Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

08.04.2022

Geschäftszahl

I421 2253573-1

Spruch


I421 2253573-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. MAROKKO, vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (BFA-N) vom 23.02.2022, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

1.           Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 19.01.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am 20.01.2022 von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er dabei an, dass es verschiedene Meinungen zwischen ihm und der Regierung gebe, Personen aus der Westsahara keine Rechte hätten und keine Arbeit bekommen würden. Er seit 2017 mit dem Mord bedroht worden, aber wisse nicht von wem. Er habe öfters an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen.

2.           Am 22.02.2022 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) statt, in welcher der BF seinen Asylantrag zusammengefasst damit begründete, dass er erstmals 2017 bedroht worden sei und das letzte Mal 2020, als er mit dem Motorrad fahrend von einem Fahrzeug von hinten angefahren worden sei und gestürzt sei, wobei er nicht wisse von wem. Zudem sei er ausgereist, weil man nicht sagen dürfe, was man wolle. Er sei kein Mitglied einer Partei, aber Sympathisant der Khat al Shahid. Im Jahr 2008 und 2014 sei er festgenommen und dann wieder freigelassen worden, weil er an Studentenprotesten teilgenommen hätte.

3.           Mit dem Bescheid vom 23.02.2022, Zl. römisch 40 , wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko (Spruchpunkt römisch II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt römisch VI.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt römisch VII.).

4.           Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 22.03.2022, bei der belangten Behörde eingelangt am selbigen Tag, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde zum Vorbringen des BF bezüglich der angeführten politischen Gesinnung nämlich ein Sympathisant der Khat als Shahid zu sein keine weitergehenden Ermittlungen getroffen habe und es verabsäumt habe, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Der BF habe sich jahrelang in Marokko bzw. der Westsahara politisch engagiert als Sympathisant der Organisation, die für die Befreiung der Westsahara kämpfe, sowie durch die Teilnahme an Demonstrationen. Zudem habe er sich jahrelang aktiv für die Rechte der Berberinnen in Marokko sowie regimekritisch gegen die Monarchie engagiert, weshalb er auf Grund seiner politischen Aktivitäten, seiner Zugehörigkeit zum Volk der Sahraui und zur Ethnie der Berber verfolgt werde. Beantragt werde daher, das Bundesverwaltungsgericht das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) eine mündliche Verhandlung gemäß Paragraph 24, VwGVG durchführen; 2.) falls nicht alle zu Lasten des BF gehenden Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides und er Beschwerde geltend gemacht wurde, diese amtswegig aufgreifen; 3.) den angefochtenen Bescheid – allenfalls nach Verfahrensergänzung – zur Gänze beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten gem Paragraph 3, Absatz eins, AsylG zuerkennen; 4.) der BF regt zudem an, das BVwG möge der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen bzw den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes römisch VII ersatzlos zu beheben; in eventu 6.) den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt römisch II beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten gewähren; 7.) feststellen, dass die Abschiebung nach Marokko auf Dauer unzulässig ist sowie die erlassene Rückkehrentscheidung ersatzlos beheben; in eventu 8.) den angefochtenen Bescheid gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen.

5.           Mit Schriftsatz vom 31.03.2022, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck am 06.04.2022, wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck vorgelegt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.       Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige, ledige BF ist Staatsangehöriger Marokkos. Er bekennt sich zum islamischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Berber an. Seine Identität steht nicht fest.

Er ist gesund, leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten und ist arbeitsfähig. Er fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19- Risikogruppe-Verordnung), Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 203 aus 2020,.

Der BF ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hält sich seit (mindestens) 19.01.2022 in Österreich auf. Seit 05.04.2022 ist er in einer Unterkunft der Caritas gemeldet.

Die Familie bestehend aus Eltern und seinen zwei Brüdern und zwei Schwestern lebt in Marokko. In Österreich verfügt der BF über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

In Marokko besuchte der BF zwölf Jahre die Grundschule, studierte an der Universität in Agadir Rechtswissenschaften und arbeitete als Händler, in der Landwirtschaft sowie als Gehilfe beim Anwalt. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung, Schulausbildung und Studium und seiner Gesundheit hat er eine Chance auch hinkünftig im marokkanischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der BF weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht auf.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2.       Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Marokko aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.

Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Marokko wegen politischer Aktivitäten einer Verfolgung durch den marokkanischen Staat ausgesetzt ist. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der BF wegen seiner Zugehörigkeit zu der Volksgruppe der Berber in Marokko verfolgt wurde oder dies im Falle einer Rückkehr werden wird.

Der BF muss bei seiner Rückkehr nach Marokko nicht mit einer Verfolgung rechnen und wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Eine Rückkehr des BF nach Marokko ist möglich und zumutbar und führt nicht dazu, dass er dort in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde. Es ist ihm zumutbar wieder in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren, sich dort eine Unterkunft zu nehmen, am Erwerbsleben teilzunehmen und sich daraus sein Einkommen zu sichern und sein Leben in seinem Herkunftsstaat wieder fortzuführen. Die Familie des BF lebt in Marokko. In Österreich verfügt er über keine familiären Anknüpfungspunkte. Der BF befindet sich erst seit etwa drei Monaten in Österreich und ist hier daher nicht verfestigt.

1.3.       Zur Lage im Herkunftsstaat:

Gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 177 aus 2009, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 145 aus 2019,) gilt Marokko als sicherer Herkunftsstaat.

COVID-19 Situation in Marokko:

https://covid19.who.int/region/emro/country/ma

Basierend auf den Daten der WHO (Stand: 07.04.2022) ergeben sich 1.163.726 bestätigte COVID-19-Fälle mit 16.061 Verstorbenen. Bis zum 03.04.2022 wurden insgesamt 54.308.312 Impfstoffdosen verabreicht.

Zur aktuellen Lage in Marokko werden (auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Marokko vom 18.11.2021, Version 4) zudem folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Letzte Änderung: 18.11.2021

Marokko ist eine islamisch legitimierte Monarchie mit konstitutionellen und demokratischen Elementen. Die zentralen politischen Vorrechte und die Führung des Landes liegen bei König Mohammed römisch VI. (AA 9.2.2021; vergleiche AA 31.1.2021, USDOS 30.3.2021). Die Verfassung belässt maßgebliche exekutive Reservat- und Gestaltungsrechte beim König. Er steht über den Staatsgewalten und ist staatsrechtlicher Kontrolle entzogen. In Bezug auf die Königsmacht bringt die Verfassung nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung, aber keinen Bruch mit dem bisherigen politischen System an sich (ÖB 8.2021).

Seit der Reform der Verfassung aus dem Jahr 2011 wird die Regierung jedoch durch das Parlament gebildet (AA 9.2.2021). Diese Reformen haben die Autorität über die Regierung teilweise vom Monarchen zur gewählten Legislative verschoben. Marokko führt regelmäßig Wahlen in einem parlamentarischen Mehrparteiensystem durch (FH 3.3.2021). Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die Verfassung aus dem Jahr 2011 aufgewertet, und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Neu ist die Einführung einer regionalen Staatsebene mit demokratisch gewählten Institutionen und gestärkter Selbstverwaltung, die im Zuge des Jahres 2015 mit zahlreichen Wahlgängen konkret Gestalt angenommen hat (ÖB 8.2021). Dennoch verfügt König Mohamed römisch VI. durch formale Machtbefugnisse sowie informelle Einflussmöglichkeiten in Staat und Gesellschaft über eine dominante Stellung (FH 3.3.2021).

Am 8. September 2021 wurde ein neues Parlament gewählt. Aus der Wahl ging die Partei Unabhängige Nationalversammlung (RNI) als Sieger hervor. Sie erhielt 102 Sitze. Die ebenfalls liberale Partei für Ehrlichkeit und Modernität (PAM) stellt 87 Abgeordnete vor der Mitte-Rechts-Partei Istiqlal, welche auf 81 Mandate kommt. Die seit 2011 führende gemäßigt-islamistische Partei für Recht und Gerechtigkeit (PJD) konnte lediglich 13 ihrer 125 Sitze verteidigen. Als Reaktion auf die Wahlniederlage traten die Mitglieder des Generalsekretariats der PJD sowie der bisherige Parteivorsitzende und Regierungschef zurück. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50%. Im Rahmen der Wahlen ist es laut Collectif Associatif pour l’Observation des Élections (CAOE) zu Unregelmäßigkeiten gekommen (BAMF 13.9.2021).

Die Verwaltungsstrukturen sind vornehmlich zentralistisch. Marokko ist in 12 Regionen unterteilt, die sich ihrerseits in 62 Provinzen und 13 Präfekturen untergliedern. Hierin ist auch die Westsahara enthalten, die Marokko als integralen Teil seines Territoriums betrachtet, was international jedoch nicht anerkannt wird (AA 9.2.2021).

Die Judikative wird in der Verfassung 2011 als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist dennoch vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 8.2021).

Am 24.8.2021 sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Algerien und Marokko aufgrund von Spannungen zwischen den beiden Ländern seitens Algerien abgebrochen worden (Reuters 25.8.2021). Auslöser war u.a., dass Marokko die interne Krise in Algerien ausgenutzt hat, um in den letzten Jahren Erfolge im Bereich der Westsahara-Frage zu verbuchen - etwa den Beitritt zur Afrikanischen Union (AU) 2017 und die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara durch die USA. Die im Zuge dieser Anerkennung erfolgte Normalisierung der marokkanischen Beziehungen zu Israel hat Algerien ebenfalls unter Druck gesetzt. Gleichzeitig interpretierte Algerien einige marokkanische Äußerungen der jüngerer Vergangenheit als „feindliche Aktionen“ - etwa die Forderung eines marokkanischen Diplomaten nach Selbstbestimmung für die algerischen Kabylen (ACWDC 4.11.2021).

Am 1.11.2021 wurden darüber hinaus drei algerische Staatsbürger im umstrittenen Territorium der Westsahara bei einem Drohnenangriff getötet. Die rhetorischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko sind in der Folge weiter angestiegen (MEI@75 10.11.2021). Algerien hat Gaslieferungen nach Marokko via Maghreb-Europa- Gaspipeline ebenfalls am 1.11.2021 eingestellt (MEU@75 10.11.2021; vergleiche ACWDC 4.11.2021) und liefert Gas nur noch nach Spanien (ACWDC 4.11.2021). Die Lage kann als regionaler kalter Krieg bezeichnet werden, diplomatische Bemühungen von beiden Seiten sind nötig, um militärische Konfrontationen zu vermeiden (MEU@75 10.11.2021), die jedoch als unwahrscheinlich gelten. Die gegenwärtigen diplomatischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko hingegen könnten Jahrzehnte dauern (ACWDC 4.11.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.2.2021): Marokko - Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/politisches-portrait/224120, Zugriff 23.9.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ACWDC - Arab Center Washington DC (4.11.2021): Western Sahara Figures Prominently in Algeria-Morocco Tensions, https://arabcenterdc.org/resource/western-sahara-figures-prominently-in-algeria-morocco-tensions/, Zugriff 17.11.2021

             BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.9.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw37-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             MEI@75 / Zine Labidine Ghebouli (10.11.2021): Algeria-Morocco tensions: The onset of a regional cold war, https://www.mei.edu/publications/algaeri-morocco-tensions-onset-regional-cold-war, Zugriff 17.11.2021

             Reuters (25.8.2021): Algeria cuts diplomatic relations with Morocco, https://www.reuters.com/world/algeria-says-cutting-diplomatic-ties-with-morocco-2021-08-24/, Zugrrff 17.11.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 30.09.2021

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 30.8.2021). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 19.8.2021), bzw. wird deutschen Staatsbürgern von Reisen abgeraten (AA 3.9.2021). Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 3.9.2021; vergleiche EDA 30.8.2021). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 3.9.2021; vergleiche FD 19.8.2021, BMEIA 7.9.2021).

Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht im ganzen Land das Risiko terroristischer Angriffe. Im Dezember 2018 wurden zwei Touristinnen auf einer Wandertour in der Nähe des Mont Toubkal im Atlasgebirge Opfer eines Gewaltverbrechens mit terroristischem Hintergrund (AA 3.9.2021; vergleiche EDA 30.8.2021, BMEIA 7.9.2021).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 30.8.2021; vergleiche BMEIA 7.9.2021).

Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden. Seit November 2020 haben die Spannungen in der Westsahara zugenommen. In El Guerguerat an der Grenze zu Mauretanien und entlang der Demarkationslinie ist es wiederholt zu Scharmützeln zwischen marokkanischen Truppen und Einheiten der Frente Polisario gekommen (EDA 30.8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.9.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 23.9.2021

             BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (7.9.2021): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 23.9.2021

             EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (30.8.2021): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 23.9.2021

             FD - France Diplomatie [Frankreich] (19.8.2021): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 23.9.2021

Westsahara

Letzte Änderung: 30.09.2021

Vormals spanische Kolonie, besetzte Marokko mittels Militäreinsatz und dem sogenannten grünen Marsch 1975 das Gebiet der Westsahara, Spanien zog sich 1976 offiziell zurück. Die Volksfront zur Befreiung von Saguia el-Hamra und Rio de Oro (Polisario-Front) war bereits 1973 gegründet worden. Am 27.2.1976 rief die Polisario die Demokratische Arabische Republik Sahara (SADR) aus und gründete wenige Tage später eine Exilregierung in Algerien. Es kam zum offenen Konflikt zwischen marokkanischen Streitkräften und der Polisario, der erst 1991 durch einen Waffenstillstand beendet wurde. Seitdem ist die UN Mission MINURSO vor Ort (bpb 29.3.2021).

Der Westsaharakonflikt tritt seit Jahrzehnten auf der Stelle: Marokko beansprucht Souveränität über das Gebiet der ehemaligen spanischen Kolonie, die Befreiungsbewegung Polisario pocht auf das Selbstbestimmungsrecht der saharauischen Bevölkerung und auf die Abhaltung eines Referendums. Die zahlreichen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Generalversammlung werden von beiden Seiten vom jeweiligen Standpunkt interpretiert (ÖB 8.2021). Während des Krieges begann Marokko 1981 mit der Errichtung einer mittlerweile 2.700 Kilometer langen, verminten und befestigten Sand- und Steinmauer (Berm), die die Westsahara in zwei Hälften teilt (bpb 29.3.2021).

Das Volk der Sahraui ist heute in vier geographisch verstreute Gruppen zersplittert: diejenigen, die in dem von Marokko besetzten Gebiet leben, diejenigen, die in den von der Polisario kontrollierten Gebieten wohnen, diejenigen, die in Flüchtlingslager in Algerien geflohen sind, und die saharauische Diaspora in anderen Teilen der Welt, hauptsächlich in Europa. 2014 veröffentlichten Daten zufolge sind von den 530.000 Einwohnern des von Marokko besetzten Gebiets in der Westsahara 180.000 (34%) Angehörige des marokkanischen Militärs, 245.000 sind marokkanische Zivilisten (46%) und 105.000 gehören zum Volk der Saharaui (20%). Marokko hat eine Anreiz-Politik betrieben, um Marokkaner zu ermutigen, sich in der Westsahara niederzulassen, indem neue Häuser gebaut und Arbeitsplätze angeboten wurden. Diese Strategie hatte einen großen Einfluss auf die soziale und demographische Entwicklung und Zusammensetzung der Bevölkerung im von Marokko besetzen Gebiet und hat dazu geführt, dass die Sahrauis zu einer Minderheit in ihrem eigenen Land geworden sind. Ihre Präsenz im besetzen Territorium ist auf bestimmte Gebiete und Stadtteile beschränkt (bpb 29.3.2021).

Am 13.11.2020 rückten Rund 1.000 marokkanische Soldaten in den UN-überwachten Guerguerat-Pufferstreifen, was einen Verstoß gegen das Waffenstillstandsabkommen von 1991 darstellt. Das Ende des jahrzehntealten Waffenstillstandes zwischen Marokko und der für die Unabhängigkeit eintretenden Polisario weckte die Sorge, dass der lange eingefrorene Konflikt wieder aufflammen könnte. Die Polisario beschuldigte marokkanische Sicherheitskräfte, auf Zivilisten geschossen zu haben, die friedlich demonstriert hatten, und erklärte das Ende des Waffenstillstands und die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten. Die marokkanische Regierung wies die Anschuldigungen sofort zurück und bekräftigte ihre Verpflichtung zur Waffenruhe. In den darauffolgenden Tagen griffen die Truppen der Polisario verschiedene Militärposten entlang der Ost-West-Sandbank an, die das von Marokko kontrollierte Gebiet der Westsahara von dem von der Arabischen Demokratischen Republik Sahara kontrollierten Gebiet trennt; die Zahl der Toten ist unbekannt. Die UN-Mission in der Westsahara bestätigte am 16.11.2020, dass sich die gegnerischen Seiten in den vorangegangenen Tagen einen Schlagabtausch geliefert hatten. Gewalt auf niedrigem Niveau hielt den ganzen November über an (ICG 3.12.2020).

Die Anerkennung der Souveränität Marokkos‘ über die Westsahara durch die USA im Dezember 2020 im Zuge eines Abraham Accords (bei Zusage der Normalisierung der Beziehungen Marokko-Israel) erzeugte eine neue Dynamik. Marokko tritt seither selbstbewusster auf und versucht andere Staaten dazu zu bewegen sich diesem Schritt anzuschließen. Marokko sieht die Zukunft im Verhandeln einer Autonomielösung, wobei es Verhandlungen mit der Polisario, die sich aus marokkanischer Sicht desavouiert hat, möglichst vermeiden möchte. Die Eröffnung von Konsulaten von großteils mit Marokko befreundeten afrikanischen Staaten in der Westsahara und die Zusage der Eröffnung eines Büros der USA sieht Marokko als Anzeichen einer Welle der Anerkennung der marokkanischen Souveränität. Die Polisario bzw. die kritischen Staaten lehnen diesen Ansatz ab. Algerien hat im August 2021 seine diplomatischen Beziehungen zu Marokko unter Hinweis auf eine feindselige marokkanische Politik in verschiedenen Bereichen (u.a. auch Aufbringen der Frage einer Autonomie der Kabylen in Algerien) abgebrochen (ÖB 8.2021).

Marokko und Israel haben 2021 nach 20 Jahren wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen (BAMF 15.2.2021).

Quellen:

             BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15.2.2021): Briefing Notes, Marokko: Diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw07-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 24.9.2021

             bpb - Bundeszentrale für politische Bildung (29.3.2021): Der vergessene Konflikt in Westsahara und seine Flüchtlinge, https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/329090/westsahara, Zugriff 24.9.2021

             ICG - International Crisis Group (3.12.2020): CrisisWatch November 2020: Western Sahara, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/CrisisWatch%20Print%20_%20Crisis%20Group_11.pdf, Zugriff 15.3.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 30.09.2021

Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 30.3.2021). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 30.3.2021; vergleiche AA 31.1.2021) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen (USDOS 30.3.2021). Das Gerichtssystem ist nicht unabhängig vom Monarchen, der dem Obersten Justizrat vorsitzt (FH 3.3.2021). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der teils von der Verfassung gefordert und teils von der Justizverwaltung angestoßen worden ist. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt - Oberster Justizrat) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 31.1.2021).

Die Verfassung sieht darüber hinaus eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (der erwähnte Oberste Justizrat, Gleichstellungs-Rat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch vor oder am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 8.2021).

Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 31.1.2021). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 31.1.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden (FH 3.3.2021; vergleiche AA 31.1.2021). Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam (garde à vue) zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 31.1.2021). Berichten zufolge werden Untersuchungshäftlinge in der Praxis länger als ein Jahr festgehalten, und das Gesetz enthält keine Bestimmungen, die es Untersuchungshäftlingen erlauben, ihre Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Einige Verdächtige, insbesondere diejenigen, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden tage- oder wochenlang in geheimer Haft gehalten, bevor eine formelle Anklage erhoben wird. Zudem wird Angeklagten nach ihrer Verhaftung der sofortige Zugang zu Anwälten verwehrt, und Verteidiger stoßen beim Zugang bei der Vorlage von Prozessbeweisen auf Hindernisse (FH 3.3.2021).

Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 31.1.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 30.09.2021

Die als Reaktion auf den sogenannten arabischen Frühling reformierte Verfassung von 2011 enthält einen umfangreichen Katalog an Grund- und Menschenrechten (AA 31.1.2021) und verbietet Folter und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung. Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 30.3.2020; vergleiche AA 31.1.2021). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet (AA 31.1.2021). Der CNDH (Conseil National des Droits de l'Homme / Nationaler Menschenrechtsrat) soll künftig die Rolle des Nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter einnehmen (CNDH o.D.; vergleiche AA 31.1.2021). Die Regierung bestreitet, dass sie die Anwendung von Folter erlaubt (USDOS 30.2.2021). Sie lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention (AA 31.1.2021).

Wenn auch eine systematische Anwendung von Folter und anderen erniedrigenden Behandlungsweise nicht anzunehmen ist (ÖB 8.2021; vergleiche AA 31.8.2021), werden Folter und folterähnliche Methoden punktuell praktiziert (ÖB 8.2021; vergleiche FH 3.3.2021). Es gibt Berichte, dass Folter (FH 3.3.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021) oder exzessive Polizeigewalt vorkommen (FH 3.3.2021). Es kommt weiterhin zu Berichten von übermäßiger Gewaltanwendung und Folter in Haft (FH 3.3.2021). Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat und insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z.B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang). Betroffen sind laut Bericht des UN-Menschenrechtsausschusses vom Oktober 2016 vor allem Terrorverdächtige und Personen, die Straftaten verdächtig sind, welche die Sicherheit oder die territoriale Integrität des Staats gefährden. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation AMDH (Association Marocaine des Droits Humains) geht vom Fehlverhalten einzelner Personen aus (AA 31.1.2021).

Diese Umstände werden von Menschenrechts-NGOs (ÖB 8.2021; vergleiche FH 3.3.2021) und von unabhängigen Beobachtern wiederholt angeprangert, wie insbesondere von der CNDH, vom UN-Sonderbeauftragten für Folter Juan Mendez, von der Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen, und von der früheren UN-HCHR Navi Pillay. Der seinerzeitige Justizminister Ramid hat die Staatsanwälte aufgerufen, Hinweisen und Anzeigen auf Folter rigoros nachzugehen, gleichzeitig aber auch auf den Verleumdungstatbestand hingewiesen, falls sich Anschuldigungen als haltlos erweisen (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             CNDH - Conseil National des Droits de l'Homme [Marokko] (o.D.): CNDH mandate for the protection of human rights, https://www.cndh.org.ma/an/presentation/cndhs-mandate-area-human-rights-protection, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 30.09.2021

Der Grundrechtskatalog (Kapitel römisch eins und römisch II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen „roten Linien“ - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) - quasi als „Baugesetze“ des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 8.2021). In den Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte. Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen (AA 31.1.2021).

Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam in Frage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt (AA 31.1.2021).

Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken jedoch die Meinungsfreiheit im Bereich der Presse und in den sozialen Medien ein (USDOS 30.3.2021; vergleiche AA 31.1.2021). Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich. Die unabhängige Presse wurde in der Covid-19-Krise ruhig gestellt (Stopp von Printmedien, Online-Berichterstattung weitgehend über offizielle Kommuniqués, Gesetzentwurf gegen Nutzung sozialer Medien) (AA 31.1.2021). Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten – Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten – vor allem im Gebiet der Westsahara selbst – besonders exponiert sind (ÖB 8.2021).

Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, sie wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der oben genannten drei Tabuthemen ersetzt (AA 31.1.2021). Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität bzw. den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 30.3.2021; vergleiche HRW 13.1.2021, AA 31.1.2021, FH 3.3.2021, ÖB 8.2021). Dies gilt auch für Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (HRW 13.1.2021; vergleiche ÖB 8.2021). Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden. Zwischen September 2019 und Januar 2020 verhafteten und verfolgten die Behörden in verschiedenen Städten mindestens zehn Aktivisten, Künstler, Studenten oder andere Bürger, weil sie sich in sozialen Medien kritisch über die Behörden äußerten. Sie wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, unter anderem wegen "mangelnden Respekts vor dem König", "Diffamierung staatlicher Institutionen" und "Beleidigung von Amtsträgern" (HRW 13.1.2021). Obwohl Kritik an den Staatsdoktrinen strafrechtlich sanktioniert wird, werden entsprechende Verurteilungen in den vergangen Jahren eher selten bekannt. Marokkanische NGOs sind der Auffassung, dass administrative Schikanen eingesetzt und Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z. B. Ehebruch oder Steuervergehen) angestoßen oder auch konstruiert werden, um politisch Andersdenkende sowie kritische Journalisten einzuschüchtern oder zu verfolgen (AA 31.1.2021).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die „roten Linien“ Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 31.1.2021). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 30.3.2021). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 31.1.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 31.1.2021; vergleiche FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021, HRW 13.1.2021). Laut Angaben der Menschenrechtsorganisation AMDH haben die Behörden im Jänner und Feber 2020 mindestens 13 öffentliche Versammlungen, Proteste oder Veranstaltungen verboten (HRW 13.1.2021).

2017 gab es eine Vielzahl von Protesten gegen staatliches Versagen, Korruption und Machtwillkür in der Rif-Region, die unter dem Schlagwort „Hirak“ zusammengefasst werden. Berichtet wurde von zunehmend hartem Durchgreifen der Sicherheitskräfte, Videos von Polizeieinsätzen wurden durch Aktivisten in Facebook hochgeladen (AA 31.1.2021).

Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 30.3.2021). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 13.1.2021). Politischen Oppositionsgruppen und Organisationen, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen, wird kein NGO-Status zuerkannt (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/document/2043675.html, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Todesstrafe

Letzte Änderung: 30.09.2021

Marokko verhängt weiterhin die Todesstrafe. Seit 1993 gilt jedoch ein de-facto-Moratorium, Todesurteile werden nicht mehr vollstreckt (AA 31.1.2021; vergleiche AI 2021, ECPM 2021). Im Jahr 2020 gab es gemäß AI zumindest ein Todesurteil (AI 2021), gemäß ECPM elf Todesurteile (ECPM 2021). Nach anderen Angaben wurde die Todesstrafe 2017 fünfzehn, 2018 zehn und 2019 elf Mal verhängt (AA 31.1.2021). Ende 2019 befanden sich 70 Personen zum Tode Verurteilte (darunter eine Frau) in Haft; nach neueren Angaben handelt es sich um ca. 77 Personen (ECPM 2021).

Die Partei PJD sowie konservative gesellschaftliche Kräfte lehnen mit Verweis auf den Koran und islamisches Recht eine vollständige Abschaffung der Todesstrafe ab. Eine breite zivilgesellschaftliche Koalition, der die wichtigsten marokkanischen NGOs und viele Abgeordnete beider Kammern des Parlaments angehören, engagiert sich für die Abschaffung der Todesstrafe. Beobachter halten eine Wiederaufnahme der Vollstreckung von Todesurteilen für unwahrscheinlich. In Auslieferungsverfahren besteht die Möglichkeit, eine Bestätigung zu erhalten, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt wird. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Zusage von marokkanischer Seite nicht eingehalten wird. Die marokkanischen Behörden gewähren der deutschen Botschaft den Zugang zu ausgelieferten marokkanischen Inhaftierten (AA 31.1.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             AI - Amnesty International (2021): Map of death penalties and executions around the world 2020 - Morocco (including Western Sahara), https://amnestywebsite.github.io/amnesty-death-penalty/?lang=en, Zugriff 21.9.2021

             ECPM - Ensemble contre la peine de mort (2021): The death penalty worldwide in 2020 - Morocco, https://www.ecpm.org/en/the-death-penalty-worldwide/, Zugriff 21.9.2021

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 01.10.2021

Marokko erkennt ausdrücklich in seiner Verfassung die Diversität der Nation an. Staatliche Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten ist nicht vorhanden (AA 31.1.2021). Die Verfassung enthält auch die Anerkennung der berberischen Wurzeln, Traditionen und Sprache gleichberechtigt neben dem arabischen und jüdischen Kulturerbe (ÖB 8.2021).

Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geographischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Der „Minderheitencharakter“ der Berber ist bei ca. 40% der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln relativ zu sehen. Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 8.2021).

Etwa die Hälfte der Bevölkerung macht eine berberische Abstammung geltend und spricht eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen. Dies ist wichtiger Teil ihrer Identität. Die meisten Berber in Marokko sehen sich jedoch nicht als ethnische Minderheit. Marokko fördert Sprache und Kultur der Berber inzwischen aktiv (AA 31.1.2021). Amazigh wurde zur offiziellen Sprache erklärt, vorerst bestehen aber nur vereinzelt Ansätze, dies in die Praxis umzusetzen (z.B. Straßenschilder) (ÖB 8.2021). Amazigh ist Mitte 2019 per Gesetz als Unterrichtssprache aufgewertet worden (AA 31.1.2021). Der berberische Sprachunterricht im Schulsystem ist nur wenig dicht und führt über die 6. Schulstufe nicht hinaus. Folglich ist eine höhere Bildung in berberischer Sprache nicht möglich (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 01.10.2021

Gesetzlich sind innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Behörden respektieren diese Rechte üblicherweise (USDOS 30.3.2021). Auch Sahrawis/Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit (AA 31.1.2021). Die Regierung stellt Sahrawis üblicherweise weiterhin Reisedokumente zur Verfügung. Es wird allerdings von Fällen berichtet, wo die Behörden Sahrawis daran hinderten, Reisen anzutreten (USDOS 30.3.2021).

Wer nicht per Haftbefehl gesucht wird, kann unter Beachtung der jeweiligen Visavorschriften in der Regel problemlos das Land verlassen. Dies gilt auch für bekannte Oppositionelle oder Menschenrechtsaktivisten (AA 31.1.2021).

Es gibt einige Berichte wonach Regierungsbehörden lokalen und internationalen Organisationen sowie der Presse den Zugang zum Rif und der östlichen Region verweigern. Die Regierung bestreitet dies (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Grundversorgung

Letzte Änderung: 01.10.2021

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 31.1.2021).

Die marokkanische Wirtschaft ist grundsätzlich in einer guten Verfassung und von einem langjährigen Aufschwung geprägt. Der Anstieg in den zwei Jahren vor der Corona-Pandemie wurde in erster Linie von staatlichen und ausländischen Investitionen, dem privaten Konsum, stärkeren Exporten und durch verbesserte Agrarerträge getragen. Für die Jahre 2021/2022 wird das Wirtschaftswachstum auf 4 bis 5% prognostiziert. Die Leistungsbilanz wird weiterhin von der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus Europa stark beeinflusst. Eine Rückkehr der Wirtschaftsleistung auf das Niveau von 2019 ist erst ab 2022 realistisch (WKO 2021).

Abgesehen von den Firmen- und Grenzschließungen aufgrund der Covid-19 Pandemie ist die Wirtschaftslage Marokkos von weiteren Faktoren beeinflusst. Positiv wirken sich auf die Wirtschaftslage z.B. die steigenden Exporte in der Automobilindustrie aus. Dennoch hängt das Wachstum weiterhin stark vom wetterabhängigen Agrarsektor ab. Im industriellen Bereich kam es bereits zu zahlreichen Investitionen in Umwelt- und Wassertechnologien, außerdem wurde der Maschinenpark modernisiert. Vor allem gibt es bei der absolut notwendigen und auch von der EU unterstützten Modernisierung des Industriesektors (programme de mise à niveau) zahlreiche Investitionschancen (WKO 2021).

Mittel- bis langfristig können die Wachstumsperspektiven, nicht zuletzt auch aufgrund der politischen Stabilität, als sehr gut eingestuft werden. Es herrscht eine grundsätzlich optimistische Stimmung und die Entwicklung Marokkos hin zu einem höheren Entwicklungsstand ist im Land auch visuell wahrnehmbar (WKO 2021).

Marokko ist ein agrarisch geprägtes Land: Die Landwirtschaft erwirtschaftet in Marokko ca. 20% des BIP und ist damit der bedeutendste Wirtschaftszweig des Landes. Ca. zwei Drittel der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt, davon 18% als Ackerland. Da davon nur rund 15% systematisch bewässert werden, ist die Wetterabhängigkeit sehr hoch. Der Sektor schafft 40% der Arbeitsplätze und ist Einkommensquelle für drei Viertel der Landbevölkerung. Von den 1,5 Mio. landwirtschaftlichen Betrieben sind mehr als zwei Drittel Kleinstbetriebe, die über weniger als drei Hektar Land verfügen, mit geringer Mechanisierung arbeiten und nur zu 4% am Export beteiligt sind. Die modernen Landwirtschaftsbetriebe decken erst rund ein Achtel der kultivierbaren Gesamtfläche ab (WKO 15.9.2021).

Der Beschäftigungsgrad der Bevölkerung liegt bei 47%, die Arbeitslosigkeit hat sich 2018 von 10,2% leicht auf 9,8% vermindert (WKO 15.9.2021). Nach anderen Angaben lag die Arbeitslosigkeit 2018 laut marokkanischem Statistikamt bei 12,8%. Die Dunkelziffer liegt wesentlich höher - vor allem unter der Jugend. Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021).

Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.828 Dirham (ca. EUR 270). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.060 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (15.9.2021): Die marokkanische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-marokkanische-wirtschaft.html, Zugriff 23.9.2021

             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2021): Marokko - Los geht's - Länderreport Außenwirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/marokko-laenderreport.pdf, Zugriff 23.9.2021

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 01.10.2021

Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern und gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards (AA 31.1.2021). Der öffentliche Gesundheitssektor ist in seiner Ausstattung und Qualität sowie bei der Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten (ÖB 8.2021). Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 31.1.2021).

Private Spitäler, Ambulanzen und Ordinationen bieten medizinische Leistungen in ähnlicher Qualität wie in Europa an, wenn auch nicht in allen fachmedizinischen Bereichen gleich und örtlich auf die Städte beschränkt (Casablanca, Rabat, Tanger und andere größere Städte). Diese Dienstleistungen sind freilich mit entsprechenden Honoraren verbunden. Ein Konsultation beim Wahlarzt (Allgemeinmedizin) kostet ab 150 Dirham (13 €), beim Facharzt ab 200 (17 €) Dirham bis 500 (45 €) Dirham und mehr bei Spezialisten (zum Vergleich der Mindestlohn: 2.570 Dirham/234 €) (ÖB 8.2021).

Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 31.1.2021).

Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 152 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 25.440 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.381 Einwohner); daneben bestehen 2.408 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei erhalten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 8.2021). Nach anderen Angaben sind medizinische Dienste kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt ein an die Beschäftigung geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNSS). Seit 2015 können sich unter bestimmten Umständen auch Studierende und sich legal im Land aufhaltende Ausländer versichern lassen. Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine Carte RAMED zur kostenfreien Behandlung erhalten (AA 31.1.2021).

Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. auf vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3% der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis (Carte RAMED), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

Rückkehr

Letzte Änderung: 01.10.2021

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 31.1.2021).

Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 31.1.2021). Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 8.2021).

Mit August 2021 konnten die seit der Verhängung des Ausnahmezustandes aufgrund der Covid-19 Pandemie am 20. März 2020 auf „stand by“ befindlichen Rückführungsaktivitäten von Österreich nach Marokko wiederaufgenommen werden (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1.       Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt römisch eins. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.       Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Marokko mit Stand 18.11.2021, Version 4.

Darüber hinaus wurden Auskünfte aus dem Zentralen Fremdenregister, der Grundversorgung und dem Strafregister eingeholt, weiters auch ein Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF.

Der BF bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

2.3.       Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen auf den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll vom 20.01.2022, AS 37 ff) und vor der belangten Behörde (Protokoll vom 22.02.2022, AS 84 ff). Auch im Beschwerdeschriftsatz wird von der marokkanischen Staatsangehörigkeit des BF ausgegangen. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des BF aufgekommen.

Da der BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest. Im Verfahren behauptete er, dass sich sein marokkanischer Reisepass bei einem Freund in der Türkei befinde (Protokoll vom 22.02.2022, AS 87).

Auf dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister basiert die Feststellung zu seinem Aufenthalt in Österreich.

Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab der BF vor der belangten Behörde zu Protokoll, gesund zu sein und haben sich aus dem Akteninhalt auch keine gegenteiligen Hinweise dazu ergeben (Protokoll vom 22.02.2021, AS 81). Aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes war in weiterer Folge festzustellen, dass er arbeitsfähig ist. Daher haben sich auch keine Hinweise auf medizinische Indikationen für die Zuordnung des BF zur COVID-19-Risikogruppe entsprechend der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19- Risikogruppe-Verordnung), BGBl. römisch II Nr. 203/202 ergeben.

Dass der BF in Österreich über keine persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus den Angaben des BF anlässlich seiner Einvernahmen durch die belangte Behörde (Protokoll vom 20.01.2022, AS 41; Protokoll vom 22.02.2022, AS 83) sowie aus dem Umstand seines erst sehr kurzen Aufenthalts in Österreich.

Die Feststellung zu den in Marokko lebenden Familienangehörigen basiert auf den eigenen Ausführungen des BF im Rahmen seiner Erstbefragung (Protokoll vom 20.01.2022, AS 41) und hat der BF diese Angaben vor der belangten Behörde bestätigt (Protokoll vom 22.02.2022, AS 85).

Glaubhaft erachtet der erkennende Richter die Angaben des BF bezüglich seiner Schulausbildung, seinem Studium und seiner beruflichen Tätigkeit (Protokoll vom 20.01.2021, AS 39; Protokoll vom 22.02.2022, AS 83).

Die Feststellung zur mangelnden Erwerbstätigkeit in Österreich gründet auf dem Sozialversicherungsdatenauszug, der Bezug der staatlichen Grundversorgung auf dem vorliegenden Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 05.04.2022.

Dass der BF keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht aufweist, ergibt sich aus dem Umstand, dass er solche im Verfahren weder dargelegt noch formell nachgewiesen hat.

2.4.       Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der BF gab in der Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen an, dass es verschiedene Meinungen zwischen ihm und der Regierung gebe, Personen aus der Westsahara keine Rechte hätten und keine Arbeit bekommen würden. Er sei 2017 mit dem Mord bedroht worden, aber wisse nicht von wem. Er habe öfters an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen (Protokoll vom 20.01.2022, AS 47).

Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde begründete er seinen Asylantrag zunächst damit, dass die erste Drohung 2017 stattgefunden habe und er zuletzt 2020 bedroht worden sei, als er auf dem Motorrad gewesen sei und von einem Fahrzeug hinten angefahren worden sei. Der Unfall sei Absicht gewesen und habe er nach dem Unfall Angst um sein Leben gehabt (Protokoll vom 22.02.2022, AS 87). Dass dieser Vorfall nicht ein bloßer Unfall, sondern eine konkrete gegen den BF gerichtete Bedrohung oder Verfolgung gewesen sein sollte, erscheint aus mehreren Gründen nicht glaubhaft. So gab der BF später in der Einvernahme selbst an, dass er sich nicht sicher sei, ob es sich nicht um einen Unfall gehandelt hätte. Insofern konnte der BF mit seiner Begründung, dass das Fahrzeug nicht stehengeblieben sei und Männer aus der Westsahara ihm gesagt hätten, dass es sich um einen Anschlag handeln könnte, nicht davon überzeugen, dass es sich bei dem Vorfall um einen Mordversuch an ihm gehandelt hat.

Auch im weiteren Fluchtvorbringen konnte der BF keine gegen ihn gerichtete Bedrohungs- oder Verfolgungshandlung glaubhaft machen. So behauptete der BF zwar er sei immer nachts telefonisch bedroht worden, nämlich, dass sie ihn töten würden, wenn er den Weg fortsetzen würde und sei der erste Anruf 2013 gekommen, führte dann aber aus, dass er erst wieder 2017 einmal angerufen worden sei und es im Jahr 2020 keinen Anruf gegeben hätte. Im Widerspruch dazu gab er, befragt danach, ob außer den drei Anrufen zwischen 2013 und 2020 nichts geschehen sei, auf einmal zu Protokoll: „Nein. Immer wenn es Ausschreitungen gegeben hat, kamen die Anrufe, die kamen nicht in ruhigen Zeiten.“ Der BF konnte damit weder übereinstimmend angeben, wann oder wie oft es Anrufe gegeben haben sollte, noch bei wem es sich bei den Anrufern gehandelt haben könnte, noch konnte er sonst nähere Details zu den Anrufen machen. Selbst bei hypothetischer Annahme, der BF sei von einer unbekannten Person angerufen worden, zeigen die Umstände, dass zwischen den Anrufen Abstände von vier Jahren liegen, der letzte Anruf 2017 erfolgt ist und es nach den Anrufen zu keinen Konsequenzen für den BF gekommen ist, dass diese keine Bedrohungen maßgeblicher Intensität darstellten. Aufgrund des längeren zeitlichen Abstandes zwischen den vermeintlichen telefonischen Bedrohungen und der tatsächlichen Ausreise ist nicht davon auszugehen, dass diese kausal für die Ausreise des BF aus Marokko waren.

In einer Gesamtschau der Angaben des BF konnte er nicht glaubhaft darlegen, inwiefern er aufgrund einer politischen Tätigkeit verfolgt werden sollte. Vielmehr gab er selbst an, sich keiner politischen Partei angeschlossen zu haben, aber Kontakt zu Studenten gehabt zu haben, die aus der Westsahara kommen. Selbst konkret danach befragt, ob er offizielles Mitglied der Khat al Shahid sei, gab er an eher Sympathisant, aber kein Mitglied zu sein. Der BF konnte – außer der Teilnahme an Demonstrationen – nicht darlegen, inwiefern er sich politisch für die Befreiung der Westsahara engagiert haben sollte. Es liegt deswegen kein nachvollziehbarer Grund dar, warum der BF im Falle einer Rückkehr vom marokkanischen Staat verfolgt werden sollte. Zur Unglaubwürdigkeit des BF ist auch darauf zu verweisen, dass der BF zwar zunächst behauptete, aus der Westsahara zu kommen, allerdings in weiterer Folge angab, bis zur Ausreise aus Marokko in römisch 40 , das sich nicht im Westsahara Gebiet befindet, gewohnt zu haben, und 200 km davon entfernt in Agadir an der Universität studiert zu haben. Vor dem Hintergrund, dass der BF damit nicht im Westsahara Gebiet wohnte, an der Universität in Agadir Rechtswissenschaften studierte, dieses Studium 2019 abgeschlossen hat und als Händler, in der Landwirtschaft und als Gehilfe beim Anwalt gearbeitet hat, fehlt dem Vorbringen des BF, Personen aus der Westsahara hätten keine Rechte und würden keine Arbeit bekommen, jegliche nachvollziehbare Grundlage.

Insofern der BF angab im Jahr 2008 und im Jahr 2014 wegen der Teilnahme an Studentenprotesten festgenommen worden zu sein, ist festzuhalten, dass der BF nachher noch zwölf bzw. sechs Jahre in Marokko blieb und damit nicht davon auszugehen ist, dass die vermeintlichen Festnahmen Grund für die Ausreise des BF aus Marokko im Jahr 2020 waren.

Wenn im Beschwerdeschriftsatz erstmals behauptet wird, dass der BF in Marokko auch wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Berber verfolgt wird, so erscheint dies deswegen nicht glaubhaft, weil der BF in keiner der Einvernahmen eine Verfolgung oder Bedrohung wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit vorgebracht hat und auch im Beschwerdeschriftsatz keine konkrete Bedrohungssituation dargelegt wurde, sondern nur oberflächlich eine Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu den Berbern behauptet wurde. Außerdem ist in diesem Zusammenhang auf das zitierte Länderinformationsblatt (Pkt. 1.3.) zu verweisen. Aus diesem ergibt sich nämlich, dass der „Minderheitencharakter“ der Berber bei ca. 40% der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln relativ zu sehen ist und nach Einschätzung der Botschaft eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen mag, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster nicht erkennbar ist (ÖB 8.2021). Zudem geht hervor, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung eine berberische Abstammung geltend macht und eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen spricht. Der BF brachte keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungs- oder Bedrohungshandlung aufgrund seiner berberischen Zugehörigkeit vor, weshalb in weiterer Folge keine asylrelevante Verfolgung festzustellen war.

Zusammengefasst gelang es dem BF nicht eine wohlbegründete Furcht vor einer gegen ihn gerichteten Verfolgung oder Bedrohung durch eine schlüssige und nachvollziehbare Schilderung glaubhaft zu machen.

Auch ergeben sich aus gesundheitlichen Erwägungen angesichts der COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf den BF. Das Risiko, an COVID-19 zu erkranken, ist in Österreich nicht geringer als in Marokko. Dass der BF derzeit an einer COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen, vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt bei unter 1%. Es fehlt daher auch vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie fallgegenständlich an den geforderten außergewöhnlichen Umständen iSd Artikel 3, EMRK.

In weiterer Folge führt eine Rückkehr des BF nach Marokko nicht automatisch dazu, dass er einer wie auch immer gearteten existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Auch ist er angesichts der weitgehend stabilen Sicherheitslage nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Da der BF im Herkunftsland über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, er gesund und arbeitsfähig ist und keine sonstigen außergewöhnlichen Umstände vorliegen, ist es für das erkennende Gericht schlüssig nachvollziehbar, dass die belangte Behörde davon ausgeht, dass dem BF in Marokko keine Gefahren drohen, die einen subsidiären Schutz rechtfertigen würden.

Aus dem zitierten Länderinformationsblatt ergibt sich, dass die marokkanische Wirtschaft grundsätzlich in einer guten Verfassung und von einem langjährigen Aufschwung geprägt ist, sich die Arbeitslosigkeit seit 2018 vermindert hat und das nationale Arbeitsmarktservice eine Internet-Plattform zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt und auch Fortbildungsmöglichkeiten angeboten werden. Zudem führt die marokkanische Regierung Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Der BF brachte keine gesundheitlichen Einschränkungen oder einen Behandlungsbedarf vor, sodass auf spezifische medizinische Versorgungsmöglichkeiten nicht weiter eingegangen werden muss.

Damit ist die Beurteilung der Fluchtgründe und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht dieser anschließt.

2.5.       Zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Wie bereits erwähnt gilt Marokko gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 177 aus 2009, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 145 aus 2019,) als sicherer Herkunftsstaat.

Die gegenständlichen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat gründen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 18.11.2021, Version 4. Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Marokko ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Nach Würdigung sämtlicher Umstände steht für das Bundesverwaltungsgericht fest, dass Marokko ein Staat ist, der hinsichtlich seiner Bürger schutzfähig und schutzwillig ist und dass dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen BF daher aufgrund der Lage im Herkunftsstaat mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Gefahr an Leib und Leben oder einer unmenschlichen Strafe droht, wenn er nach Marokko zurückkehrt.

Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen weder im Administrativverfahren noch im Beschwerdeverfahren substantiiert entgegen, sodass die der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte nicht in Zweifel zu ziehen waren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Absch A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Artikel eins, Absch A Ziffer 2, GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Absch A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2.   Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt römisch II.2.4. bereits dargelegt wurde, konnte der BF keine konkreten, gegen ihn persönlich gerichteten Verfolgungs- oder Bedrohungshandlungen glaubhaft machen.

Zum einen konnte der BF hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zu den Berbern keine gegen ihn gerichtete Verfolgungs- oder Bedrohungshandlung vorbringen. Zum anderen konnte nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund einer politischen Tätigkeit in Marokko einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder sein wird.

Da nicht festgestellt werden konnte, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden außerhalb von Marokko befindet, liegen die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht vor.

Daher ist festzustellen, dass dem BF im Herkunftsstaat Marokko keine Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht und dem Vorbringen des BF keine Asylrelevanz zukommt. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage:

Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden. Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des Paragraph 11, leg. cit. offen steht.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht vergleiche VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen vergleiche VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Dem BF droht in Marokko - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung. Zudem handelt es sich bei Marokko um einen sicheren Herkunftsstaat.

Auch dafür, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Auch wurden in der Beschwerde keine gewichtigen Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass dem BF im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde.

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Marokko nicht vor, sodass aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber aufgrund der aktuellen Situation festzuhalten, dass auch die COVID-19-Pandemie einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat nicht entgegensteht. So ist der BF jung, gesund und leidet an keinen Atemwegserkrankungen oder anderen chronischen Krankheiten. Er gehört somit nicht zur Risikogruppe im Sinne der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung. Auch die offiziellen Zahlen der an COVID-19 Erkrankten in Marokko zeigen aktuell kein für eine Schutzgewährung hinreichend signifikantes Risiko für den BF auf.

Der BF hat nach eigenen Angaben in Marokko Rechtswissenschaften studiert und in verschiedenen Bereichen (in der Landwirtschaft, als Händler, als Gehilfe bei einem Anwalt) gearbeitet. Darüber hinaus hat er bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie in einem Haus gewohnt, das in ihrem Eigentum steht. Aufgrund dieser Ausführungen ist davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Marokko auf die finanzielle Unterstützung, das soziale Netz und eine gesicherte Wohnunterkunft der Familie zurückgreifen können wird. Darüber hinaus wird es dem BF aufgrund seiner Schulausbildung, seinem Studium und seiner Arbeitserfahrung möglich sein, wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit seinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Überdies kann er sich dort in seiner Muttersprache verständigen, wohingegen er in Österreich – auch seines erst sehr kurzen Aufenthaltes geschuldet – weder über ein soziales Netzwerk noch über Deutschkenntnisse verfügt.

Zum Beschwerdeeinwand, dem BF wäre es in Marokko aufgrund der Umstände nicht möglich einer Arbeit nachzugehen bzw. genügend zu verdienen, ist anzumerken, dass das erkennende Gericht nicht verkennt, dass die wirtschaftliche Lage in Marokko nicht mit jener in Österreich verglichen werden kann. Den Länderfeststellungen ist allerdings zu entnehmen, dass die marokkanische Regierung Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus führt und Arbeitssuchenden die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org) steht, die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021). Dass der BF jedoch allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Marokko bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Marokko keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können.

Zusammenfassend ist der BF durch die Abschiebung nach Marokko nicht in seinem Recht gemäß Artikel 3, EMRK verletzt, weil Hinweise auf exzeptionelle Umstände fehlen und die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua).

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch II. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1.   Rechtslage:

Gemäß Paragraph 58, Absatz eins, AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Ziffer 2,) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Ziffer 5,). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (Paragraph 58, Absatz 3, AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der Paragraphen 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2.   Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Im Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen - gemeint war wohl eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß Paragraph 57, Asylgesetz 2005 - nicht erteilt werde.

Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des Paragraph 46, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der BF Opfer von Gewalt im Sinne des Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes römisch III. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 57, AsylG, abzuweisen war.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides):

3.4.1.   Rechtslage:

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere die in Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Zu prüfen ist, ob die von der belangten Behörde getroffene Rückkehrentscheidung mit Artikel 8, EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach Paragraph 55, AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Artikel 8, EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 19.01.2022 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung am 08.04.2022, lediglich eine Dauer von zweieinhalb Monaten. Der seit 19.01.2022 andauernde Aufenthalt des BF beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Das Gewicht seiner etwaigen privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war vergleiche VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0049; VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721).

Hinsichtlich eines in Österreich im Sinne des Artikel 8, EMRK geschützten Familienlebens ist auszuführen, dass das Bestehen eines Familienlebens vom BF nicht behauptet wurde und der BF – wie die belangte Behörde zu Recht ausführt – nach eigenen Angaben in Österreich über keine Verwandten oder sonstigen familiären Anknüpfungspunkte verfügt.

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind schon im Hinblick auf die äußerst kurze Dauer seines bisherigen Aufenthalts in Österreich (seit Mitte Jänner 2022) nicht erkennbar. Dabei wird nicht verkannt, dass im Beschwerdeschriftsatz ausgeführt wird, dass er die deutsche Sprache lerne und sich bemühe in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Allerdings war dies insofern zu relativieren, als keine Nachweise eines Deutschkurses oder eines sonstigen Engagements oder einer Integration vorgelegt wurden.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber. Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Artikel 8, Absatz 2, EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt vergleiche zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich.

Hinsichtlich seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit ist auszuführen, dass diese nach der Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420), da der VwGH davon ausgeht, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG und Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG sind erfüllt. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch IV. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG und Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG abzuweisen war.

3.5. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf. des angefochtenen Bescheides):

3.5.1.   Rechtslage:

Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen vergleiche dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch den Beschluss VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des Paragraph 50, Absatz 2, FPG, da dem BF keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch fünf. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 9, FPG abzuweisen war.

3.6. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt römisch VI. und römisch VII. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß Paragraph 18, Absatz eins, Ziffer eins, BFA-VG kann vom BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (Paragraph 19, BFA-VG) stammt. Sichere Herkunftsstaaten sind ua die Herkunftsstaaten, die mit Verordnung der Bundesregierung als sichere Herkunftsstaaten festgestellt wurden (Paragraph 19, Absatz 5, Ziffer 2, BFA-VG).

Nach Paragraph eins, Ziffer 9, Herkunftsstaaten-Verordnung, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 177 aus 2009,, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 145 aus 2019,, gilt Marokko als sicherer Herkunftsstaat.

Nach Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK, Artikel 8, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Wie bereits oben erörtert, besteht bei der Rückkehr des BF nach Marokko keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Artikel 8, EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienleben in Österreich nicht zu befürchten. Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des BF und jenen Österreichs ergibt, wie bereits oben ausgeführt, einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG gegeben.

Gemäß Paragraph 55, Absatz eins a, FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG erfolgt ist. Zu Recht hat daher die belangte Behörde Paragraph 55, Absatz eins a, FPG zur Anwendung gebracht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch VI. und römisch VII. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 18, Absatz eins, BFA-VG abzuweisen war.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine Beschwerdeverhandlung kann gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG entfallen, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage – den darin aufscheinenden Einvernahmen des BF und den darin getätigten gleichbleibenden Angaben – in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, die Entscheidung in zeitlicher Nähe liegt, die gebotene Aktualität aufweist und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Somit kann selbst bei Berücksichtigung aller zugunsten des BF sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis erzielt werden und vermag daran auch eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht und ein dabei gewonnener (positiver) persönlicher Eindruck nichts zu ändern vergleiche VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0180; 06.04.2020, Ra 2019/01/0430).

Zudem liegt ein Verfahren nach Paragraph 18, BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet binnen sieben Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach Paragraph 18, Absatz 5, VFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall – wie oben dargelegt – aber nicht gegeben.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG in Verbindung mit Paragraph 24, VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2022:I421.2253573.1.00