Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

19.07.2022

Geschäftszahl

W212 2252664-1

Spruch


W212 2252664-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 geb. römisch 40 StA. Syrien, vertreten durch RA Dr. Gregor Klammer, 1160 Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2022, Zl. römisch 40 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit 3 Absatz eins, AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, Kurde und Sunnit, stellte nach illegaler Einreise, am 29.08.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet.

1.2. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.08.2021 gab der Beschwerdeführer zunächst an, an keinen Beschwerden oder Krankheiten zu leiden, die ihn an der Einvernahme hindern würden. Er habe aber eine Herzkrankheit und nehme Medikamente. Sein Herkunftsland habe er 2014 zu Fuß verlassen und sich in der Folge sieben Jahre in der Türkei aufgehalten. Danach sei er über Bulgarien, Serbien und Ungarn in Österreich eingereist. Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien wegen des Kriegs verlassen. Es gebe gar keine Sicherheit und habe er Angst um seine Kinder und seine Familie gehabt.

1.3. Am 20.10.2021 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen. Zu seinem Gesundheitszustand gab der Beschwerdeführer an, er sei herzkrank und habe hierzu auch Befunde aus der Türkei. Erstmals habe er Syrien 2012 in Richtung Türkei verlassen, sei aber dann wieder zurück nach Syrien gegangen. 2014 sei er endgültig aus Syrien ausgereist. Im Herkunftsstaat habe er von 1988 bis 1991 seinen Militärdienst geleistet, an Kriegshandlungen sei er nie beteiligt gewesen. Zu seinem Fluchtgrund erklärte der Beschwerdeführer, er wolle für seine Kinder eine bessere Zukunft, eine bessere Schulausbildung und dass sie in Frieden leben können. Seine Frau, die zwei gemeinsamen Kinder sowie eine Tochter aus seiner ersten Ehe würden sich in der Türkei aufhalten. Im Herkunftsstaat sei er nie persönlich bedroht worden und drohe ihm im Falle der Rückkehr keine Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe. Einer seiner Brüder würde in Österreich leben.

Vorgelegt wurden: syrischer Personalausweis;
Überweisung vom 01.10.2021;
Türkischer Befund vom 31.07.2019 (Setzung Stent);

1.4. Der in Deutschland lebende Sohn des Beschwerdeführers, römisch 40 trat hinsichtlich der Übermittlung von Unterlagen aus Syrien per E-Mail an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl heran.

Vorgelegt wurden:  gerichtliche Bestätigung der laufenden Ehe;

gerichtliche Bestätigung vom Stammbaum der Kinder des Beschwerdeführers;
Auszüge aus dem Personenregister;
Auszug aus dem Familienregister;

1.5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2022, zugestellt am 02.02.2022, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe. Er leide an keiner schwerwiegenden lebensbedrohlichen Erkrankung. Der Beschwerdeführer habe sein Herkunftsland wegen der allgemeinen Folgen des Bürgerkriegs verlassen, er sei weder bedroht noch verfolgt worden. Zu der Angabe des Beschwerdeführers, er würde in Syrien gezwungen werden mitzukämpfen, wurde ausgeführt, dass es die Behörde als nicht plausibel und glaubhaft erachte, dass er sein Heimatland wegen des Wehrdienstes bzw. einer potenziellen Einberufung zum vorherrschenden (Bürger-)Krieg verlassen habe. Eine konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr auf Grund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sei nicht glaubhaft vorgebracht worden. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen würden keine Hinweise auf einen Sachverhalt vorliegen, welcher gemäß Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK zur Gewährung von Asyl führen würde. Unabhängig davon wurde ihm aufgrund der aktuellen Situation in Syrien der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

1.6. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des oben genannten Bescheides wurde am 01.03.2022 fristgerecht eine Beschwerde erhoben. Inhaltlich wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Zwangsrekrutierung fürchte. Die Armee suche verzweifelt nach Rekruten, sodass sogar ältere Männer, die gesundheitlich nicht in bestem Zustand seien, eingezogen werden. Es sei somit nicht unwahrscheinlich, dass auch der Beschwerdeführer eingezogen würde, zumal er eine militärische Ausbildung habe. Wenn er einer Einziehung nicht entkommen könne, könne er als Soldat in Syrien jederzeit in eine Situation geraten, bei der er an völkerrechtswidrigen Militäraktionen teilnehmen müsse oder in lebensgefährdende Situationen geraten würde. Es sei auch allgemein bekannt, dass Menschen wie dem Beschwerdeführer unterstellt werde, politischer Opponent zu sein. Der Beschwerdeführer verweigere den Einsatz im Kampf, sei politischer Opponent und habe im westlichen Ausland gelebt. Es könne davon ausgegangen werden, dass eine Rückkehr syrischer Staatsangehöriger vom Ausland nach Syrien von den syrischen Behörden registriert werde und die Rückkehr mit einer „Kontrolle“ etwa im Hinblick auf die Zugehörigkeit/Nähe zu einer gegnerischen Konfliktpartei zu rechnen habe. Die Kriterien nach welchen die syrische Regierung die Zuordnung „Regimegegner/Oppositioneller“ vornehme, sei weit. Die belangte Behörde hätte dem Antrag des Beschwerdeführers deshalb zweifelsfrei stattgeben und ihm den Status des Asylberechtigten zuerkennen müssen.

1.7. Die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsakt langte am 09.03.2022 vollständig beim Bundesverwaltungsgericht ein.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch ersichtlichen Personalien, ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und des sunnitischen Islam. Seine Identität steht nicht fest. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Der Beschwerdeführer wurde im Dorf römisch 40 in der Provinz Aleppo geboren. Im Herkunftsstaat hat er 12 Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Danach studierte er ein Jahr Wirtschaft. Gearbeitet hat er unter anderem als Volksschullehrer. 2012 hat er Syrien zum ersten Mal verlassen und über ein Jahr in der Türkei gelebt. Er reiste kurzzeitig zurück nach Syrien, verließ das Land im Jahr 2014 aber endgültig. Im Herkunftsstaat lebt noch ein Bruder des Beschwerdeführers, mit dem er über WhatsApp in Kontakt steht.

Nach seiner Ausreise aus Syrien im Jahr 2014 lebte der Beschwerdeführer sieben Jahre mit seiner Frau und drei Kindern in der Türkei. Danach reiste er über Bulgarien, Serbien und Ungarn in Österreich ein, wo er am 29.08.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Seine Frau und die Kinder halten sich weiterhin in der Türkei auf.

Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer einen Bruder, römisch 40 Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer leidet an Hyperlipidämie und Hypertonie. In der Türkei wurde dem Beschwerdeführer ein Stent gesetzt. An akut lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden physischen oder psychischen Erkrankungen leidet der Beschwerdeführer nicht. Er ist arbeitsfähig.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hat sein Herkunftsland hauptsächlich wegen des herrschenden Krieges und der Sicherheitslage verlassen.

Der Beschwerdeführer hat seinen verpflichtenden Wehrdienst in Syrien bereits von 1988 bis 1991 abgeleistet und war nie an Kriegshandlungen beteiligt. Er ist mittlerweile 56 Jahre alt und hat bis zu seiner endgültigen Ausreise aus Syrien im Jahr 2014 keinen Einberufungsbefehl erhalten. Nicht festgestellt wird, dass hinsichtlich des Beschwerdeführers eine Gefahr besteht als Reservist zur syrischen Armee eingezogen oder zwangsrekrutiert zu werden. Folglich wird auch eine Gefahr, durch das syrische Regime wegen einer Wehr- oder Reservedienstverweigerung als oppositionell eingestuft zu werden, nicht festgestellt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an Demonstrationen teilgenommen hat. Selbst bei Wahrunterstellung wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer deshalb einer Gefährdung durch die syrische Regierung ausgesetzt war bzw. ausgesetzt sein wird.

Eine Gefährdungslage betreffend den Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden wird ebenfalls nicht festgestellt.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

COVID-19

Letzte Änderung: 17.11.2021

Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation folgende Website der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der Johns Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.

Am 22.3.2020 wurde der erste Fall einer COVID-19 infizierten Person in Syrien bestätigt (ÖB 29.9.2020). Unbestätigte Berichte deuteten damals darauf hin, dass das Virus schon früher entdeckt worden war, dies aber vertuscht wurde (Reuters 23.3.2020). Dem ersten bestätigten Fall folgten weitreichende Maßnahmen (u.a. Ausgangssperren, Verkehrsbeschränkungen, Schließungen von Bildungseinrichtungen und Geschäften), die zwischenzeitig weitgehend aufgehoben wurden. Die Pandemie traf das Land mit einem Gesundheitssystem, das durch den Konflikt schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dies trifft gerade auch für die humanitären Brennpunkte mit hunderttausenden Binnenvertriebenen (IDPs) vor allem im Nordwesten zu (ÖB 29.9.2020).

Trotz der katastrophalen humanitären Lage in Syrien sind dort weit weniger Fälle und Todesfälle gemeldet worden als in den Nachbarländern (BBC 13.10.2020). Die offiziell bekannt gegebenen Zahlen für die von der Regierung kontrollierten Gebiete in Syrien sind sehr niedrig, ebenso die Zahl der Tests (ÖB 29.9.2020). Angesichts der begrenzten Anzahl von Tests in ganz Syrien ist es wahrscheinlich, dass die tatsächliche Zahl der Fälle die offiziellen Zahlen bei weitem übersteigen könnte (UNOCHA/WHO 10.6.2021: vergleiche TG 29.4.2021). Eine britische Studie schätzt, dass nur 1,25% der Infektionen gemeldet werden. Mitte August 2020 wurde allein in der Hauptstadt Damaskus die Zahl der Infizierten auf 112.500 geschätzt (AA 4.12.2020). Die Regierung erhielt mit Stand März 2021 geschätzte 120.000 Testsets und andere Ausrüstung von unterschiedlichen Ländern und soll diese an private Labore verkauft haben, statt sie im öffentlichen Gesundheitssystem zu verteilen. Es gibt auch Anschuldigungen, dass die Regierung Lieferungen, die für oppositionelle Gebiete bestimmt waren, für ähnliche Zwecke beschlagnahmt hat bzw. sich bemüht Hilfsgüter in die eigenen Gebiete zu lenken (COAR 10.3.2021).

Epidemiologische Analysen deuten auf eine zweite Welle Mitte Dezember 2020 hin, als die Zahl der Fälle (3.547) die höchste war, die bisher in einem einzigen Monat gemeldet wurde. Nach einem relativen Abflauen der gemeldeten Fälle im Februar 2021 stiegen die Zahlen im Berichtszeitraum Ende März bis Anfang April 2021 wieder an, was möglicherweise auf eine dritte Welle hindeutet. Von Mai bis Mitte Juni 2021 hat die Zahl der gemeldeten Fälle wieder abgenommen, bleibt aber immer noch relativ hoch mit signifikanten Positivitätsraten bei begrenzten Tests (UNOCHA/WHO 10.6.2021).

Die seit Juli 2020 gemeldete stetige Zunahme des betroffenen Gesundheitspersonals unterstreicht - angesichts des fragilen Gesundheitssystems Syriens mit einer ohnehin schon unzureichenden Zahl an qualifiziertem Gesundheitspersonal - das Potenzial einer weiteren Beeinträchtigung der überforderten Gesundheitskapazitäten. Humanitäre Akteure erhalten weiterhin Berichte, dass das Gesundheitspersonal in einigen Gebieten nicht über ausreichende persönliche Schutzausrüstung verfügt (UNOCHA/WHO 10.6.2021). Staatliche Spitäler, besonders in der Gegend von Damaskus, sind mit Patienten überfüllt und haben keine Beatmungsgeräte mehr (CGP 13.10.2020). Im April 2020 wurden die Kapazitäten der Intensivstationen in Damaskus als ausgeschöpft gemeldet (TG 29.4.2021).

Unterdessen sagen die unterbesetzten medizinischen Fachkräfte, dass sie ihre Aufgaben unter der Aufsicht der mächtigen Sicherheitsdienste erfüllen müssen, welche die staatlichen Gesundheitseinrichtungen überwachen. Dies soll abschreckend auf Patienten wirken, die bereits zögern, sich in einem Land behandeln zu lassen, in dem die Angst vor dem Staatsapparat groß ist und jede kritische Diskussion über den Umgang mit der Pandemie als Bedrohung für eine Regierung angesehen werden könnte, die entschlossen ist, eine Botschaft der Kontrolle zu vermitteln (AJ 5.10.2020). Menschenrechtsaktivisten zufolge verhaftete das Regime Gesundheitsdienstleister, die mit internationalen Medien über die COVID-19-Krise sprachen oder dem streng kontrollierten Narrativ über die Auswirkungen der Pandemie auf das Land widersprachen (USDOS 30.3.2021).

Unterdessen verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage Syriens weiter. In Verbindung mit dem plötzlichen Zusammenbruch des syrischen Pfunds hat COVID-19 die rapide Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage Syriens im Sommer 2020 noch verschärft. Die aktuelle Wirtschaftslage, zusammen mit den beschädigten Lieferketten durch die Explosion in Beirut am 4.8.2020 (UNSC 30.9.2020) und dem Verlust von Arbeitsplätzen aufgrund der Auswirkungen von COVID-19, insbesondere bei Tagelöhnern oder der Saisonarbeit, in Verbindung mit dem Anstieg der Nahrungsmittelpreise (UNOCHA/WHO 29.9.2020) haben dazu geführt, dass jetzt geschätzte 12,4 Millionen Menschen in Syrien von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, ein Anstieg um 4,5 Millionen innerhalb eines Jahres (UNOCHA/WHO 10.6.2021).

Ende September 2021 steht Syrien Berichten zufolge vor einem neuen Anstieg der COVID-19-Infektionen sowohl in den vom Regime kontrollierten Gebieten als auch in den Gebieten der Opposition. Der Anstieg der Krankheits- und Todesfälle war im dicht besiedelten, von der Opposition gehaltenen Nordwesten des Landes in der Nähe der türkischen Grenze besonders alarmierend, wo über vier Millionen Menschen leben, darunter fast eine halbe Million allein in Notzelten. Der jüngste Anstieg ist auf die Delta-Variante zurückzuführen, für die eine Welle von Besuchern aus dem Ausland im Sommer verantwortlich gemacht wird, heißt es (Reuters 22.9.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/60 38295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_i n_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=224799 18&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AJ - Al Jazeera (5.10.2020): In COVID-hit Syria, people 'prefer to die than come to hospital', https://www.aljazeera.com/features/2020/10/5/covid-19-syria-hospital, Zugriff 16.10.2020

             BBC - BBC News (13.10.2020): Coronavirus: Syria government 'prepares for virus second wave', https://www.bbc.com/news/world-middle-east-54522725, Zugriff 16.10.2020

             CGP - Center for Global Policy (13.10.2020): How the Syrian Regime Undermines the Response to COVID-19, https://cgpolicy.org/articles/how-the-syrian-regime-undermines-the-response-to-covid-19/, Zugriff 22.10.2020

             COAR - Center for Operational Analysis and Research (10.3.2021): Syrian Public Health after COVID-19: Entry Points and Lessons Learned from the Pandemic Response, https://coar-global.org/2021/03/10/syrian-public-health-after-covid-19-entry-points-and-lessons-learned-from-the-pandemic-response/, Zugriff 11.6.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

             Reuters (22.9.2021): Syria sees spike in COVID-19 cases as fears grow of new wave, https://www.reuters.com/world/middle-east/syria-sees-spike-covid-19-cases-fears-grow-new-wave-2021-09-22/, Zugriff 30.9.2021

             Reuters (23.3.2020): Shattered by years of war, Syria braces for coronavirus spread, https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-syria/shattered-by-years-of- war-syria-braces-for-coronavirus-spread-idUSKBN21A39M, Zugriff 16.10.2020

             TG - The Guardian (29.4.2021): Millions at risk from Covid surge in Syria amid test and oxygen shortages, https://www.theguardian.com/world/2021/apr/29/millions-at-risk-from-covid-surge-in-syria-amid-test-and-oxygen-shortages, Zugriff 11.6.2021

             UNOCHA/WHO - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs/World Health Organization (10.6.2021): SYRIAN ARAB REPUBLIC: COVID-19 Humanitarian Update No. 26, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Syrian%20Arab%20Republic%20-%20COVID-19%20Humanitarian%20Update%20No.%2026%20As%20of%2010%20June%202021.pdf, Zugriff 14.6.2021

             UNOCHA/WHO - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs/World Health Organization (29.9.2020): SYRIAN ARAB REPUBLIC: COVID-19 Humanitarian Update No. 19, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Syria_COVID-19_Humanitarian Update_No 19_29Sept2020_FINAL.pdf, Zugriff 16.10.2020

             UNSC - United Nations Security Council (30.9.2020): October 2020 Monthly Forecast - Middle East - Syria, https://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2020-10/syria-24.php, Zugriff 21.10.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 30.09.2021

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 25.2.2019). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, repressivem Zwang, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Obwohl das Regime oft als alawitisch und als Beschützer anderer religiöser Minderheiten bezeichnet wird, ist die Regierung kein wirkliches Instrument für die politischen Interessen der Minderheiten (FH 3.4.2020).

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Baʿath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die syrische Verfassung sieht die Baʿath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 30.3.2021). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten der Regierung Assads entwickeln könnten. Ausländische Akteure wie Russland, der Iran und die libanesische schiitische Miliz Hizbollah üben aufgrund ihrer Beteiligung am Krieg und ihrer materiellen Unterstützung für die Regierung ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den vom Regime kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten wird die zivile Politik häufig den von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppen untergeordnet. Die PYD dominierte politisch sowohl die Araber als auch die Kurden in den kurdischen Gebieten, während die USA dort militärisch präsent waren. Der Abzug der USA im Oktober 2019 und der anschließende Einmarsch der türkischen Streitkräfte hat der Türkei seitdem die Möglichkeit gegeben, stattdessen mehr Einfluss auszuüben (FH 4.3.2020).

Wahlen

Wahlen in Syrien dienen nicht dazu, Entscheidungsträger zu finden, sondern dem Staat den Anschein eines demokratischen Verfahrens zu geben, Normalität zu demonstrieren und die Fassade von demokratischen Prozessen aufrechtzuerhalten (BS 29.4.2020). Mitte September 2018 wurden in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten zum ersten Mal seit 2011 wieder Kommunalwahlen abgehalten (IFK 10.2018; vergleiche WKO 11.2018). Der Sieg von Assads Baʿath Partei galt als wenig überraschend. Geflohene und Binnenvertriebene waren von der Wahl ausgeschlossen (WKO 11.2018).

Im Juli 2020 fanden nach zweimaligem Verschieben des Wahltermins aufgrund der COVID-19-Pandemie die dritten Parlamentswahlen seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs statt. Vom Urnengang ausgeschlossen waren Syrer, die außerhalb der von der Regierung kontrollierten Gebiete im Nordwesten und Nordosten Syriens leben (COAR 27.7.2020). Die herrschende Ba'ath-Partei von Präsident Bashar al-Assad gewann wie erwartet die Mehrheit. Die Baʿath-Partei und deren Verbündete schlossen sich zum Bündnis der "Nationalen Einheit" zusammen (DS 21.7.2020) und gewannen 70% der Parlamentssitze (Duclos 31.7.2020). Die übrigen Sitze gingen an Parteien, die mit der Baʿath-Partei verbunden sind, und nominell unabhängige Kandidaten mit Verbindungen zu Präsident Assad (COAR 27.7.2020). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, die das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (TWP 22.7.2020). Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in Wahllokalen, somit gibt es keinen Mechanismus, um zu überprüfen, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Jede Partei oder jeder Kandidat, der kandidieren möchte, muss die Namen seiner Mitglieder nach denen der Baʿath-Partei auflisten, so dass jeder, der kandidiert, automatisch die Namen der Baʿath-Mitglieder in den Vordergrund rückt. Druckereien dürfen auf Anordnung des Geheimdienstes keine Listen ohne die Namen der Baʿath-Kandidaten drucken. Daher ist jeder, der kandidiert, standardmäßig nur ein Zusatz zu den Baʿath-Kandidaten (AAN/MEI 24.7.2020).

Im Mai 2021 wurden in den von der Regierung kontrollierten Gebieten und einigen syrischen Botschaften im Ausland Präsidentschaftswahlen abgehalten, bei denen Bashar al-Assad mit 95,1% gewann und damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt wurde. Zwei kaum bekannte Personen sind als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5% und 3,3% der Stimmen (DS 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als "weder frei noch fair" und "betrügerisch" und die Opposition nannte sie eine "Farce" (DS 28.5.2021).

Territorien

Durch massive syrische und russische Luftangriffe und das Eingreifen Irans bzw. durch Iran unterstützter Milizen hat das syrische Regime mittlerweile alle Landesteile außer Teile des Nordwestens, Nordens und Nordostens von der bewaffneten Opposition zurückerobert. Die Anzahl der Kampfhandlungen ist nach Rückeroberung weiter Landesteile zurückgegangen, jedoch besteht die Absicht des syrischen Regimes, das gesamte Staatsgebiet zurückerobern und "terroristische" Kräfte vernichten zu wollen, unverändert fort. Zuletzt erklärte Assad im August 2020 bei einer Rede vor dem syrischen Parlament die "Befreiung" aller syrischen Gebiete zum prioritären Ziel. Trotz der großen Gebietsgewinne durch das Regime besteht die Fragmentierung des Landes in Gebiete, in denen die territoriale Kontrolle von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt wird, fort. Dies gilt insbesondere für den Nordwesten und Nordosten des Landes (AA 4.12.2020). [Anm.: Nähere Informationen finden sich im Kapitel "Sicherheitslage".] Die Präsenz ausländischer Streitkräfte, die ihren politischen Willen geltend machen, untergräbt weiterhin die staatliche Souveränität, und Zusammenstöße zwischen bewaffneten regimefreundlichen Gruppen deuten darauf hin, dass die Regierung nicht in der Lage ist, die Akteure vor Ort zu kontrollieren. Darüber hinaus hat eine aufstrebende Klasse wohlhabender Kriegsprofiteure begonnen, ihren wirtschaftlichen Einfluss und den Einfluss von ihnen finanzierter Milizen zu nutzen, und innerhalb der staatlichen Strukturen nach legitimen Positionen zu streben (BS 29.4.2020).

Durch die Eskalation des Syrien-Konfliktes verlagerte sich die Macht zu regieren in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten zunehmend auf die Sicherheitskräfte. In Gebieten außerhalb der Kontrolle der Regierung ist dies nicht anders. Extremistische Rebellengruppierungen, darunter vor allem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), haben die Vorherrschaft in Idlib. Lokalräte werden von militärischen Einheiten beherrscht, die momentan unter der Kontrolle von HTS stehen. In den kurdischen Gebieten in Nordsyrien dominiert die Partei der Demokratischen Union (PYD). Obwohl es Lippenbekenntnisse zur Integration arabischer Vertreter in Raqqa und Deir ez-Zour gibt, ist die Dominanz der PYD bei der Entscheidungsfindung offensichtlich. Die PYD hat zwar eine Reihe von Verwaltungsorganen auf verschiedenen Ebenen eingerichtet, es ist jedoch ein kompliziertes System mit sich überschneidenden Zuständigkeiten, das es für die Bürger schwierig macht, sich an der Politik zu beteiligen, wenn sie nicht bereits in die Parteikader integriert sind (BS 29.4.2020). Die PYD [ihrerseits nicht von EU oder USA verboten, Anm.] gilt als syrischer Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) (KAS 4.12.2018a).

Der sogenannte IS wurde im März 2019 aus seinem Gebiet in Syrien zurückgedrängt, nachdem kurdische Kräfte seine letzte Hochburg erobert hatten. Seitdem haben IS-Kämpfer das ganze Jahr 2019 über mit Guerillataktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führer angegriffen (FH 4.3.2020)

Nordost-Syrien

2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der PKK, deren Mitglieder die PYD gründeten, gekommen sein. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine "zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baʿath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrin, Ain al-Arab (Kobane) und die Jazira von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017). Im März 2016 wurde in dem Gebiet, das zuvor unter dem Namen "Rojava" bekannt war, die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte (SWP 7.2018; vergleiche KAS 4.12.2018a). Afrin im Nordwesten Syriens wird von der Türkei und alliierten syrischen oppositionellen Milizen kontrolliert (BBC 28.4.2020).

Die syrischen Kurden unter Führung der PYD beanspruchen in den Selbstverwaltungskantonen ein Gesellschaftsprojekt aufzubauen, das von basisdemokratischen Ideen, von Geschlechtergerechtigkeit, Ökologie und Inklusion von Minderheiten geleitet ist. Während Befürworter das syrisch-kurdische Gesellschaftsprojekt als Chance für eine künftige demokratische Struktur Syriens sehen, betrachten Kritiker es als realitätsfremd und autoritär (KAS 4.12.2018a). Das Ziel der PYD ist nicht die Gründung eines kurdischen Staates in Syrien, sondern die Autonomie der kurdischen Kantone als Bestandteil eines neuen, demokratischen und dezentralen Syriens (KAS 4.12.2018a; vergleiche BS 29.4.2020). Die PYD hat sich in den kurdisch kontrollierten Gebieten als die mächtigste politische Partei im sogenannten Kurdischen Nationalrat etabliert, ähnlich der hegemonialen Rolle der Baʿath-Partei in der Nationalen Front (BS 2018). Die PYD kontrollierte im Allgemeinen die politische und staatliche Landschaft in Nordostsyrien, während sie eine arabische Vertretung in den lokalen Regierungsräten zuließ. Die Partei behielt jedoch die Gesamtkontrolle über kritische Entscheidungen der lokalen Räte. Der PYD nahestehende interne Sicherheitskräfte haben Berichten zufolge zeitweise vermeintliche Gegner festgenommen und verschwinden lassen (USDOS 30.3.2021). Ihr militärischer Arm, die YPG sind zudem die dominierende Kraft innerhalb des Militärbündnisses Syrian Democratic Forces (SDF). Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Flüchtlingswelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet "belohnt" zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018a).

Die syrische Regierung erkennt die kurdische Enklave oder Wahlen, die in diesem Gebiet durchgeführt werden, nicht an (USDOS 30.3.2021). Im Zuge einer türkischen Militäroffensive, die im Oktober 2019 gestartet wurde, kam es jedoch zu einer Einigung zwischen beiden Seiten, da die kurdischen Sicherheitskräfte die syrische Zentralregierung um Unterstützung in der Verteidigung der kurdisch kontrollierten Gebiete baten. Die syrische Regierung ist daraufhin in mehrere Grenzstädte eingerückt (DS 15.10.2019).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 18.8.2020

             AAN/MEI - Ayman Abdel Nour in Middle East Institute (24.7.2020): Syria’s 2020 parliamentary elections: The worst joke yet, https://www.mei.edu/publications/syrias-2020-parliamentary-elections-worst-joke-yet, Zugriff 18.8.2020

             BBC - BBC News (28.4.2020): Syria war: Dozens killed in truck bomb attack at Afrin market, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-52454134, Zugriff 18.8.2020

             BBC - BBC News (25.2.2019): Why is there a war in Syria?, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-35806229, Zugriff 18.8.2020

             BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 19.8.2020

             BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2019 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427445/488327_en.pdf, Zugriff 29.9.2021

             COAR - Center for Operational Analysis and Research (27.7.2020): Potemkin parliament: Baathists consolidate control as access to power shifts, https://coar-global.org/2020/07/27/potemkin-parliament-baathists-consolidate-control-as-access-to-power-shifts/, Zugriff 15.9.2021

             DS - Der Standard (28.5.2021): Syriens Machthaber Assad erhält bei "Präsidentenwahl" 95 Prozent, https://www.derstandard.at/story/2000126983065/syriens-machthaber-assad-erhaelt-bei-praesidentenwahl-95-prozent, Zugriff 11.6.2021

             DS - Der Standard (21.7.2020): Assads Baath-Partei gewinnt Mehrheit bei Parlamentswahl in Syrien, https://www.derstandard.at/story/2000118902082/assads-baath-partei-gewinnt-mehrheit-bei-parlamentswahl-in-syrien, Zugriff 18.8.2020

             DS - Der Standard (15.10.2019): "Schmerzhafter Kompromiss" für Kurden in Nordsyrien, USA verhängen Sanktionen, https://www.derstandard.at/story/2000109839161/erdogan-kuendigt-ausweitung-der-offensive-in-syrien-an, Zugriff 19.8.2020

             Duclos, M. in Atlantic Council (31.7.2020): The Syrian parliamentary elections were a mockery, https://www.atlanticcouncil.org/blogs/menasource/the-syrian-parliamentary-elections-were-a-mockery/, Zugriff 15.9.2021

             FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2030806.html, Zugriff 27.9.2021

             IFK - Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (10.2018): Factsheet Syrien No. 70, 14. August 2018 - 2.10.2018, http://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen/fact_sheet_syr_70_deu.pdf, Zugriff 18.8.2020

             KAS - Konrad Adenauer Stiftung [Gürbey, Gülistan] (4.12.2018a): Zwischen den Fronten - Die Kurden in Syrien, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/zwischen-den-fronten-1, Zugriff 18.8.2020

             Reuters (28.5.2021): Syria’s Assad wins 4th term with 95% of vote, in election the West calls fraudulent, https://www.reuters.com/world/middle-east/syrias-president-bashar-al-assad-wins-fourth-term-office-with-951-votes-live-2021-05-27/, Zugriff 11.6.2021

             Savelsberg, Eva: Der Aufstieg der kurdischen PYD im syrischen Bürgerkrieg (2011 bis 2017). In STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

             SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 22.7.2020

             Spiegel (29.8.2016): Die Fakten zum Krieg in Syrien, https://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1, Zugriff 18.8.2020

             SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2018): Die Kurden im Irak und in Syrien nach dem Ende der Territorialherrschaft des "Islamischen Staates", https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S11_srt.pdf, Zugriff 18.8.2020

             TWP - The Washington Post (22.7.2020): Syria’s elections have always been fixed. This time, even candidates are complaining., https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/syrias-elections-have-always-been-fixed-this-time-even-candidates-are-complaining/2020/07/22/76e0bb12-cb5f-11ea-99b0-8426e26d203b_story.html, Zugriff 18.8.2020

             USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (4.2021): United States Commission on International Religious Freedom 2021 Annual Report; USCIRF - Recommended for Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052987/Syria+Chapter+AR2021.pdf, Zugriff 10.6.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

             WKO - Wirtschaftskammer Österreich - Außenwirtschaftscenter Amman (11.2018): Außenwirtschaft: Update Syrien, Zugriff 1.3.2019, liegt in der Staatendokumentation auf

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 01.10.2021

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018b). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016). Durch massive syrische und russische Luftangriffe und das Eingreifen Irans bzw. durch Iran unterstützter Milizen hat das syrische Regime mittlerweile alle Landesteile außer Teile des Nordwestens, Nordens und Nordostens von der bewaffneten Opposition zurückerobert. Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen. Seit März 2020 sind Kampfhandlungen reduziert, dauern jedoch in mehreren Frontgebieten nach wie vor an (AA 4.12.2020). Das Wiederaufflammen der Kämpfe und die Rückkehr der Gewalt in den letzten Monaten geben laut UNHRC (UN Human Rights Council) Anlass zur Sorge. Kämpfe und Gewalt nahmen sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021)

Die faktische Ausübung der Kontrolle durch das syrische Regime unterscheidet sich stark von Gebiet zu Gebiet. Die verbleibenden Gebiete, die keiner oder nur teilweiser Kontrolle des syrischen Regimes unterliegen sind: Im Nordwesten werden Teile der Gouvernements Lattakia, Idlib und Aleppo durch die von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestufte bewaffnete Oppositionsgruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) sowie Türkei-nahe bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Gebiete im Norden und Nordosten entlang der Grenze zur Türkei werden durch die Türkei und ihr nahestehende bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Weitere Gebiete in Nord- und Nordost-Syrien werden durch die kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) sowie punktuell durch das syrische Regime kontrolliert. Das Assad-Regime hat wiederholt öffentlich erklärt, dass die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes weiterhin sein erklärtes Ziel sei (AA 4.12.2020).

Auch in Landesteilen, in denen Kampfhandlungen mittlerweile abgenommen haben, besteht weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden (AA 4.12.2020). Dies gilt auch für vermeintlich friedlichere Landesteile im äußersten Westen Syriens sowie die Hauptstadt Damaskus (AA 19.5.2020).

43% der besiedelten Gebiete Syriens gelten als mit Minen und Fundmunition kontaminiert. Die Großstädte Aleppo, Raqqa, Homs, Dara‘a und Deir ez-Zour sowie zahlreiche Vororte von Damaskus sind hiervon nach wie vor besonders stark betroffen (AA 4.12.2020). Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen mit derartigen Hinterlassenschaften des bewaffneten Konfliktes (DIS/DRC 2.2019). An Orten wie den Provinzen Aleppo, Dara'a, dem Umland von Damaskus, Idlib, Raqqa und Deir ez-Zour führt die Explosionsgefahr zu Verletzungen und Todesfällen, sie schränkt den sicheren Zugang zu Dienstleistungen ein und behindert die Bereitstellung humanitärer Hilfe. Mit Stand Juni 2020 leben 11,5 Millionen Menschen in den 2.562 Gemeinden, die in den letzten zwei Jahren von einer Kontamination durch Minen und explosive Hinterlassenschaften des Konflikts berichtet haben (UNMAS 6.2020).

Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen Syrian Democratic Forces (SDF) erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem U.S.-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten (DZ 24.3.2019), und ist im Untergrund aktiv (AA 4.12.2020). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle, und Attentate (DIS 29.6.2020). Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv (FAZ 10.3.2019), sowohl in syrischen Städten als auch in ländlichen Gebieten, besonders in den von der Regierung kontrollierten Gebieten (DIS 29.6.2020). Im Untergrund sollen mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten (FAZ 22.3.2019). Generell nimmt die Präsenz des IS in Syrien wieder zu, auch in Landesteilen unter Regimekontrolle. Es sind zuletzt Berichte über Anschläge in Damaskus, Idlib, Homs sowie dem Süden und Südwesten des Landes und der zentralsyrischen Wüste bekannt geworden. Der Schwerpunkt der Anschläge liegt im Nordosten des Landes (AA 4.12.2020). Mitte 2020 gehörten zu den Zielpersonen des IS vor allem lokale Behörden und Personen, die mit den Behörden, Kräften und Gruppen, die gegen den IS kämpfen, zusammenarbeiten oder als mit ihnen kooperierend wahrgenommen werden (DIS 29.6.2020). Der IS profitierte von einem Sicherheitsvakuum, das dadurch entstand, dass die verschiedenen militärischen Kräfte ihre Aktivitäten aufgrund der COVID-19-Pandemie reduzierten (USDOS 30.3.2021).

Nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump Anfang Oktober 2019 erneut ankündigte, die US-amerikanischen Truppen aus der syrisch-türkischen Grenzregion abzuziehen, startete die Türkei am 9. Oktober 2019 eine Luft- und Bodenoffensive im Nordosten Syriens ("Operation Friedensquelle") (CNN 11.10.2019; vergleiche AA 19.5.2020). Durch den Abzug der US-Streitkräfte aus Nordsyrien und die türkische Offensive und die damit einhergehende Schwächung der kurdischen Sicherheitskräfte wurde ein Wiedererstarken des IS befürchtet (DS 13.10.2019; vergleiche DS 17.10.2019). Die USA patrouillieren seit dem 31.10.2019 weiterhin in weiten Teilen des Nordostens (AA 4.12.2020).

Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt, außer in der Zahl der aufgrund von Folter getöteten Personen, welche Zivilisten und Kämpfer berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von "Massakern", bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind. Zudem sind die Möglichkeiten zur Dokumentation von zivilen Opfern auch von der jeweiligen Konfliktpartei, die ein Gebiet kontrolliert, abhängig (SNHR 1.1.2020; vergleiche SNHR 1.1.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020

             ACLED/ACCORD - Armed Conflict Location & Event Data Project, zusammengestellt von ACCORD (25.3.2021): Syrien, Jahr 2020: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050734/2020ySyria_en.pdf, Zugriff 21.6.2021

             CNN (11.10.2019): Everything you need to know about Turkey‘s military offensive in Syria, https://edition.cnn.com/2019/10/07/middleeast/six-questions-syria-us-intl/index.html, Zugriff 9.10.2020

             DIS/DRC - Danish Immigration Service [Dänemark] / Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_31012019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC, Zugriff 8.9.2020

             DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (29.6.2020): Islamic State in Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032499/COI_brief_report_Islamic_State_in_Syria_June_2020.pdf, Zugriff 9.10.2020

             DS - Der Standard (17.10.2019): USA zerstören nach Nordsyrien-Abzug Waffenlager in Zementfabrik aus der Luft, https://www.derstandard.at/story/2000110026710/usa-zerstoeren-nach-abzug-waffenlager-in-zementfabrik-aus-der-luft, Zugriff 9.10.2020

             DS - Der Standard (13.10.2019): Hunderte IS-Angehörige aus Lager im Norden Syriens geflohen, https://www.derstandard.at/story/2000109807141/usa-werfen-tuerkischer-armee-beschuss-von-us-truppen-in-syrien, Zugriff 9.10.2020

             DZ - Die Zeit (24.3.2019): Kurden warnen vor Wiederaufstieg des IS, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/syrien-islamischer-staat-terrormiliz-kalifat-wiederaufstieg, Zugriff 9.10.2020

             FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (22.3.2019): Sieg über Terrormiliz - Warum der IS weiter gefährlich bleibt, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/warum-der-is-weiter-gefaehrlich-bleibt-16103411.html, Zugriff 9.10.2020

             FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (10.3.2019): Die letzte Schlacht gegen den „Islamischen Staat“ hat begonnen, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kurden-beginnen-angriff-auf-letzte-is-bastion-in-syrien-16082097.html, Zugriff 9.10.2020

             KAS - Konrad Adenauer Stiftung [Wörmer, Nils] (4.12.2018b): Assads afghanische Söldner, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/assads-afghanische-soldner,Zugriff 22.9.2020

             Liveuamap - Live Universal Awareness Map (1.10.2021): Map of Syrian Civil War, https://syria.liveuamap.com/en, Zugriff 1.10.2021

             Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5, Zugriff 9.10.2020

             SNHR - Syrian Network for Human Rights (1.9.2021): Extrajudicial Killing Claims the Lives of 94 Civilians, Including 32 Children, 10 Women, and Seven Victims Due to Torture, in Syria in August 2021, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/Extrajudicial_Killing_Claims_the_Lives_of_94_Civilians_Including_32_Children_10_Women_and_Seven_Victims_Due_to_Torture_in_Syria_in_August_2021_en.pdf, Zugriff 1.10.2021

             SNHR - Syrian Network for Human Rights (26.1.2021): The Bleeding Decade - Tenth Annual Report: The Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2020, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/Tenth_Annual_Report_The_Most_Notable_Human_Rights_Violations_in_Syria_in_2020_en.pdf, Zugriff 3.2.2021

             SNHR - Syrian Network for Human Rights (1.1.2020): 3,364 Civilians Documented Killed in Syria in 2019, http://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/3364_civilians_were_killed_in_Syria_in_2019_en.pdf, Zugriff 10.2.2020

             UNHRC - United Nations Human Rights Council (14.9.2021): UN Syria Commission: Increasing violence and fighting add to Syria’s woes, making it unsafe for return, https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Pages/NewsDetail.aspx?NewsID=27456&LangID=E, Zugriff 1.10.2021

             UNMAS - United Nations Mine Action Service (6.2020): Syria, Explosive Hazard Contamination, https://www.unmas.org/en/programmes/syria, Zugriff 9.10.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Versöhnungsabkommen

Letzte Änderung: 30.09.2021

Die sogenannten "Versöhnungsabkommen" sind Vereinbarungen, die Einzelpersonen, Männern und Frauen, die in ehemals von der Opposition kontrollierten Gebieten leben, die von der syrischen Regierung während militärischer Operationen zurückerobert wurden (NMFA 6.2021; vergleiche STDOK 8.2017). Diese "Versöhnungsvereinbarungen" sind de facto Kapitulationsvereinbarungen. Die Regierung hat Mitglieder der bewaffneten Opposition und bestimmte Gruppen von Zivilisten gezwungen, diese Gebiete zu verlassen oder den "Versöhnungsprozess" als Bedingung für ihren Verbleib zu durchlaufen. Im letzteren Fall wird die Person aufgefordert, sich beim Sicherheitsdienst oder dem Sicherheitskomitee in dem Gebiet zu melden. Die Person wird dann festgenommen, befragt und gezwungen, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie sich verpflichtet den Sicherheitsdienst über jegliche Aktivitäten der Opposition in dem Gebiet, in dem sie oder er lebt, zu informieren. Männer, die sich dem Militärdienst entziehen wollen, werden nach Feststellung ihres Status an Militäreinheiten übergeben. Diejenigen, die freigelassen werden, erhalten ein Dokument. In vielen Fällen, meist kurz nach der Klärung ihres Status, werden diese Menschen wieder verhaftet, gefoltert und verschwinden gelassen (NMFA 6.2021).

Die Regierung bietet ein Versöhnungsabkommen in der Regel nach schwerem Beschuss oder Belagerung an, das an verschiedene Bedingungen geknüpft ist (STDOK 8.2017; vergleiche ÖB 29.9.2020). Die Bedingungen dieser Abkommen unterscheiden sich von Fall zu Fall (STDOK 8.2017). Sie beinhalteten oft die Evakuierung von Rebellenkämpfern und deren Familien, die dann in andere Regionen des Landes (zumeist im Norden) verbracht werden. Sie werden also auch dazu benutzt, Bevölkerungsgruppen umzusiedeln (ÖB 29.9.2020). Die Wehrpflicht war bisher meist ein zentraler Bestandteil der Versöhnungsabkommen (AA 13.11.2018). Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt werden, sondern stattdessen bei der örtlichen Polizei eingesetzt werden (STDOK 8.2017). Im Rahmen von Versöhnungsvereinbarungen gemachte Garantien der Regierung gegenüber Individuen oder Gemeinschaften werden jedoch nicht eingehalten (EIP 6.2019; vergleiche AA 4.12.2020, FIS 14.12.2018). In zuvor jahrelang von der bewaffneten Opposition kontrollierten Gebieten berichten syrische Menschenrechtsorganisationen weiterhin von einer Zunahme willkürlicher Befragungen und Verhaftungen durch das syrische Regime. Zuletzt wurde nach Ablauf einer in den sog. Versöhnungsabkommen ausgehandelten einjährigen Frist auch aus den ehemaligen Oppositionshochburgen Ost-Ghouta sowie Dara'a und Quneitra im Süden Syriens ein erneuter Anstieg von Verhaftungen als oppositionell geltender Personen oder humanitärer Helfer sowie Zwangsrekrutierungen berichtet. Während ein Versöhnungsabkommen in einer Region geachtet wird, kann dies bei Überquerung eines Checkpoints bereits missachtet werden, und es kann zu willkürlichen Verhaftungen kommen (AA 4.12.2020). Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien zurückhaltend, über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 18.8.2020

             EIP - European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018602/EIP+Report+-+Security+and+Refugee+Return+in+Syria+-+July.pdf, Zugriff 27.10.2020

             FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria June 2021, https://www.government.nl/binaries/government/documents/reports/2021/06/14/country-of-origin-information-report-syria-june-2021/EN-AAB-Syrie-juni-2021.pdf, Zugriff 21.9.2021

             ÖB Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

             STDOK - Staatendokumentation of the BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Bericht Syrien – mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Nordwestsyrien

Letzte Änderung: 01.10.2021

Im Nordwesten Syriens gilt das Gebiet Idlib, das Teile des Gouvernements Idlib, Nord-Hama, Nord-Lattakia und West-Aleppo umfasst, als letzte verbleibende Hochburg der bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppen (BBC 18.2.2020). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021).

Idlib ist seit den Anfängen des Konfliktes eine Oppositionshochburg. Im März 2015 übernahmen oppositionelle Gruppierungen die Kontrolle über die Provinz (CRS 2.1.2019). Im Mai 2017 wurden durch eine Vereinbarung in Astana zwischen Russland und Iran (als Verbündete des syrischen Regimes) einerseits, und der Türkei (als Unterstützer der Rebellen) andererseits, vier Deeskalationszonen eingerichtet, die unter anderem ganz Idlib sowie auch Teile der Provinzen Lattakia, Aleppo und Hama umfasste. Einheiten der syrischen Regierung führen jedoch trotz dieser Vereinbarung militärische Operationen in diesem Gebiet durch und eroberten bis Mitte 2018 etwa die Hälfte der Deeskalationszone im Nordwesten zurück (CRS 2.1.2019; vergleiche KAS 6.2020). Mitte September 2018 einigten sich die Türkei und Russland auf die Schaffung einer entmilitarisierten Zone in Idlib (Reuters 26.10.2018; vergleiche UNHRC 31.1.2019).

Anfang Januar 2019 drängte die jihadistische Allianz Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) die pro-türkische National Liberation Front (NLF) zurück (DZ 8.3.2019) und übernahm die Kontrolle über die Provinz Idlib und die Randgebiete angrenzender Provinzen (DP 10.1.2019). Laut Schätzungen befinden sich mit Stand April 2020 insgesamt etwa 70.000 oppositionelle Kämpfer in Idlib, darunter auch viele aus anderen Gebieten wie Ost-Ghouta und Dara'a, die nach der Eroberung durch das Regime nach Idlib flohen (KAS 6.2020). Auch al-Qaida und der sogenannte Islamische Staat (IS) sollen dort Netzwerke unterhalten (KAS 4.2020). Im März 2021 kontrollierten HTS und andere regierungsfeindliche Gruppen den Nordwesten des Gouvernorats Idlib, während das Regime die Regionen im Süden des Gouvernorats kontrollierte, inklusive der M5 Autobahn (ISW 25.3.2021). Bewaffnete Gruppen unter der Syrian National Army (SNA) haben Berichten zufolge Frauen und Mädchen, insbesondere kurdischer Abstammung, festgehalten und sie Vergewaltigungen und sexueller Gewalt ausgesetzt, sowie Kriegsverbrechen wie Geiselnahme, grausame Behandlung und Folter begangen (UNHRC 15.9.2020).

2019 eskalierte die Regierung von Syrien die Militäroperationen in Idlib, die in den ersten Monaten 2020 fortgesetzt wurden (USCRS 27.7.2020). Im Februar 2019 kam es zu Luftangriffen der syrischen Regierung im Großraum Idlib (ISW 7.3.2019) und im März 2019 wieder zu russischen Luftangriffen auf die Provinz (DS 14.3.2019). Im Mai 2019 weiteten die russische Luftwaffe und syrische Regierungstruppen ihre Boden- und Luftangriffe auf Idlib und Nord-Hama massiv aus (DS 8.5.2019). Im Dezember 2019 intensivierten das Regime und seine Unterstützer die Militäroffensive deutlich. Luftangriffe auf zivile Infrastruktur wie Schulen, Krankenhäuser, Märkte und Flüchtlingslager führten laut den Vereinten Nationen (UN) zur größten humanitären Katastrophe im Verlauf des Syrien-Konflikts (AA 4.12.2020). Im Februar 2020 begann die Türkei die sogenannte Militäroperation 'Spring Shield' mit Vergeltungsschlägen gegen das syrische Regime. Anfang März vereinbarten Russland und die Türkei dann ein zeitlich unbegrenztes Zusatzprotokoll zu dem in Kraft bleibenden Abkommen über die Deeskalationszone Idlib von 2018, das unter anderem eine Waffenruhe in Idlib, die Einrichtung eines Sicherheitskorridors nördlich und südlich der Fernstraße M4 sowie russisch-türkische Patrouillen vorsieht (AA 19.5.2020). Auch wenn die Waffenruhe bisher weitgehend eingehalten wird, kommt es immer wieder zu einzelnen Gefechten, inklusive schwerer Artillerieangriffe, v. a. im Süden der Deeskalationszone sowie zu russischen Luftangriffen. Die Waffenruhe gilt insgesamt weiterhin als fragil (AA 4.12.2020).

Die Offensive des syrischen Regimes auf das Gebiet von Idlib führte zu einer hohen Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung (UNSC 28.2.2020), mehr als eine Million Menschen wurden zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 vertrieben, und es kam zu einer massiven humanitären Krise (UNOCHA 17.2.2020, vergleiche OHCHR 18.2.2020). Die Artillerieangriffe zielten immer wieder auf die zivile Infrastruktur wie Schulen und Krankenhäuser ab (SN4HR 4.7.2021, 21.7.2021; vergleiche F24 7.3.2021). In den Regionen Afrin und Ra's al-'Ayn in Aleppo lebt die Zivilbevölkerung in Angst vor von Fahrzeugen getragenen improvisierten Sprengsätzen, die häufig in frequentierten zivilen Gebieten gezündet werden, Märkte und belebte Straßen treffen und viele Menschenleben fordern. Bei sieben derartigen Angriffen wurde die Tötung und Verstümmelung von mindestens 243 Frauen, Männern und Kindern dokumentiert - die Gesamtzahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung ist jedoch wesentlich höher (UNHRC 14.9.2021). Zwischen April 2019 und Ende Februar 2020 wurden mindestens 1.750 Zivilisten infolge der Feindseligkeiten getötet (UNSC 28.2.2020).

Entlang der M4 und M5 Autobahnen wurden bewaffnete Konflikte 2021 fortgesetzt, mit täglichem Beschuss, periodischen Luftangriffen und internen Machtkämpfen zwischen nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen. Beschuss betraf Süd-Idlib und Luftangriffe wurden in von Zivilisten bewohnten Regionen in Nord-Idlib durchgeführt (UNOCHA 26.2.2021, 26.1.2021, 6.3.2021). Im Juli 2021 litten Gemeinschaften in Nordwest-Syrien und in den Gebieten Ras al-Ayn and Tell Abyad unter der größten Eskalation seit Beginn des Waffenstillstands im März 2020. Durch Beschuss wurden im Juli 2021 mindestens 42 Zivilisten, davon sieben Frauen und 27 Kinder getötet und zumindest 89 Zivilisten (davon 15 Frauen und 36 Kinder) verletzt (UNOCHA 7.2021). Im Süden von Idlib wurden Berichten zufolge Gebiete beschossen, die von Zivilisten bewohnt und frei von jeglicher Militärpräsenz sind (EB 3.7.2021; vergleiche AM 11.9.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Federal Foreign Office - Germany] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019 [Report about the situation in the Syrian Arab Republic], https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, accessed 7.9.2020

             AM - al-Monitor (11.9.2021): Amid escalation in Idlib, residents fear renewed Russian-backed offensive, https://www.al-monitor.com/originals/2021/09/amid-escalation-idlib-residents-fear-renewed-russian-backed-offensive, accessed 20.9.2021

             BBC - British Broadcasting Corporation (18.2.2020): Syria: Who's in control of Idlib?, https://www.bbc.com/news/world-45401474, Zugriff: 21.9.2021

             CRS - Congressional Research Service [USA] (2.1.2019): Armed Conflict in Syria: Overview and U.S. Response, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RL33487.pdf, Zugriff 9.10.2020

             DP - Die Presse (10.1.2019): Schleichender Siegeszug der Islamisten in Idlib, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5558846/Schleichender-Siegeszug-der-Islamisten-in-Idlib, Zugriff 9.10.2020

             DS - Der Standard (8.5.2019): Mehr als 150.000 Menschen vor Kämpfen in Syrien geflohen, https://derstandard.at/2000102719598/Mehr-als-150-000-Menschen-vor-Kaempfen-in-Syrien-geflohen, Zugriff 9.10.2020

             DS - Der Standard (14.3.2019): Aktivisten: Mindestens 13 Tote durch russische Luftangriffe in Syrien, https://derstandard.at/2000099506545/Aktivisten-Mindestens-13-Tote-durch-russische-Luftangriffe-in-Syrien, Zugriff 9.10.2020

             DZ - Die Zeit (8.3.2019): Türkei und Russland beginnen Patrouillen in Idlib, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/syrien-idlib-tuerkei-russland-patrouillen, Zugriff 9.10.2020

             EB - Enab Baladi (3.7.2021): Syrian Regime Resumes Bombing and kills seven children, https://english.enabbaladi.net/archives/2021/07/syrias-idlib-syrian-regime-resumes-bombing-and-kills-seven-children/, Zugriff 20.9.2021

             F24 - France 24 (7.3.2021): Syrian Army Shelling kills nine civilians mostly children monitor says, https://www.france24.com/en/middle-east/20210703-syrian-army-shelling-kills-nine-civilians-mostly-children-monitor-says, Zugriff 17.9.2021

             ISW - Institute for the Study of War (25.3.2021): Syria Situation Report: February 19 - March 22, 2021, http://www.iswresearch.org/2021/03/syria-situation-report-february-19.html, Zugriff 17.9.2021

             ISW - Institute for the Study of War (7.3.2019): Syria Situation Report: February 18 - March 5, 2019, http://iswresearch.blogspot.com/2019/03/syria-situation-report-february-18.html, Zugriff 9.10.2020

             KAS - Konrad Adenauer Stiftung (6.2020): Länderbericht, Länderbüro Syrien/Irak - Deeskalationszonen in Syrien, https://www.kas.de/documents/252038/7938566/Deeskalationszonen+in+Syrien.pdf/c63f4bdd-71b1-e01c-68da-1e94f925381b?version=1.1&t=1591362218587, Zugriff 21.9.2021

             KAS - Konrad Adenauer Stiftung (4.2020): Syrien, Länderbericht, Syrien: Eskalation als Verhandlungsstrategie, https://www.kas.de/documents/252038/7938566/Syrien.+Eskalation+als+Verhandlungsstrategie.pdf/d042afeb-9b35-0b7d-eecd-d4e855802e3f?version=1.0&t=1585838274016, Zugriff 9.10.2020

             OHCHR - United Nations Human Rights Office of the High Commisioner (18.2.2020): Press briefing note on Syria, https://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=25565&LangID=E, 21.9.2021

             ORF - Österreichischer Rundfunk (14.3.2021): Idlib - Letzte Hochburg der Islamisten in Syrien, https://orf.at/stories/3205060/, Zugriff 17.9.2021

             Reuters (26.10.2018): Shelling in Syria's Idlib kills seven, largest death toll since mid-August, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idlib/shelling-in-syrias-idlib-kills-seven-largest-death-toll-since-mid-august-idUSKCN1N02DZ, Zugriff 9.10.2020

             SN4HR - Syrian Network For Human Rights (21.7.2021): Syrian regime forces bombed a school in al Bara village in Idlib suburbs on July 21, https://news.sn4hr.org/2021/07/21/syrian-regime-forces-bombed-a-school-in-al-bara-town-in-idlib-suburbs-on-july-21/, Zugriff 17.9.2021

             SN4HR - Syrian Network For Human Rights (4.7.2021): Damage to a school in Sitzung Idlib governorate in Syrian regime shelling on July 3, https://news.sn4hr.org/2021/07/04/damage-to-a-school-in-s-idlib-governorate-in-syrian-regime-shelling-on-july-3/, Zugriff 17.9.2021

             UNHRC - UN Human Rights Council (15.9.2020): UN Commission of Inquiry on Syria: No clean hands - behind the frontlines and the headlines, armed actors continue to subject civilians to horrific and increasingly targeted abuse, https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Pages/NewsDetail.aspx?NewsID=26237&LangID=E, Zugriff: 21.9.2021

             UNHRC - UN Human Rights Council, Office of the High Commissioner (14.9.2021): UN Syria Commission: Increasing violence and fighting add to Syria’s woes, making it unsafe for return, https://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=25565&LangID=E, Zugriff 17.9.2021

             UNHRC - UN Human Rights Council (31.1.2019): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/40/70], https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A_HRC_40_70.pdf, Zugriff 9.10.2020

             UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (7.2021): Developments in north-west Syria and Ras Al Ain - Tell Abiad, Situation Report No. 29 - July 2021, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/nws_and_raata_sitrep29_july2021.pdf, Zugriff 17.9.2021

             UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (6.3.2021): Syrian Arabic Republic, Recent Developments in Northwest Syria, Situation report no. 26, https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/recent-developments-northwest-syria-situation-report-no-26-26-march-2021, Zugriff 21.9.2021

             UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.2.2021): Syrian Arabic Republic, Recent Developments in Northwest Syria, Situation report no. 25, https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/recent-developments-northwest-syria-situation-report-no-25-26-february, Zugriff 21.9.2021

             UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (26.1.2021): Syrian Arabic Republic, Recent Developments in Northwest Syria, Situation report no. 24, https://www.humanitarianresponse.info/en/operations/stima/document/situation-report-24-recent-developments-northwest-syria-26-january-2021, Zugriff 21.9.2021

             UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (17.2.2020): Under-Secretary for Humanitarian Affairs and Emergency Relief Coordinator, Mark Lowcock: Statement on Northwest Syria, https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/under-secretary-humanitarian-affairs-and-emergency-relief-coordinator, Zugriff 17.9.2021

             UNSC - UN Security Council, Syria (28.2.2020): Deadly Attacks on Civilians in Syria’s Idlib Region ‘Happening in Plain Sight, Under Our Watch’, Under-Secretary-General Tells Security Council, https://www.un.org/press/en/2020/sc14132.doc.htm, Zugriff 17.9.2021

             USCRS - United States Congressional Research Service (27.7.2020): Armed Conflict in Syria: Overview and U.S. Response, https://sgp.fas.org/crs/mideast/RL33487.pdf, Zugriff 17.9.2021

Türkische Militäroperationen in Nordsyrien

Letzte Änderung: 01.10.2021

Operation "Schutzschild Euphrat" (türk. "Fırat Kalkanı Harekâtı")

Seit August 2016 ist die Türkei im Rahmen der Operation "Euphrates Shield" in Syrien aktiv. Die Operation zielte auf zum damaligen Zeitpunkt vom sogenannten Islamischen Staat (IS) gehaltene Gebiete, sollte jedoch auch dazu dienen, die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) davon abzuhalten, ein autonomes Gebiet entlang der syrisch-türkischen Grenze zu errichten. Die Türkei sieht die kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) und die YPG als Bedrohung der türkischen Sicherheit (CRS 2.1.2019).

Operation "Olivenzweig" (türk. "Zeytin Dalı Harekâtı")

Im März 2018 nahmen Einheiten der türkischen Armee und der mit ihnen verbündeten Freien Syrischen Armee (FSA) im Rahmen der Operation "Olive Branch" die zuvor kurdisch kontrollierte Stadt Afrin ein (Bellingcat 1.3.2019). Bis März 2018 hatte die türkische Offensive Berichten zufolge den Tod Dutzender Zivilisten und laut den Vereinten Nationen (UN) die Vertreibung Zehntausender zur Folge. Von der Türkei unterstützte bewaffnete Gruppierungen, die mit der FSA in Zusammenhang stehen, beschlagnahmten, zerstörten und plünderten das Eigentum kurdischer Zivilisten in Afrin (HRW 17.1.2019). Seit der Offensive regiert in Afrin ein Mosaik von türkisch-unterstützten zivilen Institutionen und unterschiedlichsten Rebelleneinheiten, die anfällig für innere Machtkämpfe sind (Bellingcat 1.3.2019). Die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der UN warnte, dass die Menschenrechtssituation in Orten wie Afrin, Ra's al-ʿAin und Tall Abyad düster, und Gewalt und Kriminalität weit verbreitet seien (UN News 18.9.2020).

Operation "Friedensquelle" (türk. "Barış Pınarı Harekâtı")

Nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump Anfang Oktober 2019 ankündigte, die US-amerikanischen Truppen aus der syrisch-türkischen Grenzregion abzuziehen, startete die Türkei am 9.10.2019 eine Luft- und Bodenoffensive im Nordosten Syriens. Im Zuge dessen riefen die kurdischen Behörden eine Generalmobilisierung aus. Einerseits wollte die Türkei mit Hilfe der Offensive die YPG und die von der YPG geführten Syrian Democratic Forces (SDF) aus der Grenzregion zur Türkei vertreiben, andererseits war das Ziel der Offensive einen Gebietsstreifen entlang der Grenze auf syrischer Seite zu kontrollieren, in dem rund zwei der ungefähr 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge, die in der Türkei leben, angesiedelt werden sollen (CNN 11.10.2019). Der UN zufolge wurden ebenfalls innerhalb einer Woche bis zu 160.000 Menschen durch die Offensive vertrieben und es kam zu vielen zivilen Todesopfern (UN News 14.10.2019). Es gab Befürchtungen, dass es aufgrund der Offensive zu einem Wiedererstarken des sogenannten Islamischen Staates (IS) kommt (TWP 15.10.2019). Medienberichten zufolge seien in dem Gefangenenlager ʿAyn Issa 785 ausländische IS-Sympathisanten auf das Wachpersonal losgegangen und geflohen (DS 13.10.2019). Nach dem Beginn der Operation kam es außerdem zu einem Angriff durch IS-Schläferzellen auf die Stadt Raqqa. Die geplante Eroberung des Hauptquartiers der syrisch-kurdischen Sicherheitskräfte gelang den Islamisten jedoch nicht (DZ 10.10.2019).

Die syrische Armee von Präsident Bashar al-Assad ist nach einer Einigung mit den SDF am 14.10.2019 in mehrere Grenzstädte eingerückt, um sich der "türkischen Aggression" entgegenzustellen, wie Staatsmedien berichten (DS 15.10.2019). Laut der Vereinbarung übernehmen die Einheiten der syrischen Regierung in einigen Grenzstädten die Sicherheitsfunktionen, die Administration soll aber weiterhin in kurdischer Hand sein (TWP 15.10.2019). Das Regime ist jedenfalls in allen größeren Städten im Nordosten präsent (AA 4.12.2020).

Nach Vereinbarungen zwischen der Türkei, den USA und Russland richtete die Türkei eine "Sicherheitszone" in dem Gebiet zwischen Tall Abyad und Ra's al-ʿAyn ein (SWP 1.1.2020; vergleiche AA 19.5.2020), die 120 Kilometer lang und bis zu 14 Kilometer breit ist (AA 19.5.2020).

Operation "Frühlingsschild" (türk. "Bahar Kalkanı Harekâtı")

Ab Ende Februar 2020 rückten die Regierungstruppen auch im Osten Idlibs vor, und die Frontlinien verschoben sich rasch. Die Vereinten Nationen bezeichneten die Luftangriffe der Regierung und der regierungsnahen Kräfte im Nordwesten im Februar 2020 als "eines der höchsten Ausmaße seit Beginn des Konflikts [...] Zu den täglichen Zusammenstößen mit nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen gehörten gegenseitiger Artilleriebeschuss und Zusammenstöße am Boden mit einer hohen Zahl von Opfern" (UNSC 23.4.2020). Die Offensive führte zu direkten Kämpfen zwischen Kräften der syrischen Regierung und türkischen Streitkräften, und bei einem Luftangriff der Regierungskräfte und Russlands auf einen türkischen Konvoi im Februar 2020 wurden in Idlib 33 türkische Soldaten getötet. Dies veranlasste die Türkei, die Operation "Spring Shield" einzuleiten, um die Offensive der syrischen Regierung im Gouvernement Idlib zu stoppen (CC 17.2.2021).

Im August 2020 wurde im Nordosten Syriens eine steigende Zahl von Übergriffen nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen, syrischer Regierungskräfte und der SDF im Süden der Kontaktlinie des Gebiets zwischen Tall Abyad und Ra's al-ʿAyn gemeldet. Sowohl die SDF als auch die pro-Regime-Kräfte erlebten einen Anstieg der Zahl der Angriffe des IS. Haftanstalten, in denen IS-Kämpfer festgehalten werden, berichten von zunehmenden Unruhen mit immer wiederkehrenden Aufständen und versuchten Ausbrüchen (UN SC 20.8.2020). Es kommt in den türkisch-besetzten Gebieten zu internen Kämpfen zwischen von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppen. Obwohl die Türkei versucht hat, die Ordnung innerhalb der von ihr unterstützten oppositionellen Syrian National Army (SNA) aufrechtzuerhalten, kommt es immer wieder zu Gewaltausbrüchen. Zusammenstöße zwischen den Fraktionen der SNA finden oft aufgrund von Konkurrenz um Ressourcen und Einfluss statt (TCC 18.2.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020

             Bellingcat (1.3.2019): Wrath of the Olives: Tracking the Afrin Insurgency Through Social Media, https://www.bellingcat.com/news/mena/2019/03/01/wrath-of-the-olives-tracking-the-afrin-insurgency-through-social-media/, Zugriff 12.10.2020

             CC - Carter Center (17.2.2021): The Russian-Turkish Joint Patrols in Idlib Governorate, Syria Conflict Mapping, https://storymaps.arcgis.com/stories/1448db5d143a43c6a6570250c1329f10, Zugriff 29.9.2021

             CNN (11.10.2019): Everything you need to know about Turkey's military offensive in Syria, https://edition.cnn.com/2019/10/07/middleeast/six-questions-syria-us-intl/index.html, Zugriff 9.10.2020

             CRS - Congressional Research Service [USA] (2.1.2019): Armed Conflict in Syria: Overview and U.S. Response, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RL33487.pdf, Zugriff 9.10.2020

             DS - Der Standard (15.10.2019): "Schmerzhafter Kompromiss" für Kurden in Nordsyrien, USA verhängen Sanktionen, https://www.derstandard.at/story/2000109839161/erdogan-kuendigt-ausweitung-der-offensive-in-syrien-an, Zugriff 12.10.2020

             DS - Der Standard (13.10.2019): Hunderte IS-Angehörige aus Lager im Norden Syriens geflohen, https://www.derstandard.at/story/2000109807141/usa-werfen-tuerkischer-armee-beschuss-von-us-truppen-in-syrien, Zugriff 12.10.2020

             DS - Der Standard (20.1.2018): Erdogan: Bodenoffensive in Syrien hat "de facto" begonnen, https://derstandard.at/2000072656629/Tuerkische-Armee-attackierte-erneut-Kurden-Stellungen-in-Syrien?ref=rec, Zugriff 12.10.2020

             DP - Die Presse (24.1.2018): Türkische Offensive in Syrien: 260 "Extremisten" getötet, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5359317/Tuerkische-Offensive-in-Syrien_260-Extremisten-getoetet, Zugriff 12.10.2020

             DZ - Die Zeit (10.10.2019): Militäroffensive der Türkei - Angst vor den Dschihadisten, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-10/militaeroffensive-tuerkei-islamischer-staat-nordsyrien/komplettansicht, Zugriff 12.10.2020

             DZ - Die Zeit (23.1.2018): 5.000 Menschen auf der Flucht vor türkischer Offensive, http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/tuerkische-offensive-syrien-afrin-fluechtlinge-kurden/komplettansicht, Zugriff 12.10.2020

             HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): Annual report on the human rights situation in 2018 - Syrian Arab Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2002172.html, Zugriff 8.10.2020

             SWP - Stiftung Wissenschaft und Politk (1.1.2020): Repatriation to Turkey's "Safe Zone" in Northeast Syria, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2020C01/, Zugriff 12.10.2020

             TCC - The Carter Center (18.2.2021): Syria Weekly Conflict Summary 8 - 14 February 2021, https://storymaps.arcgis.com/stories/f2743380d9654b5a959527d3cbde9857, Zugriff 15.6.2021

             TWP - The Washington Post (15.10.2019): Syrian troops enter key towns in northeast under deal with Kurds, available by subscription at https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/syrian-troops-enter-towns-in-northeast-as-erdogan-warns-of-wider-offensive/2019/10/14/3fe2c420-ee06-11e9-bb7e-d2026ee0c199_story.html, Zugriff 12.10.2020

             UN News - United Nations News (18.9.2020): UN rights chief calls for Turkey to probe violations in northern Syria, https://news.un.org/en/story/2020/09/1072752, Zugriff 12.10.2020

             UN News - United Nations News (14.10.2019): Military operation in northeast Syria could see unintentional release of ISIL affiliates: UN chief, https://news.un.org/en/story/2019/10/1049201, Zugriff 12.10.2020

             UNSC - United Nations Security Council (20.8.2020): Implementation of Security Council resolutions 2139 (2014), 2165 (2014), 2191 (2014), 2258 (2015), 2332 (2016), 2393 (2017), 2401 (2018), 2449 (2018), 2504 (2020) and 2533 (2020); Report of the Secretary-General [S/2020/813], https://www.ecoi.net/en/file/local/2036556/S_2020_813_E.pdf, Zugriff 12.10.2020

             UNSC - United Nations Security Council (23.4.2020): Implementation of Security Council resolutions 2139 (2014), 2165 (2014), 2191 (2014), 2258 (2015), 2332 (2016), 2393 (2017), 2401 (2018), 2449 (2018) and 2504 (2020), https://undocs.org/S/2020/327, Zugriff 29.9.2021

Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien

Letzte Änderung: 30.09.2021

Mit großer militärischer Unterstützung der russischen Luftwaffe und iranischer Bodentruppen hat das Assad-Regime mittlerweile etwa zwei Drittel des Landes wieder unter seine Kontrolle gebracht (KAS 8.2020). Im März 2021 kontrollierte die Regierung den größten Teil des Landes, darunter die Großstädte Damaskus, Aleppo, Homs und Hama sowie fast alle Hauptstädte der Gouvernements (ISW 26.4.2021). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; SWP 3.2020; FP 15.3.2021; EUI 13.3.2020). Die syrische Regierung hat nur begrenzten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Organisationen, die in Syrien operieren, darunter russische Streitkräfte, die libanesische Hizbollah, der IRGC und regierungsnahe Milizen wie die National Defence Force (NDF) (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung ist nicht in der Lage, alle von ihr kontrollierten Gebiete zu verwalten und bedient sich verschiedener Milizen, um einige Gebiete und Kontrollpunkte in Aleppo, Lattakia, Tartus, Hama, Homs und Deir ez-Zour zu kontrollieren (DIS/DRC 2.2019). Es besteht weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden (AA 4.12.2020). Dazu gehören Verschwindenlassen, Entführungen und willkürliche Verhaftungen durch Sicherheitsdienste oder Milizen (AA 19.5.2020; vergleiche UNHRC 14.8.2020). Regierungsnahe Milizen sind zwar nominell loyal gegenüber dem Regime, können aber die Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten oft frei ausbeuten (FH 16.9.2021). In ehemals vom IS kontrollierten Gebieten im Gouvernement Deir ez-Zour sollen sich Milizen an Kriminalität und Erpressung von Zivilisten beteiligt haben (AM 21.12.2020, ICG 13.2.2020). Gebiete wie Daraʿa, die Stadt Deir ez-Zour und Teile von Aleppo und Homs sind aufgrund schwerer Zerstörungen, der Herrschaft missbrauchender regimetreuer Milizen, Sicherheitsproblemen wie Angriffen des sogenannten IS oder einer Kombination aus allen drei Faktoren unwirtlich für Rückkehrer (ICG 13.2.2020).

Der Westen des Landes, insbesondere Tartous und Lattakia, war im Verlauf des Konflikts vergleichsweise weniger von aktiven Kampfhandlungen betroffen (AA 19.5.2020; vergleiche ÖB 29.9.2020). In den größeren Städten und deren Einzugsgebieten wie Damaskus, Homs und Hama stellt sich die Sicherheitslage im September 2020 als relativ stabil dar. Im Osten der Provinz Homs ist der sogenannte Islamische Staat (IS) aktiv. Es kommt immer wieder zu Anschlägen und Überfällen auf Einheiten/Konvois der syrischen Armee (ÖB 29.9.2020). In den letzten Monaten kam es vereinzelt zu militärischen Auseinandersetzungen, vorwiegend im Grenzgebiet zwischen Lattakia und Idlib (AA 4.12.2020).

In den ersten Monaten des Jahres 2018 erlebte Ost-Ghouta, nahe der Hauptstadt Damaskus, die heftigste Angriffswelle der Regierung seit Beginn des Bürgerkrieges (DP 1.4.2018). Ende Mai 2018 zogen sich die letzten Rebellen aus dem Großraum Damaskus zurück, wodurch die Hauptstadt und ihre Umgebung erstmals wieder in ihrer Gesamtheit unter der Kontrolle der Regierung standen (Spiegel 21.5.2018; vergleiche ISW 1.6.2018). Seitdem hat sich die Sicherheitslage in Damaskus und Damaskus-Umland (Rif Dimashq) deutlich verbessert (DIS/DRC 2.2019). Anfang des Jahres 2020 kam es in Damaskus und Damaskus-Umland zu wiederholten Anschlägen, bei denen bestimmte Personen (Zivilisten oder Militärpersonal) mittels Autobomben ins Visier genommen wurden (TSO 10.3.2020).

Israel führt immer wieder Luftangriffe auf Militärstützpunkte, die (auch) von den iranischen Revolutionsgarden und verbündeten Milizen genützt werden, durch. Die Luftangriffe wurden 2020 zunehmend auf Ziele in ganz Syrien ausgeweitet (ÖB 29.9.2020). Im August 2020 griffen israelische Flugzeuge wieder militärische Ziele im Süden Syriens an, als Vergeltung für einen Angriff auf die israelisch besetzten syrischen Golanhöhen (BBC 4.8.2020; vergleiche FAZ 4.8.2020). Auch Anfang September wurde über Angriffe der israelischen Luftwaffe auf Posten der Armee sowie pro-iranischer Milizen in Damaskus und im Süden des Landes berichtet (DS 1.9.2020). Das israelische Militär führt weiterhin Luftschläge auf iranische Stellungen und Stellungen iranischer Milizen in Syrien durch (AA 4.12.2020; vergleiche UNHCR 14.8.2020).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020

             AM - al-Monitor (23.2.2021): Iranian forces form new groups to boost influence in east Syria, https://www.al-monitor.com/originals/2021/02/iran-groups-east-syria-presence-influence-recruitment.html, accessed 16.9.2021

             AM - al-Monitor (21.12.2020): Pro-Iran militias in Syria soak merchants for cash at checkpoints, https://www.al-monitor.com/originals/2020/12/syria-regime-iranian-militias-royalties-checkpoints-traders.html, accessed 21.9.2021

             BBC - BBC News (4.8.2020): Israel strikes Syrian army bases after Golan Heights attack, https://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-53645688, Zugriff 12.10.2020

             DIS/DRC - Danish Immigration Service / Danish Refugee Council [Dänemark] (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_31012019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC, Zugriff 8.9.2020

             DP - Die Presse (1.4.2018): Ost-Ghouta: Rebellen und Russen einigen sich über Abzug der Zivilisten, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5398698/OstGhouta_Rebellen-und-Russen-einigen-sich-ueber-Abzug-der-Zivilisten, Zugriff 12.10.2020

             DS - Der Standard (1.9.2020): Elf Tote bei israelischem Angriff auf Ziele in Syrien, https://www.derstandard.de/story/2000119706275/elf-tote-bei-israelischem-angriff-auf-syrien, Zugriff 12.10.2020

             EUI - European University Institute (13.3.2020): Lebanese Hezbollah’s Experience in Syria, https://cadmus.eui.eu/bitstream/handle/1814/66546/MED_WPCS_2020_4.pdf?sequence=1&isAllowed=y, accessed 16.9.2021

             FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (4.8.2020): Israel greift Ziele im Süden Syriens an, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/konflikt-israel-greift-ziele-im-sueden-syriens-an-16889161.html, Zugriff 12.10.2020

             FH - Freedom House (16.9.2021): Freedom in the World 2020 - Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2021, accessed 16.9.2021

             FP - Foreign Policy (15.3.2021): Iran römisch eins s Trying to Convert Syria to Shiism, https://foreignpolicy.com/2021/03/15/iran-syria-convert-shiism-war-assad/, accessed 16.9.2021

             ICG - International Crisis Group (13.2.2020): Easing Syrian Refugees’ Plight in Lebanon, https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/211-easing-syrian-refugees-plight-in-lebanon.pdf, accessed 16.9.2021

             ISW - Institute for the Study of War (1.6.2018): Syria Situation Report: May 2-29, 2018, http://iswresearch.blogspot.com/2018/06/syria-situation-report-may-2-29-2018.html, Zugriff 12.10.2020

             ISW - Institute for the Study of War (26.4.2021): Syria Situation Report: March 22 - April 19, 2021, http://www.iswresearch.org/2021/04/syria-situation-report-march-22-april.html, accessed 16.9.2021

             KAS - Konrad Adenauer Stiftung (8.2020): Syrien, Entwicklungen im Schatten von Corona, https://www.kas.de/documents/252038/7938566/Syrien+-+Entwicklungen+im+Schatten+von+Corona.pdf/a250276d-c6ca-81d2-87f8-1ed0febff82b?version=1.1&t=1598365598256, Zugriff 12.10.2020

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

             Spiegel (21.5.2018): IS-Terroristen offenbar aus Großraum Damaskus abgezogen, http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-letzte-is-terroristen-offenbar-aus-grossraum-damaskus-abgezogen-a-1208822.html, Zugriff 12.10.2020

             SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2020): Iran’s Multi-Faceted Strategy in Deir ez-Zor. From Fighting Terrorism to Creating a Zone of Influence, https://www.swp-berlin.org/publications/products/comments/2020C15_DeirEzZor.pdf, accessed 16.9.2021

             TSO - The Syrian Observer (10.3.2020): The Damascus Bombings: Settling Scores or Creative Chaos?, https://syrianobserver.com/EN/features/56592/the-damascus-bombings-settling-scores-or-creative-chaos.html, Zugriff 12.10.2020

             UNHRC - United Nations Human Rights Council (14.8.2020): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/45/31], https://www.ecoi.net/en/file/local/2037646/A_HRC_45_31_E.pdf, Zugriff 12.10.2020

             USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2021/03/SYRIA-2020-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, accessed 16.9.2021

Südsyrien

Letzte Änderung: 01.10.2021

In der Provinzhauptstadt Dara'a im Süden Syriens waren 2011 die ersten Proteste gegen das Assad-Regime ausgebrochen. Im Juli 2017 wurde dort eine Deeskalationszone eingerichtet, dennoch startete im Juni 2018 die syrische Regierung eine Offensive zur Rückeroberung der Provinzen Quneitra und Dara'a (DS 5.7.2018). Die beiden Provinzen wurden durch die Regierung zurückerobert und Ende Juli 2018 wurden auch die letzten Dörfer, die sich noch unter Kontrolle einer mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS) in Verbindung stehenden Gruppierung befanden, erobert. Die meisten dieser Städte und Dörfer kapitulierten unter sogenannten Versöhnungsabkommen, wobei Kämpfern und Zivilisten die Möglichkeit gegeben wurde, in von oppositionellen Gruppen kontrollierte Gebiete im Norden Syriens zu ziehen (TG 31.7.2018). Mit der Rückeroberung der Gebiete in Südsyrien erlangte die syrische Regierung außerdem die Kontrolle über die syrisch-jordanische Grenze zurück (ISW 15.7.2018).

In Dara'a und Suweida verschlechterte sich die Sicherheitslage stark, und es kam zu einer Reihe von Zwischenfällen bewaffneter Gewalt zwischen der Vielzahl miteinander konkurrierender bewaffneter Akteure (UNHRC 14.8.2020). Im Süden/Südwesten Syriens kommt es aufgrund großer Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem syrischen Regime, vor allem aufgrund fehlender Grundversorgung, nicht eingehaltener Abmachungen im Rahmen von "Versöhnungsabkommen" und einer Zunahme an anhaltenden Verhaftungswellen, Gewaltausübung und gezielten Tötungen vermehrt zu Demonstrationen, Unruhen sowie bewaffneten Auseinandersetzungen, Anschlägen und gezielten Tötungen (AA 4.12.2020; vergleiche UNHRC 14.8.2020, ORSAM 3.2021). In Suweida wurde in der ersten Jahreshälfte 2020 aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage gegen das Regime demonstriert (UNHRC 14.8.2020; vergleiche HRW 28.6.2020, DP 18.6.2020). Bei Protesten am 15.6.2020 kam es zu Festnahmen und Misshandlungen von Demonstranten (HRW 28.6.2020).

Im März 2020 kam es zu umfangreichen Kampfhandlungen, als Regimetruppen bewaffnete Oppositionelle im südsyrischen Ort Sanamayn belagerten und sie unter Einsatz von Panzern innerhalb weniger Tage besiegten (AA 4.12.2020; vergleiche UNHRC 14.8.2020). Ende September bis Anfang Oktober 2020 kam es erneut zu umfangreichen Kampfhandlungen zwischen bewaffneten Gruppen aus den Gouvernements Dara'a und Suweida, darunter Kämpfer der drusischen Minderheit, Regimetruppen und -Milizen, sowie von Russland unterstützte Einheiten ehemaliger Oppositionskämpfer (AA 4.12.2020). Die Regierung schränkte seit der Präsidentschaftswahl Ende Mai 2021 die Mobilität in der Stadt Dara'a ein, reduzierte die Stromversorgung in den Gebieten, in denen Versöhnungsabkommen geschlossen wurden, und widerrief die Reisegenehmigung für "versöhnte" Kämpfer (COAR 7.6.2021).

Vom 24.6. bis zum 9.9.2021 wurde Dara'a al-Balad von der syrischen Regierung und russischen Streitkräften belagert, die den Zugang zu Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern blockierten und zeitweise Strom und Wasser abschalteten. Die Hauptverbindungsstraßen zwischen Dara'a al-Balad, dem Teil von Dara'a, der noch unter der teilweisen Kontrolle Oppositioneller, mit denen ein "Versöhnungsabkommen" geschlossen worden war steht, und anderen Teilen der Stadt sowie zu den Außenbezirken sind abgeschnitten worden. Die Belagerungstruppen hatten die Übergabe von leichten Waffen und die Erlaubnis für die Regimekräfte gefordert, Häuser in dem Gebiet zu durchsuchen. Die Forderung sei abgelehnt worden, weil sie eine "rote Linie" überschreite und gegen die Bedingungen eines Abkommens aus dem Jahr 2018 zwischen den Oppositionskämpfern von Dara'a und den russischen Streitkräften verstoße, wonach die Bewohner des Gebiets und ehemalige Oppositionelle alle schweren Waffen abgeben mussten, ihre persönlichen Schusswaffen aber behalten durften (COAR 5.7.2021; vergleiche AJ 29.7.2021). Als tiefere Ursache wird jedoch das fortgesetzte Beharren von Dara'a auf Halbautonomie angesehen, das sich in der Weigerung des Gebiets ausdrückte, an den syrischen Präsidentschaftswahlen im Mai 2021 teilzunehmen (COAR 5.7.2021). Die Belagerung führte zu Engpässen bei Lebensmitteln, Treibstoff und Medikamenten (AM 13.8.2021, EB 11.7.2021).

Am 29.7.2021 begann das syrische Regime eine Bodenoffensive gegen Dara'a Al-Balad und versuchte, das Viertel durch Aushungern und Beschuss zu unterwerfen. In den folgenden Wochen kam es zu schweren Kämpfen zwischen den beiden Seiten. Russland bemühte sich um eine Lösung der Krise, die seinen Ruf als potenzieller Vermittler in Syrien wahren könnte (TNA 24.9.2021). Schlussendlich rückten am 8.9.2021 syrische Regierungstruppen gemäß einer Vereinbarung mit Rebellengruppen in Dara'a al-Balad ein. Regierung und Rebellen hatten sich am 7.9.2021 auf ein Abkommen geeinigt, das die Beendigung der Belagerung des Gebiets durch die Regierung, die Einrichtung von Checkpoints der Regierung unter russischer Aufsicht, "Versöhnungsabkommen" mit Deserteuren der syrischen Armee und anderen gesuchten Personen, die Übergabe von Waffen und die Evakuierung von Personen, die sich dem Abkommen verweigern, in den von Rebellen gehaltenen Norden Syriens, vorsieht (AM 8.9.2021). Die Vereinbarungen mit verschiedenen Städten und Dörfern in der Provinz Dara'a unterscheiden sich von Ort zu Ort, aber im Allgemeinen beinhalten die neuen Vereinbarungen die Abgabe von leichten Waffen, die Einberufung in die syrische Armee und die Regelung des Status von oppositionellen Individuen. Die Regelung des Status ist zwar eine nominelle Begnadigung, garantiert aber in der Praxis nicht die Sicherheit der Betroffenen vor dem Regime. Trotz der Regelung des Status sind die Menschen in Dara'a willkürlichen Verhaftungen und Entführungen ausgesetzt. Die Betroffenen haben drei Monate Zeit, um sich bei der Syrischen Arabischen Armee zu melden. Durch die Einberufung von versöhnten Personen kann das Regime unerwünschte ehemalige Oppositionelle aus Dara'a entfernen und so die künftige Opposition schwächen. In der Vergangenheit wurden "versöhnte" Personen oft auf die gefährlichsten Posten an die Front in Syrien geschickt. Mit der "Rückeroberung" von Dara'a verfolgt das Regime auch nach außen gerichtete Ziele. Regionale Mächte - wie die arabischen Golfstaaten und Jordanien - bemühen sich, die Beziehungen zum Assad-Regime zu normalisieren. Ein offener Krieg mit nicht-dschihadistischen Kämpfern lässt Assads Einfluss auf Syrien schwächer erscheinen und den Krieg des Regimes gegen seine eigenen Bürger schwerer unter den Teppich zu kehren (TNA 24.9.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AJ - Al-Jazeera (29.7.2021): Heavy clashes grip southern Syria’s Deraa province, monitor says, https://www.aljazeera.com/news/2021/7/29/syrias-daraa-gripped-by-worst-clashes-in-three-years-monitor, Zugriff 27.9.2021

             AM - Al-Monitor (8.9.2021): Syrian forces enter war-torn Daraa, opposition alleges rights abuses, https://www.al-monitor.com/originals/2021/09/syrian-forces-enter-war-torn-daraa-opposition-alleges-rights-abuses, Zugriff 27.9.2021

             AM - Al-Monitor (13.8.2021): UN Syria envoy urges end to 'siege-like' situation in Daraa, https://www.al-monitor.com/originals/2021/08/un-syria-envoy-urges-end-siege-situation-daraa, Zugriff 27.9.2021

             AM - Al-Monitor (30.7.2021): Fighting between government, rebels intensifies in Syria's Daraa, https://www.al-monitor.com/originals/2021/07/fighting-between-government-rebels-intensifies-syrias-daraa, Zugriff 27.9.2021

             COAR - Center for Operational Analysis and Research (5.7.2021): Dar’a Siege: Russia Abouts Face, Amps up Pressure, https://coar-global.org/2021/07/05/dara-siege-russia-abouts-face-amps-up-pressure/, Zugriff 27.9.2021

             COAR - Center for Operational Analysis and Research (7.6.2021): Deadly SDF Crackdown as Conscription Sparks Menbij Unrest, https://coar-global.org/2021/06/07/deadly-sdf-crackdown-as-conscription-sparks-menbij-unrest/, Zugriff 14.6.2021

             DP - Die Presse (18.6.2020): "Caesar Act" soll Assad in die Knie zwingen, https://www.diepresse.com/5827895/caesar-act-soll-assad-in-die-knie-zwingen, Zugriff 12.10.2020

             DS - Der Standard [Harrer, Gudrun] (5.7.2018): Assad wird wieder zum Nachbarn Israels, https://derstandard.at/2000082904700/Assad-wird-wieder-zum-Nachbarn-Israels, Zugriff 12.10.2020

             EB - Enab Baladi (11.7.2021):النظام يواصل حصاره ويمنع دخول المساعدات إلى درعا البلد [Das Regime setzt die Belagerung fort und verhindert, dass Hilfsgütern in Dara'a al-Balad eintreffen], https://www.enabbaladi.net/archives/492508, Zugriff 27.9.2021

             HRW - Human Rights Watch (28.6.2020): Syria: Protesters Describe Beatings, Arrests, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032299.html, Zugriff 12.10.2020

             ISW - Institute for the Study of War (15.7.2018): Syria Situation Report: June 29 - July 12, 2018, http://iswresearch.blogspot.com/2018/07/syria-situation-report-june-29-july-12.html, Zugriff 12.10.2020

             ORSAM - Ortadoğu Araştırmaları Merkezi - Center for Middle Eastern Studies [al-Ghazi, Suhail] (3.2021): Insecurity in Southern Syria: Tracking Daraa, Quneitra and Suwayda (January - February 2021), https://orsam.org.tr/d_hbanaliz/insecurity-in-southern-syria-tracking-daraa-quneitra-and-suwayda-january-february-2021.pdf, Zugriff 10.6.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Report_2019_07.pdf, Zugriff 17.8.2020

             SOHR - Syrian Observatory for Human Rights (8.2.2021): Growing tension - Regime forces bring in military reinforcement to positions in western Daraa, amid popular fear of new security campaign, https://www.syriahr.com/en/204101/, Zugriff 14.6.2021

             TG - The Guardian (31.7.2018): Syrian government forces seal victory in southern territories, https://www.theguardian.com/world/2018/jul/31/syrian-government-forces-seal-victory-in-southern-territories, Zugriff 12.10.2020

             TNA - The New Arab (24.9.2021): Syria Insight: What do the regime and Russia want from Daraa province?, https://english.alaraby.co.uk/analysis/syria-insight-what-do-regime-and-russia-want-daraa, Zugriff 27.9.2021

             UNHRC - United Nations Human Rights Council (14.8.2020): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/45/31],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037646/A_HRC_45_31_E.pdf, Zugriff 12.10.2020

Provinz Deir ez-Zour / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet

Letzte Änderung: 01.10.2021

Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) war es nach Kämpfen mit der Nusra-Front und gegnerischen arabischen Stämmen im Juli 2014 gelungen, die Provinz Deir ez-Zour fast vollständig einzunehmen. 2017 führte die syrische Armee mit Unterstützung Russlands und des Iran größere Militäroperationen durch, die zur Rückeroberung der Stadt Deir ez-Zour führten. Bis Ende 2017 verlor der IS den größten Teil seines Territoriums auf der Westseite des Euphrat. Auf der östlichen Seite des Flusses waren die Syrian Democratic Forces (SDF) bis Anfang 2019 in heftige Kämpfe mit dem IS verwickelt. Der IS kontrollierte damals noch ein kleines Stück Land nahe der syrisch-irakischen Grenze (EASO 5.2020). Im März 2019 wurde das letzte vom IS gehaltene Gebiet, das Dorf Baghouz, von den SDF eingenommen (EASO 5.2020; vergleiche DZ 24.3.2019). In den Wochen davor hatten bereits Tausende IS-Kämpfer aufgegeben und sich den SDF-Truppen gestellt. Gleichzeitig sind mehr als 70.000 Flüchtlinge aus dem IS-Gebiet in dem von Kurden kontrollierten Lager Al-Hol untergekommen, wo Hilfsorganisationen von einer dramatischen humanitären Lage berichten (DZ 24.3.2019).

Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten (DZ 24.3.2019; vergleiche DIS 29.6.2020) und von denen nach wie vor eine Gefahr ausgeht (FAZ 22.3.2019; vergleiche AA 4.12.2020). Schläferzellen des IS sind in Syrien weiterhin aktiv, sowohl in syrischen Städten als auch in ländlichen Gebieten, und besonders in den von der Regierung kontrollierten Gebieten (DIS 29.6.2020). Generell nimmt die Präsenz des IS in Syrien wieder zu (AA 4.12.2020).

Das Gebiet von Deir ez-Zour gilt als Kerngebiet der IS-Aktivität in Syrien, vor allem die Gebiete im Süden von Bosaira in Richtung Diban (BBC 27.10.2019). Im ersten Quartal 2020 fanden die meisten Anschläge des IS in der Region Deir ez-Zour statt, vor allem in Deir ez-Zour-Stadt und den umliegenden Gebieten (DIS 29.6.2020). Der sogenannte IS nutzt die Gebiete in der syrischen Wüste im Gouvernement Deir Ez-Zour als sicheren Zufluchtsort und als Basis für Angriffe auf die Streitkräfte der Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF) (UNSC 3.2.2021). Das Tal des Mittleren Euphrat und die Wüstengebiete im Gouvernement Deir Ez-Zour werden als IS-Unterstützungsgebiet beschrieben, das seine Mitglieder nutzen können, um Sicherheitsoperationen zu umgehen und Waffen, Ausrüstung und Personal über die syrisch-irakische Grenze zu bringen (USDOD 1.7.-30.9.2020).

Das Gouvernement Deir Ez-Zour ist grob in zwei Kontrollbereiche unterteilt. Der westliche Teil des Gouvernements - d.h. vor allem die Gebiete westlich des Euphrat - wird von der syrischen Regierung und ihren iranischen und russischen Verbündeten kontrolliert. Dieses Gebiet umfasst die wichtigsten Städte (Deir Ez-Zour, Mayadin und Al-Bukamal) und die logistische Route, die die von der Regierung kontrollierten Gebiete mit der syrisch-irakischen Grenze verbindet. Der östliche Teil des Gouvernements - die meisten Gebiete östlich des Euphrat - wird von den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) und ihren Verbündeten in der US-geführten Koalition kontrolliert (JfS 6.1.2021). Im Jahr 2020 bis März 2021 wurde die Sicherheitslage in Deir Ez-Zour durch die Ausbreitung des sog. IS und die Intensivierung des Aufstands, die Stammesproteste in den von den SDF kontrollierten Teilen von Deir Ez-Zour und durch die mit dem Iran zusammenhängenden Sicherheitsvorfälle (hauptsächlich US-amerikanische und israelische Luftangriffe) in den von der Regierung Syriens kontrollierten Teilen des Gouvernements beeinträchtigt. Darüber hinaus befinden sich die wichtigsten Ölfelder Syriens in dem von den SDF kontrollierten östlichen Teil des Gouvernement Deir Ez-Zour, in dem hauptsächlich US-Truppen präsent sind. Die Bemühungen der Regierung Syriens, in den 2017 vom IS zurückeroberten Gebieten die Kontrolle zu übernehmen, sind begrenzt, was der lokalen regierungsfreundlichen Miliz National Defense Force (NDF) freie Hand ließ und zu Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen führte, darunter Plünderungen und die gewaltsame Aneignung von zivilem Eigentum. Nach März 2019 ist die Präsenz der Regierung von Syrien in den westlichen Teilen des Gouvernements Deir Ez-Zour begrenzt geblieben, was zu iranisch-russischer Konkurrenz um Ressourcen und Land geführt hat (WI 4.9.2020).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             BBC - BBC News (27.10.2019): Abu Bakr al-Baghdadi: What his death means for IS in Syria, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-50199437, Zugriff 12.10.2020

             DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (6.2020): Islamic State in Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032499/COI_brief_report_Islamic_State_in_Syria_June_2020.pdf, Zugriff 9.10.2020

             DZ - Die Zeit (24.3.2019): Kurden warnen vor Wiederaufstieg des IS, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/syrien-islamischer-staat-terrormiliz-kalifat-wiederaufstieg, Zugriff 9.10.2020

             EASO - European Asylum Support Office (5.2020): Syria Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029305/05_2020_EASO_COI_Report_Syria_Security_situation.pdf, Zugriff 12.10.2020

             FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (22.3.2019): Sieg über Terrormiliz - Warum der IS weiter gefährlich bleibt, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/warum-der-is-weiter-gefaehrlich-bleibt-16103411.html, Zugriff 9.10.2020

             JfS - Jusoor for Studies (6.1.2021): Map of the military bases and posts of foreign forces in Syria [Map], https://www.jusoor.co/public/details/%D8%AE%D8%B1%D9%8A%D8%B7%D8%A9-%D9%82%D9%88%D8%A7%D8%B9%D8%AF-%D9%88%D9%86%D9%82%D8%A7%D8%B7-%D8%A7%D9%84%D9%82%D9%88%D9%89-%D8%A7%D9%84%D8%AE%D8%A7%D8%B1%D8%AC%D9%8A%D8%A9-%D9%81%D9%8A-%D8%B3%D9%88%D8%B1%D9%8A%D8%A9/826/en, Zugriff 29.9.2021

             UNSC - UN Security Council (3.2.2021): Twenty-seventh report of the Analytical Support and Sanctions Monitoring Team submitted pursuant to resolution 2368 (2017) concerning ISIL (Da’esh), Al-Qaida and associated individuals and entities [S/2021/68], https://www.ecoi.net/en/file/local/2045193/S_2021_68_E.pdf, Zugriff 29.9.2021

             USDOD - US Department of Defense [USA] (1.7.-30.9.2020): OPERATION INHERENT RESOLVE, https://media.defense.gov/2020/Nov/03/2002528608/-1/-1/1/LEAD%20INSPECTOR%20GENERAL%20FOR%20OPERATION%20INHERENT%20RESOLVE.PDF, Zugriff 29.9.2021

             WI - Washington Institute (4.9.2020): Russian-Iranian Tensions in Deir al-Zour, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/russian-iranian-tensions-deir-al-zour, Zugriff 29.9.2021

             WI - Washington Institute (1.7.2020): The Fragile Status Quo in Northeast Syria, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/fragile-status-quo-northeast-syria, Zugriff 29.9.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Gebiete unter der Kontrolle des syrischen Regimes

Letzte Änderung: 30.09.2021

Das Justizsystem Syriens besteht aus Zivil-, Straf-, Militär-, Sicherheits- und religiösen Gerichten sowie einem Kassationsgericht. Gerichte für Personenstandsangelegenheiten regeln das Familienrecht (SLJ 5.9.2016).

Die Verfassung sieht Demokratie (Artikel eins,, 8, 10, 12), Achtung der Grund- und Bürgerrechte (Artikel 33 -, 49,), Rechtsstaatlichkeit (Artikel 50 -, 53,), Gewaltenteilung sowie freie, allgemeine und geheime Wahlen zum Parlament (Artikel 57,) vor. Faktisch haben diese Prinzipien in Syrien jedoch nie ihre Wirkung entfaltet, da die Ba'ath-Partei durch einen von 1963 bis 2011 geltenden, extensiv angewandten Ausnahmezustand wichtige Verfassungsregeln außer Kraft setzte. Zwar wurde der Ausnahmezustand 2011 beendet, aber mit Ausbruch des bewaffneten Konflikts in Syrien umgehend im Jahr 2012 durch eine genauso umfassende und einschneidende „Anti-Terror-Gesetzgebung“ ersetzt. Sie führte zu einem Machtzuwachs der Sicherheitsdienste und massiver Repression, mit der das Regime auf die anfänglichen Demonstrationen und Proteste sowie den späteren bewaffneten Aufstand großer Teile der Bevölkerung antwortete. Justiz und Gerichtswesen sind von grassierender Korruption und Politisierung durch das Regime geprägt. Laut geltender Verfassung ist der Präsident auch Vorsitzender des Obersten Justizrates (AA 4.12.2020). Die Rechtsstaatlichkeit ist schwach ausgeprägt, wenn nicht mittlerweile gänzlich durch eine Situation der Straffreiheit untergraben, in der Angehörige von Sicherheitsdiensten ohne strafrechtliche Konsequenzen und ohne jegliche zivile Kontrolle operieren können (ÖB 29.9.2020; vergleiche BS 29.4.2020). Richter und Staatsanwälte müssen im Grunde genommen der Ba'ath-Partei angehören und sind in der Praxis der politischen Führung verpflichtet (FH 4.3.2020).

Politische Gerichte: Anti-Terror-Gericht (CTC)

2012 wurde in Syrien ein Anti-Terror-Gericht (Counter Terrorism Court - CTC) eingerichtet. Dieses soll Verhandlungen aufgrund "terroristischer Taten" gegen Zivilisten und Militärpersonal führen, wobei die Definition von Terrorismus im entsprechenden Gesetz sehr weit gefasst ist (SJAC 9.2018). Anklagen gegen Individuen, die vor das CTC gebracht werden, beinhalten: das Finanzieren, Fördern und Unterstützen von Terrorismus; Teilnahme an Demonstrationen; Stellungsnahmen auf Facebook schreiben; Oppositionelle im Ausland kontaktieren; Waffenschmuggel an bewaffnete Oppositionelle; das Liefern von Nahrungsmitteln, Hilfsgütern und Medizin in von der Opposition kontrollierte Gebiete (NMFA 5.2020). Das Syrian Network for Human Rights (SN4HR) und andere Quellen betonen, dass sowohl der Gerichtsprozess im CTC als auch die Gesetzgebung, auf deren Basis dieser Gerichtshof agiert offenkundig internationales Menschenrecht und fundamentale rechtliche Standards verletzen. Diese Verletzungen beinhalten: willkürliche Verhaftungen, unter Folter erzwungene Geständnisse als Beweismittel, geschlossene Gerichtssitzungen unter Ausschluss der Medien, dass das Gericht über Zivilisten, Minderjährige und Militärangehörige gleichermaßen urteilt, dass die Richter vom Präsidenten ernannt werden, dass ZeugInnen der/des Angeklagten nicht zugelassen werden, usw. (NMFA 6.2021, vergleiche USDOS 30.3.2021).

Politische Gerichte: Militär-Feldgerichte

Militär-Feldgerichte sind geheime Gerichte, deren Richter Miliärangehörige sind, die keinerlei Ausbildung oder juristischen Hintergrund haben müssen. Inhaftierte haben hierbei nicht die Möglichkeit, einen Anwalt zu beauftragen, Anwälte können den Sitzungen nicht beiwohnen. Es gibt keine Möglichkeit auf Einspruch (NMFA 6.2021). Formal existieren Einspruchsmöglichkeiten bei Entscheidungen von Zivilgerichten. De facto ist dies jedoch schwierig, bei sicherheitsrelevanten Anklagen - insbesondere Terrorismus- oder Spionagevorwürfen - sogar unmöglich (BS 29.4.2020). Berichten zufolge hielten die Behörden Tausende von Gefangenen monatelang oder jahrelang ohne Kontakt zur Außenwelt ("incommunicado") fest, bevor sie ohne Anklage oder Gerichtsverfahren freigelassen wurden, während viele andere im Gefängnis starben (USDOS 30.3.2021).

Andere Gerichte

Die Verwaltung in den von der Regierung kontrollierten Gebieten arbeitet in Routineangelegenheiten mit einer gewissen Zuverlässigkeit, vor allem in Personenstandsangelegenheiten (AA 4.12.2020). Die religiösen Gerichte behandeln das Familien- und Personenstandsrecht und regeln Angelegenheiten wie Eheschließungen, Scheidungen, Erb- und Sorgerecht (IA 7.2017). Hierbei sind Scharia-Gerichte für sunnitische und schiitische Muslime zuständig. Drusen, Christen und Juden haben ihre eigenen gerichtlichen Strukturen. Für diese Gerichte gibt es auch eigene Berufungsgerichte (SLJ 5.9.2016). Manche Personenstandsgesetze wenden die Scharia unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Beteiligten an (USDOS 30.3.2021). Es gibt Möglichkeiten zur Rückforderung von Wohnungs-, Land- und Eigentumsrechten. Das syrische Regime erschwert die Inanspruchnahme von Rechtsbeistand und Beratung in diesem Bereich jedoch, indem es die hierfür zugelassenen Rechtsanwälte einer Sicherheitsüberprüfung unterzieht (BS 29.4.2020).

Siehe hierzu auch Kapitel "Korruption".

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 26.8.2021

             BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 19.8.2020

             FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2020, accessed 22.7.2020

             IA - International Alert (7.2017): 'Most of the Men want to leave': Armed groups, displacement and the gendered webs of vulnerability in Syria, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Gender_VulnerabilitySyria_EN_2017.pdf, Zugriff 20.8.2020

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, file:///tmp/EN-AAB-Syrie-juni-2021.pdf, Zugriff 26.8.2021

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2020): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf, Zugriff 13.8.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

             SJAC - The Syria Justice and Accountability Centre (9.2018): Return is a Dream - Options for Post-Conflict Property Restitution in Syria, http://syriaaccountability.org/wp-content/uploads/Property-Restitution.pdf, Zugriff 20.8.2020

             SLJ - Syrian Law Journal (5.9.2016): An Overview of the Syrian Court System, http://www.syrianlawjournal.com/index.php/overview-syrian-court-system/, Zugriff 20.8.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 26.8.2021

Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes

Letzte Änderung: 30.09.2021

In Gebieten außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes ist die Lage von Justiz und Verwaltung von Region zu Region und je nach den örtlichen Herrschaftsverhältnissen verschieden (AA 4.12.2020; vergleiche USDOS 30.3.2021). In von oppositionellen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden unterschiedlich konstituierte Gerichte und Haftanstalten aufgebaut, mit starken Unterschieden bei der Organisationsstruktur und beider Beachtung juristischer Normen (USDOS 11.3.2020; vergleiche AA 4.12.2020, USDOS 12.5.2021). Manche Gruppen folgen dem (syrischen) Strafgesetzbuch, andere folgen einem Entwurf eines Strafgesetzbuches auf Grundlage der Scharia, das von der Arabischen Liga aus dem Jahr 1996 stammt, während wiederum andere eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und Scharia anwenden. Erfahrung, Expertise und Qualifikation der Richter in diesen Gebieten sind oft sehr unterschiedlich und häufig sind diese dem Einfluss der dominanten bewaffneten Gruppierungen unterworfen. Urteile von Scharia-Räten der Opposition resultieren manchmal in öffentlichen Hinrichtungen, ohne dass Angeklagte Berufung einlegen oder Besuch von ihren Familien erhalten könnten (USDOS 11.3.2020).

In Gebieten, die von bewaffneten Oppositionsgruppen oder der Syrian National Army (SNA) kontrolliert werden, finden Prozesse gegen Inhaftierte hauptsächlich vor Militärgerichten statt. In dieser Situation kann ein Häftling einen Anwalt hinzuziehen. Viele bewaffnete Oppositionsgruppen nehmen jedoch Verhaftungen ohne Haftbefehl vor; es gibt dann kein Gerichtsverfahren. Auf diese Weise Verhaftete werden verschwinden gelassen. Die Verwaltung des von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierten Gebiets verfügt über eine Justizbehörde. Die HTS unterhält jedoch geheime Gefängnisse. Die HTS unterwirft ihre Gefangenen geheimen Verfahren, den so genannten "Scharia-Sitzungen", in denen Entscheidungen von den Scharia- und Sicherheitsbeamten (Geistliche in Führungspositionen der HTS, die befugt sind, Fatwas [Rechtsgutachten] und Urteile zu erlassen) getroffen werden. Die Gefangenen können keinen Anwalt zu ihrer Verteidigung hinzuziehen und sehen ihre Familien während ihrer Haft nicht (NMFA 6.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             NMFA - Netherland Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, file:///tmp/EN-AAB-Syrie-juni-2021.pdf, Zugriff 28.6.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2051586.html, Zugriff 10.6.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2026345.html, Zugriff 22.7.2020

Gebiete unter kurdischer Kontrolle

Letzte Änderung: 30.09.2021

In den Gebieten unter der Kontrolle der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (engl. Abk.: AANES) - auch kurd. Rojava genannt, setzten die Behörden einen Rechtskodex, basierend auf einer "Sozialcharta", durch. Diese besteht aus einer Mischung aus syrischem Straf- und Zivilrecht und Gesetzen, die sich in Bezug auf Scheidung, Eheschließung, Waffenbesitz und Steuerhinterziehung an europäischem Recht orientieren. Allerdings fehlen gewisse europäische Standards für faire Verfahren, wie das Verbot willkürlicher Festnahmen, das Recht auf gerichtliche Überprüfung und das Recht auf einen Anwalt (USDOS 30.3.2021, vergleiche NMFA 6.2021). Verfahren gegen politische Gefangene werden in der Regel vor Strafgerichten oder vor einem Gericht für Terrorismusbekämpfung verhandelt. In ersteren können Inhaftierte einen Anwalt beauftragen, in zweiteren laut International Center for Transitional Justice (ICTJ) nicht (NMFA 6.2021).

Das Justizsystem in den kurdisch kontrollierten Gebieten besteht aus Gerichten, Rechtskomitees und Ermittlungsbehörden (USDOS 30.3.2021). Es wurde eine von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) geführte Verwaltung geschaffen, die neben diesen Rechtsinstitutionen auch eine eigene Polizei, Gefängnisse und Ministerien umfasst (AI 12.7.2017). Juristen, welche unter dem Justizsystem von Rojava agieren, werden von der syrischen Regierung beschuldigt, eine illegale Justiz geschaffen zu haben. Richter und Justizmitarbeiter sehen sich mit Haftbefehlen der syrischen Regierung konfrontiert, verfügen über keine Pässe und sind häufig Morddrohungen ausgesetzt (JS 28.10.2019).

Im März 2021 einigten sich Repräsentanten von kurdischen, jesidischen, arabischen und assyrischen Stämmen im Nordosten Syriens auf die Einrichtung eines Stammesgerichtssystems, bekannt als Madbata, für die Klärung von intertribalen Streitigkeiten, Raubüberfällen, Rache und Plünderungen in der Jazira Region in der Provinz Hassakah. Es besteht aus einer Reihe von Gesetzen und Bräuchen, die als Verfassung dienen, die die Stammesbeziehungen regeln und die Anwendung dieser Gesetze überwachen, auf die sich eine Gruppe von Stammesältesten geeinigt hat. Aufgrund von schlechten Sicherheitsbedingungen und dem Fehlen einer effektiven und unparteiischen Justiz wurde wieder auf dieses traditionelle Rechtssystem zurückgegriffen (Al-Monitor 4.4.2021).

Umgang mit ehemaligen IS-Kämpfern

Mit Stand Oktober 2020 wurden 64.000 Menschen, die mit dem IS in Verbindung stehen, allein im al-Hol Lager festgehalten. Mehr als 80% davon sind Frauen und Kinder, fast die Hälfte von ihnen Iraker, 37% Syrer, 15% anderer Nationalität. Viele europäische Länder sind weiterhin zurückhaltend, was die Zurückholung ihrer Staatsbürger betrifft, gleichzeitig wird die Verurteilung vor syrischen und irakischen Gerichten nicht als den Standards der internationalen Menschenrechte entsprechend angesehen und die Chancen, ein internationales Tribunal vor Ort zu etablieren sind gering. Dementsprechend hat die Autonome Administration ehemalige IS-Kämpfer vor provisorische Tribunale gestellt und angekündigt 2021 tausende nach lokalem Gesetz zu verurteilen (ICCT 16.3.2021).

Der sogenannte "Defense of the People Court" wird weder von den syrischen Behörden noch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Durch den Fokus auf Konfliktlösung und milde Strafurteile versucht die AANES aber Zusammenarbeit bei der Verfolgung weiterer IS-Kämpfer zu erreichen, ihre Regierungskompetenz gegenüber der lokalen Bevölkerung hervorzuheben und internationale Legitimität zu gewinnen. Die Todesstrafe wurde abgeschafft; die Höchststrafe ist eine lebenslange Freiheitsstrafe, de facto eine zwanzigjährige Haftstrafe. Gerichtsurteile werden bei guter Führung, oder wenn sich der Angeklagte selbst den kurdischen Behörden gestellt hat, gemildert. 2017 gab es Versöhnungs- und Vermittlungsversuche mit großen arabischen Stämmen und es wurden über 80 IS-Kämpfer amnestiert, um gute Beziehungen zu schaffen und andere dazu zu bringen, sich zu stellen. Auch in diesem Gericht kann jedoch kein Anwalt beauftragt, oder Einspruch eingelegt werden (Ha'aretz 8.5.2018, vergleiche AP 7.5.2018).

Quellen:

             AI - Amnesty International (12.7.2017): Zwei von drei Aktivisten wieder frei, https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/zwei-von-drei-aktivisten-wieder-frei, Zugriff 20.8.2020

             Al-Monitor (4.4.2021): Tribes in east Syria resort to their own judiciary over lack of trust in official courts, https://www.al-monitor.com/originals/2021/04/tribes-east-syria-resort-their-own-judiciary-over-lack-trust-official-courts, Zugriff 15.4.2021

             AP - The Associated Press (7.5.2018): Syria’s Kurds put IS on trial with focus on reconciliation, https://apnews.com/article/after-the-caliphate-islamic-state-group-syria-ap-top-news-international-news-d672105754434b738c8e5823233572c9, Zugriff 27.8.2021

             Ha'aretz (8.5.2018): Syria’s Kurds Put ISIS on Trial With Focus on Reconciliation, https://www.haaretz.com/middle-east-news/syria/syria-s-kurds-put-isis-on-trial-with-focus-on-reconciliation-1.6071212, Zugriff 20.8.2020

             ICCT - International Centre for Counter-Terrorism (16.3.2021): New Kid on the Block: prosecution of ISIS fighters by the Autonomous Administration of North and East Syria, https://icct.nl/publication/prosecution-of-isis-fighters-by-autonomous-administration-of-north-east-syria/, Zugriff 27.8.2021

             JS - Just Security (28.10.2019): Northeastern Syria: Complex Criminal Law in a Complicated Battlespace, https://www.justsecurity.org/66725/northeastern-syria-complex-criminal-law-in-a-complicated-battlespace/, Zugriff 20.8.2020

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf, Zugriff 30.8.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Sicherheitsbehörden und regierungstreue Milizen

Letzte Änderung: 25.06.2021

Die Regierung hat zwar die effektive Kontrolle über die uniformierten Polizei-, Militär- und Staatssicherheitskräfte, jedoch nur beschränkten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Einheiten, z.B. russische Streitkräfte, die mit dem Iran verbündete Hizbollah und die iranischen Islamischen Revolutionsgarden (USDOS 30.3.2021). Der Präsident stützt seine Herrschaft auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Geheimdienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen (AA 4.12.2020).

Straflosigkeit unter den Sicherheitsbehörden bleibt ein weit verbreitetes Problem (USDOS 30.3.2021; vergleiche BS 29.4.2020). Das Generalkommando der Armee und der Streitkräfte kann im Fall von Verbrechen von Militäroffizieren, Mitgliedern der internen Sicherheitskräfte oder Zollpolizeioffizieren im Rahmen ihrer beruflichen Pflichten einen Haftbefehl ausstellen. Solche Fälle müssen vor einem Militärgericht verhandelt werden (USDOS 11.3.2020). In der Praxis sind keine Fälle von Strafverfolgung oder Verurteilung von Polizei- und Sicherheitskräften hinsichtlich Misshandlung bekannt. Es gibt auch keine Berichte von Maßnahmen der Regierung, um die Einhaltung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu verbessern (USDOS 30.3.2021). Die Sicherheitskräfte operieren unabhängig und im Allgemeinen außerhalb der Kontrolle des Justizwesens (USDOS 11.3.2020). In keinem Teil des Landes besteht ein umfassender und langfristiger Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Repression durch die zahlreichen Sicherheitsdienste, Milizen und sonstige regimenahe Institutionen (AA 19.5.2020).

Russland, Iran, die libanesische Hizbollah (KAS 4.12.2018a; vergleiche DW 20.5.2020) und Einheiten mit irakischen Kämpfern unterstützen die syrische Regierung, unter anderem mit Einsätzen an der Seite der syrischen Streitkräfte (KAS 4.12.2018a).

Es ist schwierig Informationen über die Aktivitäten von spezifischen Regierungs- oder regierungstreuen Einheiten zu spezifischen Zeiten oder an spezifischen Orten zu finden, weil die Einheiten seit dem Beginn des Bürgerkrieges oft nach Einsätzen organisiert („task-organized“) sind oder aufgeteilt oder für spezielle Einsätze mit anderen Einheiten zusammengelegt werden. Berichte sprechen oft von einer speziellen Militäreinheit an einem bestimmten Einsatzort (z.B. einer Brigade), wobei die genannte Einheit aus Teilen mehrerer verschiedener Einheiten nur für diesen speziellen Einsatz oder eine gewisse Zeit zusammengesetzt wurde (Kozak 28.12.2017).

Kämpfe um die lokale Vorherrschaft unter den verschiedenen Sicherheitsakteuren (Offiziere, Soldaten, Miliz-Kämpfer und lokale Polizei) des Regimes sind eskaliert und haben zu gegenseitigen Verhaftungen von Personal, offenen Zusammenstößen und Gewalt geführt (TWP 30.7.2019).

Anmerkung, In den folgenden Unterkapiteln werden einige wichtige Gruppen, Einheiten, Milizen und Sicherheitsbehörden, die auf der Seite der Regierung zum Einsatz kommen, beschrieben. Dies stellt jedoch keine abschließende Aufstellung dar.

Quellen:

             AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020

             BS – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report – Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 19.8.2020

             DW – Deutsche Welle (20.5.2020): Syrien: Wie mächtig ist Assad noch?, https://www.dw.com/de/syrien-wie-m%C3%A4chtig-ist-assad-noch/a-53495592, Zugriff 14.9.2020

             KAS – Konrad Adenauer Stiftung [Gürbey, Gülistana] (4.12.2018a): Zwischen den Fronten – Die Kurden in Syrien, https://www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/zwischen-den-fronten-1, Zugriff 18.8.2020

             Kozak, Christopher [Senior Research Analyst am Insitute for the Study of War] (28.12.2017): Auskunft, per E-Mail

             TWP – Washington Post (30.7.2019): Assad’s control over Syria’s security apparatus is limited, https://www.washingtonpost.com/politics/2019/07/30/assads-control-over-syrias-security-apparatus-is-limited/, Zugriff 14.9.2020

             USDOS – United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

             USDOS – United States Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2026345.html, Zugriff 22.7.2020

Streitkräfte

Letzte Änderung: 28.09.2021

Die syrischen Streitkräfte (Syrian armed forces - SAF) bestehen aus dem Heer, der Marine, der Luftwaffe, den Luftabwehrkräften und den National Defense Forces (NDF, regierungstreue Milizen und Hilfstruppen). Vor dem Konflikt sollen die SAF eine Mannstärke von geschätzt 300.000 Personen gehabt haben, mit Stand 2018 waren sie wohl auf weniger als 100.000 durch Verluste und Desertionen geschrumpft. Momentan versuchen die SAF sich wieder aufzubauen und alliierte Milizen und Hilfstruppen zu integrieren, während sie weiterhin an aktiven Militäroperationen teilnehmen (CIA 11.8.2020). Der Aufbau der SAF basiert auf dem sogenannten Qutaʿa-System [arab. Sektor, Landstück]. Hierbei wird jeder Division (firqa) ein bestimmtes Gebiet (qutaʿa) zugeteilt. Mit diesem System wurde in der Vergangenheit verhindert, dass Offiziere überlaufen. Gleichzeitig gaben die SAF dem Divisionskommandeur für den Fall eines Zusammenbruchs der Kommunikation oder für Notfälle freie Hand über dieses Gebiet. Dadurch kann der Präsident den Einfluss einzelner Divisionskommandeure einschränken, indem er sie gegeneinander ausspielt (CMEC 14.3.2016).

Die syrische Armee war der zentrale Faktor für das Überleben des Regimes während des Bürgerkriegs. Im Laufe des Krieges hat ihre Kampffähigkeit jedoch deutlich abgenommen (CMEC 26.3.2020a). Im Zuge des Konfliktes hat das Regime loyale Einheiten in größere Einheiten eingegliedert, um eine bessere Kontrolle ausüben und ihre Effektivität im Kampf verbessern zu können (ISW 8.3.2017). Die syrische Regierung arbeitet daran, Milizen zu demobilisieren oder sie in ihre regulären Streitkräfte zu integrieren (CIA 12.8.2020).

Quellen:

             CIA - Central Intelligence Agency [USA] (11.8.2021): The World Factbook: Syria – Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 18.8.2020

             CMEC - Carnegie Middle East Center (26.3.2020a): Russia and Syrian Military Reform: Challenges and Opportunities, https://carnegie-mec.org/2020/03/26/russia-and-syrian-military-reform-challenges-and-opportunities-pub-81154, Zugriff 14.9.2020

             CMEC - Carnegie Middle East Center (14.3.2016): Strength in Weakness: The Syrian Army’s Accidental Resilience, http://carnegie-mec.org/2016/03/14/strength-in-weakness-syrian-army-s-accidental-resilience-pub-62968, Zugriff 14.9.2020

             ISW - Institute for the Study of War [Kozak, Christopher] (8.3.2017): Iran’s Assad Regime, http://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iran%27s%20Assad%20Regime.pdf, Zugriff 14.9.2020

Zivile und militärische Sicherheits- und Nachrichtendienste, Polizei

Letzte Änderung: 30.09.2021

Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen (USDOS 30.3.2021).

Es gibt vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste: den Militärischen Nachrichtendienst, den Luftwaffennachrichtendienst, das Direktorat für Politische Sicherheit und das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat (USDOS 30.3.2021; vergleiche EIP 6.2019). Diese vier Dienste arbeiten unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems, überwachen einzelne Staatsbürger und unterdrücken oppositionelle Stimmen innerhalb Syriens (GS 11.2.2017). Jeder Geheimdienst unterhält eigene Gefängnisse und Verhöreinrichtungen, bei denen es sich de facto um weitgehend rechtsfreie Räume handelt. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle im Zuge des Konfliktes verteidigt oder sogar weiter ausgebaut (AA 4.12.2020). Innerhalb der Sicherheitsdienste ist bekannt, dass die Nachrichtendienste der Luftwaffe am wenigsten einer Kontrolle unterliegen und mit der geringsten Zurückhaltung agieren (BS 29.4.2020). Vor 2011 war die vorrangige Aufgabe der Nachrichtendienste die syrische Bevölkerung zu überwachen. Seit dem Beginn des Konfliktes nutzt Assad den Sicherheitssektor, um die Kontrolle zu behalten. Diese Einheiten überwachten, verhafteten, folterten und exekutierten politische Gegner sowie friedliche Demonstranten. Um seine Kontrolle über die Sicherheitsdienste zu stärken, sorgte Assad künstlich für Feindschaft und Konkurrenz zwischen ihnen. Um die Loyalität zu sichern, wurde einzelnen Behörden bzw. Beamten die Kontrolle über alle Bereiche des Staatswesens in einem bestimmten Gebiet überlassen, was für diese eine enorme Geldquelle darstellt (EIP 6.2019).

Die Sicherheitskräfte nutzen eine Reihe an Techniken, um Bürger einzuschüchtern oder zur Kooperation zu bringen. Diese Techniken beinhalten im besten Fall Belohnungen, andererseits jedoch auch Zwangsmaßnahmen wie Reiseverbote, Überwachung, Schikanen von Individuen und/oder deren Familienmitgliedern, Verhaftungen, Verhöre oder die Androhung von Inhaftierung. Die Zivilgesellschaft und die Opposition in Syrien erhalten spezielle Aufmerksamkeit von den Sicherheitskräften, aber auch ganz im Allgemeinen müssen Gruppen und Individuen mit dem Druck der Sicherheitsbehörden umgehen (GS 11.2.2017; vergleiche USDOS 30.3.2021).

Der Sicherheitssektor übt eine allgegenwärtige Kontrolle über die Gesellschaft (sowohl informell als auch formell) aus. Festnahmen und Inhaftierungen werden genutzt, um Informationen zu erhalten, jene, die als illoyal gesehen werden, zu bestrafen, und um Geld für die Freilassung der Inhaftierten zu erpressen (EIP 6.2019).

In jüngster Zeit hat das syrische Regime seine Sicherheitsdienste umgebaut, indem es neue "Loyalisten" in leitende Sicherheitspositionen berufen hat. Es handelt sich um bisher unbekannte Personen, die sich durch ihre Rolle bei der Eskalation der Gewalt nach 2011 einen Namen machten, und gegen die das Regime in Form von Korruptionsakten erhebliche Druckmittel besitzt. Es zeigt sich außerdem grundsätzlich eine breitere Dynamik der russisch-iranischen Konkurrenz um die Gestaltung der syrischen Sicherheitslandschaft (Clingendael 5.2020). Die Führung der Sicherheitsdienste hat oft enge familiäre und persönliche Beziehungen zum Präsidenten, der Alawit ist. Im Allgemeinen sind diese Behörden weitgehend mit Personen aus Communities besetzt, die historisch der herrschenden Familie gegenüber loyal sind. Das klarste Beispiel hierfür ist die verhältnismäßig große Anzahl an Alawiten, die im Sicherheitssektor arbeiten (NMFA 5.2020).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 19.8.2020

             Clingendael (5.2020): The nature of the Syrian regime, Chapter 1, CRU Report, https://www.clingendael.org/pub/2020/pandoras-box-in-syria/1-the-nature-of-the-syrian-regime/, Zugriff 14.9.2020

             EIP - European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018602/EIP+Report+-+Security+and+Refugee+Return+in+Syria+-+July.pdf, Zugriff 27.10.2020

             GS - Global Security (11.2.2017): Syria Intelligence & Security Agencies, http://www.globalsecurity.org/intell/world/syria/intro.htm, Zugriff 14.9.2020

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2020): Country of Origin Information Report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf, Zugriff 17.8.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Regierungstreue Einheiten, ausländische Kämpfer, russischer und iranischer Einfluss

Letzte Änderung: 01.10.2021

Die National Defence Forces (NDF) sind eine Dachorganisation für verschiedene Pro-Regime-Milizen und wurden aus sogenannten Volkskomitees gegründet (FIS 14.12.2018). Der Iran und die libanesische Hizbollah spielten eine wichtige Rolle bei der Gründung der NDF nach dem Vorbild der iranischen paramilitärischen Basij-Einheiten (ISW 8.3.2017; vergleiche JTF 24.3.2017, CMEC 26.3.2020a). Die NDF sind nicht Teil der syrischen Armee, aber offiziell als "Verbündete", als legitime Institutionen anerkannt, die Waffen tragen dürfen und zudem operative und logistische Unterstützung durch die syrische Armee erhalten. Die regierungstreuen Milizen stellen für die Regierung jedoch auch eine Konkurrenz dar, z.B. im Zusammenhang mit der Rekrutierung, da die Milizen teilweise über bessere Finanzierung verfügen und somit höheren Sold bezahlen können. Manche der bewaffneten Gruppen kritisieren die syrische Regierung und ihre Geheimdienste auch vergleichsweise offen (FIS 14.12.2018). Die regierungsnahen Milizen stellen mittlerweile selbst eine Bedrohung der staatlichen Souveränität dar, da sie an Größe, Anzahl und Einfluss gewonnen haben (CMEC 26.3.2020a).

Pro-Regime Milizen wie die NDF üben ähnliche Aufgaben wie andere regimenahe Kräfte aus, wobei ihre Kompetenzen nicht klar definiert sind (USDOS 30.3.2021). Milizen, die von der libanesischen Hizbollah und den iranischen Quds-Brigaden eingerichtet wurden, treten als nahezu unabhängige Einheiten auf (JTF 26.6.2020; vergleiche CMEC 26.3.2020a).

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Unterstützung mit fortschrittlichen Waffentechnologien, Spezial- und Lufteinheiten, sowie die ausgeweitete Bodenintervention Irans konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018b). Das Eingreifen Russlands, Irans und der Hizbollah sind seit 2011 jedoch auch die wichtigste Quelle für die Erosion von Autonomie und Souveränität des syrischen Regimes, und dieses ist weiterhin abhängig von der politischen und militärischen Unterstützung Russlands und Irans (Clingendael 5.2020).

Iran und Russland unterstützen jeweils unterschiedliche Einheiten bzw. Akteure des syrischen Sicherheitssektors (TWP 30.7.2019). Russland fokussiert vor allem auf den Aufbau von staatlichen Institutionen, während der Iran auch Einfluss außerhalb syrischer staatlicher Institutionen ausübt (Clingendael 5.2020; vergleiche CMEC 26.3.2020a).

Russland ist besonders in die Reform der syrischen Streitkräfte involviert (CMEC 26.3.2020c). Im Oktober 2015 wurde das sogenannte Vierte Korps (Fourth Storming Corps/Fourth Assault Corps) und im November 2016 das Fünfte Korps (Fifth Storming Corps/Fifth Assault Corps) gegründet (Kozak 3.2018). Ähnlich wie die NDF sollten auch diese beiden Einheiten Strukturen bieten, in denen regierungstreue Milizen integriert und so unter die Kontrolle der Regierung gebracht werden können (CEIP 12.12.2018; vergleiche TWP 30.7.2019). Das Vierte und das Fünfte Korps wurden jeweils mit russischer Unterstützung gegründet (CMEC 26.3.2020a). In das Vierte Korps wurden neben Einheiten aus den syrischen Streitkräften auch irreguläre Einheiten aus NDF-Mitgliedern und Wehrpflichtigen aus Lattakia aufgenommen (CMEC 26.3.2020b). Das Fünfte Korps besteht ausschließlich aus Freiwilligen, einerseits aus verschiedenen Einheiten der syrischen Armee, andererseits vor allem aber aus irregulären Einheiten wie den NDF oder loyalen Ba'ath-Bataillonen. Rekrutiert wurde in ganz Syrien. 2018 wurden auch ehemalige Rebellen aus der Provinz Dara’a in das Fünfte Korps integriert. Zu Beginn oblag das Kommando vollständig dem russischen Militär, mittlerweile haben russische Berater weniger Einfluss (CMEC 26.3.2020b).

Von Russland gestützte Milizen stellen eine große Bedrohung für die Bevölkerung dar, da sie an keine Gesetze oder Regeln gebunden sind (DIYARUNA 20.8.2020). Angesichts der Sensibilität der russischen öffentlichen Meinung in Bezug auf militärische Verluste, sind viele der in Syrien kämpfenden Russen Söldner, offiziell auf Eigeninitiative, aber in Wirklichkeit von privaten Militärunternehmen mit vermeintlichen Verbindungen zum Kreml, wie der Wagner-Gruppe, eingesetzt (EPRS 11.2018). Es gibt zahlreiche Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen der Wagner-Gruppe gegen Zivilisten, oftmals mit extremer Brutalität. Im März 2021, beispielsweise, erhob ein Familienmitglied eines syrischen Staatsbürgers, der 2017 von sechs Mitgliedern der Wagner-Gruppe im Governorat Homs gefoltert, getötet und dessen Leichnam verstümmelt wurde, eine Anklage in Moskau (FIDH 22.3.2021, vergleiche RFE/RL 15.3.2021).

Die traditionelle Strategie Teherans besteht darin, parallele nichtstaatliche Militärstrukturen zu schaffen und zu entwickeln, die dem syrischen Staat nicht direkt unterstellt und dem Iran gegenüber loyaler sind als dem syrischen Zentralkommando (CMEC 26.3.2020a). Das syrische Regime hat während des Konflikts ausländische schiitische Milizen eingesetzt, die vor allem vom Iran getragen werden (CMEC 26.3.2020a). Die iranische Koalition besteht aus iranischen Kämpfern (Teileinheiten aus dem Islamic Revolutionary Guard Corps und Mitgliedern der regulären iranischen Streitkräfte - sogenannte "Artesh"-Kämpfer) und ausländischen Kämpfern (ISW 8.3.2017), darunter Pakistanis und Afghanen (KAS 4.12.2018b; vergleiche CMEC 26.3.2020a). Iranische Offiziere unterstützen Einheiten der syrischen Armee, regierungstreue Milizen, die Hizbollah und irakische schiitische Milizen bei der Planung und Koordination von Einsätzen. Die afghanischen und pakistanischen Kämpfer werden von den iranischen Einheiten rekrutiert, ausgebildet, versorgt und ihre Führung im Kampf wird von iranischer Seite organisiert (KAS 4.12.2018b; vergleiche CMEC 26.3.2020a).

Hochrangige syrische Funktionäre erlebten durch die iranische und russische Dominanz einen Machtverlust, der wiederholt zu Spannungen in der iranisch-russisch-syrischen Militärkooperation führte (KAS 4.12.2018b). Im Zuge dessen kam es auch zu Säuberungen, Exekutionen und Versetzungen von niederrangigen oder auch höherrangigen syrischen Offizieren, die sich gegen die Ausweitung des iranischen Einflusses wehrten (ISW 8.3.2017). 2017 und vor allem 2018 standen sich die verschiedenen Unterstützer des syrischen Regimes immer stärker konfrontativ gegenüber. Im Juni 2018 kam es beispielsweise zu einer offenen Konfrontation zwischen Hizbollah und syrischen Truppen unter russischer Führung, im Januar 2019 zu Kämpfen zwischen dem Vierten und dem Fünften Korps der syrischen Armee in der Provinz Hama (BS 29.4.2020; vergleiche TWP 30.7.2019).

Quellen:

             BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 19.8.2020

             CEIP - Carnegie Endowment for International Peace (12.12.2018): Reintegrating Syrian Militias: Mechanisms, Actors, and Shortfalls, https://carnegieendowment.org/publications/?fa=77932, Zugriff 22.9.2020

             CMEC - Carnegie Middle East Center (26.3.2020a): Russia and Syrian Military Reform: Challenges and Opportunities, https://carnegie-mec.org/2020/03/26/russia-and-syrian-military-reform-challenges-and-opportunities-pub-81154, Zugriff 14.9.2020

             CMEC - Carnegie Middle East Center (26.3.2020b): The Efficiency of the Syrian Armed Forces: An Analysis of Russian Assistance, https://carnegie-mec.org/2020/03/26/efficiency-of-syrian-armed-forces-analysis-of-russian-assistance-pub-81150, Zugriff 22.9.2020

             CMEC - Carnegie Middle East Center (26.3.2020c): Russia’s Role in Reforming Syrian Special Services, https://carnegie-mec.org/2020/03/26/russia-s-role-in-reforming-syrian-special-services-pub-81151, Zugriff 22.9.2020

             Clingendael (5.2020): The nature of the Syrian regime, Chapter 1, CRU Report, https://www.clingendael.org/pub/2020/pandoras-box-in-syria/1-the-nature-of-the-syrian-regime/, Zugriff 14.9.2020

             DIYARUNA (20.8.2020): Russian private military companies pose grave threat to Syria: experts, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2020/08/20/feature-01, Zugriff 20.8.2021

             EPRS - European Parliamentary Research Service (11.2018): https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2018/630293/EPRS_BRI(2018)630293_EN.pdf, Zugriff 17.8.2021

             FIDH - International Federation for Human Rights (22.03.2021): Complaint filed in Moscow against Wagner paramilitary fighters, on behalf of Syrian victim, https://www.fidh.org/en/region/europe-central-asia/russia/breaking-legal-action-complaint-filed-in-moscow-against-wagner, Zugriff 18.8.2021

             FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020

             ISW - Institute for the Study of War [Kozak, Christopher] (8.3.2017): Iran’s Assad Regime, http://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iran%27s%20Assad%20Regime.pdf, Zugriff 14.9.2020

             JTF - Jamestown Foundation (26.6.2020): Could Russia Lose the Syrian Arab Army to Iran or General Maher al-Assad?, https://jamestown.org/program/could-russia-lose-the-syrian-arab-army-to-iran-or-general-maher-al-assad/, Zugriff 22.9.2020

             JTF - Jamestown Foundation (24.3.2017): Institutionalized 'Warlordism': Syria’s National Defense Force; Terrorism Monitor Volume: 15 Issue: 6, https://www.ecoi.net/local_link/338196/481168_de.html, Zugriff 22.9.2020

             KAS - Konrad Adenauer Stiftung [Wörmer, Nils] (4.12.2018b): Assads afghanische Söldner, www.kas.de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/assads-afghanische-soldner, Zugriff 22.9.2020

             Kozak, Christopher (3.2018): 'Pro-Assad Forces'. In EASO - European Asylum Support Office: EASO COI Meeting Report - Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427709/1226_1522073171_syria-coi-meeting-report-nov-dec-2017-published-march-2018.pdf, Zugriff 22.9.2020

             RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (15.3.2021): Complaint Filed In Moscow Against Vagner Mercenary Group Over Torture Of Syrian Detainee, https://www.ecoi.net/en/document/2047249.html, Zugriff 17.8.2021

             TMT - The Moscow Times (9.1.2020): Russia’s Role in Syria is Changing, https://www.themoscowtimes.com/2020/01/09/russias-role-syria-changing-a68823, Zugriff 22.9.2020

             TWP - Washington Post (30.7.2019): Assad’s control over Syria’s security apparatus is limited, https://www.washingtonpost.com/politics/2019/07/30/assads-control-over-syrias-security-apparatus-is-limited/, Zugriff 14.9.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 01.10.2021

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Menschenrechtsaktivisten, die Commission of Inquiry für Syrien der UN (COI) und lokale NGOs berichteten jedoch von Tausenden glaubwürdigen Fällen, in denen die Behörden des Regimes Folter, Missbrauch und Misshandlungen zur Bestrafung vermeintlicher Oppositioneller einsetzten, auch bei Verhören - eine systematische Praxis des Regimes, die während des gesamten Konflikts und sogar schon vor 2011 dokumentiert wurde. Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte kam zu dem Schluss, dass Einzelpersonen zwar häufig gefoltert wurden, um Informationen zu erhalten, der Hauptzweck der Anwendung von Folter durch das Regime während der Verhöre jedoch darin bestand, die Gefangenen zu terrorisieren und zu demütigen (USDOS 30.3.2021). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 13.1.2021; vergleiche AI 7.4.2021, USDOS 30.3.2021, AA 4.12.2020). Zwischen März 2011 und Juni 2021 dokumentierte das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) den Tod von mindestens 14.565 Personen, darunter 174 Kinder und 74 (erwachsene) Frauen, durch Folter durch die Konfliktparteien und die kontrollierenden Kräfte in Syrien, wobei das syrische Regime für 98,6 % dieser Todesfälle verantwortlich ist (SNHR 14.6.2021).

NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 30.3.2021; vergleiche TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung nimmt hierbei auch Personen ins Visier, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 30.3.2021). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 4.12.2020).

Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod von Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik (USDOS 30.3.2021). Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festhalten werden (USDOS 30.3.2021; vergleiche SHRC 24.1.2019). Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt („incommunicado“) fest (USDOS 30.3.2021). Von Familien von Häftlingen wird Geld verlangt, dafür dass die Gefangenen Nahrung erhalten und nicht mehr gefoltert werden, was dann jedoch nicht eingehalten wird. Große Summen werden gezahlt, um die Freilassung von Gefangenen zu erwirken (NMFA 7.2019). In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines "Freilassungsabkommens" auszutauschen (SHRC 24.1.2019).

Seit 2018 wurden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe unspezifischer Todesursachen (Herzversagen, Schlaganfall etc.). Berichten zufolge sind die Todesfälle auf Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötungen zurückzuführen (AA 20.11.2019; vergleiche SHRC 24.1.2019). Die meisten der auch im Jahr 2020 bekannt gegebenen Todesfälle betreffen Inhaftierte aus den vergangenen neun Jahren, wobei das Regime ihre Familien erst in den Folgejahren über ihren Tod informiert. Obwohl die Todesfälle in der Vergangenheit eingetreten sind, gibt das Regime diese nur nach und nach bekannt. 2020 lag die Rate bei etwa 17 Personen pro Monat. In den meisten Fällen werden die Familien der Opfer nicht direkt über ihren Tod informiert, da der Sicherheitsapparat nur den Status der Inhaftierten im Zivilregister ändert und die Familien aktiv im Melderegister suchen müssen, um den Verbleib ihrer Verwandten zu erfahren (SHRC 1.2021). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 14.1.2020).

Zehntausende Menschen sind weiterhin in willkürlicher Haft, darunter humanitäre Helfer, Anwälte, Journalisten und friedliche Aktivisten (AI 7.4.2021). In Gebieten, die unter der Kontrolle der Opposition standen und von der Regierung zurückerobert wurden, darunter Ost-Ghouta, Dara'a und das südliche Damaskus, verhafteten die syrischen Sicherheitskräfte Hunderte von Aktivisten, ehemalige Oppositionsführer und ihre Familienangehörigen, obwohl sie alle Versöhnungsabkommen mit den Behörden unterzeichnet hatten, in denen garantiert wurde, dass sie nicht verhaftet würden (HRW 14.1.2020).

Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen und der Folter von Inhaftierten beschuldigt (FH 3.3.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021). Opfer sind vor allem (vermutete) regierungstreue Personen und Mitglieder von Milizen oder rivalisierenden bewaffneten Gruppen (USDOS 30.3.2021). Zu den Bedingungen in den Hafteinrichtungen der verschiedenen regierungsfeindlichen Gruppen ist wenig bekannt, NGOs berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und unmenschlicher Behandlung (USDOS 11.3.2020). Auch die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) nutzten in ihren Haftanstalten Folter, um Geständnisse zu erhalten, wobei die Folter oft aus Rache und basierend auf ethnischen Vorurteilen durchgeführt wurde. Der Menschenrechtsmonitor, Syrian Network for Human Rights, konnte im Jahr 2020 zumindest 14 Todesfälle aufgrund von Folter und fehlendem Zugang zu medizinischer Versorgung in den Haftanstalten der SDF dokumentieren (SNHR 26.1.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.11.2019): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/21601427/Deutschland___Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_20.11.2019)%2C_20.11.2019.pdf?nodeid=21602084&vernum=-2, Zugriff 26.8.2020

             AI - Amnesty International (7.4.2021): Syrien 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048575.html, Zugriff 10.6.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2021, Zugriff 1.10.2020

             HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2043510.html, Zugriff 26.1.2021

             HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2022683.html, Zugriff 22.7.2020

             NMFA - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports [Niederlande] (7.2019): Country of Origin Information Report Syria - The security situation [Niederlande], per E-Mail am 27.8.2019

             SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 22.7.2020

             SNHR - Syrian Network for Human Rights (14.6.2021): Death Toll due to Torture, https://sn4hr.org/blog/2021/06/14/death-toll-due-to-torture/, Zugriff 30.9.2021

             SNHR - Syrian Network for Human Rights (26.1.2021): The Bleeding Decade - Tenth Annual Report: The Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2020, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/Tenth_Annual_Report_The_Most_Notable_Human_Rights_Violations_in_Syria_in_2020_en.pdf, Zugriff 3.2.2021

             TWP - The Washington Post (23.12.2018): Syria’s once teeming prison cells being emptied by mass murder, https://www.washingtonpost.com/graphics/2018/world/syria-bodies/?noredirect=on&utm_term=.6a8815bb3721, Zugriff 22.7.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2026345.html, Zugriff 22.7.2020

Korruption

Letzte Änderung: 30.09.2021

Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für das Jahr 2020 liegt Syrien mit einer Bewertung von 14 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 178 von 180 untersuchten Ländern (je höher die Zahl, desto schlechter die Platzierung) (TI 28.1.2021).

Korruption war bereits vor dem Bürgerkrieg weit verbreitet, beeinflusste das tägliche Leben der Syrer (FH 1.2017) und wurde im Laufe des Konfliktes noch viel schlimmer (BS 29.4.2020). Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für amtliche Korruption vor, die Regierung setzt diese jedoch nicht effektiv durch. Beamte üben häufig korrupte Praktiken aus, ohne dafür bestraft zu werden. Korruption ist weiterhin ein allgegenwärtiges Problem bei Polizei, Sicherheitskräften, Migrationsbehörden und in der Regierung (USDOS 30.3.2021).

Mitglieder und Verbündete des Regimes sollen einen Großteil der syrischen Wirtschaft besitzen oder kontrollieren. Der Bürgerkrieg hat neue Möglichkeiten für Korruption in der Regierung, den regierungstreuen Streitkräften und im Privatsektor geschaffen. Auch sicherte sich die Regierung durch die Bevorzugung bestimmter Firmen und Vergabe von vorteilhaften Verträgen etc. Loyalität, auch von ausländischen Verbündeten wie Russland oder Iran. Sogar grundlegende staatliche Dienstleistungen und humanitäre Hilfe sind von der demonstrierten Loyalität der Gemeinde zum Assad-Regime abhängig. Personen in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, die versuchen, offizielle Korruption aufzudecken oder zu kritisieren, zum Beispiel in den sozialen Medien, sehen sich Repressalien ausgesetzt, einschließlich Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis und Inhaftierung (FH 2021).

Die Mitgliedschaft in der Baʿath-Partei oder enge familiäre Beziehungen zu einem prominenten Parteimitglied oder einem mächtigen Regimebeamten helfen beim wirtschaftlichen, sozialen und bildungsmäßigen Aufstieg. Partei- oder Regimeverbindungen erleichterten die Zulassung zu besseren Schulen, den Zugang zu lukrativen Arbeitsplätzen und den Aufstieg und die Macht innerhalb der Regierung, des Militärs und der Sicherheitsdienste. Das Regime reservierte bestimmte prominente Positionen, wie z. B. Gouverneursposten in den Provinzen, ausschließlich für Mitglieder der Baʿath-Partei (USDOS 30.3.2021). Korruption hat als Instrument der Regierungsführung an Bedeutung gewonnen, um Unterstützung zu gewinnen (BS 29.4.2020).

Bewegungseinschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie schufen 2020 noch mehr Möglichkeiten für Korruption, da diejenigen, die es sich leisten konnten, Bestechungsgelder an Beamte und Sicherheitskräfte zahlten, um die Regeln zu umgehen (FH 2021).

In der syrischen Armee gibt es eine Tradition der Bestechung Ranghöherer (FIS 14.12.2018), etwa um eine bessere Position oder einfachere Aufgaben zu erhalten, einen Einsatz an der Frontlinie zu vermeiden oder überhaupt den Wehrdienst selbst zu umgehen (FIS 14.12.2018; vergleiche DIS 5.2020).

Quellen:

             BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 22.7.2020

             DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (5.2020): Syria Military Service, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031493/Report_Syria_Military_Service_may_2020.pdf, Zugriff 22.7.2020

             FH - Freedom House (2021): Freedom in the World 2021 - Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2021, Zugriff 23.6.2021

             FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/341821/485142_de.html, Zugriff 22.7.2020

             FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020

             TI - Transparency International (28.1.2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.transparency.org/en/news/cpi-2020-global-highlights, Zugriff 23.6.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Letzte Änderung: 16.12.2020

Anmerkung, In den folgenden Kapiteln kann aufgrund der Vielzahl an bewaffneten Gruppen nur auf die Rekrutierungspraxis eines Teils der Organisationen eingegangen werden.

Darin wird der Begriff „Militärdienst“ als Überbegriff für Wehr- und Reservedienst verwendet. Wo es die Quellen zulassen, wird versucht klar zwischen Wehr- und Reservedienst bzw. zwischen Desertion und Wehrdienstverweigerung zu unterscheiden.

Rekrutierung von Minderjährigen durch verschiedenste Organisationen

Letzte Änderung: 01.10.2021

Der UN-Sicherheitsrat konnte die Rekrutierung von insgesamt 1.423 Kindern zwischen 1.7.2018 und 30.6.2020 in 11 von 14 Gouvernements verifizieren, 73% der Fälle wurden im Nordwesten Syriens (Idlib, Aleppo und Hama) bestätigt und 26% im Nordosten (Raqqa, Hassakah und Der az-Zour). Zum Zeitpunkt der Rekrutierung waren 250 Kinder (18%) unter 15 Jahre alt (UNSC 23.4.2021).

In ihrem 2021 Bericht über Kinder und bewaffneten Konflikt verifizierten die UN die Rekrutierung und den Einsatz von 813 Kindern (777 Buben, 36 Mädchen) von Jänner bis Dezember 2020 durch: Hay’at Tahrir ash-Sham (390); Syrische bewaffnete oppositionelle Gruppen früher als Freie Syrische Armee (FSA) bekannt (170); die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten und Frauenverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) (119) unter dem Schirm der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF); regierungstreue Milizen (42); Ahrar ash-Sham (31), Nur ad-Din az-Zanki (3) und die Armee des Islam (Jaysh al-Islam) (3), alle dem Namen nach unter dem Schirm der oppositionellen Syrischen Nationalen Armee (SNA) operierend; die Patriotische Revolutionäre Jugendbewegung (YDG-H) (30); die Internen Sicherheitskräfte (13); Hurras ad-Din (6); ISIL (4); und syrische Regierungskräfte (2). Fälle wurden vor allem in Idlib (477) und Aleppo (119) verifiziert. Von jenen wurden 99% (805) in Kampfhandlugen eingesetzt (UNGASC 6.5.2021).

Es ist Teil der Regierunsgpolitik,Kindersoldaten zu rekrutieren und einzusetzen. Manche bewaffneten Gruppen, die für die syrische Regierung kämpfen, wie die Hizbollah und regierungstreue Milizen, die als National Defense Forces oder „Shabiha“ bekannt sind, rekrutieren Kinder im Alter von sechs Jahren zwangsweise. Die Regierung und regimenahe Milizen führten weiterhin Zwangsrekrutierungen von Kindersoldaten und deren Einsatz durch, was dazu führte, dass Kinder extremer Gewalt und Vergeltungsschlägen durch oppositionelle Kräfte ausgesetzt waren. Die Regierung schützte Kinder auch nicht vor der Rekrutierung und dem Einsatz durch bewaffnete Oppositionsgruppen und Terrororganisationen. Jabhat an-Nusra und der sogenannte IS haben Kinder auch als menschliche Schutzschilder, Selbstmordattentäter, Scharfschützen und Henker eingesetzt. Kämpfer haben auch Kinder für Zwangsarbeit oder als Informanten eingesetzt, wodurch diese Vergeltungsschlägen und extremer Bestrafung ausgesetzt waren. Die Regierung führt weiterhin Verhaftungen, Inhaftierungen und schweren Missbrauch von Opfern von Menschenhandel durch, inklusive Kindersoldaten, und bestrafte diese für illegale Taten, zu denen sie von Menschenhändler gezwungen wurden. Das Gesetz N. 11/2013 kriminalisiert alle Formen von Rekrutierung und Einsatz von Kindern unter 18 Jahren durch die Syrischen Streitkräfte und bewaffnete Oppositionsgruppen. Allerdings hat die Regierung keine Bemühungen gezeigt, den Einsatz von Kindersoldaten durch Regierungs- und regierungstreue Milizen, bewaffnete Oppositionsgruppen und terroristische Organisationen zu verfolgen. Die Regierung berichtete nicht von der Untersuchung, Verfolgung oder Verurteilung von verdächtigten Menschenhändlern, noch wurden Regierungsoffiziere, die an Menschenhandel, inklusive der Rekrutierung von Kindern, beteiligt waren untersucht, verfolgt oder verurteilt. Die Regierung hat regelmäßig Kinder für die vermeintliche Verbindung zu bewaffneten Gruppen inhaftiert, vergewaltigt, gefoltert und exekutiert. Sie hat keine Bemühungen gezeigt, diesen Kindern irgendwelche Schutzdienste zur Verfügung zu stellen (USDOS 1.7.2021).

2014 haben die Volksverteidigungseinheiten (YPG) und die Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) – Kernbestandteile der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) - die Geneva Call Verpflichtungserklärung zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten und der Vermeidung ihrer Rekrutierung unterzeichnet. Im Juni 2019 gelobten die SDF wieder, Kinderrekrutierung zu stoppen, indem sie einen Aktionsplan mit den UN zur Beendigung und Vorbeugung der Rekrutierung und Einsatz von Kindern unter 18 unterschrieben (STJ 2.6.2021). Im September 2018 erließen die SDF einen Befehl, der die Rekrutierung von Minderjährigen verbietet und für Alterskontrollen der aktuellen Mitglieder der SDF sorgt (HRW 11.9.2018; cf. EB 7.12.2019). 2019 wurden 30 rekrutierte Kinder vom Dienst bei den SDF entlassen. Mit Stand Juni 2020 wurde die Entlassung von 51 Mädchen berichtet (UNGASC 9.6.2020). Trotz dieser Schritte gab es Berichte von breiten Rekrutierungskampagnen durch die SDF und die Inhaftierung und zwangsweise Einziehung von Jugendlichen, sowie die Rekrutierung von Kindern zwischen 13 und 16 Jahren vom al-Hol Camp, darunter viele Waise (EMHRM 18.9.2019). Obwohl die Auflistung von Kindersoldaten in Nordost-Syrien im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangen ist, listen bewaffnete Einehiten weiterhin Minderjährige, die gerade mal 16 Jahre alt sind (STJ 2.6.2021) – laut Berichten sind 40% von diesen Mädchen (AA 4.12.2020).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 19.8.2021

             EB - Enab Baladi (7.12.2019): Compulsory military recruitment in Jazira Region: SDF imposing their authority, https://english.enabbaladi.net/archives/2019/07/compulsory-military-recruitment-in-jazira-region-sdf-imposing-their-authority/#, Zugriff 19.8.2021

             EMHRM - Euro-Mediterranean Human Rights Monitor (18.9.2019): SDF kidnaps dozens of children and youths in eastern Syria, https://euromedmonitor.org/en/article/3136/SDF-kidnaps-dozens-of-children-and-youths-in-eastern-Syria, Zugriff 19.8.2021

             HRW - Human Rights Watch (11.9.2018): Key Steps Taken to End Use of Child Soldiers in Syria, https://www.ecoi.net/en/document/1443322.html, Zugriff 19.8.2021

             STJ - Syrians for Truth and Justice (2.6.2021): Northeastern Syria: 50 Child Soldiers Demobilized, 19 Others Still Commissioned, https://www.ecoi.netstj-sy.org/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdfnortheastern-syria-50-child-soldiers-demobilized/, Zugriff 19.8.2021

             UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (6.5.2021): Children and Armed Conflict, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N2111309.pdf, Zugriff 19.8.2021

             UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (9.6.2020): Children and Armed Conflict, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031779/15-June-2020_Secretary-General_Report_on_CAAC_Eng.pdf, Zugriff 19.8.2021

             UNSC - United Nations Security Council (23.4.2021): Children and armed conflict in the Syrian Arab Republic - Report of the Secretary-General, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N2110167.pdf, Zugriff 10.6.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (1.6.2021): 2021 Trafficking in Persons Report: Syria, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/06/2020-TIP-Report-Complete-062420-FINAL.pdf, Zugriff 19.8.2021

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Letzte Änderung: 30.09.2021

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB 29.9.2020). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 17.8.2021; vergleiche FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vergleiche FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Die syrische Regierung arbeitet daran, Milizen zu demobilisieren oder sie in ihre regulären Streitkräfte zu integrieren, während sie gleichzeitig aktive militärische Operationen durchführt (CIA 17.8.2021).

Wehrpflicht

Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).

Vor 2011 lag die Dauer der Wehrpflicht zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahren. Seit 2011 leisten die meisten Reservisten und Militärangehörigen ihren Dienst auf unbestimmte Zeit (NMFA 6.2021), nachdem die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten einstellte (DIS 5.2020; vergleiche ÖB 7.2019). Nachdem die Regierung große Teile des Gebiets von bewaffneten Oppositionellen zurückerobert hatte, wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren. Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab (DIS 5.2020, vergleiche NMFA 6.2021)

Reservedienst

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (TIMEP 22.8.2019; vergleiche STDOK 8.2017). Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise angehoben und auch Männer bis zu einem Alter von 55 oder sogar 62 Jahren, abhängig vom Rang, eingezogen, bzw. konnten Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen (ÖB 29.9.2020; vergleiche FIS 14.12.2018, vergleiche NMFA 5.2020). Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020).

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018). Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen (DIS 10.2019). Glaubhaften Berichten zufolge gibt es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet. Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt unverändert hoch, und seit Dezember 2018 haben sich die Rekrutierungsbemühungen aufgrund dessen sogar noch verstärkt (AA 4.12.2020). Während ein Abkommen zwischen den überwiegend kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung vom November 2019 die Stationierung von Truppen der syrischen Streitkräfte in vormals kurdisch kontrollierten Gebieten vorsieht, hat die syrische Regierung aufgrund von mangelnder Verwaltungskompetenz bislang keinen verpflichtenden Wehrdienst in diesen Gebieten wiedereingeführt (DIS 5.2020) [Anm.: zum Wehrdienst bei Einheiten der SDF siehe Kapitel Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen - „Nordost-Syrien“.]

Rekrutierung und Verfolgung

Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt (DIS 5.2020).

Unbestätigten Berichten zufolge wird der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit informiert, wenn die Gründe für einen Aufschub nicht mehr gegeben sind, und diese werden auch digital überprüft. Früher mussten die Studenten den Status ihres Studiums selbst an das Militär melden, doch jetzt wird der Status der Studenten aktiv überwacht. Generell werden die Universitäten nun strenger überwacht und sind verpflichtet, das Militär über die An- oder Abwesenheit von Studenten zu informieren (STDOK 8.2017). Berichten zufolge wurden Studenten trotz einer Ausnahmegenehmigung gelegentlich an Kontrollpunkten rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet (FIS 14.12.2018). In Homs führt die Militärpolizei beispielsweise stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 3.6.2020). Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (DIS 5.2020). Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vergleiche EB 3.6.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden. Weiters rekrutieren die syrischen Streitkräfte in Lagern für Binnenvertriebene (DIS 5.2020).

Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International Crisis Group schwer zu ermitteln (ICG 13.2.2020).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 18.8.2020

             CIA - Central Intelligence Agency [USA] (17.8.2021): The World Factbook: Syria - Military and Security, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/syria/#military-and-security, Zugriff 23.8.2021

             DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (5.2020): Syria - Military Service, Report based on a fact-finding mission to Istanbul and Beirut (17-25 February 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2031493/Report_Syria_Military_Service_may_2020.pdf, Zugriff 22.7.2020

             DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (10.2019): Syria - Issues Regarding Military Service, COI report based on written sources, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018870/COI_syria_report_military_service_oct_2019.pdf, Zugriff 24.8.2020

             EB - Enab Baladi (3.6.2020): Fear of forced military conscription looms over northern rural Homs again, https://english.enabbaladi.net/archives/2020/03/fear-of-forced-military-conscription-looms-over-northern-rural-homs-again/, Zugriff 24.8.2020

             FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020

             ICG - International Crisis Group (13.2.2020): Easing Syrian Refugees‘ Plight in Lebanon, https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/211-easing-syrian-refugees-plight-in-lebanon.pdf, Zugriff 24.8.2020

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf, Zugriff 30.8.2021

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2020): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf, Zugriff 17.8.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Report_2019_07.pdf, Zugriff 17.8.2020

             PAR - Webseite des Parlaments [Syrien] (12.5.2007): المرسوم التشريعي 30 لعام 2007 قانون خدمة العلم [Legislativdekret Nr. 30 von 2007 Militärdienstgesetz], http://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201&nid=4921&, Zugriff 24.8.2020

             STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

             TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (22.8.2019): TIMEP Brief: Conscription Law, https://timep.org/reports-briefings/timep-brief-conscription-law/, Zugriff 24.8.2020

             TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty, https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf, Zugriff 24.8.2020

Befreiung, Aufschub und Reservisten

Letzte Änderung: 30.09.2021

Das syrische Wehrdienstgesetz sieht vor, dass bestimmte Personengruppen, wie zum Beispiel der einzige Sohn einer Familie, aus medizinischen Gründen Untaugliche (DIS 5.2020; vergleiche FIS 14.12.2018), manche Regierungsangestellte (FIS 14.12.2018) und Personen, welche eine Befreiungsgebühr bezahlen, vom Wehrdienst ausgenommen sind. Manche Studenten und Personen mit bestimmten Abschlüssen, wie auch Personen mit vorübergehenden Erkrankungen können den Wehrdienst aufschieben, wobei die Rückstellungen jedes Jahr erneuert werden müssen (DIS 5.2020). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, in der Praxis gibt es jedoch mittlerweile mehr Beschränkungen und es ist unklar, wie die entsprechenden Gesetze derzeit umgesetzt werden (FIS 14.12.2018). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (STDOK 8.2017; vergleiche FIS 14.12.2018). Das Risiko der Willkür ist immer gegeben (STDOK 8.2017; vergleiche DRC/DIS 8.2017).

Rechtliche Situation

Das syrische Militärdienstgesetz erlaubt es syrischen Männern und registrierten Palästinensern aus Syrien im Militärdienstalter (18-42 Jahre) und mit Wohnsitz im Ausland, eine Gebühr ("badal an-naqdi") zu entrichten, um von der Wehrpflicht befreit und nicht wieder einberufen zu werden. Bis 2020 konnten Männer, die sich mindestens vier aufeinanderfolgende Jahre außerhalb Syriens aufgehalten haben, einen Betrag von 8.000 US-Dollar zahlen, um vom Militärdienst befreit zu werden (NMFA 6.2021 vergleiche DIS 5.2020, vergleiche EB 9.2.2019), wobei noch weitere Konsulargebühren anfallen (EB 9.2.2019). Im November 2020 wurde die Dauer des erforderlichen Auslandaufenthalts auf ein Jahr reduziert und die Gebühr auf 10.000 USD erhöht. Wer zwei, drei, vier oder mehr Jahre im Ausland wohnhaft ist muss 9.000, 8.000 bzw. 7.000 USD bezahlen, um befreit zu werden. Wer außerhalb Syriens lebt und als Reservist einberufen wird, kann eine Befreiung erhalten, indem er 5.000 USD bezahlt (NMFA 6.2021). Für außerhalb Syriens geborene Syrer im wehrpflichtigen Alter, welche bis zum 19. Lebensjahr im Ausland lebten, gilt bis zum Alter von 25 Jahren eine Befreiungsgebühr von 2.500 USD (DIS 5.2020; vergleiche AA 13.11.2018). Ein Besuch von bis zu drei Monaten in Syrien wird dabei nicht als Unterbrechung des Aufenthalts einer Person in dem fremden Land gewertet. Für jedes Jahr, in welchem ein Wehrpflichtiger weder eine Befreiungsgebühr bezahlt, noch den Wehrdienst aufschiebt oder sich zu diesem meldet, fallen zusätzliche Gebühren an. Eine Quelle berichtet, dass auch Männer, die Syrien illegal verlassen haben, durch die Zahlung der Gebühr von 8.000 USD vom Militärdienst befreit werden können (DIS 5.2020). Diese müssen ihren rechtlichen Status allerdings zuvor bei einer syrischen Auslandsvertretung bereinigen (DIS 10.2019). Das deutsche Auswärtige Amt berichtet dagegen, dass nicht bekannt sei, ob diese Regelung auch für syrische Männer gilt, die seit Beginn des Bürgerkriegs ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Informationen über den Prozess der Kompensationszahlung können auf den Webseiten der syrischen Botschaften in Ländern wie Deutschland, Ägypten, Libanon und der Russischen Föderation aufgerufen werden. Bevor die Zahlung durchgeführt wird, kontaktiert die Botschaft das syrische Verteidigungsministerium, um eine Genehmigung zu erhalten. Dabei wird ermittelt, ob die antragstellende Person sich vom Wehrdienst freikaufen kann (NMFA 5.2020).

Minderheiten

Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin aus Gewissensgründen vom Militärdienst befreit werden, wobei muslimische Führer dafür eine Abgabe bezahlen müssen (USDOS 12.5.2021). Es gibt Berichte, dass in einigen ländlichen Gebieten Mitgliedern von religiösen Minderheiten die Möglichkeit geboten wurde, sich lokalen regierungsnahen Milizen anzuschließen anstatt ihren Wehrdienst abzuleisten. In den Städten gab es diese Möglichkeit im Allgemeinen jedoch nicht und Mitglieder von Minderheiten wurden unabhängig von ihrem religiösen Hintergrund zum Militärdienst eingezogen (FIS 14.12.2018). Obwohl die Wehrpflicht laut Verfassung auch für die drusische Gemeinschaft gilt, wurde sie von der Regierung im Gegenzug für die Unterstützung durch die Gemeinschaft weitgehend ausgeklammert. Seit Mai 2020 waren die syrischen Sicherheitskräfte jedoch bestrebt, diejenigen zu verfolgen, die vor dem Militärdienst geflohen waren. Im Februar 2021 wurden in Sweida schätzungsweise 20.000 Personen zum Militärdienst gesucht, die unter dem Schutz bewaffneter Gruppierungen standen (COAR 24.11.2020).

Gesetzliche Änderungen der letzten Jahre

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2.000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vergleiche SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).

Seit einer Änderung des Wehrpflichtgesetzes im Juli 2019 ist die Aufschiebung des Militärdienstes jedenfalls nur bis zum Alter von 37 Jahren möglich und kann durch Befehl des Oberbefehlshabers beendet werden (ÖB 29.9.2020). Es gibt Beispiele, wo Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis, sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt – manchmal sogar Jahre danach – trotzdem eingezogen zu werden (STDOK 8.2017). Auch berichtet eine Quelle, dass Grenzbeamte von Rückkehrern trotz entrichteter Befreiungsgebühr Bestechungsgelder verlangen könnten (DIS 5.2020).

Im November 2020 erließ die Armeeführung der syrischen Regierung zwei Verwaltungserlässe, mit denen der Militärdienst für bestimmte Kategorien von Offizieren und Ärzten, die bis Januar 2021 zwei bzw. siebeneinhalb Jahre als Reservisten gedient haben, faktisch beendet wird. Nur wenige Reservisten werden von den Erlassen profitieren, die wahrscheinlich in erster Linie dazu dienen, das Image des Regimes aufzupolieren, um Anreize für eine Rückkehr zu schaffen. Die Demobilisierung wird keine nennenswerte Wirkung erzielen (COAR 24.11.2020).

Quellen:

             AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 18.8.2020

             COAR - Center for Operational Analysis and Research (24.11.2020): Changes to military service reflect Damascus’s unrealistic aims, growing socio-economic divide, https://coar-global.org/2020/11/24/changes-to-military-service-reflect-damascuss-unrealistic-aims-growing-socio-economic-divide/, Zugriff 24.8.2021

             DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (10.2019): Syria – Issues Regarding Military Service, COI report based on written sources, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018870/COI_syria_report_military_service_oct_2019.pdf, Zugriff 24.8.2020

             DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (5.2020): Syria – Military Service, Report based on a fact-finding mission to Istanbul and Beirut (17-25 February 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2031493/Report_Syria_Military_Service_may_2020.pdf, Zugriff 22.7.2021

             DRC/DIS – Danish Refugee Council [Dänemark]/ The Danish Immigration Service (8.2017): Syria, Recruitment Practices in Government-controlled Areas and in Areas under Opposition Control, Involvement of Public Servants and Civilians in the Armed Conflict and Issues Related to Exiting Syria, https://www.nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/SyrienFFMrapportaugust2017.pdf?la=da&hash=D5C8D2AB61039CB67C560C07AE47C7F02F16708D, Zugriff 25.8.2020

             EB – Enab Baladi (9.2.2019): Military Service Exemption Fee: Expensive Return Ticket To Homeland, https://english.enabbaladi.net/archives/2019/09/military-service-exemption-fee-expensive-return-ticket-to-homeland/, Zugriff 25.8.2020

             FIS – Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2020): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf, Zugriff 17.8.2021

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, file:///tmp/EN-AAB-Syrie-juni-2021.pdf, Zugriff 27.8.2021

             ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

             PAR – Website of the Parliament [Syria] (15.11.2017): القانون رقم /35/ لعام 2017 القاضي بتعديل قانون خدمة العلم الصادر بالمرسوم التشريعي رقم /30/ لعام /2007/ [Law No. 35 of 2017 amending the Military Service Law issued by Legislative Decree No. 30 of 2007], http://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201&nid=18681&RID=-1&Last=10262&First=0&CurrentPage=0&Vld=-1&Mode=&Service=-1&Loc1=&Key1=&SDate=&EDate=&Year=&Country=&Num=&Dep=-1&, Zugriff 24.8.2020

             SANA – Syrian Arab News Agency (8.11.2017): مجلس الشعب يقر مشروع قانون يتعلق بمن تجاوز سن التكليف للخدمة ربط الإلزامية وآخر حول السجل العام للعاملين في الدولة بوزارة التنمية الإدارية [The People's Assembly passes a draft law related to those who have passed the age of mandatory service and another about linking the public registry of workers in the country to the Ministry of Administrative Development], http://www.sana.sy/?p=656572, Zugriff 24.8.2020

             SLJ – Syrian Law Journal [Twitter] (10.11.2017): Newsflash of 10.11.2017 08:37, https://twitter.com/syrian_law/status/929025146429624320, Zugriff 24.8.2020

             STDOK – Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien – mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

             USDOS – United States Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2051586.html, Zugriff 10.6.2021

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Letzte Änderung: 28.09.2021

Als der syrische Bürgerkrieg 2011 begann, hatte die syrische Regierung Probleme Truppen bereitzustellen, um bewaffneten Rebellengruppen entgegentreten zu können. Die Zahl der Männer, die den Wehr- oder Reservedienst verweigerten, nahm deutlich zu. Eine große Zahl von Männern im wehrfähigen Alter floh entweder aus dem Land, schloss sich der bewaffneten Opposition an, oder tauchte unter (DIS 5.2020). Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt und relativ wenige werden derzeit deswegen verhaftet (Landinfo 3.1.2018).

Im Dezember 2019 trat eine Bestimmung in Kraft, wonach wehrfähige Männer, welche den Wehrdienst bis zu einem Alter von 42 Jahren nicht abgeleistet haben, eine Befreiungsgebühr von 8.000 USD bezahlen müssen, um einer Beschlagnahmung ihres Vermögens, bzw. des Vermögens ihrer Ehefrauen oder Kinder zu entgehen (DIS 5.2020).

Gesetzliche Lage

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft [Anm.: die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort]. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 4.12.2020). Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte „externe Desertion“), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes kann mit lebenslanger Haftstrafe bestraft werden und in schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (STDOK 8.2017).

Konkrete Strafen

Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Eine Quelle berichtet, dass Deserteure zwar in früheren Phasen des Krieges exekutiert wurden, jedoch habe die syrische Regierung ihre Vorgehensweise in den vergangenen Jahren geändert und aufgrund des vorherrschenden Bedarfs an der Front festgenommene Deserteure zum Teil zu kurzen Haftstrafen verurteilt (DIS 5.2020). Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen (Landinfo 3.1.2018), sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden (DIS 5.2020; vergleiche Landinfo 3.1.2018). Quellen berichten jedoch auch, dass gefasste Wehrdienstverweigerer riskieren, von den syrischen Behörden vor der Einberufung inhaftiert zu werden (DIS 5.2020). Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018; vergleiche DIS 5.2020). Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen (STDOK 8.2017). Neben anderen Personengruppen sind regelmäßig auch Deserteure (DIS 5.2020) und Wehrdienstverweigerer Ziel des umfassenden Anti-Terror-Gesetzes (Dekret Nr. 19/2012) der syrischen Regierung (AA 4.12.2020; vergleiche DIS 5.2020).

Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. solche Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018; vergleiche DIS 5.2020). Weitere Einflussfaktoren sind der Rang des Deserteurs, Wohnort der Familie, der für dieses Gebiet zuständige Geheimdienst und zuständige Offizier sowie die Religionszugehörigkeit der Familie (DIS 5.2020).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen (STDOK 8.2017; vergleiche DIS 5.2020). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 4.12.2020; vergleiche FIS 14.12.2018, DIS 5.2020). Auch in den "versöhnten Gebieten" sind Männer im entsprechenden Alter mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht den Regierungseinheiten beitreten (FIS 14.12.2018). In ehemals von der Opposition kontrollierten Gebieten landeten zudem einer Quelle zufolge viele Deserteure und Überläufer, denen durch die Versöhnungsabkommen Amnestie gewährt werden sollte, in Haftanstalten oder sie starben in der Haft (DIS 5.2020).

Quellen:

             AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (5.2020): Syria – Military Service, Report based on a fact-finding mission to Istanbul and Beirut (17-25 February 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2031493/Report_Syria_Military_Service_may_2020.pdf, Zugriff 22.7.2020

             FIS – Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020

             Landinfo [Norwegen] (3.1.2018): Syria: Reactions against deserters and draft evaders, https://www.ecoi.net/en/file/local/1441219/1226_1534943446_landinfo-report-syria-reactions-against-deserters-and-draft-evaders.pdf, Zugriff 7.9.2020

             STDOK – Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien – mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

Amnestien

Letzte Änderung: 30.09.2021

Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstverweigerer und Deserteure eine Reihe von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden (STDOK 8.2017; vergleiche TIMEP 6.12.2018, SHRC 24.1.2019, AA 4.12.2020, DIS 5.2020).

Über die Umsetzung und den Umfang der Amnestien für Wehrdienstverweigerer und Deserteure ist nur sehr wenig bekannt (DIS 5.2020). Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben die Amnestien wiederholt als intransparent und unzureichend kritisiert (STDOK 8.2017; vergleiche EB 3.4.2020), sowie als bisher wirkungslos (AA 4.12.2020; vergleiche DIS 5.2020) und als ein Propagandainstrument der Regierung (DIS 5.2020; vergleiche EB 3.4.2020). Im Laufe des Jahres 2019 häuften sich Berichte über Regimekräfte, die gegen frühere Amnestievereinbarungen verstießen, indem sie Razzien und Verhaftungskampagnen durchführten, die sich auf Zivilisten und ehemalige Angehörige bewaffneter Oppositionsfraktionen in Gebieten konzentrierten, die zuvor Versöhnungsvereinbarungen mit dem Regime unterzeichnet hatten (USDOS 11.3.2020; vergleiche DIS 5.2020). Es gibt auch
Hinweise darauf, dass die Namen von Personen, die sich im Rahmen einer Amnestie gemeldet haben, fast sofort auf Listen gesetzt werden, um zum Militärdienst einberufen zu werden (DIS 5.2020, vergleiche NMFA 6.2021). Einer Quelle zufolge respektiere die syrische Regierung Amnestien nun eher als früher (DIS 5.2020).

Am 2.5.2021 erließ Präsident Assad mit Gesetzesdekret Nr. 13/2021 erneut eine Generalamnestie, die für Verbrechen, die vor diesem Datum begangen wurden, gilt (SANA 2.5.2021a). Dabei handelt es sich bereits um die 18. Amnestie seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im Frühjahr 2011 (SD 10.5.2021). Sie wurde kurz vor den syrischen Präsidentschaftswahlen Ende Mai 2021 erlassen (SD 10.5.2021; vergleiche Reuters 11.5.2021). Das Dekret betrifft unterschiedliche Straftaten, darunter Straftaten in Zusammenhang mit der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung von 2012, aber nicht jene "terroristische" Straftaten, die Tote zur Folge hatten (MEE 2.5.2021; vergleiche SANA 2.5.2021b). "Terrorismus" ist ein Begriff, mit dem die Regierung die Aktivitäten von Rebellen und oppositionellen Aktivisten beschreibt (MEE 2.5.2021). Straftäter im Bereich Drogenhandel und Schmuggel sowie Steuerhinterziehung können ebenfalls von der Amnestie profitieren. Auch Deserteure können die Amnestie nutzen, wenn sie sich innerhalb von drei Monaten bei Aufenthalt in Syrien und innerhalb von sechs Monaten bei Aufenthalt im Ausland stellen (MEE 2.5.2021; vergleiche SANA 2.5.2021b). Durch das Dekret werden Strafen gänzlich oder teilweise erlassen, oder auch Haftstrafen durch eine Strafzahlung ersetzt (SD 10.5.2021). [Anm: Wehrdienstverweigerung und Überlaufen zum Feind werden von dem Dekret nicht erfasst. Die Verpflichtung zum Wehrdienst wird durch das Dekret nicht aufgehoben.]

Am 10.10.2020 erließ die sog. „Selbstverwaltung“ in Nordost-Syrien eine „Generalamnestie“ für Strafgefangene. Bereits am 15.10.2020 sollen 631 Häftlinge auf Grundlage des Dekrets entlassen worden sein, darunter auch mutmaßliche IS-Sympathisanten. Strafen für bestimmte Vergehen sollen zudem halbiert werden (AA 4.12.2020).

[Anm. zu Amnestien der syrischen Regierung für Reservepflichtige siehe Kapitel "Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst"]

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (5.2020): Syria - Military Service, Report based on a fact-finding mission to Istanbul and Beirut (17-25 February 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2031493/Report_Syria_Military_Service_may_2020.pdf, Zugriff 22.7.2020

             EB - Enab Baladi (3.4.2020): Decrees for detainees .. without including them Syrian detainees off legislators’ table, https://english.enabbaladi.net/archives/2020/04/decrees-for-detainees-without-including-them-syrian-detainees-off-legislators-table/, Zugriff 19.8.2020

             MEE - Middle East Eye (2.5.2021): Syria: Amnesty announced ahead of presidential elections, https://www.middleeasteye.net/news/syria-amnesty-offered-ahead-presidential-elections, Zugriff 21.5.2021

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, file:///tmp/EN-AAB-Syrie-juni-2021.pdf, Zugriff 30.8.2021

             Reuters (11.5.2021): Syria releases hundreds of social media critics ahead of election, https://www.reuters.com/world/middle-east/syria-releases-hundreds-social-media-critics-ahead-election-2021-05-11/, Zugriff 10.6.2021

             SANA - Syrian Arab News Agency (2.5.2021a): President al-Assad grants general amnesty for crimes committed before May 2nd, https://sana.sy/en/?p=231570, Zugriff 20.5.2021

             SANA - Syrian Arab News Agency (2.5.2021b): الرئيس الأسد يصدر مرسوماً بمنح عفو عام عن الجرائم المرتكبة قبل تاريخ 2 أيار-فيديو [Präsident Assad erlässt ein Dekret zur Gewährung einer Amnestie für Verbrechen, die vor dem 2. Mai begangen wurden - Video], http://www.sana.sy/?p=1373048, Zugriff 21.5.2021

             SD - Syria Direct (10.5.2021): Bashar al-Assad issues general amnesty excluding prisoners of conscience: Who benefits and why now?, https://syriadirect.org/bashar-al-assad-issues-general-amnesty-excluding-prisoners-of-conscience-who-benefits-and-why-now/, Zugriff 20.5.2021

             SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 22.7.2020

             STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

             TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty, https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf, Zugriff 24.8.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2026345.html, Zugriff 22.7.2020

Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)

Letzte Änderung: 01.10.2021

Manche Quellen berichten, dass die Rekrutierung durch regierungsfreundliche Milizen im Allgemeinen auf freiwilliger Basis geschieht. Personen schließen sich häufig auch aus finanziellen Gründen den National Defense Forces (NDF) oder anderen regierungstreuen Gruppierungen an (FIS 14.12.2018; vergleiche DRC/DIS 8.2017). Andere Quellen berichten von der Zwangsrekrutierung von Kindern im Alter von sechs Jahren durch Milizen, die für die Regierung kämpfen, wie die Hizbollah und die NDF (auch als "shabiha" bekannt) (USDOS 1.7.2021). In vielen Fällen sind bewaffnete regierungstreue Gruppen lokal organisiert, wobei Werte der Gemeinschaft wie Ehre und Verteidigung der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung haben. Dieser soziale Druck basiert häufig auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft. Ein weiterer Hauptgrund für das Eintreten in diese Gruppierungen ist, dass damit der Wehrdienst in der Armee umgangen werden kann. Die Mitglieder können so in ihren oder in der Nähe ihrer lokalen Gemeinden ihren Einsatz verrichten und nicht in Gebieten mit direkten Kampfhandlungen. Die syrische Armee hat jedoch begonnen, diese Milizen in ihre eigenen Strukturen zu integrieren (FIS 14.12.2018), indem sie Mitglieder der Milizen, welche im wehrfähigen Alter sind, zum Beitritt in die syrische Armee zwingt (MEI 18.7.2019). Dadurch ist es unter Umständen nicht mehr möglich, durch den Dienst in einer lokalen Miliz die Rekrutierung durch die Armee oder den Einsatz an einer weit entfernten Front zu vermeiden (FIS 14.12.2018). Auch aufgrund der deutlich höheren Bezahlung der Milizmitglieder stießen die laufenden Bemühungen, Milizen in die syrische Armee zu integrieren, auf erheblichen Widerstand (MEI 18.7.2019). Regierungstreue Milizen haben sich außerdem an Zwangsrekrutierungen von gesuchten Wehrdienstverweigerern beteiligt (FIS 14.12.2018).

Was die oppositionellen Milizen in Syrien betrifft, so ist die Grenze zur Zwangsrekrutierung ebenfalls nicht klar. Nötigung und sozialer Druck, sich den Milizen anzuschließen, sind in von oppositionellen Gruppen gehaltenen Gebieten hoch. So herrscht z.B. in Idlib, wo es zahlreiche Gruppierungen gibt, großer Druck sich einer bewaffneten Gruppierung anzuschließen, wobei auch die Bezahlung eine Motivation darstellen kann (STDOK 8.2017). Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 6.2021).

Quellen:

             DRC/DIS - Danish Refugee Council / The Danish Immigration Service [Dänemark] (8.2017): Syria, Recruitment Practices in Government-controlled Areas and in Areas under Opposition Control, Involvement of Public Servants and Civilians in the Armed Conflict and Issues Related to Exiting Syria, https://www.nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/SyrienFFMrapportaugust2017.pdf?la=da&hash=D5C8D2AB61039CB67C560C07AE47C7F02F16708D, Zugriff 25.8.2020

             FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020

             MEI - Middle East Institute (18.7.2019): The Lion and The Eagle: The Syrian Arab Army’s Destruction and Rebirth, https://www.mei.edu/publications/lion-and-eagle-syrian-arab-armys-destruction-and-rebirth#pt5, Zugriff 19.8.2020

             NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021) - Country of origin information report Syria, file:///tmp/EN-AAB-Syrie-juni-2021.pdf, Zugriff 27.8.2021

             STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

             USDOS - US Department of State [USA] (1.7.2021): 2021 Trafficking in Persons Report: Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2055129.html, Zugriff 25.8.2021

Nordost-Syrien

Letzte Änderung: 01.10.2021

Wehrpflichtsgesetz

Die Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens, die von der kurdischen PYD dominiert wird, verabschiedete 2014 das sogenannte "Selbstverteidigungspflicht"-Gesetz, das vorsieht, dass jede Familie einen "Freiwilligen" zwischen 18 und 30 Jahren stellen muss, der sechs Monate lang in der YPG dient (NMFA 7.2019; cf. EB 12.7.2019). Dieser Zeitraum wurde später im Rahmen der im Januar 2016 verabschiedeten Änderungen auf neun Monate geändert. Nach Angaben verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird dieses Gesetz auch mit Gewalt durchgesetzt. Seit 2019 hat es eine ähnliche Form angenommen wie die Wehrpflicht der syrischen Regierung. Auch die Zwangsrekrutierung von Jungen und Mädchen kommt Berichten zufolge vor (AA 4.12.2021, vergleiche EB 7.12.2019).

Es wurden auch mehrere Fälle von willkürlichen Verhaftungen zum Zwecke der Rekrutierung dokumentiert, obwohl die Wehrpflicht aufgrund der Ausbildung aufgeschoben wurde oder einige Jugendliche aus medizinischen oder anderen Gründen vom Wehrdienst befreit wurden. Selbst einige Beschäftigte im Bildungssektor sind von diesen Verhaftungen und Zwangsrekrutierungen nicht ausgenommen, obwohl sie im Besitz von Dokumenten für eine Befreiung sind (EB 12.7.2019).

Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil und umfassen Haftstrafen sowie eine Verlängerung des Wehrdienstes. Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen. Die Autonomiebehörden dürften laut der Österreichischen Botschaft Damaskus eine Verweigerung aber nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB 29.9.2020). Laut UNHCR kann die Weigerung, den YPG beizutreten, Berichten zufolge schwerwiegende Konsequenzen haben, einschließlich Entführung, Inhaftierung und Misshandlung der inhaftierten Personen sowie Zwangsrekrutierung, da die Verweigerung des Kampfes als Ausdruck der Unterstützung des sogenannten Islamischen Staates oder als Opposition zu PYD/YPG interpretiert werden kann (UNHCR 3.11.2017).

Frauen und Altersgrenzen

Mehrfach ist es dazu gekommen, dass Männer von der YPG rekrutiert wurden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten (Savelsberg 3.11.2017).

Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten [YPJ - Frauenverteidigungseinheiten] leisten (AA 4.12.2020), wobei es gleichzeitig Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen (AA 4.12.2020; vergleiche SNHR 26.1.2021) und minderjährigen Mädchen gibt (Savelsberg 3.11.2017; vergleiche HRW 11.10.2019, UNGASC 20.6.2019). Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen kurdische Frauen, die der YPG zunächst freiwillig beitraten, daran gehindert wurden, diese wieder zu verlassen (IWPR 29.3.2018; vergleiche Savelsberg 3.11.2017).

Proteste gegen die Wehrpflicht

Das Gesetz stößt bei den Bürgern in den von den SDF kontrollierten Gebieten auf heftige Ablehnung. Sie haben mehrfach gegen die Zwangsrekrutierungen demonstriert, insbesondere viele junge Männer, die die vom Regime kontrollierten Gebiete verlassen hatten, um dem Militärdienst zu entgehen (EB 12.7.2021).

Im Jahr 2021 hat die Wehrpflicht besonders in den östlichen ländlichen Gouvernements Deir ez-Zour und Raqqa Proteste ausgelöst. Lehrer haben sich besonders gegen die Einberufungskampagnen der Syrian Democratic Forces (SDF) gewehrt. Proteste im Mai 2021 richteten sich außerdem gegen die unzureichende Bereitstellung von Dienstleistungen und die Korruption oder Unfähigkeit der autonomen Verwaltungseinheiten. Sechs bis acht Menschen wurden am 1.6.2021 in Menbij bei einem Protest getötet, dessen Auslöser eine Reihe von Razzien der SDF auf der Suche nach wehrpflichtigen Männern war. Am 2. Juni einigten sich die SDF, der Militärrat von Menbij und der Zivilrat von Menbij mit Stammesvertretern und lokalen Persönlichkeiten auf eine deeskalierende Vereinbarung, die vorsieht, die Rekrutierungskampagne einzustellen, während der Proteste festgenommene Personen freizulassen und eine Untersuchungskommission zu bilden, um diejenigen, die auf Demonstranten geschossen hatten, zur Rechenschaft zu ziehen (COAR 7.6.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 26.8.2021

             COAR - Center for Operational Analysis and Research (7.6.2021): Deadly SDF Crackdown as Conscription Sparks Menbij Unrest, https://coar-global.org/2021/06/07/deadly-sdf-crackdown-as-conscription-sparks-menbij-unrest/, Zugriff 26.8.2021

             EB - Enab Baladi (12.7.2019): Compulsory military recruitment in Jazira Region: SDF imposing their authority, https://english.enabbaladi.net/archives/2019/07/compulsory-military-recruitment-in-jazira-region-sdf-imposing-their-authority/#, Zugriff 26.8.2021

             HRW - Human Rights Watch (11.10.2019): Turkey/Syria: Civilians at Risk in Syria Operation, https://www.hrw.org/news/2019/10/11/turkey/syria-civilians-risk-syria-operation, Zugriff 7.9.2020

             IWPR - Institute for War and Peace Reporting (29.3.2018): Underage Girls Recruited to Kurdish Forces, https://iwpr.net/global-voices/underage-girls-recruited-kurdish-forces, Zugriff 7.9.2020

             NMFA - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports [Niederlande] (7.2019): Country of Origin Information Report Syria - The security situation, per E-Mail am 27.8.2019

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

             Savelsberg, Eva [Vorsitzende des Europäischen Zentrum für Kurdische Studien] (3.11.2017): Informationen per E-Mail

             SNHR - Syrian Network for Human Rights (26.1.2021): The Bleeding Decade - Tenth Annual Report: The Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2020, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/Tenth_Annual_Report_The_Most_Notable_Human_Rights_Violations_in_Syria_in_2020_en.pdf, Zugriff 3.2.2021

             UNGASC - United Nations General Assembly (20.6.2019): Report of the Secretary-General [A/73/907-S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf, Zugriff 7.9.2020

             UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (3.11.2017): International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic; Update römisch fünf, https://english.alaraby.co.uk/english/news/2020/6/17/turkey-bolsters-reinforcements-in-northern-syria, Zugriff 26.8.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 01.10.2021

Die Menschenrechtslage in Syrien hat sich trotz eines messbaren Rückgangs der gewaltsamen Auseinandersetzungen im Jahr 2020 nicht verbessert. Willkürliche Inhaftierungen, gewaltsames Verschwindenlassen, Folter, sexuelle Gewalt und schwerwiegende Einschränkungen der bürgerlichen und politischen Rechte waren weiterhin weit verbreitet. Das syrische Regime war der Hauptverantwortliche für diese Verstöße, aber auch verbotene terroristische Organisationen und andere bewaffnete Gruppen haben Verstöße begangen (FCO 8.7.2021).

In dem seit mehr als neun Jahren andauernden Bürgerkrieg gab es nach Schätzungen bereits rund eine halbe Million Tote (Welt 30.6.2020; vergleiche BBC 12.7.2020). Das Regime wurde durch den Erfolg seiner von Russland und Iran unterstützten Kampagnen so gefestigt, dass es keinen Willen zeigt, integrative oder versöhnende demokratische Prozesse einzuleiten. Dies zeigt sich in der Abwesenheit freier und fairer Wahlen sowie in den gewaltsamen Maßnahmen zur Unterdrückung der Rede- und Versammlungsfreiheit. Bewaffnete Akteure aller Fraktionen, darunter auch die Regierung, versuchen ihre Herrschaft mit Gewalt durchzusetzen und zu legitimieren (BS 29.4.2020).

Es gibt krasse Ungleichheiten zwischen Arm und Reich, eine schwache Unterscheidung zwischen Staat und Wirtschaftseliten und einen geschlossenen Kreis wirtschaftlicher Möglichkeiten. Die Bürger werden ungleich behandelt. Ihnen werden aufgrund konfessioneller Zugehörigkeit, des Herkunftsortes, ethnischer Zugehörigkeit und des familiären Hintergrundes grundlegende staatsbürgerliche Rechte vorenthalten bzw. Privilegien gewährt oder verweigert. Grundlegende Aspekte der Staatsbürgerschaft werden großen Teilen der Bevölkerung verwehrt. Diese ungerechte Behandlung hat sich im Laufe der Konfliktjahre vertieft (BS 29.4.2020).

Das Regime bezeichnete Meinungsäußerungen routinemäßig als illegal, und Einzelpersonen konnten das Regime weder öffentlich noch privat kritisieren, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Das Regime übt strikte Kontrolle über die Verbreitung von Informationen, auch über die Entwicklung der Kämpfe zwischen dem Regime und der bewaffneten Opposition und die Verbreitung des COVID-19-Virus, aus und verbietet die meiste Kritik am Regime und die Diskussion über konfessionelle Probleme, einschließlich der Rechte von und Spannungen zwischen religiösen und ethnischen Minderheiten (USDOS 30.3.2021).

Die Verfassung bestimmt die Ba'ath-Partei als die herrschende Partei und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Das Gesetz erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Die Regierung erlaubt nur regierungsnahen Gruppen offizielle Parteien zu gründen und zeigt wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien, auch jenen, die mit der Ba'ath-Partei in der National Progressive Front verbündet sind. Parteien wie die Communist Union Movement, die Communist Action Party und die Arab Social Union werden schikaniert. Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet, um Mitglieder von Menschenrechts- und Studentenorganisationen zu verhaften (USDOS 30.3.2021).

Weiterhin besteht in keinem Teil des Landes ein umfassender und langfristiger Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Repression durch die zahlreichen Sicherheitsdienste, Milizen und sonstige regimenahe Institutionen. Dies gilt auch für Landesteile, insbesondere im äußersten Westen des Landes sowie der Hauptstadt Damaskus, in denen traditionell Bevölkerungsteile leben, die dem Regime näher stehen. Selbst bis dahin als regimenah geltende Personen können aufgrund allgegenwärtiger staatlicher Willkür grundsätzlich Opfer von Repressionen werden (AA 19.5.2020).

In Gebieten, die von der Regierung zurückerobert werden, kommt es zu Beschlagnahmungen von Eigentum, großflächigen Zerstörungen von Häusern und willkürlichen Verhaftungen (SNHR 26.1.2021; vergleiche SHRC 24.1.2019, HRW 13.1.2021). Diejenigen, die sich mit der Regierung "versöhnt" haben, werden weiterhin durch die Regierungstruppen misshandelt (HRW 14.1.2020; vergleiche AA 4.12.2020, SNHR 26.1.2021). Auch nichtstaatliche bewaffnete Oppositionsgruppen begehen schwere Übergriffe. Das Schicksal von Tausenden, die vom sogenannten Islamischen Staat (IS) entführt wurden, bleibt unbekannt. Auch die kurdischen Behörden, die von den USA geführte Koalition oder die syrische Regierung unternehmen keine Schritte, deren Verbleib zu ermitteln (HRW 13.1.2021).

Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 4.12.2020). Frauen mit familiären Verbindungen zu Oppositionskämpfern oder Abtrünnigen werden z.B. als Vergeltung oder zur Informationsgewinnung festgenommen (UNHRC 31.1.2019). Außerdem werden Personen festgenommen, die Kontakte zu Verwandten oder Freunden unterhalten, die in von der Opposition kontrollierten Gebieten leben (UNHRC 31.1.2019; vergleiche UNHCR 7.5.2020, SNHR 26.1.2021).

Tausende Menschen starben seit 2011 im Gewahrsam der syrischen Regierung an Folter und entsetzlichen Haftbedingungen (HRW 14.1.2020). Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019). Die syrischen Regimekräfte und ihre Sicherheitsapparate setzen ihre systematische Politik der Inhaftierung und des Verschwindenlassens von Zehntausenden von Syrern fort. Trotz der Verringerung des Tempos der Inhaftierungen und des gewaltsamen Verschwindenlassens im Jahr 2020 konnte keine wirkliche Veränderung im Verhalten des Regimes beobachtet werden, sei es in Bezug auf die Freilassung der Inhaftierten oder die Aufdeckung des Schicksals der Verschwundenen (SHRC 1.2021).

Weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik; Einsatz von Kindersoldaten sowie übermäßige Einschränkungen der Bewegungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, inklusive Zensur. Die Regierung überwacht die Kommunikation im Internet, inklusive E-Mails, greift in Internet- und Telefondienste ein und blockiert diese. Die Regierung setzt ausgereifte Technologien und Hunderte von Computerspezialisten für Überwachungszwecke ein (USDOS 30.3.2021).

Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zögerlich dabei, über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 11.3.2020). Zwangsdeportationen von Hunderttausenden Bürgern haben ganze Städte und Dörfer entvölkert (BS 29.4.2020).

Bewaffnete terroristische Gruppierungen, wie die mit al-Qaida in Verbindung stehende Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), sind für weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter rechtswidrige Tötungen und Entführungen, rechtswidrige Inhaftierungen, extreme körperliche Misshandlungen, Tötungen von Zivilisten bei Angriffen, die als wahllos beschrieben wurden, und Zwangsräumungen von Häusern auf der Grundlage der konfessionellen Identität, verantwortlich (USDOS 30.3.2021).

Elemente der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), einer Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheiten, zu der auch Mitglieder der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gehören, sollen für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein, darunter willkürliche Inhaftierungen, Folter, Korruption und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit (USDOS 30.3.2021). Es gibt vereinzelte Berichte über Festnahmen von Journalisten, Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien und Personen, die sich weigerten mit den kurdischen Gruppen zu kooperieren (USDOS 11.3.2020; vergleiche HRW 10.9.2018, SNHR 26.1.2021).

Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt erkennbar weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer und jihadistischer Gruppen befinden (AA 4.12.2020).

Ein besonderes Merkmal des Konflikts in Syrien ist, dass verschiedene Konfliktparteien häufig größeren Gruppen von Menschen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen oder ethnischen Gruppen oder ganzen Städten, Dörfern oder Nachbarschaften, durch Assoziation eine politische Meinung zuschreiben. Als solche können Mitglieder einer größeren Einheit, ohne individuell herausgegriffen zu werden, zum Ziel von Repressalien durch verschiedene Akteure aufgrund von tatsächlicher oder vermeintlicher Unterstützung einer anderen Konfliktpartei werden. Die Wahrnehmung einer politischen Meinung oder Zugehörigkeit zu einer Konfliktpartei basiert oft auf wenig mehr als der physischen Präsenz einer Person in einem bestimmten Gebiet (oder der Tatsache, dass sie aus einem bestimmten Gebiet stammt) oder ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund (UNHCR 3.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020

             BBC - BBC News Russkaya Sluzhba [Russian Service] (12.7.2020): "Уступка давлению России": Вся гуманитарная помощь ООН в Сирию будет идти через Асада ["Dem russischen Druck nachgeben." Die gesamte humanitäre Hilfe der UNO für Syrien wird über Assad abgewickelt], https://www.bbc.com/russian/news-53353049, Zugriff 7.9.2020

             BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 22.7.2020

             FCO - UK Foreign, Commonwealth and Development Office (formerly FCO) (8.7.2021): Human Rights and Democracy: 2020 Foreign, Commonwealth & Development Office report, https://www.ecoi.net/en/document/2056823.html, Zugriff 30.9.2021

             HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2043510.html, Zugriff 26.1.2021

             HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2022683.html, Zugriff 22.7.2020

             HRW - Human Rights Watch (10.9.2018): Syria: Kurdish-led Administration Jails Rivals, https://www.hrw.org/news/2018/09/10/syria-kurdish-led-administration-jails-rivals, Zugriff 7.9.2020

             SHRC - Syrian Human Rights Committee (1.2021): The 19th Annual Report on Human Rights in Syria 2020, https://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2021/01/SHRC-English-report_20210112.pdf, Zugriff 29.1.2021

             SHRC - Syrian Human Rights Committee (7.1.2020): The 18th Annual Report on Human Rights in Syria 2019, https://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2020/01/20200106-English_web.pdf, Zugriff 8.9.2020

             SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 22.7.2020

             SNHR - Syrian Network for Human Rights (26.1.2021): The Bleeding Decade - Tenth Annual Report: The Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2020, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/Tenth_Annual_Report_The_Most_Notable_Human_Rights_Violations_in_Syria_in_2020_en.pdf, Zugriff 3.2.2021

             UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (3.2021): International Protection Considerations with regard to people fleeing the Syrian Arab Republic - Update römisch VI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2049565/606427d97.pdf, Zugriff 14.6.2021

             UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (7.5.2020): Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria; Participation in Anti-Government Protests; Draft Evasion; Issuance and Application of Partial Amnesty Decrees; Residency in (Formerly) Opposition-Held Areas; Issuance of Passports Abroad; Return and "Settling One's Status", https://www.ecoi.net/en/file/local/2030290/5ec4fcff4.pdf, Zugriff 7.9.2020

             UNHRC - United Nations Human Rights Council (31.1.2019): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/40/70], https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A_HRC_40_70.pdf, Zugriff 8.9.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2026345.html, Zugriff 22.7.2020

             Welt (30.6.2020): Deutschland sagt Opfern des Syrienkrieges Milliarden-Hilfe zu, https://www.welt.de/politik/ausland/article210741853/Syrienkrieg-Deutschland-sagt-Opfern-Milliarden-Hilfe-zu.html, Zugriff 21.8.2020

Todesstrafe und außergerichtliche Tötungen

Letzte Änderung: 30.09.2021

Die syrische Strafgesetzgebung sieht für Mord, schwere Drogendelikte, Terrorismus, Hochverrat und weitere Delikte die Todesstrafe vor. Vor allem die durch das Regime betriebene unterschiedslose Diffamierung von politischen Gegnern, bewaffneten Rebellen und selbst den syrischen "Weißhelmen" als Terroristen, oder die sehr weite Fassung des Begriffs Hochverrat, ermöglicht den Missbrauch der Todesstrafe zu politischen Zwecken. Verurteilungen wegen Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft, worauf ebenfalls die Todesstrafe steht, werden seit einigen Jahren in der Regel in zwölfjährige Freiheitsstrafen umgewandelt. Im Jahr 2010 wurden 17 Hinrichtungen bekannt. Seit Beginn des bewaffneten Konflikts liegen jedoch keine offiziellen Zahlen mehr vor. Im Rahmen der Kampfhandlungen seit 2011 kam es zu einer Vielzahl von außergerichtlichen Tötungen und Hinrichtungen, über die keine belastbaren Zahlen vorliegen. Nach Aussagen von freigelassenen Häftlingen gegenüber Amnesty International (AI) finden regelmäßig Exekutionen in Gefängnissen statt (AA 4.12.2020).

AI konnte für das Jahr 2020 erneut bestätigen, dass Todesurteile verhängt wurden, verfügte aber nicht über ausreichende Informationen, um eine glaubwürdige Mindestzahl zu nennen (AI 4.2021). Zwischen 2011 und 2015 wurden etwa 13.000 Gefangene, überwiegend Zivilpersonen, die als Regierungskritiker angesehen wurden, Opfer massenhafter außergerichtlicher Hinrichtungen. Die Gerichtsverfahren vor einem militärischen Feldgericht erfüllten die internationalen Mindeststandards für faire Gerichtsverfahren bei weitem nicht (AI 22.2.2018). Im Verlauf des Jahres 2018 wurde eine steigende Zahl von Todesurteilen, unter anderem vor Feldgerichten in Damaskus ausgesprochen, um die Zahl der politischen Gegner zu verringern (TWP 23.12.2018). Häftlinge haben 2019 Warnungen aus dem Gefängnis geschmuggelt, dass Hunderte zu einer Hinrichtungsstätte, das Saydnaya-Gefängnis, gebracht werden, und frisch entlassene Häftlinge berichteten, dass sich die Hinrichtungen dort beschleunigen (TNYT 11.5.2019). Die Unabhängige Untersuchungskommission der Vereinten Nationen (VN) für Syrien berichtete ebenfalls von außergerichtlichen Hinrichtungen in Gebieten unter Regierungskontrolle. Die "Generalamnestie" vom 22.3.2020 verringert die Todesstrafe bei einer Vielzahl von Vergehen auf lebenslange harte Strafarbeit, bei anderen Vergehen, z.B. im Rahmen des Anti-Terror-Gesetzes von 2012, besteht die Todesstrafe fort (AA 4.12.2020).

Im Laufe des bewaffneten Konflikts kam es ebenfalls zu Hinrichtungen von gefangengenommenen Angehörigen der syrischen Sicherheitskräfte durch zumeist radikalislamische bewaffnete Oppositionsgruppen (AA 4.12.2020). Bis zu seiner territorialen Niederlage im April 2019 tötete der sogenannte Islamische Staat (IS) Hunderte von Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder, durch öffentliche Hinrichtungen, wie Kreuzigungen und Enthauptungen unter dem Vorwurf des Glaubensabfalls, der Blasphemie und der Homosexualität (USDOS 10.6.2020). In seinem Bericht für das Jahr 2020 stellte Human Rights Watch fest, dass türkische Truppen und die Syrian National Army (SNA) wahllos zivile Einrichtungen beschossen und systematisch Privateigentum geplündert, Hunderte von Personen verhaftet und mindestens sieben standrechtliche Hinrichtungen in den von ihnen besetzten Gebieten im Nordosten Syriens durchgeführt haben. Auch Hay'at Tahrir al-Sham, die überwiegend mehrere Regionen in Idlib kontrolliert, hat Berichten zufolge standrechtliche Hinrichtungen durchgeführt (HRW 13.1.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AI - Amnesty International (4.2021): Death sentences and executions 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2049793/ACT5037602021ENGLISH.PDF, Zugriff 10.6.2021

             AI - Amnesty International (22.2.2018): Jahresbericht Syrien 2017/2018, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/syrien, Zugriff 22.7.2020

             HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021, https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/syria, Zugriff 28.9.2021

             SNHR - Syrian Network for Human Rights (1.1.2021): Extrajudicial Killing Claims the Lives of 1,734 Civilians in Syria in 2020, Including 99 in December, https://www.hrw.org/world-report/2021/country-chapters/syria, Zugriff 28.9.2021

             TNYT - The New York Times (11.5.2019): Inside Syria’s Secret Torture Prisons: How Bashar al-Assad Crushed Dissent, https://www.nytimes.com/2019/05/11/world/middleeast/syria-torture-prisons.html, Zugriff 22.7.2020

             TWP - The Washington Post (23.12.2018): Syria’s once teeming prison cells being emptied by mass murder, https://www.washingtonpost.com/graphics/2018/world/syria-bodies/?noredirect=on&utm_term=.6a8815bb3721, Zugriff 22.7.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (11.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2031230.html, Zugriff 22.7.2020

Ethnische und religiöse Minderheiten

Letzte Änderung: 30.06.2021

Anmerkung, Viele der angeführten Minderheiten sind ethno-religiöse Minderheiten (z.B. armenische Christen, kurdische Jeziden) oder sie verfügen über kulturell bedingte eigene Interpretationen des Islams im Alltag (z.B. viele sunnitische Kurden). Nähere Informationen zu einzelnen Minderheiten können nach Bedarf im Rahmen von Anfragebeantwortungen geboten werden.

Die anhaltende Vertreibung der syrischen Bevölkerung führt zu einem gewissen Grad an Unsicherheit in den demographischen Daten. Schätzungen der US-Regierung zufolge dürften die Sunniten 74% der Bevölkerung stellen, wobei diese sich unter anderem aus arabischen, kurdischen, tscherkessischen, tschetschenischen und turkmenischen Bevölkerungsanteilen zusammensetzen. Andere muslimische Gruppen, einschließlich Alawiten, Ismailiten und Zwölfer Schiiten machen zusammen 13% aus, die Drusen 3%. Verschiedene christliche Gruppen bilden die verbleibenden 10% (USDOS 10.6.2020; vergleiche MRG 5.2018a, CIA 12.8.2020), wobei laut Berichten davon auszugehen ist, dass ihre Zahl mit geschätzten 2.5% nun bedeutend geringer ist. Vor dem Bürgerkrieg gab es in Syrien ungefähr 80.000 Jeziden (USDOS 12.5.2021).

Die alawitische Gemeinde, zu der Bashar al-Assad gehört, genießt einen privilegierten Status in der Regierung und dominiert auch den staatlichen Sicherheitsapparat und das Militär (USDOS 30.3.2021).

In Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit besteht die syrische Bevölkerung zum Großteil aus Arabern (Syrer, Palästinenser, Iraker). Ethnische Minderheiten sind Kurden, Armenier, Turkmenen und Tscherkessen (MRG 5.2018a).

Religiöse bzw. interkonfessionelle Faktoren spielen auf allen Seiten des Konfliktes eine Rolle, doch fließen auch andere Faktoren im Kampf um die politische Vormachtstellung mit ein. Die Gewalt von Seiten der Regierung gegen Oppositionsgruppen aber auch Zivilisten weist sowohl konfessionelle Elemente als auch Elemente ohne konfessionellen Bezug auf. Beobachtern zufolge ist die Vorgehensweise der Regierung gegen Oppositionsgruppen, welche die Vormachtstellung der Regierung bedrohen, nicht in erster Linie konfessionell motiviert, doch zeige sie konfessionelle Auswirkungen (USDOS 10.6.2020). So versucht die syrische Regierung konfessionell motivierte Unterstützung zu gewinnen, indem sie sich als Beschützerin der religiösen Minderheiten vor Angriffen von gewalttätigen sunnitisch-extremistischen Gruppen darstellt. Manche Rebellengruppen bezeichnen sich in Statements und Veröffentlichungen explizit als sunnitische Araber oder sunnitische Muslime und haben Beobachtern zufolge eine fast ausschließlich sunnitische Unterstützerbasis (USDOS 12.5.2021). Dies gibt dem Vorgehen der Regierung gegen oppositionelle Gruppen auch ein konfessionelles Element. Der Einsatz von schiitischen Kämpfern, z.B. aus Afghanistan, um gegen die mehrheitlich sunnitische Opposition vorzugehen, verstärkt zusätzlich die konfessionellen Spannungen. Laut Experten stellt die Regierung die bewaffnete Opposition auch als religiös motiviert dar, indem sie diese mit extremistischen islamistischen Gruppen und Terroristen in Zusammenhang setzt, welche die religiösen Minderheiten sowie die säkulare Regierung eliminieren wollen (USDOS 10.6.2020).

Dies führt dazu, dass manche Führer religiöser Minderheitengruppen der Regierung Präsident Assads ihre Unterstützung aussprechen, da sie diese als ihren Beschützer gegen gewalttätige sunnitisch-arabische Extremisten sehen (USDOS 10.6.2020; vergleiche USCIRF 4.2019, FA 27.7.2017). Die Minderheiten sind in ihrer Einstellung der syrischen Regierung gegenüber allerdings gespalten. Auch die Alawiten sind in ihrer Unterstützung bzw. Ablehnung der syrischen Regierung nicht geeint. Manche Mitglieder der Minderheiten sehen die Regierung als Beschützer, andere sehen einen Versuch der Regierung die Minderheiten auszunutzen, um die eigene Legitimität zu stärken, indem zum Beispiel konfessionell motivierte Propaganda verbreitet, und so die Ängste der Minderheiten geschürt und deren empfundene Vulnerabilität vertieft wird (MRG 5.2018b). So werden Berichten zufolge auch alawitische oppositionelle Aktivisten Opfer von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Mord durch die Regierung (USDOS 30.3.2021).

Alawiten werden aufgrund ihrer wahrgenommenen Unterstützung des Regimes außerdem zu Opfern von Angriffen durch aufständische extremistische Gruppen (USDOS 30.3.2021).

Die Situation von Angehörigen religiöser und ethnischer Minderheitengruppen ist von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich und hängt insbesondere von den Akteuren ab, die das Gebiet kontrollieren, von den Ansichten und Wahrnehmungen dieser Akteure gegenüber Angehörigen anderer religiöser und ethnischer Minderheitengruppen sowie von den spezifischen Konfliktentwicklungen in diesen Gebieten (UNHCR 3.2021).

In den unter Kontrolle des sogenannten Islamischen Staates (IS) oder der islamistischen Gruppierung Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) stehenden Gebieten wurden Schiiten, Alawiten, Christen und andere Minderheiten sowie auch Sunniten, inklusive Kurden, Ziele von Tötung, Entführung, Verhaftung oder Misshandlung. Christen wurden gezwungen eine Schutzsteuer zu zahlen, zu konvertieren oder liefen Gefahr getötet zu werden (USDOS 12.5.2021). In seit 2018 bzw. 2019 türkisch kontrollierten Gebieten im Norden Syriens ist es zu Vertreibungen und Drohungen gegen Minderheiten gekommen (JP 13.6.2020; vergleiche Wilson Center 7.2020).

Der sogenannte IS entführte tausende großteils jezidische aber auch christliche und turkmenische Frauen und Mädchen im Irak und verschleppte sie nach Syrien, wo sie als Sexsklavinnen verkauft und als Kriegsbeute an IS-Kämpfer verteilt wurden. Durch die Zurückdrängung des IS wurde dessen Herrschaft über Teile der Bevölkerung beendet und seine Möglichkeit religiöse Minderheiten zu unterdrücken und Gewalt auszusetzen, eingedämmt (USDOS 21.6.2019). Trotz der territorialen Niederlage des IS berichteten Medien und NGOs, dass seine extremistische Ideologie weiterhin stark im Land präsent ist (USDOS 12.5.2021).

Quellen:

             AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019 [Report about the situation in the Syrian Arab Republic], https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020

             CIA – Central Intelligence Agency [USA] (12.8.2020): The World Factbook: Syria – Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 21.8.2020

             DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (29.6.2020): Islamic State in Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032499/COI_brief_report_Islamic_State_in_Syria_June_2020.pdf, Zugriff 8.9.2020

             FA – Foreign Affairs (27.7.2017): The Problem With Syria’s Demographics, https://www.foreignaffairs.com/articles/syria/2017-07-27/problem-syrias-demographics, Zugriff 8.9.2020

             JP – The Jerusalem Post (13.6.2020): Turkey’s occupation of Syria slammed for ethnic cleansing, https://www.jpost.com/middle-east/turkeys-occupation-of-syria-slammed-for-ethnic-cleansing-631255, Zugriff 8.9.2020

             MRG – Minority Rights Group International (5.2018a): Syria – Minorities and indigenous peoples, https://minorityrights.org/country/syria/, Zugriff 8.9.2020

             MRG – Minority Rights Group International (5.2018b): Syria – Current Issues, https://minorityrights.org/country/syria/, Zugriff 17.8.2020

             UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (3.2021): International Protection Considerations with regard to people fleeing the Syrian Arab Republic - Update römisch VI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2049565/606427d97.pdf, Zugriff 14.6.2021

             USCIRF – United States Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: USCIRF Recommended Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008202/Tier1_SYRIA_2019.pdf, Zugriff 8.9.2020

             USDOS – United States Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2051586.html, Zugriff 10.6.2021

             USDOS – United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

             USDOS – United States Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2031230.html, Zugriff 23.7.2020

             USDOS – United States Department of State [USA] (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2011033.html, Zugriff 8.9.2020

             Wilson Center (7.2020): Syrian Yezidis under Four Regimes: Assad, Erdogan, ISIS and the YPG , https://www.wilsoncenter.org/sites/default/files/media/uploads/documents/MEP_200710_OCC%2037_FINAL.pdf, Zugriff 8.9.2020

Kurden

Letzte Änderung: 01.10.2021

Im Jahr 2011, kurz vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs, lebten in Syrien zwischen zwei und drei Millionen Kurden. Damit stellten sie etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Die Lebensumstände waren für die Kurden in Syrien lange Zeit noch kritischer als in der Türkei und im Iran. Ein Grund dafür war die brutale Repression aller oppositionellen Bestrebungen durch das Regime (SWP 4.1.2019). Jegliche Bemühungen der Kurden, sich zu organisieren oder für ihre politischen und kulturellen Rechte einzutreten wurden unterdrückt. Die Behörden schränkten den Gebrauch der kurdischen Sprache in der Öffentlichkeit, in Schulen und am Arbeitsplatz ein, verboten kurdischsprachige Publikationen und kurdische Feste (HRW 26.11.2009). Im Nachgang einer Volkszählung im Jahr 1962 wurde rund 120.000 Kurden die syrische Staatsangehörigkeit aberkannt [Anm. Yeziden waren ebenso betroffen]. Sie und ihre Nachfahren galten den syrischen Behörden seither als geduldete Staatenlose. Die Zahl dieser Ausgebürgerten, die wiederum in registrierte (ajanib) und unregistrierte (maktumin) Staatenlose unterteilt wurden, dürfte 2011 bei über 300.000 gelegen haben (SWP 4.1.2019). Im Jahr 2011 verfügte Präsident Assad, dass staatenlose Kurden in Hassakah, die als "Ausländer" registriert waren, die Staatsbürgerschaft beantragen können. Es ist jedoch unklar, wie viele Kurden von dem Dekret profitierten. Laut UNHCR konnten etwa 40.000 dieser Kurden nach wie vor nicht die Staatsbürgerschaft erhalten. Ebenso erstreckte sich der Erlass nicht auf die etwa 160.000 "nicht registrierten" staatenlosen Kurden (USDOS 30.3.2021). Es gibt einige weitere Hindernisse für staatenlose Kurden, die die Staatsbürgerschaft erwerben wollen (DNIDC 16.1.2019).

Die kurdische Bevölkerung (mit oder ohne syrische Staatsbürgerschaft) sieht sich offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung, Repressionen sowie vom Regime gestützter Gewalt ausgesetzt. Das Regime schränkt den Gebrauch und den Unterricht der kurdischen Sprache weiterhin ein. Es beschränkt auch die Veröffentlichung von Büchern und anderen Materialien in kurdischer Sprache, kulturelle Ausdrucksformen und manchmal auch die Feier kurdischer Feste. Einheiten des Regimes und mit ihm verbündete Kräfte sowie der sogenannte Islamische Staat und bewaffnete Oppositionskräfte, wie die von der Türkei unterstützte Syrian National Army, haben während des Jahres 2020 zahlreiche kurdische Aktivisten und Einzelpersonen sowie Mitglieder der Syrian Democratic Forces (SDF) verhaftet, festgehalten, gefoltert, getötet und anderweitig missbraucht (USDOS 30.3.2021).

Die fehlende Präsenz der syrischen Regierung in den kurdischen Gebieten in den Anfangsjahren des Konfliktes verlieh den Kurden mehr Freiheiten, wodurch zum Beispiel die kurdische Sprache an Schulen unterrichtet werden konnte. Die syrische Regierung erkennt die Legitimität der föderalen kurdischen Gebiete jedoch nicht an (MRG 3.2018).

Kurden in von der Türkei / türkisch unterstützten Oppositionsgruppen kontrollierten Gebieten

Im Oktober 2019 startete das türkische Militär eine Offensive im Nordosten Syriens mit dem Ziel, eine Pufferzone zu schaffen, indem es seine kurdischen Widersacher in dem Gebiet verdrängte. Auf eine frühere türkisch geführte Offensive im nordwestlichen Bezirk Afrin im Jahr 2018 folgte laut Berichten die Beschlagnahmung und Zerstörung von kurdischem Zivileigentum. Den von der Türkei unterstützten Milizen wird weiterhin vorgeworfen, im Jahr 2020 Land und Häuser enteignet zu haben. Sunnitische islamistische und jihadistische Gruppen verfolgen häufig religiöse Minderheiten und Muslime, die sie für gottlos halten. Kurdische Milizen wurden beschuldigt, im Rahmen ihres Kampfes gegen den sog. IS arabische und turkmenische Gemeinschaften zu vertreiben (FH 3.4.2021; vergleiche HRW 10.11.2019).

[Anm.: Weiteres siehe Kapitel "Politische Lage"]

Quellen:

             DNIDC - Danish National ID Centre [Dänemark] (16.1.2019): Stateless Kurds in Syria: Maktoumin and Ajanib, https://www.nidc.dk/-/media/2D35F414099B4D298BA0E27043C63491.pdf, Zugriff 8.9.2020

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2021, Zugriff 30.9.2021

             HRW - Human Rights Watch (10.11.2019): Turkey/Syria: Civilians at Risk in Syria Operation, https://www.hrw.org/news/2019/10/11/turkey/syria-civilians-risk-syria-operation, Zugriff 30.9.2021

             HRW - Human Rights Watch (26.11.2009): Repression of Kurdish Political and Cultural Rights in Syria, https://www.hrw.org/report/2009/11/26/group-denial/repression-kurdish-political-and-cultural-rights-syria, Zugriff 29.9.2021

             MRG - Minority Rights Group International (3.2018): Syria – Kurds, https://minorityrights.org/minorities/kurds-5/, Zugriff 8.9.2020

             SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.1.2019): Kurden unter Druck: Die Folgen des US-Truppenabzugs für den PKK-Ableger in Syrien, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2019A04_sbg_Albrecht.pdf, Zugriff 8.9.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 01.10.2021

In Syrien gibt es keine offizielle Staatsreligion, wobei die Verfassung jedoch vorsieht, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, und dass die islamische Rechtsprechung eine Hauptquelle der Gesetzgebung darstellt. In Angelegenheiten des Personenstandsrechtes fallen alle Bürger unter die Gesetzgebung ihrer jeweiligen religiösen Gruppe (Christentum, Islam oder Judentum). Zur Klärung von Fragen des Familienstandes verlangt die Regierung daher von ihren Bürgern, ihre Glaubenszugehörigkeit zu einer dieser drei Religionen registrieren zu lassen. Die Religionszugehörigkeit, abgesehen von der jüdischen Religionszugehörigkeit, wird nicht im Pass und auf der Identitätskarte vermerkt (USDOS 12.5.2021). Es ist nicht möglich, "keine Religion" zu registrieren (Eijk 2013). Das Gesetz schränkt Missionierung und Konversionen ein. Es verbietet die Konversion vom Islam zu anderen Religionen, erkennt die Konversion zum Islam jedoch an. Das Strafgesetz verbietet "das Verursachen von Spannungen zwischen religiösen Gemeinschaften" (USDOS 12.5.2021).

Bereits vor dem Konflikt wuchs die Bedeutung von religiösen Stiftungen, um fehlende staatliche soziale und wirtschaftliche Leistungen auszugleichen. Im Zuge des Konfliktes verstärkte sich diese Rolle abermals. Religiöse Netzwerke in oppositionellen Gebieten, die in Verbindung mit bewaffneten Fraktionen stehen, wurden zu Pseudo-Organen der Lokalverwaltung und übernahmen Aufgaben wie z.B. die Verteilung von Hilfsgütern, Sozialleistungen, Bildung, Verwaltung von Bäckereien und die Verwaltung von Flüchtlingslagern. Begleitend zu diesen sozialen Diensten gab es klare Bemühungen um religiöse Indoktrination, z.B. die Vereinheitlichung der Verschleierung, die Verbreitung des Korans und den Betrieb von Waisenhäusern (in denen sich das Leben um religiöse Lehren und das Auswendiglernen des Korans dreht). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten wurden religiösen Akteuren, die vom Staat als vertrauenswürdig erachtet wurden, beispiellose Vorrechte innerhalb ihrer Gemeinschaften eingeräumt. Sie übernahmen kommunale Aufgaben, um den Zerfall staatlicher Strukturen und Leistungen auszugleichen, wie beispielsweise die Stromversorgung durch privat betriebene und in Privatbesitz befindliche Stromgeneratoren (CMEC 19.3.2019).

Gesetz Nr. 31 vom Oktober 2018 verleiht dem syrischen Ministerium für Religiöse Stiftungen („Ministry of Awqaf“) zusätzliche Befugnisse (CEIP 14.11.2018; vergleiche CMEC 19.3.2019). So beinhaltet das Gesetz die Einrichtung eines "Rechtswissenschaftlichen und Gelehrten Rates" mit der Entscheidungshoheit über die Definition, welche Inhalte im religiösen Diskurs angemessen sind. Der Minister wird mit der Kompetenz ausgestattet religiöse Persönlichkeiten zu bestrafen, wenn diese "extremistische" oder auch "abweichende" religiöse Lehren verbreiten, indem ihnen die Lizenz entzogen oder gegen sie ein Gerichtsverfahren eingeleitet wird. Der Rat soll außerdem jede Fatwa, die in Syrien veröffentlicht wird, überwachen, um die Verbreitung wahhabitischen oder mit der Muslimbruderschaft in Verbindung stehenden Gedankenguts zu verhindern (CEIP 14.11.2018). Einem syrischen Anwalt zufolge kann der Minister durch diese Gesetzesänderung auch in Bereichen, die nicht direkt mit der Verwaltung dieses Ministeriums in Zusammenhang stehen, Einfluss ausüben, so z.B. auf religiöse Literatur (France24 14.10.2018).

Das syrische Eherecht kennt das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit. So ist die Ehe einer muslimischen Frau mit einem nichtmuslimischen Mann nichtig (MPG o.D.a). Sie wäre laut Gesetz nicht-existent, selbst wenn sie bereits vollzogen wurde (Eijk 2013). Nach dem Konsens der islamischen Juristen ist eine Ehe zwischen einem Muslim und einer nichtmuslimischen Frau wirksam, sofern diese einer der zwei anderen Buchreligionen - also Christentum und Judentum - angehört (MPG o.D.a). Eine christliche Ehefrau eines muslimischen Mannes kann jedoch nichts von ihrem Mann erben, selbst wenn sie zum Islam konvertiert, und sie kann nur auf einem islamischen Friedhof begraben werden, wenn sie konvertiert (USDOS 12.5.2021). Ihre Kinder werden automatisch Muslime (Eijk 2013).

[Anm.: Siehe auch Kapitel „Ethnische und religiöse Minderheiten“.]

Quellen:

             CEIP - Carnegie Endowment for International Peace (14.11.2018): Formalizing Regime Control over Syrian Religious Affairs, https://carnegieendowment.org/sada/77712, Zugriff 24.7.2020

             CMEC - Carnegie Middle East Center (19.3.2019): The Religious Domain Continues to Expand in Syria, https://carnegie-mec.org/2019/03/19/religious-domain-continues-to-expand-in-syria-pub-78624, Zugriff 24.7.2020

             Eijk - Esther van Eijk (2013): Family law in Syria: a plurality of laws, norms, and legal practices. Dissertation, Universität Leiden, https://openaccess.leidenuniv.nl/bitstream/handle/1887/21765/Binnenwerk%20Proefschrift_EvanEijk_26July%202013%20corr.pdf?sequence=20, Zugriff 24.7.2020

             France24 (14.10.2018): Syria ‘expands state control’ with strict new laws governing religious affairs, https://www.france24.com/en/20181014-syria-adopts-law-expanding-government-control-over-religious-affairs-assad-muslim, Zugriff 24.7.2020

             MPG - Max-Planck-Gesellschaft (o.D.a): Kommentar zum staatlichen Familienrecht: Die Ehe, https://www.familienrecht-in-nahost.de/8555/Syrien-Kommentar-Ehe, Zugriff 24.7.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2051586.html, Zugriff 10.6.2021

Palästinensische Flüchtlinge

Letzte Änderung: 01.10.2021

Rechtlicher Status der palästinensischen Flüchtlinge in Syrien und das Mandat der UNRWA

Die United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) ist entsprechend der Resolution 302 römisch IV (1949) der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit einem Mandat zur Förderung der menschlichen Entwicklung palästinensischer Flüchtlinge ausgestattet. Per definitionem sind palästinensische Flüchtlinge Personen, deren gewöhnlicher Aufenthaltsort zwischen 1.6.1946 und 15.5.1948 Palästina war, und die sowohl ihr Zuhause wie auch ihre Mittel zur Lebenshaltung aufgrund des Konflikts von 1948 verloren haben. Dienste von UNRWA stehen all jenen Personen offen, die im Einsatzgebiet der Organisation leben, von der Definition umfasst und bei UNRWA registriert sind, sowie Bedarf an Unterstützung haben. Nachkommen männlicher palästinensischer Flüchtlinge können sich ebenfalls bei UNRWA registrieren. Darüber hinaus bietet UNRWA ihre Dienste auch palästinensischen Flüchtlingen und Vertriebenen des Arabisch-Israelischen Konflikts von 1967 und nachfolgender Feindseligkeiten an (STDOK 8.2017). Im Dezember 2019 beschloss die UN-Generalversammlung eine Verlängerung des UNRWA-Mandats bis 2023 (UNRWA 16.11.2019).

Schon vor dem Ausbruch des Konflikts im Jahr 2011 waren die Palästinenser in Syrien eine vulnerable Bevölkerungsgruppe (STDOK 8.2017).

In Syrien lebende Palästinenser werden in Abhängigkeit vom Zeitpunkt ihrer Ankunft in Syrien in verschiedene Kategorien eingeteilt, von denen jeweils auch ihre rechtliche Stellung abhängt. Zu unterscheiden ist zwischen jenen Palästinensern, die als palästinensische Flüchtlinge in Syrien anerkannt sind und jenen, die in Syrien keinen Flüchtlingsstatus genießen. Da Syrien nicht Vertragspartei der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ist, richtet sich der Flüchtlingsstatus nach syrischem Recht (ÖB 29.9.2020).

Die größte Gruppe bilden Palästinenser, die bis zum oder im Jahr 1956 nach Syrien gekommen sind, sowie deren Nachkommen. Diese Palästinenser fallen unter die Anwendung des Gesetzes Nr. 260 aus 1956, welches Palästinenser, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes einen Wohnsitz in Syrien hatten, im Hinblick auf Arbeit, Handel, Militärdienst und Zugang zum öffentlichen Dienst syrischen Staatsbürgern gleichstellt. Ausgeschlossen ist diese Gruppe jedoch vom Wahlrecht, der Bekleidung öffentlicher Ämter sowie vom Erwerb landwirtschaftlicher Nutzflächen. Sie erhalten auch nicht die syrische Staatsbürgerschaft. Unter diese Kategorie fallende Personen sind bei der General Authority for Palestinian Arab Refugees (GAPAR) registriert. Die staatenlose Bevölkerung Syriens besteht aus Kurden und Palästinensern. Staatenlose Personen dürfen nicht wählen, kein Land besitzen, keine bestimmten Berufe ausüben, keine Nahrungsmittelsubventionen oder öffentliche Gesundheitsversorgung erhalten, keine öffentlichen Schulen besuchen und nicht legal mit syrischen Bürgern verheiratet sein (CIA 22.9.2021). Für die Palästinenser, die sich nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 260 noch im Jahr 1956 in Syrien niedergelassen haben, gelten bestimmte Modifikationen und Einschränkungen (va. Anstellung im öffentlichen Dienst nur auf Grundlage zeitlich befristeter Verträge; keine Ableistung von Militärdienst). Sie sind aber ebenfalls bei GAPAR registriert. Diese Gruppen von Palästinensern und ihre Nachkommen sind somit als Flüchtlinge in Syrien anerkannt (ÖB 29.9.2020).

Die nach 1956, insbesondere ab 1967 nach Syrien gekommenen Palästinenser und deren Nachkommen umfassen ihrerseits eine Reihe weiterer Untergruppen: Unter anderem fallen darunter Personen, die nach 1970 aus Jordanien, nach 1982 aus dem Libanon und während der letzten beiden Jahrzehnte aus dem Irak gekommen sind. Ihnen ist gemeinsam, dass sie nicht bei GAPAR registriert und nicht als palästinensische Flüchtlinge anerkannt sind. In Syrien gelten sie als „Araber in Syrien“ und werden wie Staatsbürger anderer arabischer Staaten behandelt. Sie können ihren Aufenthaltstitel in Syrien alle zehn Jahre beim Innenministerium erneuern lassen und müssen um Arbeitsgenehmigungen ansuchen. Einige Personen aus dieser Gruppe fallen unter das Mandat von UNHCR (ÖB 29.9.2020). Palästinenser dieser Gruppe können in Syrien jedoch öffentliche Leistungen des Gesundheits- oder Bildungsbereiches kostenfrei nutzen, abgesehen von einem Studium an der Universität, für welches sie eine Gebühr bezahlen müssen (STDOK 8.2017).

Die Sicherheitslage in den palästinensischen Flüchtlingslagern und Wohngebieten

Schätzungen aus dem Jahr 2018 zufolge sind noch 438.000 palästinensische Flüchtlinge in Syrien aufhältig (UNRWA 5.12.2018; vergleiche UNRWA o.D. A; UN 14.3.2019). Vor Ausbruch des Bürgerkrieges lebten geschätzte 560.000 palästinensische Flüchtlinge in Syrien, und davon mehr als 80% in und um Damaskus. Die palästinensischen Flüchtlinge in Syrien waren von schweren Kämpfen in und um manche palästinensische Flüchtlingslager und Stadtteile erheblich betroffen (USAID 4.8.2017).

Zu Beginn des Konfliktes versuchten die Bewohner der meisten palästinensischen Flüchtlingslager neutral zu bleiben. Als der Konflikt aber gewalttätiger wurde und sich regionale Allianzen änderten, führten die Diskrepanzen unter den palästinensischen Fraktionen, besonders zwischen Fatah (pro-syrische Regierung) und Hamas (pro-Opposition), zu einer Spaltung der Palästinenser in ihrer Position gegenüber dem Regime (NOREF 24.1.2017). Manche Palästinenser in Syrien sind für und andere gegen das Regime, die Palästinenser sind somit zwischen den Konfliktparteien gespalten. Palästinenser sind hauptsächlich Sunniten und werden von Seiten des Regimes und dessen Verbündeten auch wie Sunniten behandelt, also mit Misstrauen, wobei es natürlich Ausnahmen hierzu gibt. Was die Vulnerabilität betrifft, scheint jedoch die Herkunft einer Person aus einem bestimmten Gebiet wichtiger zu sein, als ihre Konfession, und ob sie der palästinensischen Minderheit angehört oder nicht. Dabei determinierten die Anfangsjahre des Konflikts 2011-2013, welche Gebiete zu welchen Konfliktparteien zugeordnet werden. Die Bewegungsfreiheit von Palästinensern ist eingeschränkt. Berichten zufolge müssen sie z.B. in Damaskus eine Genehmigung der Geheimdienste (Mukhabarat) und der Sicherheitskräfte bekommen, um ihren Wohnsitz verlegen zu können. Dass Palästinenser den Wohnsitz bei den Geheimdiensten registrieren müssen, führt dazu, dass manche Personen nicht an Palästinenser vermieten wollen (STDOK 8.2017).

Allgemein gesprochen sind die Palästinenser vulnerabler als der durchschnittliche Syrer, was auch mit fehlenden Identitätsdokumenten in Verbindung steht (STDOK 8.2017). Palästinenser, die bereits vor dem Konflikt deutlich ärmer als Syrer waren, sind nun eine der am meisten vom Konflikt betroffenen Bevölkerungsgruppen in Syrien (UNRWA 5.12.2018). Sie sind außerdem häufig von mehrfacher Vertreibung betroffen (STDOK 8.2017). Dies ist mitunter auch auf die strategische Relevanz der von Palästinensern bewohnten Gebiete zurückzuführen. Beispielsweise waren die Lager südlich von Damaskus strategisch bedeutend, weil sie die beiden oppositionellen Hochburgen im westlichen Damaskus und in Ost-Ghouta trennten und dadurch im bewaffneten Konflikt zum Ziel von Beschuss und Blockaden wurden. Dies führte zur Vertreibung der Bewohner dieser Lager (NOREF 24.1.2017). Sowohl das Regime als auch oppositionelle Gruppierungen belagerten oder beschossen manche palästinensische Flüchtlingslager und Nachbarschaften, oder machten diese anderweitig praktisch unzugänglich, was zu Fällen von schwerer Unterernährung und fehlendem Zugang zu medizinischer und humanitärer Versorgung und Todesfällen unter Zivilisten führte (USDOS 30.3.2021).

Die Leistungen der UNRWA im Rahmen ihrer Zugangsmöglichkeiten

Die offiziellen UNRWA-Flüchtlingslager sind Gebiete, die UNRWA von der Regierung des jeweiligen Gastlandes zur Errichtung eines Lagers und der notwendigen Infrastruktur überlassen werden. Die Aktivitäten von UNRWA erstrecken sich jedoch auch auf nicht offiziell diesem Zweck zugewiesene Gebiete (sog. „Inoffizielle Lager“). Dies trifft auch auf Yarmouk zu, einen Stadtteil von Damaskus (STDOK 8.2017; UNRWA o.D. B), der lange Zeit die größte Dichte an palästinensischen Flüchtlingen in Syrien aufwies (STDOK 8.2017). Die meisten Einrichtungen von UNRWA befinden sich in den Flüchtlingslagern. UNRWA unterhält jedoch teils auch Schulen, Gesundheitszentren und Verteilungszentren in Gebieten außerhalb der offiziellen Lager. Alle Dienstleistungen von UNRWA stehen allen registrierten palästinensischen Flüchtlingen zur Verfügung, auch denen, die nicht in den Lagern leben (UNRWA o.D. B).

UNRWA bietet Unterstützungsleistungen in zwölf Flüchtlingslagern in Syrien an (neun offizielle und drei inoffizielle Lager). Diese Lager werden von UNRWA jedoch nicht verwaltet, und UNRWA ist nicht für die Sicherheit in den Lagern zuständig. Dies liegt in der Verantwortung der Behörden des Gaststaates (UNRWA o.D. A). Die palästinensischen Flüchtlingslager in Syrien sind nicht durch physische Begrenzungen, wie z.B. Mauern, eingefriedet, sondern sie sind Teil der Städte, und gleichen eher Wohnvierteln. In Syrien leben Teile der palästinensischen Bevölkerung innerhalb und andere außerhalb der Lager. Das Land, auf welchem sich die UNRWA-Lager befinden, ist Eigentum des Gaststaates. Den palästinensischen Familien wurden in der Vergangenheit Grundstücke zugeteilt, worauf Häuser gebaut wurden. Rechtlich gehört den palästinensischen Bewohnern das Land, auf dem die Häuser stehen, nicht. Dennoch werden die dort errichteten Wohnungen und Häuser mittlerweile auch vermietet und verkauft. Der Zugang zu UNRWA-Lagern ist rechtlich nicht eingeschränkt, es kann jedoch faktische Probleme geben, die den Zugang einschränken (STDOK 8.2017).

Etwa 95% der in Syrien verbliebenen palästinensischen Flüchtlingsbevölkerung hängen von humanitärer Hilfe ab, um ihre Grundbedürfnisse zu stillen, und etwa 254.000 wurden zumindest einmal innerhalb Syriens vertrieben (UNRWA 5.12.2018; vergleiche UNRWA o.D. C). Fast alle palästinensischen Flüchtlinge in Syrien leben in absoluter Armut (MEE 20.2.2020).

Für Palästinenser ist es zudem schwierig sich durch Checkpoints zu bewegen, z.B. wenn sie keine gültigen syrischen Dokumente vorweisen können. Ihre Bewegungsfreiheit innerhalb Syriens ist aufgrund der Notwendigkeit, die Genehmigung für Wohnortwechsel einzuholen, und aufgrund der Registrierungspflicht eingeschränkt (STDOK 8.2017).

UNRWA ist auf den Einsatz in staatlich kontrollierten Gebieten beschränkt und tut dies auch angesichts wachsender Budgetknappheit. UNRWA hat keine Präsenz in von der Opposition gehaltenen Gebieten im Nordwesten Syriens (SD 4.3.2019).

Viele UNRWA Einrichtungen wurden durch den Konflikt in Syrien zerstört oder sind für UNRWA nicht zugänglich, wie z.B. 40% der UNRWA Klassenräume oder 25% der Gesundheitszentren (UNRWA o.D. A). UNRWA versucht, Alternativen zu den Bildungseinrichtungen zu finden und bietet, sofern möglich, auch Bildung in staatlichen Schulen für palästinensische Kinder an, oft in Form einer zweiten Schicht von Unterrichtsstunden (STDOK 8.2017; vergleiche UNRWA o.D. A). In mehreren Flüchtlingslagern, besonders in Yarmouk, fanden schwere Kämpfe zwischen dem Regime und der Opposition statt und die Lager wurden dabei fast gänzlich zerstört (AJ 20.10.2018). Yarmouk ist derzeit beinahe unbewohnt, viele der ehemaligen Bewohner flohen in andere Stadtteile von Damaskus (MEE 20.2.2020).

2019 kam es aufgrund fehlender finanzieller Mittel zu Reduzierungen der Leistungen (IO A 1.4.2019; vergleiche MEE 20.2.2020). In der ersten Hälfte von 2019 plante UNRWA zuerst den vulnerabelsten palästinensischen Flüchtlingen in Syrien die sogenannte Cash Assistance in Höhe von 28 US-Dollar und den übrigen palästinensischen Flüchtlingen 14 US-Dollar pro Person und Monat auszuzahlen. Aufgrund fehlender Finanzierung wurden diese Beträge jedoch auf 14 und 9 US-Dollar reduziert. Zu den vulnerabelsten Flüchtlingen werden Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand oder einem Haushaltsvorstand mit Behinderung, Haushalte geführt von Älteren, oder unbegleitete Minderjährige gerechnet (UNRWA 2.12.2019).

Reisedokumente und Ausreiseregelungen für Palästinenser

Wie und wo Palästinenser in Syrien Dokumente erhalten, hängt von ihrem rechtlichen Status ab. Nur jene Palästinenser, die als palästinensische Flüchtlinge anerkannt sind (also zwischen 1948 und 1956 nach Syrien gekommen sind, bzw. deren Nachkommen) können von der syrischen General Authority for Palestinian Arab Refugees (GAPAR) ein Reisedokument erhalten. Den Reisedokumenten wie auch den Personalausweisen ist zu entnehmen, dass die Besitzer syrische Palästinenser sind. Palästinenser, die in Syrien den Status „Arabs in Syria“ haben, da sie nach 1956 nach Syrien gekommen waren, erhalten von Syrien keine Reisedokumente. Mangels anderer gültiger Reisedokumente beantragen Personen aus dieser Kategorie über die Vertretung der Palästinensischen Behörde (Botschaft Palästinas in Syrien) in Damaskus die Ausstellung eines Reisedokuments durch die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah (ÖB 29.9.2020). Eine persönliche Vorsprache in Ramallah ist für die Ausstellung dieses Reisedokuments nicht erforderlich (ÖB 7.2019).

Einige in Syrien aufhältige Palästinenser brauchen für eine legale Ausreise aus Syrien eine Genehmigung und müssen sich zusätzlich einer weiteren Sicherheitskontrolle unterziehen, dies hängt jedoch wieder von ihrem rechtlichen Status in Syrien ab. Auch in der Türkei sind Einreisebeschränkungen für Palästinenser in Kraft (STDOK 8.2017).

Ein Palästinenser, der in Syrien bei UNRWA registriert ist und dann in ein anderes Land geht, das auch im Mandatsgebiet der UNRWA liegt (wie z.B. der Libanon), bleibt in Syrien registriert („registered“), wird aber z.B. im Libanon erfasst („recorded“) und hat dort Zugang zu UNRWA-Leistungen. UNRWA schränkt den Zugang zu UNRWA-Leistungen für Palästinenser aus anderen Staaten nicht ein, jedoch können die Staaten die Einreise von Palästinensern und somit deren Zugang zu UNRWA Leistungen in Nachbarstaaten einschränken (STDOK 8.2017).

Für Palästinenser ist es nicht nur schwieriger als für syrische Flüchtlinge in Nachbarländer einzureisen, sondern auch dort zu bleiben und einen legalen Aufenthaltsstatus beizubehalten und folglich Leistungen zu erhalten. Ohne legalen Aufenthaltsstatus ist es nicht möglich, eine Ehe zu registrieren, weshalb in weiterer Folge auch die Geburt eines Kindes aus dieser Ehe nicht registriert werden kann (STDOK 8.2017).

[Anm.: Für weitere Informationen zu Einreisemöglichkeiten in Nachbarländer siehe Abschnitt „Bewegungsfreiheit“]

Quellen:

             AJ - Al Jazeera (20.10.2018): How do Palestinians see the Syrian war?, https://www.aljazeera.com/indepth/opinion/palestinians-syrian-war-181016192358526.html, Zugriff 14.9.2020

             CIA - Central Intelligence Agency [US] (22.9.2021): The World Factbook, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/syria/#transnational-issues, Zugriff 30.9.2021

             IO A - International Organisation tätig in Syrien A (1.4.2019): Auskunft im Rahmen eines Interview in Damaskus

             MEE - Middle East Eye (20.2.2020): 'Poverty everywhere': Palestinians in Syria living in desperate conditions, https://www.middleeasteye.net/news/more-90-percent-palestinians-syria-living-absolute-poverty-says-unrwa, Zugriff 14.9.2020

             NOREF - Norwegian Centre for Conflict Resolution (24.1.2017): Syrian voices on the Syrian conflict: The plight of Palestinain refugees in Syria in the camps of south Damascus, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/d610abfb75fa0d03434f54b470799b32.pdf, Zugriff 14.9.2020

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Report_2019_07.pdf, Zugriff 17.8.2020

             SD - Syria Direct (4.3.2019): Displaced months ago, ‘undocumented’ Palestinians in Syria’s rebel-held northwest hope for end to civil status limbo, https://syriadirect.org/news/displaced-months-ago-%E2%80%98undocumented%E2%80%99-palestinians-in-syria%E2%80%99s-rebel-held-northwest-hope-for-end-to-civil-status-limbo/, Zugriff 14.9.2020

             STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

             UN - United Nations (14.3.2019): Palestine Refugees in Syria: A Tale of Devastation and Courage - UNRWA Commissioner-General Op Ed, https://www.un.org/unispal/document/palestine-refugees-in-syria-a-tale-of-devastation-and-courage-unrwa-commissioner-general-op-ed/, Zugriff 14.9.2020

             UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (2.12.2019): Syria Regional Crisis Response Progress Report, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/2019_syria_ea_progress_report_10_2019.pdf, Zugriff 14.9.2020

             UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (16.11.2019): Overwhelming vote to extend UNRWA mandate at United Nations fourth committee meeting, https://www.unrwa.org/newsroom/press-releases/overwhelming-vote-extend-unrwa-mandate-united-nations-fourth-committee, Zugriff 14.9.2020

             UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (5.12.2018): Syria Regional Crisis Response Progress Report, https://www.unrwa.org/sites/default/files/content/resources/2018_syria_crisis_progress_report_final_clean.pdf, Zugriff 14.9.2020

             UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (o.D. A): Syria Crisis, https://www.unrwa.org/syria-crisis, Zugriff 14.9.2020

             UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (o.D. B): Palestine Refugees, https://www.unrwa.org/palestine-refugees, Zugriff 14.9.2020

             UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (o.D. C): Where We Work - Syria, https://www.unrwa.org/where-we-work/syria, Zugriff 14.9.2020

             USAID - United States Agency for International Development [USA] (4.8.2017): Syria - Complex Emergency; Fact Sheet #7, Fiscal Year (FY) 2017, https://www.ecoi.net/file_upload/1788_1502486807_7.pdf, Zugriff 14.9.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Bewegungsfreiheit

Bewegungsfreiheit innerhalb Syriens

Letzte Änderung: 01.10.2021

Die Regierung, Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und andere bewaffnete Gruppen beschränken die Bewegungsfreiheit in Syrien und richteten Checkpoints zur Überwachung der Reisebewegungen in den von ihnen kontrollierten Gebieten ein (USDOS 30.3.2021).

Die Bewegungsfreiheit der syrischen Bevölkerung wird auch durch aktive Kampfhandlungen eingeschränkt (UNSC 23.10.2018), etwa durch Belagerungen, die auch zur Einschränkung der Versorgung der betroffenen Gebiete und damit zu Mangelernährung, Hunger und Todesfällen führen (USDOS 30.3.2021). Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2018 befinden sich jedoch weit weniger Gebiete unter Belagerung, nachdem die Regierung und sie unterstützende ausländische Einheiten die meisten Gebiete im Süden und Zentrum des Landes wieder unter ihre Kontrolle gebracht haben (SHRC 24.1.2019). Vom 24.6. bis zum 9.9.2021 wurde Dara'a al-Balad von der syrischen Regierung und russischen Streitkräften belagert. Die Hauptverbindungsstraßen zwischen Dara'a al-Balad, dem Teil von Dara'a, der noch unter der teilweisen Kontrolle der versöhnten Oppositionellen stand, und anderen Teilen der Stadt sowie zu den Außenbezirken wurden abgeschnitten (COAR 5.7.2021).

Durch die Wiedereroberung vormals von Rebellen gehaltener Gebiete durch die Regierung konnten manche wichtige Verkehrswege wieder eröffnet werden. Dies verbessert den Personen- und Warenverkehr in von der Regierung gehaltenen Gebieten. Die Bedingungen sind immer noch schwierig (Reuters 27.9.2018). Die Infrastruktur im Land hat unter den Kriegswirren erheblich gelitten. In den Städten und auf den Hauptverbindungsstraßen Syriens gibt es eine Vielzahl militärischer Kontrollposten der syrischen Sicherheitsbehörden und bewaffneter Milizen, die umfassende und häufig willkürliche Kontrollen durchführen, teils verbunden mit Forderungen nach Geldzahlungen. Überlandstraßen und Autobahnen sind zeitweise gesperrt. Reisen im Land ist durch Kampfhandlungen vielerorts weiterhin sehr gefährlich. Die komplexen militärischen Auseinandersetzungen betreffen weiterhin zahlreiche Städte und Regionen (AA 1.8.2021)

Die Fortbewegung in der Stadt Damaskus hat sich Berichten zufolge seit Mai 2018 und der damaligen Wiedereroberung von oppositionellen Gebieten durch die Regierung verbessert, da z.B. seither weniger Checkpoints in der Stadt betrieben werden. Die Checkpoints werden von den unterschiedlichen Sicherheitsbehörden bemannt. Personen können beim Passieren von Checkpoints genaueren Kontrollen unterliegen, wenn sie aus oppositionell-kontrollierten Gebieten stammen oder dort wohnen, oder auch wenn sie Verbindungen zu oppositionellen Gruppierungen haben. Männer im wehrfähigen Alter werden auch hinsichtlich des Status ihres Wehrdienstes gesondert überprüft. Auch eine Namensgleichheit mit einer gesuchten Person kann zu Problemen an Checkpoints führen (DIS/DRC 2.2019). Die Behandlung von Personen an einem Checkpoint kann sehr unterschiedlich (DIS 9.2019) bzw. recht willkürlich sein. Die fehlende Rechtssicherheit und die in Syrien im Verlauf des Konfliktes generell gestiegene Willkür verursacht auch Probleme an Checkpoints (FIS 14.12.2018). Laut Human Rights Watch wird Personen, die aus vom IS gehaltenen Gebieten flüchten, der Zutritt in kurdisch kontrollierte Gebiete verweigert, wenn diese keinen kurdischen Fürsprecher (Sponsor) vorweisen können (HRW 1.8.2018).

Teilen der syrischen Bevölkerung, speziell Rückkehrern und Menschen in Gebieten, die vom Regime zurückerobert wurden, fehlt weiterhin der Zugang zu für den persönlichen Alltag, Dienstleistungen und ihre Bewegungsfreiheit notwendigen Personal-und Personenstandsdokumenten (AA 19.5.2020).

Die vorherrschende Gewalt und starke kulturelle Zwänge schränken die Bewegungsfreiheit von Frauen in vielen Gebieten stark ein. In Gebieten, die von bewaffneten Oppositionsgruppen und terroristischen Gruppen wie der islamistischen Miliz Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrolliert werden, schränken diese ebenfalls die Bewegungsfreiheit ein. HTS griff systematisch in die Bewegungsfreiheit von Frauen ein, belästigte unbegleitete Frauen und verwehrte ihnen unter Androhung von Haft den Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen (USDOS 30.3.2021).

Anmerkung, Informationen zu Zugangsbeschränkungen zu Herkunftsgebieten siehe Kapitel „Rückkehr“.

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.8.2021): Syrien: Reisewarnung: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/syrien-node/syriensicherheit/204278, Zugriff 28.9.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020

             COAR - Center for Operational Analysis and Research (5.7.2021): Dar’a Siege: Russia Abouts Face, Amps up Pressure, https://coar-global.org/2021/07/05/dara-siege-russia-abouts-face-amps-up-pressure/, accessed 27.9.2021

             DIS - Danish Immigration Service [Dänemark] (9.2019): Syria - Access to Damascus Province for Individuals from Former Rebel-held Areas, https://www.ecoi.net/en/file/local/2017468/COI_report_Syria_Access+to+Damascus+Province_sept_2019.pdf, Zugriff 8.9.2020

             DIS/DRC - Danish Immigration Service [Dänemark] / Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_31012019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC, Zugriff 8.9.2020

             FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020

             HRW - Human Rights Watch (1.8.2018): Syria: Thousands of Displaced Confined to Camps, https://www.ecoi.net/en/document/1439887.html, Zugriff 8.9.2020

             Reuters (27.9.2018): Easier movement in Assad’s Syria brings some economic reward, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-economy-transpor/easier-movement-in-assads-syria-brings-some-economic-reward-idUSKCN1M71YD, Zugriff 8.9.2020

             SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 22.7.2020

             UNSC - United Nations Security Council (23.10.2018): Implementation of Security Council resolutions 2139 (2014), 2165 (2014), 2191 (2014), 2258 (2015), 2332 (2016), 2393 (2017) and 2401 (2018) [S/2018/947], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450109/1226_1542035101_n1833353.pdf, Zugriff 8.9.2020

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Ein- und Ausreise, Situation an Grenzübergängen

Letzte Änderung: 01.10.2021

Die syrische Regierung kann die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem von der Opposition dominierten geographischen Gebiet, verweigern. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum und schließt regelmäßig den Flughafen Damaskus und Grenzübergänge, angeblich aus Sicherheitsgründen (USDOS 30.3.2021).

Insbesondere in der Provinz Idlib ist die Lage weiterhin volatil und es kommt nach wie vor zu teils intensiven Kampfhandlungen. Flüchtlingsbewegungen finden in die angrenzenden Nachbarländer statt. Grenzen sind zum Teil für den Personenverkehr geschlossen bzw. können ohne Vorankündigung kurzfristig geschlossen werden und eine Ausreise aus Syrien unmöglich machen (AA 1.8.2021). Die Regierung verbietet durchgängig die Ausreise von Mitgliedern der Opposition. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Berichten zufolge verhängt das Regime Reiseverbote ohne Erklärung oder explizite Nennung der Dauer (USDOS 30.3.2021).

Minderjährige Kinder können nicht ohne schriftliche Genehmigung ihres Vaters ins Ausland reisen, selbst wenn sie sich in Begleitung ihrer Mutter befinden (STDOK 8.2017). Außerdem gibt es ein Gesetz, das Ehemännern erlaubt, ihren Ehefrauen das Reisen zu verbieten (USDOS 30.3.2021).

Einige in Syrien aufhältige Palästinenser brauchen für eine legale Ausreise aus Syrien eine Genehmigung und müssen sich zusätzlich einer weiteren Sicherheitskontrolle unterziehen, dies hängt jedoch von ihrem rechtlichen Status in Syrien ab (STDOK 8.2017).

Infolge der COVID-19-Pandemie wurden sowohl der Flughafen Damaskus als auch die Grenzen zu den Nachbarländern geschlossen. Innerhalb des Landes wurden mehrere Maßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung umgesetzt, darunter Ausgangssperren. Reisen zwischen den Provinzen wurde weitestgehend untersagt (AA 19.5.2020). Es gab jedoch bereits wieder Lockerungen, sowohl für Reisen in das Ausland, als auch bei der Einreise nach Syrien. Der Flugbetrieb am internationalen Flughafen in Damaskus wurde wieder aufgenommen (BMEIA 19.8.2020). Es kommt jedoch zu verstärkten Einreisekontrollen, Gesundheitsprüfungen und Einreisesperren (AA 19.8.2020). Die Reisebeschränkungen zwischen Städten und Umland wurden wieder aufgehoben (FES 7.2020).

Quellen:

             AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.8.2021): Syrien: Reisewarnung: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/syrien-node/syriensicherheit/204278, Zugriff 28.9.2021

             AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020

             BMEIA – Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (14.9.2020): Syrien - Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/syrien/, Zugriff 14.9.2020

             FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (7.2020): COVID-19 and the Syrian Regime, An Opportunity to tighten its authoriarian control over society, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/beirut/16329-20200708.pdf, Zugriff 14.9.2020

             STDOK – Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

             USDOS – United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

Binnenvertriebene (IDPs) und Flüchtlinge

Letzte Änderung: 01.10.2021

Binnenvertriebene (IDPs)

Im Jahr 2020 registrierte UNOCHA in Syrien rund 1,8 Millionen Binnenvertriebene. Ca. 450.000 Binnenvertriebene kehrten in diesem Jahr dagegen zurück (UNOCHA 8.2.2021). Insgesamt beläuft sich die Zahl der Binnenvertriebenen mit Stand 2020 auf 6,6 Millionen (CIA 22.9.2021). 1,8 Millionen Vertreibungen wurden im Jahr 2020 durch Konflikt und Gewalt verzeichnet (IDMC o.D.). Die meisten Binnenflüchtlinge suchen in Gastgemeinden, Sammelzentren, verlassenen Gebäuden oder informellen Lagern Schutz (USDOS 30.3.2021).

Die Verschiebung der Frontlinien und die daraus folgenden Veränderungen der Sicherheitslage führten zu mehrmaliger Vertreibung von Personen. IDPs verließen bei einem Rückgang der Gewalt [in einem Gebiet] ihre Unterkünfte und kehrten in ihre Heimat zurück, nur um dann erneut zu fliehen, nachdem die Kämpfe wieder eskalierten (IDMC o.D.).

Die Regierung verwendete weiterhin Gesetz Nr. 10, um regierungstreue Personen zu belohnen und Flüchtlinge und IDPs daran zu hindern, ihr Eigentum einzufordern oder in ihre Heimat zurückzukehren (USDOS 12.5.2021).

Flüchtlinge

Das syrische Gesetz bietet die Möglichkeit den Flüchtlingsstatus zu gewähren. Das Gesetz garantiert Flüchtlingen nicht explizit das Recht auf Arbeit, außer Palästinensern mit einem bestimmten rechtlichen Status. Die Regierung gewährt Nicht-Palästinensern selten Arbeitsgenehmigungen, und viele Geflüchtete finden im informellen Sektor Arbeit, z.B. als Wachpersonal, Bauarbeiter, Straßenhändler oder in anderen manuellen Berufen (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung gewährt irakischen Flüchtlingen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, wie Gesundheitsversorgung und Bildung, doch Aufenthaltsgenehmigungen sind nur für jene erhältlich, die legal einreisen und einen gültigen Pass haben. Diese Kriterien erfüllten nicht alle Flüchtlinge. Es wird geschätzt, dass sich 23.600 nicht-palästinensische Flüchtlinge in Syrien aufhalten. Diese sind mit wachsenden Risiken und verstärkten Sicherheitsmaßnahmen bei Checkpoints konfrontiert (USDOS 30.3.2021).

[Anm.: Weitere Informationen zur Rückkehr von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen siehe Kapitel „Rückkehr“. Für weitere Informationen zu palästinensischen Flüchtlingen in Syrien siehe Kapitel „Palästinensische Flüchtlinge“]

Quellen:

             CIA - Central Intelligence Agency [USA] (22.9.2021): The World Factbook: Syria - Transnational Issues, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/syria/#transnational-issues, Zugriff 1.10.2021

             IDMC - Internal Displacement Monitoring Centre (o.D.): Countries - Syria, http://www.internal-displacement.org/countries/syria, Zugriff 30.9.2021

             UNOCHA Turkey - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs Turkey (8.2.2021): Syrian Arab Republic: IDP movements and IDP spontaneous return movements Data, https://data.humdata.org/dataset/daa955d0-fb67-402b-ae3a-4552a889b5bb/resource/a5560639-fced-4198-a727-8e456a3391bf/download/idp-movements-and-idp-spontaneous-return-movements-data-dec-2020-toshare.xlsx, Zugriff 9.2.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2051586.html, Zugriff 10.6.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021
Grundversorgung und Wirtschaft

Letzte Änderung: 01.10.2021

Der seit 2011 andauernde Krieg in Syrien hat massive Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung, die Sicherheitslage und die humanitäre Lage im Land. Die Regierung Syriens sieht sich mit internationalen Sanktionen, einer breiten Zerstörung der Infrastruktur, geringen Devisenreserven, der weiterhin nicht vollständigen territorialen Kontrolle aller Landesteile, einer hohen Anzahl an Binnenflüchtlingen sowie der Präsenz kleinerer terroristischer Gruppen konfrontiert. Die im November 2018 und März 2019 erfolgte Verschärfung der US-Sanktionen und das Auslaufen der iranischen Kredite für Ölimporte 2018 führten zu einem massiven Versorgungsengpass an Öl (WKO 17.10.2019).

Landesweite Wirtschaftsindikatoren zeigen die Lage in Syrien jedoch nur unvollständig, da die Situation regional unterschiedlich ist und davon abhängt, unter wessen Kontrolle das jeweilige Gebiet steht (BS 29.4.2020). Auch basiert das Zahlenmaterial teils auf Schätzungen oder Statistiken, die regionale Unterschiede missachten, nicht flächendeckend sind oder zu Propagandazwecken veröffentlicht werden (WKO 10.2019). Die syrische Regierung kontrolliert den Zugang zu humanitärer Hilfe und die Sammlung von Daten (EIP 6.2019).

Währung und Inflation

Syriens Wirtschaftsleistung hat sich stark verschlechtert während des Konflikts und ist um mehr als 70% von 2010 bis 2017 gesunken (CIA 22.9.2021). Das Jahr 2020 erlebte einen besonders rapiden wirtschaftlichen Niedergang, vor allem in den vom Regime kontrollierten Gebieten. Auf den Märkten kam es zu Einschränkungen bei lebenswichtigen Produkten und einer enormen Preisinflation. Der Wert der syrischen Lira [auch "Pfund"] sank auf ein während des gesamten Krieges noch nie da gewesenes Niveau (SHRC 1.2021). Sie hatte seit Konfliktbeginn bis Ende 2020 bereits 97% ihres Wertes verloren – und allein von 2019 bis 2021 sogar 78% (TNH 28.6.2021, vergleiche WB 9.3.2021).

Lebensmittelpreise in Syrien haben 2021 einen Rekordwert erreicht, mit Preisen für Grundnahrungsmittel, die alleine im letzten Jahr um 251% gestiegen sind. Familien haben Schwierigkeiten, ihre Grundbedürfnisse nach Jahren des Konflikts zu stillen und ringen um ausreichend Nahrung (RW 17.2.2021). Der Nachrichtendienst des syrischen Regimes SANA gab an, dass sich der Preis für Dieselkraftstoff am 10.7.2021 verdreifacht und der Preis für Brot verdoppelt hat, ein paar Tage nachdem Damaskus eine 25%-ige Erhöhung des Benzinpreises ankündigte (DS 11.7.2021, vergleiche SO 12.7.2021, AJ 11.7.2021). Dieser Schritt ging einher mit einem von al-Assad erlassenen Dekret, das die Gehälter im öffentlichen Dienst um 50%, sowie das Mindesteinkommen von 19 auf 28 US-$ erhöht (SO 12.7.2021). Versorgungsengpässe halten an oder verschlimmern sich. Mit Stand Ende 2020 sind subventionierte Basisgüter nur in begrenztem Umfang über eine elektronische Karte zu beziehen, zuerst Benzin und Heizöl, dann Reis, Zucker, Tee und Speiseöl, zuletzt sogar Brot. Rücküberweisungen der syrischen Diaspora, die bisher eine wichtige Einnahmequelle darstellen, sinken. Die andauernde politische und wirtschaftliche Krise im benachbarten Libanon hemmt die Aussichten auf wirtschaftliche Erholung in Syrien zusätzlich, da auf umfangreiche syrische Vermögenswerte in libanesischen Banken nicht mehr zugegriffen werden kann und die Abwicklung von Importen nach Syrien über den Hafen und Finanzplatz Beirut auch weiterhin nur in begrenztem Maße möglich ist. Mitte 2020 führten die türkisch-kontrollierten Gebiete in Nordsyrien die türkische Lira als Währung ein, um das volatile syrische Pfund zu umgehen (AA 4.12.2020).

Die generelle Armut wird von UNOCHA auf etwa 90% geschätzt, mit einer Steigerung um 3-4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2019. Extreme Armut wird auf 55-65% geschätzt (UNOCHA 3.2021b).

Wasser- und Stromversorgung

Die Trinkwasser- und Stromversorgung ist vor allem in den umgekämpften Gebieten infolge gezielter Zerstörung vor allem in umkämpften Gebieten eingeschränkt. 15,5 Millionen Menschen benötigten 2019 dringend Zugang zu (Trink-)Wasser, Sanitär- und Hygieneeinrichtungen (2018: 12,1 Mio.). Insbesondere im Süden (Dara‘a, Quneitra) sowie im Norden (Idlib, Aleppo) ist die Bevölkerung in hohem Maße auf durch Lastwagen im Rahmen der humanitären Hilfe geliefertes Wasser angewiesen (AA 4.12.2020). Laut UNDP haben 70% der syrischen Bevölkerung keinen regulären Zugang zu sicherem Trinkwasser aufgrund von Wasserausfällen und der Zerstörung grundlegender Infrastruktur (UNDP o.D.).

In Gebieten im Nordwesten und Nordosten Syriens sowie Landesteilen mit einem hohen Anteil an Binnenvertriebenen ist die humanitäre Lage besonders angespannt. Die kritische Versorgungslage hat in Regionen mit einem besonders hohen Anteil Binnenvertriebener (z.B. Provinz Idlib, aber auch Zufluchtsorte in den Provinzen Homs, Damaskus, Lattakia und Tartous) darüber hinaus vereinzelt zu Ablehnung und Abweisung von Neuankömmlingen geführt, die als Konkurrenten in Bezug auf die ohnehin sehr knappen Ressourcen gesehen werden. Nach wie vor verhindert das Regime Hilfslieferungen über die Konfliktlinien in Oppositionsgebiete. Laut Angaben der Vereinten Nationen vom März 2021 benötigen 13,4 Mio. Menschen in Syrien humanitäre Hilfe. Dies stellt eine Steigerung von 21% gegenüber dem Jahr 2020 dar. Mehr als 90% der Bevölkerung leben Schätzungen zufolge unterhalb der Armutsgrenze (UNOCHA 3.2021b). Ausreichender humanitärer Zugang und Schutz der Zivilbevölkerung stellen weiter die größte Herausforderung dar. Das syrische Regime gewährt weiterhin keinen ausreichenden Zugang zu den zurückeroberten Gebieten. Insgesamt wurden im Februar und März 2020 nur 44% der humanitären Missionen, die einer Genehmigung des Regimes bedürfen, genehmigt (AA 19.5.2020).

Aufgrund der häufigen Ausfälle der Wasserstation Alouk, zuletzt Mitte Juli 2021 im türkisch kontrollierten Ras al-Ain im Norden Syriens, ist der Zugang zu Wasser in der Provinz al-Hassakah für bis zu einer Millionen Menschen sehr eingeschränkt, auch viele der vulnerabelsten vertriebenen Familien in Camps und informellen Siedlungen sind betroffen (RW 15.7.2021). Medienberichten zufolge erreicht außerdem die Verschmutzung wichtiger Gewässer ein kritisches Niveau. In vielen Gebieten ist das verschmutzte Wasser nicht mehr für den Konsum geeignet (COAR 31.5.2021).

In den letzten Monaten wurde im Nordosten auch die Stromversorgung beeinträchtigt unter anderem in Ras al-Ain, al-Hassakah, ar-Raqqa und Deir ez-Zour Stadt. Stromunterbrechungen sind für lebenswichtige zivile Infrastruktur, wie Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen essentiell (UNOCHA 15.7.2021). Regime-kontrollierte Gebiete erhalten nur zwei Stunden täglich Strom. In manchen Gebieten halten die Stromausfälle bis zu 48 Stunden an (COAR 5.7.2021). Die regenarme Saison, die zu Wasserknappheit und dürftiger Ernte geführt hat, hat in Nordsyrien bereits zu Spannungen geführt. Die Wasserknappheit verschlimmert sich durch den Einsatz von Wasserversorgung als Waffe durch die Konfliktparteien, besonders durch das Regime, die Autonome Administration und die Türkei, sowie durch das Missmanagement und die Überausbeutung des Grundwassers (COAR 5.7.2021).

Lebensmittelversorgung

Das Welternährungsprogramm gab im März 2021 bekannt, dass 12.4 Mio. Syrer, doppelt so viele wie noch im Jahr 2018, von Lebensmittelknappheit oder Hunger betroffen seien (BAMF 28.6.2021). 1,27 Millionen Syrer sind von „schwerer“ Ernährungsunsicherheit betroffen oder können nicht ohne Nahrungsmittelhilfe überleben, 600.000 Kinder sind chronisch unterernährt und 90.000 Kinder sind akut unterernährt (UNOCHA 3.2021a, vergleiche COAR 5.7.2021). Im Juli 2020 setzte die Russische Föderation für ihren Verbündeten Syrien durch, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen humanitäre Hilfslieferungen in den hauptsächlich von Rebellen kontrollierten Nordwesten des Landes nur mehr über einen Grenzübergang von der Türkei aus zu liefern (EN 12.7.2020). Der UN Sicherheitsrat beschloss am 9.7.2021 das Mandat für diesen Grenzübergang (Bab al-Hawa) von der Türkei nach Syrien zu verlängern, nachdem Russland in letzter Minute zugestimmt hatte. Dadurch wird der Zugang zu UN-Hilfsgütern für Millionen von Syrern weitere 12 Monate gewährleistet (DS 9.7.2021).

Die lange andauernden kriegerischen Handlungen führten auch zu einer Zerstörung der landwirtschaftlichen Infrastruktur. Die COVID-19-Krise hat dies noch weiter verschärft. Im Jahresverlauf 2020 ist die Zahl der Menschen, deren Ernährung nicht gesichert ist, dramatisch gestiegen. Zu den Gebieten mit der größten Ernährungsunsicherheit gehören Lattakia, Raqqa und Aleppo (UNFAO 13.8.2020). Anfang 2021 sind 12,4 Mio. Menschen in Syrien von Ernährungsunsicherheit betroffen (WFP 3.2021), eine Steigerung um 56% von 7.9 Millionen 2019 (UNOCHA 3.2021a). Vulnerable Bevölkerungsgruppen, darunter Vertriebene und Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand, sind einem größeren Risiko der Ernährungsunsicherheit ausgesetzt. Die Transportkosten sind im Allgemeinen um etwa 30% gestiegen, in abgelegenen Gebieten sogar noch stärker, was die Warenlieferungen an die Märkte beeinflusst (UNFAO 13.8.2020). Trotz der Brotkrise weigerte sich das Regime im Jahr 2020 oft, private Bäcker in Gebieten, die zuvor von der Opposition kontrolliert wurden, zuzulassen (USDOS 30.3.2021).

Die Syrische Regierung hat immer wieder humanitäre Hilfe als strategische Waffe eingesetzt um ihre Konfliktziele zu erreichen, wie zuletzt in der Belagerung von Dara’a Stadt zwischen 24.6. und 26.7.2021 (COAR 19.7.2021).

Infrastruktur

Vor dem Krieg betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Syriens 60 Milliarden US-Dollar (TE 28.6.2018). In Relation zum Vorkriegsniveau ist das BIP um etwa 65% zurückgegangen (CHH 26.9.2019). Unterschiedlichen Schätzungen zufolge könnten die Kosten des Wiederaufbaus bei 250 bis 400 Milliarden oder sogar einer Billion US-Dollar liegen (SWP 20.7.2020). Im Verlauf der bewaffneten Auseinandersetzungen ist Syriens Infrastruktur weitgehend zerstört worden. Dies betrifft vor allem den Energiesektor inklusive Öl- und Gasförderung sowie Elektrizitätswerke, Straßen und Transportwege sowie Wasser- und Abwasserversorgung. Zu massiven Schäden kam es ebenso beim Wohnungsbestand, bei Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie in der Landwirtschaft. Dabei sind die Kriegsschäden sehr ungleich verteilt. Schwere Zerstörungen gibt es vor allem in jenen Gebieten, die teils jahrelang umkämpft waren und die durch das Regime und seine Verbündeten von den Rebellen oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) zurückerobert wurden. Insbesondere gilt das für die östlichen Vororte von Damaskus, für Yarmouk, ein Flüchtlingscamp am Südrand der Hauptstadt, ebenso für Ost-Aleppo, Raqqa, Homs und Hama. Vor allem in den (vormals) umkämpften Orten ist die Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen, Schulbildung, Trinkwasser und Elektrizität erheblich eingeschränkt (SWP 7.4.2020).

Die syrische Regierung bemüht sich den Wiederaufbau voranzutreiben, doch kann dieser im Hinblick auf die Dimension der Zerstörung im Land im Moment nur als sehr eingeschränkt und sehr punktuell bezeichnet werden. Die Ankündigung von Projekten dient demnach eher der internen Propaganda bzw. dem Versuch, vor allem in Gebieten, in denen die syrische Regierung erst seit Kurzem wieder die Kontrolle erlangt hat, ein politisches Signal zu senden und die Präsenz des Staates zu bekräftigen (WKO 10.2019). Erhebliche Teile bestimmter Städte wurden durch den Konflikt teils stark zerstört und sind auch mittel- bis langfristig nicht bewohnbar, wie z.B. Teile von Homs, Ost-Aleppo, Raqqa, die Vororte von Damaskus, Deir ez-Zour, Dara‘a und Idlib. Im vom sogenannten IS befreiten Raqqa ist das Ausmaß der Zerstörung sehr hoch, hinzu kommt die immense Kontaminierung durch nicht explodierte Munition und IS-Sprengfallen. Am wenigsten vom Konflikt betroffen sind neben dem Stadtzentrum der Hauptstadt Damaskus die Hafenstädte Tartous und Lattakia (AA 4.12.2020). Vor allem im westlichen Teil des Landes ist aufgrund der weiterhin vorhandenen Strukturen und neu angesiedelter Industriebetriebe eine stärkere wirtschaftliche Entwicklung zu beobachten. Von einer Normalisierung der Wirtschaft ist man nach wie vor jedoch weit entfernt (WKO 10.2019).

Die Stadt Damaskus erstreckt sich über eine große Fläche und der Beschädigungsgrad variiert stark. Es gibt Stadtteile, die dem Erdboden gleichgemacht wurden, andere weisen klare Spuren des Krieges auf und wiederum andere sehen mit Ausnahme der Checkpoints und der starken Militärpräsenz so aus wie vor dem Krieg (WKO 11.2018).

Einkommen und Arbeitslosigkeit

Durch den Bürgerkrieg haben sich bestehende Einkommens- und Vermögensungleichheiten verschärft, indem gleichzeitig große Teile der Bevölkerung in die Armut getrieben und die Konsolidierung einer wohlhabenden Wirtschaftselite in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ermöglicht wurde. Die Mittelschicht ist landesweit verschwunden. Es zeichnet sich ein Muster der Ungleichheit innerhalb der von der Regierung kontrollierten Gebiete ab: Ehemals von der Opposition kontrollierte Gebiete sind anfälliger für die Verletzung ihrer wirtschaftlichen Freiheiten (durch Plünderungen und Einschüchterungen) und haben weniger Chancen, von Wiederaufbaugeldern zu profitieren. Die Entwicklungsungleichheit folgt zunehmend der historischen Loyalität einer Region gegenüber dem Regime Assads und nicht mehr dem ethnischen oder religiösen Status (BS 29.4.2020).

Der Zugang zu Sozialleistungen wird häufig durch die geografische Lage und die politische Kontrolle bestimmt. In den von der Regierung kontrollierten Gebieten waren bestimmte Sozialleistungen eine wichtige Stütze für die "Leistungsfähigkeit des Staates", vor allem der fortgesetzte Zugang zu subventioniertem Brot. Das Regime versucht jedoch auch, den Zugang zu Sozialleistungen in Rebellengebieten zu verhindern. Dies geschieht häufig durch die Ausbeutung von Hilfslieferungen an Checkpoints durch Regimekräfte sowie durch andere bewaffnete Gruppen. Mangelnde Überwachung bedingt außerdem, dass die Hilfe, selbst wenn sie die betroffenen Gebiete erreicht, oft nach politischen Loyalitäten oder familiären Bindungen verteilt wird. Die Regierung verlässt sich zunehmend auf Wohltätigkeitsverbände bei der Vergabe von Sozialleistungen und Unterstützungen (BS 29.4.2020).

Mit dem Abflauen des Konflikts dominiert die katastrophale wirtschaftliche Lage und die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten die öffentliche Wahrnehmung und Kritik, auch seitens bisher regierungsloyaler Bevölkerungsgruppen (ÖB 29.9.2020). Wirtschaftliche Verluste führten zum Verlust von Arbeitsplätzen. Inzwischen gehen laut GIZ drei von vier Erwachsenen keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach (GIZ 9.2020). Das deutsche Auswärtige Amt berichtet hingegen, dass 50% der arbeitsfähigen Bevölkerung arbeitslos sind (AA 4.12.2020). Der Think Tank Middle East Institute berichtete schon 2018, dass es in Damaskus immer schwieriger wird ohne Beziehungen (wasta) eine Arbeitsmöglichkeit zu finden (MEI 6.11.2018). Aufgrund von Treibstoffknappheit verteuern sich auch viele Grundprodukte, und die Preise öffentlicher Verkehrsmittel erhöhten sich teilweise um bis zu 200%, sodass für viele Menschen der Weg zur Arbeit inzwischen teurer ist als ihr Gehalt (AA 4.12.2020).

Internationale Sanktionen, große strukturelle Schäden, der verringerte Konsum und die geminderte Produktion, reduzierte Subventionen und die hohe Inflation senken unter anderem den Wert des syrischen Pfunds und die Kaufkraft privater Haushalte (CIA 16.7.2021; vergleiche TS 22.1.2020). Im Jänner 2020 erließ Assad ein Dekret, wonach das syrische Pfund bei geschäftlichen Transaktionen als Währung zwingend vorgeschrieben ist. Geschäfte mit ausländischen Währungen werden mit bis zu sieben Jahren Zwangsarbeit bestraft (TS 22.1.2020).

Das Operations and Policy Center veröffentlichte Daten, die daraufhin deuten, dass obwohl Menschen in Damaskus eine der längsten Arbeitswochen der Welt haben, ihre Ausgaben unter die globale Armutsgrenze fallen. Ein großer Teil der Menschen in Damaskus (und in Wirklichkeit ganz Syriens) sind auf externe Einkommensquellen angewiesen, um sich zu versorgen. Ein Viertel der im Rahmen des OPC Bericht Befragten gaben an, dass Überweisungen aus dem Ausland eine Haupteinkommensquelle sind, während 41% auf Bargeldzahlungen von Hilfsorganisationen angewiesen sind (OPC 22.6.2021).

Außerhalb von Damaskus übersteigt der durchschnittliche Lebensmittelpreis die Preise in der Hauptstadt um ein Vielfaches, aber auch in Damaskus und den Gouvernements Lattakia und Tartous hat sich die Versorgungslage aufgrund der Wirtschaftskrise wieder deutlich verschlechtert. Der Zugang zu Wasser, Elektrizität, Bildung und gesundheitlicher Versorgung ist dort grundlegend gewährleistet. Doch auch dort sind Teile der Bevölkerung, vor allem Binnenvertriebene und vulnerable Aufnahmegemeinden in den ländlichen Gegenden, weiterhin von Lebensmittelhilfe abhängig (AA 4.12.2020).

In Damaskus haben sich fast eine Million Binnenvertriebene vorübergehend oder dauerhaft niedergelassen, während ein großer Teil der Wohnhäuser am ehemals von den Rebellen gehaltenen östlichen und südlichen Stadtrand zerstört ist (Wind/Ibrahim 2.2020). Die Nachfrage nach Wohnraum ist enorm, während das Angebot auf dem Wohnungsmarkt begrenzt ist. Neue Stadtentwicklungsprojekte sind luxuriös und unerschwinglich für Familien, die ihr Zuhause aufgrund des Krieges verloren haben. Daher hat der informelle Wohnungsbau am südlichen und nördlichen Rand der Stadt stark zugenommen (Wind/Ibrahim 2.2020; vergleiche ST 21.6.2020). Aufgrund der Abwertung des syrischen Pfunds sind die Wohnungspreise im Laufe des Jahres 2020 stark gestiegen (ST 21.6.2020).

Wohnen und Bildung

Das umstrittene Gesetz Nr. 10, das im April 2018 in Kraft trat, sieht vor, dass örtliche Behörden die Kontrolle über ausgewiesene Gebiete für den Wiederaufbau übernehmen und auch Enteignungen vornehmen können. Die Eigentümer werden innerhalb einer einmonatigen Ankündigungsfrist verständigt und haben dann ein Jahr Zeit, ihre Eigentumsansprüche einzubringen, damit sie Anspruch auf Kompensation (auch Eigentumsansprüche auf neu errichtete Wohneinheiten auf ihren Grundstücken) erheben können. Anvisierte Bezirke oder Gebiete waren mehrheitlich in der Hand der Rebellen. De facto stellt dies auch eine Enteignung jener Flüchtlinge dar, die wegen der Angst vor politischer Verfolgung oder anderer Gründe, nicht nach Syrien zurückkehren können, um ihre Ansprüche anzumelden (WKO 10.2019). Informelle Siedler werden verdrängt und erhalten nur begrenzte Entschädigungen, während die ehemaligen formellen Grundeigentümer nur begrenzte Möglichkeiten haben, von der Wertsteigerung zu profitieren (Wind/Ibrahim 2.2020).

Besonders gravierende Langzeitfolgen hat der Konflikt unter anderem im Bildungsbereich. Durch Flucht und Vertreibung ist ein dramatischer Verlust an Lehrkräften entstanden (SWP 7.4.2020). In Etwa drei Millionen Kinder in Syrien haben keinen Zugang zu Schulbildung und etwa ein Drittel der Schulgebäude sind nicht in Betrieb (SHRC 1.2021). In Gebieten, die zuvor unter Kontrolle des sogenannten Islamischen Staates (IS) standen und von den Syrian Democratic Forces (SDF) wiedererobert wurden, konnten Schulen wiedereröffnet werden. Viele der Schulen benötigen jedoch noch umfangreiche Reparaturen und müssen von explosiven Kampfmittelrückständen gesäubert werden (USDOS 30.3.2021).

Anmerkung, Zur wachsenden Bedeutung religiöser Stiftungen für die Grundversorgung siehe Kapitel "Religionsfreiheit".

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020

             AJ - Al Jazeera (11.7.2021): Syrian government announces steep rise in bread, diesel prices, https://www.aljazeera.com/news/2021/7/11/syria-government-raises-bread-diesel-prices-as-crisis-deepens, Zugriff 27.7.2021

             BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (28.6.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw26-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 16.8.2021

             BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report – Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 19.8.2020

             CHH - Chatham House (26.9.2019): The Syrian Pound Signals Economic Deterioration, https://www.chathamhouse.org/expert/comment/syrian-pound-signals-economic-deterioration, Zugriff 7.10.2020

             CIA - Central Intelligence Agency [USA] (22.9.2021): The World Factbook: Syria, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/syria/#transnational-issues, Zugriff 30.9.2021

             COAR - Center for Operational Analysis and Research (19.7.2021): https://coar-global.org/2021/07/19/spotlight-on-aid-sector-wages-as-damascus-increases-salaries/, Zugriff 30.7.2021

             COAR - Center for Operational Analysis and Research (5.7.2021): Dar’a Siege: Russia Abouts Face, Amps up Pressure, https://coar-global.org/2021/07/05/dara-siege-russia-abouts-face-amps-up-pressure/, Zugriff 30.7.2021

             COAR - Center for Operational Analysis and Research (31.5.2021): Syria Update - Vol 4 - No.21, https://coar-global.org/wp-content/uploads/2021/05/Syria-Update-31-May-2021-1.pdf, Zugriff 10.6.2021

             DS - Daily Star (11.7.2021): Syria govt raises bread, diesel prices as crisis deepens https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2021/Jul-11/521730-syria-govt-raises-bread-diesel-prices-as-crisis-deepens.ashx, Zugriff 27.7.2021

             DS - Daily Star (9.7.2021): U.N. Security Council extends Syria cross-border aid for 12 months, https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2021/Jul-09/521703-un-security-council-extends-syria-cross-border-aid-for-12-months.ashx, Zugriff 12.7.2021

             EIP - European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018602/EIP+Report+-+Security+and+Refugee+Return+in+Syria+-+July.pdf, Zugriff 27.10.2020

             EN - Euronews (12.7.2020): UN limits aid to Syria's rebel area after Russia opposes dual routes, https://www.euronews.com/2020/07/12/un-limits-aid-to-syria-s-rebel-area-after-russia-opposes-dual-routes, Zugriff 7.10.2020

             GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): LIPortal – Das Länder-Informations-Portal Syrien – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/syrien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 7.10.2020 [Der Link ist nicht mehr Zugänglich, die Daten sind bei der Staatendokumentation jedoch archiviert und abrufbar]

             MEI - Middle East Institute (6.11.2018): Syria's war economy exacerbates divide between rich and poor, https://www.mei.edu/publications/syrias-war-economy-exacerbates-divide-between-rich-and-poor, Zugriff 7.10.2020

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

             OPC - Operation and Policy Center (22.6.2021): Living in Damascus After a Decade of War: Employment, Income, and Consumption, https://opc.center/living-in-damascus-after-a-decade-of-war-employment-income-and-consumption/, Zugriff: 11.8.2021

             RW - Relief Web (15.7.2021): Up to 1 million people at risk due to severe interruptions to Alouk Water Station [EN/AR], https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/1-million-people-risk-due-severe-interruptions-alouk-water-station-enar, Zugriff 27.7.2021

             RW - Relief Web (17.2.2021): Twelve million Syrians now in the grip of hunger, worn down by conflict and soaring food prices, https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/twelve-million-syrians-now-grip-hunger-worn-down-conflict-and-soaring, Zugriff 29.7.2021

             SHRC - Syrian Human Rights Committee (1.2021): The 19th Annual Report on Human Rights in Syria 2020, https://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2021/01/SHRC-English-report_20210112.pdf, Zugriff 29.1.2021

             SO - The Syrian Observer (12.7.2021): Government Raises Salaries, Doubles Bread, Diesel Prices, https://syrianobserver.com/news/67899/government-raises-salaries-doubles-bread-diesel-prices.html, Zugriff 27.7.2021

             ST - The Syria Times (21.6.2020): Real Estate Sector in Damascus, http://syriatimes.sy/index.php/economy/49312-real-estate-sector-in-damascus, Zugriff 7.10.2020

             SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (20.7.2020): Reconstruction in Syria – Challenges and Policy Options for the EU and its Member States, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2020RP11/, Zugriff 7.10.2020

             TE - The Economist (28.6.2018): The Future of Syria – How a victorious Bashar al-Assad is changing Syria, verfügbar über Abonnement über https://www.economist.com/middle-east-and-africa/2018/06/28/how-a-victorious-bashar-al-assad-is-changing-syria, Zugriff 9.10.2020

             TNH - The New Humanitarian (28.6.2021): https://www.thenewhumanitarian.org/news-feature/2021/6/28/syrians-return-to-camps-seeking-aid-as-economic-crash-bites, Zugriff 23.7.2021

             TS - der Tagesspiegel (22.1.2020): In Syrien schießen die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe, https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/waehrungskrise-in-syrien-schiessen-die-preise-fuer-grundnahrungsmittel-in-die-hoehe/25462100.html, Zugriff 7.10.2020

             UNDP - United Nations Development Programme (o.D.): Goal 6: Clean water and sanitation, https://www.sy.undp.org/content/syria/en/home/sustainable-development-goals/goal-6-clean-water-and-sanitation.html, Zugriff 27.7.2021

             UNFAO - United Nations Food and Agriculture Organization (13.8.2020): Syrian Arab Republic – Revised humanitarian response (May–December 2020), http://www.fao.org/3/cb0197en/CB0197EN.pdf, Zugriff 7.10.2020

             UNICEF - United Nations Children’s Fund (8.2019): Syria Crisis Fast Facts, https://www.unicef.org/mena/reports/syria-crisis-fast-facts, Zugriff 7.10.2020

             UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (15.7.2021): Up to 1 million people at risk due to severe interruptions to Alouk Water Station [EN/AR], https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/1-million-people-risk-due-severe-interruptions-alouk-water-station-enar, Zugriff 30.9.2021

             UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (3.2021a): Humanitarian Needs Overview – Syrian Arab Republic, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/syria_2021_humanitarian_needs_overview.pdf, Zugriff 11.6.2021

             UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (3.2021b): Syrian Arab Republic - 2021 Needs and Response Summary, https://www.unocha.org/sites/unocha/files/2021%20Needs%20and%20Response%20Summary.pdf, Zugriff 27.7.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

             WB - World Bank (9.3.2021): The World Bank In Syrian Arab Republic, https://www.worldbank.org/en/country/syria/overview, Zugriff 23.7.2021

             WFP - World Food Programme (3.2021): WFP Syria – Country Brief, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/2021%2003%20Syria%20Country%20Brief.pdf, Zugriff 11.6.2021

             Wind/Ibrahim (2.2020): The war-time urban development of Damascus: How the geography- and political economy of warfare affects housing patterns, https://reader.elsevier.com/reader/sd/pii/S0197397519309464?token=4FB011B37ACF6F0E0BB83ADE1C5188CC00BFF745373F67726E8D9734B448F398B978C10C56523EAF05D294608C7D8E5C&originRegion=eu-west-1&originCreation=20211001070801, Zugriff 1.10.2021

             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (17.10.2019): Syrien: Informationen zu Wirtschaft, Recht und Steuern sowie Reisen, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/syrien-wirtschaft-recht-steuern-reisen.html, Zugriff 7.10.2020

             WKO - Wirtschaftskammer Österreich – Außenwirtschaftscenter Amman (10.2019): Wirtschaftsbericht Syrien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/syrien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 7.10.2020

             WKO - Wirtschaftskammer Österreich – Außenwirtschaftscenter Amman (11.2018): Außenwirtschaft: Update Syrien, Zugriff 1.3.2019, verfügbar bei der Staatendokumentation

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 01.10.2021

Der Gesundheitsbedarf in Syrien ist bereits jetzt erheblich. Tausende von Kindern leiden an schwerer Unterernährung. Tausende weitere leiden an Krebs, Diabetes und anderen chronischen Erkrankungen, für die es nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten gibt. Im Jahr 2021 benötigen mehr als 12,4 Millionen Menschen (bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von 20 Millionen) medizinische Hilfe (WHO 2.2021). Einer Studie zufolge leiden 60% der syrischen Bevölkerung an Symptomen, die auf eine mittelschwere bis schwere psychische Störung hindeuten. Schätzungen zufolge leiden 1 Million Syrer an schweren psychiatrischen Störungen, wobei 2018 nur 80 Psychiater in syrischen Gebieten tätig waren (1 pro 100.000 Einwohner) (BJPSYCH 8.2021).

Die verfügbaren Daten für nicht-COVID-bezogene Krankheiten zeigen, dass grippeähnliche Erkrankungen, akute Diarrhöe, Leishmaniose und Verdacht auf Hepatitis in allen Altersgruppen die Hauptursachen für Morbidität sind. Dies gilt insbesondere für Vertriebenenlager, in denen die Indikatoren für den Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygienediensten durchweg schlechter sind als in den einheimischen und aufnehmenden Gemeinden. Vertriebene sind aufgrund des eingeschränkten Zugangs zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen, Überbevölkerung und anderen Risikofaktoren einem erhöhten Risiko von Infektionskrankheiten ausgesetzt. Menschen mit Behinderungen (27% alle Arten) benötigen Rehabilitations- und Hilfsdienste. Die grundlegende Infrastruktur des Gesundheitswesens, wie Krankenhäuser und Gesundheitszentren, ist in einem baufälligen Zustand und erfordert umfangreiche Instandhaltungs- und Sanierungsarbeiten, um ein Mindestmaß an Dienstleistungen zu gewährleisten (WHO 3.2021).

Die medizinische Infrastruktur Syriens ist in den vergangenen Jahren größtenteils von Luftangriffen der eigenen Regierung und Russlands zerstört worden (bpb 18.6.2020; vergleiche SWP 7.4.2020). Das syrische Regime und seine Verbündeten zielten im Verlauf des Konfliktes klar und bewusst auf den medizinischen Sektor und die Notfallrettung ab und zogen es sogar vor, diese anstelle von Hauptquartieren bewaffneter Gruppierungen, einschließlich der als terroristisch eingestuften, ins Visier zu nehmen. Solche Angriffe stellen eine der wichtigsten militärischen Strategien des syrischen Regimes und seiner Anhänger dar (SHRC 1.2020; vergleiche AI 11.5.2020, NYT 3.6.2019, BS 29.4.2020). Im Jahr 2020 wurde von der Menschenrechtsorganisation Syrian Human Rights Committee verglichen mit früheren Jahren ein merkbarer Rückgang der Angriffe auf den medizinischen Sektor und die Notfallrettung dokumentiert (SHRC 1.2021). Jedoch beschädigten und zerstörten die syrische Regierung und die verbündeten russischen Streitkräfte während der Militäroffensive zur Rückeroberung von Idlib zwischen April 2019 und März 2020 mindestens 77 Gesundheitseinrichtungen bei Luftangriffen, die von der UN-Untersuchungskommission für Syrien als wahllos bezeichnet wurden und zu einer weitreichenden Zerstörung der zivilen Infrastruktur führten (SHCC 5.2021, vergleiche USDOS 3.2021). Diese Luftangriffe zerstörten Krankenhäuser, Unterkünfte, Märkte, Wohnhäuser und andere wichtige zivile Einrichtungen, beschädigten medizinische Vorräte und Ausrüstung und legten lebenswichtige Gesundheitsnetzwerke lahm; sie folgten einem gut dokumentierten Muster von Angriffen mit schwerwiegenden humanitären und zivilen Auswirkungen (USDOS 3.2021).

Physicians for Human Rights (PHR) hat während des Konflikts in Syrien Angriffe auf medizinische Einrichtungen und medizinisches Personal dokumentiert und 600 Angriffe auf medizinische Einrichtungen verifiziert. Syrische Regierungstruppen und ihre Verbündeten haben 90 Prozent der Angriffe verübt. Diese Angriffe haben medizinische Einrichtungen in tödliche Orte verwandelt, sowohl für das medizinische Personal als auch für die Patienten, und den Gesundheitssektor im ganzen Land dezimiert (PHR 1.7.2021). In den von der Regierung kontrollierten Gebieten wurden Mitarbeiter des Gesundheitswesens von den Kräften des syrischen Regimes systematisch inhaftiert und gefoltert, häufig wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Bereitstellung von Gesundheitsdiensten für Menschen in von der Opposition kontrollierten Gebieten (USDOS 3.2021). Die syrische Regierung betrachtet medizinisches Personal als Staatsfeinde, wenn dieses diskriminierungsfrei medizinische Versorgung in Gebieten, die außerhalb der Regierungskontrolle liegen anbieten (NMFA 5.2020). Nach Angaben des Syrischen Netzwerks für Menschenrechte wurden zwischen März 2011 und Februar 2021 mindestens 3.364 Beschäftigte des Gesundheitswesens festgenommen, inhaftiert oder verschwanden gewaltsam, wobei die syrischen Regimekräfte für 99% dieser Festnahmen und des gewaltsamen Verschwindenlassens verantwortlich waren (USDOS 3.2021).

Laut der Weltgesundheitsorganisation wurden mit Dezember 2020 von den 1.790 bewerteten öffentlichen Gesundheitszentren 47% (842) als voll funktionsfähig, 21% (373) als teilweise funktionsfähig und 32% (575) als nicht funktionsfähig (völlig außer Betrieb) gemeldet (WHO 3.2021). Notfalltransporte sind durch einen Mangel an Krankenwagen stark beeinträchtigt, circa 40% der Ambulanzfahrzeuge sind beschädigt oder zerstört. Laut WHO können komplexere Operationen und spezialisierte Behandlungen chronischer Krankheiten derzeit ausschließlich in Damaskus oder den Küstenorten Tartous und Lattakia durchgeführt werden. In Raqqa kann derzeit lediglich ein von Ärzte ohne Grenzen betriebenes Feldkrankenhaus außerhalb der Stadt genutzt werden. Die medizinische Versorgung in von der Opposition gehaltenen Gebieten wird weitestgehend von NGOs geleistet. Humanitäre Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft zur Sicherstellung einer Basisgesundheitsversorgung der Menschen, die in nicht vom syrischen Regime kontrollierten Gebieten leben, werden von diesem gezielt behindert bzw. verhindert (AA 4.12.2020). Neun von zehn Patienten in Damaskus kommen aus anderen Provinzen, um Gesundheitsversorgung zu erhalten. Aufgrund des hohen Bedarfs ist das Gesundheitswesen überlastet. Zum Beispiel müssen sich Verwandte an der Pflege von Kindern in der Notfallversorgung beteiligen, da das medizinische Personal nicht über ausreichende Ressourcen verfügt und die Krankenhäuser überbelegt sind. Eine Mitarbeiterin einer internationalen Organisation in Damaskus berichtete, dass in der Kinder-Notbetreuung fünf Kinder in einem Bett liegen (IO C 2.4.2019). Ansteckende Krankheiten wie Polio treten wieder auf (AA 4.12.2020).

25% der Über-12-Jährigen in Syrien haben eine Beeinträchtigung und 36% der Binnenvertriebenen. 50% der Binnenvertriebenen zwischen zwölf und 23 Jahren mit Beeinträchtigung besuchen die Schule im Vergleich zu 69% der Binnenvertriebenen ohne Beeinträchtigung (HNAP 7.4.2021). Frauen und Menschen mit Beeinträchtigung scheinen im Nordwesten stärker betroffen zu sein, wo mehr als die Hälfte der Frauen und mehr als 40% der Menschen mit Beeinträchtigung von einem Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten sprechen, im Vergleich zu etwas mehr als 35% der Frauen und fast 20% der Menschen mit Beeinträchtigung im Nordosten (USAID 16.04.2021).

Zur komplexen Lage kam im Frühjahr 2020 die Herausforderung durch COVID-19. Die wenigen verbliebenen funktionsfähigen Krankenhäuser verfügen über eine mangelnde Ausstattung an Geräten, Medizin und Personal (bpb 18.6.2020).

Siehe hierzu auch Kapitel „COVID-19“

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AI - Amnesty International (11.5.2020): ‘Nowhere is safe for us’: Unlawful attacks and mass displacement in north-west Syria [MDE 24/2089/2020], https://www.ecoi.net/en/file/local/2029602/MDE2420892020ENGLISH.PDF, Zugriff 14.9.2020

             bpb - Bundeszentrale für Politische Bildung [Wieland, Carsten] (18.6.2020): Dossier Innerstaatliche Konflikte - Syrien, https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54705/syrien, Zugriff 20.8.2021

             BJPSYCH - British Journal for Psychiatry (8.2021): Psychological health problems among Syrians during war and the COVID-19 pandemic: national survey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2058240/psychological_health_problems_among_syrians_during_war_and_the_covid19_pandemic_national_survey.pdf, Zugriff 20.8.2021

             BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 19.8.2020

             HNAP - Humanitarian Needs Assessment Programme, veröffentlicht von UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Humanitarian Needs Assessment Programme (HNAP) (7.4.2021): Syrian Arab Republic: Disability Prevalence and Impact - IDP Report Series Fall 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2048771/DISABILITY+PREVALENCE+AND+IMPACT+-+IDP+Report+Series+Fall+2020.pdf, Zugriff 25.8.2021

             WHO - World Health Organization, Health Cluster (2.2021): HEALTH SECTOR BULLETIN, https://www.who.int/health-cluster/countries/syria/Syria-HS-Bulletin-Feb-2021.pdf?ua=1, Zugriff 20.8.2021

             IO C - Internationale Organisation tätig in Syrien C (1.4.2019): Auskunft im Rahmen eines Interviews in Damaskus

             NYT - New York Times (3.6.2019): In Syria, Even the Hospitals Are Not Safe, https://www.nytimes.com/2019/06/03/opinion/syria-assad-hospitals.html, Zugriff 7.10.2020

             PHR - Physicians For Human Rights (1.7.2021 ): No Place römisch eins s Safe for Health Care, file:///tmp/Al-Atareb-Hospital-Attack-Case-Study-FINAL-July-2021-1.pdf, Zugriff 23.8.2021

             SHCC - Safeguarding Health in Conflict Coalition (5.2021): No Respite: Violence Against or Obstruction of Health Care in Syria in 2020, http://insecurityinsight.org/wp-content/uploads/2021/05/2021-SHCC-Syria.pdf, Zugriff 23.8.2021

             SHRC - Syrian Human Rights Committee (1.2021): The 19th Annual Report on Human Rights in Syria 2020, https://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2021/01/SHRC-English-report_20210112.pdf, Zugriff 23.8.2021

             SHRC - Syrian Human Rights Committee (1.2020): The 18th Annual Report on Human Rights in Syria 2019, https://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2020/01/20200106-English_web.pdf, Zugriff 23.8.2021

             SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (20.7.2020): Reconstruction in Syria - Challenges and Policy Options for the EU and its Member States, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2020RP11/, accessed 7.10.2020

             USAID - US Agency for International Development (16.4.2021): COVID-19 Situation Analysis, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Final%20Version_COVID19%20Syiran%20Situation%20Analysis%20Report_%20April%202021.pdf, Zugriff 25.8.2021

             WHO - World Health Organization (3.2021): WHO Emergency Appeal, March - 2021, Syrian Arab Republic, http://www.emro.who.int/images/stories/syria/2021-whole-of-syria-appeal.pdf?ua=1, Zugriff 23.8.2021

             WHO - World Health Organization (2020c): HeRAMS BiAnnual Report January - June 2020: Public Health Centres in the Syrian Arab republic, https://applications.emro.who.int/docs/syr/EMRLIBSYR257E-eng.pdf?ua=1, Zugriff 9.2.2021

             WHO - World Health Organization (2020d): HeRAMS Bi-Annual Report January - June 2020: Public Hospitals in the Syrian Arab Republic, https://applications.emro.who.int/docs/syr/EMRLIBSYR258E-eng.pdf?ua=1, Zugriff 9.2.2021

Rückkehr

Letzte Änderung: 01.10.2021

In den letzten drei Jahren sind die Kämpfe in Syrien insgesamt zurückgegangen, wobei die Regierung ihre Gewinne konsolidiert hat und 2021 mehr als 70 % des Gebiets kontrolliert. Die syrische Regierung hat daher Flüchtlinge öffentlich zur Rückkehr ermutigt. Nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sind die Voraussetzungen für eine umfassende Rückkehr der Flüchtlinge nach Syrien in Sicherheit und Würde jedoch nach wie vor nicht erfüllt, da in ganz Syrien weiterhin erhebliche Sicherheitsrisiken für die Zivilbevölkerung bestehen (AA 4.12.2020, UNHCR 3.2021).

Der Bericht der UN-Untersuchungskommission für Syrien betonte vor Kurzem, dass das Wiederaufflammen der Kämpfe und die Rückkehr zur Gewalt Anlass zur Sorge sind. Die willkürliche Inhaftierung und die Inhaftierung in Isolationshaft durch die Regierungstruppen halten unvermindert an. Die Kommission hat weiterhin nicht nur Folter und sexuelle Gewalt in der Haft, sondern auch Todesfälle in der Haft und das Verschwindenlassen von Personen dokumentiert. Darüber hinaus hat sich die wirtschaftliche Lage in Syrien rapide verschlechtert, so dass die Brotpreise in die Höhe geschnellt sind und die Ernährungsunsicherheit im Vergleich zum letzten Jahr um mehr als 50% zugenommen hat. In den letzten Monaten haben die Kämpfe und die Gewalt sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zugenommen (UNHRC 14.9.2021).

Einem 2021 veröffentlichten Bericht von Amnesty International zufolge betrachten die syrischen Behörden Personen, die das Land verlassen haben, als illoyal gegenüber ihrem Land und als Unterstützer der Opposition und/oder bewaffneter Gruppen. Syrische Geheimdienstmitarbeiter haben Frauen, Kinder und Männer, die nach Syrien zurückkehrten, unrechtmäßig oder willkürlich inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt, einschließlich Vergewaltigung und sexueller Gewalt, und verschwinden gelassen. Ausgehend von diesen Erkenntnissen ist kein Teil Syriens für Rückkehrer sicher, und Menschen, die Syrien seit Beginn des Konflikts verlassen haben, sind bei ihrer Rückkehr der realen Gefahr ausgesetzt, verfolgt zu werden. Jede erzwungene Rückkehr nach Syrien zum jetzigen Zeitpunkt würde gegen den internationalen Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen, die in Artikel 33 der Flüchtlingskonvention von 1951 verankert ist und die es Staaten untersagt, Menschen an einen Ort zu überstellen, an dem sie der Gefahr von Verfolgung oder anderen schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind (AI 9.2021). Rückkehrüberlegungen syrischer Männer werden auch durch ihren Militärdienststatus beeinflusst (DIS/DRC 2.2019). Laut einer Erhebung der Syrian Association for Citizen's Dignity (SACD) ist für 58 % aller befragten Flüchtlinge die Abschaffung der Zwangsrekrutierung die wichtigste Bedingung für die Rückkehr in ihre Heimat (AA 4.12.2021).

Inhaftierung, Folter, Vergewaltigung und Verschwindenlassen von Rückkehrern

Es ist schwierig, Informationen über die Situation von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer (TN 10.12.2018), pro-oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern (TN 10.12.2018; vergleiche TWP 2.6.2019, FP 6.2.2019). Zudem wollen viele Flüchtlinge aus Angst vor Repressionen durch die Regierung nach ihrer Rückkehr nach Syrien nicht mehr mit Journalisten (TN 10.12.2018) oder gar mit Angehörigen sprechen (SD 16.1.2019; vergleiche TN 10.12.2018). Auch im Jahr 2020 gewährte das Regime dem UNHCR weiterhin nur stark eingeschränkten Zugang nach Syrien. UNHCR war daher weder in der Lage, eine umfassende Überwachung der Situation von zurückgekehrten Binnenvertriebenen und Flüchtlingen sicherzustellen, noch den Schutz ihrer Rechte zu gewährleisten (AA 4.12.2020).

Die syrische Regierung führt Listen mit Personen, die ihrer Meinung nach auf die eine oder andere Weise oppositionell sind. Alles in allem kann eine Person, die von der Regierung gesucht wird, aus einer Vielzahl von Gründen oder völlig willkürlich gesucht werden. So kann die Behandlung einer Person an einem Checkpoint von verschiedenen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Kontrollpersonals oder praktische Probleme eine Namensähnlichkeit mit einer gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, müssen mit verschiedenen Konsequenzen seitens der Regierung rechnen, z.B. mit Verhaftung und im Zuge dessen auch mit Folter. Einigen Quellen zufolge gehören zu den Personen, die als oppositionell oder regierungsfeindlich gelten, medizinisches Personal, insbesondere wenn sie in einem von der Regierung belagerten Oppositionsgebiet gearbeitet haben, Aktivisten und Journalisten, die die Regierung offen kritisiert oder Informationen oder Fotos von Ereignissen wie Angriffen der Regierung verbreitet haben, sowie generell Personen, die die Regierung offen kritisieren. Einer Quelle zufolge kann es vorkommen, dass die Regierung eine Person wegen eines als geringfügig eingestuften Vergehens nicht sofort verhaftet, sondern erst nach einer gewissen Zeit (FIS 14.12.2018). Jeder Nachrichtendienst führt seine eigenen Fahndungslisten und es gibt keine Koordination oder Zentralisierung. Daher kann es trotz einer positiven Sicherheitsüberprüfung durch einen Dienst jederzeit zu einer Verhaftung durch einen anderen kommen (AA 4.12.2020). Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Kontrollpunkt beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. Wenn eine Person an einem Ort lebt oder aus einem Ort kommt, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, kann dies das Misstrauen des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018). Nach Angaben der Regierungskonferenz ist das Konzept des Regimes, wer ein Oppositioneller ist, nicht immer klar oder kann sich im Laufe der Zeit ändern; es gibt keine Gewissheit darüber, wer vor Verhaftungen sicher ist. In Gesprächen mit der ICG berichteten viele Flüchtlinge, dass der Verzicht auf regimefeindliche Aktivitäten keine sichere Rückkehr garantiert (ICG 13.2.2020). Es gab regelmäßig Berichte über Verhaftungen und Anklagen gegen Rückkehrer, denen vorgeworfen wurde, gegen die Regierung zu opponieren, im Rahmen der Anti-Terror-Gesetzgebung. Nach Angaben des Auswärtigen Amts erscheinen diese Berichte glaubwürdig, konnten aber nicht im Einzelfall überprüft werden (AA 13.11.2018).

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegen Personen, die nach Syrien zurückgekehrt sind (IT 17.3.2018). Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört, darunter Flüchtlinge, die aus dem Ausland nach Syrien zurückgekehrt sind, Binnenvertriebene aus von der Opposition kontrollierten Gebieten und Personen, die in von der Regierung zurückeroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung unterzeichnet haben. Sie wurden gezwungen, Aussagen über Familienmitglieder zu machen, und in einigen Fällen wurden sie gefoltert (TWP 2.6.2019; vergleiche EIP 6.2019). Aus Daten, die im Rahmen des UN-Systems erhoben wurden, geht hervor, dass 14 % der mehr als 17.000 befragten Binnenvertriebenen- und Flüchtlingsrückkehrerhaushalte während ihrer Rückkehr im Jahr 2018 angehalten oder inhaftiert wurden. Von dieser Gruppe wurden 4 % für mehr als 24 Stunden festgehalten. In der Gruppe der Flüchtlinge (die ins Ausland geflohen sind) wurden 19 % festgehalten. Diese Zahlen beziehen sich speziell auf die Heimreise und nicht auf Inhaftierungen in den Wochen und Monaten danach (EIP 6.2019).

Amnesty International hat in seinem Bericht aus dem Jahr 2021 Informationen über 66 Personen vorgelegt, die bei ihrer Rückkehr aus dem Ausland Opfer von Verstößen wurden. Unter ihnen wurden 59 Fälle von unrechtmäßiger oder willkürlicher Inhaftierung von Männern, Frauen und Kindern dokumentiert. Unter den Inhaftierten befanden sich zwei schwangere Frauen und zehn Kinder im Alter zwischen drei Wochen und 16 Jahren, von denen sieben vier Jahre alt oder jünger waren. Außerdem wurden 27 Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen dokumentiert, darunter vier Kinder, die mindestens eine Woche und bis zu vier Jahre lang festgehalten wurden, wobei 17 Fälle noch andauern. Die Sicherheitsbeamten verhafteten die Rückkehrer zumeist unter dem pauschalen Vorwurf des "Terrorismus", da sie häufig davon ausgingen, dass einer ihrer Verwandten der politischen oder bewaffneten Opposition angehörte, oder weil die Rückkehrer aus einem Gebiet kamen, das zuvor von der Opposition kontrolliert wurde. Darüber hinaus wurden 14 Fälle gemeldet, in denen Sicherheitsbeamte sexuelle Gewalt gegen Kinder, Frauen und männliche Rückkehrer ausübten, darunter Vergewaltigungen an fünf Frauen, einem 13-jährigen Jungen und einem fünfjährigen Mädchen. Die sexuelle Gewalt fand an Grenzübergängen oder in Haftanstalten während der Befragung am Tag der Rückkehr oder kurz danach statt. Berichten zufolge setzten Geheimdienstmitarbeiter 33 Rückkehrer, darunter Männer, Frauen und fünf Kinder, während ihrer Inhaftierung und Verhöre in Geheimdiensteinrichtungen Praktiken aus, die Folter oder anderen Misshandlungen gleichkommen (AI 9.2021).

Rückkehr an den Herkunftsort

Wenn eine Person in ihre Heimat zurückkehren möchte, können viele Faktoren die Möglichkeit dazu beeinflussen. Ethnisch-sektiererische, wirtschaftliche und politische Aspekte spielen ebenso eine Rolle wie Fragen des Wiederaufbaus und die Haltung der Regierung gegenüber den der Opposition nahestehenden Gemeinschaften. Für Personen aus bestimmten Gebieten Syriens lässt die Regierung derzeit keinen Wohnsitzwechsel zu. Wenn es darum geht, wer in seine Heimatstadt zurückkehren darf, können laut einem Experten ethnische und religiöse, aber auch praktische Motive eine Rolle spielen (FIS 14.12.2018). Die Sicherheit von Rückkehrern wird nicht in erster Linie von der Region bestimmt, in die sie zurückkehren, sondern davon, wie die Rückkehrer von den Akteuren, die die jeweiligen Region kontrollieren, wahrgenommen werden (AA 4.12.2020).

Es hat sich gezeigt, dass Flüchtlinge seltener in Bezirke zurückkehren, die in der Vergangenheit von intensiven Konflikten geprägt waren. Das geringe Angebot an Bildungs-, Gesundheits- und Grundversorgungsleistungen in Syrien wirken abschreckend auf potentielle Rückkehrer. Eine geringere Lebensqualität im Exil erhöht nicht immer die Rückkehrbereitschaft (WB 2020). Trotz der Behauptung, Damaskus und seine Vororte seien sicher, um dorthin zurückzukehren, fand ein Drittel der im Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2021 dokumentierten Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Damaskus selbst oder in der Umgebung von Damaskus statt, was darauf hindeutet, dass selbst dann, wenn die willkürliche Gewalt im Zusammenhang mit miliauf einem niedrigen Niveau liegt und/oder die Regierung ein bestimmtes Gebiet unter Kontrolle hat, die Risiken bestehen bleiben (AI 9.2021). Neben der allgemein instabilen Sicherheitslage bleibt die mangelnde persönliche Sicherheit in Verbindung mit der Angst vor staatlicher Repression das wichtigste Hindernis für die Rückkehr (AA 19.5.2020; vergleiche SACD 21.7.2020, ICG 13.2.2020).

Auch Jahre nach der Rückeroberung von Homs durch die Regierung benötigen die Bewohner immer noch eine Sicherheitsgenehmigung für die Rückkehr und den Wiederaufbau ihrer Häuser (TE 28.6.2018; vergleiche CMEC 15.5.2020). Syrer, die nach Syrien zurückkehren, können sich nicht einfach an einem beliebigen Ort unter staatlicher Kontrolle niederlassen. Die Einrichtung eines Wohnsitzes ist nur mit Genehmigung der Behörden möglich (ÖB 21.8.2019). Anfang 2019 kündigte das syrische Innenministerium an, keine Sicherheitsüberprüfung mehr als Voraussetzung für die Registrierung eines Mietvertrags bei der Gemeinde zu verlangen (SLJ 29.1.2019; ÖB 10.5.2019), sondern einen Mietvertrag bei der Gemeinde zu registrieren und die Daten dann an die Sicherheitsbehörden weiterzuleiten (ÖB 10.5.2019), so dass die Sicherheitsbehörden erst im Nachhinein Einwände erheben können. Außerhalb von Damaskus ist dies noch nicht umgesetzt worden (ÖB 21.8.2019), dort muss weiterhin eine Genehmigung eingeholt werden. Auch über Damaskus wurde berichtet, dass Syrer aus anderen Gebieten sich dort nicht niederlassen dürfen. Demnach ist die Ansiedlung - in allen Gebieten unter staatlicher Kontrolle - von der Genehmigung der Sicherheitsbehörden abhängig (ÖB 29.9.2020).

Einem Syrien-Experten zufolge dient eine von einer syrischen Botschaft oder einem Konsulat erteilte Sicherheitsgenehmigung lediglich dazu, dem Inhaber die Einreise nach Syrien zu ermöglichen. Sie garantiert dem Rückkehrer nicht, dass er seinen Herkunftsort in den von der Regierung kontrollierten Gebieten auch tatsächlich erreichen kann. Die Rückkehr an den Herkunftsort innerhalb der von der Regierung kontrollierten Gebiete erfordert einen anderen Weg, der von lokalen Machthabern wie den Gemeindebehörden oder den die Regierung unterstützenden Milizen gesteuert wird. Die Verfahren, um eine Genehmigung für die Einreise in den Herkunftsort zu erhalten, variieren von Ort zu Ort und von Akteur zu Akteur. Da sich die lokale Machtdynamik im Laufe der Zeit verschiebt, sind auch die unterschiedlichen Verfahren Veränderungen unterworfen (EASO 6.2021).

Einige ehemals von der Opposition kontrollierte Gebiete sind für alle, die in ihre ursprünglichen Häuser zurückkehren wollen, praktisch abgeriegelt. In anderen versucht das Regime, die Rückkehr der ursprünglichen Bevölkerung einzuschränken, um eine Wiederherstellung des sozialen Umfelds, das den Aufstand unterstützt hat, zu vermeiden. Einige nominell vom Regime kontrollierte Gebiete wie Dara'a, die Stadt Deir ez-Zour und Teile von Aleppo und Homs sind für Rückkehrer aufgrund schwerer Zerstörungen, der Herrschaft missbräuchlicher regimetreuer Milizen, Sicherheitsproblemen wie ISIS-Angriffen oder einer Kombination aus allen drei Faktoren unwirtlich (ICG 13.2.2020). Eine Reihe von Stadtvierteln in Damaskus sind nach wie vor teilweise oder vollständig gesperrt, selbst für Zivilisten, die kurz nach ihren ehemaligen Häusern sehen wollen (SD 19.11.2018). So durften die Bewohner des palästinensischen Camps Yarmouk in Damaskus auch zwei Jahre nach der Wiedererlangung der Kontrolle durch das Regime weitgehend nicht zurückkehren (EB 8.7.2020; vergleiche AI 9.2021). Nach Angaben von Aktivisten durften bisher nur wenige Familien mit Verbindungen zu regierungsnahen Milizen und ältere Bewohner zurückkehren (MEI 6.5.2020).

Sowohl Menschenrechtsorganisationen als auch die Vereinten Nationen prangern umstrittene Wohnungs- und Eigentumsgesetze des Regimes an, die, wie das Dekret Nr. 42/2018 oder das Gesetz Nr. 10, zur Enteignung von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen genützt werden können. Der Wiederaufbau kommt nur langsam voran; insbesondere große Teile der syrischen Städte sind im Zuge des Konflikts zerstört worden und werden auch mittel- bis langfristig nicht bewohnbar sein. Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen reißt das Regime beschädigte Häuser und Wohnungen in ehemaligen Oppositionsgebieten ab (AA 19.5.2020; vergleiche BS 29.4.2020).

Es ist wichtig, dass die Rückkehrer an ihren Herkunftsort zurückkehren, weil sie dann Zugang zu einem sozialen Netzwerk und/oder ihrem Stamm haben. Diejenigen, die aus dem Ausland in ein Gebiet ziehen, aus dem sie nicht stammen, verfügen nicht über ein solches Sicherheitsnetz (MOFANL 7.2019).

Bedingungen der Rückkehr

Die Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge zurückkehren, und die Mechanismen dieses Prozesses sind nur unzureichend bekannt, auch bei den Flüchtlingen selbst. Da Assad die Kontrolle über immer größere Gebiete festigt, sind immer weniger Informationen verfügbar (EIP 6.2019). Die Behandlung von Menschen, die nach Syrien einreisen, hängt stark vom Einzelfall ab, und es gibt keine zuverlässigen Informationen über den Kenntnisstand der syrischen Behörden über einzelne Rückkehrer (ÖB 29.9.2020).

Es gibt widersprüchliche Informationen darüber, ob sich Personen, die nach Syrien zurückkehren wollen, einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen müssen oder nicht. Nach Angaben des deutschen Auswärtigen Amtes müssen sich syrische Flüchtlinge, unabhängig von ihrer politischen Orientierung, vor ihrer Rückkehr weiterhin einer Sicherheitsüberprüfung durch die syrischen Sicherheitsbehörden unterziehen (AA 19.5.2020). Auch nach Angaben der International Crisis Group (ICG) stellt die Sicherheitsüberprüfung durch den zentralen Geheimdienst in Damaskus (oder die Verweigerung einer solchen) die endgültige Entscheidung darüber dar, ob ein Flüchtling sicher nach Hause zurückkehren kann, unabhängig davon, welchen administrativen Weg ein Flüchtling, der zurückkehren möchte, einschlägt (ICG 13.2.2020). Im Gegensatz dazu berichtete die dänische Einwanderungsbehörde (DIS) auf der Grundlage von Befragungen, dass Syrer, die sich außerhalb Syriens aufhalten und nicht von der syrischen Regierung gesucht werden, keine Sicherheitsgenehmigung für die Rückkehr nach Syrien benötigen. Syria Direct berichtete der DIS, dass nur Syrer im Libanon, die über eine "organisierte Gruppenrückkehr" nach Syrien zurückkehren wollen, eine Sicherheitsüberprüfung für die Einreise nach Syrien benötigen (DIS 12.2020). Die Kriterien und Anforderungen für ein positives Ergebnis sind nicht bekannt (AA 19.5.2020). Berichten zufolge gab es Fälle, in denen Rückkehrer trotz positiver Sicherheitsüberprüfung Opfer von willkürlicher Verhaftung, Folter oder gewaltsamem Verschwindenlassen wurden, und vereinzelte Fälle von Tod in Haft (AA 19.5.2020; vergleiche EASO 6.2021).

Der Prozentsatz der Antragsteller, die nicht zur Rückkehr zugelassen werden, ist nach wie vor schwer zu ermitteln (ICG 13.2.2020). Ihr Anteil wird von verschiedenen Quellen auf 5% (SD 16.1.2019), 10% (Reuters 25.9.2018), bis zu 30% (ABC 6.10.2018) geschätzt. In einigen Fällen ist es Binnenvertriebenen nicht gestattet, in ihre Heimatgebiete zurückzukehren (USDOS 30.3.2021). Einige Beobachter und humanitäre Helfer behaupten, dass die Bewilligungsquote für Antragsteller aus Gebieten, die als regierungsfeindliche Hochburgen identifiziert wurden, fast bei null liegt (ICG 13.2.2020). Gründe für die Ablehnung können (vermeintliche) politische Aktivitäten gegen die Regierung, Verbindungen zur Opposition oder die Nichterfüllung der Wehrpflicht sein (Reuters 25.9.2018; vergleiche ABC 6.10.2018; SD 16.1.2019).

Personen, die von der syrischen Regierung gesucht werden und deshalb keine Erlaubnis zur Rückkehr erhalten, werden aufgefordert, ihren Status zu "regularisieren", bevor sie zurückkehren können (Reuters 25.9.2018; vergleiche SD 16.1.2019). Nach Angaben eines syrischen Generals müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren wollen, bei der zuständigen syrischen Vertretung einen Antrag auf "Versöhnung" stellen und unter anderem angeben, wie und warum sie das Land verlassen haben, und Informationen über Aktivitäten während ihres Auslandsaufenthalts vorlegen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen nach Angaben des Generals einen "Versöhnungsantrag" ausfüllen (DIS 6.2019). Um eine Verhaftung bei der Rückkehr zu vermeiden, versuchen Syrer, Informationen über ihre Sicherheitsakte zu erhalten und diese, wenn möglich, zu löschen. Persönliche Kontakte und Bestechungsgelder sind die gebräuchlichsten Kanäle und Mittel zu diesem Zweck (ICG 13.2.2020; vergleiche EASO 6.2021), doch aufgrund ihrer Informalität und des undurchsichtigen Charakters des syrischen Sicherheitssektors sind solche Informationen und Freigaben nicht immer zuverlässig, und nicht jeder kann sie erhalten (ICG 13.2.2020). Zwei Quellen berichteten dem EASO, dass, wenn ein Rückkehrer durch informelle Netzwerke oder Beziehungen (arab. wasta) herausfindet, dass er oder sie nicht von den syrischen Behörden gesucht wird, es dennoch keine Garantie dafür gibt, dass er oder sie bei der Rückkehr nicht verhaftet wird (EASO 6.2021).

Syrerinnen und Syrer benötigen in verschiedenen Lebensbereichen eine behördliche Sicherheitsfreigabe, z.B. auch für die Eröffnung eines Geschäfts, eine Heirat und die Organisation einer Hochzeitsfeier, um den Wohnort zu wechseln, für Wiederaufbaumaßnahmen oder auch für den Erwerb von Eigentum (FIS 14.12.2018; vergleiche EIP 6.2019). Die Sicherheitsüberprüfung könnte Fragen wie den Aufenthaltsort der Person während ihrer Abwesenheit aus einem Gebiet umfassen. Für eine Person, die die Zeit in Damaskus verbracht hat, könnte die Sicherheitsüberprüfung einfacher sein, aber Orte wie Deir ez-Zour könnten zusätzliche Kontrollen oder Befragungen nach sich ziehen. Während des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens wird eine Person befragt, ob es in ihrer Großfamilie Personen gibt, die von der Regierung gesucht werden (FIS 14.12.2018).

Erschwerend kommt hinzu, dass eine von einer regierungsnahen Stelle innerhalb Syriens ausgestellte Sicherheitsgenehmigung in Gebieten, die von anderen regierungsnahen Stellen kontrolliert werden, als ungültig angesehen werden kann. Dies ist auf die Fragmentierung des Sicherheitsapparats der Regierung zurückzuführen, die die Mobilität auf Gebiete beschränkt, die von bestimmten regierungsnahen Sicherheitsbehörden kontrolliert werden (EASO 6.2021).

Syrische Flüchtlinge benötigen in der Regel eine Genehmigung der Regierung und müssen bereit sein, der Regierung gegenüber vollständig Rechenschaft über ihre Beziehungen zur Opposition abzulegen, um nach Hause zurückkehren zu können. In vielen Fällen hält sich die Regierung nicht an die in den "Versöhnungsabkommen" vereinbarten Garantien, und die Rückkehrer sind Schikanen oder Erpressungen durch die Sicherheitsbehörden sowie Inhaftierung und Folter ausgesetzt, um Informationen über die Aktivitäten der Flüchtlinge im Ausland zu erhalten (TWP 2.6.2019).

Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, politische Aktivitäten im Exil auszuspionieren und darüber zu berichten (ÖB 29.9.2020; vergleiche TWP 2.6.2019, EASO 6.2021). Es gab Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste Drohungen gegen in Syrien lebende Familienmitglieder einsetzten, um Druck auf Verwandte auszuüben, die z.B. in Deutschland leben (AA 13.11.2018). Die syrische Regierung ist an den politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland interessiert. Die Gefährdung eines Rückkehrers im Falle politischer Aktivitäten im Exil hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und vielen anderen Faktoren ab, wie dem Hintergrund der Familie und den der Regierung zur Verfügung stehenden Ressourcen (STDOK 8.2017). Einem Syrien-Experten des Europäischen Friedensinstituts zufolge werden Syrer in der Diaspora auf zwei Arten überwacht: informell und formell. Bei der informellen Überwachung melden Einzelpersonen andere Personen an die syrischen Behörden. Diese Informanten sind nicht offiziell bei den Sicherheitsbehörden angestellt, melden aber andere Personen, um der Regierung gegenüber loyal zu erscheinen. Auf diese Weise versuchen sie, mögliche negative Aufmerksamkeit von sich abzuwenden. Die formelle Art der Überwachung besteht darin, dass staatliche Einrichtungen wie Botschaften und Sicherheitsdienste Informationen über im Ausland lebende Dissidenten sammeln (EASO 6.2021).

Der Sicherheitssektor nutzt den Rückkehr- und Versöhnungsprozess, um seinen historischen Einsatz lokaler Informanten zur Sammlung von Informationen und zur Kontrolle der Bevölkerung wieder zu verstärken und zu institutionalisieren. Die Regierung baut weiterhin eine umfangreiche Datenbank mit Informationen über alle Personen auf, die ins Land zurückkehren oder im Land bleiben. In der Vergangenheit wurde diese Art von Informationen genutzt, um Personen zu erpressen oder zu verhaften, die aus irgendeinem Grund als Bedrohung oder Problem wahrgenommen wurden (EIP 6.2019). Das Verfassen eines Taqrir (eines "Berichts", d. h. die Meldung von Personen an die Sicherheitsbehörden) war im baathistischen Syrien jahrzehntelang gang und gäbe und wird laut ICG auch unter Flüchtlingen im Libanon praktiziert. Die Motive können persönlicher Gewinn oder die Beilegung von Streitigkeiten sein, oder die Menschen schreiben "Berichte", um nicht selbst zur Zielscheibe zu werden. Selbst Regimevertreter geben zu, dass es aufgrund unbegründeter Denunziationen zu Verhaftungen kommt (ICG 13.2.2020).

Syrische Flüchtlinge in Libanon, Jordanien und der TürkeiIm Juli 2021 wurde die syrische Bevölkerung auf 20,4 Millionen Menschen geschätzt (CIA 22.9.2021). Im Jahr 2020 registrierte UNOCHA etwa 1,8 Millionen Binnenvertriebene in Syrien. Demgegenüber kehrten in diesem Jahr rund 450.000 Binnenvertriebene zurück (UNOCHA 8.2.2021). Ende September 2020 waren 5.565.954 Personen als syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens und Nordafrikas registriert. Nach Angaben des UNHCR kehrten im Jahr 2019 insgesamt rund 95.000 Flüchtlinge nach Syrien zurück (UNHCR 23.9.2020), im Jahr 2020 waren es 38.200 (UNOCHA 3.2021). Weder Binnenvertriebene noch Flüchtlinge sind unbedingt in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Im Jahr 2017 forderten die libanesischen Behörden syrische Flüchtlinge trotz des anhaltenden Konflikts und begründeter Ängste vor Verfolgung verstärkt zur Rückkehr auf. Eine kleine Zahl von Flüchtlingen ist im Rahmen lokaler Vereinbarungen nach Syrien zurückgekehrt, die jedoch nicht vom UNHCR überwacht werden. Einige Flüchtlinge erklärten, sie kehrten wegen der strengen Politik und der sich verschlechternden Bedingungen im Libanon zurück, nicht weil sie Syrien für sicher hielten. Gemeinden im Libanon haben Tausende von Flüchtlingen ohne Rechtsgrundlage und ohne ordnungsgemäßes Verfahren gewaltsam vertrieben. Zehntausende sind weiterhin von Vertreibung bedroht (HRW 17.1.2019). Obwohl die wirtschaftliche Lage vieler syrischer Flüchtlinge in Jordanien schwierig ist (TN 1.10.2019; SD 6.5.2020), ist aufgrund der Sicherheits- und Wirtschaftslage in Syrien bisher nur eine geringe Zahl von Syrern nach Syrien zurückgekehrt (SD 6.5.2020).

Die Türkei beherbergt fast 3,65 Millionen syrische Flüchtlinge (DGMM 3.2.2021). Im Juli 2019 änderte sich die Haltung der türkischen Regierung ihnen gegenüber. Nach erheblichen Verlusten bei den Kommunalwahlen und in dem Bestreben, die Kontrolle der Regierung über die Situation zu demonstrieren, begannen die türkischen Sicherheitskräfte, syrische Flüchtlinge zusammenzutreiben und sie in die türkischen Provinzen zurückzuschicken, in denen sie registriert waren, einige von ihnen abzuschieben und andere zu ermutigen, in die von der Türkei kontrollierten Gebiete in Nordsyrien, einschließlich der Konfliktzone Idlib, zu ziehen (SWP 5.2.2020). NGO-Berichten zufolge haben die türkischen Behörden immer wieder Flüchtlinge inhaftiert und sie gezwungen, "freiwillige" Rückkehrdokumente zu unterschreiben, manchmal durch Schläge und Drohungen (SJAC 8.10.2020).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.5.2020): Fortschreibung des Berichts über die Lage in der Arabischen Republik Syrien vom November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031629/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Fortschreibung_des_Berichts_%C3%Bcber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_vom_November_2019_%28Stand_Mai_2020%29%2C_19.05.2020.pdf, Zugriff 7.9.2020

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 18.8.2020

             ABC - ABC News - Australian Broadcasting Cooperation (6.10.2018): Syrians return home after years as unwelcome refugees, but there’s little cause for celebration, https://www.abc.net.au/news/2018-10-06/syria-refugees-returning-home-from-lebanon/10319154, Zugriff 8.10.2020

             AI - Amnesty International (9.2021): 'You're going to your death - Violations against Syrian Refugees returning to Syria', https://www.amnesty.de/sites/default/files/2021-09/Amnesty-Bericht-Syrien-Folter-Inhaftierungen-Rueckkehrende-Abschiebung-Geheimdienst-September-2021.pdf, Zugriff 28.9.2021

             BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029497/country_report_2020_SYR.pdf, Zugriff 22.7.2020

             CIA - Central Intelligence Agency (22.9.2021): The World Factbook: Syria - People and Society, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/syria/, Zugriff 28.9.2021

             CMEC - Carnegie Middle East Center (15.5.2020): Homs, a Divided Incarnation of Syria’s Unresolved Conflict, https://carnegie-mec.org/2020/05/15/homs-divided-incarnation-of-syria-s-unresolved-conflict-pub-81804, Zugriff 8.10.2020

             DGMM - Directorate General of Migration Management [Türkei] (3.2.2021): Distribution of Syrian refugees in the scope of temporary protection by province, https://en.goc.gov.tr/temporary-protection27, Zugriff 11.2.2021

             DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (12.2020): Syria: Security clearance and status settlement for returnees, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042786/COI_Report_Syria-security_clearance_and_status_settlement_dec_2020.pdf, Zugriff 8.2.2021

             DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (6.2019): Consequences of illegal exit, consequences of leaving civil a servant position without notice and the situation of Kurds in Damascus, per E-Mail

             DIS/DRC - Danish Immigration Service [Denmark]/ Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_31012019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC, Zugriff 8.9.2020

             EASO - European Asylum Support Office (6,2021): Syria Situation of returnees from abroad, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/2021_06_EASO_Syria_Situation_returnees_from_abroad.pdf, Zugriff 21.6.2021

             EB - Enab Baladi (8.7.2020): Property rights report: Palestinians of Syria victims of reconstruction plans, https://english.enabbaladi.net/archives/2020/07/property-rights-report-palestinians-of-syria-victims-of-reconstruction-plans/#, Zugriff 8.10.2020

             EIP - European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018602/EIP+Report+-+Security+and+Refugee+Return+in+Syria+-+July.pdf, Zugriff 27.10.2020

             FIS - Finnish Immigration Service [Finland] (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 22.7.2020

             FP - Foreign Policy (6.2.2019): A Deadly Welcome Awaits Syria’s Returning Refugees, https://foreignpolicy.com/2019/02/06/a-deadly-welcome-awaits-syrias-returning-refugees/, Zugriff 8.10.2020

             HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): Annual report on the human rights situation in 2018 - Syrian Arab Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2002172.html, Zugriff 8.10.2020

             ICG - International Crisis Group (13.2.2020): Easing Syrian Refugees‘ Plight in Lebanon, https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/211-easing-syrian-refugees-plight-in-lebanon.pdf, Zugriff 24.8.2020

             IT - Irish Times (17.3.2018): Arrests and torture of Syrian refugees returning home reported, https://www.irishtimes.com/news/world/middle-east/arrests-and-torture-of-syrian-refugees-returning-home-reported-1.3429762, Zugriff 8.10.2020

             MEI - Middle East Institute (6.5.2020): Talking about water pipes: The fraught reconstruction of Syria’s Yarmouk camp, https://www.mei.edu/publications/talking-about-water-pipes-fraught-reconstruction-syrias-yarmouk-camp, Zugriff 8.10.2020

             NMFA - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports [Niederlande] (7.2019): Country of Origin Information Report Syria - The security situation, per E-Mail am 27.8.2019

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (21.8.2019): Auskunft, via E-mail

             ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (10.5.2019): Auskunft, via E-mail

             Reuters (25.9.2018): Fifty thousand Syrians returned to Syria from Lebanon this year: official, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-lebanon-refugees/fifty-thousand-syrians-returned-to-syria-from-lebanon-this-year-official-idUSKCN1M51OM, Zugriff 8.10.2020

             SACD - Syrian Association for Citizen´s Dignity (21.7.2020): We are Syria, https://syacd.org/wp-content/uploads/2020/07/SACD_WE_ARE_SYRIA_EN.pdf, Zugriff 8.10.2020

             SD - Syria Direct (6.5.2020): Ineligible for government aid, Syrians in Jordan struggle amidst COVID-19 lockdowns, https://syriadirect.org/news/ineligible-for-government-aid-syrians-struggle-amidst-covid-19-lockdowns/, Zugriff 8.10.2020

             SD - Syria Direct (16.1.2019): In first ‘organized’ refugee returns from Jordan, dozens of Syrians head back to Damascus suburb, https://syriadirect.org/news/in-first-%E2%80%98organized%E2%80%99-refugee-returns-from-jordan-dozens-of-syrians-head-back-to-damascus-suburb/, Zugriff 9.10.2020

             SD - Syria Direct (19.11.2018): A new Syria’: Law 10 reconstruction projects to commence in Damascus, backed by arsenal of demolition, expropriation legislation, https://syriadirect.org/news/%E2%80%98a-new-syria%E2%80%99-law-10-reconstruction-projects-to-commence-in-damascus-backed-by-arsenal-of-demolition-expropriation-legislation/, Zugriff 9.10.2020

             SJAC - Syria Justice and Accountability Centre (8.10.2020): Turkey continues to deport Syrians to Idlim, violating international law, https://syriaaccountability.org/updates/2020/10/08/turkey-continues-to-deport-syrians-to-idlib-violating-international-law/, Zugriff 27.10.2020

             SLJ - Syrian Law Journal via Twitter (29.1.2019): Short message from 29.1.2019, https://twitter.com/syrian_law/status/1090257282170990597, Zugriff 9.10.2020

             STDOK - Staatendokumentation des BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 24.7.2020

             SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (5.2.2020): Syrian Refugees in Turkey: Changing Attitudes and Fortunes, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/comments/2020C05_Kiniklioglu.pdf, Zugriff 27.10.2020

             TE - The Economist (28.6.2018): The Future of Syria - How a victorious Bashar al-Assad is changing Syria, verfügbar über Abonnement über https://www.economist.com/middle-east-and-africa/2018/06/28/how-a-victorious-bashar-al-assad-is-changing-syria, Zugriff 9.10.2020

             TN - The National (1.10.2019): Syrians struggling to survive in Jordan face difficult decision, https://www.thenational.ae/world/mena/syrians-struggling-to-survive-in-jordan-face-difficult-decision-1.917568, Zugriff 8.10.2020

             TN - The National (10.12.2018): Uncertainty over fate of Syrian refugees who return home, https://www.thenational.ae/world/mena/uncertainty-over-fate-of-syrian-refugees-who-return-home-1.801269, Zugriff 8.10.2020

             TWP - The Washington Post (2.6.2019): Assad urged Syrian refugees to come home. Many are being welcomed with arrest and interrogation, https://www.washingtonpost.com/world/assad-urged-syrian-refugees-to-come-home-many-are-being-welcomed-with-arrest-and-interrogation/2019/06/02/54bd696a-7bea-11e9-b1f3-b233fe5811ef_story.html?utm_term=.e0a2c27a072f, Zugriff 8.10.2020

             UNHRC - United Nations Human Rights Commission (14.9.2021): UN Syria Commission Increasing violence and fighting add to Syria's woes, making it unsafe for return, https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Pages/NewsDetail.aspx?NewsID=27456&LangID=E, Zugriff 29.9.2021

             UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (3.2021): International Protection Considerations with regard to people fleeing the Syrian Arab Republic - Update römisch VI, https://www.refworld.org/docid/606427d97.html, Zugriff 28.9.2021

             UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees und die Republik Türkei (23.9.2020): Syria Regional Refugee Response - Durable Solutions, https://data2.unhcr.org/en/situations/syria_durable_solutions, Zugriff 8.10.2020

             UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (18.3.2019): Auskunft, per E-Mail

             UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (3.2021): Humanitarian Needs Overview - Syrian Arab Republic, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/syria_2021_humanitarian_needs_overview.pdf, Zugriff 11.6.2021

             UNOCHA Turkey - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs Turkey (8.2.2021): Syrian Arab Republic: IDP movements and IDP spontaneous return movements Data, https://data.humdata.org/dataset/daa955d0-fb67-402b-ae3a-4552a889b5bb/resource/a5560639-fced-4198-a727-8e456a3391bf/download/idp-movements-and-idp-spontaneous-return-movements-data-dec-2020-toshare.xlsx, Zugriff 9.2.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048105.html, Zugriff 10.6.2021

             WB - World Bank (2020): The Mobility of Displaced Syrians, https://openknowledge.worldbank.org/bitstream/handle/10986/31205/9781464814013.pdf, Zugriff 8.10.2020

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Hinsichtlich der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seiner Muttersprache wird den bereits im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gefolgt, an denen sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben haben, zumal diese Feststellungen, die auf den im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl getätigten eigenen Angaben des BF gründen vergleiche AS 199), im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz auch nicht beanstandet wurden.

Die Feststellungen zu seiner Schulbildung und Berufstätigkeit im Herkunftsstaat stützen sich auf seine eigenen Angaben im Verfahren vergleiche AS 46). Gleiches gilt für die Feststellung, dass sich sein Bruder im Herkunftsstaat aufhält und zu diesem aufrechter Kontakt besteht vergleiche AS 48).

Die Feststellungen zur Ausreise des Beschwerdeführers im Jahr 2012, der späteren Wiedereinreise nach Syrien und dem endgültigen Verlassen seines Herkunftsstaates im Jahr 2014 sowie zu seinem siebenjährigen Aufenthalt in der Türkei, der Reiseroute und der Asylantragstellung in Österreich resultieren ebenfalls aus seinen stringenten Angaben im Verfahren vergleiche AS 25, 46-47).

Der Familienstand des Beschwerdeführers und die Feststellungen zu seinem Privat- und Familienleben im Bundesgebiet basieren ebenfalls auf seinen Angaben in der Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme vergleiche AS 21, 50). Die Unbescholtenheit ergibt sich aus Einsicht in das Strafregister.

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand sind ebenfalls aus den Angaben des Beschwerdeführers abzuleiten vergleiche AS 44) und stützen sich weiters auf die von ihm vorgelegten medizinischen Unterlagen aus Österreich und der Türkei vergleiche AS 51-53). Dass er in ärztlicher Behandlung steht, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Der Beschwerdeführer legte auch keine Rezepte vor. Eine akut lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung geht aus den vorgelegten Unterlagen jedenfalls nicht hervor.

2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Hinsichtlich dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer gefährdet ist, von der syrischen Armee zwangsrekrutiert zu werden, ist Folgendes auszuführen: Sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Flucht- und Asylgründen an, wegen des Krieges und wegen seiner Familie geflohen zu sein vergleiche AS 48). Lediglich auf weitere Nachfrage, was er im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat befürchte, antwortete der Beschwerdeführer mit „ich würde gezwungen mitzukämpfen, ich hasse Kriege (…)“ vergleiche AS 48).

Diesbezüglich ist aber festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme glaubhaft vorbrachte, seinen verpflichtenden Wehrdienst bei der syrischen Armee bereits in den Jahren 1988 bis 1991 abgeleistet zu haben. Dass er seitdem bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Jahr 2014 einen Einberufungsbefehl erhalten hat, brachte der Beschwerdeführer nicht vor. Der Beschwerdeführer ist bereits 56 Jahre alt und somit lange nicht mehr im wehrfähigen Alter. Es ist daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien von den syrischen Militärbehörden als Soldat herangezogen bzw. einer Wehrdienstverweigerung verdächtig werden könnte.

Es wird nicht verkannt, dass sich aus den Länderinformationen ergibt, dass in der Praxis auch Männer von bis zu 55 Jahren einberufen werden. Hierzu ist jedoch festzuhalten, dass sich diese einzelnen Berichte auf Personen mit besonderen Qualifikationen (z.B. Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung) beziehen und auch der Rang der jeweiligen Person relevant ist. Der Beschwerdeführer überschreitet auch diese Altersgrenze, hat nie an Kampfhandlungen teilgenommen und liegt sein Wehrdienst bereits 31 Jahre zurück. Somit ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht davon auszugehen, dass er über außerordentliche Kenntnisse, Spezialwissen oder einen hohen Rang verfügt, aufgrund derer ein besonderes Interesse an seinem Einzug als Reservist besteht.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer erwähnten Demonstrationsteilnahme und der Feststellung, dass ihm selbst bei Wehrunterstellung deshalb keine Gefährdung oder Verfolgung vonseiten des syrischen Regimes droht, ist zu bemerken, dass sein diesbezügliches Vorbringen beiläufig und unkonkret war („ich habe auch demonstriert“) vergleiche AS 46). Der Beschwerdeführer erwähnte die Demonstrationen weder im Zusammenhang mit seinen Fluchtgründen noch mit den Gründen seiner erstmaligen Ausreise aus Syrien im Jahr 2012. Dass er deshalb jemals gesucht oder festgenommen wurde, brachte er nicht vor.

Aus den Länderberichten ergibt sich auch nicht, dass jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und dieser deshalb asylrelevante Verfolgung zu befürchten hat vergleiche VwGH 11.11.2020, Ra 2020/18/0147).

Überdies kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz dem syrischen Staat bekanntgeworden ist, zumal es den österreichischen Behörden verboten ist, Daten über Asylwerber an Behörden aus deren Herkunftsstaat zu übermitteln.

Eine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit wurde vom Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt erwähnt.

Abschließend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer verneinte, im Herkunftsstaat jemals persönlich bedroht worden zu sein. Ebenso verneinte er explizit, dass ihm in Syrien Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen würde vergleiche AS 48, 49). Es ist ihm nicht gelungen eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung glaubhaft zu machen.

Letztendlich ist darauf hinzuweisen, dass es sich vor dem Hintergrund der Zuerkennung des subsidiären Schutzes an den Beschwerdeführer ohnehin nur um eine hypothetische Beurteilung der Rückkehrsituation handelt.

2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. All diese Dokumente sind dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtsbekannt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 i.d.F. BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt Paragraph 24, VwGVG.

Gemäß Paragraph 24, Absatz 4, VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6, Absatz eins, EMRK noch Artikel 47, GRC entgegenstehen.

Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich, dass aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt als geklärt anzusehen ist. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1.   Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht vergleiche auch die Verfolgungsdefinition in Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, AsylG 2005, die auf Artikel 9, der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.2.2.   Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde vergleiche VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr vergleiche VwGH 27.01.2000, 99/20/0519). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vergleiche VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann vergleiche VwGH vom 22.03.2003, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG Paragraph 45, Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus vergleiche VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

3.2.3. Für den Beschwerdeführer bedeutet dies:

Wie beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer keine asylrelevante Gefährdungslage in Syrien glaubhaft machen.

Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst in Syrien bereits abgeleistet, seither keinen Einberufungsbefehl mehr erhalten hat und sich nicht mehr im wehrfähigen Alter befindet, kann eine Gefahr zum syrischen Militär als Reservist eingezogen zu werden, nicht festgestellt werden, insbesondere weil der Beschwerdeführer über keine besonderen Kenntnisse und kein Spezialwissen verfügt. Da es sich beim Beschwerdeführer demnach um keinen Wehrdienstverweigerer handelt, ist für ihn kein Risiko erkennbar, wegen einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung verfolgt zu werden. Die nicht glaubhafte, jedoch in eventu als wahr angenommene Demonstrationsteilnahme war ebenfalls nicht geeignet eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft zu machen. Zunächst erwähnte der Beschwerdeführer dies nur in einem Nebensatz und niemals in Zusammenhang mit seinen Fluchtgründen. Der Beschwerdeführer wurde deshalb niemals gesucht oder festgenommen und äußerte er auch keine diesbezüglichen Befürchtungen.

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat aufgrund einer vermeintlich unterstellten politischen Gesinnung – oder aufgrund anderer Gründe – Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht.

3.2.4. Die gegenständliche Einschätzung soll keineswegs das Ausmaß an Willkür, Menschenrechtsverletzungen und die Gefahrenpotentiale, der bzw. denen vom syrischen Regime als oppositionell angesehene Personen ausgesetzt sein können, banalisieren. In Bezug auf das allgemeine Sicherheitsrisiko wurde dem Beschwerdeführer auch zu Recht subsidiärer Schutz gewährt. Dennoch fehlt es im gegenständlichen Fall an Hinweisen auf eine individuelle, den Beschwerdeführer betreffende maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abzuweisen.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß Paragraph 24, Absatz eins, des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung vergleiche dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in Paragraph 20, BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Es haben sich allerdings keine Anhaltspunkte ergeben, die im gegenständlichen Falle im Lichte der obigen Judikatur eine Verhandlung notwendig erscheinen hätten lassen. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, sind im gegenständlichen Fall erfüllt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2022:W212.2252664.1.00