Bundesverwaltungsgericht
21.02.2022
L525 2220388-1
L525 2178403-1/25E
L525 2178401-1/25E
L525 2220388-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA: Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Julian A. MOTAMEDI, Baumannstraße 9/12A, 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, Zl. römisch 40 (hg. prot. zu L525 2178403-1), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.11.2021 und 03.12.2021 zu Recht erkannt:
A)
römisch eins.) Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides sowie hinsichtlich Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides, soweit dieser die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG betrifft, als unbegründet abgewiesen.
römisch II.) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides wird hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stattgegeben und festgestellt, dass gemäß Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
römisch III.) römisch 40 , geb. am römisch 40 , wird gemäß Paragraphen 58, Absatz 2, in Verbindung mit 55 Absatz 2 und 54 Absatz eins, Ziffer 2 und Absatz 2, AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
römisch IV.) Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides wird insoweit ersatzlos behoben, als darin die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran für zulässig erklärt wird.
römisch fünf.) Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA: Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Julian A. MOTAMEDI, Baumannstraße 9/12A, 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, Zl. römisch 40 (hg. prot. zu L525 2178401-1) nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 17.11.2021 und 3.12.2021 zu Recht erkannt:
A.)
römisch eins.) Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte römisch eins. und römisch II. des angefochtenen Bescheides sowie hinsichtlich Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides, soweit dieser die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG betrifft, als unbegründet abgewiesen.
römisch II.) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides wird hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stattgegeben und festgestellt, dass gemäß Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
römisch III.) römisch 40 , geb. am römisch 40 , wird gemäß Paragraphen 58, Absatz 2, in Verbindung mit 55 Absatz 2 und 54 Absatz eins, Ziffer 2 und Absatz 2, AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
römisch IV.) Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides wird insoweit ersatzlos behoben, als darin die Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Iran für zulässig erklärt wird.
römisch fünf.) Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von mj. römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA: Iran, gesetzlich vertreten durch ihre Eltern römisch 40 und römisch 40 , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Julian A. MOTAMEDI, Baumannstraße 9/12A, 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.5.2019, Zl. 1230750202-190514308 (hg. prot. zu L525 2220388-1), nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 17.11.2021 und 3.12.2021 zu Recht erkannt:
A)
römisch eins.) Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte römisch eins., römisch II. und römisch III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
römisch II.) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
römisch III.) mj. römisch 40 , geb. am römisch 40 , wird gemäß Paragraphen 58, Absatz 2, in Verbindung mit 55 Absatz 2 und 54 Absatz eins, Ziffer 2 und Absatz 2, AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
römisch IV.) Die Spruchpunkte römisch fünf. und römisch VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten und haben gemeinsam eine mj. Tochter, die Drittbeschwerdeführerin. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Iran.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten nach legaler Einreise in das Bundesgebiet am 10.1.2015 Anträge auf internationalen Schutz und wurden am selben Tag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen.
Zu ihren Fluchtgründen gaben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie seit ca. einem Jahr im Iran eine christliche Privatkirche besucht hätten. Seit dieser Zeit seien sie Christ, aber noch immer nicht getauft. Deshalb hätten sie Angst, in den Iran zu reisen. Sonst gebe es keine Fluchtgründe. Im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat hätten sie Angst um ihr Leben.
2. Am 20.9.2017 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "BFA") einvernommen.
Der Erstbeschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass er als Moslem geboren, aber nicht gläubig gewesen sei. Er sei dann Christ geworden, habe seinen Glauben aber nicht im Iran ausleben können. Deswegen sei er geflüchtet und möchte seinen Glauben hier frei ausleben. Er habe im Iran keine Hauskirche besucht und seine Religion nicht offen ausgelebt. Es sei alles geheim gewesen, er habe an keinen christlichen Organisationen teilgenommen. Zu seinem religiösen Leben in Österreich führte der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er in die Kirche gehe, seitdem er in Österreich sei. Er sei am römisch 40 nach ca. neunmonatiger Taufvorbereitung von der römisch 40 getauft worden. Er besuche die Kirche samstags, früher sei er fast täglich dort gewesen.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe, sie beziehe sich auf das Asylverfahren ihres Mannes. Sie habe im Iran keine Hauskirche besucht und ihre Religion nicht offen ausgelebt. Zu ihrem religiösen Leben in Österreich führte die Zweitbeschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass sie in die Kirche gehe, seitdem sie in Österreich sei. Sie besuche die Kirche seit dem 20.12.2014, kurz vor Weinachten. Sie sei am römisch 40 nach ca. achtmonatigen Taufvorbereitungen von der römisch 40 getauft worden. Sie besuche die Kirche samstags.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin legten im Verfahren vor dem BFA diverse iranische Urkunden (u.a. Identitäts- und Personenstandsdokumente, Zeugnisse, Diplome), Taufzeugnisse der römisch 40 , Urkunden gemäß Paragraph 57, Absatz 2, PStG 2013 sowie Integrationsunterlagen vor.
3. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 27.10.2017 wurden die Anträge des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen. Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde die Frist für ihre freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt römisch IV.).
Begründend führte das BFA zusammengefasst im Wesentlichen aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer im Iran einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliegen würden. Der Erstbeschwerdeführer habe keine gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen glaubhaft vorbringen können; die Zweitbeschwerdeführerin habe für sich keine eigenen Fluchtgründe angeführt, sondern sich auf die Fluchtgründe ihres Ehegatten bezogen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer zum Christentum konvertiert seien. Es habe unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Heimat dort der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung im Sinne der GFK ausgesetzt wären. Ferner habe nicht festgestellt werden können, dass sie im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland dort einer realen Gefahr der Verletzung von Artikel 2,, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wären oder dies für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.
4. Mit Schriftsatz vom 24.11.2017 erhoben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin fristgerecht Beschwerden gegen die Bescheide des BFA vom 27.10.2017. Darin wurde – nach Darstellung des vorgebrachten Sachverhaltes – zusammengefasst im Wesentlichen die Verletzungen von Verfahrensvorschriften (mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelhafte Beweiswürdigung) sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Die Beschwerdeführer stellten einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
5. Am 30.11.2017 wurden die Akten dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
6. Am 21.5.2019 stellte die Zweitbeschwerdeführerin für die Drittbeschwerdeführerin als nachgeborenes Kind gemäß Paragraph 17, AsylG einen Antrag auf internationalen Schutz.
7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 28.5.2019 wurde der Antrag der Drittbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde die Frist für ihre freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt römisch VI.).
Begründend führte das BFA zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass die gesetzliche Vertreterin der Drittbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin, keine eigenen Fluchtgründe angegeben habe, sondern sich auf die Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers beziehe. Die Drittbeschwerdeführerin sei minderjährig und könne davon ausgegangen werden, dass ihre Erziehungsberechtigten, die Zweitbeschwerdeführerin und der Erstbeschwerdeführer, ihren Obsorgepflichten ihr gegenüber nachkommen würden und zumindest bis zu ihrer Volljährigkeit für sie Sorge tragen würden. Auch würden ihre Eltern bei einer Rückkehr für sie in Zukunft Sorge leisten können. Es sei aufgrund der obigen Umstände in einer Gesamtschau (offenkundig gemeint: nicht; Anmerkung davon auszugehen, dass die Drittbeschwerdeführerin bei ihrer Rückkehr in den Iran in eine Notlage entsprechend Artikel 2, bzw. Artikel 3, EMRK gelangen würde.
8. Mit Schriftsatz vom 21.6.2019 wurde für die Drittbeschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 28.5.2019 erhoben.
9. Die Beschwerdeführer legten im Beschwerdeverfahren vor dem erkennenden Gericht iranische Dokumente sowie Integrationsunterlagen vor.
10. Über Auftrag des erkennenden Gerichtes vom 15.10.2021 erstatteten die Beschwerdeführer mit Schriftsatz ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 8.11.2021 eine Stellungnahme zu ihren Aktivitäten in Österreich und legten ein Konvolut an Beweismitteln vor.
11. Das erkennende Gericht führte am 17.11.2021 und 3.12.2021 in Anwesenheit des Erstbeschwerdeführers bzw. der Zweitbeschwerdeführerin und ihrer Rechtsvertreterin mündliche Verhandlungen durch. Ein Behördenvertreter ist jeweils nicht erschienen. In den mündlichen Verhandlungen wurden die Zeugen römisch 40 und römisch 40 einvernommen.
Im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Beschwerdeführern aktuelle Länderberichte zum Iran übermittelt. Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer verzichtete auf eine Stellungnahme zu den Länderberichten.
Die Beschwerdeführer legten in den mündlichen Verhandlungen irakische Dokumente, eine österreichische Geburtsurkunde der Drittbeschwerdeführerin sowie Integrationsunterlagen vor.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
1.1.1. Zur Person des Erstbeschwerdeführers:
Der Erstbeschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Der Erstbeschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Iran und der Volksgruppe der Gilak zugehörig. Er spricht Farsi als Muttersprache sowie Englisch. Der Erstbeschwerdeführer verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Er ist gesund.
Der Erstbeschwerdeführer wurde in der Stadt römisch 40 in der iranischen Provinz Gilan geboren und wuchs dort auf. Er besuchte zwölf Jahre lang die Schule und erlangte den Schulabschluss. Anschließend absolvierte er den Militärdienst und arbeitete 15 Jahre lang in römisch 40 im Industriebereich. Daneben studierte er vier Jahre lang berufsbegleitend Bau- und Produktionstechnologie an der Universität in römisch 40 und schloss sein Studium mit dem Grad Bachelor ab.
Der Erstbeschwerdeführer ist seit dem Jahr römisch 40 mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet und hat mit dieser eine gemeinsame Tochter, die Drittbeschwerdeführerin. Der Erstbeschwerdeführer hat vier Schwestern und einen Bruder. Seine Eltern und Geschwister leben weiterhin in römisch 40 ; der Erstbeschwerdeführer steht mit seiner dort lebenden Schwester in elektronischem Kontakt. Der Vater des Erstbeschwerdeführers war Inhaber von zwei Geschäften; mittlerweile sind die Geschäfte aus Altersgründen vermietet. Sein Vater besitzt auch ein Haus und eine Einliegerwohnung, die beide vermietet werden.
Der Erstbeschwerdeführer reiste im Dezember 2014 aus dem Iran aus.
1.1.2. Zur Person der Zweitbeschwerdeführerin:
Die Zweitbeschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Ihre Identität steht fest. Die Zweitbeschwerdeführerin ist Staatsangehörige des Iran und der Volksgruppe der Gilak zugehörig. Sie spricht Farsi als Muttersprache sowie Englisch. Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Sie leidet an keiner schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung; sie nimmt ein Medikament gegen Schilddrüsenunterfunktion ein.
Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in der Stadt römisch 40 in der iranischen Provinz Gilan geboren und wuchs dort auf. Sie besuchte zwölf Jahre lang die Schule und studierte anschließend insgesamt sieben Jahre lang Psychologie (Bachelor- und Masterstudium) an der Universität in römisch 40 und schloss ihre Studien mit den Graden Bachelor und Master ab. Danach war sie an einer Vorschule, später an einer Grundschule, als Psychologin tätig.
Die Zweitbeschwerdeführerin ist seit dem Jahr römisch 40 mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet und hat mit diesem eine gemeinsame Tochter, die Drittbeschwerdeführerin. Die Zweitbeschwerdeführerin hat zwei Brüder und eine Schwester. Ihre Eltern und einer ihrer Brüder leben in römisch 40 ; ihr zweiter Bruder lebt in römisch 40 , ebenfalls in der Provinz Gilan. Ihre Schwester lebt in Deutschland. Die Zweitbeschwerdeführerin steht in telefonischem Kontakt mit ihren Familienangehörigen im Iran und Deutschland. Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist Kfz-Mechaniker, ihre Mutter Hausfrau. Die finanzielle Situation der Familie ist gut.
Die Zweitbeschwerdeführerin reiste im Dezember 2014 aus dem Iran aus.
1.1.3. Zur Person der Drittbeschwerdeführerin:
Die mj. Drittbeschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Ihre Identität steht fest. Die Drittbeschwerdeführerin ist Staatsangehörige des Iran. Sie ist gesund.
Die Drittbeschwerdeführerin ist die gemeinsame Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Sie wurde in römisch 40 geboren.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind nicht ernstlich und aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert, sondern handelt es sich bei den im Verfahren vorgebrachten Konversionen um Scheinkonversionen. Der christliche Glaube ist nicht zu einem Teil ihrer Identität geworden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Iran einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wären. Es steht auch nicht fest, dass die Beschwerdeführer um ihr Leben zu fürchten hätten.
Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführer in den Iran eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2,, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde.
1.3. Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer:
1.3.1. Zum Privat- und Familienleben des Erstbeschwerdeführers:
Der Erstbeschwerdeführer reiste nach Erteilung eines bis zum 10.1.2015 gültigen Visums im Dezember 2014 legal auf dem Luftweg in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.1.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Erstbeschwerdeführer lebt mit seiner Ehefrau, der Zweitbeschwerdeführerin, und ihrer gemeinsamen Tochter, der Drittbeschwerdeführerin, in einem gemeinsamen Haushalt in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer verfügt in Österreich über soziale und freundschaftliche Anknüpfungspunkte.
Von Jänner bis April 2016 besuchte der Erstbeschwerdeführer einen Deutschkurs auf dem Sprachniveau A2. Von Oktober 2017 bis Jänner 2018 besuchte der Erstbeschwerdeführer einen Deutschkurs für Fortgeschrittene (B1) sowie von November 2017 bis Februar 2018 einen Deutschkurs auf dem Sprachniveau B1. Von Februar bis März 2018 nahm der Erstbeschwerdeführer an einem Deutsch-Intensivkurs teil. Von April bis Juni 2018 besuchte er einen weiteren Deutschkurs B1. Der Erstbeschwerdeführer absolvierte am 2.3.2018 eine ÖSD-Deutschprüfung auf dem Sprachniveau B1 mit der Beurteilung "ausreichend bestanden" sowie am 12.7.2018 mit der Beurteilung "gut bestanden". Im Oktober 2018 besuchte der Erstbeschwerdeführer einen weiteren Deutschkurs. Der Erstbeschwerdeführer bestand am 26.2.2019 das Modul "Mündliche Prüfung" und am 8.5.2019 das Modul "Schriftliche Prüfung" der ÖSD-Deutschprüfung auf dem Sprachniveau B2. Am 8.8.2019 bestand der Erstbeschwerdeführer das Modul "Mündliche Prüfung" der ÖSD-Deutschprüfung auf dem Sprachniveau C1.
Der Erstbeschwerdeführer betätigte sich ab November 2015 als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Wiener Tafel. Im Rahmen seiner Unterbringung im Wohnprojekt " römisch 40 " leistete er seit September 2020 immer wieder Hilfsdienste in der Einrichtung.
Am 24.8., 28.9., 23.11. und 30.11.2016 nahm der Erstbeschwerdeführer an den Infomodulen "Gesundheit", "Wohnen", "Bildung" und am "StartWien-Charta Workshop" des Magistrats der Stadt Wien teil. Von Oktober 2018 bis Juli 2019 sowie von Oktober 2020 bis Jänner 2021 absolvierte der Erstbeschwerdeführer den Kurs "miteinander.Bildung.leben". Im Jahr 2019 nahm er an den Workshops "Fit für das Bewerbungsgespräch", "Lebenslauf und Motivationsschreiben verfassen" und "Bewerbungsgespräch-Training" teil.
Der Erstbeschwerdeführer kam im Dezember 2014 – ca. eine Woche nach seiner Einreise in Österreich – mit der Farsi-sprachigen römisch 40 in Kontakt. In dieser Gemeinde wurde er nach einem achtmonatigen Taufvorbereitungskurs am römisch 40 getauft. Der Erstbeschwerdeführer besuchte die Gottesdienste und Veranstaltungen (Bibelkreis) der Gemeinde. Nach ca. vier Jahren wechselte der Erstbeschwerdeführer die Kirche und besuchte sodann die Baptistenkirche römisch 40 Wien. Dort nahm er an Gottesdiensten und einem Bibelkreis teil. Im Jahr 2020 wechselte der Erstbeschwerdeführer die Kirche erneut und besucht nunmehr die Evangelische Pfarrgemeinde A.B. römisch 40 . Der Erstbeschwerdeführer nimmt regelmäßig an den Gottesdiensten und dem wöchentlich stattfindenden Bibelkreis der Gemeinde teil. Er übt keine bestimmte Funktion innerhalb der Gemeinde aus; fallweise übersetzt er für Farsi-sprachige Gemeindemitglieder oder verrichtet Hilfstätigkeiten, z.B. Tische und Sessel aufstellen, Buffet anrichten oder Böden reinigen.
Der Erstbeschwerdeführer ging während seines Aufenthalts in Österreich bisher keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und steht nach wie vor im Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung. Er verfügt über einen – mit dem Nachweis eines rechtmäßigen Zuganges zum Arbeitsmarkt bedingten – Arbeitsvorvertrag als Montagehelfer (Arbeiter) auf Vollzeitbasis.
Der Erstbeschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Von ihm begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.
1.3.2. Zum Privat- und Familienleben der Zweitbeschwerdeführerin:
Die Zweitbeschwerdeführerin reiste nach Erteilung eines bis zum 10.1.2015 gültigen Visums im Dezember 2014 legal auf dem Luftweg in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.1.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Zweitbeschwerdeführerin lebt mit ihrem Ehemann, der Erstbeschwerdeführer, und ihrer gemeinsamen Tochter, der Drittbeschwerdeführerin, in einem gemeinsamen Haushalt in Österreich.
Von November bis Februar 2018 besuchte die Zweitbeschwerdeführerin einen Deutschkurs auf dem Sprachniveau B1. Von Februar bis März 2018 nahm die Zweitbeschwerdeführerin an einem Intensiv-Deutschkurs teil. Im Zeitraum von April bis Juni 2018 besuchte die Zweitbeschwerdeführerin einen weiteren Deutschkurs B1. Am 12.7.2018 absolvierte die Zweitbeschwerdeführerin eine ÖSD-Deutschprüfung auf dem Sprachniveau B1 ("gut bestanden").
Am 24.8., 31.8., 23.11. und 30.11.2016 nahm die Zweitbeschwerdeführerin an den Infomodulen "Gesundheit", "Wohnen", "Bildung" und am "StartWien-Charta Workshop" des Magistrats der Stadt Wien teil. Ab Oktober 2017 nahm die Zweitbeschwerdeführerin Beratung durch die Wiener Bildungsdrehschreibe in Anspruch. Von Oktober 2018 bis Februar 2019 absolvierte die Zweitbeschwerdeführerin den Kurs "miteinander.Bildung.leben".
Die Zweitbeschwerdeführerin kam im Dezember 2014 – ca. eine Woche nach ihrer Einreise in Österreich – mit der Farsi-sprachigen römisch 40 in Kontakt. In dieser Gemeinde wurde sie nach einem achtmonatigen Taufvorbereitungskurs am römisch 40 getauft. Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte die Gottesdienste und Veranstaltungen (Bibelkreis) der Gemeinde. Nach ca. vier Jahren wechselte der Erstbeschwerdeführer die Kirche und besuchte sodann die Baptistenkirche römisch 40 . Dort nahm er an Gottesdiensten und einem Bibelkreis teil. Im Jahr 2020 wechselte die Zweitbeschwerdeführerin die Kirche erneut und besucht nunmehr die Evangelische Pfarrgemeinde A.B. römisch 40 . Die Zweitbeschwerdeführerin nimmt regelmäßig an den Gottesdiensten teil; am wöchentlich stattfindenden Bibelkreis der Gemeinde nimmt sie nicht teil. Sie übt keine Funktion innerhalb der Gemeinde aus.
Die Zweitbeschwerdeführerin ging während ihres Aufenthalts in Österreich bisher keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und steht nach wie vor im Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung.
Die Zweitbeschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten. Von ihr begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.
1.3.3. Zum Privat- und Familienleben der Drittbeschwerdeführerin:
Die Drittbeschwerdeführerin lebt mit ihren Eltern, dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin, in einem gemeinsamen Haushalt.
1.4. Länderfeststellungen:
COVID-19
Letzte Änderung: 28.06.2021
Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder (DW 18.11.2020) und ist als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko (Hochinzidenzgebiet) eingestuft, da das Land von einer erneuten COVID-19-Infektionswelle stark betroffen ist. Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO (AA 16.6.2021). Nach dem persischen Neujahrsfest Norouz Ende März hatten viele Iraner trotz Warnungen von Präsident Hassan Rohani Verwandte besucht. Danach stiegen die Infektionszahlen stark an. Die Regierung reagierte darauf mit einem Teil-Lockdown (SZ 1.5.2021). Mittlerweile scheint sich die Zahl der Infektionen einigermaßen stabilisiert zu haben, deshalb wurden einige der bisherigen Beschränkungen aufgehoben bzw. gelockert. Neben den Geschäften und Institutionen der Kategorie 1, also essentiell notwendigen, dürfen auch solche der Kategorie 2, also ein Großteil des Einzelhandels, auch in Einkaufszentren und Basaren, öffnen. Obwohl die Zahl der Neuinfektionen mittlerweile leicht im Abnehmen begriffen ist, ist sie allerdings immer noch hoch (WKO 10.5.2021). Auch die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist weiterhin sehr hoch (WKO 10.5.2021; vergleiche DW 23.4.2021), verschiedentlich gibt es noch Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten. Der Großraum Teheran und zahlreiche andere Städte wurden von der höchsten, ’roten’ Gefahrenstufe auf ’orange’ zurückgestuft (WKO 10.5.2021).
Personen, die nach Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 72 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der
Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden (BMeiA 16.6.2021). Reisende können bei Einreise zusätzlich zu ihrem gesundheitlichen Befinden befragt und bei COVID-19-Symptomen ärztlich untersucht werden. Ein erneuter COVID-19-Test kann von den iranischen Behörden angeordnet und durchgeführt werden. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses wird Selbstisolation angeordnet. Bei positivem Testergebnis erfolgt eine rigorose Kontrolle der Kontaktpersonen, und es ergehen weitere verpflichtende Anweisungen der iranischen Behörden. Alle entstehenden Kosten sind von den Reisenden zu tragen. Die Verfahren können sich kurzfristig ändern. Abweichende Handhabungen sind jederzeit möglich (AA 16.6.2021).
In Teheran gilt von 21 Uhr bis 3 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge. Es kommt, abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen, abhängig vom örtlichen Infektionsgeschehen, ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen (BMeiA 16.6.2021). Private Personenkraftwagen dürfen den auf den Kennzeichen angeführten Zulassungsbezirk nicht verlassen. Eine Ausnahme besteht für die Bezirke Teheran und Karaj, da täglich mehrere Millionen Berufspendler zwischen den beiden Orten verkehren. Die Beschränkungen gelten nicht für den öffentlichen Verkehr, Taxis und Internettaxis. In Behörden ist die Anwesenheit der Beschäftigten reduziert. In Orten der Warnstufe ’rot’ müssen Handelsunternehmen, die nicht wie Apotheken oder Lebensmittelhändler dringende Bedürfnisse abdecken, schließen (WKO 10.5.2021). Auch Touristen- und Ausflugsziele bleiben teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt (AA 16.6.2021). In allen Schulen und Universitäten wird auf teilweise Fernunterricht umgestellt. Religiöse und kulturelle Veranstaltungen dürfen nur in reduzierter Form stattfinden. Die Maßnahmen gelten auf unbestimmte Zeit (WKO 10.5.2021).
Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte und Reisen zu vermeiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und den Öffentlichen Personennahverkehr zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr. Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt (AA 16.6.2021).
Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten (WKO 10.5.2021).
Nach wiederholten Ankündigungen über die baldige Produktion iranischer Corona-Impfstoffe gab Präsident Hassan Rohani im April 2021 zu, dass im Land produzierte Impfdosen im besten Fall ab Ende des Sommers 2021 zur Verfügung gestellt werden könnten. Rohani lud Firmen und Geschäftsleute ein, im Auftrag der Regierung Corona-Impfstoffe aus dem Ausland zu importieren. Die Regierung selbst könne keine Corona-Impfdosen importieren, weil die US-Sanktionen deren Einfuhr behindere. Die Tatsache, dass die Regierung sich erst sehr spät für den Kauf ausländischer Impfstoffe entschieden hat, erwähnte der Präsident nicht. Laut iranischen Medien gibt es schon jetzt einen florierenden Schwarzmarkt für illegal importierte Corona-Impfdosen in Teheran. Viele verzweifelte und schwerkranke Menschen suchen auf dem Schwarzmarkt nach preiswerten Impfdosen. Je nach Hersteller werde die Einzeldosis Impfstoff für bis zu 2.000 Euro verkauft (DW 23.4.2021). Laut iranischen Behörden, wurde am 13.6.2021 eine Notfallgenehmigung für einen im Inland entwickelten Impfstoff (COVIran Barekat) gegen COVID-19 erteilt. Der Schritt kommt aufgrund der erwähnten Probleme mit dem Import von genügend Impfstoffen (RFE/RL 14.6.2021).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.6.2021, unverändert gültig seit 14.6.2021): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.ausw aertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/iransicherheit/202396 , Zugriff 16.6.2021
• BMeiA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (16.6.2021, unverändert gültig seit 11.4.2021): Iran - Aktuelle Hinweise, https: //www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 16.6.2021
• DW – Deutsche Welle (23.4.2021): Kein Licht am Ende des Corona-Tunnels im Iran, https://www.dw.com/de/kein-licht-am-ende-des-corona-tunnels-im-iran/a-57310659 , Zugriff 16.6.2021
• DW – Deutsche Welle (18.11.2020): Irans Regierung gibt Widerstand gegen CoronaLockdown auf, https://www.dw.com/de/irans-regierung-gibt-widerstand-gegen-corona-loc kdown-auf/a-55651492 , Zugriff 1.12.2020
• RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (14.6.2021): Iran Approves Emergency Use Of Domestic COVID Vaccine, https://www.rferl.org/a/iran-domestic-covid-vaccine-coviranbarekat/31307467.html , Zugriff 16.6.2021
• SZ – Süddeutsche Zeitung (1.5.2021): Welle des Todes in Iran, https://www.sueddeutsc he.de/politik/iran-corona-1.5280191 , Zugriff 17.6.2021
• WKO – Wirtschaftskammer Österreich (10.5.2021): Coronavirus: Situation im Iran, https: //www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-corona virus--.html , Zugriff 16.6.2021
Politische Lage
Letzte Änderung: 28.06.2021
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der ’velayat-e faqih’, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage ist, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel ’Revolutionsführer’ (GIZ 12.2020a; vergleiche BS 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 4.3.2020a; vergleiche FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021), ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Revolutionsführer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021). Doch obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).
Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt (ÖB Teheran 10.2020). Am 18.6.2021 fanden in Iran erneut Präsidentschaftswahlen statt (Tagesschau.de 18.6.2021). Der derzeitige Präsident Rohani darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren (DW 19.6.2021). Gewonnen hat die Wahl der konservative Hardliner und derzeitige Justizchef Ibrahim Raisi mit mehr als 62% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei unter 50% und war somit niedriger als jemals zuvor in der Geschichte der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran lag die Wahlbeteiligung sogar bei nur 26%. Zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt (Standard.at 19.6.2021; vgl.
DW 19.6.2021). Wie bei jeder Wahl hat der Wächterrat die Kandidaten im vorhinein ausgesiebt
(Tagesschau.de 18.6.2021). Raisi wurde mehr oder weniger von Revolutionsführer Khamenei ins Amt gehievt. Der neue Präsodent tritt sein Amt im August 2021 an. Es ist möglich, dasst er nicht lange Präsident bleibt, da er als Favorit für die Nachfolge des Revolutionsführers Khamenei, der 82 Jahre alt ist, gilt (Zeitonline 23.6.2021).
Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 3.3.2021). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive, zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 12.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2020). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 12.2020a). Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020). Nach dem die Erwartungen des Volks vom moderat-reformorientierten Parlament nicht erfüllt wurden und die Wirtschaftslage und die finanzielle Situation des Volks nach den US-Sanktionen immer schlechter wurde, kamen nach den Parlamentswahlen 2020 hauptsächlich die konservativen und erzkonservativen Kräfte ins Parlament. Die Mehrheit der Abgeordneten der neuen Legislaturperiode verfolgt sowohl gegenüber der Regierung von Rohani als auch gegenüber westlichen Werten eine sehr kritische Linie (ÖB Teheran 10.2020). Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten. Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6%, was als die niedrigste Wahlbeteiligung in die Geschichte der Islamischen Republik einging (FH 3.3.2021).
Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche GIZ 12.2020a, FH 3.3.2021, BS 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 12.2020a). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die
Aufgabe, auf die Wahrung der ’Gesamtinteressen des Systems’ zu achten (AA 4.3.2020a; vgl.
GIZ 12.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der
Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 12.2020a).
Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 12.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 12.2020a; vergleiche AA 4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Folglich können iranische Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten auswählen (FH 3.3.2021). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf,
Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.3.2020a): Politisches Portrait - Iran, https://www. auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450 , Zugriff 27.4.2021
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.3.2020b): Steckbrief - Iran, https://www.auswaert iges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394 , Zugriff 27.4.2021
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 27.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-projec
t.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 27.4.2021
• DW – Deutsche Welle (23.2.2020): Konservative siegen bei Parlamentswahl im Iran,https://www.dw.com/de/konservative-siegen-bei-parlamentswahl-im-iran/a-52489961 , Zugriff 27.4.2021
• DW – Deutsche Welle (19.6.2021): Raeissi wird neuer Präsident im Iran, https://www.dw .com/de/raeissi-wird-neuer-pr%C3%A4sident-im-iran/a-57961660 , Zugriff 25.6.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 27.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 27.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 27.4.2021
• Standard.at (19.6.2021): Hardliner Raisi gewann Präsidentenwahl im Iran, https://www.de rstandard.at/story/2000127545908/kleriker-raisi-fuehrt-laut-medienberichten-bei-praeside ntenwahl-im-iran , Zugriff 25.6.2021
• Tagesschau.de (18.6.2021): Keine Macht dem Volk? https://www.tagesschau.de/ausland/ asien/iran-wahlen-kandidaten-stimmung-101.html , Zugriff 25.6.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights
Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 27.4.2021
• Zeitonline (23.6.2021): Wofür steht Ebrahim Raissi? https://www.zeit.de/2021/26/iran-pra esidentenwahl-ebrahim-raissi-ali-chamenei , Zugriff 25.6.2021
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 28.06.2021
Der Iran verfügt über eine stabile politische Ordnung und Infrastruktur. Es bestehen jedoch gewisse Spannungen, die periodisch zunehmen. Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latente Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sowie mit Straßenblockaden gerechnet werden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 14.6.2021).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Diese haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 14.6.2021; vergleiche AA 14.6.2021b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 14.6.2021b).
In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zum Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 14.6.2021b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrt Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 14.6.2021b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 14.6.2021).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 14.6.2021b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften(EDA 14.6.2021). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen
Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran
10.2020). Gelegentlich kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Auch für unbeteiligte Personen besteht das Risiko, unversehens in einen Schusswechsel zu geraten (EDA 14.6.2021).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.6.2021b, unverändert gültig seit 17.5.2021): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laend er/iran-node/iransicherheit/202396 , Zugriff 14.6.2021
• EDA– Eidgenössisches Departement für auswärtigeAngelegenheiten [Schweiz] (14.6.2021, unverändert gültig seit 3.11.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda /de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html , Zugriff 14.6.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 14.6.2021
Verbotene Organisationen
Letzte Änderung: 28.06.2021
Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020).
Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2020) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018). Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um dadurch Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019; vergleiche Landinfo 12.4.2021).
Hinsichtlich des Risikos, für politische Aktivitäten verhaftet zu werden, ist die Art der Aktivität entscheidend. Andauernde politische Aktivitäten werden eher in einer Anklage enden. Auch Personen, die mit politischem Material oder beim Anbringen politischer Slogans an Wänden erwischt werden, laufen Gefahr, verhaftet zu werden. Eine Person, die nur eine einzige politische Aktivität auf niedrigem Niveau setzt - z.B. Verteilen von Flugblättern - läuft kaum Gefahr, deswegen angeklagt zu werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 4.5.2020
• AI – Amnesty International (15.6.2018): Urgent Action, Iranian Kurdish Woman denied Medical Care, UA: 151/14 Index: MDE 13/8598/201, https://www.ecoi.net/en/file/local/143 5509/1226_1529323691_mde1385982018english.pdf , Zugriff 4.5.2020
• AI – Amnesty International (11.2.2019): Amnesty International’s written statement to the 40thsessionof theHuman RightsCouncil(25 February –22March 2019), MDE 13/9828/2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457788/1226_1550135137_mde1398282019english. pdf , Zugriff 4.5.2020
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+ on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-perso ns-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 4.5.2020
• Landinfo [Norwegen] (12.4.2021): Iran. Mojahedin-e Khalq Organization (MKO), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2050252/Temanotat-Iran-MKO-12042021.pdf , Zugriff 14.6.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 4.5.2021
Volksmudschahedin (Mujahedin-e-Khalq – MEK, MKO; People’s Mojahedin Organisation of Iran – PMOI; National Council of Resistance of Iran – NCRI)
Letzte Änderung: 28.06.2021
Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO,
’iranische Volksmudschahedin’) gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 9.2017; vergleiche Landinfo 12.4.2021) und wird für die Ermordung von 17.000 Iranern verantwortlich gemacht (ÖB
Teheran 9.2017; vergleiche Global Security o.D., SFH 20.7.2018). Verbindungen zur MEK gelten in Iran als ’moharebeh’ (’Waffenaufnahme gegen Gott’), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran
10.2020). Im Exil in Frankreich hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat [National
Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Telepolis 18.1.2019; vergleiche Landinfo 12.4.2021).
Die linksgerichtete MEK wurde in den 1960er Jahren mit der Intention gegründet, den Schah von Persien zu stürzen. Sie unterstützte während der iranischen Revolution Ayatollah Khomeini. Die Organisation wurde Anfang der 1980er Jahre aus dem Iran ins Exil in den Irak vertrieben, nachdem sie gegen Khomeini opponiert hatte. Die MEK wird für verschiedene Anschläge verant-
wortlich gemacht und hatte als Verbündete der irakischen Seite am ersten Golfkrieg zwischen 1980 bis 1988 teilgenommen. Im Jahr 1987 gründete die Organisation einen bewaffneten Arm, die National Liberation Army (NLA) und führte ab 1988 von der 60 Kilometer von Bagdad entfernten Basis Ashraf ausgehend bewaffnete Operationen durch. In diesem Zeitraum exekutierten die iranischen Behörden hunderte bis tausende MEK-Mitglieder, welche als Feinde der Nation und Verräter bezeichnet wurden. Die Organisation wurde von einer Reihe von Staaten offiziell als terroristische Organisation eingestuft, darunter von den USA, der EU und Großbritannien. Im Jahr 2003 hat sich die MEK entwaffnet und den Verzicht auf Gewalt verkündet(SFH 20.7.2018; vergleiche Landinfo 12.4.2021). In den Jahren 2008, 2009 und 2012 wurde die MEK in Großbritannien, in der EU und in den USA von der Liste der terroristischen Organisationen entfernt (SFH 20.7.2018). Die MEK-Mitglieder im Irak ließen sich ab 2011 im Rahmen einer von UNHCR unterstützten Umsiedlung mehrheitlich in Albanien nieder. Im September 2016 sollen die letzten Volksmudschahedin ihr Lager im Irak verlassen haben (SFH 20.7.2018; vergleiche Guardian 9.11.2018). Mittlerweile sind viele von ihnen in die EU und die USA weitergereist (Guardian 9.11.2018). Die iranischen Behörden beobachten die Aktivitäten von MEK-Mitgliedern im Exil (Landinfo 12.4.2021).
Experten sind sich einig, dass die Volksmudschahedin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016; vergleiche Guardian 9.11.2018). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018; vergleiche Arab News
22.1.2018).
Obwohl die MEK behauptet, das iranische Volk zu vertreten und ihre Rolle bei den Volksaufständen der letzten Jahre betont, gibt es kaum Anzeichen dafür, dass sie in Iran signifikante Unterstützung erhält. Das iranische Regime betrachtet die MEK als Terrororganisation und wirft ihr vor, in Zusammenarbeit mit ausländischen Mächten Proteste anzuzetteln. Folglich riskieren diejenigen, die im Verdacht stehen, Verbindungen zu dieser Gruppe zu haben - einschließlich der Familienmitglieder - starke Reaktionen (Landinfo 12.4.2021; vergleiche ACCORD 7.2018). Die österreichische Botschaft berichtet hierzu, dass die MEK zwar die stärkste oppositionelle Bewegung und international präsent ist, dass sie aber in Iran aufgrund ihrer terroristischen Vergangenheit und der Unterstützung Saddam Husseins im Iran-Irak-Krieg kaum Unterstützung genießt (ÖB Teheran 10.2020). In den letzten Jahren scheint sich die MEK darauf zu konzentrieren, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und als praktikable Alternative zum derzeitigen Regime internationale Unterstützung zu gewinnen. Die Organisation führt umfassende PR- und Lobbying-Kampagnen durch, unter anderem durch den oben erwähnten National Council of Resistance of Iran (NWRI) (Landinfo 12.4.2021).
Immer wieder wird Kommandanten der MEK von ehemaligen Mitgliedern vorgeworfen, dass sie Mitglieder der MEK systematisch misshandeln würden, um sie zum Schweigen zu bringen. Hierzu würden Folter, Einzelhaft, Beschlagnahmung von Vermögen und Trennung von Familien angewendet, um die Kontrolle über die Mitglieder zu behalten. Solche Vorwürfe werden von der MEK zurückgewiesen (Guardian 9.11.2018).
Quellen:
• ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research Documentation
(7.2018): COI compilation Iran. Political Opposition. Mojahedin-e Khalq Organisation (MEK, MKO), https://www.ecoi.net/en/file/local/1441174/1226_1534925790_iran-coi-compilatio n-july-2018-final.pdf , Zugriff 9.6.2021
• Arab News (22.1.2018): Iranian people are ready to usher in a ‘new day’, http://www.arab news.com/node/1274381 , Zugriff 5.5.2020
• DW – Deutsche Welle (28.3.2016): Iranische Volksmudschahedin in Albanien, http://www. dw.com/de/iranische-volksmudschahedin-in-albanien/a-19132961 , Zugriff 5.5.2020
• Global Security (o.D.): Mujahedin-e Khalq Organization (MEK or MKO), http://www.global security.org/military/world/para/mek.htm , Zugriff 5.5.2020
• Iran Focus (18.1.2018): Iran Regime’s Weakness and Its Fear From Pmoi/Mek Exposed During the Uprising, https://www.iranfocus.com/en/index.php?option=com_content&vie w=article&id=32380:iran-regime-s-weakness-and-its-fear-from-pmoi-mek-exposed-during
-the-uprising&catid=4:iran-general&Itemid=109 , Zugriff 5.5.2020
• Landinfo [Norwegen] (12.4.2021): Iran. Mojahedin-e Khalq Organization (MKO), https:
//www.ecoi.net/en/file/local/2050252/Temanotat-Iran-MKO-12042021.pdf , Zugriff
9.6.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 5.5.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (9.2017): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426070/5818_1520415893_iran-oeb-bericht-2017 -09.docx , Zugriff 5.5.2020
• SFH – Schweizerische Flüchtlingshilfe (20.7.2018): Iran: Rückkehr von Personen mit Verbindungen zu den Volksmudschahedin(PMOI), https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/he rkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/iran/180720-irn-gefaehrdung-pmoi.pdf , Zugriff 5.5.2020
• Telepolis (18.1.2019): Was verbindet die Volksmudschahedin mit der rechten spanischen Vox-Partei?, https://www.heise.de/tp/features/Was-verbindet-die-Volksmudschahedin-mit -der-rechten-spanischen-Vox-Partei-4281979.html , Zugriff 5.5.2020
• The Guardian (9.11.2018): Terrorists, cultists – or champions of Iranian democracy? The wild wild story of the MEK, https://www.theguardian.com/news/2018/nov/09/mek-iran-re volution-regime-trump-rajavi , Zugriff 5.5.2020
PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (Partei für Freiheit und Leben in Kurdistan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)
Letzte Änderung: 28.01.2021
Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbau einer kurdischen Nationalidentität (BMI 2015; vergleiche ACCORD 7.2015, DIS 7.2.2020), und man wollte die Assimilierung der Kurden durch die Zentralregierung verhindern (JF 15.1.2018). 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Ebendort hat auch die PKK ihre Basen, und die PJAK gilt als iranischer
Ableger der PKK (JF 15.1.2018; vergleiche Landinfo 18.12.2020). Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Angaben über die Stärke der PJAK sind schwierig. Schätzungen liegen zwischen 1.000 (JF 15.1.2018; vergleiche Landinfo 18.12.2020) und 3.000 Kämpfern (BMI 2015; vergleiche Landinfo 18.12.2020). Ein großer Teil der Kämpfer in Ostkurdistan sollen Frauen sein (TRAC o.D.; vergleiche CRS 6.2.2020). Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein erklärtes Ziel der PJAK. Beide Geschlechter müssen auf allen Ebenen der Organisation gleichermaßen vertreten sein und das gleiche Schulungsprogramm absolvieren. Schätzungen zufolge sind bis zur Hälfte der Mitglieder Frauen. Neben der kurdischen Sache steht nicht nur die schon erwähnte Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch der ethnischen Gruppen ganz oben auf der politischen Agenda der PJAK. Darüber hinaus hat die PJAK das erklärte Ziel eines Regimewechsels in Iran. In diesem Zusammenhang versucht die Organisation, alle Iraner anzusprechen. Das erklärte Ziel von PJAK ist es, das derzeitige theokratische Modell durch ein demokratisches föderales System zu ersetzen. Ihr Ziel und ihre Vision ist es, dass in einem zukünftigen politischen Modell alle ethnischen und religiösen Gruppen ein hohes Maß an Autonomie haben sollten. Dies gilt für alle ethnischen Gruppen, nicht nur für die Kurden (Landinfo 18.12.2020).
Die PJAK ist in einen Militärflügel, den ostkurdischen Verteidigungskräften (YRK), und einen politischen Flügel, der Demokratischen und Freien Gesellschaft Ostkurdistans (KODAR), aufgeteilt. Die Gruppe gibt vor, mit allen Iranern zusammenzuarbeiten, aber in der Praxis ist ihre Mitgliedschaft fast ausschließlich kurdisch. Während der militärische Flügel in den Kandil-Bergen stationiert ist, ist der politische Zweig in Europa und dem Irak ansässig (JF 15.1.2018; vergleiche Landinfo 18.12.2020) und operiert in Iran nur im Untergrund (DIS 7.2.2020; vergleiche Landinfo 18.12.2020).Während die kurdisch-iranischen Exilparteien wie z.B. PDKI, KDP-I, die drei Komala-Fraktionen und PAK (Parti Azadi Kurdistan - Kurdistan Freedom Party) mit der Autonomen Kurdischen Region (Kurdistan Regional Government - KRG) Vereinbarungen für eine formalisierte Präsenz im Nordirak getroffen haben, hat die PJAK keine solchen Vereinbarungen. Mit dieser formalisierten Präsenz gehen finanzielle Unterstützung, Zugang zu Schulen, Gesundheitsversorgung und andere öffentliche Dienstleistungen einher. Da die PJAK nicht über eine solche formalisierte Präsenz verfügt, erhalten ihre Mitglieder weder finanzielle Unterstützung noch öffentliche Dienstleistungen (Landinfo 18.12.2020).
Der militärische Arm der PJAK führte im Iran von Anfang der 2000er Jahre bis 2011 eine sporadische Aufstandskampagne. Dabei wurden Dutzende iranische Sicherheitskräfte getötet, hauptsächlich bei Operationen in und um Städte mit kurdischer Mehrheit wie Urmia und Mariwan. 2011 erklärte die PJAK einen [brüchigen] Waffenstillstand. Der Zusammenbruch des syrischen Staates eröffnete der PKK und ihren Mitgliedsgruppen neue Möglichkeiten, und es wurden
Kämpfer nach Syrien geschickt. Dies wurde ab 2014 verstärkt, da die von der YPG [syrischer Ableger der PKK] gehaltenen Gebiete zunehmend von den von der Türkei unterstützten Streitkräften der Freien Syrischen Armee (FSA) und von Kämpfern des sogenannten Islamischen Staates (IS), insbesondere bei der Belagerung von Kobane, unter Druck gesetzt wurden (JF
15.1.2018). Trotz des zunehmenden Engagements der PJAK in Syrien gab die Gruppe ihren Waffenstillstand mit Iran im Jahr 2015 auf, vor allem, um von der weit verbreiteten Empörung und den Protesten gegen die Tötung einer kurdischen Frau durch iranische Sicherheitskräfte in Mahabad zu profitieren. Die Gruppe nahm ihre Angriffe auf iranische Truppen wieder auf, was zu verstärkter Gewalt zwischen der PJAK und der iranischen Regierung führte und im August 2015 ihren Höhepunkt mit einem PJAK-Angriff in Mariwan erreichte, bei dem Berichten zufolge 20 Mitglieder der Revolutionsgarde getötet wurden. Die Regierung reagierte mit der Hinrichtung inhaftierter kurdischer Aktivisten (JF 15.1.2018; vergleiche Landinfo 18.12.2020).
Die PJAK liefert sich somit seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden (AA 26.2.2020). In den Jahren 2017 und 2018 kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit kurdischen Oppositionsgruppen (PJAK, KDP-Iran, Komala), mit mehreren Dutzend Festnahmen und zahlreichen Toten (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche BS 2020). Unter den politisch
Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 10.2020). Zusammenstöße der PJAK mit iranischen Sicherheitskräften wurden auch 2019 berichtet (Kurdistan24 5.8.2019). Es ist weiterhin mit verschärften Repressalien gegen kurdische Organisationen zu rechnen. Die angespannte Lage in den kurdischen Regionen vor allem an der iranisch-irakischen Grenze hat sich inzwischen insofern beruhigt, als dass die iranischen (Militär-)Kräfte hier die Oberhand gewonnen haben. Daher gibt es in den letzten Monaten weniger Meldungen über Auseinandersetzungen, was aber nicht bedeutet, dass in dieser Region nun Frieden herrscht (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 4.5.2020
• ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research Documentation (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_a ccord-iran-coi-compilation-july-2015.pdf , Zugriff 4.5.2020
• BMI – Bundesministerium für Inneres [Österreich] / Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion Language - Politics, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res -publicae-the-kurds-2015.pdf , Zugriff 4.5.2020
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• CRS – Congressional Research Service [USA] (6.2.2020): Iran: Internal Politics and U.S.Policy and Options, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RL32048.pdf , Zugriff 4.5.2020
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+ on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 4.5.2020
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• Kurdistan24 (5.8.2019): PKK-affiliate group reports deaths from recent clash with Iran Guards, https://www.kurdistan24.net/en/news/406728f5-dfd2-4e2b-b71c-de07c86c6646 , Zugriff 4.5.2020
• Landinfo [Norwegen] (18.12.2020): Det iransk-kurdiske partiet PJAK, https://www.ecoi.n et/en/file/local/2043154/Iran-temanotat-PJAK-18122020.pdf, Zugriff 26.1.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 2.12.2020
• TRAC – Terrorism Research & Analysis Consortium (o.D.): Party of Free Life of Kurdistan
(PJAK), https://www.trackingterrorism.org/group/party-free-life-kurdistan-pjak , Zugriff
4.5.2020
Kurdish Democratic Party of Iran (KDPI/PDKI) und Komala(h) (Kurdistan Organization of the Communist Party of Iran, Komala, SKHKI)
Letzte Änderung: 28.01.2021
Neben der PJAK zählen insbesondere die marxistische Komalah-Partei und die Democratic
Party of Iranian Kurdistan (KDPI bzw. PDKI) zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran
(AA 26.2.2020). Die Mitgliedschaft in kurdischen Parteien ist illegal und wird streng bestraft. In kurdischen Gebieten gilt auch zivilgesellschaftlicher Aktivismus, der nichts mit den Parteien zu tun hat, als verdächtig. Dies wird als politische Oppositionstätigkeit interpretiert und von den Behörden unterdrückt. Personen, die an Demonstrationen oder anderen Protestmärschen teilnehmen, stehen im Verdacht, Mitglied einer Partei zu sein. Sie riskieren eine Verhaftung (Landinfo 19.5.2020).
Die KDPI (auch PDKI) wurde 1945 in der iranischen Stadt Mahabad gegründet (DIS 7.2.2020; vergleiche Landinfo 19.5.2020) und vom Schah im Jahr 1953 verboten und dadurch in den Untergrund verbannt (TRAC o.D.). Das Ziel der KDPI besteht darin, die kurdischen nationalen Rechte innerhalbeines föderalen und eines demokratischen Iran zu erlangen (DIS 7.2.2020; vergleiche TRAC o.D., MERIP o.D., Landinfo 19.5.2020). Sie bezeichnet sich selbst als sozialdemokratische Partei
(Landinfo 2.4.2020). Die KDPI wird von der Regierung als konterrevolutionäre und terroristische Gruppe betrachtet, die von ihrem irakischen Hauptquartier aus das Regime bekämpft (BMI 2015; vergleiche MERIP o.D., ACCORD 7.2015, Landinfo 2.4.2020). Die KDPI wird traditionell als die größte iranisch-kurdische Partei angesehen (DIS 7.2.2020; vergleiche Landinfo 19.5.2020), wobei dies heute nicht mehr gültig ist (Landinfo 2.4.2020). Die Partei KDP-Iran hat sich 2006 von der KDPI getrennt und ist eine separate Partei (DIS 7.2.2020; vergleiche Landinfo 19.5.2020). Trotz der Spaltung haben die beiden Parteien ein neues Kooperationsforum gebildet, das neben KDPI und KDP-Iran aus zwei weiteren iranisch-kurdischen Parteien besteht, nämlich den beiden Fraktionen der linken Partei Komala (Landinfo 19.5.2020). Die kurdischen Parteien konkurrieren um Einfluss in der kurdischen iranischen Bevölkerung (Landinfo 2.4.2020), und sie sind in Iran nicht sehr stark durch Mitglieder repräsentiert, sondern am ehesten durch Sympathisanten (ACCORD 7.2015). Viele der kurdischen Parteien operieren vom Nordirak aus. Der Status und Handlungsspielraum der kurdischen Oppositionsgruppen wie KDP-I, Komala und PDKI und PJAK war und ist ein schwieriges Thema in den Beziehungen zwischen Iran und der Autonomen Kurdischen Region (Kurdistan Regional Government - KRG). Die KRG hat Vereinbarungen für eine formalisierte Präsenz mit mehreren iranisch-kurdischen Exilparteien wie KDPI, KDP-Iran, den drei Komala-Fraktionen und PAK getroffen. Aufgrund der Notwendigkeit einer gutnachbarlichen Beziehung zu Iran hat die KRG gefordert, dass die iranisch-kurdischen Exilparteien alle militärischen Aktivitäten gegen Iran unterlassen. Dies war eine Bedingung dafür, dass die Exilparteien in Stützpunkten und Lagern im Nordirak operieren dürfen. Mit dieser formalisierten Präsenz gehen finanzielle Unterstützung, Zugang zu Schulen, Gesundheitsversorgung und anderen öffentlichen Dienstleistungen einher (Landinfo 18.12.2020).
Die Komala-Partei wurde 1969 gegründet. Ihre Mitglieder bestanden zu dieser Zeit aus kurdischen linken Studenten und Intellektuellen, hauptsächlich aus Teheran, aber auch aus anderen kurdischen Städten. Komala basiert auf sozialistischen Werten und kämpft für kurdische Rechte und einen demokratischen, säkularen, pluralistischen und föderalen Iran. Komala besteht aus drei oder mehr getrennten Parteien (DIS 7.2.2020).
Das Ausmaß der zivilpolitischen Aktivitäten der iranisch-kurdischen Oppositionsparteien, insbesondere der KDPI und Komala, in Iran ist aufgrund der Kontrolle, mit der sie konfrontiert sind, im Allgemeinen begrenzt. Wenn die Parteien zivilpolitische Aktivitäten durchführen, geschieht dies unter Geheimhaltung, um zu verhindern, dass die Behörden gegen sie vorgehen. Die Parteien unterstützen jedoch die Aktivitäten anderer, beispielsweise von Organisationen, die sich sowohl auf Umweltfragen als auch auf soziale Fragen konzentrieren. Die kurdischen politischen Parteien führen Propaganda-Aktivitäten durch, um ein Bewusstsein für die Politik der iranischen Regierung zu schaffen und die Menschen zu ermutigen – durch verschiedene friedliche und entschlossene Maßnahmen wie Demonstrationen, Generalstreiks und symbolische Mittel, wie das Tragen kurdischer Kleidung zu besonderen Anlässen – gegen die Regierung zu protestieren. Die meisten Aktivitäten der kurdischen Parteien finden im öffentlichen Raum, einschließlich Schulen, statt. Die Parteien ermutigen ihre Mitglieder, Unterstützer und die Öffentlichkeit, Maßnahmen über soziale Medien, Fernseh- und Radiokanäle zu ergreifen (DIS 7.2.2020).
In Bezug auf die Rekrutierung von Mitgliedern ist zu sagen, dass die Regeln für die Mitgliedschaft in den iranisch-kurdischen politischen Parteien (KDPI und Komala) nicht immer geradlinig sind und die Mitgliedschaft durch verschiedene Verfahren erlangt werden kann. Menschen in der kurdischen Region in Iran können über die geheimen Netzwerke dieser Parteien Mitglieder werden, oder sie können selbst Mitglieder der Partei in der Autonomen Kurdischen Region Irak kontaktieren und dadurch Mitglieder werden. Zukünftige Mitglieder durchlaufen eine Überprüfung, um z.B. Spione der iranischen Regierung ausschließen zu können (DIS 7.2.2020; vergleiche Landinfo
19.5.2020). Es kommt nämlich immer wieder vor, dass das Geheimdienstministerium und die Revolutionsgarden Personen bedrohen oder bestechen, um sie als Kundschafter einzusetzen
(DIS 7.2.2020). Sowohl das iranische Geheimdienstministerium als auch der Geheimdienst der Revolutionsgarden sind mit einem Netzwerk von Informanten verbunden, die die Aktivitäten der iranisch-kurdischen Parteien verfolgen und darüber berichten. Die Geheimdienste haben
wahrscheinlich einen gewissen Überblick über die Mitglieder und Aktivitäten der Parteien. Mitglieder der Parteien werden vom iranischen Geheimdienst kontaktiert und Drohungen und Druck ausgesetzt. Auch die Familien der Mitglieder in Iran werden häufig kontaktiert, um die den Parteien angehörenden Familienmitglieder zu überreden, die Parteien zu verlassen und in den Iran zurückzukehren. Je höher die Position eines Parteimitglieds, desto höher ist der Druck auf die Familie in Iran (Landinfo 19.5.2020).
Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen – insbesondere die Unterstützung der kommunistischen Komala-Partei und der KDP-Iran und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß (ÖB Teheran 10.2020). Ab 2015 stationierten einige der kurdischen Parteien ihre Peschmerga wieder in Iran. Die KDPI beispielsweise erklärte den Waffenstillstand mit Iran 2016 für beendet und bewaffnete Auseinandersetzungen nahmen zu (Landinfo 2.4.2020). Ende April 2017 stationierte eine der Komala-Parteien ihre Streitkräfte im Grenzgebiet zwischen der Autonomen Kurdischen Region Irak und Iran (DIS 7.2.2020). Im September 2018 wurden drei angebliche Komala-Mitglieder wegen Terrorismus nach unfairen Verfahren und trotz internationaler Proteste hingerichtet (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche DIS
7.2.2020), zeitgleich fanden Raketenangriffe auf einen Stützpunkt der KDPI in Nord-Irak statt (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche DIS 7.2.2020, BS 2020). Die Anzahl der Begegnungen zwischen iranisch-kurdischen Guerillas und iranischen Streitkräften hat zwar an Intensität abgenommen, aber nicht aufgehört (Landinfo 2.4.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 5.5.2020
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• Landinfo [Norwegen] (2.4.2020): PDKI–Democratic Party of Iranian, https://www.ecoi.net /en/file/local/2027641/Iran_temanotat_PDKI_april_2020.pdf , Zugriff 27.1.2021
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• ÖB Teheran – Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 2.12.2020
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Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 28.06.2021
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2020). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA26.2.2020; vergleiche BS 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer (Iranian Bar Association; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 3.3.2021).
Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (USDOS 30.3.2021). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 13.1.2021; vergleiche AA 26.2.2020, HRC 11.1.2021). Die Behörden setzen sich ständig über Bestimmungen hinweg, wie z.B. das Recht auf einen
Rechtsbeistand (AI 7.4.2021; vergleiche HRW 13.1.2021). In einigen Fällen wurde in Abwesenheit der
Angeklagten verhandelt, weil man sie nicht über ihre Verhandlungstermine informiert oder sie nicht vom Gefängnis zum Gericht transportiert hatte (AI 7.4.2021).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische
Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Wenn sich Gesetze nicht mit einer spezifischen Rechtssituation befassen, dann dürfen Richter ihrem Wissen und ihrerAuslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen ’göttlichen Wissens’ [divine knowledge] für schuldig befinden (USDOS 30.3.2021).
In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die ’Sondergerichte für die Geistlichkeit’ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vergleiche BS 2018).
Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:
- Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere ’Feindschaft zu Gott’ und ’Korruption auf Erden’;
- Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;
- Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;
- Spionage für fremde Mächte;
- Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;
- Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).
Viele Gerichtsverfahren finden hinter verschlossenen Türen statt. Bei Verfahren vor Revolutionsgerichten herrscht offene Feindseligkeit gegenüber den Angeklagten, und Anschuldigungen von Sicherheits- und Geheimdiensten werden als Tatsachen behandelt, die bereits feststehen. Erzwungene ’Geständnisse’, die unter Folter und anderen Misshandlungen zustande kommen, werden vor Beginn der Prozesse im Staatsfernsehen ausgestrahlt. Gerichte nutzen sie durchweg als Beweismittel und begründen damit Schuldsprüche, selbst wenn die Angeklagten ihre Aussagen widerrufen. In vielen Fällen bestätigen Berufungsgerichte Schuldsprüche und Strafen, ohne eine Anhörung abzuhalten. Häufig weigern sich Gerichte, Angeklagten, die wegen Straftaten in Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit verurteilt wurden, das Urteil in schriftlicher Form zukommen zu lassen (AI 7.4.2021).
Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten:
Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche AA 26.2.2020).
Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgteAmputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020). Die Amputation z.B. eines Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen (Qisas), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann (ÖB Teheran 10.2020). Bei derartigen Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes (Diya) auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020). Durch Erhalt einer Kompensationszahlung (Diya) kann der ursprünglich Verletzte auch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom ’Geschädigten’ gegen Diya verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2020). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).
Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab-Pflicht (AA 26.2.2020).
Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).
Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen (AA 26.2.2020).
Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar
_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2021
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/14572 57/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelev ante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff
7.4.2020
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/11159 73/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-absch iebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2015-09-12-201 5.pdf , Zugriff 7.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020) – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 28.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-projec
t.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 28.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report – Iran, http://www.bti-project.
org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf , Zugriff 7.4.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• HRC – UN Human Rights Council (11.1.2021): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/46/50], https://undocs.org/en/A/hrc/46/50 , Zugriff 4.5.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2043504.html , Zugriff 28.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 2.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 30.06.2021
Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enqhelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum
Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Revolutionsgarde und die nationale Armee (Artesh) sorgen für die externe Verteidigung. Die zivilen Behörden behalten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Trotzdem können Angehörige der Sicherheitskräfte Misshandlungen begehen, ohne befürchten zu müssen, bestraft zu werden (USDOS 30.3.2021). Organisatorisch sind die Basij den Revolutionsgarden unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut macht. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten,
wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran
10.2020).
Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst (AA 26.2.2020). Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden und den Basij Milizen unterstützt. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BS 2020).
Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den Revolutionsgarden (BS 2020). Letztere nehmen eine Sonderrolle ein, ihr Auftrag ist formell der Schutz der Islamischen Revolution. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben die Revolutionsgarden neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 3.3.2021). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der Revolutionsgarden Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitäts-
werke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist also aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden – gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Präsident Hassan Rohani versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vergleiche BS 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben – nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen – überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).
Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).
Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und
Gebäudesicherung. Neben dem ’Hohen Rat für den Cyberspace’ beschäftigt sich die iranische
Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und
Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EUMenschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).
Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des
Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete (BS 2020). Der Oberste Führer hat die höchste
Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen, darunter Folter, Verschwindenlassen und Gewaltakte gegen Demonstranten und Umstehende bei öffentlichen Demonstrationen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (USDOS 30.3.2021). In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).
Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum
Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-projec
t.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+ on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-an d-converts.pdf , Zugriff 7.4.2020
• DW – Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http:
//www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802 , Zugriff 7.4.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden, https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsg arden/ , Zugriff 7.4.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 2.12.2020
• Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben, https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revol utionsgarden-so-viel-macht-haben/19907934.html , Zugriff 7.4.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 30.06.2021
Folter ist nach Artikel 38, der iranischen Verfassung verboten. Dennoch sind psychische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung bei Verhören und in Haft, insbesondere in politischen Fällen, durchaus üblich (AA 26.2.2020; vergleiche USDOS 30.3.2021, DIS 7.2.2020). Folter betrifft vorrangig eben diese nicht registrierten, aber auch offizielle Gefängnisse - insbesondere den berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 26.2.2020). Folter und andere Misshandlungen sind nach wie vor weit verbreitet und werden systematisch angewendet, vor allem während Verhören (AI 7.4.2021). Zudem wurden 2020 mindestens 160 Personen zu Peitschen- bzw. Stockhieben verurteilt sowohl wegen Diebstahls oder Überfällen als auch wegen Handlungen, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z.B. Beteiligung an friedlichen Protesten, außereheliche oder einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen sowie Teilnahme an Feiern, bei denen sowohl Männer als auch Frauen anwesend waren. In vielen Fällen wurden die Auspeitschungen vollstreckt (AI 7.4.2021). Berichten zufolge unterhalten Behörden abseits des nationalen Gefängnissystems auch noch inoffizielle, geheime Gefängnisse und Haftanstalten, in denen Missbrauch stattfindet (USDOS 30.3.2021).
Bei Delikten, die im Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischt-geschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 10.2020). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser sowie die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche USDOS 30.3.2021).
Folter und andere Misshandlungen geschehen häufig in der Ermittlungsphase (HRC 8.2.2019; vergleiche DIS 7.2.2020), um dadurch Geständnisse zu erzwingen (HRC 8.2.2019; vergleiche HRW 13.1.2021). Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidigern und jugendlichen Straftätern (HRC 8.2.2019). Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen (HRC 8.2.2019; vergleiche HRC 28.1.2020). Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019; vergleiche HRC 28.1.2020). Ehemalige Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 3.3.2021).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 28.4.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+ on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 14.5.2020
• HRC – UN Human Rights Council (28.1.2020): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff 8.4.2020
• HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a_hrc_40_24_E.pdf , Zugriff 8.4.2020
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2043504.html , Zugriff 28.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 2.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights
• Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Korruption
Letzte Änderung: 30.06.2021
Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz nur willkürlich. Manchmal werden Korruptionsfälle gegen Beamte rechtmäßig verfolgt, gleichzeitig werden politisch motivierte Anklagen gegen Regimekritiker oder politische Opponenten vorgebracht. Beamte betätigen sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte ’Bonyads’, leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes. Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese Bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahe stehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen.
Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten,
Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (USDOS 30.3.2021; vergleiche FH 3.3.2021).
Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vergleiche BS 2020). Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit (AA 26.2.2020). Auch in der Polizei, bei sozialen Organisationen, im Öffentlichen Dienst und bei staatlichen Behörden ist Korruption weit verbreitet. Korruption und Gesetzesverstöße sind auch in der politischen Elite weit verbreitet. Nur selten werden Täter strafrechtlich verfolgt und wenn, dann ist dies hauptsächlich auf politische Rivalitäten zurückzuführen (BS 2020). Die Justiz setzt eine Antikorruptionskampagne fort, deren Motivation laut Beobachtern u.a. politische Auseinandersetzungen und das Ersetzen von Einnahmeverlusten aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen sind. Der oberste Führer genehmigte 2018 einen Antrag des Justizchefs, spezielle Revolutionsgerichte einzurichten, um Einzelpersonen wegen Wirtschaftsverbrechen vor Gericht zu stellen. Gleichzeitig forderte er Höchststrafen für diejenigen, welche die Wirtschaft ’gestört und korrumpiert’ haben. Er wurde zitiert, wonach Strafen für diejenigen, die der wirtschaftlichen Korruption beschuldigt werden, einschließlich Beamter der Regierung und des Militärs, schnell durchgeführt werden sollten.
Amnesty International kritisiert diesbezüglich das Fehlen eines fairen und ordnungsgemäßen Verfahrens durch die Gerichte (USDOS 30.3.2021).
Transparency International führt Iran in seinem Korruptionswahrnehmungsindex von 2020 mit
25 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 149 von 180 [2019: Platz 146 von 180] untersuchten Ländern (TI 2021) [2019: Platz 146 von 180]. Es konnte sich in Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 12.2020b).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-projec
t.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 28.12.2021
• TI – Transparency International (1.2021): Corruption Perspective Index 2020 – Iran, https: //www.transparency.org/en/cpi/2020/index/irn , Zugriff 28.4.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 30.06.2021
Die iranische Verfassung (IRV) vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Artikel 4, IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene ’Hohe Rat für Menschenrechte’ untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten ’Pariser Prinzipien’ (AA 26.2.2020).
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:
• Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
• Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
• Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
• Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischem Recht)
• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie
• Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
• Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
• UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen
• Konvention über die Rechte behinderter Menschen
• UN-Apartheid-Konvention
• Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 26.2.2020)
Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:
• Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
• Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention
• Zweites Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe
• Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
• Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen
• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (AA 26.2.2020).
Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 10.2020). Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition, jedoch auch immer wieder gegen die islamisch definierten (GIZ 12.2020a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören: Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der ’schwersten Verbrechen’ entsprechen und ohne einen fairen Prozess; rechtswidrige oder
willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; systematische Inhaftierungen, einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen (USDOS 11.3.2020; vergleiche AI 7.4.2021, FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere der Revolutionsgerichte; Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets - einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit; Einschränkungen der Religionsfreiheit; Beschränkungen der politischen Beteiligung durch willkürliche Kandidatenprüfung; weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen; rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien; Menschenhandel; Gewalt gegen ethnische Minderheiten; strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten; Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten sowie Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen Angehörige sexueller Minderheiten beinhalten; und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 30.3.2021; vergleiche FH 3.3.2021, HRW 13.1.2021). Die Regierung unternimmt kaum Schritte, um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (USDOS 30.3.2021).
Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände vergleiche Artikel 279 bis 288 iStGB) sowie Staatsschutzdelikte (insbesondere Artikel eins bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, laufen Gefahr, der Spionage beschuldigt zu werden (AA 26.2.2020). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2020). Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (BS 2020; vergleiche ÖB Teheran
10.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 28.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/#c4398 , Zugriff 28.4.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2043504.html , Zugriff 28.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 3.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Meinungs- und Pressefreiheit, Internet
Letzte Änderung: 30.06.2021
Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht ’schädlich’ für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die ’Rechte der Öffentlichkeit’ sind (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche USDOS 30.3.2021). In der Praxis sehen sich Meinungsund Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert (AA 26.2.2020; vergleiche BS 2020, AI 7.4.2021, USDOS 30.3.2021). Die Justiz- und Sicherheitsbehörden verwenden weiterhin vage definierte Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, um Aktivisten, Dissidenten und Menschenrechtsverteidiger wegen freier Meinungsäußerung zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen (HRW 13.1.2021), bzw. nutzen Behörden Gesetze, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen. Die Behörden dulden es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren (USDOS 30.3.2021).
Der staatliche Rundfunk wird von Hardlinern streng kontrolliert und vom Sicherheitsapparat beeinflusst. Nachrichten und Analysen werden stark zensiert (FH 3.3.2021). Insgesamt spiegelt die iranische Presselandschaft eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, geprägt wird sie dennoch von einer Vielzahl höchst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter ’roter Linien’ des Revolutionsführers, die in erheblichem Maß auch zu Selbstzensur führen. Bei Verstößen gegen ungeschriebene Regeln drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen ’Propaganda gegen das System’ bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten als auch von konservativen Zeitungen (AA 26.2.2020). ’Propaganda gegen das System’ ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei ’Propaganda’ nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder für hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden. Dies gilt auch für Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet (ÖB Teheran 10.2020). Mitarbeiter von ausländischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder
Voice of America) sowie unabhängige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzögerungen bei der Gewährung der Presselizenz durch die iranischen Behörden, Verhaftungen, körperlicher Züchtigung sowie Einschüchterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche AA 26.2.2020, FH 3.3.2021). Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein verstärktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverhältnismäßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa ’regimefeindliche Propaganda’ verhängt (ÖB Teheran 10.2020).
Für Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausländischer
Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Behörden versuchen, dies durch den Einsatz von Störsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden (AA 26.2.2020; vergleiche FH 3.3.2021). Die Polizei durchsucht regelmäßig Privathäuser und beschlagnahmt Satellitenschüsseln (FH 3.3.2021). Alle Arten von Medien unterliegen der Zensur (AI 7.4.2021). Andererseits besitzt nahezu jede iranische Familie eine Satellitenantenne, auch wenn diese offiziell verboten sind (GIZ 12.2020c).
Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafés (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist eine Art Volkssport unter jungen Iranern. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iranern hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind (GIZ 12.2020c).Etwa 70% der iranischen Bevölkerung sind aktive Internetnutzer. Seit 2009 haben die iranischen Behörden erhebliche Mittel für den Ausbau der Infrastruktur, aber auch für die Kontrolle ihrer Nutzung aufgewendet. Zensur und Überwachung sind umfangreich. Eine Cyberpolizei wurde eingerichtet, und auch mehrere andere Regierungsbehörden haben Aufgaben im Zusammenhang mit der Überwachung des Internets und der sozialen Medien übernommen. Darüber hinaus haben die iranischen Behörden ein lokales, staatlich kontrolliertes Netzwerk entwickelt, das National Information Network (NIN). Die regimekritische Debatte findet vor allem in den sozialen Medien statt. Für illegale Oppositionsparteien ist das Internet der bevorzugte Kanal für den Informationsaustausch. Die iranischen Behörden konzentrieren sich insbesondere auf Personen, die die öffentliche Meinung in Iran beeinflussen können, wie beispielsweise diejenigen, die viele Anhänger in den sozialen Medien haben. Dies gilt auch für im Ausland lebende Iraner. Iranische Journalisten, die für internationale Medienhäuser arbeiten, werden streng überwacht (Landinfo 31.5.2021).
Gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wird massiv vorgegangen. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder ’islamfeindliche’ Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, getätigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer geäußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden (ÖB Teheran 10.2020). Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt (AA 26.2.2020; vergleiche FH 3.3.2021, AI 7.4.2021). Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber ’gefiltert’ bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen ’Cyber-Krieg’ gegen das Land führen zu
wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist ohne Gerichtsanordnung grundsätzlich verboten. Wenn die nationale Sicherheit bedroht zu sein scheint, wird hiervon jedoch abgesehen (AA
26.2.2020).
Präsident Rohani hatte in seiner Wahlkampagne eine Lockerung der Zensurpolitik versprochen. Zeitweise wurden einige soziale Netzwerke wieder freigegeben. Rohani bezeichnete den Zugang zum Internet als ’Bürgerrecht’ und ist selbst auf Twitter und Facebook aktiv (beide in Iran gesperrt, wobei dies durch viele Iraner mittels VPN umgangen wird). Trotz seiner vielversprechenden Aussagen und einer (teils heftig geführten) öffentlichen Diskussion insbesondere zum Thema ’Cyberspace’ hat sich die Situation aber nicht signifikant verbessert, im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2018 wurde die überaus beliebte Messenger App ’Telegram’ gesperrt. Es gibt weiterhin Polizeiaktionen gegen auf Instagram erfolgreiche Frauen, die ’unsittliche’ Inhalte (Fotos ohne Kopftuch, Make-up-Videos, Tanzvideos, usw.) teilen. Seitdem seit Februar 2020 konservative und erzkonservative Kräfte im iranischen Parlament die Mehrheit der Abgeordneten stellen, ist der Druck auf den jungen Telekom-Minister für eine Filterung der noch nicht gefilterten sozialen Medien wie Instagram und WhatsApp und die Einführung des bereits nach chinesischem Vorbild vorbereiteten internen Internets gewachsen. Der junge Minister mit seiner
Vergangenheit als Beamter des Geheimdienstes konnte sich bisher gegen diesen Druck wehren. Es ist aber zu erwarten, dass sich der Zugriff der Iraner auf die virtuelle Welt in Zukunft noch weiter einschränken wird (ÖB Teheran 10.2020). Die Internetseiten von Facebook, Telegram, Twitter und YouTube bleiben blockiert (AI 7.4.2021).
Die 1997 unter Khatami gegründete ’Association of Iranian Journalists’ wurde 2009 unter Staatspräsident Ahmadinedschad von den Sicherheitskräften geschlossen und hat seitdem trotz pressefreundlicher Wahlkampfversprechen von Rohani ihre Tätigkeit nicht wieder aufgenommen. Im Ausland lebende Journalisten von BBC Farsi berichten von gezielter Verfolgung und Einschüchterungsversuchen. Maßnahmen wie Überwachung, wiederholte Befragungen und das Einfrieren von Konten erstrecken sich dabei auch auf Familien der Betroffenen. Familienangehörige werden unter Druck gesetzt, auf die Beendigung der journalistischen Tätigkeit für BBC Farsi hinzuwirken. Inhaftierte Journalisten sind in Iran – wie alle politischen Gefangenen – besorgniserregenden Haftbedingungen ausgesetzt. Unter politischen Gefangenen und Journalisten kommt es regelmäßig zu Hungerstreiks gegen Haftbedingungen, unter anderem gegen die hygienischen Bedingungen und die mangelhafte medizinische Versorgung (AA 26.2.2020).
Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Künstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als ’unislamisch’ oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausländische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland aufführen (dazu wurde eine Genehmigungspflicht verhängt). Über zahlreiche Künstler wurden Strafen wegen zumeist ’regimefeindlicher Propaganda’ und anderen Anschuldigungen verhängt. Viele sind regelmäßig in Haft bzw. zu langjährigen Tätigkeits- und Interviewverboten verurteilt (ÖB Teheran 10.2020).
In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um einen Platz verschlechtert und liegt nun an Position 174 (2020: 173) von 180 (ROG 2021a). Iran bestätigt mit der weltweit ersten staatlichen Hinrichtung eines Journalisten seit 30 Jahren seine Stellung als einer der schlimmsten Unterdrücker der Pressefreiheit (ROG 2021b).
Hinsichtlich der Corona-Pandemie spielt die Islamische Republik die Opferzahlen herunter, verschärft die Einschränkungen für traditionelle Medien und soziale Netzwerke, verhört, verhaftet und verurteilt Medienschaffende für ihre unabhängige Berichterstattung (ROG 2021b). Die Behörden ergriffen im Jahr 2020 Maßnahmen, die eine unabhängige Berichterstattung über
Covid-19 und jegliche Kritik am staatlichen Umgang mit der Pandemie unterbinden sollten. Das Ministerium für Kultur und islamische Führung wies Medien und Journalisten an, bei der Berichterstattung nur offizielle Quellen und Statistiken zu verwenden. Die Internetpolizei gründete eine spezielle Einheit, um gegen ’Internet-Gerüchte’ und ’Fake News’ über Corona in den sozialen Medien vorzugehen. Zahlreiche Journalisten, Nutzer Sozialer Medien, Mitarbeiter im Gesundheitswesen und andere Personen wurden festgenommen, verhört oder verwarnt. Im April 2020 erhoben die Behörden Anklage gegen einen Arzt aus Saqqez in der Provinz Kurdistan, wegen ’Verbreitung von Propaganda gegen das System’ und ’Störung der öffentlichen Meinung’, weil er auf Instagram Beiträge über Covid-19 veröffentlicht hatte (AI 7.4.2021).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 29.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-projec
t.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 29.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 29.4.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2043504.html , Zugriff 29.4.2021
• Landinfo [Norwegen] (31.5.2021): Iran. Internett og sosiale medier, https://www.ecoi.net/e n/file/local/2052678/Temanotat-Iran-Internett-og-sosiale-medier-31052021.pdf , Zugriff 14.6.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 3.12.2020
• ROG – Reporter ohne Grenzen (2021a): Rangliste zur Pressefreiheit 2021, https://www. reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2021/ Rangliste_der_Pressefreiheit_2021_-_RSF.pdf , Zugriff 29.4.2021
• ROG – Reporter ohne Grenzen (2021b): Rangliste der Pressefreiheit. Weltweite Entwicklungen im Überblick, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2021/uebe rblick , Zugriff 29.4.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 29.4.2021
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung: 01.07.2021
Die Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit steht für öffentliche Versammlungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Demonstrationen der Opposition sind seit den Wahlen 2009 nicht mehr genehmigt worden, finden jedoch in kleinem Umfang statt. Demgegenüber stehen Demonstrationen systemnaher Organisationen, zu deren Teilnahme Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sowie Schüler und Studenten teilweise verpflichtet werden (AA 26.2.2020).
In den letzten drei Jahren haben die iranischen Behörden auf wiederholte und weit verbreitete
Proteste im ganzen Land mit übermäßiger und tödlicher Gewalt und willkürlichen Verhaftungen von Tausenden von Demonstranten reagiert (HRW 13.1.2021). Nach den regierungskritischen Protesten im November und Dezember 2019, die aufgrund einer Benzinpreiserhöhung ausgelöst wurden (DW 29.12.2019; vergleiche DIS 7.2.2020), wurden Tausende Personen festgenommen (DIS 7.2.2020). Zudem wurden laut inoffiziellen Zahlen zwischen 300 und 1.500 Demonstranten getötet (DW 29.12.2019; vergleiche AI 7.4.2021), unter ihnen 180 ’Rädelsführer’, denen die Todesstrafe droht. Die iranische Regierung weist diese Zahlen als völlig übertrieben zurück (DW 29.12.2019). Mit einer zeitweisen Internetblockade sorgte Teheran damals dafür, dass kaum Informationen, Bilder und Videos der Proteste verbreitet werden konnten (DW 29.12.2019; vergleiche HRW 13.1.2021, FH 3.3.2021). Sicherheitskräfte setzten exzessive und rechtswidrige tödliche Gewalt gegen massive Proteste im ganzen Land ein, insbesondere gegen Demonstranten, die Straßen blockierten oder in einigen Fällen Steinewarfen und versuchten, öffentliche Gebäude zu übernehmen (HRW 13.1.2021). Auch mehr als ein Jahr nach den Protesten schüchtern die Behörden die Familien der Opfer weiter ein und behindern die Bemühungen, die Zahl der getöteten Demonstranten zu klären (FH 3.3.2021).
Vereinigungen auf Arbeitnehmerseite werden misstrauisch beobachtet. Es gibt keine Betätigungsmöglichkeit für unabhängige Gewerkschaften (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche FH 3.3.2021). Gewerkschaftliche Aktivitäten werden zum Teil unter dem Vorwurf der ’Propaganda gegen das Regime’ und ’Handlungen gegen die nationale Sicherheit’ verfolgt. Das Streikrecht hingegen ist prinzipiell gewährleistet (AA 26.2.2020), jedoch können streikende Arbeiter von Entlassung und Verhaftung bedroht sein. Mehrere inhaftierte Arbeiteraktivisten wurden 2019 zu Haftstrafen von 14 Jahren oder mehr verurteilt (FH 3.3.2021). Erlaubt sind nur ’Islamische Arbeitsräte’ unter der Aufsicht des ’Haus der Arbeiter’ (keine unabhängige Institution). Mitglieder und Gründer unabhängiger Gewerkschaftsgruppierungen wie etwa die Teheraner Busfahrergewerkschaft, die Zuckerrohrarbeitergewerkschaft oder die Lehrergewerkschaft wurden in den letzten Jahren zunehmend häufig verhaftet, gefoltert und bestraft. Proteste gegen zu geringe oder gar nicht ausbezahlte Löhne mehren sich seit Anfang 2018, auch dabei kommt es immer wieder zu Festnahmen. SeitAnfang 2018 sind auch Umweltaktivisten von Verfolgung bedroht. Eine Gruppe von Umweltaktivisten wurde aufgrund von Spionageverdacht verhaftet, unter dem Vorwurf der mitunter ’unbewussten’ Spionage im Umfeld von atomaren Einrichtungen. Inzwischen sind einige von diesen Aktivisten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Und dies obwohl selbst die Regierung und auch der iranische Geheimdienst in den vergangenen zwei Jahren der Meinung waren, dass der Vorwurf der Spionage auf die verhafteten Aktivisten nicht zutreffe. Aber sowohl die Geheimdienstabteilung der Revolutionsgarden als auch die iranische Judikative bestanden darauf, dass diese Umweltaktivisten Spionage betreiben wollten (ÖB Teheran 10.2020).
In Iran gibt es keine politischen Parteien mit vergleichbaren Strukturen westlich-demokratischer Prägung (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche GIZ 12.2020a). Auch im Parlament existiert keine, mit europäischen Demokratien vergleichbare, in festen Fraktionen organisierte parlamentarische Opposition. Sowohl bei Präsidenten- als auch bei Parlamentswahlen nimmt der Wächterrat die Auswahl der Kandidaten vor. Kandidaten werden unter fadenscheinigen Gründen aussortiert – dabei wurden auch schon ehemalige Präsidenten als ’nicht geeignet’ ausgeschlossen. Der Spielraum für die außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen Überwachungsstaat eingeschränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschränkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetüberwachung, Spitzelwesen, Omnipräsenz von Basij-Vertretern u.a. in Schulen, Universitäten sowie Basij-Sympathisanten im öffentlichen Raum, etc.) (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche AA 26.2.2020).
Die Verfassung lässt die Gründung politischer Parteien, von Berufsverbänden oder religiösen Organisationen so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souveränität des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regierungssystems in Frage stellen. Hinzu kommen immer wieder verhängte drakonische Strafen aufgrund diffuser Straftatbestände (’regimefeindliche Propaganda’, ’Beleidigung des Obersten Führers’ etc.). Darüber hinaus werden Angehörige der außerparlamentarischen Opposition immer wieder unter anderen Vorwürfen festgenommen (ÖB Teheran 10.2020). Viele Anhänger der Oppositionsbewegungen wurden also verhaftet, haben Iran verlassen oder sind nicht mehr politisch aktiv (AA 26.2.2020). Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Ehefrau Zahra Rahnavard stehen noch immer ohne Anklage oder Gerichtsverfahren unter Hausarrest, der 2011 gegen sie verhängt worden war (AI 7.4.2021; vergleiche BS 2020, ÖB Teheran 10.2020, AA 26.2.2020).
An sich gäbe es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Eine markante Führungspersönlichkeit fehlt bei sämtlichen oppositionellen Gruppierungen (ÖB Teheran 10.2020). Ohne entsprechende Führung und angesichts umfassender Überwachung der Kommunikationskanäle spielen die verbleibenden Oppositionellen kaum eine Rolle. Das Fehlen oppositioneller Führungspersonen zeigte sich auch bei den Unruhen zum Jahreswechsel 2017/18 und den Protesten im November 2019 (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 29.4.2021
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-projec
t.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• DIS – Danish Immigration Service [Dänemark] (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+ on+Iranian+Kurds+Feb+2020.pdf , Zugriff 29.4.2021
• DW – Deutsche Welle (29.12.2019): Bericht: Iran geht von 1500 Toten bei Unruhen aus, https://www.dw.com/de/bericht-iran-geht-von-1500-toten-bei-unruhen-aus/a-51780047 , Zugriff 29.4.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 29.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/ , Zugriff 29.4.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2043504.html , Zugriff 29.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 3.12.2020
Todesstrafe
Letzte Änderung: 01.07.2021
Iran ist auch weiterhin eines der Ländern, wo die Todesstrafe am häufigsten durchgeführt wird
(HRW 13.1.2021; vergleiche CSW 3.2021). Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, ’Moharebeh’ (Waffenaufnahme gegen Gott) und homosexuelle bzw. außereheliche Handlungen (ÖB
Teheran 10.2020; vergleiche HRW 13.1.2021, AA 26.2.2020). Des weiteren terroristische Aktivitäten,
Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin (AA 26.2.2020). Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden (AA 26.2.2020; vergleiche ÖB Teheran 10.2020). In den letzten 20 Jahren ist es jedoch zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 26.2.2020).
Der größte Anteil der Hinrichtungen entfällt mittlerweile auf Verurteilungen wegen Mord (ÖB
Teheran 10.2020; vergleiche AA 26.2.2020) und Sexualdelikten. Die Hinrichtungen werden regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießen, z.T. öffentlich durchgeführt (ÖB Teheran 10.2020) und auch (selten) gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche AA 26.2.2020, HRW 13.1.2021, FH 3.3.2021, HRC 11.1.2021, AI 7.4.2021, CSW 3.2021). Das Alter der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Buben liegt bei 15 und für Mädchen bei 9 Jahren (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche AA 26.2.2020) und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. Mehreren weiteren zur Tatzeit Minderjährigen droht aktuell die Hinrichtung (AA 26.2.2020). In der Vergangenheit konnten einige Hinrichtungen von Jugendlichen aufgrund von großem internationalen Druck (meist in letzter Minute) verhindert werden (ÖB Teheran 10.2020). Hinrichtungen erfolgen weiterhin regelmäßig ohne rechtlich vorgeschriebene vorherige Unterrichtung der Familienangehörigen, die Herausgabe des Leichnams wird teilweise verweigert oder verzögert (AA 26.2.2020).
Im Jänner 2018 trat eine Gesetzesänderung zur Todesstrafe bei Drogendelikten in Kraft. Wer
Drogenstraftaten aufgrund von Armut oder Arbeitslosigkeit begeht, wird nicht mehr zum Tode verurteilt. Über gewalttätige Drogenstraftäter und solche, die mehr als 100 Kilogramm Opium oder zwei Kilogramm industrielle Rauschgifte produzieren oder verbreiten, wird weiterhin die Todesstrafe verhängt (ÖB Teheran 10.2020). Diese Gesetzesänderungen führten zu einer Überprüfung der Todesstrafe für Tausende von Häftlingen (FH 3.3.2021). Das neue Gesetz gilt rück-
wirkend, sodass dadurch etwa 2.000 bis 5.000 bereits zum Tode Verurteilte von der Todesstrafe verschont bleiben könnten (AA 26.2.2020). Ca. 9% aller Exekutionen stehen in Verbindung mit Drogenvergehen (AI 4.2021). In Bezug auf die Anzahl der jährlichen Hinrichtungen befindet sich Iran nach China weltweit an zweiter Stelle (FH 3.3.2021). Im Jahr 2020 wurden mindestens 233 Menschen hingerichtet (HRC 11.1.2021; vergleiche AI 4.2021, HRW 13.1.2021). 18 der Hinrichtungen betrafen Drogenvergehen und 11 Moharebeh oder Korruption auf Erden (HRC 11.1.2021). Mindestens drei jugendliche Straftäter wurden hingerichtet (AI 4.2021; HRW 13.1.2021, HRC
11.1.2021).
Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche AI 7.4.2021): Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger bzw. fehlender freier Wahl eines Verteidigers berichtet, insbesondere bei politischen oder die ’nationale Sicherheit’ betreffenden Fällen. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom ’Geschädigten’ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen. Seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (4.2021): Todesurteile und Hinrichtungen 2020, https://www.am nesty.at/media/8345/amnesty_bericht-zur-todesstrafe-2020_web.pdf , Zugriff 30.4.2021
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum
2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 30.4.2021
• CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla _sl52920/iran---march-2021-2.pdf , Zugriff 7.5.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 30.4.2021
• HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (11.1.2021): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/46/50], https://undocs.org/en/A/hrc/46/50 , Zugriff 30.4.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2043504.html , Zugriff 30.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 3.12.2020
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 01.07.2021
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Artikel 13, der iranischen Verfassung anerkannten ’Buchreligionen’ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als ’mohareb’ (Waffenaufnahme gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden (AA 26.2.2020; vergleiche ÖB Teheran 10.2020). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018). Religiöse Minderheiten werden mit Argwohn betrachtet und als Bedrohung für das theokratisches System gesehen (CSW 3.2021). Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vergleiche ÖB Teheran 10.2020). Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen aber immer
wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2020). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA 23.5.2018; vergleiche FH 3.3.2021, IRB 9.3.2021). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA 23.5.2018; vergleiche FH 3.3.2021, BAMF 3.2019) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 3.3.2021). Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen (AI
7.4.2021).
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche Open Doors 2021). Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha’i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert (ÖB Teheran 10.2020).
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird
weiterhin verletzt (AI 7.4.2021).
Die Regierung überwacht weiterhin die Aussagen und Ansichten hochrangiger schiitischer religiöser Führer, die die Regierungspolitik oder die Ansichten des Obersten Führers Ali Khamenei nicht unterstützten. Diese werden durch Behörden weiterhin mit Festnahmen, Inhaftierungen, Mittelkürzungen, Verlust von geistlichen Berechtigungsnachweisen und Beschlagnahmungen von Eigentum unter Druck gesetzt (USDOS 12.5.2021). Die Inhaftierung vonAngehörigen religiöser Minderheiten, welche ihre Kultur, ihre Sprache oder ihren Glauben praktizieren, ist weiterhin ein ernstes Problem (HRC 11.1.2021).
Personen, die sich zumAtheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 7.4.2021). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 30.4.2021
• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PL ib/DE_BAMF_Laenderreport_10_Iran_Mar-2019.pdf , Zugriff 18.12.2020
• BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (23.5.2018): Analyse Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_15254
18941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 17.4.2020
• CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla _sl52920/iran---march-2021-1.pdf , Zugriff 7.5.2021
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-an d-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 30.4.2021
• HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (11.1.2021): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/46/50], https://undocs.org/en/A/hrc/46/50 , Zugriff 30.4.2021
• IRB – Immigration and Refugee Board [Kanada] (9.3.2021): Iran: Situation and treatment of Christians by society and the authorities (2017–February 2021) [IRN200458.E], https:
//www.ecoi.net/de/dokument/2048913.html , Zugriff 7.5.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 3.12.2020
• Open Doors (2021): Weltverfolgungsindex 2021 Länderprofil Iran (Berichtszeitraum 1. Oktober 2019 – 30. September 2020), https://www.opendoors.de/christenverfolgung/welt verfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 19.1.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
Christen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der
Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan (BFA 23.5.2018). Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt, allerdings werden evangelikale Freikirchen von der Regierung nicht als ’christlich’ anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse
Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt (ÖB Teheran
10.2020; vgl.AA26.2.2020); christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche AA 26.2.2020, BAMF 3.2019, IRB 9.3.2021), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020).
Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der
Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben (BFA 23.5.2018; vergleiche BAMF 3.2019, FH 3.3.2021). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam (ÖB Teheran 10.2020). Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (USDOS 12.5.2021; vergleiche IRB 9.3.2021).
Grundrechtlich besteht ’Kultusfreiheit’ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen (ÖB Teheran 10.2020). Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche BAMF 3.2019, BFA 23.5.2018, Open Doors 2021). Missionierung kann im Extremfall mit dem
Tod bestraft werden (BFA 23.5.2018; vergleiche ÖB Teheran 10.2020), wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen (’Hauskirchen’) oft hart vorgegangen (u.a. Verhaftungen und Beschlagnahmungen). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen (ÖB Teheran 10.2020). Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht (BFA 23.5.2018; vergleiche Open Doors 2021). Im Weltverfolgungsindex 2021 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem achten Platz (2020: Platz 9). Der Weltverfolgungsindex ist eine Rangliste der 50 Länder, in denen Christen der stärksten Verfolgung und Diskriminierung wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind. Je niedriger die Zahl, desto höher die Verfolgung. Im Berichtszeitraum ist die Zahl der verhafteten Christen des Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr (169) gesunken. Es gab keine breitangelegte Verhaftungswelle, auch wenn es im Juni 2020 eine Razzia gab. Eine genaue Zahl wird im Bericht nicht genannt (Open Doors 2021). Christen werden weiterhin schikaniert, willkürlich inhaftiert und wegen der Ausübung ihres Glaubens verurteilt (AI 7.4.2021; vergleiche CSW 3.2021). Dies betrifft auch Personen, die zum Christentum konvertiert waren (AI 7.4.2021; vergleiche HRW 13.1.2021). Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).
Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben (BFA 23.5.2018). Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden (BFA 23.5.2018; vergleiche IRB 9.3.2021). Es gehört zum Erscheinungsbild in den Großstädten, dass christliche Symbole im Modebereich als Accessoires Verwendung finden und auch in den entsprechenden Geschäften angeboten werden. Auch Dekorationen mit christlichen Motiven sind nicht ungewöhnlich.
Eine solche kommerzielle Präsentation führte bisher nach Darstellung der in Teheran vertretenen westlichen Botschaften zu keinen Strafverfahren. Laut der Nachrichtenseite der iranischen Christen, Mohabat News, können Christen öffentlich im ganzen Land Weihnachtsgeschenke, Tannenbäume oder Schmuckwaren für ihre Feste kaufen. Vor einigen Kirchen in Teheran stehen anlässlich der Weihnachtsfeiertage, zu denen von staatlicher Seite immer wieder Glückwünsche übermittelt werden, Weihnachtsbäume (BAMF 3.2019).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 7.5.2021
• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PL ib/DE_BAMF_Laenderreport_10_Iran_Mar-2019.pdf , Zugriff 4.1.2021
• BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (23.5.2018): Analyse Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_15254
18941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf , Zugriff 20.4.2020
• CSW - Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla _sl52920/iran---march-2021-2.pdf , Zugriff 7.5.2021
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-an d-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 7.5.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2043504.html , Zugriff 7.5.2021
• IRB – Immigration and Refugee Board [Kanada] (9.3.2021): Iran: Situation and treatment of Christians by society and the authorities (2017–February 2021) [IRN200458.E], https:
//www.ecoi.net/de/dokument/2048913.html , Zugriff 7.5.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 16.12.2020
• Open Doors (2021): Weltverfolgungsindex 2021 Länderprofil Iran (Berichtszeitraum 1. Oktober 2019 – 30. September 2020), https://www.opendoors.de/christenverfolgung/welt verfolgungsindex/laenderprofile/iran , Zugriff 19.1.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist in Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2020). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel ’mohareb’ (’Waffenaufnahme gegen Gott’), ’mofsid-fil-arz/fisad-al-arz’ (’Verdorbenheit auf Erden’), ’Handlungen gegen die nationale Sicherheit’ (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche DIS/DRC 23.2.2018), ’Organisation von Hauskirchen’ und ’Beleidigung des Heiligen’, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen ’mohareb’ (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen
Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen
Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2021; vergleiche AA 26.2.2020). Quellen zufolge fand 1990 die einzige ’offizielle’ Hinrichtung eines Christen wegen Apostasie in Iran statt (IRB 9.3.2021). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt (AA 12.1.2019).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur
Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020; vergleiche Open Doors 2021). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf (ÖB Teheran 10.2020).
Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2020).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht alsApostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich ’konvertierte’ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2020).
Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden ’kontrolliert’, de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet (ÖB Teheran 10.2020). Die Schließungen der ’Assembly of God’-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen (DIS/DRC 23.2.2018; vergleiche IRB 9.3.2021). DieserAnstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind
– trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind (DIS/DRC 23.2.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018). Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und OnlineAktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Razzien gegen Hauskirchen werden weiterhin durchgeführt (AI 7.4.2021).
Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet (ÖB Teheran 10.2010; vergleiche FH 3.3.2021, CSW 3.2021). Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen ’illegaler Kirchenaktivität’ zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie ’Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen’, ’Verbreitung vom zionistischen Christentum’ und ’Gefährdung der inneren Sicherheit’ zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (ÖB Teheran 10.2010). Trotzdem ist die Zahl der verhafteten Christen laut Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr gesunken. Der Rückgang der Zahl der Verhaftungen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die iranischen Sicherheitsdienste Ende 2019 alle Hände voll zu tun hatten, die Proteste im Land zum Schweigen zu bringen. Darauf folgte die Coronakrise,
welche die Regierung auf andere Weise beschäftigte. Allerdings wurden im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2021 mehr Christen zu Gefängnisstrafen verurteilt als im Vorjahr. Die physische Eliminierung von Christen will und kann sich die pragmatische Regierung Irans politisch nicht leisten. Deshalb setzt sie auf langsame, schleichende und leise Beseitigung von Christen. Beispielsweise müssen inhaftierte Christen Hypotheken aufnehmen, um die hohen
Kautionszahlungen für ihre Entlassung aufbringen zu können. Weil sie befürchten, dass ein Gerichtsurteil zu einer langen Gefängnisstrafe führt, fliehen viele iranische Christen nach ihrer vorläufigen Entlassung aus dem Land, wobei sie ihre Kaution und somit häufig auch ihren Grundbesitz verlieren (Open Doors 2021).
Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen ’Verbrechen gegen Gott’ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch ’low-profile’ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung
wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen ist, dass dieAnführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen (ÖB
Teheran 10.2020; vergleiche Landinfo 16.10.2019, UKHO 2.2020), vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche Landinfo 16.10.2019). Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale
Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das
Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden (ÖB Teheran 10.2020), bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2021). Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid
wissen (DIS/DRC 23.2.2018; vergleiche Landinfo 16.10.2019).
Die Rückkehr von Konvertiten nach Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere
Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein
’high-profile’-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen (DIS/DRC 23.2.2018). Die iranischen Behörden sind in erster Linie daran interessiert, die Ausbreitung des Christentums zu stoppen, und verfügen allem Anschein nach nicht über die notwendigen Ressourcen, um alle christlichen Konvertiten zu überwachen (UKHO 2.2020).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im
Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2020).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die
Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS/DRC 23.2.2018). Open Doors gibt im
Weltverfolgungsindex 2021 an, dass die Taufe als öffentliches Zeichen der Abwendung vom Islam gesehen wird und deshalb verboten ist (Open Doors 2021).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (USDOS 12.5.2021). Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens des Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der ’Katholischen Jerusalem Bibel’ ins Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis in Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetzte noch im Jahr 2015 den ’Katechismus der Katholischen Kirche’ ins Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (BAMF 3.2019).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar
_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 21.4.2020
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/14572 57/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelev ante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf , Zugriff 20.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 7.5.2021
• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PL ib/DE_BAMF_Laenderreport_10_Iran_Mar-2019.pdf , Zugriff 4.1.2021
• CSW – Christian Solidarity Worldwide (3.2021): Iran: General Briefing, file:///tmp/mozilla _sl52920/iran---march-2021-3.pdf , Zugriff 7.5.2021
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-an d-converts.pdf , Zugriff 20.4.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 7.5.2021
• IRB – Immigration and Refugee Board [Kanada] (9.3.2021): Iran: Situation and treatment of Christians by society and the authorities (2017–February 2021) [IRN200458.E], https: //www.ecoi.net/de/dokument/2048913.html , Zugriff 7.5.2021
• Landinfo [Norwegen] (16.10.2019): Iran: Kristne konvertitter – en oppdatering om arrestasjoner og straffeforfølgelse, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019853/Respons-Iran-Kristn e-konvertitter-en-oppdatering-om-arrestasjoner-og-straffeforf%C3%B8lgelse-AVA-1610 2019.pdf , Zugriff 5.1.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 7.1.2021
• Open Doors (2021): Weltverfolgungsindex 2021 Länderprofil Iran (Berichtszeitraum: 1. Oktober 2019 –30. September 2020), https://www.opendoors.de/sites/default/files/count ry_dossier/8_laenderprofil_iran.pdf , Zugriff 7.5.2021
• UKHO – UK Home Office [Großbritannien] (2.2020): Country Policy and Information Note Iran: Christians and Christian converts, https://assets.publishing.service.gov.uk/governm ent/uploads/system/uploads/attachment_data/file/868800/Iran_-_Christians-Converts__CPIN_-_v6.0_-_Feb_2020_-_EXT_PDF.pdf , Zugriff 7.5.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051587.html , Zugriff 18.6.2021
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 01.07.2021
Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde. Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,1%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Belutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran eines der größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten Irans leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Belutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 12.2020c).
Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf
Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 26.2.2020). Allerdings ist die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015; vergleiche AA 26.2.2020, FH 3.3.2021, AI 7.4.2021). Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt. Staatliche Maßnahmen betreffen allerdings unverhältnismäßig oft Angehörige ethnischer Minderheiten wie Kurden, Ahwazi-Araber, Aseris und Belutschen. Unabhängig von der Art der vorgeworfenen strafbaren Handlung werden sie öfter zum Tode verurteilt, gefoltert und verbringen mehr Zeit in Untersuchungshaft (ÖB Teheran 10.2020). Zudem wird von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) u.a. gegen Angehörige der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, werden mitunter bedroht, festgenommen und bestraft (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche FH 3.3.2021, AI 7.4.2021).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 22.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 30.4.2021
• BMI – Bundesministerium für Inneres [Österreich] / Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran, in: BMI - Bundesministerium für Inneres (Taucher, Wolfgang; Vogl, Mathias; Webinger, Peter [eds.]): regiones et res publicae - The Kurds: History - Religion Language - Politics, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1447760239_bfa-regiones-et-res -publicae-the-kurds-2015.pdf , Zugriff 4.6.2019
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 30.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 30.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 4.12.2020
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis inzwischen verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Insbesondere junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen (GIZ 12.2020c).
Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 12.2020c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot). In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen also vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden (AA
26.2.2020).
Iran hat die ’Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau’ als einer von wenigen Staaten weltweit nicht unterzeichnet. Im Global Gender Gap Report 2020 des World Economic Forum liegt Iran an Stelle 148 von 153 (WEF 2020). Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen (AA 26.2.2020; vergleiche BAMF 7.2020). Es ist hier anzumerken, dass es sehr wohl einige Richterinnen - insbesondere an Familiengerichten - gibt. Ihnen steht es aber nicht zu, ein Urteil auszusprechen oder den Prozess zu leiten. Sie dürfen unter der Aufsicht eines männlichen Richters lediglich beratend tätig werden (BAMF 7.2020).
Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BS 2020). Zusätzlich sind Frauen seit dem Beginn der Coronakrise stärker als Männer vom Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffen. Bereits zum Ende des Frühjahres 2020 haben 145.000 Frauen offiziell ihren Arbeitsplatz verloren. Da Arbeitgeber durch die Pandemie wirtschaftlich unter Druck geraten sind, versuchen diese, den ausbleibenden Umsatz durch eine Reduzierung der Lohnzahlungen auszugleichen. Am stärksten davon, aber auch vom Verlust des Arbeitsplatzes, betroffen sind die Lohnzahlungen von Frauen (BAMF 7.2020). Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen (AA 26.2.2020). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden. Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 10.2020).
In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 26.2.2020; vergleiche HRW 13.1.2021, ÖB Teheran 10.2020, AI 7.4.2021, BAMF
7.2020). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 13.1.2021; vergleiche FH 3.3.2021, BAMF 7.2020). Kinder unter 18 Jahren benötigen für die Ausstellung des Reisepasses die schriftliche Erlaubnis ihres Vaters. Wenn der Ehemann oder der Vater nicht anwesend ist, hat die Frau sich bei einem Wunsch zur Ausreise an die zuständige Behörde des Außenministeriums zu wenden, sofern die schriftliche Erlaubnis nicht vorliegt. Während dieses Verfahrens werden auch Unterschrift sowie personenbezogene Angaben überprüft (BAMF
7.2020). Unverheiratete und geschiedene Frauen und Witwen benötigen keine Erlaubnis ihres Vaters oder eines männlichen Vormunds um zu reisen (Cedoca 30.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 13.1.2021; vergleiche BAMF 7.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Mädchen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Buben mit 15 Jahren) (AA 26.2.2020; vergleiche BAMF 7.2020). Zeugenaussagen von Frauen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch, wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (AA 26.2.2020; vergleiche FH 4.3.2020, BAMF 7.2020). Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 26.2.2020).
Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 26.2.2020).
Laut Gesetz darf eine Jungfrau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (USDOS 30.3.2021). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 26.2.2020; vergleiche ÖB Teheran 10.2020, AI 7.4.2021, BAMF
7.2020), jenes für Buben bei 15 Jahren. Kinder- und Zwangsehen sind daher weiterhin ein Problem, besonders im sunnitischen und ländlichen Raum sind Kinderehen häufig, weil der
’Wert’ der Braut mit dem Alter abnimmt (ÖB Teheran 10.2020). Nach offiziellen Angaben werden jedes Jahr etwa 30.000 Mädchen unter 14 Jahren verheiratet (AI 7.4.2021).
Im Juni erließ der Präsident ein Dekret, mit dem eine Änderung des Zivilgesetzbuchs in Kraft gesetzt wurde. Dadurch wird es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, ihren Kindern die Staatsbürgerschaft zu übertragen (USDOS 30.3.2021; vergleiche BAMF 7.2020). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen,
während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (USDOS 30.3.2021; vergleiche BAMF 7.2020).
Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über mögliche (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende bzw. alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht imstande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 10.2020).
Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen oder Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 10.2020).
Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich (ÖB Teheran 10.2020).
Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 26.2.2020). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe (USDOS 30.3.2021). Das Gesetz betrachtet Geschlechtsverkehr innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat (USDOS 30.3.2021; vergleiche ÖB Teheran 10.2020). Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie staatliche Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (USDOS 30.3.2021).
Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z.T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog (ÖB Teheran 10.2020). Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche BS 2020). Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet (ÖB Teheran 10.2020). Die Sittenpolizei und Bürgerwehren gingen auch 2020 weiterhin massiv gegen Millionen Frauen und Mädchen vor, um den Kopftuchzwang durchzusetzen, der gesetzlich vorgeschrieben ist. Mehrere Frauenrechtsverteidigerinnen, die sich gegen den Kopftuchzwang engagieren, befinden sich noch immer in Haft (AI 7.4.2021). Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch in Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen (AA 26.2.2020). Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen) (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche BAMF 7.2020). Die 2022 vorgesehene
Weltmeisterschaft erlaubt der FIFA starken Druck auf Iran auszuüben, um Frauen den Zugang zu ermöglichen (ÖB Teheran 10.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 23.4.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum
2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 6.6.2021
• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.2020): Länderreport Nr. 28. Iran. Frauen - Rechtliche Stellung und gesellschaftliche Teilhabe, https://coi.easo.e uropa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_28_Iran_July-2020.pdf , Zugriff 16.12.2020
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-projec
t.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• Cedoca – Documentation and Research Department of the Office of the Commissioner
General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (30.3.2020): COI Focus IRAN
Treatment of returnees by their national authorities, https://coi.easo.europa.eu/administrat ion/belgium/PLib/COI_Focus_Iran_Treatment%20of_returnees_by_their_national_autho rities_30032020_update_ENG.pdf , Zugriff 17.12.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 6.5.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 6.5.2021
• HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2043504.html , Zugriff 6.5.2021
• Kleine Zeitung (3.2.2018): Bericht: ’Besorgniserregender Widerstand gegen Kopftuch’, https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5365790/Strafen-helfen-im-Iran-nichtmehr_Besorgniserregender-Widerstand , Zugriff 23.4.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 4.12.2020
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights
Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 6.5.2021
• WEF – World Economic Forum (2020): Global Gender Gap Report 2020, http://www3.wef orum.org/docs/WEF_GGGR_2020.pdf , Zugriff 28.12.2020
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 01.07.2021
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Im Prinzip respektiert die Regierung diese Rechte, es gibt jedoch einige Einschränkungen, besonders für Frauen und Flüchtlinge. Die Regierung verlangt von allen Bürgern für Auslandsreisen Ausreisebewilligungen. Bürger, die auf Staatskosten ausgebildet wurden oder Stipendien erhalten haben, müssen diese entweder zurückzahlen, oder erhalten befristete Ausreisebe-
willigungen (USDOS 30.3.2021). Die Regierung schränkt auch die Reisefreiheit von einigen religiösen Führern, Mitgliedern von religiösen Minderheiten und Wissenschaftern in sensiblen Bereichen ein. Journalisten, Akademiker, oppositionelle Politiker, Künstler sowie Menschen- und Frauenrechtsaktivisten sind von Reiseverboten und Konfiszierung der Reisepässe betroffen. Verheiratete Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer ins Ausland reisen (USDOS 30.3.2021; vergleiche FH 3.3.2021).
Zur Ausreise aus Iran benötigt ein iranischer Staatsangehöriger einen gültigen Reisepass und einen Nachweis über die Bezahlung der Ausreisegebühr (4.400.000 IRR, ca. 28 bis 45 € je nach Wechselkurs). Die illegale Ausreise erfolgt zumeist auf dem Landweg unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Türkei (AA 26.2.2020).
Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos. Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebung srelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2 C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• USDOS – US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights
Practices - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 28.4.2021
Flüchtlinge
Letzte Änderung: 01.07.2021
Iran hat die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet und übernimmt seit mehr als drei Jahrzehnten Verantwortung für afghanische und irakische Flüchtlinge im Land (AA 26.2.2020). Die Behörden arbeiten mit dem Büro von UNHCR zusammen, um afghanischen und irakischen Flüchtlingen Hilfe bereitzustellen (USDOS 30.3.2021; vergleiche UNHCR 30.9.2020), vor allem in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Lebensunterhalt (UNHCR 30.9.2020). Wie die legale Praxis hinsichtlich der Vergabe des Asylstatus aussieht, ist nicht bekannt. Nur wenige Migranten leben in Iran in Flüchtlingscamps, die Mehrheit lebt in Dörfern und Städten (ÖB Teheran 10.2020).
Von den Flüchtlingen stellen die afghanischen weiterhin die größte Gruppe, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran eines der größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge weltweit (GIZ 12.2020c). Nach inoffiziellen Statistiken sind mehr als drei Millionen Menschen aus Nachbarstaaten, v.a. aus Afghanistan und ca. 300.000 aus dem Irak, nach Iran emigriert. In offiziellen staatlichen Statistiken scheinen nur die registrierten und offiziell anerkannten Flüchtlinge (rund 950.000 Afghanen und 30.000 Iraker) auf, welchen eine ’Amayesh’-Karte ausgestellt wurde, wodurch der Zugang zu öffentlicher Grundversorgung (Grundschule, Erstversorgung, Impfungen, Sozialwohnungen, etc.) und Arbeitsmarkt gegeben ist (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche AA 26.2.2020, Lifos 10.4.2018). Mit der Durchführung des Amayesh-Programms für Flüchtlinge in Iran wurde in der Zeit von 2001 bis 2003 begonnen. Im Jahr 2001 begann man mit den Vorregistrierungen und im Jahr 2003 wurde die erste Amayesh-Runde durchgeführt. Die Personen, die durch das Programm registriert worden sind, bekamen sogenannte Amayesh-Karten ausgestellt, die unter anderem das Recht auf medizinische Versorgung und Ausbildung einschließen. Die AmayeshKarten haben eine begrenzte Gültigkeit und um ihren legalen Status in Iran nicht zu verlieren, müssen sich Amayesh-registrierte Personen bei jeder Registrierungsrunde, die in Iran durchgeführt wird, erneut registrieren. Der Prozess zur erneuten Registrierung ist immer noch mit Schwierigkeiten und unterschiedlichen Ausgaben verbunden, die in den unterschiedlichen Provinzen variieren können. Normalerweise geschieht die Erneuerung jedes Jahr, die Kosten liegen bei 200–300 US-Dollar für eine Familie mit fünf Personen (hierin sind die Kosten für die Arbeitserlaubnis für eine Person sowie die Provinzsteuer inkludiert). Die iranischen Behörden geben im Internet bekannt, wenn es Zeit für eine neue Amayesh-Runde ist. Sie informieren auch über andere Regeln online und erwarten, dass sich die Betroffenen auf dem Laufenden halten, was nicht immer der Fall ist. Hilfsorganisationen richten sich mit extra Information an die am meisten schutzbedürftigen Gruppen, damit sie nicht verpassen, sich erneut für eine neue Amayesh-Karte oder den Schulbesuch der Kinder zu registrieren (Lifos 10.4.2018).
Die Afghanen, die vor 2001 nach Iran gekommen sind, werden – vorausgesetzt, dass sie sich bei sämtlichen Amayesh-Registrierungen registriert haben – von den iranischen Behörden als Flüchtlinge betrachtet. Das Amayesh-System ist aber kein offenes System, was bedeutet, dass neu eingereiste Afghanen kein Asyl in Iran beantragen können. Seit 2001 werden im Prinzip keine Neuregistrierungen mehr vorgenommen. Zu den Ausnahmen gehören wenige, besonders schutzbedürftige Fälle. Kinder von Amayesh-registrierten Eltern werden registriert (Lifos 10.4.2018). Die Behörden erlauben aber auch unregistrierten afghanischen Kindern den Schulbesuch (HRW 14.5.2019; vergleiche ÖB Teheran 10.2020). Wenn eine Person ihren Amayesh-Status infolge einer verpassten Registrierung verliert, gibt es keine Möglichkeit zur erneuten Registrierung. Amayesh-Registrierte verlieren ihren Status, wenn sie Iran verlassen, weil der AmayeshStatus keine Ausreise erlaubt (Lifos 10.4.2018).
Amayesh-registrierteAfghanen haben das Recht, eineArbeitsgenehmigung zu beantragen (Lifos 10.4.2018; vergleiche ÖB Teheran 10.2020). Männer im Alter von 18 bis 65 sind dazu verpflichtet, dieses in Zusammenhang mit der Amayesh-Registrierung zu tun. Amayesh-registrierte Frauen können keine offizielle Arbeitserlaubnis in Iran beantragen, aber in der Praxis arbeiten auch einige afghanische Frauen – oft zu Hause. Der Arbeitsmarkt für Afghanen in Iran ist reguliert und Afghanen haben das Recht, in 87 verschiedenen Berufen zu arbeiten. Ein Problem für Amayesh-registrierte, ausgebildete Personen ist, dass die Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt bedeuten können, dass sie nicht in dem Bereich arbeiten können, für den sie ausgebildet sind. Was den Zugang der afghanischen Bevölkerung zum Arbeitsmarkt sowie die Möglichkeiten ihren Lebensunterhalt zu verdienen angeht, haben die iranischen Behörden in den letzten Jahren frühere Restriktionen verringert. In einzelnen Fällen, wo eine Amayesh-registrierte Person eine gewisse Berufskompetenz besitzt, die nicht unter die 87 erlaubten Berufe fällt, kann eine Ausnahme gestattet werden (Lifos 10.4.2018). Üblicherweise werden Afghanen aber meist nur schwere körperliche Tätigkeiten erlaubt (ÖB Teheran 10.2020). Die meisten Flüchtlinge gehen eher minderwertigen und schlecht bezahlten Arbeiten v.a. im informellen Sektor (Bau, Reinigung/Müllabfuhr oder Landwirtschaft) nach, die offiziell versicherungspflichtig sind (AA 26.2.2020). Laut NGOs wird es demnächst auch keinen Politikwandel hinsichtlich der Arbeitsintegration geben, auch weil die inoffizielle Arbeitslosenrate über 20% liegt (ÖB Teheran 10.2020).
Als Teil der Bestrebungen der iranischen Behörden, Kontrolle über die sich illegal im Land aufhaltenden Afghanen zu bekommen, wurde 2017 ein Programm zur Identifikation und Registrierung afghanischer Staatsbürger durchgeführt. Dieser sogenannte ’headcount’ richtete sich zu Beginn nur auf Afghanen, wurde aber später auch auf irakische Staatsbürger im Land ausgeweitet. Bis Mitte September 2017 wurden durch dieses Programm ca. 800.000 ausländische Staatsbürger mit illegalem Aufenthalt im Land identifiziert. Hinsichtlich sich illegal im Land aufhaltender Afghanen wurde das Hauptaugenmerk in der ersten Runde auf drei besondere Kategorien gerichtet:
1. Unregistrierte Afghanen mit in die Schule gehenden Kindern;
2. Unregistrierte Afghanen, die mit Amayesh-registrierten Personen verheiratet sind;
3. UnregistrierteAfghanen, die mit iranischen Staatsbürgern verheiratet sind (Lifos 10.4.2018).
Personen aus diesen Kategorien, die eine dem Programm entsprechende Identifikation durchlaufen haben, haben einen Papierbeleg (headcount slip) erhalten, der sie bis auf Weiteres davor schützt, aus Iran deportiert zu werden. Die Möglichkeit zur Teilnahme an dem Programm wurde auf früher Amayesh-registrierte Personen oder Visumsinhaber, die ihren Status aus irgendeinem Grund verloren haben, ausgeweitet. Der Fokus der iranischen Behörden liegt darauf, den Aufenthalt der Afghanen, die sich illegal im Land befinden, zu erfassen und zu regulieren, und nicht auf Deportationen (Lifos 10.4.2018). 620.000 afghanischen Passinhabern wurde ein iranisches Visum ausgestellt, wodurch der Aufenthalt legalisiert werden konnte (ÖB Teheran 10.2020). Im November 2018 hat die Regierung erneut eine Registrierungsinitiative für in Iran legal sowie illegal arbeitende Ausländer eingeleitet. In diesem Kontext wurden zum Schuljahr 2019/2020 erneut nicht-registrierte Flüchtlingskinder in das Schulsystem aufgenommen. Derzeit werden über 130.000 sogenannte ’blue card holders’ gezählt, die infolge eines Dekrets des Obersten Revolutionsführers aus dem Jahr 2015 neu eingeschrieben werden konnten, bei insgesamt 480.000 Kindern aus Flüchtlingsfamilien (auch Iraker). Neben dem Abschiebeschutz für die ganze Familie geht damit der Zugang zu einer besseren Grundversorgung mit Nahrungsmitteln sowie Beratung und Gesundheitsfürsorge einher (AA 26.2.2020). Auch die Schulgebühren für Flüchtlingskinder wurden 2016 aufgehoben. Dennoch finden nicht alle Kinder einen Schulplatz, auch
weil erschwingliche Transportmöglichkeiten zur nächsten Schule fehlen (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche ACCORD 5.2020). Flüchtlingskinder lernen Seite an Seite mit ihren iranischen Klassenkameraden nach dem iranischen Lehrplan. Allein im Jahr 2019 schuf Iran in seinen Schulen Platz für etwa 60.000 zusätzliche afghanische Schüler. Es gibt einige von der afghanischen Gemeinschaft betriebene Schulen, in denen in Dari oder anderen in Afghanistan gesprochenen Sprachen unterrichtet wird, aber diese Schulen wurden erst vor kurzem offiziell anerkannt, nachdem sie zuvor regelmäßig von den Behörden geschlossen wurden (ACCORD 5.2020). Auch der Zugang zu höherer Bildung ist möglich, dafür muss jedoch der Flüchtlingsstatus aufgegeben und ein Studentenvisum beantragt werden. Nach dem Studium besteht daher die Gefahr, keine Aufenthaltserlaubnis mehr zu erlangen. Infolgedessen beantragen viele stattdessen Asyl in Europa, um dort ihre Ausbildung fortzusetzen, obwohl sie dies lieber in Iran gemacht hätten (ÖB Teheran 10.2020).
Die Krankenversicherungsleistungen für registrierte Flüchtlinge sollen erweitert und möglichst alle Flüchtlinge in medizinische Betreuungsmaßnahmen aufgenommen werden. Dazu bedient sich die Flüchtlingsbehörde BAFIA (Bureau for Aliens and Foreign Immigrants Affairs) zunehmend eines Überweisungssystems von besonders schwierigen Fällen an internationale NGOs oder den UNHCR. Dieser ist mit Gesundheitsstationen in 18 Provinzen tätig und hat mit einem zusätzlichen Versicherungsangebot innerhalb des bestehenden Salamat-System (UPHI) [Krankenversicherung] im 5. Zyklus in 92.000 Härtefällen Hilfe geleistet (AA 26.2.2020). Seit 2016 verfügen alle registrierten Flüchtlinge über eine staatliche Krankenversicherung, der Status unregistrierter Flüchtlinge bleibt jedoch offen. Amayesh-Karten Besitzern wird die medizinische Versorgung finanziell enorm erleichtert. Den schwächsten Flüchtlingsgruppen (Witwen, Alte und Gebrechliche) wird die medizinische Versorgung kostenfrei (durch Zuschüsse von UNHCR) zur Verfügung gestellt. Die staatliche Krankenversicherung ermöglicht den Zugang zu öffentlichen Krankenhäusern und privaten Gesundheitsinstitutionen. Schwangeren werden mit dieser Versicherung u.a. die monatliche Kontrolluntersuchung sowie die Entbindung bezahlt. Für zusätzliche Untersuchungen, wie Bluttests oder Ultraschalluntersuchungen, müssen die Frauen jedoch selbst aufkommen. Seit Beginn der Corona Pandemie gab die Regierung immer wieder bekannt, dass die Behandlung für ausländische COVID-19Patienten kostenlos erfolgt (ÖB Teheran 10.2020). 120.000 Flüchtlinge wurden von UNHCR beim Zugang zur iranischen Krankenversicherung unterstützt.Die Krankenversicherung zielt darauf ab, den am stärksten gefährdeten afghanischen Flüchtlingen den nötigen Zugang zu medizinischer Versorgung zu ermöglichen. UNHCR übernahm die Kosten für die Versicherungsprämien der schutzbedürftigen Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr in der iranischen Allgemeinen Krankenversicherung (UPHI) eingeschrieben waren. Angesichts der COVID-19-Pandemie und des anhaltenden wirtschaftlichen Abschwungs in Iran hat UNHCR die Zahl der von dem Programm erfassten Flüchtlinge vorübergehend erhöht. Trotz der Herausforderungen gewährt Iran den Flüchtlingen weiterhin großzügig Zugang zu Bildung und Gesundheitsdiensten. Der Iran ist eines von nur einer Handvoll Ländern auf der Welt, die Flüchtlingen die Möglichkeit bietet, sich wie iranische Staatsangehörige in eine nationale Krankenversicherung für wesentliche sekundäre und tertiäre öffentliche Gesundheitsdienste einzuschreiben. Das nationale Versicherungssystem ermöglicht eine kostenlose COVID-19-Behandlung und Krankenhausaufenthalte. Es subventioniert auch die Kosten für Operationen, Dialyse, Radiologie, Labortests, ambulante Versorgung und mehr. Viele Flüchtlinge können sich die Prämienkosten jedoch nicht leisten. Die Auswirkungen der Pandemie auf den Lebensunterhalt sind besonders schwerwiegend für Flüchtlinge, die oft auf prekäre und instabile Arbeitsplätze angewiesen sind. Viele können ihre Grundbedürfnisse nicht mehr decken, geschweige denn die Kosten für die Krankenversicherung, die schätzungsweise rund
40 Prozent der monatlichen Ausgaben einer durchschnittlichen Flüchtlingsfamilie ausmachen (UNHCR 6.4.2021).
Afghanen sind im Großen und Ganzen - auch wenn sie zum Teil bereits in der zweiten Generation in Iran leben, wenig integriert. 15% der Flüchtlinge, die sich auf den Weg nach Europa machen, haben mindestens sechs Monate in Iran verbracht (AA 26.2.2020). Neu angekommene Afghanen haben meist keine Probleme, in Iran eine Wohnung zu finden. Dies liegt daran, dass die afghanische Gesellschaft eine starke Netzwerkgesellschaft mit festen Beziehungen innerhalb der Netzwerke ist. Diejenigen, die nach Iran kommen, haben oft bereits Familienmitglieder im Land, bei denen sie wohnen können. Afghanen in Iran unterstützen sich gegenseitig und dieses kann auch für Personen gelten, die nicht miteinander verwandt sind. Viele Afghanen mieten große Wohnungen und es können viele Personen in einem Haushalt wohnen. Afghanen in Iran haben ungeachtet dessen, ob sie Amayesh-registriert sind oder nicht, nicht das Recht dazu, ein Haus oder eine Wohnung zu besitzen, sondern können diese nur mieten. Die Wohnungskosten stellen einen der größten Ausgabenposten für Afghanen in Iran dar. Bei der Anmietung eines Hauses wird eine Kaution an den Besitzer bezahlt und je größer die Kaution, die hinterlegt werden kann, desto billiger werden die Mietkosten (Lifos 10.4.2018).
Hochzeiten zwischen Iranern und afghanischen Flüchtlingen sind, obwohl keine Seltenheit, schwierig, da die iranischen Behörden dafür Dokumente der Botschaft oder der afghanischen Behörden benötigen. Staatenlosen wird von einigen Provinzverwaltungen Zugang zur öffentlichen Grundversorgung und das Ausstellen von Reisedokumenten und sonstigen Papieren verwehrt, eine einheitliche Praxis fehlt (ÖB Teheran 10.2020). Nach langjähriger Debatte um die Verleihung der iranischen Staatsangehörigkeit an Kindern aus der Ehe einer iranischen Frau mit einem ausländischen Ehemann, kündigte der Sprecher des iranischen Innenministerium im Juni 2020 an, dieses Gesetz sei vom Parlament ratifiziert worden, und von nun an können die Kinder aus der Ehe einer iranischen Frau mit einem ausländischen Mann auch die iranischen Staatsangehörigkeit erwerben (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche USDOS 31.3.2021).
Internationale Medien berichteten nach dem Kriegseintritt Irans in Syrien immer wieder, dass ohne legalen Status in Iran aufhältige Afghanen, darunter Minderjährige, für den Kampf in Syrien rekrutiert werden (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021), mit monetären
Anreizen (Berichten zufolge etwa 800 US-Dollar pro Monat) und dem Versprechen eines rechtmäßigen, zehnjährigen Aufenthaltstitels in Iran, welches manchen Berichten zufolge nicht immer vollständig eingehalten wird (ÖB Teheran 10.2020).
Die freiwillige Rückkehr registrierter afghanischer Flüchtlinge lag 2019 mit 1.609 im vergleichbaren Rahmen wie im Vorjahr (Vergleichszeitraum 2018: 1.450). Nach Angaben des UNHCR erfolgen 40% dieserAusreisen durch Studenten in derAbsicht, mit einem entsprechenden Visum wieder nach Iran einzureisen (AA 26.2.2020). Auf Grund der Corona-Pandemie kam es 2020 zu einer Zunahme der ’spontanen Rückkehrer’ auf bis zu 20.000 pro Tag, da ihnen die Covid19-Krise die Lebensgrundlage nahm. Seit Februar 2020 sind laut einem Bericht von IOM ca. 400.000 sich im Iran aufhaltende Flüchtlinge in Richtung Afghanistan und Pakistan aufgebrochen (ÖB Teheran 10.2020).
Im Mai 2020 griffen iranische Grenzposten zahlreiche Afghanen auf, darunter auch Minderjährige, die auf der Suche nach Arbeit die Grenze überschritten hatten. Die Personen wurden geschlagen und mit vorgehaltener Waffe in den iranisch-afghanischen Grenzfluss Hariroud gezwungen. Dabei ertranken mehrere Menschen. Die Behörden wiesen jede Verantwortung für den Vorfall zurück (AI 7.4.2021).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar
_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2020
• ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (5.2020): Das Schulsystem im Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2030055/Schulsy stem+Iran_Mai+2020.pdf , Zugriff 13.1.2020
• AI – Amnesty International (7.4.2021): Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2020), https://www.ecoi.net/de/dokument/2048570.html , Zugriff 29.4.2021
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html , Zugriff 28.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 30.12.2020
• HRW – Human Rights Watch (14.5.2019): Iran: Parliament OKs Nationality Law Reform, https://www.ecoi.net/de/dokument/2008705.html , Zugriff 28.4.2021
• Lifos – Lifos/Migrationsverket [Schweden] (10.4.2018): Afghanistan: Afghanen im Iran [Original: Afghaner i Iran]. Arbeitsübersetzung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Österreich], https://www.ecoi.net/en/file/local/1434046/5818_1528099872_afghba-analysen-afghanen-im-iran-2018-05.pdf , Zugriff 28.4.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 4.12.2020
• UNHCR (30.9.2020): Iran, Afghan Voluntary Repatriation - Jan to Sep 2020, https://ww
w.ecoi.net/en/file/local/2039223/IRN+VolRep+September+2020+-+EXT.pdf , Zugriff
13.1.2021
• UNHCR (6.4.2021): 120,000 refugees assisted to access Iran’s health insurance scheme, https://www.unhcr.org/news/briefing/2021/4/606c19ad4/120000-refugees-assisted-acce ss-irans-health-insurance-scheme.html , Zugriff 17.5.2021
• USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048099.html , Zugriff 5.5.2021
Grundversorgung
Letzte Änderung: 01.07.2021
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische
Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020).
Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche BS 2020). Sowohl auf Grund der ’Maximum Pressure’-Politik der USA als auch wegen der Zurückhaltung westlicher Unternehmen bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Iran aber auch
wegen der Folgen der Corona-Pandemie steht die iranischen Wirtschaft schlechter da als jemals zuvor. Die Erdölexporte sind auf ein Minimum gesunken, auch die Devisenreserven sind erschöpft. Insofern sind die mittelfristigen Prognosen für die iranische Wirtschaft nicht gut (ÖB Teheran 10.2020).
Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger ’brain drain’, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt (ÖB Teheran 10.2020).
Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle (GIZ 12.2020b). Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht (BS 2020). So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe (GIZ 12.2020b). Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde (BS 2020). Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 12.2020b). Soziale Unzufriedenheit war in den letzten Jahren mehrmals der Hintergrund von Unruhen in der
Bevölkerung. Bei den gewalttätigen Unruhen im November 2019 starben Hunderte Menschen (Landinfo 12.8.2020) und Tausende wurden verletzt (FH 3.3.2021) [Bezüglich der Unruhen vergleiche Sie bitte das Kapitel zur Versammlungsfreiheit].
Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads (GIZ 12.2020b; vergleiche BS 2020). Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten (GIZ 12.2020b). Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen (BS 2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 24.4.2020
• BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Iran, https://www.bti-projec
t.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf , Zugriff 6.5.2020
• FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net /de/dokument/2046519.html ,Zugriff 29.4.2021
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 29.4.2021
• Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): Report Iran. The Iranian Welfare System, https://ww
w.ecoi.net/en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 14.1.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 4.12.2020
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 01.07.2021
Dem Arbeitsministerium ist die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten ’Hohen Versicherungsrat’ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die ’Organisation für Sozialversicherung’ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in deren System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden (ÖB Teheran 10.2020). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Beitragsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von ca. 20 Euro pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3 Euro, sog. Yarane) (AA 26.2.2020). Selbstständige und Beamte sind nicht Teil der Arbeitslosenversicherung, da angenommen wird, dass ihre Arbeitsverträge nicht gekündigt werden können (Landinfo 12.8.2020).
Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Iranischen Bürgern und Bürgerinnen stehen zwei Arten von Versicherungsschutz zur Verfügung: 1. Bei der obligatorischen Versicherung wird der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber versichert. Dabei wird ein bestimmter Prozentsatz des monatlichen Gehalts abgezogen. 2. Eine freiwillige Abdeckung steht vor allem freiberuflichen Personen und Hausfrauen zur Verfügung. Es gibt drei Prämiensätze von 12%, 14% und 16% für die Versicherungspolizzen, bei denen die Regierung 2% der Prämie zahlen muss. Die Sozialversicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit,
Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen
Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und Freiberuflichen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Stufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle
Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag bezahlen (IOM 2020). Die Mittel für die Altersrente werden durch gemeinsame Beiträge der versicherten Person, des Arbeitgebers und der Regierung gedeckt und variiert je nach Beitragsjahren. Die Altersrente wird über die Pensionskasse für Beamte, die Organisation für soziale Sicherheit sowie 16 weitere Pensionsfonds in Iran bereitgestellt. Die Hinterbliebenenrente wird an Angehörige einer versicherten verstorbenen
Person gezahlt. Zu den Angehörigen zählen Witwe/Witwer, Kinder (das heißt Söhne bis zum
Alter von 20 Jahren und Töchter bis zur Heirat) und Eltern. Die Rente des Ehepartners beträgt 50% der Alters- oder Invalidenrente der versicherten Person, während sie für Waisen 25% und für Eltern 20% beträgt. Die kombinierte Hinterbliebenenrente darf nicht unter dem gesetzlichen Mindestlohn oder über der Rente des Verstorbenen liegen. In Iran gibt es einen gesetzlichen monatlichen Mindestlohn für ungelernte Arbeitnehmer, der unter Berücksichtigung der Inflation jährlich neu berechnet wird. Im April 2020 lag der Mindestlohn bei 18,34 Millionen Rial (113 USD). Darüber hinaus zahlt der Staat (praktisch) jeder Familie eine Wohnungs- und Lebensmittelzulage in Form von monatlichen Geldtransfers (yaraneh-ye naqdi), wobei der Gesamtbetrag für einen unverheirateten Arbeitnehmer 25 Millionen Rial (155 USD) und 30 Millionen Rial (186 USD) für einen verheirateten Arbeiter pro Monat beträgt. Familienbeihilfe wird im Rahmen von Sozialversicherungssystemen für Eltern gewährt, die mindestens 720 Tage gearbeitet und Beiträge gezahlt haben. Die Familienbeihilfe wird gezahlt, bis das Kind 18 Jahre alt ist oder - wenn es studiert - bis das Studium abgeschlossen ist. Die Familienbeihilfe wird monatlich gezahlt und als das Dreifache des gesetzlichen täglichen Mindestlohns eines ungelernten Arbeitnehmers für jedes Kind berechnet. Die Leistungen werden jährlich angepasst (Landinfo 12.8.2020).
Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen,
Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 26.2.2020). Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber und privaten Anbietern oder Organisationen angeboten werden (IOM 2020).
Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die ’sadeqe’, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 12.2020b). Die staatliche Wohlfahrtsorganisation betreibt Selbsthilfegruppen für Familien in schwierigen Situationen, die in Familienzentren organisiert sind. Einige erhalten Unterstützung bei der Arbeitssuche. Ein Projekt mit einem Mikrofinanzierungsansatz umfasst 50.000 Menschen - nicht nur Frauen, sondern auch Landbevölkerung und andere. Ziel ist es, die Armut zu verringern. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf weiblichen Ernährern. Es gibt ca. drei Millionen Familien, die von Frauen geführt werden. 180.000 von ihnen werden von der staatlichen Wohlfahrtsorganisation betreut. Das Budget ist begrenzt und nicht alle Bedürftigen erhalten Hilfe. Die Leistungen gehen nicht unbedingt an die Frauen, sondern könnten beispielsweise die Bildung für Kinder abdecken (Landinfo 12.8.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar
_2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2020
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412 , Zugriff 30.12.2020
• IOM – International Organization for Migration (2020): Länderinformationsblatt Iran, https: //milo.bamf.de/otdsws/login?RFA=730d3f8f%2D99b0%2D4caf%2D9c39%2D635696bb4 275%3Ahttps%3A%2F%2Fmilo%2Ebamf%2Ede%2Fmilop%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Do tdsintegration%2Eredirect%26NextURL%3Dhttps%253A%252F%252Fmilo%252Ebam f%252Ede%252Fmilop%252Fcs%252Eexe&PostTicket=true&PostParams=true&Preserv eFragment=true , Zugriff 5.5.2021
• Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): The Iranian Welfare System, https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 30.12.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 30.12.2020
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 01.07.2021
Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung (ÖB Teheran 10.2020). Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche IOM 2020). Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche Landinfo 12.8.2020, IOM 2020) und NGOs (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche Landinfo 12.8.2020). Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird (ÖB Teheran 10.2020). Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird. Die Mahak-Gesellschaft zur Unterstützung krebskranker Kinder ist beispielsweise ein bekanntes gemeinnütziges Forschungs-, Krankenhaus- und Rehabilitationszentrum für Kinder mit Krebs. Die Patienten werden von Ärzten im ganzen Land an Mahak überwiesen. Laut einem Vertreter von Mahak wird jedes Kind, bei dem Krebs diagnostiziert wird, entweder im Mahak-Krankenhaus oder in anderen Krankenhäusern behandelt. Mahak deckt auch die Behandlung von Patienten in anderen Krankenhäusern in Iran ab. Die Behandlung ist kostenlos und die Patienten müssen nicht versichert sein, um eine Behandlung zu erhalten. Selbst Verwandte können bei der Begleitung ihrer kranken Kinder eine Finanzierung für die Unterkunft erhalten. Mahak empfängt Krebspatienten auch aus mehreren Nachbarländern (Landinfo 12.8.2020).
Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 10.2020). Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2020).
Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung - die Qualität schwankt jedoch (GIZ 12.2020c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 30.12.2020a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 10.2020).
Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen ’Behvarz’ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich ca. 1.500 Personen zuständig,
wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise ’nahversorgt’ werden. In Städten übernehmen sogenannte ’Gesundheitsposten’ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 10.2020). 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen (IOM 2020). Weitere staatliche Institutionen wie die Iranian National Oil Corporation, die Justiz und Revolutionsgarden betreiben ihre eigenen Krankenhäuser. Die medizinische Belegschaft in Iran umfasst insgesamt mehr als 51.000 Allgemeinärzte, 32.000 Fachärzte, 115.000 Krankenschwestern, 33.000 Hebammen und 35.000 örtliche Gesundheitshelfer (behvarz) (Landinfo 12.8.2020). Im Jahr 2020 wurden 161 Projekte zum Bau ländlicher Gesundheitszentren abgeschlossen. Somit wurde der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen verbessert. Daneben hat das Überweisungssystem bei Hausärzten dazu beigetragen, dass Servicepakete für Prävention, Pflege und Behandlung auch in ländlichen Gebieten angeboten werden (IOM 2020).
Es ist anzuführen, dass derAnteil der Out-of-pocket-Zahlungen durch die Patienten in den letzten
Jahren erheblich zurückgegangen ist. Vor dem Health Transformation Plan im Jahr 2014 waren Out-of-pocket-Zahlungen die Hauptfinanzierungsquelle, und lagen über 50% der Kosten. 2010 erreichten die Zahlungen einen Höchststand von 58%, während sie bis 2016 auf 35,5% zurückgingen. Dies ist jedoch noch weit von dem erklärten Ziel entfernt, die Out-of-pocket-Zahlungen auf unter 30% zu senken. Dies bedeutet, dass das Zahlungssystem nach wie vor weitgehend auf Servicegebühren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Gesundheitswesen basiert (Landinfo 12.8.2020). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 12.2020c). Iran verwendet interne Referenzpreise für Arzneimittel, was bedeutet, dass Arzneimittel zum Preis des Referenz-Arzneimittels erstattet werden und die Patienten die Möglichkeit haben, teurere Arzneimittel zu kaufen und die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Der Erstattungspreis wird von der Regierung festgelegt, während Hersteller, Händler oder Einzelhändler ihren eigenen Arzneimittelpreis festlegen können (Landinfo 12.8.2020).
Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt zwei verschiedene Arten von Krankenversicherungen, jene über den Arbeitsplatz oder eine private Versicherung. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/ . Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt. Um eine Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig. Zusätzliche Dokumente können später gegebenenfalls angefordert werden (IOM 2020).
Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html . Die Registrierung erfordert eine geringe Gebühr (IRR
20.000). Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab (IOM 2019). Die ’Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste’ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die ’Imam Khomeini Stiftung’, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 10.2020).
Für schutzbedürftige Gruppen in Iran gibt es zwei Arten von Zentren: öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderung (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Die Imam Khomeini Relief Foundation bietet Dienstleistungen für Frauenhaushalte, Waisen, Familienusw. an, um ihre Lebensumstände zu verbessern. Der Zugang zu öffentlichen Angeboten ist für alle Bürger gleich, aber wie bereits erwähnt, gibt es zusätzliche Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen, die von den Gemeinden / Organisationen abgedeckt werden (IOM 2020).
Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen (IOM 2020; vergleiche Landinfo 12.8.2020). Obwohl auf dem Papier Medikamente und Lebensmittel von den Sanktionen nicht betroffen sind, ist es seit 2020 u.a. wegen fehlenden Zahlungskanälen zu mehr Engpässen bei bestimmten Medikamenten wie z.B. Insuline gekommen. Das Gesundheitsministerium ist sehr bemüht, den Bedarf an Medikamenten zu decken. Aufgrund der mangelnden Devisen aber steigen die Preise der Medikamente die vom Ausland eingeführt werden sollen von Tag zu Tag, so dass schwache Gesellschaftsschichten sich diese nicht mehr leisten können. Diese Situation wird bei offiziellen Gesprächen von iranischen Funktionären immer wieder als Kritikpunkt gegenüber der Politik des Westens angesprochen (ÖB Teheran 10.2020). Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.12.2020a): Reise- und Sicherheitshinweise Gesundheit, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransic herheit/202396#content_5 , Zugriff 30.12.2020
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit [Deutschland] (12.2020c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/ , Zugriff 30.12.2020
• IOM – International Organization for Migration (2020): Länderinformationsblatt Iran, https: //milo.bamf.de/otdsws/login?RFA=730d3f8f%2D99b0%2D4caf%2D9c39%2D635696bb4 275%3Ahttps%3A%2F%2Fmilo%2Ebamf%2Ede%2Fmilop%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Do tdsintegration%2Eredirect%26NextURL%3Dhttps%253A%252F%252Fmilo%252Ebam f%252Ede%252Fmilop%252Fcs%252Eexe&PostTicket=true&PostParams=true&Preserv eFragment=true , Zugriff 5.5.2021
• Landinfo [Norwegen] (12.8.2020): Report Iran. The Iranian Welfare System, https://ww
w.ecoi.net/en/file/local/2036035/Report-Iran-Welfare-system-12082020.pdf , Zugriff 11.1.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 30.12.2020
Rückkehr
Letzte Änderung: 28.01.2021
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus (AA 26.2.2020). In der iranischen Gesetzgebung gibt es kein Gesetz, das die Beantragung von Asyl im Ausland strafbar macht (Cedoca 30.3.2020). In der
Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden (AA 26.2.2020). Allerdings gibt es zum Thema Rückkehrer nach wie vor kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im
Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem
Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 10.2020).
Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach
Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich.
Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen (AA 26.2.2020).
Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).
In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird das Risiko für Repressionen eher gering ausfallen (DIS/DRC 23.2.2018).
Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regime-kritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein (AA 26.2.2020). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 29.4.2020
• Cedoca – Documentation and Research Department of the Office of the Commissioner
General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (30.3.2020): COI Focus IRAN
Treatment of returnees by their national authorities, https://coi.easo.europa.eu/administrat ion/belgium/PLib/COI_Focus_Iran_Treatment%20of_returnees_by_their_national_autho rities_30032020_update_ENG.pdf , Zugriff 18.12.2020
• DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-perso ns-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf , Zugriff 29.4.2020
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf , Zugriff 14.12.2020
Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF)
Letzte Änderung: 29.06.2020
Zurückgeführte unbegleitete Minderjährige werden vom „Amt für soziale Angelegenheiten beim iranischen Außenministerium“ betreut und in Waisenheime überführt, wenn eine vorherige Unterrichtung erfolgt (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland ___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebung srelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2 C_26.02.2020.pdf , Zugriff 29.4.2020
Dokumente
Letzte Änderung: 01.07.2021
Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB Teheran 10.2020; vergleiche AA 26.2.2020). Auch echte Dokumente unrichtigen Inhaltes sind einfach zu beschaffen ( AA 26.2.2020; vergleiche ÖB Teheran 10.2020) (z.B. ein echtes Stammbuch - Shenasname), in dem Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen) (AA 26.2.2020).
Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,…) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen in Iran auszustellen (ÖB Teheran 10.2020).
Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 26.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/20279 98/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und _abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar _2020%29%2C_26.02.2020.pdf , Zugriff 28.4.2021
• ÖB Teheran – Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf, Zugriff 28.4.2021
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person der Beschwerdeführer und zu ihrem Privat- und Familienleben:
Dass die Identität der Beschwerdeführer feststeht, ergibt sich zunächst daraus, dass im Verfahren hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin iranische Dokumente vorgelegt wurden, die ihre Identität bestätigen vergleiche insbesondere die vorgelegten iranischen Personalausweise samt deutscher Übersetzung; siehe BF1, AS 75 ff; BF2, 67 ff f). Hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin wurde deren österreichische Geburtsurkunde vorgelegt vergleiche BF2, OZ 14, Beilage). Die Identität der Beschwerdeführer konnte daher festgestellt werden.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführer und zu ihrem bisherigen Leben im Iran sowie zu ihren dort lebenden Familienangehörigen beruhen auf den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der Erstbefragungen am 10.1.2015 vergleiche BF1, AS 7 ff; BF2, AS 5 ff), der Einvernahmen vor dem BFA am 20.9.2017 vergleiche BF1, AS 163 ff; BF2, AS 121 ff) und in den mündlichen Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht vom 17.11.2021 vergleiche BF1, OZ 17, Sitzung 11 f) und 3.12.2021 (BF2, OZ 20, Sitzung 7 f). Der Erstbeschwerdeführer gab an, mit seiner im Iran lebenden Schwester weiterhin in elektronischem Kontakt zu stehen vergleiche BF1, OZ 17, Sitzung 11). Die Zweitbeschwerdeführerin führte ebenfalls aus, mit ihren Familienangehörigen im Iran sowie ihrer in Deutschland lebenden Schwester in telefonischem Kontakt zu stehen vergleiche BF2, OZ 20, Sitzung 7).
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gaben in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht an, dass sie gesund sind. Die Zweitbeschwerdeführerin fügte dem hinzu, dass sie ein Problem mit der Schilddrüse habe und jeden Tag eine Tablette nehmen müsse vergleiche BF1 OZ 17, Sitzung 6; BF2 OZ 14, Sitzung 6). In diesem Sinne hatte sie bereits vor dem BFA angegeben, dass sie eine Schilddrüsenunterfunktion habe und ein Medikament einnehme vergleiche BF2, AS 122). Eine bei der Zweitbeschwerdeführerin bestehende schwere oder gar lebensbedrohliche Erkrankung wurde nicht vorgebracht. Hinsichtlich der mj. Drittbeschwerdeführerin wurden im Verfahren keine gesundheitlichen Probleme vorgebracht. Es war daher zur Feststellung zu gelangen, dass der Erstbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin gesund sind und die Zweitbeschwerdeführerin an einer Schilddrüsenunterfunktion, nicht aber an einer schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung leidet.
Die Feststellungen zum bisherigen Aufenthalt der Beschwerdeführer und ihren bisherigen Aktivitäten in Österreich gründen sich auf die – insoweit unzweifelhaften – Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlungen vergleiche BF1, OZ 17, Sitzung 6 ff; BF2, OZ 14, Sitzung 6 ff) sowie die im Verfahren vorgelegten Unterlagen.
Von den Deutschkenntnissen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin konnte sich das erkennende Gericht in der mündlichen Verhandlung selbst ein Bild machen. Eine Verständigung mit dem Erstbeschwerdeführer auf Deutsch (ohne Dolmetscher) war problemlos möglich; seine Deutschkenntnisse stellten sich als sehr gut ausgeprägt dar. Auch die Zweitbeschwerdeführerin konnte die ihr gestellten Fragen zu ihrer Lebenssituation in Österreich auf Deutsch beantworten, ihre Deutschkenntnisse waren als gut ausgeprägt zu beurteilen vergleiche OZ 17, Sitzung 6 ff).
Die Beschwerdeführer leben in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt vergleiche etwa BF1, OZ 17, Sitzung 7; BF2, OZ 17, Sitzung 7). Zur Feststellung, dass der Erstbeschwerdeführer in Österreich über soziale und freundschaftliche Anknüpfungspunkte verfügt, ist zunächst auf seine Angaben in der mündlichen Verhandlung zu verweisen. Zu österreichischen Freunden befragt, ging der Erstbeschwerdeführer auf die während seines Aufenthalts in Österreich eingegangenen Freundschaften ein, wobei er seine Freundschaft zu einem gewissen römisch 40 (genannt " römisch 40 ") besonders hervorhob. Er besuche seinen Freund regelmäßig und stehe mit diesem via Handy in Kontakt vergleiche BF1, OZ 17, Sitzung 8 f). Der vom Erstbeschwerdeführer genannte Freund – römisch 40 – beschrieb als Zeuge in der mündlichen Verhandlung einvernommen den Kontakt mit dem Erstbeschwerdeführer näher und erscheint angesichts seiner Ausführungen (der Zeuge bezeichnete den Erstbeschwerdeführer als "gute[n] Freund"; vergleiche BF1, OZ 22, Beilage Z) das bestehende Freundschaftsverhältnis als glaubhaft. Auch die im Verfahren vorgelegten Empfehlungsschreiben vergleiche BF1, OZ 15) sprechen für soziale und freundschaftliche Anknüpfungspunkte des Erstbeschwerdeführers in Österreich. Die Zweitbeschwerdeführerin gab auf die Frage nach österreichischen Freunden an, dass sie leider keine österreichischen Freunde habe; sie habe nur persische Freunde vergleiche BF2, OZ 14, Sitzung 8). Auch den im Verfahren vorgelegten Empfehlungsschreiben waren kaum bzw. keine Anhaltspunkte für bestehende soziale und freundschaftliche Anknüpfungspunkte der Zweitbeschwerdeführerin zu entnehmen. Zu den Aktivitäten der Beschwerdeführer in der Kirchengemeinde wird auf die Ausführungen unter Punkt 2.2. verwiesen.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin bestätigten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht, dass sie sich nach wie vor in Grundversorgung befinden vergleiche BF1, OZ 17, Sitzung 8; BF2, OZ 14, Sitzung 8); eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführer während ihres Aufenthalts in Österreich ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Erstbeschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung einen bedingten Arbeitsvorvertrag vor vergleiche BF1, OZ 17, Beilage).
Dass die Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten sind, ergibt sich aus vom erkennenden Gericht durchgeführten Abfragen im Strafregister. Von den Beschwerdeführern begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.
2.2. Zu den Fluchtgründen:
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es bei den in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylweber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der aufgrund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin wurden im Rahmen ihrer Asylverfahren darauf hingewiesen, dass ihre Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Sie wurden zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben vergleiche BF1, AS 164; OZ 17, Sitzung 4 f; BF2, AS 122; OZ 14, Sitzung 4 f; OZ 20, Sitzung 4).
Die Feststellungen des erkennenden Gerichtes zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer beruhen auf folgenden Erwägungen:
2.2.1. Zum ausreisekausalen Fluchtvorbringen:
Zu den Gründen für die Ausreise der Beschwerdeführer aus dem Iran ist zunächst festzuhalten, dass die Beschwerdeführer ihr diesbezügliches Vorbringen im Verfahren bei verschiedenen Gelegenheiten völlig anders dargestellt – teilweise regelrecht ausgetauscht – haben. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gaben in der Erstbefragung, zu ihren Fluchtgründen befragt, noch Folgendes an: "Seit ca. 1 Jahr habe ich im Iran eine christliche Privatkirche besucht. Seit dieser Zeit bin ich Christ, aber ich bin noch immer nicht getauft. Deshalb habe ich Angst in den Iran zu reisen. Sonst gibt es keine Fluchtgründe." vergleiche BF1, AS 15; BF2, AS 13). In diametralem Widerspruch zu seinen bisherigen Angaben stehend antwortete der Erstbeschwerdeführer in seiner Einvernahme vor dem BFA auf die Frage, ob er im Iran eine Hauskirche besucht habe: "Nein wir hatten sehr viel Angst davor." vergleiche BF1, AS 169). Über Befragen, wie er im Iran seinen Glauben ausgelebt habe, fügte er dem ausdrücklich hinzu: "Es war alles geheim. Ich habe an keinen christlichen Organisationen teilgenommen." vergleiche BF1, AS 170). Gleichfalls verneinte die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie im Iran eine Hauskirche besucht habe vergleiche BF2, AS 127). Das Gericht verkennt nicht, dass sich die Erstbefragung zufolge Paragraph 19, Absatz eins, AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat und gegen eine unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen Bedenken bestehen vergleiche VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0061, mwN). Im konkreten Fall eines geradezu unauflöslichen Widerspruchs zwischen den Angaben der Beschwerdeführer in der Erstbefragung und ihren Einvernahmen vor dem BFA, welcher darüber hinaus nicht nur einen Nebenaspekt ihres Vorbringens, sondern vielmehr den Kern ihres Fluchtvorbringens – nämlich die wesentlichen Gründe für die Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat – betrifft, lassen die aufgezeigten massiven Diskrepanzen jedoch erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihres Fluchtvorbringens aufkommen. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführer in den mündlichen Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht abermals den Besuch einer Hauskirche im Iran behaupteten vergleiche BF1, OZ 17, Sitzung 17 f; BF2, OZ 20, Sitzung 11 ff) und darüber hinaus nunmehr gar eine Verfolgung durch die iranischen Behörden wegen ebendieser Hauskirchenbesuche vorbrachten vergleiche BF1, OZ 17, Sitzung 13; BF2; OZ 20, Sitzung 8). Wenn der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung die Übersetzung bzw. Protokollierung im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA in Zweifel zu ziehen versuchte, indem er angab, die Dolmetscherin habe seine Antworten "nicht Wort wörtlich übersetzt", sondern "ähnliche Begriffe verwendet" und "deshalb die Antworten einen abweichenden Sinn" ergäben und als Beispiel hierfür anführt, die Dolmetscherin habe gefragt, "ob wir in unserer Heimatstadt eine offizielle Kirche besucht haben" und er dies verneint habe vergleiche OZ 17, Sitzung 10), so erscheint dieses Vorbringen dem erkennenden Gericht wie eine bloße Schutzbehauptung. Der Erstbeschwerdeführer bejahte bereits eingangs seiner Einvernahme vor dem BFA, dass er die Dolmetscherin einwandfrei verstehe vergleiche BF1, AS 164). Der Wortlaut der Fragestellung wurde oben bereits dargestellt, die Beschwerdeführer wurden ausdrücklich danach gefragt, ob sie im Iran eine Hauskirche besucht haben, was sie explizit verneint haben. Die nunmehrige Einlassung des Erstbeschwerdeführers, wonach er in Wahrheit danach gefragt worden sei, ob er eine "offizielle Kirche" besucht habe und die Dolmetscherin dergestalt "ähnliche Begriffe" verwendet habe, dass im Protokoll anstelle von "offizielle Kirche" das Wort "Hauskirche" – welche seit der Zeit des Urchristentums geradezu den Archetyp einer "inoffiziellen" Kirche darstellt – festgehalten worden sei, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht im Geringsten. Diesen Ausführungen des Erstbeschwerdeführers war aber abgesehen davon schon jede Glaubhaftigkeit zu versagen, weil er abschließend seiner Einvernahme einerseits wiederum bejahte, die Dolmetscherin einwandfrei verstanden zu haben und ihm andererseits die Möglichkeit gegeben wurde, sein Vorbringen zu ergänzen vergleiche BF1, AS 173). Dass der Erstbeschwerdeführer nicht von der genannten Möglichkeit zur Ergänzung seines Vorbringens Gebrauch gemacht hätte (sondern bloß mit "Nein" auf die ihm gestellte Frage, ob er noch irgendetwas angeben möchte, geantwortet hat), erscheint vor dem Hintergrund, dass er einen wesentlichen Aspekt seines Vorbringens – den angeblichen Hauskirchenbesuch – in der Einvernahme gar nicht schildern hätte können, nicht als sonderlich glaubhaft. Schlussendlich wurde dem Erstbeschwerdeführer die Niederschrift wortwörtlich rückübersetzt und bestätigte der Erstbeschwerdeführer mit seiner Unterschrift, dass seine Angaben vollständig, verständlich und richtig wiedergegeben wurden vergleiche BF1, AS 174). Es ist daher aus Sicht des erkennenden Gerichtes als vollkommen ausgeschlossen anzusehen, dass der Erstbeschwerdeführer – wie nunmehr behauptet – derart fehlerhafte Angaben im Protokoll nicht moniert hätte. Hinzu tritt, dass eben auch die Zweitbeschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vor dem BFA einen Hauskirchenbesuch ausdrücklich verneinte. Zwar gab die Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung an, dass es ihr am Tag der Einvernahme vor dem BFA nicht gut gegangen sei, weil sie davor ihr Baby verloren habe, was sie psychisch sehr belastet habe und sie sich nicht gut konzentrieren habe können; auf Nachfrage bestätigte die Zweitbeschwerdeführerin jedoch, dass "alles", was sie in ihrer Einvernahme vor dem BFA gesagt habe, "richtig festgehalten" worden sei vergleiche BF2, OZ 20, Sitzung 8). Wenn die Zweitbeschwerdeführerin abschließend ihrer Einvernahme vor dem erkennenden Gericht noch angab, dass sie nochmals darauf hinweisen wolle, dass sie bei der Einvernahme vor dem BFA "aus psychischen Gründen nicht bereit" gewesen sei und es sein könne, "dass ich auf manche Fragen nicht richtig oder missverständlich geantwortet habe" vergleiche BF2, OZ 20, Sitzung 20), vermag dies das im Laufe des Verfahrens massiv abweichende Aussageverhalten der Zweitbeschwerdeführerin nicht zu erklären, zumal sie selbst nicht einmal behauptete, dass konkret ihre Angaben zum Hauskirchenbesuch in ihrer Einvernahme vor dem BFA missverständlich gewesen oder unrichtig übersetzt bzw. protokolliert worden wären. Im Übrigen hatte die Zweitbeschwerdeführerin vom BFA zu ihrem Gesundheitszustand befragt, keinerlei psychische Beschwerden vorgebracht – sondern lediglich auf ihre Schilddrüsenunterfunktion hingewiesen – und abschließend ihrer Einvernahme außerdem bestätigt, dass sie sich während der Einvernahme wohlgefühlt habe und sich konzentrieren habe können. Die Dolmetscherin habe sie einwandfrei verstanden. Auch die Zweitbeschwerdeführerin fügte ihren Angaben auf Nachfrage nichts mehr hinzu vergleiche BF2, AS 129). Bereits auf dieser Grundlage geht das erkennende Gericht davon aus, dass der (nunmehr wieder) – in gesteigerter Form – behauptete Hauskirchenbesuch im Iran in Wahrheit nicht stattgefunden hat. Keine Zweifel an dieser Einschätzung obwalten schließlich in Ansehung des Beschwerdeschriftsatzes mehr. Darin wird nämlich explizit vorgebracht, dass die Beschwerdeführer sich "ausschließlich in ihren eigenen vier Wänden damit (dem Christentum; Anm.)" beschäftigt hätten vergleiche BF1, AS 290; BF2, AS 256) – was die in der mündlichen Verhandlung behaupteten Besuche von Hauskirchen, welche "einmal im Haus meiner Freundin"; "dann bei einer anderen Dame namens römisch 40 " in einem Kindergarten und schließlich "im Haus unseres Leiters namens römisch 40 " vergleiche BF2, OZ 20, Sitzung 13), regelrecht ad absurdum führt. Die Abweichungen zwischen dem Beschwerdeschriftsatz und den Aussagen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zeigen nach Ansicht des erkennenden Gerichtes eindrucksvoll auf, dass die Beschwerdeführer offenkundig nicht gewillt sind, an der Ermittlung des wahren Sacherhalts mitzuwirken, sondern lassen sich derart eklatante Diskrepanzen nur auf asyltaktische Motive der Beschwerdeführer zurückführen. Dass das Verhalten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin offensichtlich maßgeblich von der Prolongierung ihres Aufenthalts in Österreich – auch nach einer Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz – getragen ist, macht auch der Umstand deutlich, dass der Erstbeschwerdeführer nach eigenen Angaben einen Tag nach Stellung der Anträge die Reisepässe der Beschwerdeführer weggeworfen hat vergleiche BF1, AS 11; BF2, AS 9). In dieses eindrückliche Bild fügt sich ein, dass die Beschwerdeführer überhaupt erst am letzten Tag der Gültigkeit ihrer Touristenvisa, konkret am 10.1.2015 vergleiche BF1, AS 13; BF2, AS 11), ihre Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben, was ebenso wenig dafürspricht, dass die Beschwerdeführer in Wahrheit aus Furcht vor Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat nach Österreich gereist sind, zumal auch kein Grund dafür ersichtlich ist, weshalb sie ihre Anträge nicht unmittelbar nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet stellen hätten können. Schließlich ist zum ausreisekausalen Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer noch festzuhalten, dass eine – erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht – vorgebrachte Verfolgung ("Fahndung") nach ihren Personen durch die iranischen Behörden vergleiche dazu BF1, OZ 17, Sitzung 13; BF2; OZ 20, Sitzung 8), ebenfalls als völlig unglaubhaft erscheint. Derartiges wurde mit keinem Wort in ihren Einvernahmen vor dem BFA erwähnt; im krassen Gegensatz dazu verneinten sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Iran gehabt hätten oder haben vergleiche BF1, 168; BF2, AS 126). Der Erstbeschwerdeführer verneinte außerdem ausdrücklich, dass er einen Haftbefehl erhalten habe vergleiche BF1, AS 169). Noch im Beschwerdeschriftsatz wurde (lediglich) darüber spekuliert, dass die iranischen Behörden Kenntnis von der Konversion der Beschwerdeführer erlangt haben könnten: "Es ist davon auszugehen, dass die iranischen Behörden bereits über die in Österreich erfolgte Konversion der BF zum Christentum informiert sind: die BF verkehren aufgrund ihrer Zugehörigkeit und ihres Engagements in der evangelisch-iranischen Gemeinschaft in einer breit vernetzten iranischen Community und sind die umfassenden Aktivitäten des iranischen Geheimdienstes im Ausland notorisch." vergleiche BF1, AS 303 BF2, AS 269). Solche Ausführungen erscheinen vor dem Hintergrund, dass der Erstbeschwerdeführer nunmehr vorbringt, dass ca. zwei Wochen nach seiner Ausreise aus dem Iran die Polizei "zum Haus meines Vaters gegangen" sei und "meiner Familie eine Ladung gezeigt und meiner Familie erklärt" habe, "dass sie die Behörden informieren soll, wenn ich in den Iran zurückkehre" vergleiche BF1, OZ 17, Sitzung 13), als geradezu zwecklos und völlig deplatziert. Soweit der Erstbeschwerdeführer wiederum auf Übersetzungs- bzw. Protokollierungsfehler im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA verweist ("Die D hat mich gefragt, ob ich im Iran von einem Gericht geladen worden bin. Ich führte dazu aus, dass ich nicht mehr dort war und die Polizei mit der Ladung zum Haus meines Vaters ging und dort die Ladung gezeigt hat und meinen [A]ngehörigen gesagt hat, sobald sie was von mir erfahren, sie die Polizei verständigen sollen. Im Protokoll steht, dass es eine solche Ladung nicht gegeben hat."), ist festzuhalten, dass der Erstbeschwerdeführer dergleichen – der unbedenklichen Niederschrift der Amtshandlung zufolge – in seiner Einvernahme eben nicht angegeben hatte. Auf die obigen Ausführungen zur Einvernahmesituation vor dem BFA (Dolmetscherin, Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokolls) wird verwiesen. Auch die Zweitbeschwerdeführerin hatte einen derartigen Sachverhalt vor dem BFA mit keinem Wort erwähnt, obwohl – wie nunmehr behauptet – die iranischen Behörden angeblich sogar "die Mitglieder unserer Hauskirche, vor allem die Leiterin, festgenommen" und über die Kontaktaktdaten anderer Kirchenmitglieder "die Kontaktdaten meiner Eltern herausgefunden" und sie "angerufen und nach mir gefragt" hätten vergleiche BF2, OZ 14, Sitzung 12). Für das erkennende Gericht bestehen eingedenk der dargelegten Erwägungen keinerlei Zweifel daran, dass das ausreisekausale und das an ihre Ausreise aus dem Iran dort anschließende Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer zur Gänze konstruiert ist und nicht der Wahrheit entspricht, sondern vielmehr dazu dienen sollte, die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz qua Errichtung einer Drohkulisse zu substantiieren. In Anbetracht der im Verfahren außerordentlich klar zu Tage getretenen Widersprüche sowie der in wechselnder Art und Weise vorgenommenen Modifizierung des erstatteten Sachverhaltsvorbringens – Umstände, die das ausreisekausale Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer letztlich geradezu beliebig erscheinen lassen – war auch vor dem Hintergrund ihres, wie oben bereits ausgeführt, als asyltaktisch motiviert erkannten Aussageverhaltens, die persönliche Glaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin als massiv belastet zu beurteilen.
Vor diesem Hintergrund hatte sich das erkennende Gericht in der Folge mit der im Verfahren als wesentlichen Fluchtgrund behaupteten Konversion des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin zum Christentum auseinanderzusetzen.
2.2.2. Zum religiösen Leben des Erstbeschwerdeführers:
Der Erstbeschwerdeführer gab in seiner Einvernahme vor dem erkennenden Gericht an, dass er in einer muslimischen Familie geboren worden sei; als Kinder habe er manchmal gebetet, als Jugendlicher habe er einen Tag gefastet und sei krank geworden. Danach habe er nicht mehr gefastet. Als er älter geworden sei, habe er eine Interpretation des Koran auf Farsi gelesen. Darin sei z.B. gestanden, dass ein Moslem vier Frauen heiraten dürfe oder unter welchen Voraussetzungen man Frauen steinigen könne. Der Erstbeschwerdeführer habe sich nicht vorstellen können, dass diese Aussage des Koran Worte Gottes gewesen seien und habe seinen Glauben an den Islam verloren. Er habe den Koran beiseitegelegt und sich nicht mehr weiter mit dem Islam beschäftigt. Sein Vater habe ihn niemals gezwungen, den strengen Islam auszuüben vergleiche OZ 17, Sitzung 13). Dass der Erstbeschwerdeführer den Islam während seines Erwachsenenlebens aktiv praktiziert – oder sich sonst mit Glauben oder Religion – auseinandergesetzt hätte, war seinen Ausführungen nicht zu entnehmen. Ein besonderes persönliches Ereignis, welches ihn zur Abwendung vom Islam bewegt hätte, brachte der Erstbeschwerdeführer nicht vor, sondern führte ausschließlich die Lektüre einer Koraninterpretation ins Treffen. Weshalb gerade die zitierten Passagen bei ihm einen Denkprozess in Gang gesetzt hätten, konkretisierte der Erstbeschwerdeführer nicht weiter und stellte auch nicht dar, inwiefern diese Stellen aus der Überlieferung des Koran mit seinem eigenen Leben oder den Lebensumständen der Mehrheitsbevölkerung des Iran zusammenhängen würden. Dem erkennenden erschließt sich nicht, dass (weshalb) der Erstbeschwerdeführer, der eine persönliche Betroffenheit von den zitierten Passagen in keiner Weise aufzeigen konnte, ausschließlich deshalb seine bisherige Religion ablegen sollte. Der Erstbeschwerdeführer versuchte vielmehr ganz offensichtlich, thematisch unmittelbar an diese Ausführungen anknüpfend, seine Hinwendung zum Christentum zu erklären. So habe er im Iran zufällig einen Film über das Leben von Jesus gesehen, in dem – zusammengefasst – die Erzählung von Jesus und der Ehebrecherin gezeigt worden sei. Diese Szene habe ihn "sehr nachdenklich gemacht" und er könne sagen, dass er "damals im Herzen, den christlichen Glauben angenommen habe". Danach habe er sich ein Jahr lang allgemein über das Christentum informiert und nach diesem Jahr habe er sich selbst als Christ bezeichnet vergleiche OZ 17, Sitzung 14). Dass der Erstbeschwerdeführer – in dessen Erwachsenenleben der Glaube und die Religion offensichtlich keine nennenswerte Rolle gespielt haben (er sich gar nicht sicher gewesen sei, ob es überhaupt einen Gott gebe; vergleiche OZ 17, Sitzung 14) – allein aufgrund der zufälligen Konsumation eines Fernsehfilms über das Leben Jesu einen derartigen inneren Drang verspürt habe, dass er sich schließlich ein ganzes Jahr lang mit dem Christentum auseinandergesetzt habe, erscheint dem erkennenden Gericht nicht als sonderlich plausibel, zumal der Erstbeschwerdeführe nicht angeben konnte, warum ihn die gezeigte Szene überhaupt derart tiefgreifend bewegt hätte vergleiche "Diese Szene die damals gezeigt wurde hat mein ganzes Leben verändert und immer, wenn ich darüber spreche macht es mich sehr emotional."; OZ 17, Sitzung 15), dass er sich einerseits (wieder) dem Glauben und andererseits einer für ihn gänzlich neuen Religion zuwenden sollte. Auf die Frage des erkennenden Gerichtes, warum ihn gerade diese Szene so berührt habe, erklärte er bloß, dass er zum ersten Mal gehört habe, dass "eine Frau für einen Fehler nicht gesteinigt" werde, "sondern ihr sogar vergeben" worden sei. Es sei auch "sehr interessant zu hören" gewesen, dass jene Leute, die die Frau bestrafen wollten, selbst nicht sündenfrei gewesen seien. Sowas habe er vom Islam nicht gekannt vergleiche OZ 17, Sitzung 15). Einen persönlichen Bezug zu seinem eigenen Leben stellte der Erstbeschwerdeführer auch an dieser Stelle nicht her, erklärte etwa nicht, weshalb ausgerechnet eine Erzählung über das Vergeben bzw. über die Sünden ihn – aus seinem Innersten heraus ("Es war aber für mich eine Herzensangelegenheit und deshalb war es für mich wichtig, sich mit dem Christentum auseinanderzusetzen."; vergleiche OZ 17, Sitzung 16) – dazu veranlasst hätte, sich dem christlichen Glauben zuzuwenden und gar unmittelbar das Bedürfnis in ihm geweckt hätte, das Christentum als seinen Glauben anzunehmen ("Als ich diese Filmszene gesehen habe wollte ich bereits Christ werden."; vergleiche OZ 17, Sitzung 16). Die Darstellung des Erstbeschwerdeführers von seinem ersten Kontakt mit dem Christentum wirkt auf das erkennende Gericht nicht lebensnah und kaum wie die erste Berührung eines Menschen mit einer ihm fremden Religion. Im Lichte des solcherart unglaubhaften ersten Kontakts des Erstbeschwerdeführers mit dem Christentum im Iran erscheinen auch seine Ausführungen zu einer Beschäftigung mit dem christlichen Glauben in dieser Zeit nicht als nachvollziehbar, wobei der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen ohnehin nur angab, "viel über das Christentum gelesen" zu haben vergleiche OZ 17, Sitzung 14; zum Besuch einer Hauskirche siehe unten). Die in der mündlichen Verhandlung dargestellte Begebenheit mit der Heilung seines Vaters ordnete der Erstbeschwerdeführer selbst in die Zeit seines Aufenthalts in Österreich ein vergleiche OZ 17, Sitzung 15). Im Iran habe er Teile der Bibel in ausgedruckter Form gelesen; er habe zumindest das Matthäusevangelium lesen wollen. Auf die Frage, weshalb er gerade dieses Evangelium habe lesen wollen, erklärte er: "Weil dieses das erste von vier Evangelien ist und ich zumindest dieses lesen wollte." Auf Nachfrage bekräftigte er, dass die Lektüre dieses Evangeliums ausschließlich chronologische Gründe gehabt hätte vergleiche OZ 17, Sitzung 16). Eine nähere Auseinandersetzung mit der Bibel im Iran – oder konkret mit Bibelstellen, welche ihn besonders beeinflusst hätten – legte er nicht dar. Der Erstbeschwerdeführer – der nach eigenen Angaben in Österreich einmal 36 Bücher im Monat gelesen hat vergleiche OZ 17, Sitzung 7) – führte etwa an, dass er im Iran auch ein "Buch einer amerikanischen Schriftstellerin namens Dorin Wirto (phonetisch) (offenbar gemeint die US-amerikanische Esoterik-Schriftstellerin Doreen Virtue; Anmerkung über die Engel" oder ein Buch "Rückkehr nachhause" gelesen habe. Einen von persönlichen Glaubenserfahrungen (allenfalls auch von Zweifeln) geprägten Prozess der Hinwendung zum Christentum konnte der Erstbeschwerdeführer aber nicht glaubhaft machen, sondern stellte, wie aus seinen Ausführungen deutlich hervorgeht, schon die gefestigte Überzeugung, Christ werden zu wollen, gleichsam an den Anfangspunkt der angegebenen Beschäftigung mit dem Christentum. Diese völlig unkritische Begegnung mit dem Christentum und der Bibel steht überdies in einem Spannungsverhältnis mit seinen bisherigen Erfahrungen mit Glauben und Religion, gab er doch vor dem erkennenden Gericht an, dass "nicht nur im Koran Unwahrheiten verbreitet" würden, sondern auch die "Mullahs […] nicht die Wahrheit gesagt haben" vergleiche OZ 17, Sitzung 14), sodass es nicht einleuchtet, weshalb der Erstbeschwerdeführer nunmehr vollkommen unbefangen an eine fremde Religion – das Christentum – und deren heilige Schrift herangetreten wäre. Zum Besuch der Hauskirche im Iran führte der Erstbeschwerdeführer – ungeachtet der obigen Ausführungen, wonach der Besuch einer solchen Hauskirche schon angesichts der aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten in seinem Aussageverhalten vollkommen unglaubhaft war – aus, dass er "[d]reimal an Treffen in Hauskirchen teilgenommen" habe vergleiche OZ 17, Sitzung 16). Eine Freundin seiner Frau habe dieser von der Hauskirche erzählt. Der Erstbeschwerdeführer sei dreimal in einem Zeitraum von einem Jahr dort gewesen. Den Ablauf der Hauskirchensitzung schilderte er wie folgt: "Am ersten Tag als ich zu diesem Treffen gegangen bin, waren wir insgesamt 7 Personen. Wir haben uns vorgestellt und haben unsere Vornamen genannt. Ein Teilnehmer war ein Pastor. Dadurch dass ich neu war, hat er für mich die Geschichte des Christentums bzw. das Leben von Jesus zusammengefasst wiedergegeben. Ich sollte einmal hören, was in Jesus Leben passiert ist bis er am Kreuz gestorben ist und wiederauferstanden ist. Dieses Treffen hat von ca. 19 bis 20 Uhr gedauert. Weil ich meistens bis nach 18 Uhr gearbeitet habe, habe ich es nicht oft geschafft die Hauskirche zu besuchen." vergleiche OZ 17, Sitzung 17 f). Diese kursorische Darstellung vom Besuch einer Hauskirche – der Erstbeschwerdeführer beschrieb im Wesentlichen nur, dass ihm eine geraffte Zusammenfassung über das Leben Jesu erteilt worden sei – lässt selbst bei Außerachtlassung der bereits aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten nicht darauf schließen, dass der Erstbeschwerdeführer jemals mit einer Hauskirche in Berührung gekommen wäre. Hinzu tritt, dass der Erstbeschwerdeführer einen Hauskirchenbesuch auf die Frage des erkennenden Gerichtes, wie er im Iran seinen Glauben gelebt habe, nicht einmal erwähnt hatte vergleiche OZ 17, Sitzung 17). Von Seiten des erkennenden Gerichtes konnte daher jedenfalls ausgeschlossen werden, dass der Erstbeschwerdeführer im Iran den christlichen Glauben durch Besuch einer Hauskirche ausgelebt hat. Im Ergebnis geht das Gericht davon aus, dass sich der Erstbeschwerdeführer nicht bereits im Iran der christlichen Religion ernsthaft zugewandt hat und sein diesbezügliches Vorbringen allein die Glaubhaftmachung von Ausreisegründen und Begründung seiner unmittelbar nach Einreise in das Bundesgebiet gesetzten religiösen Aktivitäten (siehe dazu sogleich) bezweckt.
Zu seinem ersten Kontakt mit dem Christentum in Österreich führte der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung aus, dass der Kontakt zu einer farsi-sprachigen Kirche über eine Freundin seiner Schwägerin hergestellt worden sei. Eine Woche nach ihrer Einreise hätten sie dann das erste Mal diese persisch-sprachige Kirche besucht vergleiche OZ 17, Sitzung 19). Bestimmte religiös-theologische Überlegungen für die Wahl seiner Kirche legte der Erstbeschwerdeführer nicht dar. Angesichts der bereits unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet stattgefundenen Kontaktaufnahme mit einer christlichen Glaubensgemeinschaft war auch in keinerlei Weise ersichtlich, dass sich der Erstbeschwerdeführer jemals über die unterschiedlichen Glaubensrichtungen innerhalb des Christentums informiert oder seine persönliche Glaubensentscheidung vor dem Hintergrund einer näheren Auseinandersetzung mit der Vielfalt an christlichen Konfessionen in Österreich getroffen hätte. Dass die Wahl seiner Kirche für den Erstbeschwerdeführer Ausdruck einer – von bestimmten religiösen Gesichtspunkten fundamentierten – inneren Überzeugung gewesen wäre, ist nicht zu Tage getreten. So konnte er schließlich einen von religiösen Beweggründen getragenen persönlichen Entschluss, sich in der römisch 40 taufen zu lassen, nicht darlegen. Auf die Frage des erkennenden Gerichtes, warum er sich taufen lassen habe wollen, führte er nur aus: "Mit der Taufe bekennen wir uns zum christlichen Glauben und durch die Taufe lassen wir unser altes Leben zurück und beginnen unser neues Leben als Christen. Die Taufe symbolisiert auch den Tod und die Wiederauferstehung Jesus." vergleiche OZ 17, Sitzung 19). Was nun konkret den Ausschlag dafür gegeben habe, dass im Erstbeschwerdeführer der Wunsch aufgekeimt wäre, sich taufen zu lassen, blieb in Anbetracht dieser Antwort im Dunkeln. Auf Nachfrage des erkennenden Gerichtes gab der Erstbeschwerdeführer an, dass sie ungefähr einen Monat, nachdem sie die persisch-sprachige Kirche besucht hätten, mit dem Pfarrer über ihren Wunsch, getauft zu werden, gesprochen hätten und er ihnen erklärt habe, dass sie einen Unterricht besuchen müssten, um auf die Taufe vorbereitet zu sein. Dieser Kurs habe acht Monate gedauert vergleiche OZ 17, Sitzung 20). Diesen Angaben des Erstbeschwerdeführers vermag das erkennende Gericht nicht zu entnehmen, dass er – obwohl er selbst vermeinte, "dass es ein Prozess war, der zu meiner Konversion geführt hat" vergleiche OZ 17, Sitzung 13) – in irgendeiner Form einen von persönlichen Glaubenserfahrungen geprägten Weg der Hinwendung zum Christentum durchgemacht hätte, welcher schlussendlich in dem Wunsch, die Taufe zu empfangen, kulminiert wäre. Der Erstbeschwerdeführer konnte nicht aufzeigen, dass sich in der Zeitspanne zwischen dem erstmaligen Besuch der Kirche und seiner Äußerung gegenüber dem Pastor, getauft werden zu wollen, als Folge bestimmter Überlegungen oder Erfahrungen – im Sinne des angegebenen "Prozesses" – ein Taufwunsch dergestalt manifestiert hätte, dass er schließlich an den Pastor der Gemeinde herantreten sollte. Ebenfalls nicht zu erkennen war, dass der anschließend besuchte Taufunterricht einen Denkprozess beim Erstbeschwerdeführer in Gang gesetzt und ihn im Wunsch, die Taufe empfangen zu wollen, bestärkt hätte. Zu den Inhalten des Taufunterrichts befragt, antwortete der Erstbeschwerdeführer zunächst, dass erklärt worden sei, wie diese Kirche aufgebaut sei und wer die früheren Mitglieder gewesen seien, die dann die Kirche verlassen und eigenen Kirchen gegründet hätten. Dann seien sie mehr auf die Taufe eingegangen. Sie hätten gelernt, was bei der Taufe passiere und wieso sie sich taufen lassen müssten. Auf Nachfrage gab der Erstbeschwerdeführer an: "Wir haben z.B. gelernt, dass sogar Jesus, obwohl er selbst Gott war, von Johannes getauft wurde. Dieses Beispiel erklärt, wie wichtig die Taufe für einen Christen ist. Die genauen Inhalte des Unterrichtes habe ich vergessen, dieser hat vor 6 Jahren stattgefunden." vergleiche OZ 17, Sitzung 21). Dass im Taufunterricht nach Angaben des Erstbeschwerdeführers auf die Taufe eingegangen worden sei, erscheint nicht verwunderlich. Seine – ausnehmend oberflächlich gehaltene – Antwort zeigt jedoch deutlich auf, dass ihn offensichtlich keine bestimmten Themen aus dem immerhin achtmonatigen Taufunterricht so bewegt hätten, dass sie ihm in Erinnerung geblieben wären. Eine besondere persönliche Teilhabe am Taufunterricht – etwa durch Fragen zu Themen, die ihn besonders berührt oder beschäftigt und seinen Wunsch, die Taufe zu empfangen, bestätigt hätten – konnte der Erstbeschwerdeführer nicht darlegen. Den Umstand, dass er sich ausgerechnet in der römisch 40 habe taufen lassen, führte der Erstbeschwerdeführer ebenfalls nicht auf eine bestimmte religiöse Ausrichtung dieser Gemeinde, sondern schlicht darauf zurück, dass er dort regelmäßig in die Kirche gegangen sei und am Unterricht teilgenommen habe vergleiche OZ 17, Sitzung 21). Die Taufe selbst beschrieb der Erstbeschwerdeführer folgendermaßen: "Am Tag meiner Taufe wurde ich vom Pastor und einem seiner Helfer in ein Becken getaucht. Während der Taufe habe ich mich in eine Zeit zurückgesetzt gefühlt in der Jesus von Johannes getauft wurde. Es war ein einmaliges Erlebnis und ich fühlte mich sehr gut dabei. Nach der Taufe war ich mir sehr sicher, dass ich nun alle Vorgaben erfüllt habe, um e[i]n vollkommener Christ zu werden." (OZ 17, Sitzung 21). Die geschilderten Eindrücke des Erstbeschwerdeführers von seiner Taufe stellen zunächst den Ablauf des Taufvorgangs dar. Hinsichtlich seiner Empfindungen im Zuge der Taufe erscheinen sie dem Beschriebenen allerdings kaum gerecht zu werden. Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes wäre es im Falle einer solch tiefgreifenden Glaubenserfahrung wie geschildert ("[…] habe ich mich in eine Zeit zurückgesetzt gefühlt in der Jesus von Johannes getauft wurde") von einem gläubigen Christen jedenfalls zu erwarten gewesen, dass er eine derart eindrucksvolle Begebenheit näher beschreiben bzw. in einen Kontext zu seinem Glaubensleben (wie dieses Ereignis seine religiöse Überzeugung oder seine persönliche Glaubenspraxis beeinflusst hätte) stellen würde. Im konkreten Fall verlor der Erstbeschwerdeführer kein Wort mehr darüber, sondern fügte nur hinzu, sich sicher gewesen zu sein, "dass ich nun alle Vorgaben erfüllt habe, um e[i]n vollkommener Christ zu werden." Dass der Erstbeschwerdeführer in einem solchen Zusammenhang bloß eine "Vorgabenerfüllung" in den Vordergrund rückt, zeigt für das erkennende Gericht eindrucksvoll auf, dass er einen persönlichen Zugang zu seiner Taufe im Sinne eines zentralen und bedeutungsvollen Ereignisses in seinem (Glaubens-)Leben nicht gefunden hat, was seine knappe Antwort auf die Frage zur Bedeutung der Taufe für ihn persönlich noch unterstreicht: "Für mich bedeutet die Taufe, dass ich mit Gott eins geworden bin. Man kann den Heiligen Geist dann spüren oder finden, wenn man sich zu Jesus bekennt. Wenn man sich taufen lässt und wenn man die zehn Gebote befolgt." vergleiche OZ 17, Sitzung 22). Wie sich die erwähnten Bedeutungskategorien ("mit Gott eins geworden"; "den Heiligen Geist […] spüren oder finden") in seinem Leben konkret entfalten würden, stellte der Erstbeschwerdeführer nicht dar, sodass seine Antwort auf das erkennende Gericht wie ein bloßer Allgemeinplatz wirkt. Seine Ausführungen brachten ebenfalls kaum eine in der Zeit nach seiner Taufe – etwa durch Glaubenserfahrungen – durchgemachte Entwicklung seiner religiösen Anschauungen zum Ausdruck. Selbst das in der mündlichen Verhandlung beschriebene Heilungswunder an seinem Vater vor ca. vier Jahren vergleiche OZ 17, Sitzung 15) veranlasste den Erstbeschwerdeführer zu kaum mehr als dazu festzuhalten: "Dieses Ereignis hat mich in meinem Glauben noch mehr bestärkt und ich weiß, dass wenn ich von Herzen zu Gott bete, er mich auch erhört und er mir hilft." vergleiche OZ 17, Sitzung 15). Eine persönliche Identifikation des Erstbeschwerdeführers mit dem christlichen Glauben legt all dies nicht nahe. Hinzu tritt, dass der Erstbeschwerdeführer während seines Aufenthalts im Bundesgebiet durchaus eine gewisse Flexibilität an den Tag gelegt hat, was seine Konfession anbelangt, die ebenfalls nicht auf eine übermäßige Bindung an bestimmte religiöse Überzeugungen, sondern eher auf Gleichgültigkeit schließen lässt: Wie bereits erwähnt, besuchte der Erstbeschwerdeführer zunächst die römisch 40 . Aufgrund eines Umzuges innerhalb römisch 40 wechselte der Erstbeschwerdeführer nach ca. vier Jahren die Kirche und besuchte anschließend die Baptistenkirche römisch 40 vergleiche auch das vorgelegte Schreiben vom 4.11.2021, OZ 15). Religiöse Motive für den Wechsel der Kirche verneinte der Erstbeschwerdeführer: "Nein wir haben die Kirche nur gewechselt, weil wir unsere Wohnadresse gewechselt haben." vergleiche OZ 17, Sitzung 20). Auch den Wechsel in die nunmehr – seit etwas mehr als einem Jahr vergleiche das vorgelegte Schreiben vom 6.11.2021, OZ 15) – von ihm besuchte Evangelische Pfarrgemeinde A.B. römisch 40 erklärte der Erstbeschwerdeführer mit dem Wechsel seines Wohnsitzes vergleiche OZ 17, Sitzung 19). Dass sich der Erstbeschwerdeführer jemals näher mit den unterschiedlichen von ihm besuchten Kirchengemeinden auseinandergesetzt hätte, war nicht zu erkennen; konkrete Unterschiede religiöser Natur sowie im ausgeübten Ritus konnte er offensichtlich nicht ausmachen, wie folgender Dialog veranschaulicht: "RI: Was ist der Unterschied zwischen den Baptisten und der römisch 40 ? – P: Ich habe in den Inhalten keine Unterschiede bemerkt. In der Farsi-sprachigen Kirche und in der Baptistengemeinde hang in den Gebetsräumen nur ein Kreuz während in der römisch 40 ein Kreuz mit Jesus hängt. In den früheren Kirchengemeinden haben Pastoren normale Kleidung getragen, während in der römisch 40 der Pastor meistens ein schwarzes Gewand trägt mit einem weißen Kragen. – RI: Was ist der Unterschied vom religiösen Ritus her? – P: Ich habe keine religiösen Unterschiede bemerkt. In allen Kirchengemeinden wurde Jesus angebetet und einmal im Monat wurde das letzte Abendmahl gefeiert." vergleiche OZ 17, Sitzung 20 f). Zur Farsi-sprachigen Kirche gab der Erstbeschwerdeführer an: "Auch eine evangelische Kirche. Nachgefragt, soweit ich das verstanden habe, war es eine ähnliche Kirche wie die römisch 40 . Es war eine evangelische Kirche, keine Freikirche." vergleiche OZ 17, Sitzung 19). Das erkennende Gericht übersieht nicht, dass der Erstbeschwerdeführer in der römisch 40 (bei der römisch 40 [vgl. Taufzeugnis AS 113] handelt es sich im Übrigen entgegen der Darstellung des Erstbeschwerdeführers um ein Mitglied im Bund der evangelikalen Gemeinden in Österreich [BEG], welcher wiederum Mitglied der Freikirchen in Österreich [FKÖ] ist) und der römisch 40 an Gottesdiensten und Gemeindeveranstaltungen (Bibelkreis) teilgenommen hat vergleiche die vorgelegte Schreiben vom 30.3.2018, OZ 5, und vom 4.11.2021, OZ 15). In Anbetracht der vorstehenden Aussagen des Erstbeschwerdeführers bestehen jedoch massive Zweifel daran, dass er ernsthaft am Glaubensleben dieser Gemeinden teilgenommen hat, zumal er demnach weder die Glaubensrichtung der römisch 40 korrekt einordnen, noch – abgesehen von Äußerlichkeiten – Unterschiede zwischen der Baptistenkirche und der nunmehr besuchten Evangelischen Kirche A.B. wiedergeben konnte. Nach einer zentralen These oder einem zentralen Thema aus Martin Luthers Thesen befragt, führte der Erstbeschwerdeführer Folgendes aus: "Martin Luther war selbst Pfarrer einer kleinen Kirche. Damals war die Katholische Kirche sehr mächtig. Die Pfarrer haben Gläubigen das Paradies verkauft. Martin Luther war damit nicht einverstanden, dass sich die Pfarrer bereichern. Er hat in seinen Thesen geschrieben, dass gläubige Christen direkt zu Gott beten können und dass sie keinen Mittelsmann dafür benötigen und vor allem sollte dieser Kontakt zu Gott nicht durch Geld hergestellt werden. Er sagte auch, dass alle Gläubigen gleichgestellt sein sollten und dass nicht jemand der zum Papst ernannt wird ein Heiliger wäre. Er hat diese Thesen an einem Kirchentor angebracht." vergleiche OZ 17, Sitzung 25). Damit war der Erstbeschwerdeführer zwar in der Lage, das Auftreten Martin Luthers gegen den Ablasshandel der katholischen Kirche – in einfachsten Worten – darzulegen; die weiteren ins Treffen geführten Motive, etwa jenes vom nach katholischer Lehre angeblich benötigten "Mittelsmann", um zu Gott beten zu können, lassen kaum einen Bezug zu den 95 Thesen Luthers vergleiche dazu die deutsche Übersetzung auf der Homepage der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich; https://evang.at/glaube-leben/die-95-thesen/) erkennen. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Leben und Wirken Luthers sowie den Kernaussagen des evangelischen Glaubens nach dem Augsburger Bekenntnis war den wiedergegebenen Ausführungen des Erstbeschwerdeführers nicht anzusehen, was gerade vor dem Hintergrund seines hohen Bildungsgrades durchaus befremdet. Im Lichte dieser Feststellungen konnte ein besonders ausgeprägtes Bedürfnis des Erstbeschwerdeführers, sich mit den Glaubenslehren der evangelischen Kirche A.B. zu beschäftigen, nicht erblickt werden. Der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge einvernommene Pfarrer römisch 40 führte aus, dass der Erstbeschwerdeführer sich mit religiösen Fragen "viel im Internet beschäftigt"; manchmal habe der Zeuge das Gefühl, dass der Erstbeschwerdeführer auf esoterische Seiten komme. Der Erstbeschwerdeführer frage ihn dann, wie er das sehe. Aus Sicht des Zeugen gehe es dem Erstbeschwerdeführer "nicht um ein Wissen, was er vor Gericht preisgeben kann, sondern um ein Wissen, was ihn persönlich betrifft und auf seiner religiösen Suche begleitet." vergleiche OZ 17, Beilage Z, Sitzung 3). Das in der mündlichen Verhandlung über den Erstbeschwerdeführer erlangte Bild legt eine solche religiöse Suche und ein Streben nach – für sein persönliches Leben relevantem – Wissen nicht nahe. Es besteht insoweit eine erhebliche Diskrepanz zwischen den vom erkennenden Gericht unmittelbar im Rahmen einer ausführlichen Befragung des Erstbeschwerdeführers gewonnen Erkenntnissen und den Angaben des als Zeugen einvernommenen Pfarrers. An dieser Stelle ist auf das im Verfahren vorgelegte Schreiben des Pfarrers vom 6.11.2021 (OZ 15) einzugehen. Anhand dieses Schreibens wird deutlich vor Augen geführt, dass von Seiten des Erstbeschwerdeführers offensichtlich nicht nur gegenüber dem erkennenden Gericht, sondern auch gegenüber dem Pfarrer der Versuch unternommen wurde, einen bereits im Iran begonnen Weg der Hinwendung zum christlichen Glauben samt Schlüsselerlebnis (Filmszene über Jesus und die Ehebrecherin) und Hauskirchenbesuch – Umstände, die vom Gericht, wie oben dargelegt, als konstruiert und nicht der Wahrheit entsprechend erkannt wurden – glaubhaft zu machen und auf diese Weise bestehende innere Beweggründe und religiöse Motive der Kontaktaufnahme mit dem Christentum in Österreich vorzuspiegeln. Dies geht so weit, dass das konstruierte Fluchtvorbringen einen wesentlichen Teil des Schreibens des Pfarrers einnimmt und dieser den – vorgeblichen – Weg der Hinwendung des Erstbeschwerdeführers zum Christentum im Iran nachzeichnet. Als Zeuge hierzu befragt, erklärte der Pfarrer, dass der Erstbeschwerdeführer ihm das erzählt habe vergleiche OZ 17, Beilage Z, Sitzung 3). Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes muss in einem solcherart gelagerten Fall – in welchem die vom Gericht durch Befragung des Beschwerdeführers gewonnen Beweisergebnisse deutlich von den Angaben eines als Zeugen einvernommenen Pfarrers abweichen – im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, ob die seinem Pfarrer gegenüber dargelegten Beweggründe eines Asylwerbers der Wahrheit entsprechen oder nicht; dies gerade dann, wenn seine Angaben asyltaktische Motive erkennen lassen. Im konkreten Fall muss aufgrund der dargelegten Umstände jedenfalls davon ausgegangen werden, dass der Erstbeschwerdeführer gegenüber dem Pfarrer der Gemeinde (auch) asyltaktisch motiviert auftritt. Allein die Aussagen des Pfarrers, denen im Asylverfahren im Hinblick auf eine behauptete Konversion grundsätzlich eine besondere Bedeutung zukommt, können im gegenständlichen Einzelfall daher – insbesondere im Kontext der in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht kaum erkennbaren ernsthaften Beschäftigung des Erstbeschwerdeführers mit dem Christentum – nicht eine von innerer Überzeugung getragene tiefergehende Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben in einem identitätsstiftenden Sinne glaubhaft machen.
Zu seinem religiösen Leben in der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. römisch 40 gab der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst an, dass es jeden Sonntag um 9:30 Uhr einen Gottesdienst gebe; jeden Mittwoch gebe es um 18:30 Uhr ein Treffen zum Bibellesen vergleiche OZ 17, Sitzung 22). Vom erkennenden Gericht aufgefordert, über konkrete Situationen aus dem Bibelkreis zu erzählen, in welchen Teile der Bibel besprochen worden seien, führte der Erstbeschwerdeführer Folgendes aus: "Wir haben in den letzten vier Bibelstunden über die Geschichte Nehemia gelesen. Es geht um eine Person namens Nehemia, der den König mit Wein beliefert. Als er eines Tages sein eigenes Dorf besucht sind die Menschen dort sehr traurig, weil die Dorfmauern zerstört wurden und das Dorf immer wieder ausgeraubt wird. Nehemia ist sehr traurig, er weint und bittet Gott um Hilfe. Als er wieder zum König geht und ihm Wein bringt, fragte ih[n] der König was mit ihm los ist. Er erklärt dem König sein Problem und daraufhin beauftag[t] der König ihn, mit dem Bau dieser Mauer. Nehemia baut dann mit den Dorfbewohnern wieder die Mauer auf. Den Namen dieses Dorfes habe ich leider vergessen, ich weiß noch, dass es in der Geschichte eine weitere Person namens Esra gibt." vergleiche OZ 17, 23). Warum gerade diese Stelle besprochen worden sei, konnte der Erstbeschwerdeführer nicht sagen; die Themen im Bibelkurs suche der Pfarrer aus vergleiche OZ 17, Sitzung 23). Diese Ausführungen zeigen nach Ansicht des erkennenden Gerichtes, dass der Erstbeschwerdeführer zwar sehr wohl am Bibelkreis der Gemeinde teilnimmt und die dort besprochenen Themen in Grundzügen wiedergeben kann. Dass der Erstbeschwerdeführer die vermittelten biblischen Inhalte jedoch in sein persönliches Leben einordnen und als Maßstab für seinen Glauben ansehen würde, vermochte er allerdings nicht aufzuzeigen. So offenbart bereits der Umstand, dass der Erstbeschwerdeführer den Namen des "Dorfes" in der wiedergegebenen Erzählung nicht nennen konnte – obwohl es sich dabei um Jerusalem selbst handelt vergleiche Buch Nehemia 1,1 ff) – dass es ihm wohl kaum auf eine nähere Beschäftigung mit den vermittelten biblischen Erzählungen und den darin transportierten Glaubensaussagen ankommt. Der beim Erstbeschwerdeführer fehlende Bezug zu seinem persönlichen Leben wird schließlich dadurch unterstrichen, dass der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge einvernommene Pfarrer römisch 40 die Themenwahl eigentlich bewusst aus aktuellem Anlass getroffen hatte: "Nachgefragt zu den Gründen der Themenwahl, der Hintergrund war der Wiederaufbau, Covid hat viele Gemeinden in den 'Schlaf' versetzt. Ich dachte, dass um diese Zeit jetzt die Coronakrise vorbei ist und deswegen habe ich das Thema Wiederaufbau gewählt." vergleiche OZ 17, Beilage Z, Sitzung 3). Dass der Erstbeschwerdeführer die Bedeutung der besprochenen Themen eigenständig reflektieren und auf sein persönliches Leben umlegen würde, ist damit nicht sichtbar geworden. Dass der Erstbeschwerdeführer – wie der Pfarrer ausführte – zu den engagierten Mitgliedern der Gemeinde gehöre, auch weil er die Kleingruppe besuche vergleiche OZ 17, Beilage Z, Sitzung 4), kann vor diesem Hintergrund schwerlich nachvollzogen werden. Ganz allgemein war der Erstbeschwerdeführer im Verfahren kaum in der Lage, die Bedeutung des christlichen Glaubens für sein Leben darzulegen: "Im Leben gibt es immer Probleme. Früher als ich noch nicht Christ war, habe ich versucht gegen diese Probleme anzukämpfen. Mittlerweile bin ich sehr gelassen. Ich akzeptiere alles was auf mich zukommt und ich schließe daraus, dass es eine Lehre ist. Ich begegne in verschiedenen Situationen unterschiedlichen Menschen und daraus schließe ich, dass ich von jedem Menschen was Anderes lernen kann." vergleiche OZ 17, 24). Woraus genau – aus welchen religiösen Motiven oder Glaubenslehren – sich die vom Erstbeschwerdeführer nach diesen Ausführungen durch den christlichen Glauben erlangte Gelassenheit speist, führte der Erstbeschwerdeführer ebenso wenig aus, wie er konkrete Situationen darstellte, in denen die solcherart beschriebene Einstellungs- und Verhaltensänderung zur Geltung gekommen wäre, sodass seine Antwort – gerade in Ansehung des Umstandes, dass der Erstbeschwerdeführer bereits seit über sieben Jahren religiöse Aktivitäten im Bundesgebiet entfaltet – eher phrasenhaft wirkt. Über Aufforderung des erkennenden Gerichtes, fünf christliche Werte zu nennen und zu erklären, wie er diese lebe, gab der Erstbeschwerdeführer an: "Wenn ich manchmal in einer Situation bin, in der ich keine Entscheidung treffen kann, überlege ich, wie Jesus sich in dieser bestimmten Situation verhalten würde und wofür sich er entscheiden würde. Das ist für mich sehr wertvoll. Ich versuche natürlich mein Leben nach den 10 Geboten zu richten und diese zu beachten, ich möchte wie ein wahrer Christ leben. Ich liebe meine Mitmenschen so, wie ich mich selbst liebe und wenn ich ihnen helfe, ist es als ob ich mir selbst geholfen hätte. Ich erwarte mir von anderen keine Dankbarkeit, sondern ich bin dankbar, wenn ich jemanden helfen kann." vergleiche OZ 17, Sitzung 24). Der Erstbeschwerdeführer stellt damit die gelebte Nächstenliebe in den Vordergrund seiner religiösen Wertvorstellungen ("Ich liebe meine Mitmenschen so, wie ich mich selbst liebe.") – doch eben dieser Aspekt wird durch seine Ausführungen vor dem erkennenden Gericht nur in sehr überschaubarem Maße abgebildet. So gab der Erstbeschwerdeführer auf die Frage, wie er den christlichen Glauben in Österreich lebe, etwa Folgendes an: "Wenn ich sehe, dass jemand beim Treppensteigen Schwierigkeiten hat und eine Pause macht dann bleibe ich kurz stehen und bete für diese Person. Ich versuche nicht viel Nachrichten zu hören aber wenn ich über den Krieg in einem bestimmten Land höre, z.B. Afghanistan und bete für Frieden in diesem Land und stelle mir den Frieden auch vor. Gott hat gesagt, dass wir das Licht der Welt sind. Ich fühle das und sehe auch andere Menschen in diesem Licht." vergleiche OZ 17, Sitzung 24). Dass es dem Erstbeschwerdeführer ein besonderes Bedürfnis in der lebenspraktischen Ausübung des christlichen Glaubens wäre, hilfsbedürftigen Menschen tatsächliche Hilfe angedeihen zu lassen bzw. diese durch konkrete Taten zu unterstützen, geht aus seinen Angaben gerade nicht hervor. Das Gericht übersieht nicht, dass sich der Erstbeschwerdeführer in der Vergangenheit als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Wiener Tafel engagiert hat (so legte er eine vom 27.4.2016 datierende Bestätigung über eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Mitarbeiter ab November 2015 vor; vergleiche AS 117) und aktuell in seiner Unterkunft immer wieder Hilfstätigkeiten leistet vergleiche die vorgelegte Bestätigung, OZ 15); in Anbetracht des Umstandes, dass er sich jedoch ansonsten weder karitativ noch sonst ehrenamtlich betätigt engagiert, vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass der diakonische Gedanke gleichsam zum Teil seiner Identität geworden wäre und die Ausübung der christlichen Nächstenliebe in seinem Alltag eine zentrale Rolle einnehmen würde. Seine Antwort auf die Frage des erkennenden Gerichtes, wie er versuche, die Lehren der Bibel in seinem täglichen Leben umzusetzen, lässt ebenso wenig fassbare Bestrebungen, sein eigenes Handeln am Maßstab der biblischen Überlieferung auszurichten und diese in die Tat umzusetzen, erkennen. So führte er lediglich aus, dass er versuche, "den Menschen im Licht zu sehen", sich vorzustellen, dass "Menschen von einem goldenen Licht umgeben sind" vergleiche OZ 17, Sitzung 25 f); ferner schilderte er eine (imaginierte) Lichterscheinung bzw. Vision vergleiche OZ 17, Sitzung 26). Durch diese – eine echte lebenspraktische Bedeutung der Bibel nicht einmal erahnen lassenden – Angaben des Erstbeschwerdeführers werden nach Ansicht des erkennenden Gerichtes die Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung als Zeugen einvernommenen Pfarrers römisch 40 , wonach der Erstbeschwerdeführer mit der Bibel vertraut sei und ihr diese Texte als Lebensorientierung dienen würden vergleiche OZ 17, Beilage Z, Sitzung 3) doch in erheblichem Maße relativiert.
Das Gericht verkennt nicht, dass der Erstbeschwerdeführer die Gottesdienste der Gemeinde besucht und über grundlegendes Wissen über die christlichen Feste im Jahreskreis verfügt vergleiche OZ 17, Sitzung 25). Als Grund für den Besuch von Gottesdiensten führte der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen die dortige Gemeinschaft an: "Nach der Taufe bleibt uns die christliche Gemeinschaft und es ist sehr wertvoll, wenn man sich mit anderen Gemeindemitgliedern treffen kann, weil alle das gleiche Ziel verfolgen und den einen Gott anbeten. Es ist ein ganz anderes Gefühl, wenn man in einer Gemeinschaft betet als alleine." vergleiche OZ 17, Sitzung 24). Der Zeuge – der den Erstbeschwerdeführer eigenen Angaben zufolge nur in der Kirche erlebt – erklärte hierzu, dass ihm auffalle, dass sich der Erstbeschwerdeführer ganz bewusst am freien Gebet beteilige vergleiche OZ 17, Beilage Z, Sitzung 3). In seinem Schreiben vom 6.11.2021 (OZ 15) hatte der Zeuge – an die Begegnungen mit dem Erstbeschwerdeführer anknüpfend – auch ausgeführt, dass er von der seiner Konversion überzeugt sei. Auf entsprechendes Befragen durch die Rechtsvertreterin, ob er das Gefühl habe, dass der Erstbeschwerdeführer den Glauben verinnerlicht habe und wenn ja, wie sich dies äußere, bejahte der Zeuge dies und fügte dem hinzu: "Einerseits spürt man das, ich glaube schon, dass ich das als Pfarrer mit Berufserfahrung weiß. Das Andere ist die Beteiligung am freien Gebet. Wenn jemand beginnt frei und mit eigenen Worten zu beten, zeigt es mir persönliche Betroffenheit. Ich merke es auch an der Art der Fragen, die mir die P1 stellt. Z.B. diese esoterischen Fragen und wie er sich beim Bibelgespräch beteiligt und wie er auf diese Texte eingeht. Ich versuche das auf eine persönliche Ebene zu bringen. Die P1 steigt dann voll darauf ein." vergleiche OZ 17, Beilage Z, Sitzung 4). Das Gericht geht jedenfalls davon aus, dass sich der Erstbeschwerdeführer am Gebet in der Kirche beteiligt; ein inneres Bedürfnis, den christlichen Glauben in der Form des Gebetes zu leben, war im Lichte der insgesamt kaum erkennbaren Identifikation des Erstbeschwerdeführer aber nicht anzunehmen. Es wird nicht übersehen, dass der als Zeuge einvernommene Pfarrer seine Beteiligung am freien Gebet hervorhob und als Zeichen einer persönlichen Betroffenheit ansieht. Gerade vor dem Hintergrund des im Zuge seiner ausführlichen Befragung in der mündlichen Verhandlung praktisch nicht hervorgetretenen persönlichen Zugangs des Erstbeschwerdeführers zu den Glaubenslehren des Christentums und – insbesondere – eines ausgeprägten Bedürfnisses, diese auch in seinem Alltag zu verwirklichen und sein Leben danach auszurichten, war diesem Aspekt aber kein übertriebenes Gewicht beizumessen. Darüber hinaus gab der Pfarrer in seiner Einvernahme an, dass der Erstbeschwerdeführer meistens auf Farsi bete, sodass er es nicht verstehe vergleiche OZ 17, Beilage Z, Sitzung 3). Auch die – an dieser Stelle abermals ins Treffen geführte – Beschäftigung des Erstbeschwerdeführers mit esoterischen Themen vermag beim erkennenden Gericht angesichts der mittlerweile seit mehreren Jahren im Bundesgebiet ausgeübten religiösen Betätigung des Erstbeschwerdeführers nicht den Eindruck einer gefestigten evangelisch-christlichen Glaubensüberzeugung zu hinterlassen und kann das Gericht ebenso wenig erkennen, inwiefern gerade dieser Umstand für die innere Überzeugung des Erstbeschwerdeführers vom Christentum sprechen solle, wobei darauf hingewiesen wird, dass der Erstbeschwerdeführer gerade vor dem Hintergrund seiner Aufenthaltsdauer nicht mehr am Beginn seiner religiösen Auseinandersetzung mit dem Christentum, gleichsam einer Orientierung durch Abgrenzung seines Glaubens von esoterischen Inhalten, stehen müsste. Zuletzt war zu konstatieren, dass die Befragung des Erstbeschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung auch eine besondere Teilhabe an Bibelgesprächen, welche auf einer persönlichen Ebene für seine eigene Lebensführung eine besondere Bedeutung entfalten würde – gerade nicht ergeben hat vergleiche dazu insbesondere die obigen Ausführungen zum Bibelkreis).
Damit hat das Beweisverfahren im Ergebnis eine Identifikation des Erstbeschwerdeführers mit dem Christentum nicht ergeben. Für das erkennende Gericht steht demnach fest, dass der Erstbeschwerdeführer sich nicht aus innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt und keine ernsthafte Konversion zum Christentum vollzogen hat. Aus den Umständen heraus, dass der Erstbeschwerdeführer über grundlegendes Wissen über die christliche Religion verfügt, die Taufe empfangen hat und den Gottesdienst sowie Bibelkreis der Gemeinde besucht, kann nach den Umständen des Einzelfalles – unter Berücksichtigung der Aussage des in der Beschwerdeverhandlung als Zeugen einvernommenen Pfarrers – nicht darauf geschlossen werden, dass der Erstbeschwerdeführer den christlichen Glauben als Teil seiner Identität angenommen hätte, insbesondere weil der Erstbeschwerdeführer einen persönlichen Bezug zum Christentum und den von einer inneren Überzeugung getragenen Willen, sein Leben im christlichen Glauben zu gestalten, nicht glaubhaft machen konnte.
2.2.3. Zum religiösen Leben der Zweitbeschwerdeführerin:
Die Zweitbeschwerdeführerin beschrieb den Islam in der mündlichen Verhandlung dahingehend, dass sie in der Schule Religionsunterricht gehabt hätte; sie hätten den Koran lesen müssen. Im Unterricht sei ihnen erklärt worden, was der Islam sei und wie sie sich als Muslime verhalten müssten und was der Islam von ihnen möchte. Zuhause sei ihre Mutter diejenige gewesen, die der Zweitbeschwerdeführerin und ihrer Schwester viel über den Islam erklärt habe. Sie sei selber streng gläubig gewesen und habe auch von ihnen erwartet, dass sie den Islam ausüben vergleiche OZ 10, Sitzung 8 f). Diesen nunmehrigen Ausführungen der Zweitbeschwerdeführerin stehen ihre Angaben vor dem BFA entgegen, wo sie noch angegeben hatte, eine freie Erziehung genossen zu haben; von einem strenggläubigen Elternhaus war bei dieser Gelegenheit noch keine Rede vergleiche AS 124). Auf die Frage des erkennenden Gerichtes, in welcher Situation sie das erste Mal das Bedürfnis gehabt hätte, sich vom Islam abzuwenden und warum der Islam für sie nicht mehr ausreichend und akzeptabel gewesen sei, antwortete die Zweitbeschwerdeführerin, sie habe "schon immer das Gefühl" gehabt, dass der Islam für sie "nicht passend sei". Sie hätte viele Fragen gehabt. Mit 23 Jahren habe sie dann den Entschluss gefasst, nicht mehr am Islam festzuhalten. Sie sei der Meinung gewesen, dass der Islam eine Beleidigung für Frauen sei und wenn sie als Frau an diesem Glauben festhalte, dann würde sie damit nicht nur sich selbst, sondern auch alle anderen Frauen verraten vergleiche OZ 20, Sitzung 9). Diese eher vagen und im Wesentlichen unkonkreten Angaben der Zweitbeschwerdeführerin stellen eine der behaupteten Abwendung vom Islam vorangegangene kritische Auseinandersetzung nicht nachvollziehbar dar. So erklärte die Zweitbeschwerdeführerin zwar, viele Fragen gehabt zu haben – ging aber mit keinem Wort näher auf ebendiese Fragen ein. Ebenso gab sie an, mit 23 Jahren den Entschluss gefasst zu haben, nicht mehr am Islam festzuhalten – was aber tatsächlich den Ausschlag dafür gegeben habe, dass sie (ausgerechnet) zu diesem Zeitpunkt zur Überzeugung gelangt sei, dass der Islam eine Beleidigung für Frauen sei und die Ausübung dieser Religion einem Verrat an den Frauen gleichkommen würde, führte sie nicht aus. Dies erscheint insofern verwunderlich, als sie zwar ihr exakte Lebensalter bei ihrer behaupteten Abwendung vom Islam nennen konnte, ein bestimmtes mit ebendieser Abwendung vom Islam verbundenes Ereignis oder eine konkrete Situation, welche den dargelegten Einsichten schließlich zum Durchbruch verholfen hätte, legte sie aber – trotz entsprechender Fragestellung des Gerichtes – nicht dar. Soweit die Zweitbeschwerdeführerin schließlich angab, dass sie auf der "Suche nach einem anderen Weg, um weiterhin mit Gott in Kontakt sein zu können und um Gott besser kennenzulernen" gewesen sei vergleiche OZ 17, Sitzung 9), wirkt dies bloß phrasenhaft, zumal sie in keiner Weise aufzeigte, inwiefern sie sich im Zeitraum bis zu ihrem angeblichen ersten Kontakt mit dem Christentum im Jahr 2012 mit dem Glauben oder der Religion beschäftigt hätte. Wie bereits der Erstbeschwerdeführer gab auch die Zweitbeschwerdeführerin – abgesehen von im Religionsunterricht vermittelten Kenntnissen über das Christentum – als ersten Kontakt mit dem Christentum das Ansehen einer Filmszene über Jesus und die Ehebrecherin an und führte dazu aus: "Mich hat diese Antwort [Jesu; Anm.] sehr überrascht. Ich habe diese Antwort für sehr intelligent und überlegt gehalten. Jesus-Sichtweise war eine vollkommen andere. Diese Filmszene hat dann mein Interesse an Jesus geweckt." vergleiche OZ 20, Sitzung 9). Weshalb gerade diese Filmszene die Zweitbeschwerdeführerin derart berührt habe, dass sie sich – nach Jahren, in denen sie keinerlei religiösen Glauben ausgeübt hatte – fortan im Geheimen mit dem Christentum beschäftigen sollte, erklärte sie nicht. Die Zweitbeschwerdeführer vermochte auch nicht schlüssig darzulegen, weshalb sie sich schließlich ein ganzes Jahr lang mit dem Christentum beschäftigt habe, sodass sie sich "ausreichend über das Christentum informiert hatte und ich dann von diesem Glauben überzeugt war." vergleiche OZ 20, Sitzung 10). Auf die Frage, was inhaltlich ihr Interesse am Christentum gezweckt habe, gab sie Folgendes an: "Ich habe den Islam sehr streng und aggressiv erlebt. Als ich mit dem Christentum in Berührung gekommen bin, habe ich im Evangelium gelesen, dass Jesus uns sagt, wir sollen liebevoll mit anderen umgehen und wir sollen verzeihen und nicht über andere richten. Ich habe immer wieder gelesen, dass wir Vergeben sollen. Diese Inhalte haben dazu geführt, dass ich mich für den christlichen Glauben entschieden habe. Im Islam haben Frauen kaum Rechte. Sie sind nur halb so viel wert wie ein Mann. Frauen werden nicht respektiert und sie werden schlecht behandelt. Jesus hat alle Menschen zum Christentum eingeladen. Er hat gesagt, dass es diesen Weg der Rettung für alle gibt. Er hat nicht zwischen Mann und Frau unterschieden sondern sie gleichbehandelt." vergleiche OZ 20, Sitzung 10). Damit gründet die Zweitbeschwerdeführerin ihre Antwort im Wesentlichen auf eine – eher holzschnittartige anmutende – Dichotomie zwischen "strengem und aggressiven" Islam und "liebevollem und vergebenden" Christentum. Inwiefern konkret ihr "der Islam" streng und aggressiv entgegengetreten sei, legte die Zweitbeschwerdeführerin nicht offen. Vor diesem Hintergrund und eingedenk des Umstandes, dass Gott sehr wohl auch im Koran als barmherzig und gnädig vergleiche bereits die Eröffnungssure des Korans [1:1, 1:3]; sowie beispielhaft die Sure 59:22) sowie als jemand, der auch vergeben kann und vergibt vergleiche die Suren 29:7 und 57:28), beschrieben wird, erscheinen diese Ausführungen der Zweitbeschwerdeführerin nicht als geeignet, für sich allein eine Hinwendung zum Christentum tragen zu können. Schließlich begründete die Zweitbeschwerdeführerin auch nicht, weshalb ihr – im Hinblick auf ihr persönliches Leben – gerade die Aspekte der Vergebung und des nicht-über-andere-Richtens von zentraler Bedeutung erschienen seien. Das Gericht übersieht im Hinblick auf die weiteren Ausführungen der Zweitbeschwerdeführerin keineswegs die vielfach von Schwierigkeiten geprägte gesellschaftliche Situation der Frauen im Iran, dass aber – und dahingehend lautete die Frage des erkennenden Gerichtes – der erwähnte Aspekt, dass Jesus nicht zwischen Mann und Frau unterschieden und alle Menschen zum Christentum eingeladen habe, inhaltlich das Interesse der Zweitbeschwerdeführerin am Christentum gezweckt habe, erhellt nicht. Welche konkreten religiös-theologischen Lehren des Christentums nun die angeblich über ein Jahr andauernde Auseinandersetzung der Zweitbeschwerdeführerin mit dem christlichen Glauben motiviert hätten, war auf dieser Grundlage letztlich nicht erkennbar. Ein allfälliges Schlüsselerlebnis für ihre Hinwendung zum Christentum konnte die Zweitbeschwerdeführerin ebenfalls nicht nennen, sondern bekräftige auf die entsprechende Frage des Gerichtes bloß die ihrer Ansicht nach zwischen Islam und Christentum bestehenden Gegensätze. Wenn die Zweitbeschwerdeführerin in diesem Zusammenhang etwa angab, dass Jesus für den Frieden gekommen sei und gewollt habe, dass die Menschen Vergebung fänden, barmherzig seien und Liebe verbreiten, man im Islam hingegen Gott um Vergebung bitten müsse, es aber auch sein könne, dass Gott manchen Menschen nicht vergebe und sie bestrafe, im Christentum aber Jesus gesagt habe, dass – sobald man den christlichen Glauben annehme – man Vergebung finde und das Christentum der einzige Weg sei, um gerettet zu werden vergleiche OZ 20, Sitzung 10), fügen sich diese Ausführungen zwar in das von Gegensätzen dominierte Bild der Zweitbeschwerdeführerin über die genannten Religionen ein, lassen aber kaum auf eine tiefergehende Auseinandersetzung mit diesen schließen. So unterstrich die Zweitbeschwerdeführerin auf konkrete Nachfrage nochmals, dass im Islam nicht alle Menschen Vergebung fänden, "sondern manche für ihre Sünden bestraft werden"; im Christentum sei das nicht der Fall vergleiche OZ 20, Sitzung 10). Dass sich die Zweitbeschwerdeführerin ernsthaft mit den religiösen Lehren des Christentums auseinandergesetzt hätten, leuchtet aus diesen Angaben nicht hervor, legt doch gerade die biblische Überlieferung der Worte Jesu durchaus gänzlich anderes nahe vergleiche nur – besonders markant – Mt 25,41 ff), was jedoch von der Zweitbeschwerdeführerin völlig außer Acht gelassen wird; dies, obwohl sie vor dem erkennenden Gericht sogar angab, im Iran im Internet recherchiert und die Bibel gelesen zu haben vergleiche OZ 20, Sitzung 9). Beim erkennenden Gericht entstand in der mündlichen Verhandlung eher der Eindruck, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin lediglich möglichst vom Islam abgegrenzt darstellen wollte, was ihr auf diese Weise jedoch nicht gelang. Zum weiteren Ablauf der Ereignisse im Iran gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie einer zum Christentum konvertierten Freundin von der Filmszene erzählt habe; diese habe ihr "weitere Dinge" zu diesem Film erklärt und ihr in der Folge auch eine Bibel geschenkt und ihr auch "sonstige Materialen" zum Lesen gegeben vergleiche OZ 20, Sitzung 11). Was sie mit ihrer Freundin über besagte Filmszene gesprochen habe, konnte sie auf Nachfrage nicht angeben; es seien "einige andere Dinge aus der Bibel" gewesen vergleiche OZ Sitzung 20, Sitzung 13). Diese Antwort erscheint insofern bemerkenswert, als die Zweitbeschwerdeführerin einerseits gerade das Ansehen der Filmszene über Jesus und die Ehebrecherin – gleichsam als Initialzündung – ins Zentrum ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben zu rücken versuchte, andererseits aber nicht einmal angeben konnte, was ihre – ins Vertrauen gezogenen – Freundin ihr nun dazu erläutert habe, geschweige denn erklären konnte, inwiefern sie dieses Gespräch mit ihrer Freundin in der weiteren Auseinandersetzung mit der Bibel und dem Christentum bestärkt habe. Die Ausführungen der Zweitbeschwerdeführerin erschöpften sich im Wesentlichen darin, dass sie mit ihrer Freundin "offen über mein Interesse am Christentum sprechen" habe können vergleiche OZ 20, Sitzung 11) – ohne vor dem erkennenden Gericht auch nur einen einzigen konkreten Gesprächsinhalt zu offenbaren. Zum angeblichen Besuch einer Hauskirche im Iran führte die Zweitbeschwerdeführerin – ungeachtet der obigen Ausführungen, wonach der Besuch einer solchen Hauskirche schon angesichts der aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten in ihrem Aussageverhalten vollkommen unglaubhaft war – im Wesentlichen aus, dass sie mit ihrer Freundin gesprochen und sie gefragt habe, ob es die Möglichkeit gebe, an Treffen in einer Hauskirche teilzunehmen. Das erste Mal habe sie dann im Jahr 2013 an einem solchen Treffen teilgenommen; es habe alle zwei Wochen ein Treffen gegeben und habe die Zweitbeschwerdeführerin versucht, so regelmäßig wie möglich dort hinzugehen vergleiche OZ 20, Sitzung 11). Konkrete Angaben zu den angeblichen Hauskirchenbesuchen (etwa zum Ablauf, zu besprochenen religiösen Themen etc.) machte die Zweitbeschwerdeführerin nicht; über Aufforderung durch ihre Rechtsvertreterin, von der Hauskirche zu erzählen, führte sie ebenso lediglich aus: "Wir haben die Treffen an drei Orten abgehalten. Einmal im Haus meiner Freundin. Dann bei einer anderen Dame namens römisch 40 . Sie hatte einen Kindergarten und in diesem Kindergarten haben wir uns auch getroffen. Es gab auch einige Treffen im Haus unseres Leiters namens römisch 40 . Wir waren insgesamt sieben Personen." vergleiche OZ 20, Sitzung 13). Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass an dieser Stelle das "Haus unseres Leiters namens römisch 40 " erwähnt wird; an anderer Stelle in der mündlichen Verhandlung war hingegen die Rede davon, dass "die Mitglieder unserer Hauskirche, vor allem die Leiterin" von den iranischen Behörden festgenommen worden seien vergleiche OZ 20, Sitzung 12; Hervorhebung durch das Gericht). Die dargestellten Erwägungen unterstreichen noch, dass jedenfalls ausgeschlossen werden konnte, dass die Zweitbeschwerdeführerin im Iran den christlichen Glauben durch den Besuch einer Hauskirche ausgelebt hat. Im Ergebnis geht das Gericht auch im Falle der Zweitbeschwerdeführerin davon aus, dass sich diese nicht bereits im Iran der christlichen Religion ernsthaft zugewandt hat und ihr diesbezügliches Vorbringen allein die Glaubhaftmachung von Ausreisegründen und Begründung ihrer unmittelbar nach Einreise in das Bundesgebiet gesetzten religiösen Aktivitäten bezweckt.
Zu ihrem ersten Kontakt mit dem Christentum in Österreich führte die Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung aus, dass sie eine Woche, nachdem sie nach Österreich gekommen seien, mit Freunden ihrer Schwester in die farsi-sprachige Kirchengemeinde in Österreich gegangen seien vergleiche OZ 20, Sitzung 13). Dass der Wahl ihrer Kirche eine gewisse Orientierung über die unterschiedlichen christlichen Konfessionen oder bestimmte religiös-theologische Überlegungen vorangegangen wären, legte sie nicht dar. Dies befremdet insofern, als sie in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund zu stellen versuchte, dass sie den Islam als "aufgezwungene" Religion empfunden habe vergleiche OZ 20, Sitzung 16), – sohin die fehlende Bestimmungsfreiheit monierte. Daran anknüpfend erhellt jedoch nicht, weshalb sie sogleich nach ihrer Ankunft im Bundesgebiet einfach eine ihr vermittelte Kirche besuchen sollte, zumal sie auch in keinerlei Hinsicht aufzeigen konnte, dass der Wahl dieser Konfession ein von bestimmten Glaubensüberzeugungen getragener, bewusster und überlegter Entschluss zugrunde gelegen wäre. Weshalb sie sich in der Folge gerade in dieser Kirche habe taufen lassen wollen, erklärte sie ausschließlich damit, dass "[d]ie Freunde meiner Schwester" ihnen "diese Kirche vorgestellt" hätten, "weil dort Farsi gesprochen wurde". Sie habe kein Deutsch gekonnt und sei deshalb eine andere Kirche für sie nicht in Frage gekommen vergleiche OZ 20, Sitzung 14). Diese durchwegs profanen Erwägungen der Zweitbeschwerdeführerin – welche die sprachliche Verständlichkeit einer selbstbestimmten Religionswahl überordnet – lässt die Kontaktaufnahme mit der römisch 40 nicht als einen Ausdruck einer religiösen Überzeugung erscheinen, zumal die Zweitbeschwerdeführerin auch nicht aufzeigen konnte, warum es ihr nicht möglich gewesen wäre, so weit Deutsch zu lernen, dass ihr auch der Besuch einer – deutschsprachigen – Gemeinde anderer Konfession möglich gewesen wäre. Auf Nachfrage des erkennenden Gerichtes räumte die Zweitbeschwerdeführerin offen ein, dass sie sich mit den anderen Glaubensrichtungen des Christentums nicht näher auseinandergesetzt habe; dafür gebe es keinen bestimmten Grund. In Österreich sei die erste Kirche, die sie besucht hätte, evangelisch gewesen. Später habe sie dann erfahren, dass es auch den katholischen Zweig gebe vergleiche OZ 20, Sitzung 15). Diese Angaben führen eindrucksvoll vor Augen, dass es der Zweitbeschwerdeführerin ausschließlich um eine möglichst rasche Kontaktaufnahme mit einer christlichen Kirche im Bundesgebiet angekommen ist; anders ist es nicht zu erklären, dass sie erst im Nachhinein von der – bei weitem – mitgliederstärksten christlichen Konfession in Österreich, der römisch-katholischen Kirche, erfahren habe. Dieser Umstand lässt nach Ansicht des Gerichtes die asyltaktische Motivation der Zweitbeschwerdeführerin deutlich hervortreten. Soweit die Zweitbeschwerdeführerin an dieser Stelle darauf hinzuweisen suchte, dass die "Hauskirche im Iran" auch "evangelisch" gewesen sei vergleiche OZ 20, 15), verstärkt dies – ob des bereits als konstruiert erkannten Vorbringens zu diesem Themenkreis – den Eindruck des Gerichtes noch. Auf die Frage des erkennenden Gerichtes, warum sie sich taufen lassen wollte, antwortete die Zweitbeschwerdeführerin: "Mit der Taufe bekennen wir uns offiziell zum Christentum. In meinem Fall war es so, dass ich Zeugnis über mein früheres Leben abgeleget habe, nämlich wer ich war und mich dann zum Christentum bekannt habe und auch gesagt habe, wie sich mein Leben durch den christlichen Glauben verändert hat. Die Taufe symbolisiert den To[d] und die Wiederauferstehung Jesus. Jesus hat sich für unsere Sünden geopfert und er ist für uns am Kreuz gestorben. Durch die Taufe wurde mir ein neues Leben als Christin geschenkt. Ich wurde von meinen Sünden reingewaschen und bin auch offizielles Mitglied der Kirchengemeinde geworden." vergleiche OZ 20, Sitzung 14). Die vom erkennenden Gericht erfragten konkreten Gründe für ihren Taufentschluss legte die Zweitbeschwerdeführerin nur insofern dar, als es ihr drauf angekommen sei, sich "offiziell" zum Christentum zu bekennen, "offizielles Mitglied der Kirchengemeinde" geworden zu sein. Welche Überlegungen ihrem Taufentschluss vorangegangen seien – aus welchen Erwägungen sie sich schließlich für die Taufe entschieden habe – lässt sich ihrer Antwort nicht entnehmen. Das erkennende Gericht übersieht an dieser Stelle nicht, dass die Zweitbeschwerdeführerin eine ca. achtmonatige Taufvorbereitung besucht hat vergleiche OZ 20, Sitzung 14). Auf die Frage, was im Taufunterricht unterrichtet worden sei, antwortete sie jedoch eher mit allgemeinen Ausführungen; auf konkrete im Rahmen der Taufvorbereitung erörterte Themen, welche etwa einen Denkprozess in Gang gesetzt und sie darin bestärkt hätten, die Taufe empfangen zu wollen, bezog sie sich nicht. Das erkennende Gericht kann angesichts dessen nicht nachvollziehen, auf welcher religiösen Grundlage in der Zweitbeschwerdeführerin der innere Entschluss herangereift sei, die Taufe zu empfangen. Die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin hierzu waren durchwegs unkonkret und kaum greifbar ("In meinem Fall war es so, dass ich Zeugnis über mein früheres Leben abgeleget habe, nämlich wer ich war und mich dann zum Christentum bekannt habe und auch gesagt habe, wie sich mein Leben durch den christlichen Glauben verändert hat.") oder stellen lediglich einen Abriss der christlichen Lehre dar ("Jesus hat sich für unsere Sünden geopfert und er ist für uns am Kreuz gestorben."), ohne erkennen zu lassen, inwiefern die Zweitbeschwerdeführerin diese Aspekte in ein Verhältnis zu ihrem eigenen Leben und ihrem Taufentschluss setzt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die beschriebenen Wirkungen der Taufe ("Durch die Taufe wurde mir ein neues Leben als Christin geschenkt. Ich wurde von meinen Sünden reingewaschen [..]") beinahe wie einstudiert. Dieses Bild ergibt sich vor allem im Zusammenhalt mit den Ausführungen der Zweitbeschwerdeführerin über Aufforderung des erkennenden Gerichtes, ihre Eindrücke von ihrer Taufe zu beschreiben: "Ich bin gemeinsam mit meinem Mann und einigen anderen gläubigen Christen getauft worden. Ich habe weiße Kleidung getragen. Der Pastor hat für mich gebetet. Ich habe mich zum christlichen Glauben bekannt und wurde dann vom Pastor ins Wasser getaucht. Als ich aus dem Wasser aufgetaucht bin, war sich sehr aufgeregt und ich hatte das Gefühl, dass ich von einer Last befreit wurde. Ich hatte das Gefühl, dass ich mit Jesus gestorben bin und als Christin mit Jesus wiederauferstanden bin. Mir wurde ein neues Leben geschenkt und ich hatte, tatsächlich das Gefühl, dass ich von allen meinen Sünden befreit wurde. Nachgefragt, ich wurde in der Farsi-sprachigen Kirchengemeinde getauft." vergleiche OZ 20, Sitzung 14). Damit gab die Zweitbeschwerdeführerin zunächst ein durchaus nachvollziehbares Bild über den Ablauf des Taufvorganges. Dass sie hingegen jene tiefgreifenden Glaubenserfahrungen, welche sie im Zuge ihrer Taufe erlebt habe vergleiche "Ich hatte das Gefühl, dass ich von einer Last befreit wurde."; "Ich hatte das Gefühl, dass ich mit Jesus gestorben bin und als Christin mit Jesus wiederauferstanden bin."; "Mir wurde ein neues Leben geschenkt und ich hatte, tatsächlich das Gefühl, dass ich von allen meinen Sünden befreit wurde.") im Anschluss daran lediglich angedeutet hat, ohne jedes weitere Wort darüber zu verlieren, zeigt aus Sicht des erkennenden Gerichtes auf, dass die Zweitbeschwerdeführerin in Wahrheit wohl kaum derartige Empfindungen wie beschrieben verspürt hat, sondern vielmehr einstudierte Phrasen wiedergibt. Es erscheint dem Gericht als kaum vorstellbar, dass eine gläubige Christin, welcher im Zuge ihrer Taufe derartige religiöse Erlebnisse widerfahren wären – welche dabei gar den Tod und die Auferstehung mit Christus empfunden habe – dies bei Schilderung der Eindrücke von ihrer Taufe eher nur am Rande erwähnen sollte. Einen persönlichen Zugang zu ihrer Taufe und deren Bedeutung für ihr eigenes Leben vermochte die Zweitbeschwerdeführerin damit keineswegs glaubhaft darzulegen. Im Hinblick auf die Zweitbeschwerdeführerin ist aber auch eine nach Empfang der Taufe einsetzende religiöse Entwicklung im Sinne einer Hinwendung zum christlichen Glauben nicht erkennbar. Die Zweitbeschwerdeführerin führte als Grund für den zweimaligen Wechsel ihrer Kirche vergleiche dazu bereits die obigen Ausführungen zum Erstbeschwerdeführer) ausschließlich die Anfahrtsdauer ins Treffen vergleiche OZ 20, Sitzung 13). Unterschiede ihrer jetzigen Kirche – der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. römisch 40 – und der zuvor besuchten Gemeinde konnte die Zweitbeschwerdeführerin kaum ausmachen; als einzigen Unterscheidungspunkt führte sie an, dass die römisch 40 eine Baptistenkirche gewesen sei und es dort keine Kindertaufen gegeben habe; sonst wisse sie nicht, wie sich ihre frühere Kirche von der jetzigen Kirche unterscheide vergleiche OZ 20, Sitzung 15). Die spezifischen Besonderheiten des evangelischen Glaubens konnte sie nur rudimentär wiedergeben. Wofür die Abkürzung "A.B." stehe, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin trotz entsprechender Frage nicht, brachte das Augsburger Bekenntnis aber sehr wohl mit Martin Luther in Verbindung ("Das heißt diese befolgen vor allem jene Inhalte die Luther veröffentlicht oder gesagt hat."). Unterschiede zu anderen evangelischen Konfessionen konnte sie nicht darlegen ("Zwischen den verschiedenen protestantischen Gemeinden gibt es nur geringe Unterschiede"). Alle evangelischen Glaubensrichtungen würden die Inhalte der Evangelien befolgen vergleiche OZ 20, Sitzung 15). Als wichtiges Merkmal der evangelischen Konfessionen führte die Zweitbeschwerdeführerin den Umstand ins Treffen, dass sie "direkt zu Gott sprechen und zu ihm beten" könne vergleiche OZ 20, Sitzung 15), wobei sich dem erkennenden Gericht jedoch nicht erschließt, weshalb die Zweitbeschwerdeführerin überhaupt davon ausgeht, dass in anderen christlichen Konfessionen nicht direkt mit Gott gesprochen oder zu diesem gebetet werden könne. Dazu befragt, warum es ihr so wichtig sei, direkt zu Gott zu sprechen, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass Martin Luther gelehrt habe, dass "Jesus nicht ersetzt werden kann bzw. keinen Stellvertreter hat. Er hat auch gesagt, dass wir das Wort Gottes, das heißt die Inhalte der Bibel, befolgen sollen. Darin kommen z.B. das letzte Abendmahl oder die Taufe vor, die für uns sehr wichtig sind und wir das feiern." vergleiche OZ 20, Sitzung 15). Einen Zusammenhang mit der Frage der Möglichkeit einer direkten Zwiesprache mit Gott oder eines an Gott gerichteten Gebetes stellte die Zweitbeschwerdeführerin nicht her; ebenso strich sie einen besonderen Stellenwert ebendieses direkten Kontakts zu Gott für ihr persönliches Leben nicht weiter hervor und legte insbesondere nicht dar, dass (inwiefern) das Gebet eine wichtige Rolle in ihrem Alltagsleben einnehmen würde. Was man unter Reformation versteht, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin wie folgt: "Martin Luther hat die katholische Kirche kritisiert, er hat nämlich gemeint, dass man gläubigen Christen das Paradies verkaufen würde. Er hat auch kritisiert, dass man gegen Geld niemanden vergeben sollte. Er hat dann 95 Thesen aufgestellt in denen er die katholische Kirche reformiert hat. In diesen Thesen steht zB dass es zwischen den Menschen und Gott keinen Vermittler geben sollte und dass nur Jesus dieser Vermittler sein kann. Er hat auch gesagt, dass die Kirche keinen Menschen als Oberhaupt haben sollte, sondern, dass Jesus das Oberhaupt der Kirche ist. Er hat auch gesagt, dass der Glaube die Menschen rettet und er hat auch gesagt, dass wir nur das beachten sollten, was in der Bibel steht." vergleiche OZ 20, Sitzung 17 f). Gerade in Anbetracht des hohen Bildungsgrades der Zweitbeschwerdeführerin lassen diese eher rudimentären Ausführungen nicht auf eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Lehren der evangelischen Kirche oder des Christentums im Allgemeinen schließen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Zweitbeschwerdeführerin die wesentlichen christlichen Feste im Jahreskreis benennen und etwa die Bedeutung von Weihnachten und Ostern grob erklären konnte vergleiche OZ 20, Sitzung 19). Nach den dargelegten Erwägungen vermag das Gericht insgesamt nicht zu erkennen, dass es der Zweitbeschwerdeführerin ein tatsächliches – inneres – Bedürfnis wäre, sich ernsthaft mit dem Glaubensgut des Christentums, konkret in seiner Ausprägungsform der evangelischen Glaubensrichtung A.B., zu beschäftigen.
Zu ihrem religiösen Leben in der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. römisch 40 gab die Zweitbeschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie an den Gottesdiensten der Gemeinde teilnehme; am Bibelkreis könne sie wegen ihrer Tochter nicht teilnehmen, nur ihr Mann nehme teil. Die im Bibelkreis besprochenen Inhalte würden am Sonntag im Gottesdienst für die gesamte Gemeinde wiederholt. Die Zweitbeschwerdeführerin habe wegen Corona bis jetzt nicht die Möglichkeit gehabt, eine Aufgabe in der Kirche zu übernehmen vergleiche OZ 20, Sitzung 16 f). Auf Befragen durch das erkennende Gericht, was das letzte Mal besprochen worden sei, gab sie im Wesentlichen an, dass über den Advent gesprochen worden sei; es seien Psalmen gelesen und über Jeremia gesprochen worden. Sie hätten auch über Johannes gesprochen. Nachgefragt, was über Johannes (den Täufer; Anmerkung gesprochen worden sei, erklärte sie, dass sie mit der Geschichte von Johannes nicht fertig geworden seien; sie hätten nur gesprochen, dass der Engel Gabriel zu Zaccharia komme und ihm sage, dass er und seine Frau einen Sohn bekommen würden und ihn Johannes nennen sollten. Er habe darauf geantwortet, dass er und seine Frau zu alt seien und keine Kinder mehr bekommen könnten. Mehr hätten sie nicht besprochen vergleiche OZ 20, Sitzung 17). Auf die Frage des Gerichtes, warum gerade diese Stelle besprochen worden sei, antwortete die Zweitbeschwerdeführerin: "Die Geschichte der Geburt Johannes führt dann auch zur Geschichte der Geburt Jesus. Es gibt noch drei Adventsonntage und ich gehe davon aus, dass wir diese gesamte Geschichte erfahren werden." vergleiche OZ 20, Sitzung 17). Damit war die Zweitbeschwerdeführerin zwar in der Lage, die im Gottesdienst besprochenen Themen in Grundzügen wiederzugeben. Dass es ihr allerdings ein besonderes Anliegen wäre, sich mit den erörterten biblischen Erzählungen eigenständig auseinanderzusetzen oder diese gar zu vertiefen – und daraus allenfalls auch Ableitungen für ihr persönliches Glaubensleben zu treffen – lässt sich anhand ihrer Ausführungen nicht ersehen. So konnte die Zweitbeschwerdeführerin nicht darlegen, inwiefern nun die Geschichte von Johannes dem Täufer mit der Geburt Jesu – der Vollendung des Advents – zusammenhänge, sondern zog sich lediglich darauf zurück, davon auszugehen, bei einer anderen Gelegenheit die "gesamte Geschichte" zu erfahren. Diese eher gleichgültig anmutende Antwort erscheint auch vor dem Hintergrund ihres über siebenjährigen Aufenthalts in Österreich samt religiösen Aktivitäten als fragwürdig, zumal die Zweitbeschwerdeführerin (die in der Vergangenheit sogar eine Baptistenkirche besucht hat) in diesem Zeitraum nach Ansicht des Gerichtes jedenfalls ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, sich ein grundlegendes Wissen über die Bedeutung von Johannes dem Täufer, dessen Geburt bzw. erstes Auftreten in allen Evangelien in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geburt Jesu bzw. dessen Wirken dargestellt wird vergleiche Mt 3,1; Mk 1,1; Lk 1,5; Joh 1,19) anzueignen, um die im Gottesdienst behandelten Themen – zuletzt den Advent und Johannes den Täufer – einordnen zu können. Dass die Zweitbeschwerdeführerin angibt, zu Hause einen Adventkranz zu haben, um die Adventzeit und die Geburt Jesu zu feiern vergleiche OZ 17, Sitzung 20), tritt angesichts ihres in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht praktisch nicht zu Tage getretenen persönlichen Zuganges zu diesen Themen deutlich in den Hintergrund. Ganz allgemein war eine ausgeprägte Identifikation der Zweitbeschwerdeführerin mit den biblischen Überlieferungen nicht feststellbar. Über Aufforderung, zu erklären, welche Stelle in der Bibel – und warum – sie besonders berührt habe, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus: "Gott hat gesagt, dass wir Menschen dem irdischen Leben nicht nachtrauern sollen, weil Gott uns erschaffen hat und er weiß, was wir benötigen. Er hat auch gesagt, dass wir den Dingen, die auf der Erde existieren nicht allzu viel Wert beimessen sollen, denn alles, was für uns wertvoll ist, ist im Himmel. Er hat auch gesagt, dass wir 'einen Schatz' oder etwas Wertvolles nicht auf der Erde suchen sollen, sondern das bei den Engeln suchen sollen, denn dort würde uns niemand diesen Schatz wegnehmen und niemand wäre uns 'neidig'. Wenn unser 'Schatz' im Himmel ist, dann sind auch unserer Gedanken im Himmel, bei Gott und bei den Engeln." vergleiche OZ 20, Sitzung 19 f). Die persönliche Bedeutung dieser Bibelstelle für ihr eigenes Leben erläuterte die Zweitbeschwerdeführerin trotz entsprechender Fragestellung nicht und ließ damit offen, warum gerade diese Stelle sie besonders berührt habe oder welche Lehren für ihre persönliche Lebensgestaltung sie daraus gezogen habe. Damit entstand beim erkennenden Gericht eher der Eindruck, dass die Zweitbeschwerdeführerin zwar durchaus in der Lage ist, bestimmte Lehrsätze der Bibel wiederzugeben, aber persönlich kaum etwas damit verbindet oder diese für ihr eigenes Leben als bedeutungsvoll erachten und allenfalls auch versuchen würde, ihr Leben bewusst danach auszurichten. In diesem Sinne war schließlich auch eine durch den christlichen Glauben bewirkte maßgebliche Einstellungs- und Verhaltensänderung bei der Zweitbeschwerdeführerin nicht zu erkennen. Auf die Frage des Gerichtes, welche Bedeutung der christliche Glaube für sie habe, wie er sich auf sie auswirke und wie sich ihr Leben durch das Christentum verändert habe, gab die Zweitbeschwerdeführerin Folgendes an: "Seit ich Christin bin hat sich mein Leben sehr positiv verändert. Ich habe Ruhe gefunden. Ich bin überzeugt davon, dass Gott Jesus uns geschickt hat, damit er uns helfen kann und wir wirklich gerettet werden. Ich bin eine gläubige Christin und bin überzeugt davon, dass Gott mich gerettet hat und mir das ewige Leben zu Teil wird." vergleiche OZ 20, Sitzung 18). Die Zweitbeschwerdeführerin betonte damit im Wesentlichen, dass sie Ruhe gefunden habe und – zusammengefasst – an die Lehren des Christentums glaube. Konkrete Auswirkungen des christlichen Glaubens auf ihre Lebensgestaltung legte sie nicht dar. Dies wird noch durch ihre Antwort über Aufforderung, dem Gericht christliche Werte zu nennen und auszuführen, wie sie diese lebe, hervorgehoben: "Ein christliches Gebot lautet Mutter und Vater zu ehren. Ich habe großen Respekt vor meinen Eltern und ich werde sie immer ehren. Weitere wichtige christliche Werte sind einander zu vergeben, Jesus hat gesagt, dass wir sogar unseren Feinden vergeben sollen. Wir sollen auch nicht über andere Menschen richten, damit nicht über uns gerichtet wird. Wir sollen unsere Mitmenschen und Nachbarn so lieben wie wir uns selbst lieben. Sonst sind die 10 Gebote von großem Wert. Das sind Verhaltensregeln, die wir nicht brechen sollen. Das heißt, dass wir nicht lügen, stehlen, töten oder Ehebruch begehen sollen. Wir sollen Gott ehren und neben unseren Gott keinen anderen Gott anbeten." vergleiche OZ 20, Sitzung 18). Die Antwort der Zweitbeschwerdeführerin erschöpfte sich in einer auszugsweisen Wiedergabe der Zehn Gebote. Wie sie nun konkret versuche, diese in ihrem eigenen Leben umzusetzen, blieb ebenso völlig im Verborgenen wie sonstige christliche Werte, welche der Zweitbeschwerdeführerin als Richtschnur bzw. Orientierung in ihrer Lebenspraxis dienen könnten. Zugleich kann die Einhaltung von Geboten wie nicht zu töten, nicht zu stehlen etc. nicht als dem Christentum eigentümlich angesehen werden, sondern ist vielmehr schon gesetzlich vorgeschrieben, und kann auch der Umstand, dass die Zweitbeschwerdeführerin vor ihren Eltern großen Respekt hat und diese ehrt, noch nicht als Ausdruck einer spezifisch christlichen Gesinnung angesehen werden, zumal Gebote ähnlichen Inhalts auch in anderen Religionen bestehen vergleiche beispielhaft die Sure 17:23 des Korans). Die Antwort der Zweitbeschwerdeführerin auf die Frage, wie sie den christlichen Glauben in Österreich lebe, war ebenfalls eher allgemein gehalten. Soweit es möglich sei, gehe sie in die Kirche und nehme am Gemeindeleben teil. Sie wolle mit anderen gläubigen Christen in Kontakt sein und sich mit ihnen austauschen. Auch bete sie regelmäßig und versuche, sich so zu verhalten, wie Jesus von ihr erwarten würde. Sie richte nicht über andere und versuche, mit anderen liebevoll umzugehen und ihnen zu helfen. Sie vergebe vergleiche OZ 20, Sitzung 18). Das erkennende Gericht übersieht nicht die Betreuungspflichten der Zweitbeschwerdeführerin für ihre minderjährige Tochter; gleichwohl sind nennenswerte Bemühungen ihrerseits, am Gemeindeleben der Kirche teilzunehmen und aktiv mit anderen Gläubigen in Kontakt zu treten, nicht hervorgekommen. Die Zweitbeschwerdeführerin nimmt zwar an den Gottesdiensten der Gemeinde teil, dass sie abgesehen davon aber in Kontakt mit anderen Gemeindeangehörigen treten bzw. einen solchen Kontakt – gleichsam als Entfaltung ihres christlichen Glaubens – bewusst suchen würde, war nicht erkennbar. Der Pfarrer der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. römisch 40 , römisch 40 , führte in seinem Schreiben vom 6.11.2021 (OZ 12) etwa aus, dass er die Zweitbeschwerdeführerin weniger als ihren Mann kennenlernen habe können; auch seinen zeugenschaftlichen Angaben in der mündlichen Verhandlung ist eine besonders ausgeprägte Einbindung der Zweitbeschwerdeführerin in die Gemeinde nicht zu entnehmen vergleiche OZ 14, Beilage Z). Dass sie bete, erwähnte die Zweitbeschwerdeführerin an dieser Stelle nur kurz, ohne einen besonderen Stellenwert des Gebetes für ihr Glaubensleben aufzuzeigen. Inwiefern sie versuche, sich so zu verhalten, wie "Jesus es von ihr erwarten würde", führte sie nicht weiter aus. Konkreter Ausführungen zu den weiteren ins Treffen geführten Aspekten enthielt sie sich ebenso; bestimmte Situationen, in denen sie unter Bewusstmachung der christlichen Glaubenslehren darauf verzichtet habe, über andere zu "richten", sondern vergeben habe, stellte sie nicht dar. Dass sie in ihrem Lebensalltag schließlich aktiv danach trachten würde, anderen zu helfen, ist im Verfahren ebenso wenig zu Tage getreten; ein im Bundesgebiet ausgeübtes gemeinnütziges oder ehrenamtliches Engagement der Zweitbeschwerdeführerin (wenn auch nur in untergeordnetem zeitlichen Ausmaß) ist nicht aktenkundig. Abgesehen davon war generell nicht ersichtlich, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin zur Ausübung des christlichen Glaubens gezielt an die Öffentlichkeit wenden würde. So bejahte sie zwar die Frage, ob sie versuche, andere Menschen zu missionieren; unter Missionierung verstand sie hierbei allerdings bereits das bloße Sprechen mit ihrer Mutter bzw. Familienangehörigen über ihren Glauben. Sie werde mit ihrer Mutter weiterhin über ihren Glauben sprechen und vielleicht gelinge es ihr eines Tages, sie davon zu überzeugen vergleiche OZ 20, Sitzung 18). Das erkennende Gericht hält an dieser Stelle fest, dass das bloße Sprechen über den Glauben mit Familienangehörigen, noch nicht als Ausprägungsform eines Missionsgedankens angesehen werden kann, wobei angesichts des Umstandes, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin seit mehr als sieben Jahren in Österreich aufhält, aber offensichtlich niemals ernsthaft versucht hat, hier lebende Menschen für den christlichen Glauben zu gewinnen, ein ausgeprägtes Missionsbedürfnis ohnehin nicht zu erblicken war. Dass die Zweitbeschwerdeführerin – in einem identitätsstiftenden Sinne – das innere religiöse Bedürfnis verspüren würde, den christlichen Glauben in der Öffentlichkeit zu bezeugen und anderen Menschen nahezubringen, konnte keinesfalls festgestellt werden.
Wenn der Pfarrer der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. römisch 40 , römisch 40 , in seinem Schreiben vom 6.11.2021 (OZ 12) zur Zweitbeschwerdeführerin ausführte, dass er diese weniger als ihren Mann kennengelernt habe, sie aber – wenn sie gemeinsam in der Kirche seien – als harmonisches Paar erlebe und aufgrund der vielen Begegnungen von der Echtheit ihrer Konversion überzeugt sei, vermag das erkennende Gericht diese Beurteilung im Lichte ihrer ausführlichen Befragung nicht zu teilen. In seiner nachfolgenden zeugenschaftlichen Einvernahme vor dem erkennenden Gericht berichtete der Pfarrer nur wenig über die Zweitbeschwerdeführerin und führte auf die Frage des Gerichtes, wie die Beschwerdeführer den christlichen Glauben leben, bezogen auf die Zweitbeschwerdeführerin lediglich aus, dass er diese (nur) in der Kirche erlebe vergleiche OZ 14, Beilage Z, Sitzung 3). Vor dem Hintergrund der vorstehenden, umfassenden Erwägungen steht für das erkennende Gericht auch bei Berücksichtigung der Angaben des Pfarrers – denen im Asylverfahren im Hinblick auf eine behauptete Konversion grundsätzlich eine besondere Bedeutung zukommt – fest, dass die Zweitbeschwerdeführerin sich nicht aus innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt und keine ernsthafte Konversion zum Christentum vollzogen hat. Das Beweisverfahren hat eine Identifikation der Zweitbeschwerdeführerin mit dem Christentum nicht ergeben. Dass sie die Taufe empfangen hat, über grundlegendes Wissen über die christliche Religion verfügt und die Gottesdienste der Gemeinde besucht, lässt nach den besonderen Umständen des Einzelfalles noch nicht den Schluss zu, das die Zweitbeschwerdeführerin den christlichen Glauben als Teil ihrer Identität angenommen hätte, insbesondere weil sie, wie ausführlich dargelegt, einen persönlichen Zugang zum Christentum und dessen religiösen Lehren sowie einen – ihrer inneren Überzeugung entspringenden – Willen, ihr Leben im christlichen Glauben zu gestalten, nicht glaubhaft machen konnte.
2.2.4. Zur Situation der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Iran:
Zur Situation der Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in den Iran ist festzuhalten, dass schon aufgrund der fehlenden persönlichen Identifikation des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin mit dem Christentum nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich diese bei einer Rückkehr in den Iran aus einem inneren Bedürfnis heraus dort dem Christentum zuwenden oder dieses dort ausleben würden. Das erkennende Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin die behauptete Hinwendung zum christlichen Glauben aus asyltaktischen Gründen vorgebracht haben, sodass auch ihre in der mündlichen Verhandlung getätigten Bekundungen, im Iran den christlichen Glauben weiter auszuüben und selbst dann nicht zu leugnen, wenn ihnen der Tod drohe vergleiche BF1, OZ 17, Sitzung 26; BF2, BF2, OZ 20, Sitzung 20), nicht glaubhaft waren und ins Leere gehen.
Einer im Iran bestehenden Gefahr der Verfolgung der Beschwerdeführer steht entgegen, dass keine glaubhaften (siehe dazu bereits die Ausführungen unter Punkt 2.2.1.) Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die iranischen Behörden Kenntnis von den religiösen Aktivitäten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in Österreich erlangt hätten. Die Beschwerdeausführungen, wonach "die umfassenden Aktivitäten des iranischen Geheimdienstes im Ausland notorisch" seien, sodass "davon auszugehen" sei, "dass die iranischen Behörden bereits über die in Österreich erfolgte Konversion der BF zum Christentum informiert sind" vergleiche BF1, AS 303 BF2, AS 269) erweisen sich lediglich als spekulativ und finden keine Deckung in den vorliegenden Länderberichten zum Iran. Diesen ist nämlich keineswegs zu entnehmen, dass der iranische Staat gleichsam sämtliche seiner im Ausland lebenden Staatsangehörigen, etwa im Hinblick auf ihr religiöses Verhalten, geheimdienstlich überwachen würde, sodass die insoweit behaupteten Befürchtungen einer tragenden Grundlage entbehren.
Dass die Beschwerdeführer schließlich im Falle einer Rückkehr in den Iran eine asylrelevante Verfolgung von privater Seite zu befürchten hätten, wurde nicht vorgebracht.
Die Beschwerdeführer konnten damit im Ergebnis nicht glaubhaft machen, dass sie im Falle einer Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Religion zu befürchten hätten.
Es konnte daher im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Iran einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt waren oder sie im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wären.
2.3. Zu den Länderberichten:
Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen – sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges – handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten – von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen – diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten – immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse – der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen – allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden – aufzuzeigen vergleiche Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, GZ E10 414843-1/2010).
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vergleiche etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, GZ 2000/01/0348).
Im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Beschwerdeführern aktuelle Länderberichte zum Iran übermittelt. Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer verzichtete auf eine Stellungnahme zu den Länderberichten vergleiche BF1, OZ 22, Sitzung 20; BF2, OZ 20, Sitzung 20).
Es wird im Kontext der Länderberichte nicht missachtet, dass im Bereich der Menschenrechte im Iran erhebliche Missstände vorliegen, außer Acht darf jedoch nicht gelassen werden, dass es ebenso Anzeichen für eine verstärkte öffentliche Debatte in Bezug auf Menschenrechte, im Besonderen zur Todesstrafe, Filtern des Internets und frauenspezifischen Themen gab. Nach Würdigung und Bewertung der Berichtslage im Wege einer Gesamtschau der maßgeblichen Kriterien muss jedoch davon ausgegangen werden, dass Menschen, die im Iran leben, allein aufgrund ihres Aufenthaltes, also ohne hinzukommende persönliche Gefährdungsmerkmale, im Iran keiner hieran anknüpfenden gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt sind.
Anzumerken ist aber in diesem Kontext zweifelslos, dass aus der Berichtslage ableitbar ist, dass es im Iran nur eine in eingeschränktem Maße bestehende Religions- und Glaubensfreiheit gibt. So ist bspw. Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Stark eingeschränkt sind das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, sowie das Recht, für einen Glauben oder eine Religion frei zu werben. Ehemals muslimischen Konvertiten droht Verfolgung und Bestrafung. In Einzelfällen werden Gerichtsverfahren eingeleitet, Verurteilungen erfolgen allerdings oft nicht wegen Apostasie, sondern wegen Sicherheitsdelikten. Es gibt allerdings auch Konvertiten, die unbehelligt eine der anerkannten Religionen ausüben. Die Regierung sieht Konversion vom Islam als Apostasie an. Dies kann mit der Todesstrafe bestraft werden.
Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass die den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebrachten länderspezifischen Feststellungen zum Herkunftsstaat Iran zwar nicht den Anspruch absoluter Vollständigkeit erheben (können), jedoch als so umfassend und aktuell qualifiziert werden, dass der Sachverhalt bezüglich der individuellen Situation der Beschwerdeführer in Verbindung mit der Beleuchtung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat als geklärt angesehen werden kann. Es ist – bei einem Land wie den Iran mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen – de facto unmöglich, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das erkennende Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
Paragraph 3, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, in der geltenden Fassung lautet:
"Status des Asylberechtigten
Paragraph 3, (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat.
(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.
(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (Paragraph 5, BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.
(4b) In einem Familienverfahren gemäß Paragraph 34, Absatz eins, Ziffer eins, gilt Absatz 4, mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.
(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt."
Gegenständliche Anträge waren nicht wegen Drittstaatensicherheit (Paragraph 4, AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (Paragraph 4 a, leg. cit.) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (Paragraph 5, leg. cit.) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb die Anträge der Beschwerdeführer inhaltlich zu prüfen sind.
Unter "Verfolgung" im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen vergleiche das Erk. des VwGH vom 23.2.2016, Zl. Ra 2015/20/0113, mwN). Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist vergleiche das Erk. des VwGH vom 28.5.2009, Zl. 2008/19/1031, mwN). Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach Paragraph 15, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen vergleiche das Erk. des VwGH vom 15.3.2016, Zl. Ra 2015/01/0069).
Wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ausschließlich zum Schein zum Christentum konvertiert sind. Es ist weder anzunehmen, dass das Christentum ein Teil ihrer Identität geworden ist, noch dass sie im Falle ihrer Rückkehr in den Iran das Bedürfnis verspüren würden, sich dem christlichen Glauben zuzuwenden und diesen dort auszuleben. Ebenso war nicht zu erkennen, dass die iranischen Behörden Kenntnis von den religiösen Aktivitäten der Beschwerdeführer in Österreich erlangt hätten oder sie im Falle einer Rückkehr in den Iran eine asylrelevante Verfolgung von privater Seite zu befürchten hätten.
Die Beschwerdeführer konnten damit keine Gefahr einer Verfolgung im Sinne des Paragraph 3, AsylG glaubhaft machen, weshalb eine Schutzgewährung durch die Republik Österreich nicht in Betracht kommt.
3.2. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat:
Paragraph 8, AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, in der geltenden Fassung lautet:
"Status des subsidiär Schutzberechtigten
Paragraph 8, (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Absatz eins, oder aus den Gründen des Absatz 3, oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß Paragraph 9, Absatz 2, vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
(5) In einem Familienverfahren gemäß Paragraph 34, Absatz eins, Ziffer 2, gilt Absatz 4, mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.
(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß Paragraph 9, Absatz eins und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.
(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."
Bereits Paragraph 8, AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist vergleiche das Erk. des VwGH vom 10.12.2014, Ra 2014/20/0013, mwN). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Artikel 2, EMRK lautet:
"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Artikel 3, EMRK lautet:
"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Artikel 2, oder Artikel 3, EMRK abgeleitet werden kann.
Dass sich der Herkunftsstaat der Beschwerdeführer im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden; ebenso kann daher nicht festgestellt werden, dass für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der Beschwerdeführer (die Todesstrafe wurde zwar nicht abgeschafft, es bestehen jedoch keine glaubhaften Hinweise, dass die Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht haben, welcher im Iran mit der Todesstrafe bedroht ist) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Artikel 2, EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.
Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer als problematisch darstellt, so kann nicht festgestellt werden und ergeben auch die Länderfeststellungen nichts Gegenteiliges, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.
Weitere, in der Person der Beschwerdeführer begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Familienangehörigen der Beschwerdeführer – abgesehen von einer in Deutschland lebenden Schwester der Zweitbeschwerdeführerin – nach wie vor im Herkunftsstaat leben und nicht erkennbar ist, warum die Beschwerdeführer nicht dorthin zurückkehren könnten.
Zur individuellen Versorgungssituation der Beschwerdeführer wird weiters festgehalten, dass diese im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin können sich in sich in ihrem Heimatland sprachlich verständigen und kennen die dortigen Gebräuche und Sitten und handelt es sich bei ihnen um mobile und arbeitsfähige erwachsene Menschen. Einerseits stammen die Beschwerdeführer aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören sie keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstelle als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Dass die wirtschaftliche Lage im Iran womöglich schlechter als in Österreich ist, tangiert den Schutzbereich von Artikel 3, EMRK noch nicht.
Wie bereits angeführt, leben die meisten Familienangehörigen der Beschwerdeführer nach wie vor im Iran und bestreiten dort ihren Lebensunterhalt. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stehen mit ihren dort lebenden Familienangehörigen teilweise auch in Kontakt und verfügen damit über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin verfügen als Universitätsabsolventen über einen außerordentlich hohen Bildungsgrad sowie über im Herkunftsstaat erworbene Berufserfahrung. Angesichts dessen wird es ihnen auch möglich sein, im Iran wieder einer Beschäftigung nachzugehen, wenngleich das erkennende Gericht die Betreuungspflichten für ihre minderjährige Tochter nicht übersieht. Das erkennende Gericht geht demnach davon aus, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat jedenfalls in der Lage sein würden, durch Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts und der Wohnbedürfnisse der Familie zu erwirtschaften und nicht auf die Unterstützung durch ihr familiäres Netzwerk angewiesen sein würden. Den Beschwerdeführern stünde es aber auch frei, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Aufgrund dieser Überlegungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen könnten und nicht in eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten würden.
Im Hinblick auf die minderjährige Drittbeschwerdeführerin ist darüber hinaus festzuhalten, dass sich den vorliegenden, aktuellen Länderinformationen zum Iran keine Anhaltspunkte für eine spezifische Gefährdungslage für Minderjährige entnehmen lassen. Es liegen dem Gericht insbesondere keine Berichte vor, die besorgen lassen würden, dass im Iran lebende (bzw. gemeinsam mit ihrer Familie dorthin zurückkehrende) Minderjährige dort einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt wären. Die Sicherheitslage im Iran ist auch nicht als volatil anzusehen. Es existieren zum Iran auch keine Berichte, welche eine zu befürchtende Betroffenheit der mj. Drittbeschwerdeführerin von geschlechterspezifischer Gewalt nahelegen würden. Angesichts der oben erörterten sozioökonomischen Lage der Familie, insbesondere des hohen Bildungsgrades sowohl des Erstbeschwerdeführers als auch der Erstbeschwerdeführerin, der Rückkehr in ein großstädtisches Umfeld – römisch 40 ist mit über 600.000 Einwohnern die größte Stadt der Heimatprovinz der Beschwerdeführer – und das Vorhandensein von familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat, sind außerdem keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass im Falle einer Rückkehr in den Iran die Grundbedürfnisse der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin (konkret z.B. der Zugang zu Bildungseinrichtungen) nicht gedeckt sein könnten. Länderberichte, welche dergleichen – gerade vor dem Hintergrund der im Einzelfall einschlägigen Verhältnisse der zurückkehrenden Familie – nahelegen würden, bestehen nicht. Darüber hinaus wurde im Verfahren weder eine spezifische Sicherheitsgefährdung der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin noch eine unzureichende Deckung ihrer Grundbedürfnisse im Rückkehrfall behauptet oder in irgendeiner Weise dargetan. Derartiges lässt sich, wie bereits erwähnt, auch dem aktuellen Quellenmaterial zum Iran nicht entnehmen. Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang noch die Länderinformation der Staatendokumentation zum Iran vom 22.12.2021, Version 4, erwähnt, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung veröffentlicht wurde und im Abschnitt "Kinder" ebenfalls keine spezifischen Sicherheitsgefährdung oder mangelhafte Deckung von Grundbedürfnissen von Minderjährigen mit dem sozioökonomischen Hintergrund der Drittbeschwerdeführerin erkennen lässt, sodass eine entsprechende Ergänzung des Verfahrens nicht geboten war.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Verfahren an, an einer Schilddrüsenunterfunktion zu leiden und diesbezüglich ein Medikament einzunehmen. Die getroffenen Feststellungen zur medizinischen Versorgung im Iran lassen nicht erkennen, dass die Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin im Iran nicht behandelt werden könnte; dies wurde im Verfahren auch nicht behauptet. Im Verfahren wurde schließlich ebenso wenig behauptet noch ist dies hervorgekommen, dass der Zweitbeschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr der Zugang zur notwendigen medizinischen Versorgung, etwa aus sozialen oder finanziellen Gründen, verwehrt würde. Das erkennende Gericht geht auf dieser Grundlage davon aus, dass der Zweitbeschwerdeführerin die erforderliche medikamentöse Behandlung auch im Falle einer Rückkehr in den Iran zur Verfügung stünde, sodass sie im Rückkehrfall nicht einer – im Sinne des Artikel 2, oder 3 EMRK relevanten – Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt wäre.
Die Beschwerdeführer gehören bei Berücksichtigung aller bekannten Umstände auch nicht der Risikogruppe für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung an vergleiche dazu die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie sowie die Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe vom 7.5.2020, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 203 aus 2020,). In einer Gesamtbetrachtung ergeben sich vor dem Hintergrund der individuellen Situation der Beschwerdeführer und der Lage im Iran keine Hinweise auf eine unzumutbare, schon mit der Rückverbringung der Beschwerdeführer in den Iran einhergehende Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes im Sinne der zitierten Bestimmungen der EMRK. Derartiges wurde auch nicht vorgebracht. Wie bereits erwähnt, sind der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin mobil und arbeitsfähig, verfügen über einen hohen Bildungsgrad sowie Berufserfahrung und familiäre Anknüpfungspunkte in ihrem Herkunftsstaat. Es ist auf dieser Grundlage nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in den Iran in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die Beschwerdeführer im Iran auch unter den vorliegenden Umständen ihre notwendigen Lebensbedürfnisse decken könnten.
Den Beschwerdeführern droht damit keine Gefahr im Sinne des Paragraph 8, AsylG, weshalb die Gewährung von subsidiärem Schutz ausscheidet.
3.3. Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG:
Das Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, in der geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
Paragraph 10, (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Ziffer eins und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Ziffer eins bis 5 kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, vorliegt.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55,, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des Paragraph 58, Absatz 9, Ziffer eins bis 3 vorliegt.
...
Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK
Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
...
"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"
Paragraph 57, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz eins, Ziffer 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Absatz 3 und Paragraph 73, AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Absatz eins, Ziffer 2, ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Absatz eins, Ziffer 3, ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."
...
Das BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, in der geltenden Fassung lautet:
"Schutz des Privat- und Familienlebens
Paragraph 9, (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraph 45, oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß Paragraph 10, Absatz eins, des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß Paragraph 53, Absatz 3, Ziffer 6,, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraphen 52, Absatz 4, in Verbindung mit 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 4, FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß Paragraph 53, Absatz 3, FPG vorliegen. Paragraph 73, Strafgesetzbuch (StGB), Bundesgesetzblatt Nr. 60 aus 1974, gilt."
Das Fremdenpolizeigesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,, in der geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"Abschiebung
Paragraph 46, (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. Paragraph 97, Absatz eins, gilt. Der Fremde hat an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken.
(2a) Die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß Absatz 2, kann auch mit Bescheid auferlegt werden, Paragraph 19, Absatz 2 bis 4 AVG gilt sinngemäß. Der Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments bei der zuständigen ausländischen Behörde, verbunden werden (Paragraph 19, AVG).
(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Absatz 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.
(4) Liegen bei Angehörigen (Paragraph 72, StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.
(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.
(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.
...
Verbot der Abschiebung
Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
…
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige
Rückkehrentscheidung
Paragraph 52, (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der Paragraphen 8, Absatz 3 a, oder 9 Absatz 2, AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
....
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
...
Frist für die freiwillige Ausreise
Paragraph 55, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. Paragraph 37, AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß Paragraph 18, Absatz 2, BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Absatz eins, ist mit Mandatsbescheid (Paragraph 57, AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht."
Artikel 8, Europäische Menschenrechtskonvention lautet:
"Artikel 8 - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."
Zum gegenständlichen Verfahren:
Vorweg ist festzuhalten, dass sich im gegenständlichen Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben haben, die die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG angezeigt hätten, bzw. wurde weder im Verfahren vor dem BFA noch im Beschwerdeverfahren dahingehend etwas vorgebracht.
Die Beschwerdeführer führen ein gemeinsames Familienleben in Österreich. Da alle Beschwerdeführer im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen wären, liegt im Falle einer gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat kein Eingriff in das Familienleben, sondern allenfalls ein solcher in das Privatleben vor.
Im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG ergibt sich anhand des dort aufgestellten Kriterienkatalogs folgendes Bild über die Beschwerdeführer:
● Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin reisten nach Erteilung von bis zum 10.1.2015 gültigen Visa im Dezember 2014 legal auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und stellten am 10.1.2015 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Ihren Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von ca. sieben Jahren und zwei Monaten konnten sie nach Ablauf der Gültigkeit ihrer Visa nur durch die Stellung ihrer Asylanträge vorübergehend legalisieren. Hätten die Beschwerdeführer die gegenständlichen, unbegründeten Asylanträge nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass ihr rechtswidriger Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre.
● Das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Privatlebens):
Die Beschwerdeführer leben in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer hat darüber hinaus in Österreich soziale und freundschaftliche Anknüpfungspunkte.
Der Erstbeschwerdeführer verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Von Jänner bis April 2016 besuchte der Erstbeschwerdeführer einen Deutschkurs auf dem Sprachniveau A2. Von Oktober 2017 bis Jänner 2018 besuchte der Erstbeschwerdeführer einen Deutschkurs für Fortgeschrittene (B1) sowie von November 2017 bis Februar 2018 einen Deutschkurs auf dem Sprachniveau B1. Von Februar bis März 2018 nahm der Erstbeschwerdeführer an einem Deutsch-Intensivkurs teil. Von April bis Juni 2018 besuchte er einen weiteren Deutschkurs B1. Der Erstbeschwerdeführer absolvierte am 2.3.2018 eine ÖSD-Deutschprüfung auf dem Sprachniveau B1 mit der Beurteilung "ausreichend bestanden" sowie am 12.7.2018 mit der Beurteilung "gut bestanden". Im Oktober 2018 besuchte der Erstbeschwerdeführer einen weiteren Deutschkurs. Der Erstbeschwerdeführer bestand am 26.2.2019 das Modul "Mündliche Prüfung" und am 8.5.2019 das Modul "Schriftliche Prüfung" der ÖSD-Deutschprüfung auf dem Sprachniveau B2. Am 8.8.2019 bestand der Erstbeschwerdeführer das Modul "Mündliche Prüfung" der ÖSD-Deutschprüfung auf dem Sprachniveau C1.
Der Erstbeschwerdeführer betätigte sich ab November 2015 als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Wiener Tafel. Im Rahmen seiner Unterbringung im Wohnprojekt " römisch 40 " leistete er seit September 2020 immer wieder Hilfsdienste in der Einrichtung.
Am 24.8., 28.9., 23.11. und 30.11.2016 nahm der Erstbeschwerdeführer an den Infomodulen "Gesundheit", "Wohnen", "Bildung" und am "StartWien-Charta Workshop" des Magistrats der Stadt Wien teil. Von Oktober 2018 bis Juli 2019 sowie von Oktober 2020 bis Jänner 2021 absolvierte der Erstbeschwerdeführer den Kurs "miteinander.Bildung.leben". Im Jahr 2019 nahm er an den Workshops "Fit für das Bewerbungsgespräch", "Lebenslauf und Motivationsschreiben verfassen" und "Bewerbungsgespräch-Training" teil.
Der Erstbeschwerdeführer ging während seines Aufenthalts in Österreich bisher keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und steht nach wie vor im Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung. Er verfügt über einen – mit dem Nachweis eines rechtmäßigen Zuganges zum Arbeitsmarkt bedingten – Arbeitsvorvertrag als Montagehelfer (Arbeiter) auf Vollzeitbasis.
Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Von November bis Februar 2018 besuchte die Zweitbeschwerdeführerin einen Deutschkurs auf dem Sprachniveau B1. Von Februar bis März 2018 nahm die Zweitbeschwerdeführerin an einem Intensiv-Deutschkurs teil. Im Zeitraum von April bis Juni 2018 besuchte die Zweitbeschwerdeführerin einen weiteren Deutschkurs B1. Am 12.7.2018 absolvierte die Zweitbeschwerdeführerin eine ÖSD-Deutschprüfung auf dem Sprachniveau B1 ("gut bestanden").
Am 24.8., 31.8., 23.11. und 30.11.2016 nahm die Zweitbeschwerdeführerin an den Infomodulen "Gesundheit", "Wohnen", "Bildung" und am "StartWien-Charta Workshop" des Magistrats der Stadt Wien teil. Ab Oktober 2017 nahm die Zweitbeschwerdeführerin Beratung durch die Wiener Bildungsdrehschreibe in Anspruch. Von Oktober 2018 bis Februar 2019 absolvierte die Zweitbeschwerdeführerin den Kurs "miteinander.Bildung.leben".
Die Zweitbeschwerdeführerin ging während ihres Aufenthalts in Österreich bisher keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und steht nach wie vor im Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung.
Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten. Von ihnen begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.
● Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens:
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin begründeten ihr Privatleben in Österreich zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt im Bundesgebiet zunächst durch bis zum 10.1.2015 gültige Visa, anschließend lediglich durch die Stellung von unbegründeten Asylanträgen vorübergehend legalisiert war.
● Bindungen zum Herkunftsstaat:
Die Familienangehörigen der Beschwerdeführer leben – abgesehen von einer Schwester der Zweitbeschwerdeführerin – nach wie vor im Iran. Die Beschwerdeführer verfügen damit über familiäre Anknüpfungspunkte im Iran, mit denen sie teilweise auch in Kontakt stehen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sprechen Farsi und verfügen darüber hinaus im Iran über Hochschulbildung sowie Berufserfahrung.
● Strafrechtliche Unbescholtenheit:
Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.
● Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:
Von den Beschwerdeführern begangene Verwaltungsübertretungen sind nicht aktenkundig.
● Die Frage, ob das Privatleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst waren:
Dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin musste nach Ansicht des erkennenden Gerichts nach Ablauf ihrer Visa für das Bundesgebiet und Stellung der gegenständlichen – unbegründeten – Asylanträge bewusst gewesen sein, dass ihr Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung der Asylanträge nur ein vorübergehender sein wird.
● Mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer:
Ein solches Verschulden ergibt sich aufgrund der Aktenlage nicht.
Im Zuge der Interessensabwägung kommt das erkennende Gericht somit zu folgendem Ergebnis:
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin befinden sich seit Dezember 2014, sohin seit sieben Jahren und zwei Monaten, durchgehend in Österreich, wobei sie legal in das Bundesgebiet eingereist sind. Zwar begründeten die Beschwerdeführer ihr Privatleben zu einer Zeit, in der ihr Aufenthaltsstatus ein unsicherer war. Hierbei muss jedoch angemerkt werden, dass gegen die Beschwerdeführer nie eine durchsetzbare Ausweisung oder Rückkehrentscheidung bestanden hat und die verhältnismäßig lange Verfahrensdauer das Bewusstsein ihres unsicheren Aufenthalts bis zu einem gewissen Grad relativieren konnte. Der mehr als siebenjährige durchgehende Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet deutet bereits darauf hin, dass sie ihren Lebensmittelmittelpunkt in Österreich haben und hier auch über ein Privatleben verfügen. Für die Beschwerdeführer sprechen neben ihrer Aufenthaltsdauer auch die gesetzten Schritte einer sprachlichen und sozialen Integration in Österreich:
Die Deutschkenntnisse des Erstbeschwerdeführers präsentierten sich in der mündlichen Verhandlung als sehr gut ausgeprägt; auch die Zweitbeschwerdeführerin zeigte gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Das Gericht übersieht nicht, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst der Umstand, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht, noch kein über das übliche Maß hinausgehendes Integrationsmerkmal darstellt vergleiche VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029). Im konkreten Fall sind aber die Deutschkenntnisse insbesondere des Erstbeschwerdeführers – dieser besuchte zahlreiche Deutschkurse und absolvierte im Jahr 2019 eine ÖSD-Deutschprüfung auf dem Sprachniveau C1 – positiv hervorzuheben. Neben diesen sprachlichen Integrationsschritten ist auf das ehrenamtliche Engagement des Erstbeschwerdeführers bei der Wiener Tafel und auf seine Hilfsdienste in der Unterkunft hinzuweisen, welche einen vorhandenen Willen zur Integration in die österreichische Gesellschaft und eine grundsätzlich vorliegende Arbeitswilligkeit und -bereitschaft erkennen lassen. Letzteres wird auch dadurch unterstrichen, dass er sich um einen Arbeitsvorvertrag als Montagehelfer (Arbeiter) auf Vollzeitbasis bemüht hat, wenngleich nicht verkannt wird, dass die Beschwerdeführer nach wie vor im Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung stehen. In Anbetracht seiner außerordentlichen Sprachkenntnisse und des abgeschlossenen Arbeitsvorvertrages besteht jedoch die begründete Aussicht, dass der Erstbeschwerdeführer in näherer Zukunft die Selbsterhaltungsfähigkeit erlangen wird können. Hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers waren darüber hinaus auch soziale und freundschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich festzustellen vergleiche dazu auch die Ausführungen unter Punkt 2.1.). Dass die Beschwerdeführer im Bundesgebiet gewisse religiöse Aktivitäten entfalten, kann angesichts des Umstandes, dass es sich bei ihren behaupteten Konversionen in Wahrheit um bloße Scheinkonversionen aus asyltaktischen Gründen handelt, allerdings nicht für sie sprechen. Hinsichtlich der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin ist schließlich festzuhalten, dass diese ihr gesamtes Leben in Österreich verbracht hat. Angesichts der verhältnismäßig langen Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer in Österreich und deren bisher gesetzten Integrationsschritten würde nach Ansicht des erkennenden Gerichtes eine Aufenthaltsbeendigung einen schwerwiegenden Eingriff in ihre durch Artikel 8, EMRK geschützten Rechte bedeuten.
Dem stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen gegenüber. Gegen einen Verbleib der Beschwerdeführer spricht, dass sie unberechtigte Asylanträge gestellt haben, ihr bisheriger Aufenthalt grundsätzlich ein unsicherer war und die Beschwerdeführer bis dato im Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung stehen. Die Beschwerdeführer verfügen zudem in ihrem Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte.
Im Rahmen einer Abwägung dieser Umstände und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR erweisen sich die privaten Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib im Bundesgebiet als so ausgeprägt, dass sie das öffentliche Interesse der Republik Österreich an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des Asylverfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen. Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG erscheint die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG nicht als zur Erreichung der in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten und würde die Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführer im Bundesgebiet eine Verletzung ihres Rechts auf Achtung des Privatlebens bedeuten, sodass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer gemäß Paragraph 9, Absatz 2 und 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig zu erklären war.
Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn 1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017,, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird. Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen
Die Beschwerdeführer wiesen die Erfüllung der Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Absatz 4, IntG (oder des die Erfüllung des Moduls 1 beinhaltenden Moduls 2) nicht nach. Es war ihnen sohin gemäß den Bestimmungen der Paragraphen 58, Absatz 2, in Verbindung mit 55 Absatz 2 und 54 Absatz eins, Ziffer 2 und Absatz 2, AsylG 2005 jeweils der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten zu erteilen.
Da eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären war, liegen auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung in den Herkunftsstaat sowie für die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise nicht vor, weshalb diese (trennbaren) (Teil-)Spruchpunkte insoweit ersatzlos zu beheben waren.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
ECLI:AT:BVWG:2022:L525.2220388.1.00