist die sahraouische Armee/Polisario-Front wieder aktiver. Im Oktober 2020 haben die sahraouische Armee/Polisario-Front den Warenverkehr in der Pufferzone zwischen Marokko und Mauretanien blockiert. Im November 2020 haben die marokkanischen Streitkräfte die Blockade aufgelöst und einen Sicherheitskorridor für den Waren- und Personenverkehr eingerichtet. Danach hat die Führung der Polisario-Front den seit 1991 bestehenden, durch die UNO vermittelten, Waffenstillstand für beendet erklärt (BAMF 31.1.2022).
In der Zwischenzeit schlug Spaniens Premierminister Pedro Sánchez eine Kehrtwende ein. Spanien betrachtet die von Marokko 2007 präsentierte Autonomieinitiative nun als die seriöseste, realistischste und glaubwürdigste Grundlage zur Lösung des Streits, und wendet sich von seiner bisherigen Position ab, der zufolge der Westsahara-Konflikt im Rahmen der UNO zu lösen sei. Zudem folgt Spanien mit der Erklärung jenem Kurs, den 2020 der damalige US-Präsident Donald Trump eingeschlagen hatte, und erkannte die marokkanische Souveränität über die Westsahara an (DW 23.3.2022). Als autonome Region bliebe dann die frühere spanische Kolonie Teil Marokkos (FAZ 6.4.2022). Die EU-Kommission unterstützt die neue Position Spaniens. Die Polisario, die politisch-militärische Organisation der west-saharischen Befreiungsbewegung, verurteilte den Schritt hingegen (DW 23.3.2022). In Algerien spricht man von Verrat und droht damit, den Gaspreis für Spanien zu erhöhen. Algier ist die Schutzmacht, der für die unabhängige Westsahara kämpfenden Polisario. Im Westsahara-Konflikt war der Bruderkrieg zwischen den beiden Maghreb-Staaten in den vergangenen Monaten gefährlich eskaliert (FAZ 6.4.2022).
Am 14.11.2021 wurde ein Kommandant der Polisario-Front, durch eine marokkanische Drohne getötet (BAMF 22.11.2021). Die Streitkräfte der Polisario-Front haben am 26. und 27.11.2021 Streitkräfte der marokkanischen Armee entlang der Mauer bei Feddat El-Mers, Guelb Diret, Agurara El-Frisk, Sabkhet Tnouched und Tedjallet Etalh angegriffen. Die seit 13.11.2020 verstärkten Angriffe der Polisario-Front auf marokkanische Streitkräfte in der Westsahara sollen erhebliche Opfer und materielle Schäden auf der marokkanischen Seite gefordert haben (BAMF 29.11.2021). Die sahraouische Presseagentur SPS berichtet regelmäßig über wiederholte Angriffe der sahraouischen Armee/Polisario-Front auf marokkanische Kräfte in den Grenzgebieten der Westsahara, wie etwa am 29.1.2022 in den Sektoren El Forsia, Aousserd und Houza, davor im Sektor Mahbas. Von marokkanischer Seite wird nicht über Kämpfe im Grenzgebiet der Westsahara berichtet (BAMF 31.1.2022). Am 26.2.2022 berichtet die SPS erneut über Angriffe der sahraouischen Armee/Polisario-Front auf marokkanische Kräfte in den Grenzgebieten der Westsahara im Sektor Mahbas mit hohen personellen und materiellen Verlusten bei der marokkanischen Armee (BAMF 28.2.2022).
Marokko und Israel haben 2021 nach 20 Jahren wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen (BAMF 15.2.2021).
Quellen:
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (28.2.2022): Briefing Notes, Marokko: Erneute Angriffe der sahraouischen Armee/Polisario-Front, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw09-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 7.4.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.1.2022): Briefing Notes, Wiederholte Angriffe der sahraouischen Armee/Polisario-Front, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw05-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.4.2022
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (29.11.2021): Briefing Notes, Angriff der Polisario-Front auf marokkanische Streitkräfte in der Westsahara, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw48-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 7.4.2022
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.11.2021): Briefing Notes, Kommandant der Polisario-Front getötet, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw47-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 7.4.2022
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15.2.2021): Briefing Notes, Marokko: Diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw07-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 24.9.2021
bpb - Bundeszentrale für politische Bildung (29.3.2021): Der vergessene Konflikt in Westsahara und seine Flüchtlinge, https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/329090/westsahara, Zugriff 24.9.2021
DW - Deutsche Welle (23.3.2022): Nordafrika-Kehrtwende in Spaniens Westsahara-Politik, https://www.dw.com/de/kehrtwende-in-spaniens-westsahara-politik/a-61211839, Zugriff 8.4.2022
FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung: (6.4.2022): Westsahara-Konflikt: Marokkanisch-spanische Versöhnung beim Fastenbrechen, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/westsahara-konflikt-marokkanisch-spanische-versoehnung-17939427.html, Zugriff 7.4.2022
ICG - International Crisis Group (3.12.2020): CrisisWatch November 2020: Western Sahara, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/CrisisWatch%20Print%20_%20Crisis%20Group_11.pdf, Zugriff 15.3.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 21.04.2022
Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 12.4.2022). In der Praxis unterliegt die Justiz jedoch weiterhin dem Einfluss der Exekutive und ist an die Interessen der Monarchie gebunden (BS 23.2.2022 ; vergleiche FH 28.2.2022); zudem wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 24.11.2021, FH 28.2.2022) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Das Gerichtssystem ist nicht unabhängig vom Monarchen, der dem Obersten Justizrat vorsitzt (FH 2.2022; vergleiche BS 2022). Marokko bekennt sich zu rechtsstaatlichen Grundsätzen, allerdings weist das Justizsystem Schwächen (mangelnde Unabhängigkeit der Richter, ausstehende Modernisierung der Justizverwaltung, bedenkliche Korruptionsanfälligkeit) auf. Die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze wird von staatlichen und nicht staatlichen Einrichtungen überwacht bzw. kritisch beobachtet (AA 24.11.2021).
Durch die Zusammenarbeit mit internationalen Partnerorganisationen (EU, Europarat, EU-Mitgliedstaaten) soll die Justiz effizienter, unabhängiger und weniger korruptionsanfällig gemacht werden. Noch liegt sie allerdings in ihrer Unabhängigkeit und Bindung an Recht und Gesetz hinter den in der Verfassung normierten Ansprüchen (Artikel 107 f, f,) zurück. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt - Oberster Justizrat) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 24.11.2021).
Die Verfassung sieht darüber hinaus eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (der erwähnte Oberste Justizrat, Gleichstellungsrat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch vor oder am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 8.2021).
Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 24.11.2021). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 24.11.2021). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden (BS 23.2.2022; vergleiche AA 24.11.2021). Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam (garde à vue) zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 24.11.2021).
Berichten zufolge werden Untersuchungshäftlinge in der Praxis länger als ein Jahr festgehalten, und das Gesetz enthält keine Bestimmungen, die es Untersuchungshäftlingen erlauben, ihre Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Einige Verdächtige, insbesondere diejenigen, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden tage- oder wochenlang in geheimer Haft gehalten, bevor eine formelle Anklage erhoben wird (AA 24.11.2021). Zudem wird Angeklagten nach ihrer Verhaftung der sofortige Zugang zu Anwälten verwehrt, und Verteidiger stoßen beim Zugang bei der Vorlage von Prozessbeweisen auf Hindernisse (BS 23.2.2022). Nach der Strafprozessordnung hat ein Angeklagter das Recht, nach 24 Stunden Polizeigewahrsam einen Anwalt zu kontaktieren, was auf 36 Stunden verlängert werden kann. Häftlinge haben jedoch nicht das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen, wenn die Polizei sie verhört oder ihnen ihre Aussagen zur Unterschrift vorlegt. In den letzten Jahren haben Polizeibeamte Häftlinge oft gezwungen oder dazu gebracht, selbstbelastende Aussagen zu unterschreiben, auf die sich Richter später stützten, um sie zu verurteilen, selbst wenn die Angeklagten diese Aussagen vor Gericht widerriefen (HRW 13.1.2022).
Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 24.11.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 21.3.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 22.3.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066500.html, Zugriff 17.3.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 14.4.2022
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 21.04.2022
Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN „Direction Générale de la Sûreté Nationale“ (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den Forces Auxiliaires handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Nationalstraßen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 24.11.2021, ÖB 8.2021). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED (Direction Générale des Etudes et de Documentation) und den Inlandsdienst DGST (Direction Générale de la Surveillance du Territoire). Im April 2015 wurde zusätzlich das Bureau Central d'Investigations Judiciaires (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST (AA 24.11.2021; vergleiche ÖB 8.2021).
Das BCIJ hat originäre Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 24.11.2021; vergleiche ÖB 8.2021) sowie Entführungen. Damit wurde die Schlagkraft des Polizeiapparats gestärkt, diese spezialisierte Polizeitruppe ist besser ausgebildet und besser ausgerüstet. Seit der Gründung des BCIJ im Jahr 2015 wurden 84 Terrorzellen ausgehoben (ÖB 8.2021).
Auch wenn Angehörige der Sicherheitskräfte einige Übergriffe begingen, ist die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte gemäß USDOS wirksam (USDOS 12.4.2022), gemäß Auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 24.11.2021). [Anm.: Das Auswärtige Amt bezieht sich hier wohl auf die weitgehende Kontrolle der Sicherheitskräfte durch den König und sein Umfeld.] Typisch für das marokkanische politische System ist, dass die Weisungskette der Polizeidienste an der Regierung vorbei unmittelbar zur Staatsspitze führt (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 14.4.2022
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 21.04.2022
Die als Reaktion auf den sogenannten Arabischen Frühling reformierte Verfassung von 2011 enthält einen umfangreichen Katalog an Grund- und Menschenrechten (AA 24.11.2021) und verbietet Folter und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung. Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 12.4.2022; vergleiche BS 23.2.2022, AA 24.11.2021). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet (AA 24.11.2021). Der CNDH (Conseil National des Droits de l'Homme / Nationaler Menschenrechtsrat) soll künftig die Rolle des Nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter einnehmen (CNDH o.D.). Die Präsidentin des CNDH (A. Bouayash) hat nach ihrem Amtsantritt im Sommer 2019 Foltervorwürfe gegen politische Gefangene zurückgewiesen. Ein Einsatz von systematischer, staatlich angeordneter Folter wird auch von NGOs nicht bestätigt, Fehlverhalten einzelner Personen und mangelnde Ahndung in Fällen von nicht gesetzeskonformer Gewaltanwendung gegenüber Inhaftierten durch Sicherheitskräfte werden indes sehr wohl – dies auch regelmäßig in den Medien – thematisiert (AA 24.11.2021). Die Regierung bestreitet, dass sie die Anwendung von Folter erlaubt (USDOS 12.4.2022). Sie lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention (AA 24.11.2021).
Wenn auch eine systematische Anwendung von Folter und anderen erniedrigenden Behandlungsweisen nicht anzunehmen ist (ÖB 8.2021; vergleiche AA 24.11.2021), werden Folter und folterähnliche Methoden punktuell praktiziert (ÖB 8.2021). Es gibt Berichte, dass Folter oder exzessive Polizeigewalt vorkommen, einschließlich langer und unbestimmter Einzelhaft (AI 29.3.2022; vergleiche FH 28.2.2022). Für die Unabhängigkeit der Westsahara eintretende NGOs werfen den Behörden unverhältnismäßigen Gewalteinsatz, Folter und auch willkürliche Verhaftungen und Hausdurchsuchungen vor (AA 24.11.2021). Im Jahr 2021 verletzten marokkanischen Behörden die Rechte von Aktivisten, die für die Unabhängigkeit der Sahara eintreten. Es kam zu Misshandlungen, Verhaftungen und Schikanen (AI 29.3.2022). Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat und insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z.B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang, Folter). Betroffen sind laut Bericht des UN-Menschenrechtsausschusses vom Oktober 2016 vor allem Terrorverdächtige und Personen, die Straftaten verdächtig sind, welche die Sicherheit oder die territoriale Integrität des Staats gefährden. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation AMDH (Association Marocaine des Droits Humains) geht vom Fehlverhalten einzelner Personen aus (AA 24.11.2021).
Diese Umstände werden von Menschenrechts-NGOs und von unabhängigen Beobachtern wiederholt angeprangert, wie insbesondere von der CNDH, vom UN-Sonderbeauftragten für Folter Juan Mendez, von der Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen, und von der früheren UN-HCHR Navi Pillay. Der seinerzeitige Justizminister Ramid hat die Staatsanwälte aufgerufen, Hinweisen und Anzeigen auf Folter rigoros nachzugehen, gleichzeitig aber auch auf den Verleumdungstatbestand hingewiesen, falls sich Anschuldigungen als haltlos erweisen (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Morocco and Western Sahara 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070307.html, Zugriff am 31.3.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://BS-project.org/de/reports/country-report/MAR#pos5, Zugriff 21.3.2022
CNDH - Conseil National des Droits de l'Homme [Marokko] (o.D.): CNDH mandate for the protection of human rights, https://www.cndh.org.ma/an/presentation/cndhs-mandate-area-human-rights-protection, Zugriff 20.9.2021
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 22.3.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 14.4.2022
Korruption
Letzte Änderung: 22.04.2022
Das Gesetz sieht für behördliche Korruption Strafen vor, doch setzt die Regierung die gesetzlichen Regelungen nicht effektiv um (USDOS 12.4.2022). Die Korruption ist in Marokko weit verbreitet und betrifft auch das Rechtssystem (BS 23.2.2022). Korruption ist in den staatlichen Institutionen und in der Wirtschaft weit verbreitet (FH 28.2.2022). Im September 2020 erklärte der marokkanische Finanzminister, dass durch Korruption jährlich 2 bis 7 % des BIP verloren gehen (BS 23.2.2022). Staatsbedienstete, die in Korruptionsfälle verwickelt sind, gehen straffrei aus. Es gibt Berichte über Korruptionsfälle bei der Exekutive, Legislative und in der Justiz. Korruption ist bei der Polizei weit verbreitet (USDOS 12.4.2022).
Trotz der offiziellen Rhetorik über die Korruptionsbekämpfung ist die Bilanz bei der Durchsetzung der Gesetze gemischt. Tiefgreifende Reformen zur Bekämpfung der Korruption werden durch einen Mangel an politischem Willen, geringe institutionelle Kapazitäten und den Einfluss von Eliten, die vom Status quo profitieren, gebremst. Im März 2021 stärkte das Parlament die Nationale Kommission für Rechtschaffenheit, Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, indem die Definition von Korruption erweitert wurde und dem Gremium größere Ermittlungsbefugnisse erteilte; die Ergebnisse dieser Reform bleiben jedoch abzuwarten (FH 28.2.2022) .
Die Antikorruptionsbehörde National Authority for Probity, Prevention, and Fighting Corruption (INPPLC), das Justizministerium und die Hohe Rechnungskontrollbehörde (High Audit Institution - Government Accountability Court) sind für Korruptionsfragen zuständig. Die Regierung behauptet, Korruption und anderes polizeiliches Fehlverhalten mittels interner Mechanismen zu untersuchen. Dennoch stellen internationale und nationale Menschenrechtsorganisationen fest, dass die Behörden viele Beschwerden ignorieren und sich auf Behauptungen seitens der Polizei stützen (USDOS 12.4.2022).
Das globale Korruptionsbarometer 2019 ergab, dass 74 % der Marokkaner der Meinung sind, dass die Regierung nicht gegen Korruption vorgeht, und dass jeder vierte Marokkaner glaubt, dass Richter und Polizisten in Korruption verwickelt sind (Transparency International, 2019) (BS 23.2.2022).
Marokko belegt auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2021 den 87. von insgesamt 180 Plätzen und hat im Vergleich zum Vorjahr einen Platz verloren (TI 25.1.2022).
Quellen:
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 21.3.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 22.3.2022
TI - Transparency International (25.1.2022) : Corruption Perceptions Index 2021 – Morocco, https://www.transparency.org/en/cpi/2021/index/mar, Zugriff 21.3.2022
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 14.4.2022
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Letzte Änderung: 22.04.2022
Es gibt in Marokko eine lebendige und aktive Zivilgesellschaft mit nationalen und internationalen NGOs, die im Prinzip unbehelligt agieren kann. Verbote gegen einzelne Veranstaltungen und Einschränkungen für NGOs und Menschenrechtsorganisationen kommen jedoch vor (AA 24.11.2021; vergleiche FH 28.2.2022, HRW 13.1.2022). Human Rights Watch hat 2021 einige dieser Übergriffe und Razzien dokumentiert (HRW 13.1.2022). Eine breite Vielfalt an lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfälle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Lokale und internationale NGOs sind immer wieder Einschränkungen bei ihren Aktivitäten ausgesetzt (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 24.11.2021). Es kommt mitunter zu rechtlichen Schikanen, Reisebeschränkungen, aufdringlicher Überwachung und weiteren Behinderungen ihrer Arbeit (AA 24.11.2021; vergleiche FH 28.2.2022). Ein NGO-Gesetz gibt es nicht. Für NGOs gilt das Vereinsrecht. Sie müssen sich beim Innenministerium registrieren lassen. Es kommt vor, dass die Registrierungsanzeigen nicht fristgemäß mit einer Eingangsbestätigung beantwortet werden (AA 24.11.2021). Die Arbeit der Marokkanischen Vereinigung für Menschenrechte (AMDH) wurde weiterhin von den Behörden gestört (HRW 13.1.2022). Im Jahr 2020 wurde der Vizepräsident der AMDH wegen Verleumdung angeklagt, weil er die Beschlagnahmung von Waren von Straßenhändlern in der Stadt Nador im Zusammenhang mit COVID-19 kritisiert hatte, wurde aber später freigesprochen (FH 28.2.2022).
Der Bereich NGOs/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechtsverteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH (Organisation Marocaine des Droits Humains), die AMDH (Association Marocaine des Droits Humains) und Amnesty International Maroc. Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen des von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen. NGOs nehmen sich auch individueller Anliegen an, eine Möglichkeit, die Schutzsuchenden in Städten eher offen steht als auf dem Land (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 22.3.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066500.html, Zugriff 17.3.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 14.4.2022
Ombudsmann
Letzte Änderung: 22.04.2022
Menschenrechtsangelegenheiten werden seitens Regierungsorganisationen durch den CNDH (Conseil National des droits de l’homme - Nationaler Menschenrechtsrat), die interministerielle Abordnung über Menschenrechte (DIDH), und die Institution des Médiateur (Ombudsmann) wahrgenommen (USDOS 12.4.2022).
Zur Kontrolle der Gewährleistung grundlegender Menschenrechte wurde nach der Verabschiedung der neuen Verfassung im Jahr 2011 der CNDH als besondere Verfassungsinstanz eingerichtet. Seine kritischen Bestandsaufnahmen und Empfehlungen zu Gesetzesentwürfen haben Gewicht und beeinflussen die Politik (AA 24.11.2021). Der CNDH ist sichtbar, aktiv und produktiv (Berichte über psychiatrische Anstalten, Strafvollzug, Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Situation von Asylsuchenden und Migranten). Er legt jährlich einen Bericht vor, der dem König und dem Parlament zur Kenntnis gebracht wird und nimmt auch zu Individualfällen Stellung, bis hin zur Intervention. Im Wege von Begutachtungsverfahren und durch Stellungnahmen zu einzelnen Gesetzesvorhaben übt der CNDH kraft seines moralischen Gewichts nicht selten Einfluss auf Gesetzesinhalte aus, wo Menschenrechtsinteressen betroffen sind. 13 Außenstellen des CNDH wurden in Provinzstädten eingerichtet, sodass eine stärkere räumliche Nähe zu potenziellen Beschwerdeführern angeboten wird (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 14.4.2022
Wehrdienst und Rekrutierungen
Letzte Änderung: 22.04.2022
Die allgemeine Wehrpflicht war seit dem 31.8.2006 ausgesetzt. Ihre durchaus umstrittene Wiedereinführung im August 2018 führte 2019 dazu, dass aus ca. 80.000 Freiwilligen rund 15.000 Rekruten zu einem zwölfmonatigen Wehrdienst an drei Ausbildungszentren ausgewählt wurden. Für 2020 stehen keine Zahlen zur Verfügung (AA 24.11.2021). Am 25.1.2019 trat das Gesetz in Kraft (DIS 7.2019; vergleiche ÖB 8.2021). Die Wehrpflicht wird vor allem als Maßnahme zur Ausbildung und besseren Integration der Bevölkerung präsentiert. Sie wird allerdings nur selektiv angewandt. 2020 wurden im ersten Probebetrieb (auch durch COVID bedingt) lediglich ca. 15.000 Personen tatsächlich rekrutiert (ÖB 8.2021).
Das Gesetz sieht Wehrpflicht für Marokkaner im Alter von 19 bis 25 Jahren vor. Insgesamt zwölf Monate sollen Männer und Frauen dienen, bis zum Alter von 25 Jahren (CIA 16.3.2022; vergleiche DIS 7.2019). Fahnenflucht wird mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und drei Jahren geahndet. Bestrafungen aufgrund von Wehrdienstverweigerung und Desertion sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 24.11.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (16.3.2022): The World Factbook – Morocco, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/morocco/#military-and-security, Zugriff 22.3.2022
DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2019): Morocco; Military service, Juli 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016126/brief+COI+report_military+service+in+Morocco_July+2019_final.pdf, Zugriff 20.9.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 22.04.2022
Der Grundrechtskatalog (Kapitel römisch eins und römisch II) der Verfassung ist substanziell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen „roten Linien“ - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) - quasi als „Baugesetze“ des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 8.2021). In den Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte. Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen. Die nächste Überprüfung im Rahmen der Universellen Staatenüberprüfung (UPR) soll im Jahr 2022 erfolgen (AA 24.11.2021).
Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam infrage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt (AA 24.11.2021).
Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken jedoch die Meinungsfreiheit im Bereich der Presse und in den sozialen Medien ein (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 24.11.2021).
Marokko belegte im Weltindex der Pressefreiheit 2020 Platz 133 (BS 23.2.2022). Selbstzensur ist die Regel; aber auch offene Repression bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung journalistisch oder politisch aktiver Personen konnte im Berichtsjahr beobachtet werden (AA 24.11.2021). 2021 wurde Marokko auf Platz 136 runtergestuft. Kritik am König ist in Marokko verboten und wird als „Angriff auf die heiligen Werte der Nation“ mit Gefängnis bestraft. Tabuthemen sind auch politische Proteste, die Westsahara-Politik, Korruption hochrangiger Politiker und inzwischen die Massenmigration nach Europa. Immer wieder werden Journalisten wegen unliebsamer Berichte vor Gericht gebracht und zu Haftstrafen verurteilt oder Korrespondenten ausländischer Medien abgeschoben. Zum Einschüchterungsrepertoire des Staats gehören auch Anzeigenboykotte, Drohungen, untergeschobene Drogendelikte, Rufmord, Überfälle, Einbrüche und seit neuestem Anklagen wegen angeblicher Sexualdelikte. Manche Gerichtsprozesse gegen Medienschaffende werden über Jahre hinweg verschleppt (ROG 2022). Es kommt auch zu Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, v.a. gegen Blogger, Aktivisten und Studenten (BS 23.2.2022).
Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich (AA 24.11.2021). Gelegentlich unterbrechen die Behörden Webseiten und Internetplattformen (FH 2.2022). Die unabhängige Presse wurde in der Covid-19-Krise ruhig gestellt (Stopp von Printmedien, Online-Berichterstattung weitgehend über offizielle Kommuniqués, Gesetzentwurf gegen Nutzung sozialer Medien) (AA 24.11.2021). Die staatliche Überwachung von Online-Aktivitäten und persönlicher Kommunikation ist ein ernstes Problem. Der Einsatz von Spionageprogrammen und Überwachungstechnologien durch die Regierung ist weit verbreitet (FH 2.2022). Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten – Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten – vor allem im Gebiet der Westsahara selbst – besonders exponiert sind (ÖB 8.2021).
Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, von staatlicher Einflussnahme auf quasi die gesamte Medienlandschaft ist jedoch auszugehen (AA 24.11.2022), bzw. ist diese eng mit den Machtzentren verbunden (BS 23.2.2022), und wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der oben genannten drei Tabuthemen ersetzt (AA 24.11.2021). Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität bzw. den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 12.4.2022; vergleiche HRW 13.1.2022, AA 24.11.2021, FH 2.2022, ÖB 8.2021). Dies gilt auch für Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (ÖB 8.2021; vergleiche HRW 13.1.2022). Zu den wichtigsten Fernseh- und Radioeigentümern gehören die Königsfamilie und andere politisch einflussreiche Unternehmer (ROG 2022).
Internationale NGOs werfen dem marokkanischen Staat vor, allgemeine Straftatbestände (Sexualstrafrecht, Steuerrecht, Verleumdung) zu nutzen, um kritische journalistische Stimmen und oppositionelle Meinungen zu unterdrücken. Aktivisten, die wegen ihres Engagements für Umweltschutz oder soziale Fragen vor Gericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt wurden. 2021 sind vermehrt Verfolgungen verschiedener Personengruppen aufgefallen, die in ihren Foren offen z. B. wirtschaftliche Missstände angeprangert und dabei den König angegriffen haben (AA 24.11.2021).
Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden. Es wurden auch 2021, Journalisten und Menschen, wegen ihrer kritischen, gewaltfreien Äußerungen in sozialen Medien, nach dem Strafgesetzbuch strafrechtlich verfolgt und inhaftiert (HRW 13.1.2022 ; vergleiche BS 23.2.2022). Sie wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, unter anderem wegen „mangelnden Respekts vor dem König“, „Diffamierung staatlicher Institutionen“ und „Beleidigung von Amtsträgern“ (HRW 13.1.2022). Aktuell [2022], befinden sich 3 Journalisten, 4 Medienmitarbeiter und 4 Blogger, bzw. Bürgerjournalisten in Haft (ROG 2022). Eine Reihe von Journalisten und Ativisten, die über die Hirak-Bewegung berichtet haben, wurden wegen Straftaten verurteilt. Der König hat auch das Vorrecht der Begnadigung (Artikel 58), und begnadigte am 30.7.2020 mehrere Mitglieder der Hirak-Bewegung. Ferner wurden Berichten zufolge Hirak-Aktivisten während ihrer Verhöre gefoltert und misshandelt (BS 23.2.2022).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die „roten Linien“ Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 24.11.2021). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 12.4.2022). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 24.11.2021; vergleiche USDOS 12.4.2022). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 24.11.2021; vergleiche FH 2.2022, USDOS 12.4.2022, HRW 13.1.2022). Ein großer Rückschlag für die Meinungsfreiheit und die bürgerlichen Freiheiten war auch die Verhaftung von Journalisten, Künstlern und Menschenrechtsaktivisten aufgrund verschiedener Anschuldigungen, die ein Zeichen dafür sind, dass das Justizsystem weiterhin gegen Kritiker und unabhängige Akteure eingesetzt wird (BS 23.2.2022).
Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 12.4.2022). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 13.1.2022). Politischen Oppositionsgruppen und Organisationen, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen, wird kein NGO-Status zuerkannt (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 21.3.2022
FH - Freedom House (2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 22.3.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066500.html, Zugriff 17.3.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
ROG - Reporter ohne Grenzen (2022): Rangliste der Pressefreiheit, Marokko, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/marokko, Zugriff 5.4.2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 14.4.2022
Opposition
Letzte Änderung: 22.04.2022
Die Gründung von neuen Parteien wurde mit der Verfassung von 2011 vereinfacht. Verboten bleibt die Gründung von Parteien auf ethnischer, religiöser, sprachlicher oder regionaler Grundlage. Zugelassene Oppositionsparteien sind in ihrer Arbeit nicht wesentlich eingeschränkt. Politische Debatten werden offen und kontrovers geführt, in anderen jedoch auch klar unterbunden. Parteiprogrammatik ist insgesamt schwach ausgeprägt (AA 24.11.2021). Zudem setzt das Regime verschiedene Strategien der politischen Manipulation ein, um die Oppositionsparteien zu schwächen, und so seine eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen zu schützen (BS 23.2.2022).
Neben der parlamentarischen Opposition sind im außerparlamentarischen Bereich vor allem folgende Gruppierungen zu nennen (AA 24.11.2021):
- Die durch den gewaltsamen Unfalltod eines Fischhändlers in Al Hoceima im Norden Marokkos im Oktober 2016 ausgelöste Protestbewegung Hirak war eine vor allem über die sozialen Netzwerke organisierte Bewegung ohne klare Strukturen mit sozioökonomischen Forderungen (AA 24.11.2021). Die Bewegung Hirak war hauptsächlich 2016 und 2017 aktiv, es kam zu starken Repressionen seitens des marokkanischen Staates (LVSL 28.12.2019), aber auch zu Begnadigungen (AA 24.11.2021). Verfahren gegen Beteiligte führten in den Folgejahren zu Solidaritätsbekundungen in Form von Protesten (LVSL 28.12.2019).
- al-Adl wal-Ihsan (AWI) ist die wichtigste islamistische Massenbewegung und der bedeutendste Gegenspieler der PJD [Anm.: Parti de la Justice et du Développement - Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, moderate islamistische Partei] im islamistischen Lager. Sie ist nicht als Verein registriert, dennoch wird sie von staatlicher Seite weitgehend geduldet. Die Organisation lehnt die Autorität des Königs als Amir al-Mouminin (Führer der Gläubigen) und damit einen der Grundpfeiler des marokkanischen Staates ab. Sie betätigt sich vor allem karitativ, mobilisiert für sozialpolitische Forderungen und kann vermutlich mehrere zehntausend Anhänger hinter sich versammeln (AA 24.11.2021).
- Die Bewegung al-Tawhid wal-Islah (Monotheismus und Reform) ist die weltanschauliche Heimat und religiöse Parallelorganisation der PJD. Sie hat Vorbehalte gegenüber westlichen Demokratie-Modellen und ist in ihren gesellschaftspolitischen Forderungen konservativer als die Partei PJD (AA 24.11.2021).
Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des „Wohlverhaltens“ sind die „roten Linien“ (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen. Durch Fokussierung auf Einzelfälle, deren Publizierung gar nicht behindert wird, entsteht eine generalpräventive Grundstimmung: die Marokkaner wissen sehr gut abzuschätzen, wann sie mit Äußerungen in tiefes Wasser geraten könnten. Dies hindert aber nicht, dass Jugend, Menschenrechtsaktivisten oder Interessenvertreter dennoch laufend ihre Stimme erheben - wobei nicht jede kritische oder freiherzige Äußerung unbedingt Konsequenzen haben muss; insbesondere Medien und Persönlichkeiten mit großer Sichtbarkeit wird ein gewisser Freiraum zugestanden. Gegenüber Regierung, Ministern und Parlament etwa kann ganz freimütig Kritik geübt werden. Die „kritische Masse“ für das Eingreifen der Obrigkeit scheint erst beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren zustande zu kommen: Etwa Infragestellen des Autoritätsgefüges (Königshaus, Sicherheitskräfte) oder Kritik am Umfeld des Hofes (Makhzen) verbunden mit öffentlich-medialer Reichweite des Autors (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 21.3.2022
LVSL - le vent se lève (28.11.2019): Répression des mouvements du Rif par l‘état marocain: aus origines de la fracture, https://lvsl.fr/repression-des-mouvements-du-rif-par-letat-marocain-aux-origines-de-la-fracture/, Zugriff 20.9.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
Haftbedingungen
Letzte Änderung: 22.04.2022
Die Zustände in den Gefängnissen haben sich verbessert, entsprechen jedoch in einigen Fällen nicht internationalen Standards (USDOS 12.4.2022). Artikel 23, der neuen Verfassung garantiert Gefangenen menschenwürdige Haftbedingungen. Ein Gesetzentwurf aus dem Jahr 2016 zur Einführung der Standardmindestregeln der Vereinten Nationen für die Behandlung Gefangener wurde noch nicht verabschiedet (AA 24.11.2021). Österreichische Häftlinge in Marokko bestätigten gegenüber der Botschaft die prekären Unterbringungsbedingungen, schlechte Ernährung und medizinische Versorgung, wiesen allerdings nicht auf Folterpraktiken hin (ÖB 8.2021). Andere Inhaftierte berichteten über Folter und andere Misshandlungen im Polizeigewahrsam (FH 28.2.2022).
Die Lage in den Haftanstalten bleibt vor allem wegen der chronischen Überbelegung problematisch. Die Situation in älteren Gefängnissen entspricht weiterhin nicht internationalen Standards. Mit Ausbruch der Covid-19-Pandemie wurden zwar über 5.000 Gefangene aus den chronisch überfüllten Haftanstalten freigelassen, im Gegenzug kam es allerdings bereits in den ersten Wochen zu über 27.000 neuen Verurteilungen (bei nahezu 50.000 Verhaftungen) wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Bestimmungen der staatlich verhängten Ausgangssperre. Mit Stand 31.12.2020 waren laut der zentralen Strafvollzugsbehörde (DGAPR) 84.990 Personen inhaftiert, davon 38.837 (45 %) Untersuchungshäftlinge, ca. 1.000 Minderjährige und ca. 950 Frauen. Zwischen 2016 und 2020 stieg die Zahl der Inhaftierten um ca. 8 % (AA 24.11.2021). In neueren Gefängnissen sind verurteilte Straftäter und Untersuchungshäftlinge getrennt untergebracht (USDOS 12.4.2022).
Der Menschenrechtsrat CNDH und die Strafvollzugsbehörde DGAPR haben das Mandat, Haftbedingungen auf Anfrage des Inhaftierten zu prüfen. Sie erfüllen effektiv die Funktion eines Ombudsmanns (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 24.11.2021). Die Regierung gestattet bestimmten NGOs mit Menschenrechtsauftrag, unbegleitete Kontrollbesuche durchzuführen. Die Regierungspolitik erlaubt den Zutritt zu den Gefangenen um diesen soziale, erzieherische oder religiöse Dienstleistungen zukommen zu lassen (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 22.3.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 14.4.2022
Todesstrafe
Letzte Änderung: 22.04.2022
Marokko verhängt weiterhin die Todesstrafe. Seit 1993 gilt jedoch ein de-facto-Moratorium, Todesurteile werden nicht mehr vollstreckt (AA 24.11.2021; vergleiche AI 2021, ECPM 2021). Im Jahr 2020 gab es gemäß AI zumindest ein Todesurteil (AI 2021), gemäß ECPM elf Todesurteile (ECPM 2021). Nach anderen Angaben wurde die Todesstrafe 2017 fünfzehn, 2018 zehn und 2019 elf Mal verhängt (AA 24.11.2021). Ende 2019 befanden sich 70 Personen zum Tode Verurteilte (darunter eine Frau) in Haft; nach neueren Angaben handelt es sich um ca. 77 Personen (ECPM 2021).
Die Partei PJD sowie konservative gesellschaftliche Kräfte lehnen mit Verweis auf den Koran und islamisches Recht eine vollständige Abschaffung der Todesstrafe ab. Eine breite zivilgesellschaftliche Koalition, der die wichtigsten marokkanischen NGOs und viele Abgeordnete beider Kammern des Parlaments angehören, engagiert sich für die Abschaffung der Todesstrafe. Beobachter halten eine Wiederaufnahme der Vollstreckung von Todesurteilen für unwahrscheinlich. In Auslieferungsverfahren besteht die Möglichkeit, eine Bestätigung zu erhalten, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt wird. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Zusage von marokkanischer Seite nicht eingehalten wird. Die marokkanischen Behörden gewähren der deutschen Botschaft den Zugang zu ausgelieferten marokkanischen Inhaftierten (AA 24.11.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
AI - Amnesty International (2021): Map of death penalties and executions around the world 2020 - Morocco (including Western Sahara), https://amnestywebsite.github.io/amnesty-death-penalty/?lang=en, Zugriff 21.9.2021
ECPM - Ensemble contre la peine de mort (2021): The death penalty worldwide in 2020 - Morocco, https://www.ecpm.org/en/the-death-penalty-worldwide/, Zugriff 21.9.2021
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 22.04.2022
Mehr als 99 % der Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Die restlichen religiösen Gruppen (Christen, Juden, schiitische Moslems und Baha’i) machen weniger als 1 % der Bevölkerung aus (AA 24.11.2021; vergleiche BS 23.2.2022, USDOS 12.5.2021).
Der sunnitische Islam malikitischer Rechtsschule ist Staatsreligion. Die verfassungsmäßige Stellung des Königs als Führer der Gläubigen und Vorsitzender des Ulema-Rats (Möglichkeit des Erlassens religiös verbindlicher Fatwas) ist weithin akzeptiert. Das Religionsministerium kontrolliert strikt alle religiösen Einrichtungen und Aktivitäten und gibt das wöchentliche Freitagsgebet vor (AA 24.11.2021; vergleiche USDOS 12.5.2021). Marokko hat sich bemüht, den religiösen Bereich zu reformieren, um der Zunahme radikaler religiöser Rhetorik entgegenzuwirken (BS 23.2.2022). Zur Prävention von Radikalisierung überwachen die Sicherheitsorgane islamistische Aktivitäten in Moscheen und Schulen (AA 24.11.2021).
Artikel 3, der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 24.11.2021; vergleiche USDOS 12.5.2021). Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch die Ausübung anderer anerkannter traditioneller Schriftreligionen wie Judentum und Christentum. Neuere Religionsgemeinschaften - wie etwa die Baha'i - werden ebenso wenig staatlich anerkannt, wie abweichende islamische Konfessionen wie zum Beispiel die Schiiten. Fälle staatlicher Verfolgung aufgrund der Ausübung einer anderen als den anerkannten Religionen sind nicht bekannt (AA 24.11.2021).
Missionierung ist in Marokko nur Muslimen (de facto ausschließlich den Sunniten der malikitischen Rechtsschule) erlaubt. Mit Strafe bedroht ist es, Gottesdienste jeder Art zu behindern, den Glauben eines (sunnitischen) Muslim „zu erschüttern“ und zu missionieren (Artikel 220, Absatz 2, des marokkanischen Strafgesetzbuches). Dies schließt das Verteilen nicht-islamischer religiöser Schriften ein. Bibeln sind frei verkäuflich, werden jedoch bei Verdacht auf Missionarstätigkeit beschlagnahmt. Ausländische Missionare können unverzüglich des Landes verwiesen werden, wovon die marokkanischen Behörden in Einzelfällen Gebrauch machen (AA 24.11.2021).
Laizismus und Säkularismus sind gesellschaftlich negativ besetzt, der Abfall vom Islam (Apostasie) gilt als eine Art Todsünde, ist aber nicht strafbewehrt (AA 24.11.2021; vergleiche BS 23.2.2022). Beleidigung des Islam wird allerdings kriminalisiert und kann mit einer Haftstrafe geahndet werden (BS 23.2.2022; vergleiche HRW 13.1.2022). Es gibt einen starken sozialen Druck, die islamischen Glaubensregeln zumindest im öffentlichen Raum zu befolgen. Grundsätzlich ist der freiwillige Religionswechsel Marokkanern nicht verboten, wird aber in allen Gesellschaftsschichten stark geächtet. Staatliche Stellen behandeln Konvertiten insbesondere familienrechtlich weiter als Muslime (AA 24.11.2021). Nicht-Muslime müssten zum Islam konvertieren, um die Pflegschaft für ein muslimisches Kind übernehmen zu können. Ein muslimischer Mann darf nach marokkanischem muslimischem Recht eine nicht-muslimische Frau heiraten, eine muslimische Frau kann dagegen in keinem Fall einen nicht-muslimischen Mann heiraten (AA 24.11.2021; vergleiche USDOS 12.5.2021).
Die Behörden verweigern weiterhin christlichen Gruppen die Freiheit, in Kirchen ihren Glauben auszuüben, das Recht auf christliche Heirat sowie Begräbnis und das Recht, Kirchen zu errichten (USDOS 12.5.2021).
Es gibt Berichte von gesellschaftlicher Diskriminierung basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung. Christen berichten über sozialen Druck seitens nicht-christlicher Familienangehöriger und Freunde, zum Islam zu konvertieren. Juden leben vorwiegend unbehelligt im Land und können Gottesdienste in Synagogen feiern, es gibt jedoch vereinzelte Fälle von Antisemitismus. Christliche und jüdische Vertreter stellten eine Verbesserung im Bereich der gesellschaftlichen Toleranz seit dem Besuch von Papst Franziskus und Stellungnahmen des Königs dazu im Jahr 2019 fest. Wie schon in Bezug auf das Jahr 2019 gaben die Baha'i an, dass sie im Laufe des Jahres 2020 keine Belästigungen erfahren haben. Angehörige des Baha'i-Glaubens sprechen offen mit Familie, Freunden und Nachbarn über ihren Glauben (USDOS 12.5.2021). Marokkanische Christen und andere Religionsgemeinschaften üben ihren Glauben in der Regel nur im privaten Bereich aus. Marokkaner werden von staatlichen Organen gehindert, Gottesdienste in „ausländischen“ Kirchen zu besuchen, und riskieren bei jeder öffentlichen Glaubenspraxis den Vorwurf des Missionierens (AA 24.11.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf Zugriff 17.3.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 21.3.2022
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066500.html, Zugriff 17.3.2022
USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051671.html, Zugriff 21.9.2021
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 22.04.2022
Marokko erkennt ausdrücklich in seiner Verfassung die Diversität der Nation an. Staatliche Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten ist nicht vorhanden (AA 24.11.2021). Die Verfassung enthält auch die Anerkennung der berberischen Wurzeln, Traditionen und Sprache gleichberechtigt neben dem arabischen und jüdischen Kulturerbe (ÖB 8.2021).
Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geografischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Der „Minderheitencharakter“ der Berber ist bei ca. 40 % der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln relativ zu sehen. Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung aufgrund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 8.2021).
Etwa die Hälfte der Bevölkerung macht eine berberische Abstammung geltend und spricht eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen. Dies ist wichtiger Teil ihrer Identität. Die meisten Berber in Marokko sehen sich jedoch nicht als ethnische Minderheit. Marokko fördert Sprache und Kultur der Berber inzwischen aktiv (AA 24.11.2021). Die Amazigh-Bevölkerung macht schätzungsweise 40 % der marokkanischen Bevölkerung aus (BS 23.2.2022). In Artikel 5 der Verfassung wurde Amazigh, neben Arabisch, als offizielle Sprache anerkannt (BS 23.2.2022), vorerst bestehen aber nur vereinzelt Ansätze, dies in die Praxis umzusetzen (z.B. Straßenschilder) (ÖB 8.2021). Amazigh ist Mitte 2019 per Gesetz als Unterrichtssprache aufgewertet worden (AA 24.11.2021). Der berberische Sprachunterricht im Schulsystem ist nur wenig dicht und führt über die 6. Schulstufe nicht hinaus. Folglich ist eine höhere Bildung in berberischer Sprache nicht möglich (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 21.3.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 22.04.2022
Gesetzlich sind innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Behörden respektieren diese Rechte üblicherweise (USDOS 12.4.2022). Auch Sahrawis/Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit (AA 24.11.2021). Die Regierung stellt Sahrawis üblicherweise weiterhin Reisedokumente zur Verfügung. Es wird allerdings von Fällen berichtet, wo die Behörden Sahrawis daran hinderten, Reisen anzutreten (USDOS 12.4.2022).
Wer nicht per Haftbefehl gesucht wird, kann unter Beachtung der jeweiligen Visavorschriften in der Regel problemlos das Land verlassen. Dies gilt auch für bekannte Oppositionelle oder Menschenrechtsaktivisten (AA 24.11.2021).
Es gibt einige Berichte wonach Regierungsbehörden lokalen und internationalen Organisationen sowie der Presse den Zugang zum Rif und der östlichen Region verweigern. Die Regierung bestreitet dies (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2071176.html, Zugriff 14.4.2022
Grundversorgung
Letzte Änderung: 22.04.2022
Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert (AA 24.11.2021). Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, Wasser, Strom und Abwasserentsorgung verbessert sich allmählich, aber es bestehen nach wie vor große infrastrukturelle Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sowie innerhalb marginalisierter städtischer Viertel, in denen es immer noch an grundlegenden Dienstleistungen mangelt. Insgesamt sind 77 % der Haushalte an Abwassersysteme und 85 % an verbesserte Wasserquellen angeschlossen. Einigen Gemeinden fehlen noch immer die technischen und finanziellen Mittel für die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen, einschließlich öffentlicher Verkehrsmittel (BS 23.2.2022). Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 24.11.2021).
Die marokkanische Wirtschaft ist grundsätzlich in einer guten Verfassung und von einem langjährigen Aufschwung geprägt. Der Anstieg in den zwei Jahren vor der Corona-Pandemie wurde in erster Linie von staatlichen und ausländischen Investitionen, dem privaten Konsum, stärkeren Exporten und durch verbesserte Agrarerträge getragen. Für die Jahre 2021/2022 wird das Wirtschaftswachstum auf 4 bis 5 % prognostiziert. Die Leistungsbilanz wird weiterhin von der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus Europa stark beeinflusst. Eine Rückkehr der Wirtschaftsleistung auf das Niveau von 2019 ist erst ab 2022 realistisch (WKO 2021).
Abgesehen von den Firmen- und Grenzschließungen aufgrund der Covid-19-Pandemie ist die Wirtschaftslage Marokkos von weiteren Faktoren beeinflusst. Positiv wirken sich auf die Wirtschaftslage z.B. die steigenden Exporte in der Automobilindustrie aus. Dennoch hängt das Wachstum weiterhin stark vom wetterabhängigen Agrarsektor ab. Im industriellen Bereich kam es bereits zu zahlreichen Investitionen in Umwelt- und Wassertechnologien, außerdem wurde der Maschinenpark modernisiert. Vor allem gibt es bei der absolut notwendigen und auch von der EU unterstützten Modernisierung des Industriesektors (programme de mise à niveau) zahlreiche Investitionschancen (WKO 2021).
Mittel- bis langfristig können die Wachstumsperspektiven, nicht zuletzt auch aufgrund der politischen Stabilität, als sehr gut eingestuft werden. Es herrscht eine grundsätzlich optimistische Stimmung und die Entwicklung Marokkos hin zu einem höheren Entwicklungsstand ist im Land auch visuell wahrnehmbar (WKO 2021).
Marokko ist ein agrarisch geprägtes Land: Die Landwirtschaft erwirtschaftet in Marokko ca. 20 % des BIP und ist damit der bedeutendste Wirtschaftszweig des Landes. Ca. zwei Drittel der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt, davon 18 % als Ackerland. Da davon nur rund 15 % systematisch bewässert werden, ist die Wetterabhängigkeit sehr hoch. Der Sektor schafft 40 % der Arbeitsplätze und ist Einkommensquelle für drei Viertel der Landbevölkerung. Von den 1,5 Mio. landwirtschaftlichen Betrieben sind mehr als zwei Drittel Kleinstbetriebe, die über weniger als drei Hektar Land verfügen, mit geringer Mechanisierung arbeiten und nur zu 4 % am Export beteiligt sind. Die modernen Landwirtschaftsbetriebe decken erst rund ein Achtel der kultivierbaren Gesamtfläche ab (WKO 25.10.2021).
Unsichere Arbeitsplätze und fehlende Möglichkeiten betreffen Arbeitnehmer im informellen Sektor, aber auch Facharbeiter und junge Hochschulabsolventen. Obwohl der Wert des Landes auf dem Index der menschlichen Entwicklung (HDI) von 0,608 im Jahr 2009 auf 0,686 im Jahr 2019 gestiegen ist, liegt Marokko auf Platz 121 von 189 Ländern und Gebieten und befindet sich damit in der mittleren Entwicklungskategorie (BS 23.2.2022).
Es wird davon ausgegangen, dass COVID-19 enorme soziale und wirtschaftliche Auswirkungen haben wird, vor allem auf gefährdete und unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen. Die Höhere Planungskommission Marokkos erwartet einen Anstieg der Armutsquote von 17,1 % (2019) auf 19,87 % (2020). Am stärksten ist die Pandemie im informellen Sektor und unter gering qualifizierten Arbeitnehmern sowie unter Migranten und Flüchtlingen zu spüren. Informell Beschäftigte sind anfälliger für Verarmung und Gesundheitsprobleme, da es ihnen an Unterstützungsmechanismen und Zugang zu sozialen Sicherheitsnetzen fehlt, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können (BS 23.2.2022).
Kurz gesagt, COVID-19 wird die Kluft zwischen den sozialen Schichten in Marokko vertiefen, zumal die Pandemie die Ungleichheiten beim Zugang zu Bildung verschärft hat, was es den Unterprivilegierten erschwert, ihre Lebensbedingungen zu verbessern (BS 23.2.2022).
Die Arbeitslosenquote ist 2021 auf 12,8 % gestiegen. Besonders betroffen sind junge Leute (30,8 %), Personen mit Hochschulabschluss (20,4 %) und Frauen (15,9 %). Das Lohnniveau für ungelernte Arbeitskräfte ist nach wie vor sehr niedrig (WKO 2021). Die Dunkelziffer liegt wesentlich höher - vor allem unter der Jugend. Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z. B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mithilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021).
Armut ist weit verbreitet, und für einen großen Teil der Bevölkerung gibt es kaum wirtschaftliche Möglichkeiten (FH 28.2.2022). Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.828 Dirham (ca. EUR 270). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.060 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 21.3.2022
FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022, Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2022, Zugriff 22.3.2022
ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (25.10.2021): Die marokkanische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-marokkanische-wirtschaft.html, Zugriff 25.3.2022
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2021): Marokko - Los geht's - Länderreport Außenwirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/marokko-laenderreport.pdf, Zugriff 23.9.2021
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 20.04.2022
Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern und gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards (AA 24.11.2021). Der öffentliche Gesundheitssektor ist in seiner Ausstattung und Qualität sowie bei der Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten (ÖB 8.2021). Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 24.11.2021). Es kommt zu einem ungleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung in den verschiedenen Regionen. Etwa 52 % der Ärzte befinden sich in den beiden Regionen Rabat-Salé-Kénitra und Casablanca-Settat, obwohl dort nur 34 % der Bevölkerung leben (Gesundheitsministerium, 2016). So hat nur 30 % der Landbevölkerung Zugang zu Gesundheitseinrichtungen (BS 23.2.2022). Im Mai 2021 streikten die Ärzte im öffentlichen Dienst 48-Stunden lang, um gegen die Untätigkeit der Behörden zu protestieren, und forderten eine bessere Ausstattung der öffentlichen Krankenhäuser, wie auch bessere Gehalts- und Arbeitsbedingungen (AI 29.3.2022).
Private Spitäler, Ambulanzen und Ordinationen bieten medizinische Leistungen in ähnlicher Qualität wie in Europa an, wenn auch nicht in allen fachmedizinischen Bereichen gleich und örtlich auf die Städte beschränkt (Casablanca, Rabat, Tanger und andere größere Städte). Diese Dienstleistungen sind freilich mit entsprechenden Honoraren verbunden. Eine Konsultation beim Wahlarzt (Allgemeinmedizin) kostet ab 150 Dirham (13 €), beim Facharzt ab 200 (17 €) Dirham bis 500 (45 €) Dirham und mehr bei Spezialisten (zum Vergleich der Mindestlohn: 2.570 Dirham/234 €) (ÖB 8.2021).
Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 24.11.2021).
Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 152 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 25.440 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.381 Einwohner); daneben bestehen 2.408 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei erhalten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 8.2021). Nach anderen Angaben sind medizinische Dienste kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt ein an die Beschäftigung geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNSS). Seit 2015 können sich unter bestimmten Umständen auch Studierende und sich legal im Land aufhaltende Ausländer versichern lassen. Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine Carte RAMED zur kostenfreien Behandlung erhalten (AA 24.11.2021).
Die Pandemie hat auch die Anfälligkeit der Gesundheitsinfrastrukturen deutlich gemacht. Marokko verdoppelte seine Kapazität an Krankenhausbetten, es wurden Testzentren eingerichtet und im Jänner 2021 startete landesweit eine massive Impfkampagne (BS 23.2.2022). Bis Ende des Jahres 2021 hatte Marokko rund 67 % der Bevölkerung vollständig gegen Covid-19 geimpft (AI 29.3.2022). Ende Jänner 2021 wurden 2,4 Infektionen pro 100.000 Menschen gemeldet, mit einer Sterblichkeitsrate von 1,8 %. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums starben mehr als 8.000 Menschen (BS 23.2.2022).
Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. auf vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3% der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis (Carte RAMED), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Morocco and Western Sahara 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070307.html, Zugriff am 31.3.2022
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Country Report 2022 – Morocco, Güterloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069692/country_report_2022_MAR.pdf, Zugriff 21.3.2022
ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021
Rückkehr
Letzte Änderung: 13.06.2022
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 24.11.2021).
Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 24.11.2021). Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat eine solche Abmachung getroffen. Freiwillige Rückkehrer werden bei der Ausreise und auch bei der Einreise nach Marokko unterstützt. Freiwillige Rückkehrer aus Österreich nach Marokko haben zudem die Möglichkeit, nach Bestätigung der Projektaufnahme durch das BFA und Erfüllung der Teilnahmekriterien, am Reintegrationsprojekt ERRIN, welches vom BMI in Österreich noch bis 30.6.2022 umgesetzt wird, teilzunehmen. Zudem kann es Unterstützungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene über den EU Trust Fund (EU-IOM Joint Initiative for Migrant Protection and Reintegration in North Africa) geben, diese wären aber gesondert nochmals nach Aktualität und Verfügbarkeit für Rückkehrer aus Österreich abzufragen (IOM 25.4.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2021),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2064695/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Marokko_%28Stand_November_2021%29%2C_24.11.2021.pdf, Zugriff 17.3.2022
IOM - International Organisation for Migration (25.4.2022): Informationen zur freiwilligen Rückkehr nach Marokko, Auskunft von IOM via E-Mail, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang und zum Sachverhalt:
Der oben unter Punkt römisch eins. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Marokko. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des in Vorlage gebrachten marokkanischen Reisepasses fest.
Die Feststellungen zu seiner Gesundheit, seinem erstmaligen Aufenthalt im Bundesgebiet, seinem Wohnsitz sowie zu seinen familiären und privaten Verhältnissen in Österreich ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und dem zentralen Melderegister.
Die Feststellung zum Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers in Spanien und seinen dortigen familiären und privaten Verhältnissen ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesonders den von ihm vorgelegen Dokumenten sowie seinen Angaben.
Die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Strafregister.
Die Feststellungen zu den seiner Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen sowie zu den Erwägungen des Strafgerichtes zur Strafbemessung ergeben sich aus dem im Akt enthaltenen Strafurteil.
2.3. Zum Herkunftsstaat:
Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen.
Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt.
Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstands, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegen.
Die herangezogenen Länderberichte waren daher nicht in Zweifel zu ziehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1 Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:
Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Angesichts der Tatsache, dass der maßgebende Sachverhalt von der belangten Behörde abschließend ermittelt wurde und der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen sowie eine initiative Darlegung für die Entscheidungsfindung relevanten Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erforderlich war, ist der Sachverhalt iSd Paragraph 21, Absatz 7, erster Fall BFA-Verfahrensgesetz aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte somit gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG in Verbindung mit Paragraph 24, VwGVG unterbleiben.
Zu A)
3.2. Zur Nicht-Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005:
Gemäß Paragraph 58, Absatz eins, Ziffer 5, AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen:
Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des Paragraph 46, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG war daher nicht zu erteilen.
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 57, AsylG 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. erster Spruchteil des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zur Rückkehrentscheidung:
3.3.1 Rechtslage
Gemäß Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich gemäß Paragraph 52, Absatz 6, FPG unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.
Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Absatz eins, zu erlassen.
Gemäß Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere die in Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Artikel 21 Absatz eins, Schengener Durchführungsübereinkommen normiert, dass Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einer der Vertragsparteien ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sich auf Grund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments höchstens bis zu drei Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien bewegen können, soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste der betroffenen Vertragspartei stehen.
Artikel 5 Absatz eins, des SDÜ lautet (auszugsweise):
(1) Für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten kann einem Drittausländer die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien gestattet werden, wenn er die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt:
a) Er muß im Besitz eines oder mehrerer gültiger Grenzübertrittspapiere sein, die von dem Exekutivausschuß bestimmt werden.
c) Er muß gegebenenfalls die Dokumente vorzeigen, die seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben.
d) Er darf nicht zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.
e) Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen.
Gemäß Artikel 20, Absatz eins, des SDÜ können sich sichtvermerksfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c, d und e angeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen.
Gemäß Paragraph 31, FPG Absatz eins, halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;
5. bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (Paragraph 2, Absatz 4, Ziffer 17 a,), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;
6. wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und Paragraph 18, Absatz 13, AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Artikel 6, Absatz eins, Litera e, SGK erfüllt sind;
7. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß Paragraph eins, Absatz 2, Litera h, AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Artikel 6, Absatz eins, Litera e, SGK erfüllt sind;
8. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Artikel 6, Absatz eins, Litera e, SGK erfüllt sind, oder
9. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
Liegt kein Fall des Paragraph 31, Absatz eins, FPG vor, halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf (Paragraph 31, Absatz eins a, FPG).
3.3.2 Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall
Zum Zeitpunkt der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides verfügte der Beschwerdeführer über einen gültigen spanischen Aufenthaltstitel und konnte sich somit grundsätzlich gemäß Artikel 21, SDÜ bis zu drei Monaten (innerhalb von sechs Monaten) rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Allerdings beging er das Verbrechen der gewerbsmäßigen Schlepperei.
Sein Aufenthalt war daher nicht rechtmäßig im Sinne des Paragraph 31, Absatz eins, Ziffer 3, FPG, sodass sich die belangte Behörde zutreffend auf Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG gestützt und eine Rückkehrentscheidung erlassen hat.
Zu prüfen ist daher, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Artikel 8, EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach Paragraph 55, AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Artikel 8, EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:
Der Beschwerdeführer hielt sich erst seit sehr kurzer Zeit im Bundesgebiet auf, er verfügt abgesehen von der Haftanstalt über keine behördliche Meldeadresse im Bundesgebiet.
Während dieses äußerst kurzen Zeitraums ist es nicht möglich, ein maßgebliches Privat- oder Familienleben zu entwickeln und der Beschwerdeführer hat das Vorliegen eines solchen auch nicht behauptet.
Der Beschwerdeführer ging keiner erlaubten Erwerbstätigkeit in Österreich nach. Weitere ausgeprägte private und persönliche Interessen hat er im Verfahren nicht dargetan.
Er verfügt über keine Kenntnisse der deutschen Sprache, ist nicht Mitglied eines Vereins oder einer sonstigen integrationsbegründenden Organisation und hat im Bundesgebiet keine Freundschaften geschlossen. Somit wurden im Verfahren keine Umstände dargetan, aus denen eine hinreichende Integration zu entnehmen wäre.
Es sind - unter der Schwelle des Artikel 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach Paragraph 9, BFA-VG miteinzubeziehen vergleiche dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Wie bereits ausgeführt ist eine besondere Vulnerabilität des Beschwerdeführers aber nicht erkennbar.
Im Hinblick darauf, dass der erwachsene Beschwerdeführer die Heimatsprache auf Mutterspracheniveau spricht und im Familienverband seiner aus Marokko stammenden Herkunftsfamilie lebt und auch in Marokko geheiratet hat, kann daher nicht gesagt werden, dass er dort seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zu Recht finden würde, auch wenn er den Großteil seines Lebens in Spanien verbrachte.
Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.
Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vergleiche das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/07/0007; vergleiche dazu auch das Erkenntnis VfSlg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass „eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.“).
Bei der gebotenen Interessensabwägung ist zu Lasten des Beschwerdeführers insbesondere sein strafgesetzwidriges Fehlverhalten zu berücksichtigen.
Es ist unbestritten, dass aufenthaltsbeendigende Maßnahmen auch unter dem Aspekt der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zu sehen sind. Vor diesem Hintergrund gefährdet sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dadurch überwiegt im gegenständlichen Fall das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung sein privates Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist daher nicht im Sinne von Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG unzulässig, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG nicht in Betracht kommt.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Artikel 8, EMRK, vergleiche Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Der Vollständigkeit halber ist überdies auf die Bestimmung des Paragraph 52, Absatz 6, FPG zu verweisen, mit welcher Artikel 6, Absatz 2, der Rückführungsrichtlinie umgesetzt wird.
Paragraph 52, Absatz 6, FPG lautet:
„§ 52. (6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Absatz eins, zu erlassen.“
Der Beschwerdeführer wurde trotz seines damals gültigen spanischen Aufenthaltstitels von der belangten Behörde offensichtlich nicht aufgefordert, sich unverzüglich nach Spanien zu begeben.
Nachdem im Bescheid jedoch festgestellt wurde, dass vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht, erscheint seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet notwendig. Wie auch im Rahmen der Prüfung des Einreiseverbotes zu zeigen sein wird, war der Beschwerdeführer im Bereich der Schlepperei aktiv.
Daher ist seine sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich und fand die Bestimmung des Paragraph 52, Absatz 6, FPG im gegenständlichen Fall zu Recht keine Anwendung.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Rückkehrentscheidung abzuweisen.
3.4. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative.
Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig wäre.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht vergleiche VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102).
Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174).
Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Artikel 3, EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen vergleiche VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).
Dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt:
Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und somit arbeitsfähig. Es wird ihm im Herkunftsstaat möglich sein, die Grundlagen für seine Existenz ins Verdienen zu bringen.
Außerdem besteht ganz allgemein in Marokko derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein "reales Risiko" einer gegen Artikel 2, oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des Paragraph 50, Absatz 2, FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.
Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko erfolgte daher zu Recht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich der Zulässigkeit der Abschiebung gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 9, FPG abzuweisen war.
3.5. Zum Einreiseverbot
Ein "Einreiseverbot" im Sinne des Artikel 3, der RL 2008/115/EG [über die Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger] ist „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht“.
Die Dauer des Einreiseverbotes ist ab dem Zeitpunkt zu berechnen, zu dem der Betroffene tatsächlich das Territorium der Mitgliedstaaten verlassen hat vergleiche EuGH 26.07.2017, C-225/16, Ouhrami).
Die belangte Behörde stützte die Verhängung des Einreiseverbotes auf Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 3, Ziffer eins, FPG. Die entsprechenden Bestimmungen lauten:
„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
[ ]
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins, ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Ziffer 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
[ ]“
Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat (u.a.) nach Paragraph 53, Absatz 3, Ziffer eins, FPG zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Der Ansicht, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche und gegenwärtige schwerwiegende Gefahr darstellt, ist aus folgenden Gründen beizutreten:
Wie das zuständige Landesgericht festhielt, ist der Beschwerdeführer folgender Straftat schuldig:
Er hat am 11.05.2022 in römisch 40 und andernorts die rechtswidrige Einreise oder Durchreise in Bezug auf zumindest drei Fremde in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er zwei tunesische und zwei marokkanische Staatsangehörige, die über keine Ausweis- und Reisedokumente verfügten, mit dem auf seine Frau angemeldeten PKW römisch 40 , römisch 40 , vom Grenzgebiet Serbien/Ungarn nach Österreich für einen Schlepperlohn von insgesamt je EUR 4.000,00 pro Person brachte.
Das Gericht bewertete dabei als mildernd das Geständnis.
Einem Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO („Diversion") standen generalpräventive Hindernisse entgegen.
Der Beschwerdeführer ist geständig, nach Österreich ausschließlich zur Begehung von Strafrechtsdelikten eingereist zu sein und somit seinen spanischen Aufenthaltstitel, der ihm visumsfreie Einreise ermöglicht, zur Schlepperei ausgenutzt zu haben.
Anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung versuchte der Beschwerdeführer weiters, seine Auftraggeber zu warnen, indem er auf der Polizeidienststelle vorgab, mit seiner Ehefrau telefonieren zu wollten, in Wirklichkeit aber seinen Kontakt anrief.
Wie das BFA dazu zutreffend festhielt, ist die gewerbsmäßige Schlepperei ein menschenverachtendes Geschäft.
Durch die Schleppung hätte sich der Beschwerdeführer nicht nur seinen eigenen Lebensunterhalt massiv aufgebessert, sondern auch die Zunahme der illegalen Migration gefördert, da es sich bei der Schlepperei um einen der größten Zweige der international agierenden organisierten Kriminalität handelt. Es war ihm vollkommen egal, ob er mit der Schleusung von mehreren illegalen Migranten die Republik Österreich schädigt.
Damit ist seine kriminelle Energie belegt.
Angesichts der aktuell grassierenden und immer weiter ansteigenden Schlepperkriminalität kam für das Gericht trotz Geständnis ein diversionelles Vorgehen aus generalpräventiven Gründen nicht in Betracht, daher wurde der Beschwerdeführer zu einer 21-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Tatbegehung rechtfertigt daher die Annahme, dass ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv gefährdet.
Der Beschwerdeführer ist weiters in Spanien strafrechtlich auffällig und weist Iaut Auskunft der spanischen Behörden im Jahr 2020 Vormerkungen wegen dreimaligem Bankbetrug, Raub mit Gewalt und sexuellem Übergriff auf.
Der Beschwerdeführer hat sohin insgesamt insbesondere das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten bzw. Erzielung von Einkünften aus illegalen Handlungen erheblich beeinträchtigt.
Es kann nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit ausgegangen werden:
Dazu bedarf es grundsätzlich eines längeren Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - maßgeblich ist (siehe VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0112).
Im konkreten Fall liegt ein längerer Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit beim in Strafhaft befindlichen Beschwerdeführer nicht vor.
Dem Beschwerdeführer kann daher keine positive Zukunftsprognose erstellt werden.
Ansatzpunkte für einen positiven Gesinnungswandel konnte das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls nicht erblicken.
Vielmehr zeigte sich der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde nicht reumütig und versuchte in seiner Stellungnahme, seine Straftaten entgegen den Feststellungen des Strafgerichts zu verschleiern.
Die belangte Behörde hat somit die verhängte Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbots nicht nur auf die Tatsache der Verurteilung bzw. der daraus resultierenden Strafhöhe, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt.
Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist, vergleiche VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603; VwGH 22.11.2012, 2012/23/0030) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer seit seiner Einreise durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
Die belangte Behörde hat sich hinreichend mit den konkreten Umständen des Einzelfalles auseinandergesetzt.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die Verhängung eines mehrjährigen Einreiseverbots effektiv begegnet werden kann. In der Gesamtschau der oben angeführten Umstände ist das Einreiseverbot dem Grunde nach als rechtmäßig zu qualifizieren.
Die belangte Behörde hat das Einreiseverbot daher zu Recht auf Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 3, Ziffer eins, FPG gestützt.
Angesichts der vorliegenden Schwere der Verstöße gegen österreichische Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist daher die Verhängung des Einreiseverbotes auch in der von der belangten Behörde ausgesprochenen Dauer als angemessen, erforderlich und darüber hinaus auch als verhältnismäßig zu erachten.
Der Vollständigkeit halber ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass das mit einer Rückkehrentscheidung verbundene Einreiseverbot jedenfalls das Hoheitsgebiet aller Mitgliedsstaaten, ausgenommen Irland und Vereinigtes Königreich sowie die assoziierten Schengen-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein umfasst vergleiche VwGH 22.05.2013, 2013/18/0021), und es gemäß Artikel 11, Absatz 4, der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger) dem jeweiligen Mitgliedsstaat zusteht, einen Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung für Drittstaatsangehörige auszustellen, gegen die ein Einreiseverbot eines anderen Mitgliedsstaates besteht vergleiche VwGH 13.09.2012, 2011/23/0413). Daher obliegt es dem Beschwerdeführer, sich gegebenenfalls um eine Erneuerung seines Aufenthaltstitels nach spanischem Recht zu bemühen.
Die Beschwerde gegen das Einreiseverbot war daher gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 3, Ziffer eins, FPG als unbegründet abzuweisen.
3.6. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:
Gemäß Paragraph 18, Absatz 2, Ziffer eins, BFA-VG kann vom Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Der Beschwerdeführer reiste nur zur Schleppung von Personen und damit zur Begehung von Straftaten nach Österreich ein und versuchte trotz Betretung auf frischer Tat, dies zu verschleiern.
Es ist daher konkret zu befürchten, dass er erneut straffällig wird, um Gewinn aus Schlepperei zu erzielen. Aus diesem Grund ist seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch fünf. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 18, Absatz 2, BFA-VG abzuweisen war.
3.6. Zur Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise
Gemäß Paragraph 55, Absatz 4, FPG hat das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß Paragraph 18, Absatz 2, BFA-VG aberkannt wurde.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid die aufschiebende Wirkung zu Recht aberkannt.
Nach Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK, Artikel 8, EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Wie bereits oben erörtert, besteht bei der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Marokko keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen.
Ein ungerechtfertigter und unzulässiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben liegt ebenfalls nicht vor.
Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt, wie bereits oben ausgeführt, einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides.
Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG gegeben.
Zu Recht hat daher die belangte Behörde Paragraph 55, Absatz 4, FPG zur Anwendung gebracht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich der Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG abzuweisen war.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
ECLI:AT:BVWG:2022:I406.2259473.1.00