Bundesverwaltungsgericht
05.04.2022
L515 2218104-1
L515 2218590-1/24E
L515 2218102-1/22E
L515 2218107-1/22E
L515 2218104-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. ungeklärt, vertreten durch RAe Dr. DELLASEGA Martin & Dr. KAPFERER Max, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2019, Zl. 16- römisch 40 , zu Recht erkannt:
A)
römisch eins) Die Beschwerde wird gemäß 28 Absatz eins, VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, idgF gegen die Spruchpunkte römisch eins., römisch II., römisch III., römisch IV. und römisch VII. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Spruchpunkte römisch II. und römisch IV. des angefochtenen Bescheides zu lauten haben:
Spruchpunkt römisch II. „Ihr Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz 6 Satz 1 AsylG 2005 idgF abgewiesen.“
Spruchpunkt römisch IV. „Gemäß Paragraph 10, Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG idgF wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2 Ziffer 2 FPG 2005 in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz 6 Satz 2 AsylG 2005 idgF erlassen.“
römisch II) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VI. wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass dieser zu lauten hat: „Gemäß Paragraph 55, FPG idgF beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“
römisch III) Spruchpunkt römisch fünf. wird aufgrund der Erlassung einer zielstaatlosen Rückkehrentscheidung ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. ungeklärt, vertreten durch RAe Dr. DELLASEGA Martin & Dr. KAPFERER Max, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.03.2019, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:
A)
römisch eins) Die Beschwerde wird gemäß 28 Absatz eins, VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, idgF gegen die Spruchpunkte römisch eins., römisch II., römisch III., römisch IV. und römisch VIII. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Spruchpunkte römisch II. und römisch IV. des angefochtenen Bescheides zu lauten haben:
Spruchpunkt römisch IV. „Gemäß Paragraph 10, Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG idgF wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2 Ziffer 2 FPG 2005 in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz 6 Satz 2 AsylG 2005 idgF erlassen.“
römisch II) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VI. wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass dieser zu lauten hat: „Gemäß Paragraph 55, FPG idgF beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“
römisch III) Spruchpunkt römisch fünf. wird aufgrund der Erlassung einer zielstaatlosen Rückkehrentscheidung ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. ungeklärt, vertreten durch RAe Dr. DELLASEGA Martin & Dr. KAPFERER Max, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.03.2019, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:
A)
römisch eins) Die Beschwerde wird gemäß 28 Absatz eins, VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, idgF gegen die Spruchpunkte römisch eins., römisch II., römisch III., römisch IV. und römisch VII. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Spruchpunkte römisch II. und römisch IV. des angefochtenen Bescheides zu lauten haben:
Spruchpunkt römisch II. „Ihr Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz 6 Satz 1 AsylG 2005 idgF abgewiesen.“
Spruchpunkt römisch IV. „Gemäß Paragraph 10, Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG idgF wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2 Ziffer 2 FPG 2005 in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz 6 Satz 2 AsylG 2005 idgF erlassen.“
römisch II) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VI. wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass dieser zu lauten hat: „Gemäß Paragraph 55, FPG idgF beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“
römisch III) Spruchpunkt römisch fünf. wird aufgrund der Erlassung einer zielstaatlosen Rückkehrentscheidung, ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. ungeklärt, vertreten durch RAe Dr. DELLASEGA Martin & Dr. KAPFERER Max, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.03.2019, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:
A)
römisch eins) Die Beschwerde wird gemäß 28 Absatz eins, VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, idgF gegen die Spruchpunkte römisch eins., römisch II., und römisch III. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: „Ihr Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz 6, AsylG 2005 idgF abgewiesen.“
römisch II) Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 10, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG idgF und gemäß Paragraph 52, FPG 2005 idgF auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß Paragraphen 54,, 55 AsylG 2005 idgF wird der beschwerdeführenden Partei
römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. ungeklärt,
ein Aufenthaltstitel in der Form einer „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum erteilt.
römisch III) Die Spruchpunkte römisch fünf., römisch VI., römisch VIII. des angefochtenen Bescheides werden gemäß Paragraph 28, Absatz eins und 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrenshergang
römisch eins.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP4“ bezeichnet) brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 04.01.2016 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein.
römisch eins.1.1. Die bP1 ist die Mutter der bP2. Die bP2 ist mit der bP3 „traditionell“ verheiratet und die bP4 ist deren volljähriger Sohn.
römisch eins.2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.01.2016 brachten die bP einheitlich vor, kurdische Jeziden und Staatsangehörige der Russischen Föderation zu sein. Befragt, wären die bP illegal ausgereist und hätten nie Reisedokumente oder sonstige Identitätsnachweise besessen. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe aus der Russischen Föderation führten die bP an, dass sie aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit zu den Kurden und ihrer Religionsangehörigkeit zu den Jeziden von ‚den Tschetschenen‘ verfolgt, unter Druck gesetzt und erpresst worden seien. Im Falle einer Rückkehr hätten die bP Angst um ihr Leben. Die Erstbefragungen wurden mit einem Dolmetscher der kurdischen Sprache geführt. Verständigungsschwierigkeiten habe es - ausdrücklich befragt - nicht gegeben. Die bP2 bis bP4 gaben außerdem an, neben der kurdischen Sprache auch die russische Sprache zu beherrschen.
römisch eins.3. Im Rahmen einer Stellungnahme durch die rechtsfreundliche Vertretung der bP vom 02.01.2019 brachte diese vor, dass die bP staatenlos seien. Sie hätten bis ca. 1990 in römisch 40 , Berg Karabach gelebt und danach in Russland. Vor 1990 hätten sie Dokumente der UdSSR besessen, diese allerdings verloren. In Russland hätten die bP weder Dokumente noch die russische Staatsbürgerschaft erworben. Nur die bP2 hätte einen russischen Führerschein besessen, den sie bei einem Freund in Russland zurückließ, diesen aber nicht mehr erreichen würde. Die bP würden Kurdisch-Kurmandschi sprechen und die bP1 wäre aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage persönlich zur Einvernahme vor der bB zu erscheinen.
römisch eins.4. Vor einem Organwalter der bB brachten die bP2 bis bP4 – unter Beiziehung eines Dolmetschers der Sprache Kurdisch – am 20.02.2019 zusammengefasst Folgendes vor:
Die bP2 gab wiederholt an, in römisch 40 geboren zu sein. Die bP2 habe im Dorf römisch 40 (phon.) in Aserbaidschan bis zum 13. Lebensjahr gelebt und sei anschließend mit ihren Eltern nach Russland ausgereist. Dort hätten sie in römisch 40 , in der Nähe von römisch 40 gelebt. Die Mutter sei mit nach Österreich gereist, der Vater sei bereits in Russland verstorben. Welche Staatsbürgerschaft die Eltern gehabt hätten, wisse die bP2 nicht und ergänzte hierzu, dass sie alle keine Staatsbürgerschaft hätten. (Reise-)Dokumente hätte die bP2 nie besessen. Zwar hätte die bP2 einen russischen Führerschein gehabt, diesen aber bei einem Freund in Russland gelassen. In Russland hätte die bP2 als Landwirt und Lebensmittelhändler den Unterhalt verdient. Die bP3 hätte sie aus römisch 40 gekannt und im Jahr 1992 in Russland geheiratet. Die bP2 gab an, die Sprachen Kurdisch auf Mutterspracheniveau zu beherrschen und darüber hinaus gut Russisch zu sprechen und Armenisch rudimentär zu können. Als Zielland hätten die bP Deutschland ausgewählt gehabt. Befragt zum Fluchtgrund brachte die bP2 in freier Erzählung Folgendes vor: „Es gab große Probleme wegen Tschetschenen. Eine jesidische Person, ein Freund von mir, hat Probleme gehabt mit einem Tschetschenen und der Jesiden hat mit einem Messer den Tschetschenen erstochen und er ist an diesen Angriff gestorben. Die Tschetschenen haben sich getroffen und es waren etwa 50 Personen und es gab Schlägereien. Wir waren 15 Personen und sind weggelaufen, sie sind uns gefolgt, weil sie unsere Kinder töten wollen. Es war glaube ich im August oder September 2015. Wir hatten Angst und wir haben unsere Sachen verkauft und wir sind dann zu Freunden nach römisch 40 geflüchtet. Der Freund von mir hat auch den Schlepper organsiert. Dies war alles.“ Persönliche Übergriffe gegen die bP2 respektive Angriffe auf Familienmitglieder hätte es nicht gegeben. Auch würde es keine Berichte oder sonstigen Beweismittel zu dem berichteten Vorfall geben. Wie der getötete Tschetschene geheißen habe, wäre der bP2 nicht mehr erinnerlich. Der Freund, der ihn umgebracht haben soll, soll römisch 40 geheißen haben. Wann dieser Vorfall stattgefunden haben soll, datierte die bP2 zwischen 20. oder 22. August 2015. Befragt habe es keine weiteren Vorfälle gegeben.
Die bP3 brachte wiederholt vor, in römisch 40 geboren zu sein und bis zum 13. Lebensjahr dort gelebt zu haben. Wo genau ihr Geburtsort liegen würde oder was in der Nähe sei, wisse sie nicht. Sie habe auch keine Schulbildung genossen. Befragt zur Staatsbürgerschaft der Eltern gab die bP3 an, dass sie Jeziden gewesen wären und keine Staatsbürgerschaft gehabt hätten. Die Eltern wären bereits verstorben. Ein Bruder würde in Russland leben. Kontakt zum Bruder bestünde nicht. Onkel oder Tanten habe die bP3 keine. Ihren Sohn (bP4) habe die bP3 in Russland zur Welt gebracht. Dieser habe Privatunterricht erhalten um lesen und schreiben zu lernen. Zum Fluchtgrund schilderte die bP2 in der freien Erzählung Folgendes: „Wir haben Probleme mit Tschetschenen bekommen, weil ein Jezide hat einen Tschetschenen getötet. Die Tschetschenen und Jeziden haben sich im Streit getroffen. Die Tschetschenen wollten unsere Kinder tötet, daher sind wir nach römisch 40 geflüchtet. Es waren circa 40 bis 50 Personen. Ich bin gefallen und habe mein Bein verletzt. Sonst haben wir gearbeitet, deswegen sind wir aus unserer Heimat geflüchtet. Dies ist alles.“ Persönliche Angriffe auf Familienmitglieder oder auf sie selbst wurden verneint. Die behauptete Ermordung des Tschetschenen datierte die bP3 auf Sommer 2015. Wie die getötete Person geheißen haben soll, wisse die bP3 nicht mehr. Es würde aber Zeitungsberichte von dem Vorfall geben und auch im Fernsehen sei davon berichtet worden.
Die bP4 brachte wiederholt vor, in römisch 40 / Russland geboren zu sein und ausschließlich in Russland gelebt zu haben. Die bP4 wüsste nicht, wo ihre Eltern geboren wären. Dokumente habe sie nie besessen und zur Schule sei sie auch nicht gegangen. Lesen und Schreiben habe sie von Freunden gelernt. Sonst habe sie für die Familie gearbeitet und sich um das Vieh gekümmert. Die bP4 habe in Österreich traditionell geheiratet. Die Ehefrau heiße römisch 40 , geb. römisch 40 und halte sich rechtmäßig mit einem Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf. Sie sei im siebten Schwangerschaftsmonat. Auf die Frage nach dem Fluchtgrund führte die bP4 wie folgt aus: „Es gab Probleme mit Tschetschenen. Unsere Jeziden Freunde mit einem Tschetschenen Probleme gemacht. Ich habe gehört, dass wir deswegen ausreisen mussten. Ein Freund von uns hat einen Tschetschenen getötet. Sonst weiß ich nichts, mein Vater weiß alles dazu.
(Ende der freien Erzählung)
F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?
A: Nein, ich habe alles erzählt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.
F: Gab es jemals einen Übergriff auf Sie persönlich?
A: Es gab Übergriffe von Tschetschenen. Sie wollten mich töten.
F: Wie ist dieser Übergriff auf Sie abgelaufen?
A: In unserem Dorf haben sie gesagt wir dich töten, deswegen haben meine Eltern Angst bekommen und wir sind geflüchtet.
F: Ist jemand an Sie persönlich an Sie heran getreten und hat Sie mit dem Tod bedroht?
A: Ja, die Tschetschenen.
Anmerkung: Frage wird erklärt und wiederholt.
A: Ich war alleine bei den Kühen und 12 Personen, Tschetschenen, haben mir gesagt, wir werden dich töten.
F: Wann war dies?
A: Ich weiß nicht genau.
F: Wie lang vor Ihrer Ausreise war es?
A: Ich weiß es nicht genau.
F: Was für ein Wochentag war es?
A: Ich weiß es nicht genau.
F: Haben Sie Ihren Eltern davon erzählt?
A: Ja.
F: Wie haben diese darauf reagiert?
A: Sie haben Angst bekommen.
F: Was haben Sie nach der Drohung gemacht?
A: Ich hatte Angst und bin weggelaufen.
F: Haben diese Leute sie verfolgt?
A: Ja, aber, dann sind nicht weiter gelaufen.
F: Kannten Sie diese Leute?
A: Nein.
F: Woher wussten Sie, dass es Tschetschenen sind?
A: Ich weiß es weil es Tschetschenen waren.
F: Woran stellen Sie so etwas fest?
A: Es hat eine der Tschetschenen gesagt, wir sind Tschetschenen.
F: Haben Sie sich bezüglich der erwähnten Probleme jemals an die staatlichen Behörden oder anderweitige Organisationen gewandt und diese um Hilfe ersucht?
A: Nein.
F: Wieso nicht?
A: Wir haben Angst und hatten keine Dokumente.
F: Sie haben Ihr ganzes Leben ohne Dokumente gelebt, warum sollten Sie keine Hilfe von den Behörden bekommen wenn Sie bedroht würden?
A: Ich weiß es nicht.
Vorhalt: Ihre Mutter und Vater haben gesagt es gab keine Übergriffe auf Mitglieder der Familie. Ihre Angaben stehen also im klaren Widerspruch zu den Angaben Ihrer Eltern.
A: Ich weiß nicht. Die Tschetschenen haben es so gesagt.
F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?
A: Ich möchte nicht zurück weil ich Angst habe.
F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?
A: Nein.
F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?
A: Angst und keine Dokumente.
…“
römisch eins.5. Laut einer Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung war die bP1 im Rahmen des Administrativverfahrens aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage persönlich bei der bB zu erscheinen und einvernommen zu werden. Die bP1 berief sich auf die Gründe ihrer Angehörigen bzw. auf den gemeinsamen Familienverband. Deren verfahrensrechtliches Schicksal stellt sich mit dem der bP2 und bP3 vergleichbar dar.
römisch eins.6. Mangels eindeutiger Angaben zur Herkunft der bP beauftragte die bB das in Schweden ansässige Sprachinstitut ‚Sprakab‘ mit einer Sprach- und Herkunftsanalyse in Bezug auf die bP2 bis bP4. Unter Zugrundelegung des Sprachanalyse-Berichts stellte sich heraus, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der sprachliche Hintergrund der bP2 bis bP4 in Armenien liegen würde und mit nur geringer Wahrscheinlichkeit in Aserbaidschan. Der Sprachgebrauch der bP2 bis bP4 weist Merkmale auf, die dem von Kurmandschisprachigen mit Hintergrund in Armenien entsprechen und weist Einflüsse des in Armenien gesprochenen Armenischen auf.
römisch eins.7. Im Zuge des Parteiengehörs zum Ergebnis der Sprach- und Herkunftsanalyse betonten die bP2 bis bP4 in einer ergänzenden Einvernahme vor der bB, aus Russland zu kommen und nichts mit Armenien zu tun zu haben. Darüber hinaus brachte die bP1 in einer Stellungnahme durch die rechtsfreundliche Vertretung am 29.03.2019 Folgendes vor (Formatierung nicht dem Original entsprechend):
„…
Die Antragstellerin hält ihre Angaben vollständig aufrecht. Aus den Einvernahmen und Erhebungen des BFA in den Verfahren ihres Sohnes und Enkels ist nicht ableitbar, dass sie die armenische Staatsbürgerschaft hätte. Sie wurde in römisch 40 in der damaligen SSR-Aserbaidschan geboren. Aufgrund des Berg Karabach Konfliktes floh die Familie im Jahr 1991 nach Russland und ließ sich in römisch 40 nieder. Sie hat immer das bis zum Jahre 1991 in römisch 40 gesprochene Jezidisch Kurmandschi gesprochen. römisch 40 gehört nunmehr zu Armenien. Welche Sprache bzw. welcher Dialekt des Kurmandschi nunmehr in Armenien gesprochen wird, ist der Antragstellerin nicht bekannt. Es ist absolut unzulässig und falsch bei Personen, die im Jahre 1991 römisch 40 verlassen haben und in weiterer Folge in Russland gelebt haben, aufgrund einer Sprachanalyse im Jahre 2019 eine „Staatsangehörigkeit von Armenien“ festzustellen. Diese Feststellung ist willkürlich und falsch. Aus der Sprachanalyse kann höchstens abgeleitet werden, dass die Personen in diesem Gebiet sozialisiert wurden, was natürlich nichts über die Staatsbürgerschaft aussagt. Dies müsste einer Spezialbehörde bekannt sein.
…“
römisch eins.8. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich der bP2 und bP4 in Bezug auf den Herkunftsstaat „Herkunftsland“ (gemeint wohl: Armenien) und hinsichtlich der bP1 und bP3 in Bezug auf Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungs-würdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde in Bezug auf die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung hinsichtlich der bP2 und bP4 in Bezug nach „Herkunftsland“ (gemeint wohl: Armenien) und hinsichtlich der bP1 und bP3 nach Armenien gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch IV. und römisch fünf.). Gemäß Paragraph 18, Absatz eins, Ziffer eins und 3 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung im Falle einer Beschwerde aberkannt (Spruchpunkt römisch VII.) und festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt römisch VI.). Weiters wurde gegen die bP gemäß Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 2, Ziffer 6, FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch VII in Bezug auf die bP1, bP3 und bP4, Spruchpunkt römisch VIII in Bezug auf die bP2).
römisch eins.8.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP zu ihren Fluchtgründen als unglaubwürdig und darüber hinaus als nicht asylrelevant und stellte unter Zugrundelegung der Sprachanalyse fest, dass die bP aus Armenien stammen würden und armenische Staatsbürger seien. Die Angaben zum Ausreisegrund seien – unabhängig der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvortrages - deshalb nicht asylrelevant, da sie sich lediglich auf Russland beziehen würden und als Herkunftsstaat der bP Armenien festgestellt worden sei. In Armenien würden die bP in keine dauerhaft aussichtslose Lage gedrängt werden, zumal die bP Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könnten und vor dem Hintergrund der persönlichen Verhältnisse die Rückkehr nicht als unzumutbar erscheine. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben sei nicht zu erkennen gewesen und aufgrund der Mittellosigkeit erscheine auch ein Einreiseverbot von zwei Jahren als gerechtfertigt.
römisch eins.8.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die bB ausführliche und schlüssige Feststellungen.
römisch eins.8.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GFK noch unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es ergaben sich weiters keine Hinweise auf einen Sachverhalt, welcher zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG führen würde und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Artikel 8, EMRK dar, weshalb die Rückkehrentscheidung in Bezug auf Armenien und die Abschiebung dorthin zulässig sei. Im Falle einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gemäß Paragraph 18, Absatz eins, Ziffer eins und 3 BFA-VG aberkannt und festgestellt, dass die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen würden und über ihre Identität zu täuschen versuchten. Ferner bestünden gewichtige fremdenpolizeiliche Interessen, welche die Erlassung eines Einreiseverbotes gemäß Paragraph 53, FPG gebieten würden.
römisch eins.9. Gegen die genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde wegen behaupteter Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhoben. So sei die bB fälschlicherweise, ohne sich näher mit den Angaben der bP in Verbindung mit dem Staatsbürgerschaftsrecht der in Frage kommenden Herkunftsstaaten zu befassen, davon ausgegangen, dass die bP armenische Staatsbürger seien. Hinzu komme, dass die bP4 niemals in Armenien gelebt habe und mittlerweile eine Ehefrau und einen Sohn im Bundesgebiet habe. Darüber hinaus habe die bB verkannt, dass die bP2 bis bP4 durchaus arbeitsfähig und arbeitswillig seien und eine positive Zukunftsprognose für die bP erstellt werden könne, wodurch sich die Verhängung eines auf zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes nicht rechtfertigen lasse.
römisch eins.9.1. Beantragt wurde, dass das ho. Gericht eine mündliche Verhandlung anberaume und die angefochtenen Bescheide dahingehend abändere, dass den Anträgen auf internationalen Schutz Folge gegeben und der Status eines Asylberechtigen, in eventu der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, in eventu ein Aufenthaltstitel erteilt werde, jedenfalls die aufschiebende Wirkung zuerkannt und eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt werde. Darüber hinaus wurde beantragt, das befristete Einreiseverbot ersatzlos zu beheben sowie in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die bB zurückzuverweisen.
römisch eins.10. Jeweils mit Beschluss vom 09.05.2019 zu GZ: L525 2218102-1/2Z; L525 2218104-1/2Z; L525 2218107-1/2Z und vom 22.05.2019 zu GZ L525 2218590-1/2Z wurde den Beschwerden der bP gemäß Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
römisch eins.11. Die Rechtssache wurde vorerst der ho. Gerichtsabteilung L525 zugewiesen und in weiterer Folge mit Beschluss des ho. Geschäftsverteilungsausschusses vom 23.03.2021 der Gerichtsabteilung L525 abgenommen und der Gerichtsabteilung L515 zur weiteren Erledigung zugewiesen.
römisch eins.11.1. Im Zuge des ergänzenden Ermittlungsverfahrens wurden die bP am 09.08.2021 schriftlich dazu eingeladen, durch die vollständige Beantwortung eines mitgeschickten Fragenkataloges, welcher sich in Bezug auf die bP, insbesondere auf die Bescheinigbarkeit der Identität und die Gründe des gegenständlichen Antrages, die aktuellen Rückkehrhindernisse, sowie die privaten und familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet bezieht, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, allfällige Bescheinigungsmittel vorzulegen bzw. ein allfälliges ergänzendes Vorbringen zu erstatten. Hierbei wurden nachfolgende Fragen an die bP gerichtet:
„1) Geben Sie bekannt, ob sich seit der Einbringung der Beschwerde Änderungen hinsichtlich Ihrer persönlichen Problemlage in Ihrem Herkunftsstaat ergeben haben, die aktuell im Falle der Rückkehr für Sie persönlich ein Rückkehrhindernis darstellen würden und machen Sie dazu gegebenenfalls - im Sinne Ihrer gesetzlichen Mitwirkungs- u. Verfahrensförderungspflicht - konkrete und vollständige Angaben.
2) Geben Sie Ihren letzten Wohnort unter genauer Nennung der Adresse in Ihrem Herkunftsstaat an.
3) Stehen Sie zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Frage wegen einer Krankheit in medizinischer Behandlung oder unterziehen Sie sich einer sonstigen Therapie, dann geben Sie an, um welche Erkrankung es sich konkret handelt und welche Behandlung derzeit erforderlich ist? Bei medikamentöser Behandlung geben Sie den Namen des Medikamentes an. Im Falle einer Therapie beschreiben Sie die Therapie und deren Zweck genau.
4) Wenn aktuell Familienangehörige, Verwandte, Lebensgefährte/in in Österreich leben, geben Sie Vornamen, Familiennamen und Wohnort dieser Person(en) bekannt. Handelt es sich um Fremde, geben Sie deren Aufenthaltsstatus (Art des Aufenthaltsrechtes) an. Gegebenenfalls geben Sie auch an, mit wem davon Sie aktuell im gemeinsamen Haushalt leben und an welcher Wohnanschrift.
5) In welchen Berufs- bzw. Erwerbszweigen konnten Sie bisher in Ihrem Herkunftsstaat praktische Erfahrung sammeln?
6) a) Machen Sie Angaben über von Ihnen in Österreich besuchte Deutschkurse und abgelegte Deutschprüfung(en).
b) Geben Sie bekannt welche sonstigen Kurse/Schulungen Sie in Österreich seit Asylantragstellung besucht haben. Besuch(t)en Sie eine Schule/Lehre, so legen Sie zum Nachweis alle bisher in Österreich erhaltenen Zeugnisse/Schulnachrichten/ Lehrabschlussprüfungszeugnis vor.
7) Erlaubte Erwerbstätigkeit für Asylwerber in Österreich (https://www.ams.at/ unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern):
a) Hat seit Ihrer Asylantragstellung in Österreich ein Unternehmen bzw. Dienstgeber für Sie beim AMS eine Beschäftigungsbewilligung beantragt, weil Sie als Dienstnehmer beschäftigt werden sollten? (zB Arbeiten im Bereich Gastronomie oder Landwirtschaft als Saisonbeschäftigung)
b) Haben Sie in Österreich eine Gewerbeberechtigung erlangt, um selbständig gegen Werkvertrag arbeiten zu können?
c) Haben Sie in Österreich Hilfsarbeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Unterbringung stehen, z. B. Reinigung, Küchenbetrieb, Transporte, Instandhaltung oder
gemeinnützige Hilfsarbeiten für Bund, Länder und Gemeinden, z. B. Landschaftspflege und -gestaltung, Betreuung von Park- und Sportanlagen, Verwaltung durchgeführt, wofür Sie auch Geld (Anerkennungsbeitrag) erhalten haben?
8) Waren bzw. sind Sie in Österreich seit der Asylantragstellung ehrenamtlich tätig (zB Rettung, Feuerwehr, sonstige soziale Organisationen etc.)?
9) Wie finanzieren Sie seit der Asylantragstellung Ihr Leben in Österreich?
10) Wie würden Sie Ihr Leben in Österreich finanzieren, wenn Sie einen dauerhaften Aufenthaltstitel erlangen könnten?
11) Bekommen Sie (abgesehen von der staatlichen Grundversorgung) seit der Asylantragstellung finanzielle Zuwendungen von anderen Personen aus dem In- oder Ausland? Wenn ja, geben Sie den Namen und Wohnort bekannt und wie Sie zu dieser Person stehen (zB Familienangehöriger, Freund/in, etc)
12) Mit welchen Aktivitäten verbringen Sie in Österreich Ihre Freizeit?
13) Wurden Sie in Österreich von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht rechtskräftig bestraft? Wenn ja, wann, von welcher Behörde/welchem Gericht, wegen welchem Delikt und zu welcher Strafe.
Wurde eine Straftat, die Sie rechtswidrig und schuldhaft begingen auf andere Art als durch eine Bestrafung beendet (z. B. Schuldspruch ohne Strafe, Diversion, etc.)
14) Haben Sie seit der Asylantragstellung das Bundesgebiet der Republik Österreich einmal verlassen? Wenn ja, geben Sie den Zeitraum an, in welches Land Sie gereist sind und für welche Zwecke.
15) Machen Sie konkrete Angaben über den aktuellen Verbleib Ihres Reisepasses, wenn Sie diesen bisher weder beim Bundesamt noch beim BVwG im Original (keine Kopie) vorgelegt haben.
16) Nahmen Sie an einer COVID-19-Testaktion teil, bzw. sind Sie gegen COVID-19 geimpft?
17) Sonstige Angaben und / oder Nachweise die Sie für die Darlegung Ihrer Integration in Österreich machen / beibringen wollen.“
römisch eins.11.2. Mit selbigem Schreiben wurde die bB eingeladen, sämtliche Umstände, welche der bB nach der Erlassung der angefochtenen Bescheide zur Kenntnis gelangt sind und entscheidungsrelevant wären - innerhalb einer zweiwöchigen Frist - mitzuteilen.
römisch eins.11.3. Darüber hinaus wurde die bB gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AVG damit beauftragt, über das Institut Sprakab eine weitere Sprach- und Herkunftsanalyse mit einem Analytiker der armenischen und russischen Sprache in Bezug auf die bP durchführen zu lassen um in eventu Klarheit hinsichtlich der in Zweifel gezogenen Herkunft der bP zu schaffen.
römisch eins.11.4 Am 23.09.2021 langte eine Stellungnahme der bP mitsamt Beantwortung des übermittelten Fragenkatalogs sowie ein Konvolut an weiteren Unterlagen ein. Folgendes wurde diesbezüglich angeführt (Formatierung nicht dem Original entsprechend):
„…
ad 1.)
Die Beschwerdeführer verfügen über keine unbedenklichen nationalen Identitätsdokumente.
Sie haben seit ihrer Flucht keinen Kontakt mehr zu Personen aus ihrem Dorf. Die einzige Kontaktperson des Zweitbeschwerdeführers ist der zu seiner Cousine römisch 40 , welche zwischenzeitlich nach Sibirien/ römisch 40 verzogen ist.
ad 2.)
Die Beschwerdeführer haben erfahren, dass der Freund des Zweitbeschwerdeführers namens „ römisch 40 ", welcher den Anführer der tschetschenischen Gruppe im Jahre 2015 getötet hatte, im Jahre 2019 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt worden sei. Der Zweitbeschwerdeführer hat versucht das Urteil zu erhalten. Bisher ist es jedoch noch nicht eingetroffen.
ad 1.) Dokumente:
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer wurden im Dorf römisch 40 , welches 10 km von römisch 40 entfernt ist, geboren. Als sie im Jahre 1991 von dort flüchten mussten, blieben sämtliche Dokumente zurück. Der Erstbeschwerdeführern ist nicht mehr erinnerlich, um welche Dokumente es sich dabei gehandelt hat. Der Zweitbeschwerdeführer war damals praktisch noch ein Kind und hat sich um diese Dinge nicht gekümmert. Es waren jedenfalls Dokumente, welche noch von der UdSSR ausgestellt wurden.
ad 2.) Wohnorte:
In römisch 40 gab es keine Straßennamen und keine Hausnummern. Die Beschwerdeführer lebten dort bis zum Jahre 1991.
Im Jahre 1991 flüchteten sie in das Dorf römisch 40 / Russland. In diesem Dorf gab es keine Straßennamen. Das Haus hatte die Hausnummer römisch 40 . Im Sommer 2015 sind die Beschwerdeführer über Rastov nach Europa gereist.
Es gab einige Nachbarn in römisch 40 , zu denen aber bereits lange kein Kontakt mehr besteht. Diese hießen römisch 40 (ein Roma) und römisch 40 , Diese lebten in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Hausnummer der Nachbarin war römisch 40 .
ad 3.) Gesundheitszustand:
Die Erstbeschwerdeführerin hat am 06.09.2021 einen Ausweis für Behinderte erhalten. Dieser weist einen Grad der Behinderung von 60 % auf.
Sie hat Knoten an der Schilddrüse. Diese mussten früher monatlich untersucht werden. Mittlerweile konnten die Abstände der Kontrolluntersuchungen auf 3 Monate erstreckt werden.
Sie nahm bis zum 02.07.2021 das Medikament Prothiucil 20 mg als thyreostatische Therapie ein. Mit 02.07.2021 wurde sie auf Propycil 50 mg umgestellt.
Darüber hinaus leidet sie an Bluthochdruck und an einem Bruch des Bauchfells. Sie kann nur sehr schwer zu Fuß gehen. Sie muss sich von mindestens 2 Leuten helfen lassen.
Der Zweitbeschwerdeführer ist Diabetiker und muss Medikamente einnehmen.
ad 4.) Familienangehörige, Verwandte:
Der Viertbeschwerdeführer hat zusammen mit römisch 40 den am römisch 40 geborenen Sohn römisch 40 , der wie seine Mutter über den Aufenthaltstitel „rot - weiß rot Karte plus" verfügt. römisch 40 absolviert seit dem 20.09.2017 eine Lehre als Konditorin in der Konditorei römisch 40 . Während sie zur Arbeit geht, schaut der Viertbeschwerdeführer auf seinen Sohn. Sonst könnte die Mutter die Lehre nicht ablegen. Der Viertbeschwerdeführer lebt von dem Einkommen seiner Lebensgefährtin.
Ansonsten leben in Österreich keine Verwandten der Beschwerdeführer.
ad 5.) Berufserfahrung:
Die Erstbeschwerdeführerin war immer Hausfrau und Mutter. Sie hat keinen Beruf erlernt. In Russland war sie Bäuerin und hatte Tiere Aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes kann sie auch keinen Beruf mehr ausüben.
Der Zweitantragsteller hat jahrelang als Obsthändler Russland gearbeitet. Er verfügt sonst über keine spezielle Ausbildung.
Der Zweitantragsteller hat einen Arbeitsvorvertrag abgeschlossen mit römisch 40 , Pizzeria „ römisch 40 " in römisch 40 in Tirol.
Die Drittbeschwerdeführerin arbeitet seit ca 3 Jahren in römisch 40 bei der Pizzeria „ römisch 40 " bei römisch 40 .
Der Viertbeschwerdeführer verfügt über einen Hubstaplerführerausweis vom 6.04.2021.
ad 6.) Die Beschwerdeführer haben nachfolgende Deutschkurse besucht und Deutschprüfung abgelegt:
Der Zweit- und die Drittbeschwerdeführer haben Deutschkurse Niveau A1 vom 26.03.2018 bis 11.07.2018 und 30.07.2018 bis 31.01.2019 bei römisch 40 absolviert.
Am 07.02.2019 haben sie mit dem Deutschkurs A2 begonnen. Eine Prüfung konnten sie sodann wegen der Corona Pandemie keine ablegen.
7.) Der Zweitbeschwerdeführer ist bisher in Österreich noch keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.
8.) Die Beschwerdeführer waren bisher nicht ehrenamtlich tätig.
9.) Das Leben der Beschwerdeführer wird derzeit noch aus der Grundversorgung finanziert.
10.) Für den Fall eines Arbeitsmarktzugangs würden sie aufgrund des bestehenden Arbeitsvertrages und des Arbeitsvorvertrages ihr Leben finanzieren können.
11.) Nein
12.) Der Zweitantragsteller passt auf die Erstantragstellerin, seine Mutter, auf. Ansonsten geht er sehr gerne mit seinem Enkelkind spazieren, auf welches er auch häufig aufpasst.
Die Drittantragstellerin verbringt ihre Freizeit zusammen mit der Erstantragstellerin und ihren Kindern.
13.) nein
14.) Einmal fuhr der Zweitbeschwerdeführer als Beifahrer in einem Fahrzeug in Rich¬tung Salzburg. Dabei wählte der Fahrer die Strecke über das „kleine deutsche Eck". Der Zweitbeschwerdeführer war nur Beifahrer und konnte keinen Einfluss auf die Streckenwahl des Lenkers nehmen. Auch war er nicht ortskundig und hat er nicht gewusst, dass sie über Deutschland fahren werden.
15.) Wie bereits erwähnt, sind sämtliche Dokumente im Jahre 1991 in römisch 40 zurückgeblieben.
16.) Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer sind gegen COVID-19 geimpft.
Die Drittbeschwerdeführerin sowie der Viertbeschwerdeführer sind noch nicht geimpft.
URKUNDENVORLAGE
Die Beschwerdeführer erlauben sich nachfolgende Urkunden in Vorlage zu bringen:
• Behindertenpass römisch 40 vom 14.07.2021
• Impfnachweis römisch 40 07.06.2021 und 19.07.2021
• Arztbrief römisch 40 vom 02.07.2021, 30.04.2021, 31.03.2021, 19.01.2021, 16.11.2020, 14.09.2020, 10.07.2020, 06.04.2020
• Impfnachweis römisch 40 07.06,2021 und 19.07.2021
• Bestätigung römisch 40 Deutschkurse vom 12.10.2018, 26.03.201918.02.2019
• Verdienstnachweis Drittbeschwerdeführerin von 09/20 bis 06/21
• Hubstaplerführerausweis Viertbeschwerdeführer vom 26.04.2021
• Rot-weiss-rot Karte plus römisch 40
• Rot-weiss-rot Karte plus römisch 40
• Änderung des Lehrvertrages der römisch 40 vom 20.09.2017 am 04.07.2020
• Lohn/ Gehaltsabrechnung römisch 40 2021 römisch 40 , am 22.09.2021
…“
römisch eins.12. Am 01.10.2021 teilte die bB dem ho. Gericht mit, dass am 23.09.2021 über das Sprachinstitut Sprakab mit den bP eine Sprach- und Herkunftsanalyse mit einem Analytiker, welcher die armenische und russische Sprache beherrscht, durchgeführt wurde. Dabei habe sich ergeben, dass die bP1 kein Russisch spreche. Vielmehr sei die bP1 nicht gewillt gewesen überhaupt zu sprechen, benützte aber dahingehend genug Armenisch und Armenisch-Kurmandschi, sodass die bP1 in eine bestimmte Region Armeniens zugeordnet werden könnte.
römisch eins.12.1. Hervorzuheben ist dabei, dass der Sprakab-Analytiker ein ähnliches Herkunftsprofil und einen ähnlichen sprachlichen Hintergrund aufwies - wie die bP behaupten zu haben – und dieser einer europäischen Forschergruppe angehört, die kurdische Dialekte studieren.
römisch eins.13. Am 08.10.2021 und am 22.10.2021 langten bei ho. Gericht die Sprachanalyse-Berichte in Bezug auf die bP mit folgendem zusammenfassenden Ergebnis ein:
Die Interviews wurden auf Russisch geführt, wobei die bP auch Wörter und Ausdrucksweisen auf Kurmandschi und Armenisch verwendeten. Hinsichtlich der bP2 bis bP4 weist der Sprachgebrauch der russischen Sprache Merkmale auf, die nicht dem Sprachgebrauch von Russischsprachigen mit Hintergrund in Russland entsprechen. Laut Sprachanalyse-Bericht wird das Sprachniveau der bP2 in Bezug auf die russische Sprache als ‚grundlegend‘ eingeschätzt, das Sprachniveau der bP3 wird als ‚mangelhaft‘ eingeschätzt, wohingegen die bP4 Russisch ‚fließend‘ spricht. In Bezug auf die bP1, beantwortete diese die auf Russisch gestellten Fragen auf Kurmandschi bzw. wollte einige Fragen nicht beantworten, weshalb der Analytiker nach mehreren vergeblichen Versuchen in die Sprache Kurmandschi überging und dazu festgestellt werden konnte, dass die bP1 Kurmandschi auf muttersprachlichem Niveau beherrscht.
römisch eins.14. Das ho. Gericht ordnete für den 13.12.2021 eine Beschwerdeverhandlung an. Gemeinsam mit der Ladung wurden den bP Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien, Aserbaidschan und der Russischen Föderation übermittelt. Weiters wurde den bP neuerlich die Gelegenheit gegeben, durch die Beantwortung des oa. Fragenkataloges, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken und bereits vor dem Verhandlungstermin allfällige Bescheinigungsmittel vorzulegen bzw. ein allfälliges ergänzendes Vorbringen zu erstatten.
römisch eins.14.1. Am 07.12.2021 langte eine Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung sowie ein ärztliches Attest vom 29.11.2021 betreffend die bP1 ein, welches aufzeigt, dass aufgrund der Vorerkrankungen der bP1, es ihr aus medizinischer Sicht nicht möglich sein wird, persönlich zum geplanten Verhandlungstermin zu erscheinen. Ferner erging Folgendes aus der Stellungnahme (Formatierung nicht dem Original entsprechend):
„…
ad römisch 40 :
römisch 40 wurde in römisch 40 geboren. Bis zum Jahre 1991 gehörte römisch 40 zur SSR Aserbaidschan. Im Jahre 1991 im Alter von 47 Jahren musste sie aus römisch 40 wegziehen.
Ihre Muttersprache und Hauptsprache ist Jesidisch/Kurmandschi.
In römisch 40 lebten neben den jezidischen Familien auch aserbaidschanische, armenische und kurdische Familien. Die Familien lebten innerhalb der ethnischen Gruppen von den anderen Gruppierungen weitgehend getrennt. Sie hatten wenig Kontakt mit den anderen Bevölkerungsgruppen.
Jede Gruppe hat ihre eigene Sprache gesprochen. Wenn zwischen den Gruppen gesprochen wurde, wurde vor allem die russische Sprache verwendet. Die Aserbaidschaner haben mit den Kurden und den Jeziden Russisch gesprochen.
römisch 40 hatte auch Kontakt mit armenischen Familien. Bereits als Kind hatte sie armenische Freunde. Sie hat durch diese armenischen Freunde auch ein wenig Armenisch gelernt. Zum Teil verwendete sie diese Wörter auch heute noch in ihrer Alltagssprache.
Aus dem Umstand, dass sie in ihrem Kurmandschi auch armenische Wörter verwendet, kann daher nicht abgeleitet werden, dass sie in Armenien gelebt hätte.
Es wird auf das ärztliche Attest der Dr. Barbara Richter vom 29.11.2021 verwiesen, wonach es römisch 40 aufgrund ihrer Vorerkrankungen aus medizinischer Sicht nicht möglich ist an der Beschwerdeverhandlung am 13.12.2021 um 08:15 Uhr in Linz teilzunehmen.
Der Termin ist auch so gewählt, dass sie den Zug um römisch 40 :10 Uhr ab römisch 40 aus nicht nehmen kann, da dieser erst um 08:14 Uhr in Linz Hbf eintrifft.
Der frühere Zug fährt in römisch 40 um römisch 40 :28 Uhr ab und trifft um 05:58 Uhr in Linz Hbf ein. Da aufgrund des Lockdowns alles geschlossen hat und die Beschwerdeführerin mehr als zwei Stunden im Freien auf die Verhandlung warten müsste, ist ihr diese Anreisemöglichkeit auch nicht zumutbar.
Es wird daher ersucht die Nichtteilnahme der römisch 40 an der Beschwerdeverhandlung zu entschuldigen.
ad römisch 40 :
römisch 40 wurde im Jahre 1997 bereits in Russland geboren. Er ist im Haushalt seiner Eltern aufgewachsen. Diese haben zu Hause Jesidisch/Kurmandschi gesprochen. Durch seinen Kontakt mit russischen Personen außerhalb der Familie hat er auch Russisch gelernt. Er spricht daher Russisch als Zweitsprache und Jesidisch/Kurmandschi als Erstsprache.
Er ist im Haushalt des römisch 40 und der römisch 40 aufgewachsen. Diese sind seine leiblichen Eltern, was jederzeit durch Einholung eines erbbiologischen Gutachtens unter Beweis gestellt werden kann. Aus dem Umstand, dass römisch 40 spricht wie eine Person, die in Russland aufgewachsen ist, ist zwingend abzuleiten, dass sich auch seine Eltern in Russland aufgehalten haben müssen. Anders sind die Sprachkenntnisse des römisch 40 nicht zu erklären.
römisch 40 :
römisch 40 ist im Alter von 14 Jahren von römisch 40 nach Russland ausgewandert. Er hat bis zum Alter von 14 Jahren praktisch nur Jesidisch/Kurmandschi gesprochen.
In Russland hatte er dann mit Personen aus vielen verschiedenen Herkunftsländern Kontakt und hat er mit diesen vor allem Russisch gesprochen. Er hat jedoch nie die Schule besucht und hat nie Russisch gelernt. Außerhalb der jesidischen Gemeinschaft spricht er daher Russisch.
Er selbst ist der Meinung, dass er sehr gut Russisch kann. Dies wird ihm von seinen in römisch 40 lebenden Freunden, die teils wie er aus römisch 40 abstammen und in Russland gelebt haben bzw. die direkt aus Russland kommen, bestätigt.
Die Einschätzung im Sprachgutachten SPRAKAB, dass der Beschwerdeführer Russisch nur auf grundlegendem Niveau sprechen würde, ist daher nicht richtig. Eventuell ist seine Grammatik nicht fehlerfrei. Bei richtiger Einschätzung hätte der Gutachter jedoch davon ausgehen müssen, dass er Russisch als Zweitsprache innerhalb Russlands spricht, wie es auch vor seine Flucht nach Österreich den Tatsachen entsprochen hat.
Es wird daher gestellt der Antrag im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung dem Beschwerdeführer römisch 40 einen russischen Text vorzulegen, welchen dieser zunächst auf Russisch vorlesen und sodann ins Deutsche übersetzen wird. Die dabei zu erstellende Tonaufnahme ist in weiterer Folge durch einen Sprachsachverständigenden der russischen Sprache zum Beweis dafür zu analysieren, dass römisch 40 die russische Sprache spricht wie als Zweitsprache innerhalb Russlands.
Aufgrund dieses Beweisergebnisses ergibt sich, dass die Angaben des römisch 40 den Tatsachen entsprechen und er sowie die anderen Beschwerdeführer staatenlos sind, jedenfalls keine armenischen Staatsbürger.
…“
römisch eins.14.2. Die belangte Behörde äußerte sich nicht.
römisch eins.15. Am 13.12.2021 fand die mündliche Verhandlung aller bP vor ho. Gericht statt, wobei zwei Dolmetscher, einer für die Sprache Kurdisch Kurmandschi und eine Dolmetscherin für die Sprachen Armenisch und Russisch bestellt und beeidet wurden. Der ho. Richter hielt fest, dass die Verhandlung vorerst unter Beiziehung des Dolmetschers für die kurdische Sprache geführt wird. Soweit die Dolmetscherin für die russische und armenische Sprache beigezogen wird, wird in der Verhandlungsschrift ausdrücklich darauf hingewiesen. Dazu gab die bP2 an, dass für sie Kurdisch, Russisch oder Armenisch in Frage kämen.
Ausdrücklich bejahten die bP die Frage, wonach die Verständigung mit dem Dolmetscher in der Sprache Kurdisch gut sei. Der wesentliche Verlauf der Beschwerdeverhandlung wird wie folgt wiedergegeben:
„…
RI: Sie wurden bereits beim Bundesamt bzw. den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Wie würden Sie die dortige Einvernahmesituation beschreiben?
P2: Bei der Polizei bekamen wir auch einen kurdischen Dolmetscher. Wir haben alles verstanden. Vorher wurden wir ED behandelt. Beim BFA war es auch in Ordnung.
RI: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor dem Bundesamt immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtigstellen?
P2: Alles entspricht der Wahrheit.
RI: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?
P2: Vor zwei oder drei Jahren hatte ich Kontakt zu einem Nachbar von mir. Er hat mir mitgeteilt, dass es noch immer Probleme gibt. Ich habe aber seine Telefonnummer nicht mehr und habe auch keinen Kontakt mehr zu ihm. Und dies seit über zwei Jahren.
RI: Wie konnten Sie den Kontakt zu dem Nachbarn herstellen?
P2: Als ich nach Österreich kam, hatte ich noch seine Nummer bei mir. Am Anfang, als ich hier in Österreich war, hatte ich regelmäßig Kontakt zu ihm. Aber jetzt nicht mehr. Ich glaube, er hat seine Telefonnummer gewechselt.
RI: Ist Ihnen der Inhalt der Beschwerdeschrift bekannt?
P2: Ja. Ist uns bekannt, ich erinnere mich daran.
RI: Halten Sie den Inhalt der Beschwerdeschrift und die dort gestellten Anträge aufrecht?
P2: Ja.
RI: Sie haben sich bereits beim BFA und auch im Beschwerdeverfahren zu ihren privaten und familiären Verhältnissen haben im Beschwerdeverfahren auch von sich aus entsprechende Unterlagen vorgelegt. Wollen Sie sich hierzu weitergehend äußern bzw. hat sich diesbezüglich etwas geändert?
P2: Es hat sich nichts geändert. Mein Sohn ist verheiratet und hat selbst einen Sohn.
RI zu P1: Sind Sie eigenberechtigt oder besteht ein Erwachsenenvertreter?
P2: Ich möchte für meine Mutter auch sprechen.
RI wiederholt und erläutert die Frage.
P2: Sie hat keinen Erwachsenenvertreter.
Einzelne Befragung der P1
RI: Wollen Sie etwas angeben, was die anderen P nicht wissen sollten?
P1: Nein.
RI: Wo befindet sich das Grab Ihres verstorbenen Mannes?
P1: In Russland, in römisch 40 .
RI: (mit Dolmetsch für die russische Sprache) Sprechen Sie Russisch?
P1 schüttelt den Kopf.
D gibt an, dass die P1 kein Russisch spricht.
RI: (mit Dolmetsch für die russische Sprache) Beschreiben Sie in der russischen Sprache, wie gut Sie diese Sprache beherrschen.
P1: Ich kann nicht.
P1 gibt dies auf Kurdisch an.
Weiter auf Kurdisch:
RI: Wo haben Sie die letzten 20 Jahre gewohnt?
P: In Russland in römisch 40 . Dann gab es Krieg. Wir sind geflüchtet. Ich wollte nicht, dass mein Enkelsohn getötet wird.
RI: (mit Dolmetsch für die armenische Sprache) Sprechen Sie Armenisch?
P1 schüttelt den Kopf.
RI: (mit Dolmetsch für die armenische Sprache): Beschreiben sie in der armenischen Sprache, wie gut Sie diese Sprache beherrschen.
P1 deutet mit der Hand und dem Kopf, nein.
Weiter auf Kurdisch.
RI: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?
P1: Ich kann das nicht sagen. In römisch 40 , dort bin ich geboren und aufgewachsen.
RI: Wie lange haben Sie dort gelebt?
P1: Bis zum ca. 15. Lebensjahr.
RI: Wo haben Sie dann gelebt?
P1: In römisch 40 , bis zur Ausreise. Dann kamen wir hierher.
RI: Habe ich es richtig verstanden, dass Sie 15 Jahre alt waren, als Sie von römisch 40 nach römisch 40 gezogen sind?
P1: Ja so ungefähr. Ich habe damals noch nicht alles verstanden. Ich war minderjährig.
RI: Wo haben Sie Ihren Mann kennengelernt?
P1: Der ist nach Russland gekommen und ist dort verstorben.
RI wiederholt die Frage.
P1: Ich weiß es nicht. Wir haben uns gesehen und kennengelernt. Genau weiß ich es nicht.
RI: Haben Sie sich noch in römisch 40 kennengelernt oder schon in Russland?
P1: In Russland, aber ich bin mir aber nicht mehr sicher.
RI: Wo ist Ihr Sohn auf die Welt gekommen?
P1: In römisch 40 . Oder ob es dort war oder in römisch 40 , kann ich nicht sagen.
RI: Was heißt auf aserbaidschanisch bitte/danke?
P1: Kann ich nicht sagen.
RI: Was heißt aus aserbaidschanisch Guten Tag?
P1: Das kann ich nicht sagen.
RI: Haben Sie Ihren Gatten in Russland oder in Aserbaidschan geheiratet?
P1: In Aserbaidschan.
RI: Was war der Anlass, dass Sie Aserbaidschan verlassen haben?
P1: Wir konnten dort nicht mehr leben. Ich weiß es nicht mehr.
RI: Beschreiben Sie einen typischen Tagesablauf an Ihrem Wohnsitz in Russland.
P1: Ich war zu Hause. Ich habe mich um die Kühe gekümmert.
RI: Gab es dort Radio, Fernsehen, Zeitungen?
P1: In allen Fällen nein.
RI: Hatten Sie ein Telefon?
P1: Was ist ein Telefon?
RI: Nennen Sie Ihre russische Adresse.
P1: Das war ein altes Haus in der Region römisch 40 . Mehr weiß ich nicht.
RI: Wem gehörte das Haus?
P1: Das war unser Haus. Es war zuerst leer. Dann zogen wir hin. Dann stand es leer, weil wir weggingen. Ich erinnere mich nicht mehr an alle Sachen.
RI: Wie sah die Wasserversorgung an Ihrer Adresse aus?
P1: Im Dorf auf der Straße gab es Wasser.
Die armenisch D gibt an, dass die P1 das Wort Wasser und Straße auf Armenisch angegeben hat.
RI: Gab es in der Nähe ihres Wohnortes ein Gewässer (Fluss, See, etc?)
P1: Nein. In Russland nicht, wo wir wohnten.
RI: Wie hieß der Ort, wo Sie wohnten, war es ein Dorf?
P1: Es war ein kleines Dorf. Den Namen weiß ich aber nicht mehr.
RI: Welche Ortschaften befanden sich rund um Ihren Wohnort in der Russischen Föderation?
P1: Es gab nichts, ich weiß es nicht.
RI: Wie weit war der nächste größere Ort weg.
P1: Es gab keine größeren Orte. Es gab immer so einzelne Häuser. Der größte Ort bestand aus fünf Häusern. In römisch 40 gab es einen ganz großen Fluss. In Russland nicht.
RI: Wie hieß der Fluss in römisch 40 ?
P1: Das weiß nicht mehr. Groß und schön war er.
RI: Wie hießen in der russischen Föderation ihre Nachbarn und welcher Volksgruppe gehörten diese an:
P1: Jeder kam von wo anders. An die Namen kann ich mich nicht mehr erinnern.
RI: Woher kamen die Nachbarn, wenn Sie sagen, Sie kamen alle von wo anders?
P1: Ich weiß es nicht. Sie sagten nicht, woher sie stammten.
RI: In welcher Sprache haben Sie sich mit den Nachbarn unterhalten?
P1: Auf Kurdisch.
RI: Schildern Sie Ihre damalige Umsiedelung von römisch 40 nach Russland so genau, wie Ihnen dies möglich ist.
P1: Wir sind mit einem Auto weggefahren. Teilweise gingen wir zu Fuß. Wir wollten unsere Kinder einfach retten.
RI: War es ein PKW oder ein LKW oder ein Bus?
P1: Kann ich nicht mehr sagen, ich kann mich nicht erinnern.
RI: Wie haben Sie dann in Russland eine Unterkunft gefunden?
P1: Wir sind an dem Ort angekommen. Einer von den Nachbarn sagte, dass das Haus jetzt leer wird. Die Bewohner sing weggegangen und wir sind in das Haus eingezogen.
RI: Welche Dokumente haben Sie damals mitgenommen?
P1: Ich weiß es nicht, ob wir überhaupt Dokumente hatten oder nicht. Ich kann es nicht mehr sagen.
RI: War dies noch zu Zeiten der UdSSR oder schon nach dem Zerfall von dieser?
P1: Alle sind damals geflüchtet, wir sind zu den anderen Dörfern gegangen.
RI wiederholt und erläutert die obige Frage.
P1: Kann ich nicht sagen. Ich habe Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen und ich habe eine Sehschwäche.
RI: Hatten sie in Russland eine Propiska?
P1: Was ist das.
RI erklärt den Begriff:
P1: Weiß ich nicht.
RI: Beantragten Sie jemals die Russische Staatsbürgerschaft?
P1: Nein.
RI: Wo sind Sie zur Schule gegangen?
P1: Gar nicht.
RI: Damals war Schulpflicht und dies nahm man in der Sowjetunion sehr ernst?
P1: Nein nein, ich hatte selbst nur einen Sohn. Ich ging nicht hin.
RI: An welcher Adresse lebten Sie in römisch 40 ?
P1: Wir haben das verlassen, ich weiß es nicht.
RI: Welche Nachbardörfer gab es dort?
P1: Es gab gewisse Dörfer wie römisch 40 (phon.). Genau weiß ich es aber nicht.
RI: Nennen Sie die Namen ihrer damaligen Nachbarn in römisch 40 und zu welcher Volksgruppe gehörten diese?
P1: Sie sprachen aserbaidschanisch, mehr weiß ich nicht.
RI: In welcher Sprache haben Sie sich mit Ihren Nachbarn unterhalten?
P1: Ich weiß, dass sie aserbaidschanisch gesprochen haben, auch untereinander. Nachgefragt gebe ich an, dass ich keinen Kontakt zu denen hatte. Ich war immer krank.
RI: (ohne Dolmetscher) Sprechen Sie Deutsch?
P1 schweigt.
RI (mit D): Sprechen Sie Deutsch?
P1: Nein. Ich habe kaum Kontakt.
RI: Warum haben Sie denn Russland verlassen?
P1: Ja, wir waren in römisch 40 . Einer unserer jezidischen Kurden hat jemanden getötet. Deswegen wurden die kurdischen Jeziden verfolgt.
Die russisch/armenisch D gibt an, dass die P1 das Wort Tschetschenen verwendet hat.
RI: Ihr Antrag wurde seitens der belangten Behörde abgewiesen und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen.
P1: Wieso, ich verstehe es nicht.
RI erörtert den Begriff des „Herkunftsstaates“ der Begriffsbestimmungen des AsylG.
RI: Welchen Staat würden Sie als Ihren Herkunftsstaat iSd Ausführungen bezeichnen?
P1: Ich habe keine Heimat.
RI: Was würde Sie konkret in der Russischen Föderation erwarten?
P1: Ich habe Angst um meinen Enkelsohn. Deswegen sind wir auch geflüchtet.
RI: Was würde Sie in Aserbaidschan erwarten?
P1: Keine Antwort, P1 schüttelt den Kopf.
RI: Was würde Sie in Armenien erwarten?
P1: Ich kenne Armenien nicht, wo soll ich hingehen?
RI: In welcher Sprache kommunizieren Sie im Familienkreis?
P1: Unsere Sprache. Das was wir jetzt sprechen.
RI hält der P das Ergebnis der über Sprakab eingeholte Sprach- und Herkunftsanalyse vor. Die P gibt hierzu Folgendes an:
P1: Was ist armenisch. Ich kann kein Armenisch, nein.
Fragen des Regierungsvorlage, Keine Fragen.
Befragung des P2
RI: Wollen Sie etwas angeben, was die anderen P nicht wissen sollten?
P2: Nein.
RI: Welche Dokumente wurden Ihres Wissens in der Russischen Föderation für Sie ausgestellt?
P2: Ich hatte keine richtigen Dokumente. Als ich zum Arzt ging, gab mir ein Bekannter, der mir dabei geholfen hat. Wir haben immer wieder diese Papiere gekauft.
RI: Welche Papiere meinen Sie?
P2: Ich meine damit, beim Arzt haben wir Geld bezahlt. Die haben dann Papiere ausgefüllt, dass meine ich damit. Wir selbst hatten keine Papiere.
RI: Sie haben beim BFA angegeben, dass Sie in Russland ein paar Verkehrsstrafen hatten. Welche waren dies?
P2: Autofahrt. Ganze Verkehrsstrafen.
RI wiederholt die obige Frage.
P2: Wegen Schnellfahren.
RI: Dann hatten Sie wohl einen russischen Führerschein?
P2: Ja. Der war russisch.
RI: Welche Dokumente wurden Ihres Wissens in Aserbaidschan für Sie ausgestellt?
P2: Wir hatten schon so Geburtsurkunden. Als wir 12 oder 13 Jahre alt wurden, hat der Dorfvorsteher nach diesen Dokumenten verlangt. Meine Eltern haben diese Dokumente ihm gegeben. Man hat dies für die Administration gebraucht. Seitdem sind diese Geburtsurkunden weg, also diese Papiere. Wir haben nachgefragt, sie sagten, dass diese verloren gingen.
RI: Welche Nachweise können Sie vorlegen, dass sie sich in der Russischen Föderation aufhielten?
P2: Ich kann nicht nachholen, man muss dort persönlich anwesend sein. Man muss dann zu dem Dorfvorsteher gehen und dieser stellt die Dokumente aus. Aber ich bin nicht dort.
RI: (mit Dolmetsch für die russische Sprache) Sprechen Sie Russisch?
P2: Ja, natürlich.
RI: (mit Dolmetsch für die russische Sprache) Beschreiben Sie in der russischen Sprache, wie gut Sie diese Sprache beherrschen.
P2: Ich kann nicht sagen, dass ich zu 100 Prozent die Sprache beherrsche. Ich spreche gebrochen Russisch. Aber dort wo wir wohnten in römisch 40 , lebten viele Nationalitäten, wie Armenier, Georgier, Dagestaner. Ich verstehe deren Sprache zu 20 Prozent. Dort wo wir arbeiteten am Markt gab es alle Nationalen, auch Aserbaidschaner und Armenier. 15 Jahre lang kommunizierten wir miteinander. Das ist alles.
RI: (mit Dolmetsch für die russische Sprache) Wo haben Sie die letzten 20 Jahre gewohnt?
P2: In Russland und hier.
RI: Zu den Angehörigen welcher Volksgruppen hatten Sie in römisch 40 Kontakt?
P2: Es gab dort auch Armenier, Aserbaidschaner, Russen, auch Malakaner und Kurden.
RI: Wann und wo haben Sie P3 kennen gelernt?
P2: Wir waren Nachbarn. Sie war meine Nachbarin.
RI: Haben Sie damals gemeinsam Aserbaidschan verlassen?
P2: Nein. Ich kann mich daran nicht erinnern. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob meine Familie oder Ihre Familie zuerst ausgereist ist.
RI: Wie haben Sie sich nach der Ausreise wieder gefunden?
P2: Sie ist meine weitentferne Verwandte.
RI wiederholt die obige Frage.
P2: Wir waren in römisch 40 und lebten dort. Ich weiß nicht, wie sich unsere Väter getroffen haben, sie waren auch Nachbarn in Russland von uns. Ich weiß nicht, wer ihrem Vater gesagt hat, dass wir auch in Russland sind. Unsere Väter haben einander gefunden.
RI: In welcher Sprache haben Sie mit Ihren Nachbarn in römisch 40 kommuniziert?
P2: Kurdisch, unsere Sprache Kirmanci. Das ist alles.
RI: (mit Dolmetsch für die armenische Sprache) Sprechen Sie Armenisch?
P2 antwortet auf Russisch. Ich sage ja, ich verstehe es, aber ich spreche es nicht.
RI: (mit Dolmetsch für die armenische Sprache): Beschreiben sie in der armenischen Sprache, wie gut Sie diese Sprache beherrschen.
P2 auf Russisch: Was ist das Wort beherrschen?
D erklärt dies.
P2: Nein, das kann ich nicht. Ehrlich.
Die Antwort kam auf Russisch.
Weiter auf Russisch.
RI: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?
P2: Ich bin in römisch 40 geboren. Bis zum 13. oder 14. Lebensjahr lebte ich dort, danach in Russland.
RI: In welcher Sprache wünschen Sie die Fortsetzung der Einvernahme?
P2: Auf Kurdisch.
Weiter auf Kurdisch:
RI: Haben Sie in römisch 40 die Schule besucht?
P2: Nein.
RI: Warum nicht?
P2: Einen Tag gingen wir zur Schule, 10 Tage war sie geschlossen. Wegen der schlechten Umstände wurde zugesperrt, deswegen gingen wir gar nicht mehr hin.
RI: Sie wurden Anfang der 80iger Jahre schulpflichtig. Damals wurde diese in der Sowjetunion noch umgesetzt.
P2: Als ich sechs oder 7 Jahre alt war, war ich noch in römisch 40 , nicht in Russland.
RI: Dies war aber noch die Sowjetunion?
P2: Ich weiß, dass es noch zur Sowjetunion gehört, dies haben sie uns immer erzählt. Praktisch habe ich keine Schule besucht.
Auf Kurdisch:
RI: Was heißt dies, praktisch haben Sie keine Schule besucht. Sie waren ja in der Sowjetunion ca. 6 oder 7 Jahre schulpflichtig?
P2: Wie ich gesagt habe, ich war in römisch 40 und nicht in Russland. Aber ich erinnere mich schon, dass eine Dame bzw. Frau kam, eine Nachbarin, sie hat uns Kinder dort gesammelt. Wir waren ca. 6 oder 7 Kinder. Sie kam in der Woche ein bis zweimal hin.
RI: In welcher Sprache bzw. in welchen Sprachen fand der Unterricht statt?
P2: In Kirmanci und in Russisch.
RI: An welcher Adresse lebten Sie in römisch 40 ?
P2: In römisch 40 und dann in römisch 40 . Eine Straße gab es nicht.
P2 gibt aus Russisch an: Dorf römisch 40 , es gab keine genaue Adresse. Wir nannten es kleines römisch 40 . Es gab zwei römisch 40 , ein großes (Richtung Aserbaidschan) und ein kleines. Unser Dorf war das kleine.
Auf Kurdisch:
RI: Welche Nachbardörfer gab es dort?
P2: römisch 40 und römisch 40 (alles phon.)
RI: Welche Gewässer gab es in der Umgebung?
P2: Es gab einen großen Fluss, ganz groß und lang.
RI: Wissen Sie, wie der Fluss geheißen hat?
P2: römisch 40 oder römisch 40 .
RI: Nennen Sie die Namen ihrer damaligen Nachbarn in römisch 40 .
P2: römisch 40 . Wir haben immer Onkel zu ihnen gesagt. römisch 40 seine Frau hieß römisch 40 .
RI: Was heißt auf aserbaidschanisch bitte/danke?
P2 gibt die Begriffe an. Alikum salam, Khos Galdi (phon.).
RI: Was heißt Ja und Nein auf Aserbaidschanisch?
P2: Yoch – Nein. Tamam – war – ja.
RI: Beschreiben Sie einen typischen Tagesablauf an Ihrem Wohnsitz in Russland.
P2: Wir hatten zwei Häuser, ein großes und ein kleines. In der Mitte der Häuser lag die Garage. Ein bisschen entfernt waren die Stallungen. Wir hatten auch einen Gemüsegarten.
RI: Gehörten die Gebäude und die Liegenschaften Ihnen?
P2: Ja, wir wohnten darin. Aber wie mein Vater die Häuser oder die Grundstücke bekommen hat, dass weiß ich nicht.
RI: Hatten Sie Urkunden, dass es Ihnen gehörte?
P2: Nein. Wir hatten die Rechnung dazu, also für die Betriebskosten, Wasser etc. Mehr gab es nicht.
RI: Gab es dort Radio, Fernsehen, Zeitungen?
P2: Wir hatten schon eine Antenne/Kabel im Haus. Mehr nicht.
RI: Hatten Sie ein Telefon?
P2: Nein.
RI: Nennen Sie Ihre russische Adresse.
P2: Wir hatten nur eine Hausnummer, diese lautete römisch 40 . Sonst gab es keine genaue Adresse.
RI: War es ein Dorf und wie hieß dieses?
P2: römisch 40 Es war ein großes Dorf. Es war ca. 55 Kilometer von römisch 40 entfernt. (P2 gibt dies auf Russisch an).
RI: Wie sah die Wasserversorgung an Ihrer Adresse aus?
P2: In der Nähe unseres Dorfes gab es einen kleinen See. Wasser bekamen wir von dort.
RI: Gab es in der Nähe ihres Wohnortes ein Gewässer (Fluss, See, etc?)
P2: Es gab diesen kleinen See.
RI: Schildern Sie Ihre damalige Umsiedelung von römisch 40 nach Russland so genau, wie Ihnen dies möglich ist.
P2: Wie gesagt, ich kann es nicht mehr genau sagen. Wir fuhren mit einem großen Wagen, es gab diese großen russischen Busse, die vorne abgeschnitten waren. Genau erinnern kann ich mich aber nicht.
RI: Fuhren Sie mit diesem Bus alleine oder war dies organisiert?
P2: Nein, ich meine Eltern, Nachbar römisch 40 . Und ein anderer Mann namens römisch 40 mit seinen Leuten.
RI: War dies noch zu Zeiten der UdSSR oder schon nach dem Zerfall von dieser?
P2: Es fanden damals auf alle Fälle viele Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan statt. Ich glaube, es war noch die UdSSR.
RI: Waren Sie in Russland gemeldet?
P2: Ja, wir waren beim Dorfvorsteher angemeldet.
RI: Beantragten Sie jemals die Russische Staatsbürgerschaft bzw. haben Sie diese erhalten?
P2: Ja, wir haben es öfters versucht. Uns wurde immer gesagt, dass wir warten sollen.
RI: (ohne Dolmetscher) Sprechen Sie Deutsch?
P2: Ja schon.
RI: Stellen Sie sich bitte kurz vor.
P2: Ja.
RI: (ohne Dolmetscher) Was haben Sie gestern gemacht?
P2: Gestern. Zuhause.
RI: Wie sind Sie heute nach Linz gekommen?
P2: Mit Kollege Auto.
RI: Ihnen wird ein Zettel mit einem Text übergeben. Lesen Sie diesen durch und erzählen sie in weiterer Folge zusammengefasst den Inhalt des Artikels Anmerkung, dieser entstammt einer Musterprüfung für A2)
P2: Darf ich fragen? Wenn ich vergessen ...
Auf Russisch: Den ganzen Text darzulegen, ist zu viel für mich. Ich kann einen Blick reinwerfen und kurz wiedergeben.
RI: Geben Sie in ein paar ‚Sätzen bekannt, worum es geht?
P2: Eine Woche wandern in den Berg. Dort ist laut. Besser als in der Stadt. Wird wandern zu einem See. In die Meer gehen mit Familie und spazieren.
Auf Kurdisch:
RI: Ihr Antrag wurde seitens der belangten Behörde abgewiesen und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen.
P2: Was soll ich sagen? Ich habe damals alle Fragen beantwortet. Die Behörde hat gesagt, dass alles erledigt und sie den Akt weiter zum Gericht schicken werden. Ich will kein Geld vom Staat bekommen, ich möchte gerne arbeiten dürfen und für mich sorgen.
RI: Was haben Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich –sei es erfolgreich oder erfolglos- versucht, um Bescheinigungsmittel zu Ihrem Vorbringen vorlegen zu können?
P2: Ich weiß ganz genau, wenn ich dort nicht anwesend bin, kann ich keine Dokumente und Bestätigungen organisieren. Das ist mein Problem.
RI: Was haben Sie versucht. Woher wissen Sie, dass es nicht geht?
P2: Ich habe immer wieder diesem Freund gefragt, ob er mir etwas schicken kann. Aber der Kontakt brach dann ab.
RI erörtert den Begriff des „Herkunftsstaates“ der Begriffsbestimmungen des AsylG.
RI: Welchen Staat würden Sie als Ihren Herkunftsstaat iSd Ausführungen bezeichnen?
P2: Ich habe selber keine Heimat. Also wir haben keine Heimat.
RI: Was würde Sie konkret in der Russischen Föderation erwarten?
P2: Ich will nicht zurück.
RI: Was würde Sie in Aserbaidschan erwarten?
P2: Nein nein, auf keinen Fall. Sie wollen uns gar nicht sehen.
RI: Was würde Sie in Armenien erwarten?
P2: Die Armenier sind auch unsere Brüder. Ich kann nicht einmal die armenische Sprache. Was soll ich mit meiner Familie in Armenien machen?
RI: In welcher Sprache kommunizieren Sie im Familienkreis?
P2: Kurdisch Kurmanci.
RI hält der P das Ergebnis der über Sprakab eingeholte Sprach- und Herkunftsanalyse vor. Die P gibt hierzu Folgendes an:
P2: Wir sind kurdische Jeziden. Unsere Dialekte sind nicht weit auseinander. Wir haben die gleichen Dialekte.
Fragen des RV:
Regierungsvorlage, Ihre Mutter hat heute mitgeteilt, dass Sie römisch 40 bereits im Alter von 15 Jahren verlassen hat. Sie haben angegeben, dass Sie römisch 40 mit 13 Jahren verlassen haben. Wie ist das möglich?
P2: Meine Mutter hat 5 oder 6 Monaten eigentlich ihren Verstand verloren. Sie kann nicht rechnen und hat auch keine Schulen besucht. Sie kann nicht einmal ihren Namen schreiben.
Regierungsvorlage, Wie viel Pflege benötigt Ihre Mutter?
P2: Ich bin dankbar für den Staat. Sie wird medizinisch behandelt. Sie hat immer regelmäßige Kontrollen in römisch 40 .
Regierungsvorlage, Wer kümmert sich um Ihre Mutter?
P2: Meine Frau arbeitet und kümmert sich auch um meine Mutter. Wenn meine Frau nicht zu Hause ist, dann kümmere ich mich um meine Mutter.
Regierungsvorlage hat keine weiteren Fragen.
Die Verhandlung wird von 11.15 – 11.30 Uhr unterbrochen.
Befragung der P3
RI: Wollen Sie etwas angeben, was die anderen P nicht wissen sollten?
P3: Nein.
RI: Welche Dokumente wurden Ihres Wissens in der Russischen Föderation für Sie ausgestellt?
P3: Keine.
RI: Welche Dokumente wurden Ihres Wissens in Aserbaidschan für Sie ausgestellt?
P3: Auch keine. Nichts das ich weiß, ich war damals noch ein Kind.
RI: Welche Nachweise können Sie vorlegen, dass sie sich in der Russischen Föderation aufhielten?
P3: Ohne Papiere, keine Papiere. Nein.
RI: (mit Dolmetsch für die russische Sprache) Sprechen Sie Russisch?
P3: Ich kann Russisch, aber schlecht.
RI: (mit Dolmetsch für die russische Sprache) Beschreiben Sie in der russischen Sprache, wie gut Sie diese Sprache beherrschen.
P3: Ich kann nicht gut russisch, wenig. Ich kann wenig.
Kurdisch gibt an: Es waren wenig Russen, die bei uns lebten. Ich war meistens zu Hause und ging nicht raus.
Auf Kurdisch:
RI: Wo haben Sie die letzten 20 Jahre gewohnt?
P3: Als wir Kinder waren, lebten wir in römisch 40 . Mit 12 oder 13 Jahre verließen wir römisch 40 . Dann gingen wir nach Russland nach römisch 40 .
RI: An welcher Adresse lebten Sie in Russland mit Ihrem Gatten und Ihrem Sohn?
P3: römisch 40
RI: Wann und wo haben Sie P2 kennen gelernt?
P3: Wir waren in römisch 40 Nachbarn und in Russland haben wir geheiratet.
RI: Haben Sie damals gemeinsam Aserbaidschan verlassen?
P3: Nein.
RI: (mit Dolmetsch für die armenische Sprache) Sprechen Sie Armenisch?
P3 schüttelt den Kopf.
Weiter auf Kurdisch:
RI: In welcher Sprache wünschen Sie die Fortsetzung der Einvernahme?
P3: Meine Sprache, Kurdisch. Aber ich verstehe auch Russisch.
RI: Haben Sie in römisch 40 die Schule besucht?
P3: Nein, nur hier in Österreich habe ich Deutschkurse besucht.
RI: Damals herrschte Schulpflicht in der UdSSR und diese wurde auch ernst genommen?
P3: Nein, ich habe keine Schulen besucht. Ich wurde nicht hingeschickt, ich weiß es nicht.
RI: An welcher Adresse lebten Sie in römisch 40 ?
P3: Im Dorf römisch 40 Anmerkung, römisch 40 ).
RI: Welche Nachbardörfer gab es dort?
P3: römisch 40 und römisch 40 .
RI: Welche Gewässer gab es in der Umgebung?
P3: Ja es gab einen ganz langen Fluss, ein großer Fluss. Ich weiß nicht mehr, wie der Fluss hieß.
RI: Was heißt auf aserbaidschanisch bitte/danke?
P3: Ich mische die Wörter einfach zusammen. Vielleicht könnte ich nur die Zahlen.
RI: Zählen Sie von ein bis fünf auf Aserbaidschanisch?
P3: Das habe ich auch vergessen.
RI: Sagen Sie irgendetwas auf Aserbaidschanisch, dass Ihnen einfällt?
P3: Ich war Kind, als ich es verließ. Ich war immer zu Hause bei den Jeziden (auf Kurdisch).
RI: Beschreiben Sie einen typischen Tagesablauf an Ihrem Wohnsitz in Russland.
P3: Ich kümmerte mich um meine Schwiegermutter, auch dort. Ich habe Käse gemacht und die Kühe gemolken. Wir hatten auch einen Gemüsegarten.
RI: Gab es in der Nähe ihres Wohnortes ein Gewässer (Fluss, See, etc?)
P3: Ja. Es gab dort auch einen Fluss.
Russisch D gibt an, dass die P3 das Wort für kleinen Fluss verwendet.
RI: Wie weit war der nächste größere Ort weg?
P3 (auf Russisch): Kilometer kann ich nicht sagen. Die nächste größere Stadt war römisch 40 , römisch 40 und römisch 40 und römisch 40 waren Ortschaften.
RI: Schildern Sie Ihre damalige Umsiedelung von römisch 40 nach Russland so genau, wie Ihnen dies möglich ist.
P3: Ich erinnere mich nicht. Es war mit einem Wagen. Genau weiß ich es nicht.
RI: Was dies noch zu Zeiten der UdSSR oder schon nach dem Zerfall von dieser?
P3: Können sie mir das erklären.
D erklärt die Begriffe.
P3: Das weiß ich nicht. So etwas verstehe ich nicht.
RI: Waren Sie in Russland gemeldet? Hatten sie in Russland eine Propiska?
P3: Nein. Wir hatten gar keine Papiere.
RI: Ging Ihr Sohn in Russland in die Schule?
P3: Nein, er hat aber private Lehrer zu Hause gehabt und kann daher gut russisch und auch schreiben. Zuhause wurde er unterrichtet.
RI: Warum ging er nicht in die Schule?
P3: Weil wir keine Papiere haben.
RI: Beantragten Sie jemals die Russische Staatsbürgerschaft?
P3: Mein Mann hat es öfters versucht. Aber er bekam nichts.
RI: Woran ist es gescheitert?
P3: Ich kann es nicht sagen, aber er war öfters dort. Aber er bekam nichts.
RI: (ohne Dolmetscher) Sprechen Sie Deutsch?
P3: Ja sprechen, verstehe ich.
Auf Kurdisch: Ja, ich habe einen Deutschkurs besucht und habe auch Freunde.
RI: Stellen Sie sich bitte kurz vor.
P3 schweigt.
RI: (ohne Dolmetscher) Was haben Sie gestern gemacht?
P3 auf Kurdisch: Seit wie vielen Jahren leben Sie hier, lautet die Frage. Ich bin wieder für einen Deutschkurs angemeldet. Wir arbeiten seit einigen Monaten darauf.
RI: Wie sind Sie heute nach Linz gekommen?
P3: Ich kommen Interview.
RI: Ihnen wird ein Zettel mit einem Text übergeben. Lesen Sie diesen durch und erzählen sie in weiterer Folge zusammengefasst den Inhalt des Artikels Anmerkung, dieser entstammt einer Musterprüfung für A2)
P3: Dienstag ... meine Enkel zu Hause spazieren. P3 spricht zwischendurch immer wieder auf Kurdisch.
Auf Kurdisch: Ich habe mehr gelesen aber ich verstehe es nicht.
Weiter auf Kurdisch:
RI: Ihr Antrag wurde seitens der belangten Behörde abgewiesen und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen.
P3: Jaja, meinen sie, dass wir keinen Aufenthalt bekommen?
RI wiederholt und erläutert die obige Frage.
P3: Wir möchten nur Papiere bekommen, um hier zu arbeiten. Wir möchten Deutsch lernen, mehr nicht. Früher habe ich gar keine Schulen besucht, hier in Österreich besuchte ich Kurse. Ich möchte gerne Deutsch lernen.
RI: Was haben Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich –sei es erfolgreich oder erfolglos- versucht, um Bescheinigungsmittel zu Ihrem Vorbringen vorlegen zu können?
P3: Ich weiß nichts.
RI: Wo leben Ihre Eltern?
P3: Die gibt es nicht mehr, sie sind verstorben in Russland. Ich habe nur einen Bruder, dieser ist in Russland.
RI: Haben Sie Kontakt zu Ihm?
P3: Nein. Seitdem er eine Russin geheiratet hat, haben wir keinen Kontakt mehr. So lauten unsere Traditionen.
RI erörtert den Begriff des „Herkunftsstaates“ der Begriffsbestimmungen des AsylG.
RI: Welchen Staat würden Sie als Ihren Herkunftsstaat iSd Ausführungen bezeichnen?
P3: Ich habe keine Heimat. Egal wo ich hingehe, würde ich keine Heimat finden.
RI: Was würde Sie konkret in der Russischen Föderation erwarten?
P3: Wegen meinem Sohn will ich nicht hin, gar nicht.
RI: Warum wegen Ihres Sohnes?
P3: Die Tschetschenen werden uns nicht in Ruhe lassen, es gab ein Problem dort.
RI: Was würde Sie in Aserbaidschan erwarten?
P3: Nein, dort gibt es Kämpfe oder ich weiß es nicht, was es dort gibt.
RI: Was würde Sie in Armenien erwarten?
P3: Ich kenne mich in Armenien nicht aus, ich war noch nicht dort.
RI hält der P das Ergebnis der über Sprakab eingeholte Sprach- und Herkunftsanalyse vor. Die P gibt hierzu Folgendes an:
P3: Es gab dort verschiedene Volksgruppen, wie Zigeuner. Ich bin eine Frau, ging ganz wenig raus. Ich bin keine Kurdin aus Armenien.
Fragen des Regierungsvorlage, Keine Fragen.
Befragung der P4
RI: Wollen Sie etwas angeben, was die anderen P nicht wissen sollten?
P4: Nein.
RI: Welche Dokumente wurden Ihres Wissens in der Russischen Föderation für Sie ausgestellt?
P4: Gar keine.
RI: Welche Nachweise können Sie vorlegen, dass Sie sich in der Russischen Föderation aufhielten?
P4: Keine.
RI: (mit Dolmetsch für die russische Sprache) Sprechen Sie Russisch?
P4: Ja natürlich.
RI: (mit Dolmetsch für die russische Sprache) Beschreiben Sie in der russischen Sprache, wie gut Sie diese Sprache beherrschen.
P4: Ich spreche gut Russisch.
RI: (mit Dolmetsch für die russische Sprache) Wo haben Sie seit Ihrer Geburt gewohnt?
P4: Ich lebte in römisch 40 .
Auf Russisch:
RI: Geben Sie die genaue Adresse an?
P4: In der Region römisch 40 , römisch 40 .
RI: (mit Dolmetsch für die armenische Sprache) Sprechen Sie Armenisch?
P4 auf Russisch: Ich kann gar kein Armenisch.
RI: In welcher Sprache wünschen Sie die Fortsetzung der Einvernahme?
P4: Auf Russisch. Ich kann auch gut Deutsch.
Weiter auf Russisch:
RI: Wann und wo haben Sie Ihre jetzige Gattin kennen gelernt?
P4: Ich habe meine Frau im Jahr 2018 in Österreich in einem Bus kennengelernt.
RI: Beschreiben Sie einen typischen Tagesablauf an Ihrem Wohnsitz in Russland.
P4: Ich half meinen Eltern im Haushalt. Ich habe meiner Mutter zu Hause geholfen. Ich habe russisch gelernt und auf Bücher auf Russisch gelesen. Ich beschäftige mich auch mit Sport zu Hause. Ich bin mit meinen Freunden ausgegangen.
RI: Gab es dort Radio, Fernsehen, Zeitungen?
P4: Wir haben schon einen Fernseher gehabt, dieser funktionierte.
RI: Hatten Sie ein Telefon?
P4: In Russland? Nachgefragt gebe ich an, ich hatte ein altes Handy.
RI: Gab es in der Nähe ihres Wohnortes ein Gewässer (Fluss, See, etc?)
P4: Ja natürlich. Einen Fluss namens römisch 40 (phon.)
RI: Welche Radio- bzw. Fernsehsender konnten Sie dort empfangen?
P4: Russische Sendungen, nur auf Russisch. Wir haben auch russische Filme gesehen.
RI: Können Sie einen russischen Sender nennen?
P4: Ja, warum nicht. Es gibt viele, aber z.B. NTV und STS. Es gibt noch Russia 1. Es gibt viele Sender.
RI: Besuchten Sie in Russland die Schule?
P4: Nein.
RI: Warum nicht?
P4: Wir hatten keine Dokumente.
RI: (ohne Dolmetscher) Sprechen Sie Deutsch?
P4: Ja.
RI: Stellen Sie sich bitte kurz vor.
P4: Ich bin römisch 40 , geb. römisch 40 , geboren in Russland.
RI: (ohne Dolmetscher) Was haben Sie gestern gemacht?
P4: Mit Sohn spazieren gegangen.
RI: Wie sind Sie heute nach Linz gekommen?
P4: Mit Auto.
RI: Ihnen wird ein Zettel mit einem Text übergeben. Lesen Sie diesen durch und erzählen sie in weiterer Folge zusammengefasst den Inhalt des Artikels Anmerkung, dieser entstammt einer Musterprüfung für A2)
P4: Gehen frische Luft, Luft nicht wie in der Stadt. Wald sind viele Bäume, die Luft ist sehr frisch. Nach dem Urlaub, die ganze Familie nach See im Gebirge. Feld gewesen, viele schöne Blumen. Große Meer gewesen, Fische. Wegen wandern, frische Luft.
Weiter auf Russisch:
RI: Welcher Volksgruppe oder Volksgruppen gehörten Ihre Nachbarn in Russland an?
P4: Viele Tschetschenen, Dagestaner, wenig Russen. Auch Inguschen.
RI: Ihr Antrag wurde seitens der belangten Behörde abgewiesen und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen.
P4: Wegen der Tschetschenen hatten wir einen Konflikt. Diese begannen uns zu bedrohen. Das Hauptproblem weiß mein Vater, er war dort. Ein Landsmann von uns hat dort einen Tschetschenen getötet. Mein Vater weiß die ganze Geschichte.
RI erörtert den Begriff des „Herkunftsstaates“ der Begriffsbestimmungen des AsylG.
RI: Welchen Staat würden Sie als Ihren Herkunftsstaat iSd Ausführungen bezeichnen?
P4: Ich bin aus Russland.
RI: Was würde Sie konkret in Russland erwarten?
P4: Ich glaube ein Unglück würde passieren. Tschetschenen sind schlechte Leute, man kann alles von ihnen erwarten. Ich weiß nicht, was passieren kann, dass weiß nur Gott.
RI: Was würde Sie in Aserbaidschan erwarten?
P4 Ich war nie in Aserbaidschan.
RI: Was würde Sie in Armenien erwarten?
P4: Ich weiß nicht wo Armenien ist, nicht einmal auf der Landkarte.
RI hält der P das Ergebnis der über Sprakab eingeholte Sprach- und Herkunftsanalyse vor. Die P gibt hierzu Folgendes an:
P4: Wegen einzelner Wörter stimmt es nicht. Ich beherrsche sehr gut Russisch und spreche dies auch gut.
Fragen des Regierungsvorlage, Keine Fragen.
Gemeinsame Befragung
RI: Haben Sie die Bedrohungen, welche von den Tschetschenen ausgingen, in der Russischen Föderation zur Anzeige gebracht?
P4: Nein.
P2: Mein Sohn kann sich nicht gut erinnern.
Weiter auf Kurdisch:
P2: Wir haben zweimal eine Anzeige gemacht. Einmal kam ein Polizist in unser Dorf und blieb einige Stunden dort, drei oder vier Stunden. Beim zweiten Streit, als wir gestritten haben, haben unsere Nachbarn die Polizei verständiger, aber die Polizei kam erst in der Nacht.
RI: Wenn Sie in der Russischen Föderation tatsächlich von Tschetschenen bedroht worden wären, hätten Sie in einen anderen Teil Russlands, etwa in eine Großstadt, welche sich weit genug weg von Ihrem bisherigen Wohnsitz befand, unbehelligt aufhalten können.
P2: Wir hatten allgemein Angst, dort zu bleiben, dass uns etwas passiert. Wir hatten Angst, dass sie uns nachkommen.
RI: Auch in Österreich leben etliche 1000 Tschetschenen. Haben Sie vor diesen keine Angst?
P2: Ich weiß, dass hier einige leben. Wir kennen uns nicht, wir haben keine Probleme hier.
RI: Ihnen wurden gemeinsam mit der Ladung Feststellungen zu in Bezug auf Ihre Person in Frage kommende asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ihrem in Frage kommenden Herkunftsstaaten zur Kenntnis gebracht. Wollen Sie sich hierzu äußern?
P2: Wir wollen in diese Länder nicht. Es sind nicht unsere Heimatländer.
RI weist in zusammengefasster Form darauf hin, dass sowohl für Armenien, als auch für Aserbaidschan und die Russische Föderation im Wesentlichen gilt, dass Personen, welche zum Zeitpunkt der Erlangung der Eigenstaatlichkeit auf deren Territorium Ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, ex lege die Staatsbürgerschaft erhielten. Ebenso erhalten in allen 3 Staaten Kinder, deren Eltern die Staatsbürgerschaft dieses Staates haben, ex lege die Staatbürgerschaft der Eltern.
P2: Meine Eltern habe die Dokumente an den Dorfvorsteher gegeben, dieser gab sie aber nicht zurück. Ich meine damit sowjetischen Inlandspässe. Diese sind seitdem verlorengegangen. Seither hatten wir keine Dokumente als Beweise.
Auf Russisch:
RI an P4: Wie bestreiten Sie gegenwertig Ihren Lebensunterhalt?
P4: Wir bekommen Sozialhilfe. Meine Frau arbeitet. Sie hat ihre erste Ausbildung gemacht.
P2: Meine Frau arbeitet auch.
RI an P4: Wie würden Sie im Falle eines Aufenthaltsrechtes Ihren Lebensunterhalt bestreiten?
P4: Ich werde arbeiten gehen.
RI: Haben Sie Ihre Lehre abgeschlossen?
P4: Ich habe meinen Deutschkurs absolviert, Die A2 Prüfung habe ich bestanden, jetzt mache ich B1.
RI: Sie haben in Österreich eine Lehre begonnen oder?
P4: Nein.
RI: Haben Sie die Integrationsprüfung gemacht?
P4: Nein.
RI: Haben Sie einmal versucht, in jenen Bereichen des Arbeitsmarktes, die auch Asylwerbern offenstehen, eine Arbeit zu bekommen?
P4: Natürlich. Ich habe mir eine Lehrstelle gesucht, ich wollte eine Lehre machen. Wegen fehlender Dokumente wurde ich nicht aufgenommen.
P2: Wir gingen zu mehreren Firmen, ich auch, mein Sohn auch. Wegen der fehlenden Dokumente wurden wir leider nicht aufgenommen.
Fragen der Regierungsvorlage, Keine Fragen.
Stellungnahme des Regierungsvorlage, Der P4 hat ein Kind in Österreich und die Trennung würde gegen Artikel 24, GRC verstoßen. Die P1 ist alleine nicht selbsterhaltungsfähig und ist auf ihre Angehörigen angewiesen. Dahingehend verweise ich auf die Beschwerde des Regierungsvorlage und diese wird vollinhaltlich aufrechtgehalten.
Der RI fragt die P, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen will.
P2: Mein Sohn hat jetzt eine Familie hier, wir wollen nicht auseinandergerissen werden.
P3: Wir möchten gerne hier bleiben und Dokumente bekommen.
P2: Wir möchten gerne arbeiten und für uns sorgen und benötigen keine staatliche Hilfe.
…“
römisch eins.15.1. Die bB entsandte zur Verhandlung keinen Vertreter.
römisch eins.16. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf die Akteninhalte verwiesen.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
römisch II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien
Bei den bP handelt es sich um Angehörige der kurdischen Volksgruppe, die dem jezidischen Glauben angehören.
Die tatsächliche Identität und Staatsangehörigkeit der bP konnten nicht hinreichend geklärt werden.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die bP1 bis bP3 aus einem Dorf in der Nähe der Stadt römisch 40 (damals UdSSR/Aserbaidschanische SSR, Autonome Region Bergkarabach) stammen und von dort im Jahr 1990/ 1991 in die Russische Föderation (damals UdSSR/RSFSR) umsiedelten. Ebenso können weitere Wohnsitze oder Umzüge der bP nicht festgestellt werden.
Die bP2-bP4 wurden offensichtlich in einem dreisprachigen kurdisch/kurmandschi-armenisch-russischen Milieu sozialisiert und verbrachten ihr bisheriges Leben in diesem Milieu.
Die bP1 wurde in einem zweisprachigen kurdisch/kurmandisch-armenischen Milieu sozialisiert und verbrachte ihr bisheriges Leben in diesem Milieu.
Der konkrete Herkunftsort der bP kann gegenwärtig nicht ermittelt werden.
Alle bP sprechen Kurdisch-Kurmandschi auf Mutterspracheniveau.
Der Sprachgebrauch der bP2 bis bP4 weist Merkmale auf, die dem von Kurmandschisprachigen mit Hintergrund in Armenien entsprechen und weist Einflüsse des in Armenien gesprochenen Armenischen auf.
Die bP1 verwendet in ihrem Sprachgebrauch ebenso Wörter und Ausdrucksweisen auf Armenisch bzw. Armenisch-Kurmandschi.
Die bP1 hat keine Kenntnisse der russischen Sprache.
Die bP2 hat grundlegende Kenntnisse der russischen Sprache.
Die bP3 hat rudimentäre Kenntnisse der russischen Sprache.
Die bP4 spricht fließend Russisch.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die bP einen Teil ihres Lebens in der Russischen Föderation verbracht haben. Ebenso wird ein Aufenthalt in Armenien indiziert und kann ein solcher in Berg Karabach ebenfalls nicht vollständig ausgeschlossen werden, wenngleich diese als sehr unwahrscheinlich zu betrachten sind. Zeitliche Einschränkungen, wann die bP wo lebten, sind nicht möglich.
Bei den bP2 bis bP4 handelt es sich um mobile, arbeits- und anpassungsfähige Menschen.
So war es den bP vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates sichtlich möglich, ihr Leben zu meistern.
Die bP4 ist mit einer im österreichischen Bundesgebiet lebenden jezidischen Armenierin, namens römisch 40 , geb. römisch 40 , „traditionell“ verheiratet und sie haben einen gemeinsamen Sohn, namens römisch 40 , geb. 08.03.2019. römisch 40 und der gemeinsame Sohn römisch 40 genießen im Bundesgebiet einen rechtmäßigen Aufenthalt im Zuge einer „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ und sind an selbiger Wohnadresse wie die bP gemeldet.
Die bP haben darüber hinaus keine weiteren (familiären) Anknüpfungspunkte in Österreich und auch keine Familienangehörigen im Schengenraum.
Der Lebensunterhalt der bP wird von der öffentlichen Hand getragen, sie leben von der Grundversorgung. Die bP sind aktuell nicht selbsterhaltungsfähig. Die bP3 arbeitet geringfügig für eine Pizzeria in römisch 40 in römisch 40 . Die bP4 hat einen Hubstaplerführerschein im Bundesgebiet absolviert. Die bP1, bP2 und bP4 sind am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert.
Die bP1 hat einen Ausweis für Behinderte mit einem Behinderungsgrad von 60 %. Weiters leidet die bP1 an Coxarthrose, Gonarthrose, Adipositas per magna sowie einer intermittierenden Harninkontinenz. Die bP1 hat Knoten in der Schilddrüse, die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen bedürfen. Sie leidet an Bluthochdruck und an einem Bruch des Bauchfells. Sie kann nur schwer zu Fuß gehen und ist auf fremde Hilfe angewiesen. Die bP1 wurde mit 02.07.2021 auf das Medikament Propycil 50 mg umgestellt. Die bP1 ist zweimal gegen Covid-19 geimpft.
Die bP2 ist Diabetiker und wurde dementsprechend medikamentös eingestellt. Die bP2 ist zweimal gegen Covid-19 geimpft.
Die bP3 und bP4 sind gesund.
Die bP leiden an keiner schweren lebensbedrohlichen Erkrankung, welche nicht auch außerhalb des Bundesgebiets behandelt werden könnte.
Den bP bleibt es unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine karitativ tätige Organisation zu wenden.
Die bP halten sich seit rund 6 Jahren und 3 Monaten im Bundesgebiet auf. Sie reisten illegal, ohne Reisedokumente oder Identitätsdokumente in das österreichische Bundesgebiet ein.
Die bP konnten ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Hätten sie diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig und ist im Lichte dieses Umstandes davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.
Die bP möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit ihrer Einreise und anschließenden Antragstellung im Bundesgebiet durchgehend auf.
Die bP1 hat keine Deutschkenntnisse.
Die bP2 und bP3 verfügen über einfachste Deutschkenntnisse und haben an Deutschkursen auf dem Niveau A1 teilgenommen. Sie waren weder in der Lage einen deutschen Text auf einem (einfachen) Niveau A2 in der Beschwerdeverhandlung sinnerfassend zu lesen, inhaltlich und sinngemäß annährend wiederzugeben, noch ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen.
Die bP4 hat nachweislich Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 und war in der Lage einen deutschen Text auf dem Niveau A2 in der Beschwerdeverhandlung sinnerfassend zu lesen und phrasenhaft wiederzugeben. Aktuell besucht die bP4 einen Deutschkurs auf dem Niveau B1.
Die bP sind strafrechtlich unbescholten.
römisch II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat der bP
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat der bP werden keine Feststellungen getroffen, weil ein solcher Staat nicht festgestellt werden konnte.
Berichtsmaterial hinsichtlich dreier in Frage kommender Staaten (Armenien, Aserbaidschan, Russische Föderation) wurden zusammengetragen und den bP im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt.
römisch II.1.2.1. Die Feststellungen zur ungeklärten Staatsbürgerschaft der bP basieren auf folgenden Rechtsgrundlagen und Rechercheergebnissen:
römisch II.1.2.1.1. Staatsbürgerschaft der Republik Armenien
Es wird als notorisch bekannt angesehen, dass sich die Republik Armenien am 21. September 1991 (zuvor Armenische SSR [ArSSR] als Teil der UdSSR) als unabhängiger Staat erklärte. Ab diesem Zeitpunkt stellte sich auch die Frage, wer dem armenischen Staatsvolk zuzurechnen ist, womit sich völkerrechtlich die Frage nach der Staatsangehörigkeit und innerstaatlich für die armenischen Behörden die Frage stellte, wer Staatsbürger des Landes ist.
Vor der Erlangung der Eigenstaatlichkeit Armeniens galt in der ArSSR das Staatsbürgerschaftsrecht der UdSSR. Dieses Unionsgesetz blieb bis zur Beendigung der UdSSR spätestens am 26.12.1991 und galt darüber hinaus noch nach der Trennung der Republik Armenien von der UdSSR in der Republik Armenien bis zum Inkrafttreten eines eigenen Staatsbürgerschaftsgesetzes im Jahr 2005 fort (Gutachten des TKI vom 25.8.2006, AZ G 2006).
Unter Berufung auf ein Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Jerewan bzw. dem Deutschen Auswärtigen Amt geht das TKI aaO. davon aus, dass vor dem Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1995 in der Verwaltungspraxis in der Regel alle ehemaligen Bürger der Sowjetunion mit einer ‚Propiska' in Armenien oder mit dem Nationaleintrag ‚Armenier/in' als Armenier betrachtet wurden. Dies galt umso mehr für die Besitzer alter sowjetischer Pässe mit dem Stempelaufdruck "Property of Armenia".
Artikel 10, Absatz 3, des armenischen Staatsbürgerschaftsgesetzes besagt, dass ethnische Armenier der damaligen ArSSR, die außerhalb Armeniens leben und keine andere Staatsbürgerschaft erworben haben, als armenische Staatsbürger anerkannt werden (novelliert am 08.12.2011). (https://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain/opendocpdf.pdf?reldoc=y&docid=5583ea9e4, Zugriff am 15.03.2022).
Die bP sind keine ethnischen Armenier, sondern kurdische Jeziden.
Gemäß Artikel 11, des Staatsbürgerschaftsgesetzes der Republik Armenien gelten Kinder, deren Eltern armenische Staatsbürger sind, sowohl gemäß der Stammfassung 1995 als auch nach der Novelle 2007 als armenische Staatsbürger sind, unabhängig vom Ort der Geburt.
römisch II.1.2.1.2. Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation
In der Russischen Föderation wurde die originäre Erlangung der Russischen Staatsbürgerschaft durch Artikel 13, Absatz eins, des Staatsbürgerschaftsgesetzes der Russischen Föderation vom 28.11.1991 geregelt, wonach alle Staatsbürger der ehemaligen UdSSR, die am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes ständig auf dem Territorium der RSFSR lebten, als Staatsbürger der Russischen Föderation anerkannt wurden, sofern sie nicht innerhalb eines Jahres nach diesem Tag erklären, der Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation nicht angehören zu wollen (Gutachten von Dr. Siegfried Lammich vom 7.1.2010 an den Asylgerichtshof).
Das geltende russische Staatsbürgerschaftsgesetz enthält keine Bestimmung, wonach auf dem Territorium der Russischen Föderation geborene Kinder von Eltern nichtrussischer Staatsbürgerschaft ex lege als russische Staatsbürger gelten. Das Gesetz sieht die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf Antrag vor. Eine solche Einbürgerung sieht den ununterbrochenen legalen Aufenthalt für eine im Gesetz genannte Periode vor (Gutachten von Dr. Siegfried Lammich vom 7.1.2010 an den Asylgerichtshof).
Darüber hinaus sieht Artikel 14, des Staatsbürgerschaftsgesetzes der Russischen Föderation verschiedene vereinfachte Einbürgerungen vor, ua. für Personen, die auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion geboren wurden. Diese setzen jedoch alle ebenfalls einen förmlichen Antrag voraus (Staatsbürgerschaftsgesetz der Russischen Föderation: https://www.legislationline.org/download/id/9281/file/RF_Law%20on%20Citienship.pdf, Zugriff am 18.03.2022).
Zur Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation ergeht aus einer Anfragebeantwortung vom 23.08.2021 der Staatendokumentation Folgendes: Das Gesetz hinsichtlich der Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation nennt in Kapitel römisch VIII.1., Artikel 41, 1. Absatz eins, Ziffer 1, Litera a, –, c, bestimmte Personengruppen, die sich auf dem Gebiet der Russischen Föderation befinden und für den Erhalt der russischen Staatsbürgerschaft infrage kommen. Hierzu zählen ‚handlungsfähige Personen, die am 5. September 1991 Staatsangehörige der UdSSR waren und vor dem 1. November 2002 in die Russische Föderation kamen, um sich dort niederzulassen, und die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation nicht in der vorgeschriebenen Weise erworben haben, sofern sie keine ausländische Staatsbürgerschaft oder ein gültiges Dokument besitzen, das ihr Aufenthaltsrecht in einem anderen Land bescheinigt‘. Gleiches gilt für deren handlungsfähige Kinder, unabhängig davon, ob diese das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sofern auch diese ‚keine ausländische Staatsbürgerschaft oder ein gültiges Dokument besitzen, das ihr Aufenthaltsrecht in einem anderen Land bescheinigt‘. (Föderales Gesetz Nr. 62 über die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation, 31. Mai 2002, Fassung vom 13. Juli 2020, Artikel 41 Punkt eins, Absatz eins, Ziffer 1, Litera a, –, c,). Nach Artikel 41, Absatz eins, Ziffer 2 sind diese Personen berechtigt, ihren Status zu legalisieren, indem sie ihren Willen bekunden, Staatsangehörige der Russischen Föderation werden zu wollen. (Föderales Gesetz Nr. 62 über die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation, 31. Mai 2002, Fassung vom 13. Juli 2020, Artikel 41, Absatz eins, Ziffer 2)
römisch II.1.2.1.3. Staatsbürgerschaft der Republik Aserbaidschan:
Es kann als notorisch angesehen werden, dass die in den Jahren 1988 -1992 in Aserbaidschan stattgefundenen und gegen die Bevölkerung der armenischen Ethnie gerichteten Pogrome eine Fluchtwelle von in Aserbaidschan lebenden Armeniern bewirkte. Allein nach den im Januar 1990 stattgefundenen Pogromen in Baku sollen von der sowjetischen Armee 40 000 Personen nach Russland evakuiert worden sein. Außer nach Russland und nach Armenien sowie in andere Republiken der zu dieser Zeit noch bestehenden Sowjetrepubliken (vor allem auch in die Ukraine) flüchtete ein großer Teil der Flüchtlinge auch in die westlichen Länder. Die Zahl der, der armenischen Ethnie angehörigen Personen, die in dieser Zeit aus Aserbaidschan geflüchtet sind, wird auf ca. 300 000 Personen geschätzt.
Die als allgemein bekannt zu erachtende Trennung der Republik Aserbaidschan von der UdSSR am 18.10.1991 wurde mit einem sog. Verfassungsakt des Obersten Sowjets der Republik dieses Datums vorgenommen.
Die originäre (ohne Antrag) Übernahme in die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft nach dem Zerfall der Sowjetunion, regelte Artikel 4, des noch vor Ausrufung der Unabhängigkeit Aserbaidschans (18.10.1991) beschlossenen und ab dem 1.1.1991 in Kraft getretenen Staatsangehörigkeitsgesetz der Aserbaidschanischen SSR vom 26 Juni 1990. Dieses Gesetz galt bis zum Inkrafttreten des geltenden Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Aserbaidschan von 1998. Gemäß Artikel 4, Absatz , des zitierten Gesetzes von 1990 wurde die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft allen Personen unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit zuerkannt, die am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes, also am 1.1.1991, die sowjetische Staatsbürgerschaft und die "Republikzugehörigkeit" innehatten. Der Begriff "Republikzugehörigkeit" war zwar gesetzlich nicht definiert; unter Berufung auf die ständige Praxis der aserbaidschanischen obersten Verfassungsorgane in den 1980-iger Jahren wird aber davon ausgegangen, dass die Republikzugehörigkeit durch den ständigen Wohnsitz vermittelt wurde, d.h. dass diese nur dann angenommen worden ist, wenn der Betroffene mit einem ständigen Wohnsitz in Aserbaidschan registriert gewesen ist. In für die deutschen Gerichte erstellten Gutachten verschiedener deutscher Forschungsinstitute wird hervorgehoben, dass ein "ständiger Wohnsitz" solange angenommen werden kann, solange der Betroffene am Wohnort "förmlich registriert" gewesen ist, d.h. dass die Republikzugehörigkeit erst mit der förmlichen Abmeldung zu Ende gegangen ist. Eine solche auch hier geteilte Interpretation dieser Vorschrift wird auch in der deutschen Rechtsprechung geteilt. Dabei wird allerdings darauf hingewiesen, dass eine solche förmliche Abmeldung nicht immer auch vom Betroffenen vorgenommen werden musste. Bei Personen etwa, die wegen der Pogrome Aserbaidschan verlassen haben, wurde die Tilgung der Registrierung bei einer längeren Abwesenheit des Betroffenen vom Wohnort auch "von Amts wegen" vorgenommen. Das Innenministerium der Republik Aserbaidschan hat zentral wie auch auf unteren Ebenen vor dem Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998, im Wesentlichen im Zeitraum von 1991 bis 1994, teilweise noch bis 1998, in mehreren "Wellen" für eine amtswegige Abmeldung (oder schlichte "Registersäuberung") abwesender armenischer Volkszugehöriger Sorge getragen. Nicht auszuschließen sein dürften auch rückdatierte amtliche Abmeldungen oder nachträgliche "Register-Säuberungen" in Fällen unerwünschter Personen. (Transkaukasus Institut, Gutachten vom 25.8.2006)
Gemäß Artikel 5, Absatz eins, des zurzeit geltenden aserbaidschanischen Staatsbürgerschaftsgesetzes vom 30.9.1998 (in Kraft seit dem 1. 1. 1999 idgF) erlangten die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit von Gesetzes wegen alle Personen die diese StA auch auf Grund des Gesetzes von 1990 hatten, allerdings unter der Bedingung, dass sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (1. 1. 1999) an ihrem Wohnort in der Aserbaidschanischen Republik registriert waren. Diese Regelung hatte zur Folge, dass Personen die zum Zeitpunkt 1.1.1999 nicht an ihrem Wohnort in Aserbaidschan registriert waren, die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft entzogen worden ist. Betroffen von dieser Regelung waren vor allem die aus Aserbaidschan geflüchteten ethnischen Armenier mit aserbaidschanischer Staatsbürgerschaft, die entsprechend einer Verordnung des Justizministers von 1998 aus dem Einwohnerregister von den Meldebehörden von Amts wegen gestrichen worden sind. (Dr. Lammrich, Gutachten vom 07.01.2010)
Das Gutachten des Transkaukasus Institut vom 25.8.2006 führt zur praktischen "Realisierbarkeit" der Staatsangehörigkeit der Republik Aserbaidschan aus, dass armenischen Volkszugehörigen, die sich im Ausland befinden und die früher Staatsbürger der Republik Aserbaidschan waren, nach deren "kalter Ausbürgerung" in der Praxis die gesetzlichen Bestimmungen derart ausgelegt wurden und werden, dass insbesondere diesem Personenkreis keine Ausweise oder Ersatzpapiere ausgestellt werden und der Staat diesen auch keine Einreiseerlaubnis erteilt und somit nicht als ihre Staatsangehörige anerkennen.
römisch II.1.2.2. Dem im gegenständlichen Fall zugrunde gelegten Quellenmaterial folgend leben kurdische Jeziden im Einklang mit allen anderen Bevölkerungsgruppen in den drei in Betracht kommenden Herkunftsstaaten. Eine Gruppenverfolgung von kurdischen Jeziden konnte weder im Hinblick auf die Republik Armenien, noch Aserbaidschan, noch der Russischen Föderation festgestellt werden.
römisch II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem bzw. Rückkehrhindernisse in den Herkunftsstaat
Die Gründe, warum die bP ihren Herkunftsstaat verlassen haben, können nicht abschließend eruiert werden, zumal kein Herkunftsstaat iSe Staates, dessen Staatsbürgerschaft die bP beistzen bzw. eines Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts festgestellt werden konnte.
Festgestellt wird, dass die bP nicht den von ihnen behaupteten Gefährdungen aufgrund ihrer Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit ausgesetzt waren.
2. Beweiswürdigung
römisch II.2.1. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten, maßgeblichen Sachverhalt (§37 AVG) – welcher sich im antragsbedürftigen Verfahren im Wesentlichen aus der Begründung des Antrages, den Erhebungen der bB in Verbindung mit den im Beschwerdeverfahren durchgeführten Ermittlungen, insbesondere der sieben Sprachanalysen durch das Sprakab-Institut und den in der Beschwerdeverhandlung erörterten Umständen ergibt - ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
römisch II.2.2. Mangels im Verfahren erfolgter Vorlage von unbedenklichen nationalen Identitätsdokumenten bzw. sonstigen Bescheinigungsmitteln konnte die Identität der bP nicht festgestellt werden. Soweit diese namentlich genannt werden, legt das ho. Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung der bP als Verfahrensparteien dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung im Sinne des Paragraph 38, AVG bedeutet.
Das ho. Gericht geht davon aus, dass es den bP möglich wäre, ihre Identität bei entsprechender Mitwirkung im Verfahren durch die Vorlage von unbedenklichen Unterlagen zu bescheinigen, zumal sie glaubhaft aus einem ehemaligen UdSSR-Staat stammen, welcher die Existenz oder aber ‚Nicht-Existenz‘ seiner (auch ehemaligen) Bürger dokumentiert(e) und deren Identität durch die Ausstellung entsprechender Dokumente bescheinigt (hierzu sind im RIS eine Vielzahl von Entscheidungen des ho. Gerichts veröffentlicht, wo auf diesen Umstand eingegangen wurde). Vor allem vor dem Hintergrund, dass die bP2 im Laufe des Verfahrens ausführte, dass es sehr wohl Geburtsurkunden bzw. sowjetische Inlandspässe gegeben hätte, diese allerdings an den Dorfvorsteher abgegeben wurden (mündl. Vhdlg Seite 13, 30). Gerade in Bezug auf Einwohner der ehemaligen UdSSR und ihrer Nachfolgestaaten kann es als notorisch bekannt angesehen werden, dass in diesen Staaten Behörden existieren, welche die Personenstandsfälle sowie die physische Existenz ihre Bürger dokumentieren.
Die offensichtlich falschen Angaben zur Identität bzw. Nationalität und die unterbliebene Mitwirkung in diesem Punkt auch im Beschwerdeverfahren durch die bP, verunmöglichen es dem ho. Gericht, zu diesem Beweisthema bei Beachtung der Grenzen der Obliegenheit zur Führung eines Ermittlungsverfahrens weitere erfolgsversprechende Ermittlungen zielgerichtet zu führen und haben sich jene Recherchemöglichkeiten, welche dem ho. Gericht vernünftiger Weise zugemutet und auferlegt werden können und welche nicht in einen unzulässigen Erkundungsbeweis münden, erschöpft.
Der Umstand, dass die Identität bis dato nicht festgestellt werden konnte ist letztlich auf die mangelnde Mitwirkung der bP an der Identitätsfeststellung zurückzuführen und sind alle daran anknüpfenden Konsequenzen daher von den bP zu vertreten.
Im gegenständlichen Fall sei auch darauf hingewiesen, dass die bP angaben, zu Zeiten der Existenz der UdSSR als sowjetische Staatsbürger innerhalb des Landes zu einer Zeit umgezogen zu sein, als es zu größeren, aufgrund des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan ausgelösten, vom Südkaukasus ausgehenden Migrationsbewegungen innerhalb der UdSSR kam und sich in der notorisch bekannten Berichtslage keine Hinweise finden, dass jenen Menschen, welche sich als Staatsbürger der UdSSR in die damalige RSFSR begeben hätten, dort die Ausstellung von Dokumenten, sowie die Erteilung einer „Propiska“ verweigert worden wäre (viel mehr wurde zum Teil die Evakuierung und die Unterbringung der Binnenflüchtlinge von den sowjetischen Behörden organisiert und erfolgte eine Ausstattung mit Dokumenten) und sie in weiterer Folge die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation nicht erhalten hätten.
Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten und einheitlichen Angaben sowie aus ihren Sprachkenntnissen der Sprache Kurdisch-Kurmandschi auf muttersprachlichem Niveau.
römisch II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, hinsichtlich der Republik Armenien, Aserbaidschan und der Russischen Föderation, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der dortigen Lage zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.
In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass für das ho. Gericht nicht die Quellen- und Berichtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die bB, sondern jene zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das ho. Gericht maßgeblich ist.
römisch II.2.4. Im gegenständlichen Fall stellt die Beantwortung der Frage, ob die bB zu Recht davon ausging, dass es sich bei der Republik Armenien um den Herkunftsstaat der bP handelt, die wesentliche Beurteilungsgrundlage für die weitere Entscheidungsfindung dar.
Einleitend zu den weiteren Ausführungen wird darauf hingewiesen, dass sich die bB und das ho. Gericht der Ergebnisse insgesamt sieben Sprach- und Herkunftsanalysen (bP2 bis bP4 betreffend je zwei; die bP1 betreffend eine Sprachanalyse) eines international anerkannten Institutes, namens Sprakab mit Sitz in Schweden, bedienten. Zur Arbeitsweise dieses Institutes ist festzuhalten, dass, um eine Sprachanalyse durchzuführen, vom Experten oder einem speziell ausgebildeten Interviewer und ‚Native Speaker‘ in der zu analysierenden Sprache, ein Gespräch mit dem Probanden geführt wird, welches aufgezeichnet wird. So können die für den Experten relevanten Fragen gestellt werden, sowohl was die Landeskunde, das Alltagsleben, als auch was die vom Probanden angegebenen Sprache(n) betrifft; das Gespräch wird außerhalb des Kontexts des gegenständlichen Antrags geführt und es wird auch nicht auf Flucht-, Ausreisegründe etc. eingegangen; der Experte bzw. der Interviewer unterhält sich mit dem Probanden in allen von ihm angegebenen Sprachen (falls möglich). Der Experte tritt via Telefon in Kommunikation mit dem Probanden. Das aufgezeichnete Gespräch stellt die legale Grundlage für die Analyse dar. Der Experte kann sich so das Gespräch so oft wie nötig anhören, um die Analyse zu vervollständigen. Bei Bedarf kann die Aufnahme weiteren Experten zur Bearbeitung geschickt werden. Letzteres erlaubt es, Sprach- oder Länderkenntnisse verschiedener Experten zu kombinieren und somit auch komplexere Fälle adäquat zu behandeln. Sodann wird ein Linguist hinzugezogen, der das Interview auswertet, wobei jene Auswertung von einem weiteren Linguisten zur Begutachtung gelangt. Der Sprachanalysebericht wird untergliedert in die ‚Erkenntnisse‘ und in die ‚Analyse‘, welche wiederum in Phonologie und Prosodie; in Morphologie und Syntax und in lexikalische Aspekte unterteilt wird und woraus sich letztlich die Einschätzung des sprachlichen Hintergrunds des Probanden ergibt. Die Einschätzung wird wiederum aufgeschlüsselt in ‚sehr hoch‘, ‚hoch‘, ‚mittel‘, ‚gering‘ und ‚sehr gering‘. Die Erkenntnisse des sprachlichen Hintergrunds werden schließlich zusammenfassend festgehalten (siehe Sprachanalyse-Berichte im Akt sowie unter https://www.sprakab.se/language-analysis/; Zugriff am 08.03.2022). Im Lichte der oa. Ausführungen ist anzumerken, dass das Sprachinstitut nicht am Verfahrensausgang - egal in welche Richtung auch immer - interessiert ist und auch keine Informationen darüber erhält.
Das ho. Gericht geht davon aus, dass sich die bB nicht auf die Sprach- und Herkunftsanalysen alleine verlassen konnte bzw. aus dem Ergebnis der Sprach- und Herkunftsanalysen nicht in jedem Fall auf eine bestimmte Staatsangehörigkeit geschlossen werden kann. Wenn die bB nun zum Ergebnis kommt, die bP seien Staatsangehörige der Republik Armenien zog diese voreilig einen derartigen Schluss, zumal die darauf stützende Sprachanalyse über das Institut Sprakab - dessen Inhalt vom erkennenden Gericht nicht angezweifelt wird - sich auf das gesprochene Kurmandschi in den Herkunftsstaaten von Armenien und Aserbaidschan beziehen und weder eine Sprachanalyse zur anfänglich behaupteten Staatsangehörigkeit zur Russischen Föderation veranlasst wurde, noch weitere Erhebungen zum Staatsbürgerschaftsrecht der in Betracht kommenden Herkunftsstaaten gemacht wurden.
Die bB wäre daher verhalten gewesen, in diesem Punkt weitere Erhebungen zu tätigen, dies insbesondere auch deswegen, weil neben der beschriebenen offen gelassenen Fragestellung auch weitere gewichtige Hinweise bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung der bB darauf hindeuteten, dass die bP mit gleicher Wahrscheinlichkeit aus einem anderen Staat als Armenien stammen könnten. Die Frage der Staatsangehörigkeit der bP war somit zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde ungeklärt und teilt das ho. Gericht die in der Beschwerdeschrift angeführten Bedenken, wonach im gegenständlichen Fall die veranlassten Sprachanalysen in Bezug auf den vermuteten Herkunftsstaat nicht ausreichend sein können um die abschließende Feststellung zu treffen, dass die bP armenische Staatsbürger seien.
In weiterer Folge beauftragte das ho. Gericht die bB im Wege der mittelbaren Beweisaufnahme eine weitere Sprachanalyse hinsichtlich der durch die bP anfangs behaupteten Staatsangehörigkeit und des behaupteten letzten Aufenthaltsortes in der Russischen Föderation durchführen zu lassen, zumal in gegenständlicher Angelegenheit neben dem vermuteten Herkunftsstaat (Armenien) auch eine (Gegen-) Analyse zum behaupteten letzten gewöhnlichen Aufenthalt (Russische Föderation) schlagend wird.
Unter Zugrundelegung sämtlicher Sprachanalysen konnte zusammenfassend Folgendes festgestellt werden: Die bP sprechen Kurdisch-Kurmandschi auf Mutterspracheniveau, wobei der Sprachgebrauch der bP2 bis bP4 Merkmale aufweist, die dem von Kurmandschisprachigen mit Hintergrund in Armenien entsprechen sowie Einflüsse des in Armenien gesprochenen Armenischen aufweist. Die bP1 verwendete in ihrem Sprachgebrauch ebenso Wörter und Ausdrucksweisen auf Armenisch bzw. Armenisch-Kurmandschi. Ein unterschiedliches Sprachniveau konnte in Bezug auf die russische Sprache festgestellt werden, womit die jüngste bP, die angibt ausschließlich in der Russischen Föderation gelebt zu haben, am besten die russische Sprache beherrscht. Die bP2 legte grundlegende Russischkenntnisse an den Tag und die bP3 und bP4 mangelhafte Kenntnisse bis gar keine. Dementsprechend konnte jedenfalls neben der Sozialisierung in einem kurdisch/kurmandschi-armenisch-sprachigen Umfeld auch offensichtliche Anknüpfungspunkte im russischen Milieu als wahrscheinlich angenommen werden. Die bP1 und bP3 begründeten ihre nicht bzw. kaum vorhandenen Sprachkenntnisse der russischen Sprache damit, dass sie überwiegend zuhause gewesen wären und sich um Haushalt und Landwirtschaft gekümmert hätten. Befragt zu Nachbarn am behaupteten letzten Aufenthaltsort, wären dies viele andere Volksgruppen wie Tschetschenen, Dagestaner, Inguschen etc. gewesen und nur wenige Russen.
Das ho. Gericht geht grundsätzlich davon aus, dass es sich bei den Sprach- und Herkunftsanalysen um kein Gutachten im engeren Sinne handelt. Vielmehr geht das ho. Gericht davon aus, dass es sich um ein "sonstiges" Beweismittel handelt, welches aufgrund des hier geltenden Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel im Rahmen der freien Beweiswürdigung seine Berücksichtigung findet. Auch geht das ho. Gericht davon aus, dass die Sprach- und Herkunftsanalysen im gegenständlichen Fall nur eines mehrerer Beweismittel oder Indizien darstellen können, um eine Verortung der bP festzustellen.
Als weitere Indizien werden die Aussagen der bP zu den behaupteten Aufenthaltsorten herangezogen, wonach insbesondere hinsichtlich der Behauptung, dass die bP1 bis bP3 aus römisch 40 (auch römisch 40 ) stammen würden, folgende Beobachtungen gemacht werden konnten:
Vorweg genommen darf werden, dass römisch 40 eine Stadt im römisch 40 römisch 40 - an der römisch 40 - ist und zugleich Hauptstadt des gleichnamigen Bezirks (Distrikts). Im Zuge des Bergkarabach Konflikts wurde die Stadt im Jahr 1992 von Armenien besetzt. Nach neuerlicher Entfachung des Konfliktes konnte die Stadt im Jahr 2020 zwar nicht zurückerobert werden, römisch 40 . Nur die Stadt selbst und ein benachbarter Ort verblieben unter ihrer bisherigen Verwaltung und unter Schutz russischer Friedenstruppen römisch 40 (für viele öffentlich zugängliche Quellen vergleiche etwa zusammenfassend und als notorisch bekannt anzunehmend: römisch 40 sowie detaillierter: römisch 40
Den Angaben der bP2 und bP3 zufolge müssten die beiden bP bis ins Jahr 1991 zu deren 12., 13. oder 14. Lebensjahr in einem Dorf in römisch 40 gelebt haben und dort sozialisiert worden sein. Den Angaben der bP1 folgend, sei diese mit ihrem Sohn (bP2) im Jahr 1991 bzw. 1992 aus römisch 40 nach Russland geflohen. Bis zum Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 gehörte römisch 40 zur Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik (AsSSR) und gleichzeitig als eine von fünfzehn Unionsrepubliken zur im Jahr 1922 gegründeten Sowjetunion. Als notorisch bekannt anzusehen ist, dass innerhalb der Sowjetunion dem Schul- und Bildungssystem eine wichtige Bedeutung eingeräumt wurde und obwohl zumindest für die bP2 und bP3 die Schulpflicht gegolten haben müsste, behaupteten beide bP keine Schule besucht zu haben. Nach Vorhalt der Schulpflicht in der Sowjetunion während der Beschwerdeverhandlung führte die bP2 an, dass sie im Alter von 6 oder 7 Jahre noch in römisch 40 und nicht in Russland gelebt hätte. Nach wiederholtem Vorhalt mit dem Hinweis, dass römisch 40 zu diesem Zeitpunkt der Sowjetunion angehörte, war der bP2 erinnerlich, dass eine Frau ein- bis zweimal die Woche gekommen wäre und 6 bis 7 Kinder eingesammelt hätte und auf Kurmandschi und Russisch unterrichtet hätte (mündl. Vhdlg Seite 16). Die bP3 blieb dabei, niemals eine Schule besucht zu haben und erst in Österreich Deutschunterricht erfahren zu haben (mündl. Vhdlg Seite 22).
Das ho. Gericht hält es zwar für möglich, dass die bP aufgrund ihrer Ethnie und Ihrer Religionszugehörigkeit hauptsächlich unter jezidischen Kurden verkehrten und deshalb Kurdisch-Kurmandschi als Erstsprache beherrschen, allerdings erscheint es als unwahrscheinlich, dass zwar die bP1 den Großteil ihres Lebens auf aserbaidschanischem Republiksgebiet in der UdSSR verbracht haben soll, allerdings kein einziges Wort aserbaidschanisch sprechen würde, vor allem vor dem Hintergrund, da die bP1 ausdrücklich angab, dass die Nachbarn in römisch 40 aserbaidschanisch gesprochen hätten (mündl. Vhdlg Seite 11) und es völlig lebensfremd erscheint, dass überhaupt keine Interaktion mit den Nachbarn stattfand.
Ebenso sei zu den von der bP gänzlich in Abrede gestellten Kenntnissen der armenischen Sprache in der mündlichen Verhandlung festgehalten, dass sich ihre Angaben in diesem Punkt augenfällig widersprüchlich darstellen, da sie anlässlich der schriftlichen Einladung zur Abgabe einer Stellungnahme angab, sie hätte in ihrer Kindheit in ihrer Nachbarschaft Kontakt zu Armeniern gehabt, weshalb sie schon in ihrer Kindheit die Grundzüge der armenischen Sprache erlernt hätte.
Äußerst pauschale Angaben tätigte die bP1 hinsichtlich der angeblichen Flucht von Aserbaidschan nach Russland, weshalb auch am Wahrheitsgehalt der Übersiedelung gezweifelt werden muss („RI: Schildern Sie Ihre damalige Umsiedelung von römisch 40 nach Russland so genau, wie Ihnen dies möglich ist. P1: Wir sind mit einem Auto weggefahren. Teilweise gingen wir zu Fuß. Wir wollten unsere Kinder einfach retten. RI: War es ein PKW oder ein LKW oder ein Bus? P1: Kann ich nicht mehr sagen, ich kann mich nicht erinnern. RI: Wie haben Sie dann in Russland eine Unterkunft gefunden? P1: Wir sind an dem Ort angekommen. Einer von den Nachbarn sagte, dass das Haus jetzt leer wird. Die Bewohner sing weggegangen und wir sind in das Haus eingezogen.“)
Nicht verkannt wird, dass die behauptete Übersiedelung bereits drei Jahrzehnte zurückliegt, nichtsdestotrotz darf davon ausgegangen werden, dass bei tatsächlich Erlebtem eingermaßen substantiiertere Angaben zur Reiseroute, zu den etwaigen anfänglichen Schwierigkeiten, zur Situation in Russland gemacht werden können. Darüber hinaus waren der bP1 keine Details zum Aufenthalt in der Russischen Föderation erinnerlich, außer, dass sie in einem Dorf in der Region römisch 40 gelebt haben soll. Weder der Name des Dorfes, noch weitere Ortschaften in der Nähe oder Angaben zu den Nachbarn waren der bP1 erinnerlich, obwohl die bP1 angab, dass sie sich mit den Nachbarn auf Kurdisch unterhalten hätte (mündl. Vhdlg Seite 10). Gegen einen Aufenthalt in der Russischen Föderation spricht ferner, dass die bP1 auch kein Wort Russisch spricht. Hinzu kommt, dass die bP1 beim Gebrauch ihrer Muttersprache Kurdisch-Kurmandschi armenische Wörter verwendete (mündl. Vhdlg Seite 9 und Sprachanalyse), weshalb Anknüpfungspunkte zu Armenien hergestellt werden konnten, die einen Aufenthalt und eine Sozialisierung in Armenien indizieren, welche allerdings vehement –aber nicht substantiiert- von der bP1 bestritten wurden. Eine eindeutige Herkunft geht aus den detailarmen, teils widersprüchlichen und wirren Aussagen der bP1 nicht hervor.
Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die Angaben der bP1 aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht mit der selben Strenge geprüft werden können, wie die Angaben der bP2 – bP4 doch zeigte sich im bisherigen Verfahren sichtlich, dass auch die bP1 nach wie vor in der Lage ist, über Ereignisse aus der Vergangenheit auszusagen und es sich als besonders auffällig darstellt, dass sie sich trotz dieser Fähigkeit gerade dann punktuell an nichts mehr erinnern will, wenn ihre Herkunft thematisiert wird. Dies zeigt, dass die bP1 sichtlich gewillt ist, in diesem Punkt durch Schweigen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu verschleiern.
In Bezug auf die bP2 wird festgehalten, dass diese ausführte, einen russischen Führerschein gehabt zu haben, diesen allerdings bei einem Freund in der Russischen Föderation gelassen zu haben, der nun nicht mehr erreichbar sein würde. Der russische Führerschein würde ein Beweismittel darstellen, welches zumindest einen gewissen Bezug der bP2 zur Russischen Föderation belegen könnte. Ein weiteres Indiz zu Anknüpfungspunkte mit Russland stellt die russische Sprache dar, die die bP2 laut Sprachanalyse auf ‚grundlegendem‘ Niveau beherrscht und sprachliche Merkmale aufweist, die nicht dem Sprachgebrauch von Russischsprachigen mit Hintergrund in Russland entsprechen, wobei ein solcher Hintergrund nicht schon per se auf eine dauerhafte Niederlassung in der Russischen Föderation schließen lässt, sondern wäre etwa auch an Arbeitsmigration mit regelmäßiger Rückkehr in den Herkunftsstaat zu denken. Andererseits ist festzuhalten, dass die bP in der UdSSR geboren wurde, dort etliche prägende Jahre verbrachte, in der Schule die russische Sprache unterrichtet wurde, sowie die russische Sprache die Amtssprache und in weiten Teilen des gesellschaftlichen Lebens die linqua fraca darstellte. Grundlegende Kenntnisse in dieser Sprache wären somit auch erklärbar, ohne von einem Aufenthalt der bP in der Russischen Föderation ausgehen zu müssen. Als Muttersprache gibt die bP2 an, Kurdisch-Kurmandschi zu sprechen, aber neben der russischen Sprache auch armenisch zu verstehen und in der aserbaidschanischen Sprache grundlegendes Vokabular zu können. Vor dem Hintergrund, dass die bP2 ihren Angaben zufolge keine Schulbildung genossen haben will und dennoch einen (einfachen bis grundlegenden) Wortschatz in den oa. vier Sprachen beherrscht, ergeben sich Anknüpfungspunkte - in welcher Form auch immer - hinsichtlich der Russischen Föderation (wobei hier auf die bereits getroffenen Einschränkungen zu verweisen ist), der Republik Armenien und Aserbaidschan. Auch in Bezug auf Armenien und Aserbaidschan scheinen verschiedene Sachverhalte plausibel, wie etwa dauernder Aufenthalt in Armenien mit fallweisen Aufenthalten (etwa zu Besuchen) in Aserbaidschan oder auch ein Aufenthalt in Aserbaidschan während der frühen Kindheit mit einer späteren Übersiedelung nach Armenien. Letztlich ist eine genaue Abklärung nicht möglich.
Gegen einen jahrelangen Aufenthalt in Russland spricht allerdings der Umstand, dass hierzu nur dürftige Angaben zur Adresse, der Umgebung, dem Alltag in Russland getätigt werden konnten und auch zur Umsiedelung von römisch 40 nach Russland hielt sich die bP2 sehr oberflächlich (RI: Beschreiben Sie einen typischen Tagesablauf an Ihrem Wohnsitz in Russland. P2: Wir hatten zwei Häuser, ein großes und ein kleines. In der Mitte der Häuser lag die Garage. Ein bisschen entfernt waren die Stallungen. Wir hatten auch einen Gemüsegarten. RI: Gehörten die Gebäude und die Liegenschaften Ihnen? P2: Ja, wir wohnten darin. Aber wie mein Vater die Häuser oder die Grundstücke bekommen hat, dass weiß ich nicht. RI: Hatten Sie Urkunden, dass es Ihnen gehörte? P2: Nein. Wir hatten die Rechnung dazu, also für die Betriebskosten, Wasser etc. Mehr gab es nicht. RI: Gab es dort Radio, Fernsehen, Zeitungen? P2: Wir hatten schon eine Antenne/Kabel im Haus. Mehr nicht. RI: Hatten Sie ein Telefon? P2: Nein. RI: Nennen Sie Ihre russische Adresse. P2: Wir hatten nur eine Hausnummer, diese lautete römisch 40 . Sonst gab es keine genaue Adresse. RI: War es ein Dorf und wie hieß dieses? P2: römisch 40 Es war ein großes Dorf. Es war ca. 55 Kilometer von römisch 40 entfernt. (P2 gibt dies auf Russisch an). RI: Wie sah die Wasserversorgung an Ihrer Adresse aus? P2: In der Nähe unseres Dorfes gab es einen kleinen See. Wasser bekamen wir von dort. RI: Gab es in der Nähe ihres Wohnortes ein Gewässer (Fluss, See, etc?) P2: Es gab diesen kleinen See. RI: Schildern Sie Ihre damalige Umsiedelung von römisch 40 nach Russland so genau, wie Ihnen dies möglich ist. P2: Wie gesagt, ich kann es nicht mehr genau sagen. Wir fuhren mit einem großen Wagen, es gab diese großen russischen Busse, die vorne abgeschnitten waren. Genau erinnern kann ich mich aber nicht.“)
Obgleich die bP2 zu jenem Zeitpunkt 13 bzw. 14 Jahre alt gewesen sein müsste, wären zur Flucht von römisch 40 nach Russland weitreichendere Angaben erwartbar gewesen, zumal es sich bei der besagten Umsiedelung um ein einprägsames Ereignis gehandelt haben müsste.
Obwohl die bP - eigenen Angaben zufolge - beim Dorfvorsteher in Russland gemeldet gewesen wären, ein Haus mit Landwirtschaft betrieben und mit Lebensmitteln gehandelt hätten, konnten die bP keine Beweismittel – egal welcher Art, ob Fotos, Rechnungen etc. - vorlegen, welche den behaupteten langjährigen Aufenthalt in der Russischen Föderation untermauern würden. Selbst wenn sie keine Beweismittel mitgenommen hätte, ist festzuhalten, dass es ihr inzwischen einen verhältnismäßig langen Zeitpunkt bekannt ist, dass sie im gegenständlichen Verfahren mitzuwirken und den maßgeblichen Sachverhalt zu bescheinigen hat. Es wäre daher davon auszugehen, dass die zwischenzeitig Versuche angestellt hätte, Bescheinigungsmittel nachzureichen, etwa durch die Kontaktaufnahme mit dem Dorfvorsteher. Derartiges wurde jedoch nicht einmal versucht, was wiederum indiziert, dass in Bezug auf diesen Aufenthalt zumindest in der von den bP beschriebenen Form nichts bescheinigbar ist, weil er nicht stattfand.
Dass vor allem die bP2 bis bP4 einen Russlandbezug haben könnten, wird anhand der Sprachkenntnisse seitens des ho. Gerichts nicht ausgeschlossen, wobei festgestellt wurde, dass die bP4 sehr gute Russischkenntnisse aufweist, die bP2 grundlegende und die bP3 mangelhafte Kenntnisse. Wie bereits erwähnt, könnten die Russischkenntnisse der bP2 und bP3 auch auf eine frühe Sozialisierung in der UdSSR rückführbar sein. Die bP3 verneinte irgendwelche Nachweise hinsichtlich ihres Russlandaufenthalts zu haben und konnte auch die Umsiedelung von römisch 40 nach Russland nur oberflächlich wiedergeben. Erneut muss festgehalten werden, dass die bP3 zu jenem Zeitpunkt zwar erst ca. 13 Jahre alt gewesen sein müsste, dennoch detailreichere Angaben außer: „P3: Ich erinnere mich nicht. Es war mit einem Wagen. Genau weiß ich es nicht“ bei tatsächlich Erlebtem vorausgesetzt werden dürfen.
Wie bereits festgehalten wurde, verkennt das ho. Gericht nicht, dass die bP2 und bP3 über Ereignisse aus ihrer Kindheit zu berichten hatten, welche eine geraume Zeit zurückliegen, doch ist auch festzuhalten, dass sie zum Zeitpunkt des behaupteten Verlassens römisch 40 bereits ca. 13 Jahre alt gewesen sein müssten und sind derartige, wie von den bP behauptete Wissenslücken lebensfremd und zeigen klar auf, dass die bP einen Sachverhalt schilderten, den sie selbst in derartiger Art und Weise nicht erlebten.
In Bezug auf die bP4 wird festgehalten, dass diese befragt zur Herkunft ihrer Eltern (bP2 und bP3), keine Angaben tätigen konnte bzw. wollte. Die bP4 schilderte ausschließlich in Russland aufhältig gewesen zu sein, was die guten Russischkenntnisse erklären könnte. Dennoch konnten während der Beschwerdeverhandlung widersprüchliche Aussagen im Vergleich zu den Angaben der bP2 und bP3 festgestellt werden. Einerseits führte die bP3 an, dass die bP4 durch private Lehrer zuhause unterrichtet worden wäre und auch schreiben könnte, wohingegen die bP4 meinte, sie habe lesen und schreiben von Freunden gelernt. Widersprüchlich zu den Angaben der bP1 und bP2 bejahte die bP4, dass sie in Russland einen Fernseher gehabt hätten und zählte einige russische Sender auf. Befragt zu einem typischen Tagesablauf in Russland schilderte die bP4, dass sie ihren Eltern im Haushalt geholfen hätte, Russisch gelernt und sich mit Sport beschäftigt hätte und mit Freunden ausgegangen wäre. Zudem hätte die bP4 auch ein altes Handy besessen. Obgleich die bP4 ihren Angaben zufolge in Russland geboren und sozialisiert wurde, konnte auch diese keine Beweismittel zu ihrem dortigen Aufenthalt vorlegen. Auch bei Annahme eines langjährigen Aufenthaltes in der Russischen Föderation (was eine mögliche Erklärung für die guten Russischkenntnisse wäre), kann hieraus nicht schon per se geschlossen werden, dass es sich bei der Russischen Föderation um ihren Herkunftsstaat handelt. So sei an die bereits getroffenen Ausführungen zur möglichen Arbeitsmigration und die sonstigen dargestellten Ungereimtheiten verwiesen.
Auch aus dem Vorbringen der bP konnte die Frage, ob und welche Staatsbürgerschaft die bP besitzen, nicht geklärt werden. Anfänglich brachten die bP vor, die russische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Im Laufe des Verfahren revidierten sie diese Angaben und behaupteten staatenlos zu sein. Auf Nachfrage in der Beschwerdeverhandlung hätte die bP2 den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft zwar mehrmals versucht, hätte eine solche aber nie erhalten. Auf Vorhalt -, dass sowohl für die Russische Föderation, als auch für Aserbaidschan und Armenien im Wesentlichen gilt, dass Personen, welche zum Zeitpunkt der Erlangung der Eigenstaatlichkeit auf deren Territorium ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, ex lege die Staatsbürgerschaft erhielten (selbiges galt für deren Kinder) - gab die bP2 an, dass ihre Eltern sowjetische Inlandspässe dem Dorfvorsteher gegeben hätten, aber sie diese niemals zurückbekommen hätten (mündl. Vhdlg Seite 30). Ebenso sei darauf hingewiesen, dass die durchgeführten Sprachanalysen eine Herkunft aus Armenien stark indizieren aber letztlich die armenische Staatsbürgerschaft nicht nachweisen; ebenso wird ein Aufenthalt in der Russischen Föderation (zumindest in Bezug auf die bP2 und bP4) indiziert aber letztlich nicht nachgewiesen. Die besseren Sprachkenntnisse der bP2 und bP4 in Bezug auf die russische Sprache wären auch dahingehend erklärbar, dass sich diese –etwa als Arbeitsmigranten- dort aufhielten, wogegen die bP1 und bP3 sich weiterhin in ihrem Herkunftsstaat aufhielten. Aber auch dies ist letztlich nicht abschließend abklärbar.
Im Rahmen weiterer Erhebungen sah sich das ho. Gericht mit der historischen und gegenwärtigen Gesetzeslage zum Erwerb der Staatsbürgerschaft in den vermuteten Herkunftsstaaten befasst:
Hinsichtlich des Staatsbürgerschaftsrechts zu Armenien muss ausgeführt werden, dass vor dem Inkrafttreten des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1995 in der Verwaltungspraxis in der Regel alle ehemaligen Bürger der Sowjetunion mit einer ‚Propiska‘ in Armenien oder mit einem Nationaleintrag ‚Armenier/in‘ oder für Besitzer alter sowjetischer Pässe mit dem Stempelaufdruck „Property of Armenia“ als Armenier betrachtet wurden. Dass die bP derartige Dokumente besessen hätten, wurde verneint bzw. war nicht erinnerlich (mündl. Vhdlg Seite 11, 23).
Darüber hinaus besagt Artikel 10, Absatz 3, des armenischen Staatsbürgerschaftsgesetzes, dass zwar ethnische Armenier der damaligen ArSSR, die außerhalb Armeniens leben und keine andere Staatsbürgerschaft erworben haben, als armenische Staatsbürger anerkannt werden, allerdings kann jener Rechtsanspruch nicht für die bP herangezogen werden, zumal diese keine ethnischen Armenier sind, sondern jezidische Kurden.
Im Hinblick auf die Möglichkeit der aserbaidschanischen Staatsbürgerschaft der bP kann gesagt werden, dass gemäß Artikel 5, Absatz eins, des derzeit geltenden aserbaidschanischen Staatsbürgerschaftsgesetzes von 1998, alle Personen ex lege die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft erlangten, die die Staatsbürgerschaft auch auf Grund des Gesetzes von 1990 hatten, vorbehaltlich, dass sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (01.01.1999) an ihrem Wohnort in Aserbaidschan registriert waren, was für die bP – ihren Angaben folgend - ausscheidet. Diese Regelung hatte zugleich die Folge, dass jenen Personen, die zum besagten Zeitpunkt nicht an ihrem Wohnort in Aserbaidschan registriert waren, die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft entzogen wurde (sog. „kalte Ausbürgerung).
Bleibt zuletzt noch die Möglichkeit des Erwerbs der russischen Staatsbürgerschaft darzustellen: Das russische Staatsbürgerschaftsgesetz sieht die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf Antrag vor, wobei eine vereinfachte Einbürgerung, ua. für Personen, die auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion geboren wurde, zum Tragen kommt. Hierzu zählen handlungsfähige Personen, die am 5. September 1991 Staatsangehörige der UdSSR waren und vor dem 1. November 2002 in die Russische Föderation kamen, um sich dort niederzulassen, und die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation nicht in der vorgeschriebenen Weise erworben haben, sofern sie keine ausländische Staatsbürgerschaft oder ein gültiges Dokument besitzen, das ihr Aufenthaltsrecht in einem anderen Land bescheinigt. Gleiches gilt für deren handlungsfähige Kinder, unabhängig davon, ob diese das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sofern auch diese keine ausländische Staatsbürgerschaft oder ein gültiges Dokument besitzen, das ihr Aufenthaltsrecht in einem anderen Land bescheinigt. Nach Artikel 41, Absatz eins, Ziffer 2 sind diese Personen berechtigt, ihren Status zu legalisieren, indem sie ihren Willen bekunden, Staatsangehörige der Russischen Föderation werden zu wollen. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall, wäre für die bP ein vereinfachtes Verfahren zur Erlangung der russischen Staatsbürgerschaft in Frage gekommen.
Nicht glaubhaft stellen sich die Angaben der bP hinsichtlich des Versuchs zur Erlangung der russischen Staatsbürgerschaft dar. Einerseits gab die bP2 an, dass sie (Plural) es öfters versucht hätten, aber immer gesagt worden sei, dass sie warten sollen (mündl. Vhdlg Seite 18). Andererseits sprach die bP3 davon, dass nur die bP2 versucht haben soll die russische Staatsbürgerschaft zu erlangen, aber ‚nichts‘ bekommen hätte (mündl. Vhdlg Seite 23).
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass sich auch aus den Normen zur Staatsbürgerschaft, der in Frage kommenden Herkunftsstaaten kein eindeutiges Ergebnis zur Feststellung des Herkunftsstaates der bP ableiten lässt. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass Staatsbürger der ehemaligen UdSSR zum Zeitpunkt des Zerfalls jedenfalls eine Staatsbürgerschaft eines Nachfolgestaates (je nach Aufenthaltsort) – ex lege – zuteilwerden lassen konnten. Unglaubhaft erscheint demnach eine Staatenlosigkeit der bP, zumal die bP selbst erklärten, vor der Übersiedelung und in unmittelbarer Nähe des Zerfalls der UdSSR, Dokumente besessen zu haben. Darüber hinaus konnte nicht nachvollziehbar dargelegt werden, weshalb sich die bP nicht um den Erwerb einer Staatsangehörigkeit entsprechend den Normen der Nachfolgestaaten gekümmert hätten bzw. die bP auch nichts glaubhaft vorbrachten, was in diese Richtung deuten würde. Vielmehr lassen die teils widersprüchlichen und vagen Aussagen darauf schließen, dass die bP zumindest Teile ihrer wahren Identität und Lebensumstände vor der bB und vor ho. Gericht zu verschleiern versuchten.
Im Lichte der oa. Ausführungen ist auch darauf hinzuweisen, dass konkrete Aussagen über die Staatsbürgerschaft der bP verlässliche Aussagen notwendig wären, in welchem Zeitraum sie sich in welcher ehemaligen Sowjetrepublik bzw. in welchem Nachfolgestaat der UdSSR aufgehalten haben, was jedoch nicht möglich ist.
Das ho. Gericht schöpfte sämtliche, ihm zumutbaren Recherchemöglichkeiten, welche ihm in Bezug auf Asylwerber zur Verfügung stehen, aus und wäre zur weitergehenden Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts auf die Mitwirkung der bP angewiesen gewesen.
Da mangels Mitwirkung der bP auch die behördlichen Ermittlungen und richterlichen Recherchen nicht auf eine bestimmte Staatsbürgerschaft schließen konnten bzw. die behauptete Staatenlosigkeit im Lichte der oa. Ausführungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wird, konnte die wahre Staatsangehörigkeit der bP nicht festgestellt werden und musste somit ungeklärt bleiben.
Fest steht vor allem aufgrund der sprachlichen Kenntnisse der bP, dass es sich bei den bP um kurdische Jeziden handelt und diese aus einem kurdisch/jezidisch-armenisch-russischen Milieu stammen, wobei bei der bP2 auch noch ein aserischer Einfluss hinzukommen könnte. Nicht verkannt wird der Umstand, dass es in Zeiten der UdSSR vermehrt zu gemischt-ethnischen Beziehungen und Veränderungen der demographisch-ethnischen Strukturen in den ehemaligen Sowjetrepubliken gekommen ist, weshalb es durchaus denkbar wäre, dass die bP von einer ehemaligen in eine andere Sowjetrepublik bzw. in einen anderen Nachfolgestaat übersiedelten. Ebenso gut könnten die bP aus der Russischen Föderation stammen, wo sich eine erhebliche Anzahl von (teilweise) ausgewanderten Armeniern und Aserbaidschaner, auch jezidische Kurden, aufhalten und aufgrund dieses Umstandes die bP nicht gezwungen wären, die russische Sprache (muttersprachlich) zu beherrschen.
Sofern die rechtsfreundliche Vertretung hinsichtlich der russischen Sprachbeherrschung der bP2 die Erstellung einer Tonbandaufnahme und folglich ein Sprachsachverständigengutachten beantragte, wird festgehalten, dass hier kein tauglicher Beweisantrag vorliegt. Ein tauglicher Beweisantrag liegt nach der Rechtsprechung des VwGH nur dann vor, wenn darin sowohl das Beweisthema wie auch das Beweismittel genannt sind und wenn das Beweisthema sachverhaltserheblich ist (VwGH 24.1.1996, 94/13/0152; Thienel, Verwaltungs-verfahrensrecht, 3. Auflage, S 174). Dass die bP2 die russische Sprache grundlegend beherrscht, wurde in der Sprachanalyse sowie in der Beschwerdeverhandlung festgestellt. Dem Antrag mag kein relevantes Beweisthema mit Sachverhaltserheblichkeit entnommen werden, weshalb das ho. Gericht deshalb nicht verhalten war, dem Beweisantrag zu entsprechen. Darüber hinaus wäre es den bP unbenommen geblieben, ein solches Beweismittel bzw. Gutachten vorzulegen.
Im Lichte der oa. Ausführungen darf wiederholt werden, dass anhand der teils widersprüchlichen, oberflächlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben der bP zu wesentlichen Aspekten ihrer Aufenthaltsorte, den dortigen Lebensumständen und der Übersiedelung dorthin keine abschließende Feststellung zum Herkunftsstaat der bP respektive dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt getroffen werden konnte. Sehr wohl war allerdings für das ho. Gericht erkennbar, dass die bP aufgrund ihrer uneinheitlichen und äußerst dürftigen Angaben, ihre wahre Identität zu verschleiern versuchen. Diese Sichtweise ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die bP keinerlei glaubhafter Anstrengungen unternommen haben, zu Beweismittel zu gelangen. Beispielsweise durch das Aufsuchen der jeweiligen Vertretungsbehörden der behaupteten Herkunftsstaaten, durch die Kontaktaufnahme mit Nachbarn/ Freunden oder den Verwandten (Bruder der bP3 bzw. Cousine der bP2 bzw. Freunde der bP4), welche die Angaben der bP untermauern könnten. Dass den bP die Wichtigkeit der Vorlage von Bescheinigungsmitteln bekannt ist, zeigt sich daraus, dass sie zu sonstigen Beweisthemen, wie zur Integration und ihres Gesundheitszustandes durchaus Beweismittel vorlegten.
In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt hinsichtlich der Ausreisegründe der bP ist anzuführen, dass die von der bB vorgenommene Beweiswürdigung im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze nur teilweise in sich schlüssig und stimmig ist.
Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Paragraph 45, AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Aus Sicht des ho. Gerichts ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung der bB teilweise entgegenzutreten. Das ho. Gericht verkennt zwar nicht, dass die bB anhand der Aussagen der bP die behauptete Staatsangehörigkeit, den Herkunftsstaat und die angeführten Aufenthaltsorte anzweifelte und dahingehend eine Sprachanalyse in Auftrag gab. Nichtdestotrotz konnte alleine auf Basis der Sprachanalyse - sowie durch die Feststellung, dass die bP armenische Staatsbürger seien und sich deren behaupteter Ausreisegrund aus der Russischen Föderation als nicht asylrelevant darstellen würde, somit eine genauere Betrachtung unterbleiben könne,- nicht das Auslangen gefunden werden.
Ergänzend wird zum vorgetragenen Ausreisegrund angemerkt, dass diesem in Ermangelung einheitlicher, detaillierter und nachvollziehbarer Angaben die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden muss. Zum einen führten die bP an, dass sie aufgrund der Ermordung eines Tschetschenen durch einen befreundeten Jeziden, ihren Aufenthaltsort in der Russischen Föderation verlassen mussten, andererseits konnten die bP weder den Namen der ermordeten Person benennen, noch den Vorfall genauer datieren. Befragt, ob es Berichte oder Beweismittel zum behaupteten Vorfall geben würde, verneinte dies die bP2. Die bP3 gab hingegen an, dass es Zeitungsberichte gegeben hätte und auch im Fernsehen davon berichtet worden wäre. Widersprüchlich waren auch die Angaben auf die Frage, ob es irgendwelche Übergriffe auf die bP gegeben hätte. Laut Angaben der bP2 und bP3 hätte es keine Übergriffe gegeben, wohingegen die bP4 widersprüchlich und vage in den Raum stellte, dass ihr beim Kühe hüten von 12 Tschetschenen gesagt worden wäre, dass sie sie umbringen würden. Die bP4 wäre daraufhin weggelaufen und hätte es ihren Eltern erzählt, woraufhin die bP ihre Ausreise angetreten hätten. Wann jene behauptete Drohung ausgesprochen worden sein soll, konnte die bP4 nicht annähernd datieren. Befragt, ob die bP Anzeigen angesichts der behaupteten Bedrohungen gemacht hätten, verneinte dies die bP4 und wurde anschließend durch die bP2 insofern korrigiert, als diese oberflächlich angab, dass zweimal Anzeige erstattet worden wäre, die Polizei wäre gekommen und ca. 3 oder 4 Stunden geblieben. Beim zweiten Streit hätten die Nachbarn die Polizei verständigt und diese wäre erst in der Nacht gekommen (mündl. Vhdlg Seite 29).
Bei einer Gesamtbetrachtung der Angaben der bP zeigt sich für das ho. Gericht augenscheinlich, dass diese die von Steller und Köhnken entwickelten Realkennzeichen eines den Tatsachen entsprechenden Vorbringens - STELLER, M. & KÖHNKEN, G. (1989), Criteria-based statement analysis, n D. C. Raskin (Ed.), Psychological methods for investigation and evidence (pp. 217-245). New York: Springer; in der deutschen Fassung nach Steller et al (1992, S 153); vergleiche auch vergleiche etwa Diplomarbeit v. Domenica Schwind: "Testkritische Analyse der Realkennzeichen nach Steller und Köhnken anhand von Daten aus Glaubhaftigkeitsgutachten z. B. http://w3.ub.uni-konstanz.de/v13/volltexte/ 2006/1997//pdf/Diplomarbeit_ Schwind.pdf; demnach zeichnet sich ein den Tatsachen entsprechenden Vorbringen in seiner freien Schilderung insbesondere gerade durch folgende Merkmale aus: die logische Konsistenz, die unstrukturierte Darstellung, ein entsprechender quantitativer Detailreichtum, räumlich-zeitliche Verknüpfung, Interaktionsschilderung bzw. Wiedergabe von Gesprächen, die Schilderung von Komplikationen im Handlungsablauf, phänomengemäße Schilderung unverstandener Handlungselemente, indirekt handlungsbezogene Schilderung, die Schilderung psychischer Vorgänge (auch des Gegenübers), die Schilderung ausgefallener und nebensächlicher Einzelheiten, spontane Verbesserung der eigenen Aussage, Eingeständnis von Erinnerungslücken, Einwände gegen die Richtigkeit der eigenen Aussage, ev. Selbstbelastungen, ev. Entlastung des Gegenübers, idR auch das Zeigen von Emotionen) - nicht bzw. überwiegend nicht enthalten waren und sich viel mehr für das ho. Gericht der Eindruck aufdrängt, es handelt sich um ein nicht den Tatsachen entsprechendes bzw. aufgeblähtes Vorbringen um sich den beantragten Aufenthaltsstatus zu erschleichen.
Zu den behauptetermaßen mangelhaften Ermittlungen im Lichte des Paragraph 18, Absatz eins, AsylG weist das ho. Gericht darauf hin, dass im Asylverfahren das Vorbringen des Antragstellers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen wird. Ungeachtet der gesetzlichen Verpflichtung der Asylbehörde bzw. des Asylgerichtshofes, im Einklang mit den im Verwaltungsverfahren geltenden Prinzipien der materiellen Wahrheit und des Grundsatzes der Offizialmaxime, den maßgeblichen Sachverhalt amtswegig (Paragraph 39, Absatz 2, AVG, Paragraph 18, AsylG 2005) festzustellen, obliegt es in erster Linie dem Asylwerber auf Nachfrage alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung darzulegen vergleiche VwGH 16. 12 1987, 87/01/0299; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 19. 9. 1990, 90/01/0133; 7. 11. 1990, 90/01/0171; 24. 1. 1990, 89/01/0446; 30. 1. 1991, 90/01/0196; 30. 1. 1991, 90/01/0197; vergleiche zB auch VwGH 16. 12. 1987, 87/01/0299; 2. 3. 1988, 86/01/0187; 13. 4. 1988, 87/01/0332; 17. 2. 1994, 94/19/0774) und glaubhaft zu machen (VwGH 23.2.1994, 92/01/0888; 19.3.1997, 95/01/0525). Es ist in erster Linie Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. (VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356).
Nach der Rechtsprechung des VwGH hat die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes dort ihre Grenze, wo es der Mitwirkung der Partei bedarf und diese eine solche unterlässt (Erk. d. VwGH vom 12.9.2006, 2003/03/2006).
Insofern ist auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren Bedacht zu nehmen (Paragraph 15, AsylG 2005, Paragraph 29, Absatz 2 a, AVG) und im Rahmen der Beweiswürdigung – und damit auch bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung - zu berücksichtigen (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, S 385 mwN auf die Judikatur des VwGH). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).
Weiters reicht bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007). Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich auch weiters, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlungspflicht geht nicht so weit, dass sie in jeder denkbaren Richtung Ermittlungen durchzuführen hätte, sondern sie besteht nur insoweit, als konkrete Anhaltspunkte aus den Akten (etwa das Vorbringen der Partei (VwSlg 13.227 A/1990) dazu Veranlassung geben (VwGH 4.4.2002, 2002/08/0221).
Umgelegt auf den konkreten Fall bedeutet dies, dass die bP ihrer Obliegenheit zur Mitwirkung bzw. zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens nicht nachkamen. Sie behaupteten sichtlich einen nicht den Tatsachen entsprechenden und verschleierten sichtlich den wahren maßgeblichen Sachverhalt in Bezug auf ihren Herkunftsstaat und waren sichtlich nicht bereit hierzu konkrete und schlüssige Angaben zu machen und Bescheinigungsmittel vorzulegen. Im Wesentlichen beschränkten sie sich darauf, den von ihnen vorgetragenen Sachverhalt substanzlos zu behaupten und zu steigern bzw. behördliche Feststellungen zu bestreiten. Beweismittel zum vorgetragenen Vorbringen wurden im gesamten Verfahren nicht vorgelegt und wurde dies sichtlich nicht einmal versucht, etwa durch die Kontaktaufnahme mit dem behauptetermaßen existierenden Dorfvorsteher.
Gerade im gegenständlichen Fall waren sowohl das Gericht als auch die bB über weite Strecken auf die Angaben der bP angewiesen, weshalb die Obliegenheit zur Mitwirkung besonders stark in den Vordergrund trat. Die bP kamen durch ihr bereits beschriebenen Verhalten ihrer Obliegenheit zur Mitwirkung jedoch nicht nach und müssen daher jene Bescheinigungsmittel, von denen das ho. Gericht bzw. die bB nur durch entsprechende Mitwirkungshandlungen Kenntnis erlangen könnten, wozu auch die Kenntnis über den tatsächlichen Herkunftsstaat der bP gehört, als nicht parat bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass sich die bB bzw. das ho. Gericht im Rahmen der Beurteilung der Glaubhaftmachung der behaupteten Fluchtgründe nur "parate Bescheini-gungsmittel" zu beschränken haben (Hinweis OGH 23.3.1999, Zl. 4 Ob 26/99y, = ÖBl 1999, 240, sowie OGH 23.9.1997, Zl. 4 Ob 251/97h, = ÖBl 1998, 225, aber auch Erk. d. VwGH vom 25.6.2003, 2000/04/0092). Eine Glaubhaftmachung die sich nicht sofort ausführen lässt, eignet sich nicht zum Zwecke der Geltendmachung der im Verfahren geforderten Glaubhaftmachung (Hengstschläger/Leeb, AVG, Manz Kommentar, Rz 18 zu Paragraph 47,). Im konkreten Fall bedeutet dies, dass die bB und auch das Gericht lediglich die von der bP vorgelegten und der bB bzw. dem ho. Gericht tatsächlich zugänglichen Beweismittel zu berücksichtigen hatte bzw. hat.
Im Rahmen der oa. Ausführungen ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht feststellbar, wann bzw. in welchem der genannten Staaten sich die bP aufhielten, welche Staatsbürgerschaft(en) sie erwarten bzw. in welchem Staat sie sich zuletzt gewöhnlich aufhielten.
römisch II.2.5. Hinsichtlich des dargelegten Krankheitsbildes der bP1 ist hervorzuheben, dass die bP1 aufgrund ihrer gesundheitlichen Gebrechen und dem Grad ihrer Behinderung auf fremde Hilfe angewiesen ist und aktuell von der bP2 und bP3 betreut wird. Der bP1 wurde eine Medikation gegen eine Schilddrüsenüberfunktion verschrieben. In Summe ergibt sich aus den vorgelegten Arztberichten für die bP1 keine schwerwiegende, lebensbedrohliche Erkrankung, welche es unmöglich macht, gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren, dort weiterhin durch diese betreut zu werden, gegebenenfalls unter ärztlicher Kontrolle zu stehen und sich ein Leben neu aufzubauen. Selbiges kann zur Diabetes-Erkrankung in Bezug auf die bP2 gesagt werden. Ausgeführt wird, dass in allen drei in Betracht kommenden Ländern eine medizinische Grundversorgung gewährleistet ist und medizinische Dienstleistungen teils kostenfrei zur Verfügung stehen. Die gängigsten Medikamente sind erhältlich, zudem besteht die Möglichkeit sich kostengünstigere Ersatzmedikationen aus Drittländern importieren zu lassen. Die dargelegten gesundheitlichen Gebrechen stellen sohin kein Rückkehrhindernis dar, zumal entsprechende Behandlungsmöglichkeiten - falls notwendig - zur Verfügung stehen.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass im Zuge der Abschiebung (vorausgesetzt ein Herkunftsstaat wird durch die zuständige Behörde ermittelt und die Zulässigkeit der Abschiebung in jenen Staat ausgesprochen) ein Vorrat an etwaig notwendigen Medikamenten ausgehändigt wird, um die erste Zeit nach der Rückkehr bis zur Beschaffung neuer entsprechender Medikamente zu überbrücken.
römisch II.2.6. Soweit die bP Mängel im behördlichen Ermittlungsverfahren monieren, ist festzuhalten, dass diese – soweit sie tatsächlich vorlagen - durch das ergänzende Ermittlungsverfahren des ho. Gerichts saniert wurden.
römisch II.3. Abschließend sei festgehalten, dass es sich bei der belangten Behörde um eine Verfahrenspartei handelt, welcher im Beschwerdeverfahren neben den Rechten einer Partei auch deren Pflichten, wie etwa die Verpflichtung zur Verfahrensförderung und zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zukommt und es steht dem ho. Gericht freisteht, die unterlassene Mitwirkung der freien Beweiswürdigung zu unterziehen, hieraus entsprechende Schlüsse abzuleiten und die unterlassene Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes damit auch bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung -idR zum Nachteil der passiven Partei- zu berücksichtigen (VwGH 26.2.2002, 2001/11/0220; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 172; Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, S 385 mwN auf die Judikatur des VwGH). Im gegenständlichen Fall war eine Erörterung der Sach- und Rechtslage in der Verhandlung mit einem BehV nicht möglich, da kein solcher entsandt wurde. Das Gericht stellt hierzu fest, dass es nicht gehalten war, der bB als Verfahrenspartei nach der Verhandlung die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zum Verhandlungsergebnis einzuräumen (VwGH 13.12.2000, 2000/03/0212), vielmehr hätte die bB bei der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gehabt, sich selbst durch einen BehV oder durch einen sonstigen gewillkürten Vertreter zu äußern (VwGH 30.01.2004, 2003/02/0223). Ebenso äußerte sich die bB anlässlich der Ladung zur Verhandlung im Rahmen der eingeräumten Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nicht und wirkte auch in diesem Verfahrensstadium nicht an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit.
3. Rechtliche Beurteilung
römisch II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, anzuwendendes Verfahrensrecht, Herkunftsstaat
römisch II.3.1.1. Gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 87 aus 2012, idgF) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
römisch II.3.1.2. Gemäß Paragraph 6, des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 10 aus 2013, idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.
römisch II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 122 aus 2013,, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.) und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. Paragraph 17, leg. cit das AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Paragraph eins, BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. Paragraphen 16, Absatz 6,, 18 Absatz 7, BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die Paragraphen 13, Absatz 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
römisch II.3.1.4. Gemäß Paragraph 27, VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (Paragraph 9, Absatz 3,) zu überprüfen.
römisch II.3.1.4. Herkunftsstaat ist der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes, wobei die Asylbehörde [das Gericht] nicht an die Angaben des Antragstellers gebunden ist, sondern die Staatsangehörigkeit amtswegig - allenfalls auch von den Angaben des Antragstellers abweichend - festzustellen hat. Hinsichtlich der Ermittlungspflicht des Herkunftsstaates wird hier auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hingewiesen. Dieser hat in seinem Erkenntnis vom 16.04.2002, Zahl: 2000/20/0131, ausgeführt: "... Dazu ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Begriff des Herkunftsstaates ... derjenige Staat zu verstehen ist, hinsichtlich dessen bei der Entscheidung über den Asylantrag das Bestehen einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr zu prüfen ist. Im Falle einer evident falschen Darstellung einer Bedrohungssituation in einem vom Asylwerber fälschlich als Herkunftsstaat bezeichneten Staat ist die Asylbehörde ohne ein weiteres konkretes Vorbringen oder sonstigen konkreten Hinweis nicht verhalten zu ermitteln, welcher Staat der (wahre) Herkunftsstaat des Asylwerbers sein könnte und ob er dort allenfalls im Sinne der Flüchtlingskonvention bedroht sein könnte." vergleiche auch VwGH vom 23.07.1999, Zahlen: 98/20/0464 und 99/20/0220).
Auch in seinem Erkenntnis vom 06.03.2001, Zahl 2000/01/0402, nimmt der Verwaltungs-gerichtshof Bezug auf sein Erkenntnis vom 23.07.1999, Zahlen: 98/20/0464 und 99/20/0220, und erläutert, dass diesem "bereits deutlich zu entnehmen ist, dass die Angabe des Herkunftsstaates im Rahmen der Erfüllung der den Asylwerber treffenden Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes zu erfolgen hat und es im Falle einer zunächst wahrheitswidrigen Angabe bei entsprechender Ergänzung des Vorbringens (oder bei Vorliegen "sonstiger Hinweise") auch die Pflicht der Behörde sein kann, auf die Gefahr der Verfolgung in einem anderen - tatsächlichen - Herkunftsstaat einzugehen.
Aus der zitierten Judikatur geht zweifelsfrei hervor, dass die Behörde [das Gericht] - entsprechende Hinweise vorausgesetzt, nicht nur den tatsächlichen Herkunftsstaat eines Asylwerbers zu ermitteln, sondern darüber hinaus nach dessen Feststellung diesen zum Gegenstand von Ermittlungen bezüglich der Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz zu machen hat.
Für Staatenlose gilt der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat iSd Paragraph 15, Absatz 3, Ziffer 4, AsylG 2005. Der zeitliche Bezug des Wortes "frühere" ist nicht auf die Asylantragstellung im Sinne von "wo hat sich der Fremde vor der Asylantragstellung aufgehalten" bezogen, sondern ist im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdefinition der GFK davon auszugehen, dass sich der Wortsinn "frühere" auf den Vorgängeraufenthaltsstaat bezieht, also auf jenen Staat, in dem sich der Fremde dauernd aufgehalten hat, bevor er in den Asylantragstaat eingereist ist vergleiche Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, 3. Auflage, K36f zu §2).
Primär ist jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, als dessen Herkunftsstaat zu bezeichnen.
Die Gleichsetzung des Staates des früheren Aufenthaltes mit dem Herkunftsstaat setzt eine annähernd gleiche Qualität der Beziehung zwischen Fremden und Aufenthaltsstaat voraus. Der bloße Aufenthalt - insbesondere der illegale - kann keine einer Staatsbürgerschaft gleichwertige Staat-Bürger-Beziehung bewirken.
UNHCR erläutert in seinem Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1993), es müsse zur Festlegung des maßgeblichen Herkunftsstaates geprüft werden, ob eine Wechselbeziehung zwischen den angegebenen Fluchtgründen und dem Land, in dem der bisherige Wohnsitz lag, und im Verhältnis zu dem Furcht vor Verfolgung geltend gemacht wird, bestehe. Er bezieht sich dabei (wie auch Grahl-Madsen, The Status of Refugees in International Law römisch eins (1966), 160 f) auf die Materialien zur Genfer Flüchtlingskonvention, wonach es sich um das Land handle, "in dem er (der Asylwerber) seinen Wohnsitz hatte und wo er Verfolgung erlitten hatte bzw. fürchtete, verfolgt zu werden, wenn er dahin zurückkehrte" (UNHCR-Handbuch, Rz 103). Gefordert wird eine 'feste Bindung' zu diesem Staat im Sinne einer zumindest für eine gewisse Dauer erfolgten Verlagerung der Interessen dorthin vergleiche Grahl-Madsen, a.a.O., 160; Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999(, Rz 158, und ihm folgend das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0089, sowie Schmidt/Frank, AsylG 1997, K 22 zu Paragraph eins,). Unter dem "Land seines (das heißt des Asylwerbers) gewöhnlichen Aufenthaltes" ("country of his former habitual residence" bzw "pays dans laquelle elle avait sa résidence habituelle") iSd Artikel eins, lit A Ziffer 2, GFK ist nur ein solcher Aufenthalt zu verstehen, der sich auf eine gewollte Rechtsbeziehung zwischen Flüchtling und Aufenthaltsstaat gründet.
Solch eine Beziehung würde jedenfalls bei sich unrechtmäßig im betreffenden Staatsgebiet aufhaltenden Personen nicht vorliegen vergleiche Amann, Die Rechte des Flüchtlings, 129, zum gleichlautenden Begriff des "gewöhnlichen Aufenthaltes" in Artikel 14, GFK; Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, 3. Auflage, E7 zu §2).
Zu A) (Spruchpunkt römisch eins)
römisch II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 3, AsylG lauten:
„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) …
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. | dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder |
2. | der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat. |
...“
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (Paragraph 4, AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (Paragraph 4 a, AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (Paragraph 5, AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag der bP inhaltlich zu prüfen ist.
Flüchtling im Sinne von Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
Voraussetzung zur Bejahung der Flüchtlingseigenschaft ist die Feststellung des Umstandes, dass sich in Bezug auf den Herkunftsstaat des Antragstellers relevante Verfolgungshandlungen abspielten, weshalb vorerst die Frage nach dem Herkunftsstaat zu klären ist.
Der Asylprüfung ist der amtswegig ermittelte Herkunftsstaat zu Grunde zu legen, falls ein solcher ermittelbar ist. Der Herkunftsstaat ist primär jener Staat, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht; nur wenn ein solcher Staat nicht existiert, wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthaltes zurückgegriffen (VwGH 03.05.2016, Ra 2016/18/0062-0064; vergleiche Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, Rz 158). Ein - wenngleich verfassungsgesetzlich garantierter - Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft ist jedoch der Staatsangehörigkeit im Sinn des Paragraph eins, Ziffer 4, AsylG 1997 deshalb nicht gleichzuhalten, weil der Besitz der Staatsbürgerschaft diesfalls durch den Erwerb der Staatsangehörigkeit, sohin durch die Setzung eines Rechtsaktes, bedingt ist (VwGH 10.12.2009, 2006/19/1311, VwGH 22.10.2002, 2001/01/0089).
Fallbezogen bedeutet dies, dass zuerst zu eruieren ist, ob im gegenständlichen Fall ein Staat feststellbar ist, dessen Staatsbürgerschaft die bP besitzt, was jedoch nicht möglich war. Die Feststellung einer konkreten Staatsbürgerschaft im Sinne der innerstaatlichen staatsbürger-schaftsrechtlichen Regelungen eines bestimmten völkerrechtlich anerkannten Staates konnte daher nicht durchgeführt werden.
Ein Staat, zu welchem die bP subsidiär im Falle der – im gegenständlichen Fall nicht feststellbaren- Staatenlosigkeit eine der oa. Anforderungen entsprechende Bindung haben, konnte auch bei hypothetischer Annahme der Staatenlosigkeit im Lichte des Ergebnisses der Beweiswürdigung ebenfalls nicht festgestellt werden, was letztlich bedeutet, dass die Staatsangehörigkeit der bP nicht festgestellt werden konnte.
Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch das BFA war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass nicht festgestellt werden kann, dass im gegenständlichen Fall die hier nicht mögliche Feststellbarkeit des Herkunftsstaates nicht auf einem von der bP unverschuldeten und nicht beeinflussbaren Umstand basiert (etwa deren Postulationsunfähigkeit oder deren tatsächliche Unkenntnisse über diesen Umstand), sondern darauf, dass dieser aufgrund mangelnder Mitwirkung der bP und vager bzw. falscher Angaben ihrerseits nicht festgestellt werden konnte, weshalb die bP aus den Umstand der nicht möglichen Feststellbarkeit des Herkunftsstaates jedenfalls kein Rechtsvorteil erwachsen kann, sondern auszuführen ist, dass sie keine Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer in ihrem Herkunftsstaat glaubhaft machte, was jedoch unabdingbare Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wäre.
römisch II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
römisch II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Paragraph 8, AsylG lauten:
„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. | der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder |
2. | … |
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, … zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
…
(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß Paragraph 9, Absatz eins und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.
…“
Der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, beschränken sich auf den Herkunftsstaat.
Wie bereits ausgeführt wurde, war im gegenständlichen Fall der Herkunftsstaat der bP nicht feststellbar. Konkrete Anhaltspunkte, die es erlauben würden, mit hinreichender Sicherheit den Herkunftsstaat der bP festzustellen sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. der angefochtenen Bescheide abzuweisen war, weil der Herkunftsstaat der bP iSd Paragraph 8, Absatz 6, AsylG nicht festgestellt werden konnte.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die bP an keiner Erkrankung leiden, welche die Schwelle des Artikel 3, EMRK erreichen würde (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9). Verwiesen wird dabei auf die Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Artikel 3, EMRK (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).
Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthalts-beendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso im h. Erk. vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E zitierte Auskunft des Bundesministeriums für Inneres Abt. II/3/C, Fremdenpolizeiliche Zwangsmaßnahmen, in welcher mitgeteilt wurde, dass, wenn im Voraus bekannt sei, dass eine Problemabschiebung bevorstehe, vom Zeitpunkt der Festnahme an ein Amtsarzt bei der Amtshandlung zugegeben sei. Für solche Fälle habe sich auch der stellvertretende Chefarzt des Bundesministeriums für Inneres bereit erklärt, für die ärztliche Versorgung zu sorgen. Es könne also davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen (bei Charterabschiebungen, ..., sei dies Standard) von Beginn der Amtshandlung bis zur Übergabe der betreffenden Person an die Behörden des Heimatlandes eine ärztliche Versorgung gewährleistet sei.
Im vorliegenden Fall konnten seitens der bP keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände respektive die Notwendigkeit weiterer Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts belegt werden.
römisch II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
römisch II.3.4.1. Gesetzliche Grundlagen (auszugsweise):
Paragraph 10, AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:
„§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. …
2. …
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. – 5. …
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) ...“
Paragraph 57, AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:
Paragraph 57, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Absatz eins a, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) –(4) …
Paragraph 9, BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) – (6) …“
Paragraph 52, FPG, Rückkehrentscheidung:
„§ 52. (1) …
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. …
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. – 4. …
und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3)- (11)...“
Paragraph 55, FPG, Frist für die freiwillige Ausreise
Paragraph 55, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. Paragraph 37, AVG gilt.
(4) – (5) …
Artikel 8, EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“
Die entsprechenden Bestimmungen des IntG lauten:
„Modul 1 der Integrationsvereinbarung
Paragraph 9, (1) Drittstaatsangehörige (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 6, NAG) sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins,, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.
(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Absatz eins, haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins,, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach Paragraph 14,
(2a) Fällt das Ende der Erfüllungspflicht gemäß Absatz eins, in die Zeit von 22. März 2020 bis 30. Juni 2020, verlängert sich der Zeitraum der Erfüllungspflicht nach Absatz 2 bis zum 31. Oktober 2020; diese Verlängerung hemmt den Lauf der Fristen nach Paragraph 14,
(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins,, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Absatz 2, angerechnet.
(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß Paragraph 11, vorlegt,
Anmerkung, Ziffer 2, aufgehoben durch Art. römisch III Ziffer 15,, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 41 aus 2019,)
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des Paragraph 64, Absatz eins, Universitätsgesetz 2002, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 120 aus 2002,, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß Paragraph 41, Absatz eins, oder 2 NAG besitzt oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß Paragraph 43 a, NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer eins bis 3 Kunstförderungsgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 146 aus 1988,, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
Die Erfüllung des Moduls 2 (Paragraph 10,) beinhaltet das Modul 1.
(5) Ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Absatz eins, sind Drittstaatsangehörige,
1. die zum Ende des Zeitraums der Erfüllungspflicht (Absatz 2,) unmündig sein werden;
2. denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustands die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen;
3. wenn sie schriftlich erklären, dass ihr Aufenthalt die Dauer von 24 Monaten innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten soll; diese Erklärung enthält den unwiderruflichen Verzicht auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrags im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11, NAG nach dem ersten Verlängerungsantrag.
(6) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass der Drittstaatsangehörige trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Absatz 4, Ziffer eins, das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß Paragraph 7, Absatz 2, Ziffer eins, nicht erfüllt hat.
(7) Der Nachweis über die Erfüllung des Moduls 1 gemäß Absatz 4, Ziffer eins, oder Absatz 4, in Verbindung mit Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer eins, darf zum Zeitpunkt der Vorlage im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens (Paragraph 24, NAG) nicht älter als zwei Jahre sein.
Modul 2 der Integrationsvereinbarung
Paragraph 10, (1) Drittstaatsangehörige (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 6, NAG) müssen mit der Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 45, NAG das Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt haben.
(2) Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß Paragraph 12, vorlegt,
Anmerkung, Ziffer 2, aufgehoben durch Art. römisch III Ziffer 18,, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 41 aus 2019,)
3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (Paragraph 3, Absatz 3, Schulorganisationsgesetz (SchOG), Bundesgesetzblatt Nr. 242 aus 1962,) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,
4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (Paragraph 3, Absatz 4, SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,
5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“ im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 72 aus 2012, nachweist,
6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach „Deutsch“ nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,
7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 142 aus 1969,, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder
8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.
(3) Absatz eins, gilt nicht für Drittstaatsangehörige,
1. die zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig sind und noch nicht der allgemeinen Schulpflicht unterliegen;
2. denen auf Grund ihres physisch oder psychisch dauerhaft schlechten Gesundheitszustands die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen.
(4) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass der Drittstaatsangehörige trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Absatz 2, Ziffer eins, das Modul 2 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß Paragraph 7, Absatz 2, Ziffer 2, nicht erfüllt hat.“
römisch II.3.4.2. Die gegenständlichen - nach nicht rechtmäßiger Einreise - in Österreich gestellten Anträge auf internationalen Schutz waren abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fallen die bP nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Die bB erteilte den bP zurecht kein Aufenthaltsrecht gem. Paragraph 57, AsylG, zumal der Aufenthalt der bP nicht gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Absatz eins a, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, dies nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel erforderlich ist und die bP auch nicht Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und die bP auch nicht glaubhaft machte, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Gemäß Paragraph 10, Absatz 2, AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
römisch II.3.4.3. Die Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Artikel 8, Absatz eins, EMRK darstellen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR, Cruz Varas and others vs Sweden, 46/1990/237/307, 21.3.1991).
römisch II.3.4.4. Basierend auf den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstellt, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben, wenngleich dieser schon alleine durch den verhältnismäßig niedrigen Integrationsgrad in Österreich und die unbegründete Stellung eines Asylantrages erreicht werden konnte, relativiert wird.
römisch II.3.4.5. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl bei der bB als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK und ist der Eingriff in Paragraph 10, AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung der durch Artikel 8, (1) EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Artikel 8, EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Artikel 8, (2) EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
römisch II.3.4.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der gesetzlichen Determinanten im Lichte der Judikatur Folgendes:
- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Die bP sind seit rund 6 Jahren und 3 Monaten in Österreich aufhältig. Weder das Gesetz noch die Judikatur nennen eine fixe Aufenthaltsdauer um diese im Lichte des Artikel 8, EMRK relevant erscheinen zu lassen.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Artikel 8, EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt vergleiche etwa VwGH 21.2.2020, Ra 2020/18/0002, mwN). Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären vergleiche etwa VwGH 30.12.2019, Ra 2019/18/0498, mwN). Auch wenn im gegenständlichen Fall ein Zeitraum von 5 Jahren geringfügig überschritten wurde, ist festzuhalten, dass sich seit dem Überschreiten dieser Zeitdauer im Hinblick auf die bP1 bis bP3 keine wesentlichen Änderungen in Bezug auf die privaten und familiären Interessen der bP im Bundesgebiet ergaben. Anderes gilt für die bP4, worauf im Rahmen der Schutzwürdigkeit des Familienlebens weiter eingegangen wird.
Mit negativem Abschluss des Asylverfahrens lebt auch die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts, sowie die Strafbarkeit der rechtswidrigen Einreise wieder auf vergleiche Paragraph 120, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 7, FPG), bzw. kommt die Strafbarkeit gem. Paragraph 120, Absatz eins a, leg. cit. im Falle der unterlassenen Ausreise innerhalb der festgesetzten Frist hinzu. Dieser Umstand stellt einen Sachverhalt mit hohem sozialen Unwert dar, was sich insbesondere auch in den vergleichsweise hohen Strafdrohungen zeigt, woraus abzuleiten ist, dass der Gesetzgeber bereits durch diese generalpräventiv wirkende Strafdrohung die Einhaltung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes als einen äußerst erstrebenswerten Umstand im Rahmen der öffentlichen Ordnung betrachtet.
Auch wenn im Rahmen dieses Faktums entsprechend der aktuellen Judikatur zu berücksichtigen ist, dass eine Antragstellung vom Ausland aus nicht möglich und daher -de facto in den überwiegenden Fällen- eine solche erst nach illegaler Einreise möglich ist, muss auch darauf hingewiesen werden, dass die handlungsfähigen bP die rechtswidrige Einreise sichtlich in Umgehungsabsicht von fremden- und niederlassungsrechtlichen Vorschriften zur Stellung eines sichtlich unbegründeten Antrages auf internationalen Schutzes vornahmen und die Behörden wiederholt täuschten, was wiederum sehr wohl fremdenrechtlichen Interessen, im Sinne eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung berührt.
- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]
Die bP verfügen über die bereits beschriebenen familiären bzw. privaten Anknüpfungspunkte.
- die Schutzwürdigkeit des Familienlebens [Privatlebens]
Die bP begründeten ihr Privat- bzw. Familienleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der bP zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privat- und Familienlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.
Die bP haben familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Die bP4 ist mit einer aufenthaltsberechtigten, armenischen Staatsbürgerin „traditionell“ verheiratet, sind an selbiger Wohnadresse gemeldet und haben einen gemeinsamen dreijährigen Sohn, dem abgeleitet von der Kindesmutter ein Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zukommt. Die bP4 trägt nicht zum Unterhalt des Sohnes bei, sondern ist auf öffentliche Leistungen angewiesen. Die Kindesmutter befindet sich aktuell in einem Lehrverhältnis und während ihrer Ausbildung bzw. beruflichen Tätigkeit kümmert sich die bP4 um den Sohn.
Obgleich auch die bP1 und bP3 an gemeinsamer Adresse wie ihr (Ur-)Enkel leben, konnte aus dem Umstand, dass sie gemeinsam spazieren gehen, keine herausragend qualifizierte Beziehungsintensität oder gar Abhängigkeitsverhältnis festgestellt werden, wodurch ein Überwiegen der privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet dargestellt werden könnte.
Dass die bP im Bundesgebiet auch mittlerweile Bekanntschaften/ Freundschaften geknüpft haben, wird nicht bestritten und es ist auch festzuhalten, dass die bP nicht gezwungen sind, nach der Ausreise die bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen zu müssen. So stünde es ihnen frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten vergleiche Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN). Ebenso stünde es den bP –so wie jedem anderen Fremden auch- sich um eine legale Wiedereinreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen.
Das Vorbringen der bP lässt auch erkennen, dass diese sichtlich hier auch die Sach- und Rechtslage, wonach ein Aufenthalt in Österreich primär und regelmäßig unter Einhaltung der fremden- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zu begründen und fortzusetzen ist, verkennen. Auch ergibt sich hieraus, dass beim Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitels den Fremden – von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen - die Obliegenheit zukommt, das Bundesgebiet zu verlassen.
Nur beim Vorliegen von außergewöhnlichen, besonders berücksichtigenden Sachverhalten kann sich ergeben, dass den Fremden, welche rechtswidrig in das Bundesgebiet einreisten oder sich rechtswidrig in diesem aufhalten, ihre Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nachgesehen und ein Aufenthaltsrecht erteilt wird. Derartige Umstände liegen zwar hinsichtlich der bP4 aufgrund der Familiengründung und des bestehenden Familienlebens in Österreich vor, nicht aber im Hinblick auf die bP1 bis bP3. Sollte eine gegenteilige Erwartungshaltung geweckt worden sein, hat das ho. Gericht dennoch im Rahmen der Gesetze (Artikel 18, B-VG) entgegen dieser Erwartungshaltung zu entscheiden.
Keinesfalls entspricht es der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Systematik, dass das Knüpfen von privaten bzw. familiären Anknüpfungspunkten nach rechtswidriger Einreise oder während eines auf einen unbegründeten Antrag fußenden Asylverfahrens im Rahmen eines Automatismus zur Erteilung eines Aufenthaltstitels führen kann. Dies kann nur ausnahmsweise in Einzelfällen, beim Vorliegen eines besonders qualifizierten Sachverhalts der Fall sein vergleiche hier etwa Erk. d. VfGH U 485/2012-15 vom 12.06.2013).
- Grad der Integration
Die festgestellten sozialen Anknüpfungspunkte und Sprachkenntnisse der bP führen für sich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die – hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
Die bP zeigen sich bemüht im Bundesgebiet Kontakte zu knüpfen und sich zu betätigen. Vor allem die bP4 zeigt sich bemüht die deutsche Sprache zu erlernen, indem sie zum Zeitpunkt der Beschwerdeverhandlung einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 besuchte und auch in der Beschwerdeverhandlung ihre Kenntnisse unter Beweis stellte. Die bP1 bis bP3 hingegen konnten trotz ihres über sechsjährigen Aufenthalts keine Deutschkenntnisse über einem A1 Niveau vorweisen.
Die bP sind in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und beziehen seit ihrer Einreise Leistungen aus der öffentlichen Hand. Die bP3 ist geringfügig beschäftigt. Die bP4 konnte einen Hubstaplerschein vorweisen.
Zwar wurde durch die bP behauptet, dass die bP2 über einen Arbeitsvorvertrag verfügen würden, ein solcher wurde allerdings nie vorgelegt. Selbst wenn die bP diesen vorgelegt hätte, würde dies im Rahmen der hier zu treffenden Interessensabwägung zu keinem anderen Ergebnis führen vergleiche VwGH 21.1.2010, 2009/18/0523; 29.6.2010, 2010/18/0195; 17.12.2010, 2010/18/0385; 22.02.2011, 2010/18/0323).
Auch können allfällige Umstände, dass ein Fremder einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und der deutschen Sprache mächtig ist, seine persönlichen Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken vergleiche VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.06.2020, 2010/18/0226).
Rechtsverbindliche Erklärungen, für Kosten, welche sich aus dem Aufenthalt der bP im Bundesgebiet ergeben könnten bzw. für den Unterhalt der bP aufzukommen, liegen seitens der Unterstützer der bP nicht vor.
Zudem geht auch der VwGH davon aus, dass es iSd Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte zu einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 30.07.2020, Ra 2020/20/0130).
- Bindungen zum Herkunftsstaat
Mangels Feststellbarkeit des Herkunftsstaates können hierzu keine detaillierten Ausführungen getroffen werden. Allgemein ist jedoch hypothetisch davon auszugehen, dass die bP den überwiegenden Teil ihres Lebens nicht in Österreich, sondern in einem anderen Staat verbrachten und davon auszugehen ist, dass sie außerhalb Österreichs in einem anderen Staat kulturell und sprachlich sozialisiert wurden.
- strafrechtliche Unbescholtenheit
Die bP sind strafrechtlich unbescholten.
Die Feststellung, wonach die bP strafrechtlich unbescholten ist, relativiert sich durch den erst verhältnismäßig kurzen Aufenthalt der bP und stellt darüber hinaus laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten der bP ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht vergleiche Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Artikel 8, Absatz 2, EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).
- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts
Die bP reisten rechtswidrig in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und verletzten sie hierdurch das hoch einzuschätzende öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremden- und Niederlassungsrecht.
Auf das Wiederaufleben der Strafbarkeit der seinerzeitigen rechtswidrigen Einreise und die hierzu bereits angestellten Überlegungen wird an dieser Stelle nochmals verwiesen.
- die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren
Den bP musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige Einreise den Umstand, dass den bP die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass sie in diesem Fall die Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätten.
- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer
Wenngleich davon auszugehen ist, dass beim Vorhandensein entsprechender Ressourcen eine raschere Entscheidungsfindung denkbar gewesen wäre, tritt die zeitliche Komponente im gegenständlichen Fall nicht derart in den Vordergrund, dass sei zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen führen würde.
Die bP erstatteten ein Vorbringen, welches einen ungewöhnlich hohen Ermittlungsaufwand auslöste. Es waren Erhebungen hinsichtlich des Staatsbürgerschaftsrechts in der Republik Armenien, Aserbaidschan und der Russischen Föderation erforderlich, sowie die Einholung mehrerer Sprach- und Herkunftsanalysen unumgänglich. Darüber hinaus erstatteten sie ein Vorbringen, welches beim erkennenden Gericht die Verpflichtung zur Durchführung einer Beschwerdeverhandlung auslöste und resümierend festgehalten werden kann, dass, hätten die bP ein wahrheitsgemäßes, schlüssiges und vollständiges Vorbringen erstattet, das Verfahren wesentlich schneller abzuwickeln gewesen wäre.
Die Verfahrensdauer fußt letztlich nicht auf einem solchen Organisationsverschulden, welches sich im Rahmen der Abwägung der Interessen im Rahmen des Artikel 8, Absatz 2, EMRK zu Gunsten ihrer privaten Interessen auswirken kann, sondern tritt im gegenständlichen Fall die zeitliche Komponente aufgrund des Verhaltens der bP in den Hintergrund vergleiche hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
- weitere Erwägungen
Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Artikel 8, (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.
Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Absatz 2, EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva) und stellt beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen dar, was eine Ausweisung [nunmehr „Rückkehrentscheidung“] als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst vergleiche Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).
Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung [nunmehr Rückkehrentscheidung] so wie im gegenständlichen Fall unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.
Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Absatz 2, leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich –abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Inhalt des Fremdenrechtspakets 2005 und den danach folgenden Novellierungen klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich, seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. Paragraph 21, (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offensteht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung bedarf.
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung [bzw. nunmehr Rückehrentscheidung] von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.
Wie bereits erwähnt, garantiert die EMRK gemäß der Rechtsprechung des EGMR vergleiche aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland oder BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vergleiche dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war vergleiche Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.
Wenn man – wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt – dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.
In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Artikel 8, EMRK bewirkt.
Der GH führte weiters –wiederum auf seine Vorjudikatur verweisend- aus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen.
römisch II.3.4.7. Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde vergleiche hierzu auch das Estoppel-Prinzip [„no one can profit from his own wrongdoing“], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der bP1 bis bP3 im Bundesgebiet – anders als in Bezug auf die bP4 – gegenüber dem persönlichen Interesse der bP1 bis bP3 am Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vorliegt.
Der Verwaltungsgerichtshof wies bereits mehrfach darauf hin, dass dem Zusammenleben mit einem dauerhaft niedergelassenen Ehepartner im Rahmen der Abwägung nach Artikel 8, EMRK große Bedeutung zukommt vergleiche etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0271, Rn. 10, mwN; ähnlich VwGH 28.5.2020, Ra 2019/21/0294, Rn. 15).
Der Verwaltungsgerichtshof stellte jedoch auch schon wiederholt klar, dass das Wissen um einen unsicheren Aufenthaltsstatus vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz habe, der während unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration sei überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse könne nie zur Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung führen vergleiche VwGH 11.11.2021, Ra 2019/21/0383 mwN; VwGH 20.8.2019, Ra 2019/18/0046, Rn. 22, mit dem Hinweis auf das schon erwähnte Erkenntnis VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0271, Rn. 13, mwN).
Auch wenn die bP4 durch ihr Verhalten sichtlich vollendete Tatsachen zu schaffen, wäre es fallbezogen nicht in jedem Fall gerechtfertigt, eine Trennung der Familienangehörigen für verhältnismäßig anzusehen. In einer solchen Situation wäre es aber unter gewissen Voraussetzungen, nämlich insbesondere dann, wenn die nach der Einreise nach Österreich erfolgte Antragstellung sichtlich unter gezielter Umgehung von fremden- und niederlassungsrechtlichen Vorschriften erfolgte, um das begehrte Familienleben aufnahmen bzw. fortsetzen zu können, möglich, die Beteiligten auf ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsstaat zu verweisen vergleiche VwGH 11.11.2021, Ra 2019/21/0383 mwN), wobei im gegenständlichen Fall nicht feststellbar ist, dass die bP4 ihre Lebensgefährtin bereits vor ihrer Einreise kannte und die Antragstellung gezielt erfolgte, um die entsprechenden fremden- und niederlassungsrechtlichen zu umgehen und das Familienleben mit der bP führen zu können.
Im Lichte der oa. Ausführungen und den hieraus verallgemeinerungsfähigen Ausführungen zur Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens im Allgemeinen und den Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen der bP4 im Besonderen ist in Bezug auf die bP4 aufgrund der Existenz der rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Lebensgefährtin, des gemeinsamen legal aufhältigen dreijährigen Sohnes, derselben Wohnadresse und der gemeinsamen Obsorge -im konkreten, nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfall in dubio- von einem Überwiegen der privaten Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung auszugehen.
Wenn eine Interessenabwägung im Sinne des Artikel 8, MRK ein Überwiegen der privaten oder familiären Interessen des Fremden gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung ergibt, hat eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben; zugleich ist in einem solchen Fall auszusprechen, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nur vorübergehend oder auf Dauer unzulässig ist. Wird Ersteres rechtskräftig festgestellt, so ist damit der Aufenthalt des Fremden gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer 4, (in Verbindung mit Absatz 6,) FrPolG 2005 geduldet. Kommt es aber zum Ausspruch, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei auf Dauer unzulässig, so ordnet Paragraph 58, Absatz 2, AsylG 2005 an, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG 2005 von Amts wegen "zu prüfen" ist (was bedeutet, dass gegebenenfalls ein solcher "Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, MRK" zu erteilen ist; siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224; vergleiche dazu auch VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0187). Der Ausspruch nach Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG 2014 über die dauernde oder nur vorübergehende Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist demnach nicht Selbstzweck. Es geht vielmehr darum, eine eindeutige Grundlage für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Fremden zu schaffen, sei es durch Duldung oder Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG 2005 vergleiche VwGH 29.5.2018, Ra 2018/21/0067, VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0026). Im gegenständlichen Fall erweisen sich die Umstände selbstredend als dauerhaft, weshalb die Rückkehrentscheidung nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer unzulässig iSd Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ist. Die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens beruhen auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die bP4 war daher stattzugeben und festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
Es ist daher nach Paragraph 58, Absatz 2, AsylG von Amts wegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG in Bezug auf die bP4 zu prüfen. Dabei darf auf Punkt römisch II.3.6. verwiesen werden.
römisch II.3.4.9. Wie bereits erwähnt, erteilte die bB den bP zurecht kein Aufenthaltsrecht gem. Paragraph 57, AsylG.
römisch II.3.4.10. Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme der Rückkehrentscheidung in Bezug auf die bP1 – bP3 ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.
römisch II.3.4.11. Da der Herkunftsstaat der bP zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden kann, war in Bezug auf die bP1 bis bP3 gemäß Paragraph 8, Absatz 6, Satz 2 AsylG eine Rückkehrentscheidung aus dem Bundesgebiet zu verfügen. Gleichzeitig hatte der Ausspruch nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG – Zulässigkeit der Abschiebung - zu unterbleiben, wodurch in weiterer Folge auch die Anwendbarkeit des Paragraph 46 a, Absatz eins, FPG ausscheidet.
römisch II.3.5. Frist zur freiwilligen Ausreise in Bezug auf die bP1 bis bP3
Die durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gesetzlich verankerte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht Paragraph 55, Absatz 2, erster Satz FPG. Dass besondere Umstände bestehen würden um einen längeren Zeitraum festzusetzen, wurden weder geltend gemacht noch von Seiten des ho. Gerichts erkannt.
römisch II.3.6. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es der bB im fremdenpolizeilichen Verfahren frei steht bzw. sie hierzu sogar verhalten ist, weitere ihr nunmehr mögliche und Ermittlungen hinsichtlich des Herkunftsstaates der bP zu unternehmen. Wesentlich wird dabei sein, dass dabei jene datenschutzrechtlichen Einschränkungen iSd personenbezogenen Datenweitergabe an vermeintliche Herkunftsstaaten, welche im Verfahren auf Gewährung von internationalen Schutz zum Tragen kamen, aufgrund der gegenständlichen Entscheidung wegfallen.
Bei den bP1 – bis bP3 handelt es sich mit der Zustellung des gegenständlichen Erkenntnisses nicht mehr um Asylwerber, sondern um sich im Bundesgebiet rechtswidrig aufhältige Fremde, welche rechtlich verhalten sind, das Bundesgebiet zu verlassen. Sollten sie dieser Obliegenheit nicht fristgerecht nachkommen, steht es der bB frei (bzw. wird sie hierzu verhalten sein), weitergehende Recherchemittel zur Ermittlung des Herkunftsstaates einzusetzen, deren Anwendung ihr bzw. dem ho. Gericht im gegenständlichen Verfahren aufgrund des Status der bP als Asylwerber rechtlich verwehrt waren, um sich in die Lage zu versetzen aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzusetzen.
römisch II.3.7. Frage der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung in Bezug auf die bP4
Paragraph 55, AsyG lautet wie folgt:
Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017,, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Basierend auf den oa. Ausführungen zu Artikel 8, EMRK ist davon auszugehen, dass das Tatbestandsmerkmal der Ziffer eins, leg. cit. erfüllt ist.
Versagungsgründe (Paragraph 60, AsyG) für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung kamen nicht hervor.
Im Lichte der oa. Ausführungen ergibt sich, dass der bP4 ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen ist. Die bP4 hat weder das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, IntG – mangels Integrationsprüfung - erfüllt, noch ist sie zum Entscheidungszeitpunkt einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen, sodass lediglich die Voraussetzung des Paragraph 55, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG vorliegt und ihr eine „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen ist.
römisch II.3.8. Aufgrund der –aus heutiger Sicht voraussichtlich- auf Dauer unzulässigen Rückkehr-entscheidung und dem erteilten Aufenthaltstitel liegen die Voraussetzungen für die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und eine Fristsetzung für eine freiwillige Ausreise aus dem österreichischen Bundesgebiet nicht mehr vor. Die Spruchpunkte römisch fünf. und römisch VI. waren daher aufzuheben. Selbstredend war auch der Spruchpunkt römisch VIII. hinsichtlich des Einreiseverbotes aufzuheben.
römisch II.3.9. Ob und inwieweit in Bezug auf die bP4 im Rahmen der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte gem. Paragraph 8, AsylG-DG von einer Heilung des erwartbaren Mangels der Vorlage eines entsprechenden Identitätsdokuments auszugehen ist, wird von der bB zu beurteilen sein, das ho. Gericht erlaubt sich jedoch auf die getroffenen Ausführungen zur zumutbaren Bescheinigung der Identität hinzuweisen.
römisch II.3.10. Einreiseverbot in Bezug auf die bP1 bis bP3
Paragraph 53, FPG lautet:
„Einreiseverbot
Paragraph 53, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(1a) Anmerkung, aufgehoben durch Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2013,)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins, ist, vorbehaltlich des Absatz 3,, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß Paragraph 20, Absatz 2, der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, in Verbindung mit Paragraph 26, Absatz 3, des Führerscheingesetzes (FSG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 120 aus 1997,, gemäß Paragraph 99, Absatz eins,, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß Paragraph 37, Absatz 3, oder 4 FSG, gemäß Paragraph 366, Absatz eins, Ziffer eins, der Gewerbeordnung 1994 (GewO), Bundesgesetzblatt Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den Paragraphen 81, oder 82 des SPG, gemäß den Paragraphen 9, oder 14 in Verbindung mit Paragraph 19, des Versammlungsgesetzes 1953, Bundesgesetzblatt Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Absatz 3, genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins, ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Ziffer 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (Paragraph 278 a, StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (Paragraph 278 b, StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (Paragraph 278 c, StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (Paragraph 278 d, StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (Paragraph 278 e, StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (Paragraph 278 f, StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Absatz 3, maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Paragraph 73, StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Absatz 3, Ziffer eins,, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“
Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen vergleiche ErläutRV, 1078 BlgNR 24. Gesetzgebungsperiode 29 ff und Artikel 11, Absatz 2, Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Ziffer eins bis 9 des Paragraph 53, Absatz 2, FrPolG 2005 in der Fassung FrÄG 2011 anzunehmen. In den Fällen des Paragraph 53, Absatz 3, Ziffer eins bis 8 FrPolG 2005 in der Fassung FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Ziffer 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum früher geltenden Paragraph 63, FPG (IdF vor dem FrÄG 2011), der die Festlegung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes regelte, war ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet), wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.
Paragraph 53, Absatz 3, FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Gericht diese auch nach wie vor als anwendbar.
Aus der Formulierung des Paragraph 53, Absatz 2, FPG ergibt sich, dass die dortige Aufzählung nicht als taxativ, sondern als demonstrativ bzw. enumerativ zu sehen ist ("Dies ist insbesondere dann anzunehmen, "), weshalb die bB in mit den in Ziffer eins, - 9 leg. cit expressis verbis nicht genannten Fällen, welche jedoch in ihrer Interessenslage mit diesen vergleichbar sind, ebenso ein Einreisverbot zu erlassen.
Die aktuelle Formulierung des Paragraph 53, FPG dient auch der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG vom 18.12.2008 d vergleiche Regierungsvorlage 1078 römisch 24 Gesetzgebungsperiode, "Mit dem vorgeschlagenen Paragraph 53, wird Artikel 11, der RückführungsRL Rechnung getragen") und sind europarechtlichen Grundsätzen folgend nationale Rechtvorschriften richtlinienkonform in dem Sinne zu interpretieren, "das zur Umsetzung einer Richtlinie erlassene nationale Recht in deren Licht und Zielsetzung auszulegen" ist, (VfSlg. 14.391/1995; zur richtlinienkonformen Interpretation siehe weiters VfSlg. 15.354/1998, 16.737/2002, 18.362/2008; VfGH 5.10.2011, B 1100/09 ua.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen vergleiche etwa das Erkenntnis vom 21. Juni 2012, Zl. 2011/23/0305, mwN).
Die bP1 bis bP3 haben in keiner Weise dargelegt, dass diese über Mittel verfügen um ihren Unterhalt zu sichern. Es ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde im Ergebnis davon ausging, die bP haben den Besitz der erforderlichen Mittel für ihren Unterhalt nicht nachgewiesen, zumal sich aus dem festgestellten Sachverhalt zweifelsfrei ergibt, dass die bP1 bis bP3 überwiegend auf die Leistungen Dritter bzw. der öffentlichen Hand angewiesen sind. Hinzu kommt, die unterlassene Mitwirkung im Verfahren hinsichtlich ihrer Identität und Staatsangehörigkeit. Im Lichte der oa. Ausführungen haben die bP keinerlei Anstrengungen unternommen, bei der Ermittlung ihres Herkunftsstaats mitzuwirken. Nicht zuletzt folgt daraus, dass aus Sicht des ho. Gerichts die bP ihre wahre Identität zu verschleiern versuchen und die Ermittlungen des österreichischen Verwaltungsapparats auf den Prüfstand stellen und vorsätzlich überstrapazieren, was sich letztlich auch auf die Verfahrensdauer auswirkte.
In Bezug auf die im Rahmen einer Interessensabwägung berührten privaten Interessen iSd Artikel 8, EMRK wird auf die bereits getroffenen Ausführungen verwiesen, welche hier sinngemäß mit der Maßgabe gelten, dass sich die Ausführungen nicht auf das Bundesgebiet, sondern den gesamten Schengenraum beziehen.
Im gegenständlichen Fall ist auch zu bedenken, dass aus der sich aus dem rechtskräftig negativen Abschluss des Asylverfahrens ergebenen Mittellosigkeit der bP die Gefahr einer illegalen Mittelbeschaffung bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiert und daher auch aus diesem Aspekt eine Gefährdungsannahme nach Artikel 8, Absatz 2, EMRK gerechtfertigt ist vergleiche das Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0152).
Die bP zeigten auch keine substantiierten Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Im Hinblick auf die Länge des Einreiseverbots stimmt das ho. Gericht der bB insofern zu, dass im Lichte des festgestellten Sachverhalts kein dermaßen qualifizierter Sachverhalt vorliegt, welcher die Ausschöpfung des vollen Rahmens (von fünf Jahren im gegenständlichen Fall) gebieten würde. Wenn die bB hiervon beim Vorhandensein von nicht unbeträchtlichen fremdenpolizeilichen Interessen nicht einmal die Hälfte des rechtlich möglichen Rahmens ausschöpft, kann aus ho. Sicht die Höhe nicht beanstandet werden.
Ohne die bB präjudizieren zu wollen, wird für den Fall, dass die bP1- bP3 die Frist für die freiwillige Ausreise ungenützt verstreichen lassen, auf Artikel 11, der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG vom 18.12.2008 („… Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher, a) … oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. …“), welcher im Rahmen einer richtlinienkonformen Interpretation des Paragraph 53, FPG zur berücksichtigen wäre und auf die lediglich demonstrative Aufzählung der Tatbestände des Absatz 2, leg. cit. hingewiesen und könnte sich in diesem Fall eine andere Bemessungsgrundlage für die Dauer eines Einreiseverbotes ergeben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Auslegung des Begriffs des internationalen Schutzes, sowie des durch Artikel 8, EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienlebens, sowie zur Feststellung des Herkunftsstaates bzw. den rechtlichen Folgen von dessen Nichtfeststellbarkeit abgeht.
Im Falle verfahrensrechtlicher Neuordnungen wird auch die einheitliche Judikatur zu den Vorgängerbestimmungen verwiesen.
Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.
ECLI:AT:BVWG:2022:L515.2218104.1.00