Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

01.03.2022

Geschäftszahl

I415 2244888-2

Spruch


I415 2244888-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 (alias römisch 40 ), geb. römisch 40 , StA. MAROKKO, vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle West (EASt-West) vom 24.01.2022, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes in Spruchpunkt römisch VI mit zwei Jahren befristet wird.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF) reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in Österreich ein. Er wurde am 17.05.2021 im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle betreten, sein illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet festgestellt und ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet. In weiterer Folge wurde der BF am 18.05.2021 an der illegalen Einreise nach Deutschland gehindert und mittels Mandatsbescheid vom selben Tag in Schubhaft genommen.

2. Der BF stellte in weiterer Folge am 22.05.2021 aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab sein Land aus politischen Gründen verlassen zu haben. Er sei als Gegner des Regimes von den marokkanischen Sicherheitsbehörden verhaftet und gefoltert worden

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.06.2021, Zl. römisch 40 , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Es wurde weiters festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde ihm nicht gewährt (Spruchpunkt römisch VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt römisch VII.).

4. Die dagegen erhobene vollinhaltliche Beschwerde vom 28.07.2021 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.08.2021, GZ römisch 40 , als unbegründet abgewiesen.

5. Der BF stellte in weiterer Folge am 07.01.2022 den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz und erklärte in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.01.2022, er habe aufgrund seiner Aussage im Vorverfahren, wonach er als Kind vergewaltigt worden sei, nunmehr Angst bei seiner Rückkehr nach Marokko von seiner Familie getötet zu werden. Auf nähere Nachfrage erklärte der BF allerdings seine Familie wisse seit 1994 von der Vergewaltigung. Der BF wurde in weiterer Folge am 20.01.2022 durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen und hielt sein Vorbringen aus der Erstbefragung im Wesentlichen aufrecht.

6. Mit Bescheid vom 24.01.2021 wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Es wurde weiters festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde ihm nicht gewährt (Spruchpunkt römisch VI.) Zudem wurde ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch VII.).

7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine Rechtsvertretung am 07.02.2022 fristgerecht Beschwerde.

8. Mit Schriftsatz vom 08.02.2022, eingelangt an der Außenstelle Innsbruck am 11.02.2022, wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Sachverhalt:

Der BF ist Staatsangehöriger von Marokko. Seine Identität steht in Ermangelung identitätsbezeugender Dokumente nicht fest. Er ist volljährig, ledig, kinderlos, bekennt sich zum muslimischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Araber an.

Der BF reiste zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt Anfang des Jahres 2021 illegal in das österreichische Staatsgebiet ein und stellte am 22.05.2021 aus dem Stande der Schubhaft einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF leidet an einer psychischen Erkrankung, welche allerdings in Marokko behandelbar ist: Er befand sich zwischen 03.03.2021 und 15.05.2021 in Österreich aufgrund des Verdachts der Erkrankung an einer römisch 40 (ICD-10: F20.2) in psychiatrischer Behandlung am römisch 40 . Die Wirkstoffe der von ihm benötigten Medikamente Zyprexa Velotab 10mg, Seroquel 100mg und Novalgin sind in Marokko verfügbar. Außerdem ist in Marokko sowohl eine stationäre als auch eine ambulante Heilbehandlung psychischer Erkrankungen möglich.

Zusammenfassend leidet der BF weder an einer schweren Krankheit, die in Marokko nicht behandelbar wäre, noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Sein Gesundheitszustand steht somit seiner Rückkehr nicht entgegen.

Er ist arbeitsfähig. Angesichts seines Alters und des Fehlens einschlägiger Vorerkrankungen gehört der BF auch keiner Risikogruppe hinsichtlich einer Covid-19 Erkrankung an.

Der BF hat in Marokko die Schule besucht und anschließend als Staplerfahrer bei einer Firma gearbeitet. Er hat aufgrund seiner Ausbildung und Arbeitserfahrung eine Chance, auch hinkünftig im marokkanischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Zudem verfügt der BF über familiäre Anknüpfungspunkte in seinem Heimatstaat. So leben in Marokko mehrere Tanten Onkels und Cousins des BF.

Der BF verfügt weder über ein relevantes Familien- oder Privatleben noch über sonstige maßgebliche Integrationsmerkmale in Österreich. Es existieren unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine in der Person des BF gelegenen Umstände, welche einer Rückkehr nach Marokko entgegenstehen.

Der BF ist in Österreich unbescholten. Er befindet sich allerdings seit 18.05.2021 in Schubhaft.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Zwischen rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens mit 05.08.2021 und der Zurückweisung des gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 24.01.2022 ist keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten.

Der BF brachte im gegenständlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

Im Bescheid der belangten Behörde wurde das Länderinformationsblatt zur Lage in Marokko mit Stand vom 09.04.2020 zitiert. Mittlerweile liegt eine aktualisierte Version des Länderinformationsblattes vom 18.11.2021 vor.

Die individuelle Situation für den BF hinsichtlich seines Herkunftsstaates Marokko hat sich nicht in einem Umfang verändert, der auf eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes schließen lässt. Auch die Rechtslage blieb unverändert.

Die wesentlichen Feststellungen lauten:

Politische Lage

Letzte Änderung: 18.11.2021

Marokko ist eine islamisch legitimierte Monarchie mit konstitutionellen und demokratischen Elementen. Die zentralen politischen Vorrechte und die Führung des Landes liegen bei König Mohammed römisch VI. (AA 9.2.2021; vergleiche AA 31.1.2021, USDOS 30.3.2021). Die Verfassung belässt maßgebliche exekutive Reservat- und Gestaltungsrechte beim König. Er steht über den Staatsgewalten und ist staatsrechtlicher Kontrolle entzogen. In Bezug auf die Königsmacht bringt die Verfassung nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung, aber keinen Bruch mit dem bisherigen politischen System an sich (ÖB 8.2021).

Seit der Reform der Verfassung aus dem Jahr 2011 wird die Regierung jedoch durch das Parlament gebildet (AA 9.2.2021). Diese Reformen haben die Autorität über die Regierung teilweise vom Monarchen zur gewählten Legislative verschoben. Marokko führt regelmäßig Wahlen in einem parlamentarischen Mehrparteiensystem durch (FH 3.3.2021). Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die Verfassung aus dem Jahr 2011 aufgewertet, und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Neu ist die Einführung einer regionalen Staatsebene mit demokratisch gewählten Institutionen und gestärkter Selbstverwaltung, die im Zuge des Jahres 2015 mit zahlreichen Wahlgängen konkret Gestalt angenommen hat (ÖB 8.2021). Dennoch verfügt König Mohamed römisch VI. durch formale Machtbefugnisse sowie informelle Einflussmöglichkeiten in Staat und Gesellschaft über eine dominante Stellung (FH 3.3.2021).

Am 8. September 2021 wurde ein neues Parlament gewählt. Aus der Wahl ging die Partei Unabhängige Nationalversammlung (RNI) als Sieger hervor. Sie erhielt 102 Sitze. Die ebenfalls liberale Partei für Ehrlichkeit und Modernität (PAM) stellt 87 Abgeordnete vor der Mitte-Rechts-Partei Istiqlal, welche auf 81 Mandate kommt. Die seit 2011 führende gemäßigt-islamistische Partei für Recht und Gerechtigkeit (PJD) konnte lediglich 13 ihrer 125 Sitze verteidigen. Als Reaktion auf die Wahlniederlage traten die Mitglieder des Generalsekretariats der PJD sowie der bisherige Parteivorsitzende und Regierungschef zurück. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50%. Im Rahmen der Wahlen ist es laut Collectif Associatif pour l’Observation des Élections (CAOE) zu Unregelmäßigkeiten gekommen (BAMF 13.9.2021).

Die Verwaltungsstrukturen sind vornehmlich zentralistisch. Marokko ist in 12 Regionen unterteilt, die sich ihrerseits in 62 Provinzen und 13 Präfekturen untergliedern. Hierin ist auch die Westsahara enthalten, die Marokko als integralen Teil seines Territoriums betrachtet, was international jedoch nicht anerkannt wird (AA 9.2.2021).

Die Judikative wird in der Verfassung 2011 als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist dennoch vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 8.2021).

Am 24.8.2021 sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Algerien und Marokko aufgrund von Spannungen zwischen den beiden Ländern seitens Algerien abgebrochen worden (Reuters 25.8.2021). Auslöser war u.a., dass Marokko die interne Krise in Algerien ausgenutzt hat, um in den letzten Jahren Erfolge im Bereich der Westsahara-Frage zu verbuchen - etwa den Beitritt zur Afrikanischen Union (AU) 2017 und die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara durch die USA. Die im Zuge dieser Anerkennung erfolgte Normalisierung der marokkanischen Beziehungen zu Israel hat Algerien ebenfalls unter Druck gesetzt. Gleichzeitig interpretierte Algerien einige marokkanische Äußerungen der jüngerer Vergangenheit als „feindliche Aktionen“ - etwa die Forderung eines marokkanischen Diplomaten nach Selbstbestimmung für die algerischen Kabylen (ACWDC 4.11.2021).

Am 1.11.2021 wurden darüber hinaus drei algerische Staatsbürger im umstrittenen Territorium der Westsahara bei einem Drohnenangriff getötet. Die rhetorischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko sind in der Folge weiter angestiegen (MEI@75 10.11.2021). Algerien hat Gaslieferungen nach Marokko via Maghreb-Europa- Gaspipeline ebenfalls am 1.11.2021 eingestellt (MEU@75 10.11.2021; vergleiche ACWDC 4.11.2021) und liefert Gas nur noch nach Spanien (ACWDC 4.11.2021). Die Lage kann als regionaler kalter Krieg bezeichnet werden, diplomatische Bemühungen von beiden Seiten sind nötig, um militärische Konfrontationen zu vermeiden (MEU@75 10.11.2021), die jedoch als unwahrscheinlich gelten. Die gegenwärtigen diplomatischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko hingegen könnten Jahrzehnte dauern (ACWDC 4.11.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.2.2021): Marokko - Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/politisches-portrait/224120, Zugriff 23.9.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ACWDC - Arab Center Washington DC (4.11.2021): Western Sahara Figures Prominently in Algeria-Morocco Tensions, https://arabcenterdc.org/resource/western-sahara-figures-prominently-in-algeria-morocco-tensions/, Zugriff 17.11.2021

             BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.9.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw37-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             MEI@75 / Zine Labidine Ghebouli (10.11.2021): Algeria-Morocco tensions: The onset of a regional cold war, https://www.mei.edu/publications/algaeri-morocco-tensions-onset-regional-cold-war, Zugriff 17.11.2021

             Reuters (25.8.2021): Algeria cuts diplomatic relations with Morocco, https://www.reuters.com/world/algeria-says-cutting-diplomatic-ties-with-morocco-2021-08-24/, Zugrrff 17.11.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 30.09.2021

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 30.8.2021). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 19.8.2021), bzw. wird deutschen Staatsbürgern von Reisen abgeraten (AA 3.9.2021). Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 3.9.2021; vergleiche EDA 30.8.2021). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 3.9.2021; vergleiche FD 19.8.2021, BMEIA 7.9.2021).

Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht im ganzen Land das Risiko terroristischer Angriffe. Im Dezember 2018 wurden zwei Touristinnen auf einer Wandertour in der Nähe des Mont Toubkal im Atlasgebirge Opfer eines Gewaltverbrechens mit terroristischem Hintergrund (AA 3.9.2021; vergleiche EDA 30.8.2021, BMEIA 7.9.2021).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 30.8.2021; vergleiche BMEIA 7.9.2021).

Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden. Seit November 2020 haben die Spannungen in der Westsahara zugenommen. In El Guerguerat an der Grenze zu Mauretanien und entlang der Demarkationslinie ist es wiederholt zu Scharmützeln zwischen marokkanischen Truppen und Einheiten der Frente Polisario gekommen (EDA 30.8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.9.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 23.9.2021

             BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (7.9.2021): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 23.9.2021

             EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (30.8.2021): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 23.9.2021

             FD - France Diplomatie [Frankreich] (19.8.2021): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 23.9.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 30.09.2021

Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 30.3.2021). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 30.3.2021; vergleiche AA 31.1.2021) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen (USDOS 30.3.2021). Das Gerichtssystem ist nicht unabhängig vom Monarchen, der dem Obersten Justizrat vorsitzt (FH 3.3.2021). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der teils von der Verfassung gefordert und teils von der Justizverwaltung angestoßen worden ist. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt - Oberster Justizrat) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 31.1.2021).

Die Verfassung sieht darüber hinaus eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (der erwähnte Oberste Justizrat, Gleichstellungs-Rat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch vor oder am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 8.2021).

Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 31.1.2021). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 31.1.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden (FH 3.3.2021; vergleiche AA 31.1.2021). Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam (garde à vue) zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 31.1.2021). Berichten zufolge werden Untersuchungshäftlinge in der Praxis länger als ein Jahr festgehalten, und das Gesetz enthält keine Bestimmungen, die es Untersuchungshäftlingen erlauben, ihre Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Einige Verdächtige, insbesondere diejenigen, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden tage- oder wochenlang in geheimer Haft gehalten, bevor eine formelle Anklage erhoben wird. Zudem wird Angeklagten nach ihrer Verhaftung der sofortige Zugang zu Anwälten verwehrt, und Verteidiger stoßen beim Zugang bei der Vorlage von Prozessbeweisen auf Hindernisse (FH 3.3.2021).

Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 31.1.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 30.09.2021

Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN „Direction Générale de la Sûreté Nationale“ (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den Forces Auxiliaires handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Nationalstraßen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 30.3.2021; vergleiche AA 31.1.2021, ÖB 8.2021). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED (Direction Générale des Etudes et de Documentation) und den Inlandsdienst DGST (Direction Générale de la Surveillance du Territoire). Im April 2015 wurde zusätzlich das Bureau Central d'Investigations Judiciaires (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST (AA 31.1.2021; vergleiche ÖB 8.2021).

DAS BCIJ hat originäre Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 31.1.2021; vergleiche ÖB 8.2021) sowie Entführungen. Damit wurde die Schlagkraft des Polizeiapparats gestärkt, diese spezialisierte Polizeitruppe ist besser ausgebildet und besser ausgerüstet. Seit der Gründung des BCIJ im Jahr 2015 wurden 84 Terrorzellen ausgehoben (ÖB 8.2021).

Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist gemäß USDOS wirksam (USDOS 30.3.2021), gemäß Auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 31.1.2021). [Anm.: Das auswärtige Amt bezieht sich hier wohl auf die weitgehende Kontrolle der Sicherheitskräfte durch den König und sein Umfeld.] Typisch für das marokkanische politische System ist, dass die Weisungskette der Polizeidienste an der Regierung vorbei unmittelbar zur Staatsspitze führt (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 30.09.2021

Die als Reaktion auf den sogenannten arabischen Frühling reformierte Verfassung von 2011 enthält einen umfangreichen Katalog an Grund- und Menschenrechten (AA 31.1.2021) und verbietet Folter und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung. Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 30.3.2020; vergleiche AA 31.1.2021). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet (AA 31.1.2021). Der CNDH (Conseil National des Droits de l'Homme / Nationaler Menschenrechtsrat) soll künftig die Rolle des Nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter einnehmen (CNDH o.D.; vergleiche AA 31.1.2021). Die Regierung bestreitet, dass sie die Anwendung von Folter erlaubt (USDOS 30.2.2021). Sie lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention (AA 31.1.2021).

Wenn auch eine systematische Anwendung von Folter und anderen erniedrigenden Behandlungsweise nicht anzunehmen ist (ÖB 8.2021; vergleiche AA 31.8.2021), werden Folter und folterähnliche Methoden punktuell praktiziert (ÖB 8.2021; vergleiche FH 3.3.2021). Es gibt Berichte, dass Folter (FH 3.3.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021) oder exzessive Polizeigewalt vorkommen (FH 3.3.2021). Es kommt weiterhin zu Berichten von übermäßiger Gewaltanwendung und Folter in Haft (FH 3.3.2021). Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat und insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z.B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang). Betroffen sind laut Bericht des UN-Menschenrechtsausschusses vom Oktober 2016 vor allem Terrorverdächtige und Personen, die Straftaten verdächtig sind, welche die Sicherheit oder die territoriale Integrität des Staats gefährden. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation AMDH (Association Marocaine des Droits Humains) geht vom Fehlverhalten einzelner Personen aus (AA 31.1.2021).

Diese Umstände werden von Menschenrechts-NGOs (ÖB 8.2021; vergleiche FH 3.3.2021) und von unabhängigen Beobachtern wiederholt angeprangert, wie insbesondere von der CNDH, vom UN-Sonderbeauftragten für Folter Juan Mendez, von der Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen, und von der früheren UN-HCHR Navi Pillay. Der seinerzeitige Justizminister Ramid hat die Staatsanwälte aufgerufen, Hinweisen und Anzeigen auf Folter rigoros nachzugehen, gleichzeitig aber auch auf den Verleumdungstatbestand hingewiesen, falls sich Anschuldigungen als haltlos erweisen (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             CNDH - Conseil National des Droits de l'Homme [Marokko] (o.D.): CNDH mandate for the protection of human rights, https://www.cndh.org.ma/an/presentation/cndhs-mandate-area-human-rights-protection, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Letzte Änderung: 30.09.2021

Es gibt in Marokko eine lebendige und aktive Zivilgesellschaft mit nationalen und internationalen NGOs, die im Prinzip unbehelligt agieren kann. Verbote gegen einzelne Veranstaltungen und Einschränkungen für NGOs und Menschenrechtsorganisationen kommen jedoch vor (AA 31.1.2021; vergleiche FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Eine breite Vielfalt an lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfälle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Lokale und internationale NGOs sind immer wieder Einschränkungen bei ihren Aktivitäten ausgesetzt (USDOS 30.3.2021; vergleiche AA 31.1.2021). Es kommt mitunter zu rechtlichen Schikanen, Reisebeschränkungen, aufdringlicher Überwachung und weiteren Behinderungen ihrer Arbeit. Ein NGO-Gesetz gibt es nicht. Für NGOs gilt das Vereinsrecht. Sie müssen sich beim Innenministerium registrieren lassen. Es kommt vor, dass die Registrierungsanzeigen nicht fristgemäß mit einer Eingangsbestätigung beantwortet werden (AA 31.1.2021). Im April 2020 kam es zu Verhaftungen von AMHD-Mitgliedern wegen kritischen Äußerungen (FH 3.3.2021).

Der Bereich NGOs/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechtsverteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH (Organisation Marocaine des Droits Humains), die AMDH (Association Marocaine des Droits Humains) und Amnesty International Maroc. Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen des von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen. NGOs nehmen sich auch individueller Anliegen an, eine Möglichkeit, die Schutzsuchenden in Städten eher offen steht als auf dem Land (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/document/2043675.html, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 30.09.2021

Der Grundrechtskatalog (Kapitel römisch eins und römisch II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen „roten Linien“ - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) - quasi als „Baugesetze“ des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 8.2021). In den Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte. Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen (AA 31.1.2021).

Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam in Frage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt (AA 31.1.2021).

Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken jedoch die Meinungsfreiheit im Bereich der Presse und in den sozialen Medien ein (USDOS 30.3.2021; vergleiche AA 31.1.2021). Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich. Die unabhängige Presse wurde in der Covid-19-Krise ruhig gestellt (Stopp von Printmedien, Online-Berichterstattung weitgehend über offizielle Kommuniqués, Gesetzentwurf gegen Nutzung sozialer Medien) (AA 31.1.2021). Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten – Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten – vor allem im Gebiet der Westsahara selbst – besonders exponiert sind (ÖB 8.2021).

Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, sie wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der oben genannten drei Tabuthemen ersetzt (AA 31.1.2021). Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität bzw. den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 30.3.2021; vergleiche HRW 13.1.2021, AA 31.1.2021, FH 3.3.2021, ÖB 8.2021). Dies gilt auch für Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (HRW 13.1.2021; vergleiche ÖB 8.2021). Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden. Zwischen September 2019 und Januar 2020 verhafteten und verfolgten die Behörden in verschiedenen Städten mindestens zehn Aktivisten, Künstler, Studenten oder andere Bürger, weil sie sich in sozialen Medien kritisch über die Behörden äußerten. Sie wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, unter anderem wegen "mangelnden Respekts vor dem König", "Diffamierung staatlicher Institutionen" und "Beleidigung von Amtsträgern" (HRW 13.1.2021). Obwohl Kritik an den Staatsdoktrinen strafrechtlich sanktioniert wird, werden entsprechende Verurteilungen in den vergangen Jahren eher selten bekannt. Marokkanische NGOs sind der Auffassung, dass administrative Schikanen eingesetzt und Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z. B. Ehebruch oder Steuervergehen) angestoßen oder auch konstruiert werden, um politisch Andersdenkende sowie kritische Journalisten einzuschüchtern oder zu verfolgen (AA 31.1.2021).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die „roten Linien“ Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 31.1.2021). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 30.3.2021). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 31.1.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 31.1.2021; vergleiche FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021, HRW 13.1.2021). Laut Angaben der Menschenrechtsorganisation AMDH haben die Behörden im Jänner und Feber 2020 mindestens 13 öffentliche Versammlungen, Proteste oder Veranstaltungen verboten (HRW 13.1.2021).

2017 gab es eine Vielzahl von Protesten gegen staatliches Versagen, Korruption und Machtwillkür in der Rif-Region, die unter dem Schlagwort „Hirak“ zusammengefasst werden. Berichtet wurde von zunehmend hartem Durchgreifen der Sicherheitskräfte, Videos von Polizeieinsätzen wurden durch Aktivisten in Facebook hochgeladen (AA 31.1.2021).

Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 30.3.2021). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 13.1.2021). Politischen Oppositionsgruppen und Organisationen, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen, wird kein NGO-Status zuerkannt (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/document/2043675.html, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 01.10.2021

Marokko erkennt ausdrücklich in seiner Verfassung die Diversität der Nation an. Staatliche Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten ist nicht vorhanden (AA 31.1.2021). Die Verfassung enthält auch die Anerkennung der berberischen Wurzeln, Traditionen und Sprache gleichberechtigt neben dem arabischen und jüdischen Kulturerbe (ÖB 8.2021).

Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geographischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Der „Minderheitencharakter“ der Berber ist bei ca. 40% der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln relativ zu sehen. Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 8.2021).

Etwa die Hälfte der Bevölkerung macht eine berberische Abstammung geltend und spricht eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen. Dies ist wichtiger Teil ihrer Identität. Die meisten Berber in Marokko sehen sich jedoch nicht als ethnische Minderheit. Marokko fördert Sprache und Kultur der Berber inzwischen aktiv (AA 31.1.2021). Amazigh wurde zur offiziellen Sprache erklärt, vorerst bestehen aber nur vereinzelt Ansätze, dies in die Praxis umzusetzen (z.B. Straßenschilder) (ÖB 8.2021). Amazigh ist Mitte 2019 per Gesetz als Unterrichtssprache aufgewertet worden (AA 31.1.2021). Der berberische Sprachunterricht im Schulsystem ist nur wenig dicht und führt über die 6. Schulstufe nicht hinaus. Folglich ist eine höhere Bildung in berberischer Sprache nicht möglich (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

Relevante Bevölkerungsgruppen

Homosexuelle

Letzte Änderung: 01.10.2021

Homosexualität ist weiterhin bei Strafe verboten (USDOS 30.3.2021). Artikel 489, stellt homosexuelle Handlungen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe: Haftstrafen von sechs Monate bis drei Jahren (AA 31.1.2021; vergleiche FH 3.3.2021; HRW 13.1.2021; USDOS 30.3.2021), sowie Geldstrafen von 200 bis 1.000 Dirham (AA 31.1.2021). Im Rahmen der Strafrechtsreform wurde diskutiert, die Strafbarkeit homosexueller Handlungen abzuschaffen, dies wird jedoch von der PJD und von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Wie auch außerehelicher Geschlechtsverkehr so wird auch Homosexualität, die im Verborgenen gelebt wird, nur in Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt - in der Regel auf Anzeige von Familien oder Nachbarn (AA 31.1.2021).

Sexuelle Minderheiten werden vom marokkanischen Staat nicht anerkannt. Die sexuelle Selbstbestimmung wird durch das generelle Verbot außerehelicher einvernehmlicher sexueller Beziehungen sowie durch die generelle Kriminalisierung der Homosexualität stark eingeschränkt. Homosexualität muss im Verborgenen gelebt werden. Offen gelebte Homosexualität wird gesellschaftlich nicht toleriert (AA 31.1.2021). Anti-Diskriminierungsgesetze gelten nicht für Angehörige sexueller Minderheiten. Es kommt zur Stigmatisierung solcher Personen, und es gibt einzelne Berichte über offensichtliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität in Beschäftigung, Wohnung, Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung (USDOS 30.3.2021).

Im Bereich Homosexualität gibt es keine offen und legal agierenden zivilgesellschaftlichen Initiativen. Eine bekannte - aber nicht als NGO registrierte - Initiative ist "Aswat" (AA 31.1.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2043675.html, Zugriff 21.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Grundversorgung

Letzte Änderung: 01.10.2021

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 31.1.2021).

Die marokkanische Wirtschaft ist grundsätzlich in einer guten Verfassung und von einem langjährigen Aufschwung geprägt. Der Anstieg in den zwei Jahren vor der Corona-Pandemie wurde in erster Linie von staatlichen und ausländischen Investitionen, dem privaten Konsum, stärkeren Exporten und durch verbesserte Agrarerträge getragen. Für die Jahre 2021/2022 wird das Wirtschaftswachstum auf 4 bis 5% prognostiziert. Die Leistungsbilanz wird weiterhin von der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus Europa stark beeinflusst. Eine Rückkehr der Wirtschaftsleistung auf das Niveau von 2019 ist erst ab 2022 realistisch (WKO 2021).

Abgesehen von den Firmen- und Grenzschließungen aufgrund der Covid-19 Pandemie ist die Wirtschaftslage Marokkos von weiteren Faktoren beeinflusst. Positiv wirken sich auf die Wirtschaftslage z.B. die steigenden Exporte in der Automobilindustrie aus. Dennoch hängt das Wachstum weiterhin stark vom wetterabhängigen Agrarsektor ab. Im industriellen Bereich kam es bereits zu zahlreichen Investitionen in Umwelt- und Wassertechnologien, außerdem wurde der Maschinenpark modernisiert. Vor allem gibt es bei der absolut notwendigen und auch von der EU unterstützten Modernisierung des Industriesektors (programme de mise à niveau) zahlreiche Investitionschancen (WKO 2021).

Mittel- bis langfristig können die Wachstumsperspektiven, nicht zuletzt auch aufgrund der politischen Stabilität, als sehr gut eingestuft werden. Es herrscht eine grundsätzlich optimistische Stimmung und die Entwicklung Marokkos hin zu einem höheren Entwicklungsstand ist im Land auch visuell wahrnehmbar (WKO 2021).

Marokko ist ein agrarisch geprägtes Land: Die Landwirtschaft erwirtschaftet in Marokko ca. 20% des BIP und ist damit der bedeutendste Wirtschaftszweig des Landes. Ca. zwei Drittel der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt, davon 18% als Ackerland. Da davon nur rund 15% systematisch bewässert werden, ist die Wetterabhängigkeit sehr hoch. Der Sektor schafft 40% der Arbeitsplätze und ist Einkommensquelle für drei Viertel der Landbevölkerung. Von den 1,5 Mio. landwirtschaftlichen Betrieben sind mehr als zwei Drittel Kleinstbetriebe, die über weniger als drei Hektar Land verfügen, mit geringer Mechanisierung arbeiten und nur zu 4% am Export beteiligt sind. Die modernen Landwirtschaftsbetriebe decken erst rund ein Achtel der kultivierbaren Gesamtfläche ab (WKO 15.9.2021).

Der Beschäftigungsgrad der Bevölkerung liegt bei 47%, die Arbeitslosigkeit hat sich 2018 von 10,2% leicht auf 9,8% vermindert (WKO 15.9.2021). Nach anderen Angaben lag die Arbeitslosigkeit 2018 laut marokkanischem Statistikamt bei 12,8%. Die Dunkelziffer liegt wesentlich höher - vor allem unter der Jugend. Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021).

Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.828 Dirham (ca. EUR 270). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.060 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (15.9.2021): Die marokkanische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-marokkanische-wirtschaft.html, Zugriff 23.9.2021

             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2021): Marokko - Los geht's - Länderreport Außenwirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/marokko-laenderreport.pdf, Zugriff 23.9.2021

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 01.10.2021

Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern und gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards (AA 31.1.2021). Der öffentliche Gesundheitssektor ist in seiner Ausstattung und Qualität sowie bei der Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten (ÖB 8.2021). Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 31.1.2021).

Private Spitäler, Ambulanzen und Ordinationen bieten medizinische Leistungen in ähnlicher Qualität wie in Europa an, wenn auch nicht in allen fachmedizinischen Bereichen gleich und örtlich auf die Städte beschränkt (Casablanca, Rabat, Tanger und andere größere Städte). Diese Dienstleistungen sind freilich mit entsprechenden Honoraren verbunden. Ein Konsultation beim Wahlarzt (Allgemeinmedizin) kostet ab 150 Dirham (13 €), beim Facharzt ab 200 (17 €) Dirham bis 500 (45 €) Dirham und mehr bei Spezialisten (zum Vergleich der Mindestlohn: 2.570 Dirham/234 €) (ÖB 8.2021).

Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 31.1.2021).

Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 152 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 25.440 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.381 Einwohner); daneben bestehen 2.408 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei erhalten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 8.2021). Nach anderen Angaben sind medizinische Dienste kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt ein an die Beschäftigung geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNSS). Seit 2015 können sich unter bestimmten Umständen auch Studierende und sich legal im Land aufhaltende Ausländer versichern lassen. Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine Carte RAMED zur kostenfreien Behandlung erhalten (AA 31.1.2021).

Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. auf vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3% der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis (Carte RAMED), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

Rückkehr

Letzte Änderung: 01.10.2021

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 31.1.2021).

Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 31.1.2021). Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 8.2021).

Mit August 2021 konnten die seit der Verhängung des Ausnahmezustandes aufgrund der Covid-19 Pandemie am 20. März 2020 auf „stand by“ befindlichen Rückführungsaktivitäten von Österreich nach Marokko wiederaufgenommen werden (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt römisch eins. angeführte Verfahrensgang ist in dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes zum Vorverfahren ersichtlich.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht.

2.1. Zum Sachverhalt:

Die Feststellungen zu Staatsbürgerschaft, Herkunft, Familienstand, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Schulbildung, Berufstätigkeit sowie familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsland und zum Nichtvorhandensein familiärer Anknüpfungspunkte oder maßgeblicher privater Beziehungen in Österreich beruhen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Vorverfahren. Der BF hat diesbezüglich im gegenständlichen Verfahren nichts Entgegenstehendes vorgebracht.

Die Feststellung zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit Anfang 2021 ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den eigenen Angaben des BF im Vorverfahren. Zudem ist auf den Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft ( römisch 40 AS 11ff) hinzuweisen. Demnach wurde der BF am 18.05.2021 beim Versuch die Grenze zu Deutschland zu Überqueren aufgegriffen und in Schubhaft genommen. Im Zuge der folgenden Befragung gab er an, sich seit etwa vier Monaten im Österreichischen Bundesgebiet aufzuhalten. Im Zuge der Erstbefragung am 22.05.2021 im Zuge des ersten Asylantrages des BF erklärte er seit etwa drei Monaten im Bundesgebiet zu sein. Insgesamt erscheint es daher gesichert, dass der BF Anfang 2021 eingereist ist, auch wenn sich der nähere Zeitpunkt nicht mehr bestimmen lässt.

Die Feststellungen zur Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des BF ergeben sich ebenfalls aus dem Vorverfahren zur Zahl römisch 40 . Im Vorverfahren wurden medizinische Unterlagen in Form des polizeiamtsärztlichen Gutachtens vom 18.05.2021 ( römisch 40 AS 159-163), eines Entlassungsbriefs des römisch 40 vom 17.05.2021 ( römisch 40 AS 164-171) und einem Schreiben eines Facharztes für Psychiatrie des römisch 40 vom 31.05.2021 ( römisch 40 AS 174) verwertet. Zur Beurteilung der Frage der Behandelbarkeit der psychischen Erkrankung des BF ist auf die Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Marokko ( römisch 40 AS 183-194) zu verweisen. Dass der BF trotz seiner psychischen Erkrankung arbeitsfähig ist, ergibt sich daraus, dass sich unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen im Verfahren keine gegenteiligen Hinweise ergeben haben. Zudem hat er im Vorverfahren ausgeführt, er sei in seinem Heimatland berufstätig gewesen und wolle in Österreich arbeiten ( römisch 40 AS 31 und AS 121). Er ist zudem haftfähig.

Dass der BF keine maßglichen Integrationsmerkmale aufweist und über kein relevantes Privat- oder Familienleben im Inland verfügt, ergibt sich aus der kurzen Aufenthaltsdauer im Inland. Zusätzlich saß der BF einen wesentlichen Teil seines Aufenthalts in Österreich in Schubhaft. Eine maßgebliche Integration war daher nach Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht möglich und wurde zudem auch nicht vorgebracht. Unterlagen, welche eine soziale oder integrative Verfestigung des BF belegen würden, brachte er ebenfalls nicht in Vorlage.

Hinsichtlich seiner familiären Verbindungen in Marokko ist auf die niederschriftliche Einvernahme im Vorverfahren vom 10.06.2021 zu verweisen. Hatte der BF zuvor geschildert, seine Mutter lebe noch in Marokko, so erklärte er nunmehr, sie lebe nun ebenfalls in Kanada. Dies ist im Hinblick darauf, dass in Kanada auch zwei Schwestern des BF leben nicht unglaubwürdig. Der BF erklärte zudem, er habe zur in Marokko verbliebenen Familie ein gutes Verhältnis und gelegentlich telefonischen Kontakt ( römisch 40 AS 118).

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregisterauszug vom 11.02.2022. Dass der BF sich in Schubhaft befindet, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft ( römisch 40 AS 11ff), der Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom 08.02.2022 und dem Auszug des Zentralen Melderegisters vom 11.02.2022.

2.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Zur Beurteilung der Identität der Sach- und Rechtslage unter dem Gesichtspunkt des Paragraph 68, Absatz eins, AVG ist jener Bescheid (bzw. jenes Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem materiellrechtlich über einen Antrag entschieden wurde, nicht der Bescheid (bzw. das Erkenntnis), mit dem ein Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde vergleiche VwGH 19.10.1995, Zl. 93/09/0502, mwN).

Als Vergleichsmaßstab im Hinblick auf den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz dient fallgegenständlich sohin das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.08.2021, mit welchem sein erster Antrag vom 22.05.2021 nach inhaltlicher Prüfung seines betreffenden Vorbringens hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen wurde.

Der BF hatte im Verfahren anlässlich seines ersten Antrags auf internationalen Schutz im Wesentlichen vorgebracht, er habe seinen Heimatstaat aus politischen Gründen verlassen. Er sei ein Gegner des königlichen Regimes und in dem Verein „der 20. Februar“ tätig gewesen. Er sei daher bereits von den marokkanischen Sicherheitsbehörden verhaftet und gefoltert worden. Der BF behauptete diesbezüglich, er habe von der Folter weiterhin Nägel im Rücken. Derartiges konnte bei einer medizinischen Untersuchung jedoch nicht festgestellt werden.

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Bescheides des BFA und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.

Das erkennende Gericht kam dabei zur Überzeugung, dass keine neuen entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht wurden, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt.

Der BF brachte gegenständlich vor, er sei in Marokko im Jahr 1994 vergewaltigt worden. Dies habe seine Familie nunmehr in Erfahrung gebracht und er habe daher Angst im Falle seiner Rückkehr von seiner Familie misshandelt und getötet zu werden.

Dieses Vorbringen hätte der BF im Hinblick darauf, dass die Vergewaltigung nach seinen eigenen Angaben bereits im Jahr 1994 stattfand, schon im Rahmen der ersten Antragstellung und des folgenden Verfahrens vorbringen können. Zudem gab der BF über weitere Nachfrage sowohl in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 07.01.2022 als auch in der niederschriftlichen Befragung vom 20.01.2022 an, er habe seiner Familie bereits im Jahr 1994 von der Vergewaltigung erzählt und hätte diese ihn in der Folge geschlagen.

Die Behörde stuft das nunmehrige Vorbringen des BF im angefochtenen Bescheid als unglaubhaft ein. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Richter an.

Der BF machte hinsichtlich der angeblichen Vergewaltigung und der damit zusammenhängenden Gefahr durch seine Familie widersprüchliche Angaben. So gab er in der Befragung am 07.01.2022 zunächst an, seine Familie habe aufgrund seiner Angaben im Vorverfahren von der Vergewaltigung erfahren. Auf weitere Nachfrage erklärte er jedoch dazu widersprüchlich, seine Familie wisse bereits seit dem Jahr 1994 von der Vergewaltigung, da er seiner Mutter direkt nach der Vergewaltigung davon erzählt habe. Diese habe es dann dem Vater erzählt.

Weiters ist anzumerken, dass der BF angab, er sei von seinen Eltern und seinem Bruder geschlagen worden, da er aufgrund der Vergewaltigung Schande über die Familie gebracht habe (AS 27). Hierzu ist anzumerken, dass der BF im Vorverfahren zunächst angab, es lebe nur noch seine Mutter in Marokko, seine Schwestern würden in Spanien und Kanada leben sein Vater sei verstorben. Einen Bruder erwähnte der BF nicht. In einer weiteren Befragung gab er dann an, auch seine Mutter lebe mittlerweile in Kanada und er habe keine Brüder ( römisch 40 AS 118). Ansonsten würden noch mehrere Onkel, Tanten und Cousins in Marokko leben. Zu diesen hab er ein gutes Verhältnis ( römisch 40 AS 119).

Zunächst ist also festzuhalten, dass keine der Verwandten, mit welchen den BF aufgrund der mutmaßlichen Vergewaltigung angeblich Schwierigkeiten hatte, weiterhin im Herkunftsstaat leben.

Es ist weiter nicht ersichtlich, wie seine restliche Familie im Heimatstadt aufgrund der Angabe des BF im Vorverfahren von der Vergewaltigung erfahren hätte sollen, da der BF in diesem nichts zu der mutmaßlichen Vergewaltigung ausgesagt hat. Dies ergibt sich zum einen aus seinen eigenen Angabe (AS 76), wonach er bisher nichts Diesbezügliches vorgebracht habe, da er sich geschämt habe, zum anderen aus der dem Akteninhalt an sich.

Weiter ist die Tatsache, dass der BF bisher konsistent und glaubhaft angab, er habe lediglich Schwestern und keine Brüder und nunmehr behauptet, er sei unteranderem von seinem Bruder geschlagen worden, ein starkes Indiz dafür, dass das Vorbringen des BF nicht der Wahrheit entspricht.

Insofern liegt nach Ansicht des erkennenden Richters das Argument, dass der BF mit dem Folgenantrag den Versuch unternommen hat, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verlängern, wesentlich näher, als dass er es tatsächlich aus Scham bzw. Angst nicht geschafft hätte, sich während des Erstverfahrens zu öffnen und seinen nunmehrigen mutmaßlichen Fluchtgrund vorzubringen.

In der Beschwerde erklärte der BF, es mache keinen Unterschied, ob er (wie zuvor behauptet) von staatlichen Akteuren oder von nichtstaatlichen Akteuren einen Nachteil zu erwarten habe, da es ihm in beiden Fällen nicht möglich oder zumutbar sei, sich des Schutzes seines Heimatstaates zu bedienen.

In der zuvor stattgefunden niederschriftlichen Einvernahme gab der BF an, er habe bis zu seiner Ausreise mit der Mutter zusammengelebt und den Vergewaltiger auch nicht angezeigt, da seine Familie dies nicht gewollt habe (AS 76). Er sei aufgrund der angeblichen Gewalttaten der Familie nicht in einen anderen Landesteil verzogen, da er dort keine Arbeit gefunden hätte. Daraus ergibt sich, dass sich der BF sich nie um staatliche Hilfe bemüht hat.

Aus dem Länderinformationen ergibt sich, dass die Vergewaltigung und Pädophilie in Marokko unter Strafe stehen vergleiche Punkt Relevante Bevölkerungsgruppen – Kinder & Jugendliche). Das Bundesverwaltungsgericht verkennt aber nicht, dass es in der Praxis selten zur Verfolgung dieser Tatbestände kommt. Allerdings muss auch bedacht werden, dass der BF die Vergewaltigung nie anzeigte. Auch hinsichtlich der angeblichen Gewalt durch seine Familie ergibt sich aus dem Akt nicht, dass der BF hier staatliche Hilfe in Anspruch nehmen wollte. Zudem gilt Marokko als sicherer Herkunftsstaat gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, HerkunftsstaatenV 2009, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 177 aus 2009, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 145 aus 2019,, was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der marokkanischen Behörden spricht.

Soweit der BF in der Beschwerde moniert, die belangte Behörde habe sich inhaltlich nicht ausreichend mit der Situation männlicher Vergewaltigungsopfer in Marokko auseinandergesetzt, ist eben darauf zu verweisen, dass dem Vorbringen des BF kein glaubhafter Kern innewohnt. Zwischen dem hier gegenständlichen Asylantrag vom 07.01.2022 und der vorhergehenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur GZ römisch 40 vom 05.08.2021 verging nicht einmal ein halbes Jahr. Insgesamt ist weder eine Änderung der Rechts- noch der Sachlage erkennbar. Hinsichtlich der monierten Zitierung eines veralteten Länderinformationsblattes für Marokko im behördlichen Verfahren ist explizit auf die unter 1.3. getroffenen Feststellungen zu verweisen. Aus der Zusammenschau des im von der belangten Behörde zitierten Länderinformationsblatt vom 09.04.2021 mit der aktuellen Situation sind keine maßgeblichen Änderungen erkennbar.

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen vergleiche VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041). Eine wesentliche Änderung der Situation in Marokko wurde jedoch im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert dargelegt. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts.

Es sind auch keine wesentlichen, in der Person des BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, etwa eine schwere Erkrankung oder ein sonstiger auf seine Person bezogener außergewöhnlicher Umstand, welcher eine neuerliche umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe. Dies gilt auch im Hinblick auf die aktuelle COVID-19-Pandemie. Besondere Risikofaktoren für einen schweren Verlauf liegen nicht vor.

Auch ist nicht bekannt, dass in ganz Marokko gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefahr im Sinn der Artikel 2, oder 3 EMRK ausgesetzt ist, und es besteht auch nicht auf dem gesamten Staatsgebiet von Marokko ein innerstaatlicher oder internationaler Konflikt, durch den mit einem Aufenthalt in Marokko für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt verbunden wäre.

2.3 Zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Marokko samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zurückweisung des Antrags wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides):

Da das Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht jedoch der zurückgewiesene Antrag selbst.

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden vergleiche VwGH 30. 5. 1995, 93/08/0207).

Eine entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Aus Paragraph 68, AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes – nicht bloß von Nebenumständen – kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen vergleiche z.B. VwGH 27. 9. 2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. römisch eins, 2. Aufl. 1998, E 80 zu Paragraph 68, AVG wiedergegebene Judikatur).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des Paragraph 68, Absatz eins, AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern vergleiche VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf vergleiche VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann vergleiche VwGH 9. 9. 1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. römisch eins, 2. Aufl. 1998, E 90 zu Paragraph 68, AVG wiedergegebene Judikatur).

Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt vergleiche VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0066; VwGH, 14.01.2020, Ra 2019/18/0311). Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen vergleiche VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hat - wie in der Beweiswürdigung zusammengefasst - völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung der belangten Behörde an, dass die Angaben des BF im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann. Der BF brachte im gegenständlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt.

Das nunmehr seitens des BF erstatte Vorbringen, wonach er im Jahr 1994 vergewaltigt worden sei, im Zuge dessen von seiner Familie geschlagen worden sei und nunmehr im Falle seiner Rückkehr fürchte von dieser getötet zu werden, lässt keinen glaubwürdigen Kern erkennen. Zudem stellt es weder einen neuen noch einen neu hervorgekommenen Sachverhalt dar.

Wesentliche Änderungen in der Person des BF bzw. in der Lage in Marokko wurden auch nicht substantiiert behauptet, so dass auch unter dem Blickwinkel des subsidiären Schutzes keine neue inhaltliche Prüfung notwendig war.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des BF gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann.

Die angefochtenen Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. waren sohin vollinhaltlich zu bestätigen.

3.2. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß Paragraph 58, Absatz eins, AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Ziffer 2,) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Ziffer 5,). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (Paragraph 58, Absatz 3, AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der Paragraphen 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des BF, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des Paragraph 46, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der BF Opfer von Gewalt im Sinne des Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG war daher nicht zu erteilen.

3.3. Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere die in Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Zu prüfen ist, ob die von der belangten Behörde getroffene Rückkehrentscheidung mit Artikel 8, EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach Paragraph 55, AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Artikel 8, EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Der BF ist mittlerweile seit etwa einem Jahr im Bundegebiet aufhältig. Den Großteil seines Aufenthalts verbrachte der BF in Schubhaft. Zudem liegt seine Aufenthaltsdauer unter anderem darin begründet, dass der BF erst nach mehrmonatigen Aufenthalt in Österreich aus der Schubhaft heraus, einen Asylantrag gestellt hat. Weiter verweigerte der BF nach dem rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiterhin die Ausreise und stellte schließlich wenige Monate später den gegenständlichen unbegründeten Asyl-Folgeantrag.

Die Bedeutung der ohnehin kurzen Aufenthaltsdauer wird daher durch die auf den BF zurückzuführenden Verzögerungen maßgeblich relativiert. Weiter relativierend kommt hinzu, dass der BF sich einen wesentlichen Teil seines Aufenthaltes in Schubhaft befand.

Die Entwicklung eines maßgeblichen Privat oder Familienlebens ist im Hinblick auf die kurze Aufenthaltsdauer und die Inhaftierung des BF nicht anzunehmen. Der BF hat auch nichts Entsprechendes vorgebracht.

Gleichzeitig hat der BF in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen.

Dem kaum bestehenden Interesse des BF am Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber.

Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Artikel 8, Absatz 2, EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt vergleiche zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086) überwiegt gegenständlich gravierend gegenüber etwaigen (wirtschaftlichen) Interessen des BF am Verbleib in Österreich.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF vermag seine persönlichen Interessen nicht entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG und Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Artikel 8, EMRK, vergleiche Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der BF verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

3.4. Zum Ausspruch das die Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig wäre.

Bereits im Vorverfahren wurde festgestellt, dass im Falle der Rückkehr des BF in seinen Heimatstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) droht. Diesbezüglich sind keine maßgeblichen Änderungen eingetreten oder im Vorverfahren nicht bekannte Tatsachen hervorgekommen. Es liegt Identität der Sache vor, weswegen eine neuerliche meteorische Entscheidung der Frage, ob der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu erteilen ist nicht zu treffen war.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen vergleiche dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des Paragraph 50, Absatz 2, FPG, da dem BF keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko erfolgte daher zu Recht.

3.5. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt römisch fünf. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß Paragraph 55, Absatz eins a, FPG besteht ua eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG.

Zu Recht hat daher die belangte Behörde Paragraph 55, Absatz eins a, FPG zur Anwendung gebracht. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch IV. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG abzuweisen war.

3.6. Zum befristeten Einreiseverbot (Spruchpunkt römisch VII. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß Paragraph 53, Absatz eins, FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Nach Paragraph 53, Absatz 2, FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins,, vorbehaltlich des Absatz 3,, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Der Verhängung eines Einreiseverbotes sowie in weiterer Folge der Bemessung seiner Dauer immanent ist die zum Entscheidungszeitpunkt durchzuführende individuelle Gefährdungsprognose. Der Beurteilung des durch den Fremden potentiell zu erwartenden Gefährdungspotentials kommt sowohl für die Frage, ob ein Einreiseverbot überhaupt zu verhängen ist, als auch hinsichtlich der Bemessung seiner Dauer zentrale Bedeutung zu. Zwar enthalten die Absätze 2 bis 3 des Paragraph 55, FPG eine demonstrative Auflistung von Tatbeständen, deren Erfüllung eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Interessen durch den Aufenthalt des Fremden indiziert; dennoch ist das Vorliegen eines der genannten Sachverhalte für sich genommen zur Erlassung eines Einreiseverbotes nicht ausreichend, vielmehr hat – unter Berücksichtigung des gesetzten Verhaltens – eine individuelle Gefährdungsprognose zu erfolgen, welche die Verhängung eines Einreiseverbotes in Abwägung mit den persönlichen Interessen des Drittstaatsangehörigen im Einzelfall gerechtfertigt erscheinen lässt vergleiche Filzwieser et al., Asyl- und Fremdenrecht, Paragraph 53, FPG, K10).

Beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in Paragraph 53, Absatz 2, FPG bzw. Artikel 11, Rückführungs-RL umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache unter anderem von Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230. Außerdem ist auf die persönlichen und familiären Interessen des BF Bedacht zu nehmen vergleiche VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).

Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass die belangte Behörde das Einreiseverbot vornehmlich auf die Tatsache stützte, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht fristgerecht und freiwillig nachgekommen sei und daher unter Artikel 11, Absatz eins, Litera b, der Rückführungsrichtlinie falle. Sein Verhalten, nämlich die Nichteinhaltung der behördlichen bzw. gerichtlichen Anweisung, dass Bundesgebiet zu verlassen, lasse sich zwar nicht unter die in Paragraph 53, FPG genannten Gründe subsumieren sei aber jedenfalls geeignet die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden. Die belangte Behörde begründet daher die vom Aufenthalt des BF in Österreich ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit damit, dass der BF offensichtlich nicht bereit sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, da er einen missbräuchlichen Asylantrag gestellt habe.

In diesem Zusammenhang ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu einem Missbrauch des Asylsystems durch einen offensichtlich unbegründeten Asylantrag hinzuweisen. Zur Bestimmung des Paragraph 6, AsylG 1997 wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH, 06.05.2004, 2002/20/0361) festgehalten, dass nur dann, wenn "unmittelbar einsichtig" sei und sich das Urteil quasi "aufdränge", dass die vom Asylwerber vorgebrachten Schilderungen tatsächlich wahrheitswidrig seien, das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreiche, dass der Tatbestand als erfüllt angesehen werden könne. Der Verwaltungsgerichtshof legt daher einen hohen Standard an, wenn es um die Frage eines Missbrauchs des Asylsystems geht. Aus dem Stellen eines – aus Sicht der Behörde "unbegründeten und missbräuchlichem" - Folgeantrages automatisch auf einen Missbrauch des Asylsystems und in weiterer Folge eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu schließen, die wiederum automatisch – aufgrund der von der belangten Behörde vorgenommenen Anwendung der Rückführungsrichtlinie – zur Verhängung eines Einreiseverbotes zu führen hat, stellt aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes einen "Automatismus" dar. Konsequent gedacht müsste daher (wenn man der Ansicht der belangten Behörde folgen würde) eine Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz automatisch zu einer Verhängung eines Einreiseverbotes führen, was in dieser Form nicht mit der österreichischen Rechtsordnung in Einklang zu bringen ist.

Die belangte Behörde stützte das Einreiseverbot zudem auf die Mittelosigkeit des BF. Der BF habe seinen bisherigen Aufenthalt ausschließlich aus Mitteln der öffentlichen Hand finanziert und werde auch in Zukunft nicht in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt in Österreich selbst zu verdienen, da er über keinen Aufenthaltstitel verfüge und daher auch längerfristig keiner legalen Beschäftigung nachgehen könne. Soweit diesbezüglich im angefochtenen Bescheid auf die Entscheidung des VwGH, 21.03.2013, 2011/23/0360 verwiesen wird, muss dem entgegengehalten werden, dass es im Anlassfall der VwGH-Entscheidung um die Frage der Integration am Arbeitsmarkt und die Selbsterhaltungsfähigkeit und nicht um die Frage einer zu einem Einreiseverbot führenden Mittelosigkeit gegangen war. Es erscheint insgesamt fraglich, wie in einer zum Zeitpunkt der Erlassung einer Rückkehrentscheidung bestehenden Mittellosigkeit ein Grund erblickt werden kann, einem Fremden eine künftige legale Wiedereinreise unter Berufung auf eine Gefährdung öffentlicher Interessen zu verunmöglichen vergleiche dazu K14 zu Paragraph 53, FPG in Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Kommentar zum Asyl- und Fremdenrecht).

Insgesamt ist der belangten Behörde zuzustimmen, soweit sie den hier gegenständlichen Folgeantrag des BF als missbräuchlich einstuft. Zwischen dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens und dem gegenständlichen Asylantrag vergingen nur wenige Monate und der BF konnte kein neues Fluchtvorbringen dem ein glaubhafter Kern innewohnt vorbringen. Zudem stellte der BF bereits den im Vorverfahren behandelten Asylantrag erst einige Monate nach der Einreise, nachdem er mit der allfälligen Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn konfrontiert wurde.

Angesichts der Art und Schwere des dem BF vorwerfbaren Fehlverhaltens erscheint allerdings ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren als ausreichend, um eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hintanzuhalten.

4.           Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in Paragraph 20, BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Artikel 47, Absatz 2, GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf. Ein neues Fluchtvorbringen, welchem ein glaubhafter Kern innewohnt und aufgrund dessen eine Neubeurteilung vorzunehmen wäre, konnte der BF nicht glaubhaft machen. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde ist der Sachverhalt geklärt, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen waren. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2022:I415.2244888.2.00