Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

01.02.2022

Geschäftszahl

I421 2250874-1

Spruch


I421 2250874-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. MAROKKO, vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich (BFA-O) vom 13.12.2021, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:

A)

römisch eins. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch eins. bis römisch VII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG als unbegründet abgewiesen.

römisch II. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch VIII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und das befristete Einreiseverbot ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text




Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

1.           Der Beschwerdeführer stellte am 18.09.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu noch am selbigen Tag von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er dabei an, dass es zwischen den Arabern und Berbern Rassismus gebe, er als Berber keine Unterstützung vom Staat und keine Arbeit bekomme und keine Rechte habe. In seiner Familie habe keiner ein richtiges Einkommen und können ihnen niemand helfen.

2.           Am 02.12.2021 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) statt, in welcher der Beschwerdeführer seinen Asylantrag zusammengefasst damit begründete, dass er ein gutes Leben und in Österreich studieren möchte. Er selbst habe nie Probleme aufgrund von Rassismus gehabt, aber fühle sich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Berber in seiner Heimat benachteiligt, da er sich keine Chancen auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz sehe.

3.           Mit Bescheid vom 13.12.2021, Zl. römisch 40 , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko (Spruchpunkt römisch II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt römisch VI.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt römisch VII.) und erließ gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt römisch VIII.).

4.           Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 05.01.2022, bei der belangten Behörde eingelangt am selbigen Tag, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vor etwa zwei Jahren in Marokko zum Christentum konvertiert sei und deshalb von seiner Familie bedroht worden sei. Konkret sei er mit einem Mietauto nach Marrakesch geflüchtet, wobei er von seinen Brüdern verfolgt worden sei, das Mietauto in Brand gesetzt worden sei und davon dem Beschwerdeführer ein Foto geschickt worden sei und sei er telefonisch mit der Todesstrafe bedroht worden. Außerdem fürchte der Beschwerdeführer um sein Leben, weil er homosexuell sei und davon seine Familie erfahren habe. Der Beschwerdeführer wäre einer konkreten Gefahr ausgesetzt, getötet zu haben. Bei einer Gesamtbetrachtung und unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers erscheine sein bisheriges in Österreich gesetztes Verhalten als nicht so schwerwiegend, dass die Verhängung eines Einreiseverbotes für die Dauer von fünf Jahren gerechtfertigt wäre. Beantragt werde, eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts - inklusive der nochmaligen Einvernahme des Beschwerdeführers - anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben, und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG zuzuerkennen; in eventu den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung – bezüglich des Spruchpunktes römisch II zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigen gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG zuzuerkennen; den angefochtenen Bescheid bezüglich des Spruchpunktes römisch IV aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung aufgehoben, die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK erteilt wird. Den angefochtenen Bescheid im Hinblick auf Spruchpunkt römisch VIII (Erlassung eines Einreiseverbotes) ersatzlos beheben; in eventu, die Dauer des Einreiseverbotes verkürzen; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

5.           Mit Schriftsatz vom 10.01.2022, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck am 24.01.2022, wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck vorgelegt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.       Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige, ledige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Marokkos. Er bekennt sich zum islamische Glauben und gehört der Volksgruppe der Berber an. Seine Muttersprache ist Berberisch, ansonsten spricht er Arabisch, Französisch und Englisch. Seine Identität steht nicht fest.

Er ist gesund, leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten und ist arbeitsfähig. Er fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19- Risikogruppe-Verordnung), Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 203 aus 2020,.

Der Beschwerdeführer ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hält sich seit (mindestens) 18.09.2021 in Österreich auf. Seit 15.10.2021 ist der Beschwerdeführer durchgehend im Bundesgebiet mit Hauptwohnsitz erfasst. Derzeit ist er in einer Unterkunft der Caritas gemeldet.

Der Beschwerdeführer besuchte in Marrakesch die Schule und absolvierte die Matura. In weiterer Folge studierte er an der Universität und arbeitete bis zu seiner Ausreise als Taxifahrer.

In Marokko lebt noch die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus Mutter, zwei Schwestern und zwei Brüder. Der Vater ist verstorben. Der Beschwerdeführer hat bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit der Familie im Elternhaus gewohnt. Die Brüder bestreiten den Lebensunterhalt für die Mutter und die Schwestern. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer noch über weitere Verwandte in Marokko.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Er hat keine Deutschkenntnisse, besucht keine Kurse und ist nicht Mitglied in einem Verein.

In Österreich geht der Beschwerdeführer keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht auf.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2.       Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer reiste aus wirtschaftlichen Gründen aus seinem Herkunftsstaat aus. Der Beschwerdeführer wurde nicht wegen seiner Zugehörigkeit zu der Volksgruppe der Berber bedroht oder verfolgt. Ein konkreter Anlass für ein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Marokko aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde oder werden wird.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen seiner sexuellen Orientierung oder wegen einer Konversion zum Christentum von seiner Familie bedroht worden sein sollte bzw. im Falle einer Rückkehr bedroht werde.

Der Beschwerdeführer muss bei seiner Rückkehr nach Marokko nicht mit einer Verfolgung rechnen und wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Marokko ist möglich und zumutbar und führt nicht dazu, dass er dort in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde. Es ist ihm zumutbar wieder in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren und eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Die Familie des Beschwerdeführers lebt in Marokko. In Österreich verfügt er über keine familiären Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit etwas mehr als vier Monaten in Österreich und ist hier daher nicht verfestigt.

1.3.       Zur Lage im Herkunftsstaat:

Gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 177 aus 2009, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 145 aus 2019,) gilt Marokko als sicherer Herkunftsstaat.

COVID-19 Situation in Marokko:

Morocco: WHO Coronavirus Disease (COVID-19) Dashboard With Vaccination Data | WHO Coronavirus (COVID-19) Dashboard With Vaccination Data

Basierend auf den Daten der WHO (Stand: 25.01.2022) ergeben sich 1.101.163 bestätigte COVID-19-Fälle mit 15.167 Verstorbenen. Bis zum 22.01.2022 wurden insgesamt 51.893.809 Impfstoffdosen verabreicht.

Zur aktuellen Lage in Marokko werden (auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Marokko vom 18.11.2021, Version 4) zudem folgende Feststellungen getroffen:

COVID-19

Letzte Änderung: 30.09.2021

Marokko ist von COVID-19 stark betroffen, wobei von einer hohen Dunkelziffer bei den Infektionszahlen auszugehen ist. Marokko ist als Hochrisikogebiet (AA 3.9.2021) bzw. als hohes Sicherheitsrisiko (Stufe 4) (BMEIA 7.9.2021) eingestuft. Die Ausbreitung von Covid-19 führt weiterhin zu Einschränkungen des internationalen Luft- und Reiseverkehrs (AA 3.9.2021; vergleiche BMEIA 7.9.2021). Es ist mit weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben zu rechnen (BMEIA 7.9.2021).

Die marokkanische Regierung hat aufgrund der steigenden COVID-Zahlen in Marokko die Präventivmaßnahmen im Land verschärft. Folgende Maßnahmen sind ab dem 3.8.2021 um 21:00 Uhr in Kraft getreten:

Eine landesweite Ausgangssperre von 21:00 bis 5:00 Uhr. Ausgenommen sind Personen, die in lebenswichtigen Sektoren tätigt sind, sowie jene, die dringende medizinische Versorgung benötigen.
Reisen von und nach Casablanca, Marrakesch und Agadir sind nur für Personen erlaubt, die voll immunisiert sind oder dringende medizinische Versorgung benötigen oder Warentransporte durchführen oder dienstlich unterwegs sind und eine Bestätigung (ordre de mission) des Arbeitgebers mitführen.
Die Kapazitäten von Hotels und anderen touristischen Einrichtungen sind auf 75% reduziert.
Die Kapazitäten von öffentlichen Verkehrsmitteln, Kaffeehäusern, Restaurants und Freibädern bleiben auf 50% reduziert.
Kaffeehäuser und Restaurants schließen um 21:00 Uhr.
Hallenbäder, Fitnessstudios sowie Hamams sind geschlossen.
Versammlungen im Freien oder in geschlossenen Räumen sind mit maximal 25 Personen erlaubt, soweit eine behördliche Genehmigung vorgewiesen werden kann.
Bestattungszeremonien mit mehr als 10 Personen sind verboten.
Hochzeiten und andere Feierlichkeiten bleiben verboten (WKO 17.8.2021).

Quellen:

●             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.9.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 23.9.2021

●             BMEIA - Bundesministerium europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (7.9.2021): Marokko – Reiseinformationen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 23.9.2021

●             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (17.8.2021): Coronavirus: Situation in Marokko, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in-marokko.html, Zugriff 23.9.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 18.11.2021

Marokko ist eine islamisch legitimierte Monarchie mit konstitutionellen und demokratischen Elementen. Die zentralen politischen Vorrechte und die Führung des Landes liegen bei König Mohammed römisch VI. (AA 9.2.2021; vergleiche AA 31.1.2021, USDOS 30.3.2021). Die Verfassung belässt maßgebliche exekutive Reservat- und Gestaltungsrechte beim König. Er steht über den Staatsgewalten und ist staatsrechtlicher Kontrolle entzogen. In Bezug auf die Königsmacht bringt die Verfassung nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung, aber keinen Bruch mit dem bisherigen politischen System an sich (ÖB 8.2021).

Seit der Reform der Verfassung aus dem Jahr 2011 wird die Regierung jedoch durch das Parlament gebildet (AA 9.2.2021). Diese Reformen haben die Autorität über die Regierung teilweise vom Monarchen zur gewählten Legislative verschoben. Marokko führt regelmäßig Wahlen in einem parlamentarischen Mehrparteiensystem durch (FH 3.3.2021). Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die Verfassung aus dem Jahr 2011 aufgewertet, und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Neu ist die Einführung einer regionalen Staatsebene mit demokratisch gewählten Institutionen und gestärkter Selbstverwaltung, die im Zuge des Jahres 2015 mit zahlreichen Wahlgängen konkret Gestalt angenommen hat (ÖB 8.2021). Dennoch verfügt König Mohamed römisch VI. durch formale Machtbefugnisse sowie informelle Einflussmöglichkeiten in Staat und Gesellschaft über eine dominante Stellung (FH 3.3.2021).

Am 8. September 2021 wurde ein neues Parlament gewählt. Aus der Wahl ging die Partei Unabhängige Nationalversammlung (RNI) als Sieger hervor. Sie erhielt 102 Sitze. Die ebenfalls liberale Partei für Ehrlichkeit und Modernität (PAM) stellt 87 Abgeordnete vor der Mitte-Rechts-Partei Istiqlal, welche auf 81 Mandate kommt. Die seit 2011 führende gemäßigt-islamistische Partei für Recht und Gerechtigkeit (PJD) konnte lediglich 13 ihrer 125 Sitze verteidigen. Als Reaktion auf die Wahlniederlage traten die Mitglieder des Generalsekretariats der PJD sowie der bisherige Parteivorsitzende und Regierungschef zurück. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50%. Im Rahmen der Wahlen ist es laut Collectif Associatif pour l’Observation des Élections (CAOE) zu Unregelmäßigkeiten gekommen (BAMF 13.9.2021).

Die Verwaltungsstrukturen sind vornehmlich zentralistisch. Marokko ist in 12 Regionen unterteilt, die sich ihrerseits in 62 Provinzen und 13 Präfekturen untergliedern. Hierin ist auch die Westsahara enthalten, die Marokko als integralen Teil seines Territoriums betrachtet, was international jedoch nicht anerkannt wird (AA 9.2.2021).

Die Judikative wird in der Verfassung 2011 als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist dennoch vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 8.2021).

Am 24.8.2021 sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Algerien und Marokko aufgrund von Spannungen zwischen den beiden Ländern seitens Algerien abgebrochen worden (Reuters 25.8.2021). Auslöser war u.a., dass Marokko die interne Krise in Algerien ausgenutzt hat, um in den letzten Jahren Erfolge im Bereich der Westsahara-Frage zu verbuchen - etwa den Beitritt zur Afrikanischen Union (AU) 2017 und die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara durch die USA. Die im Zuge dieser Anerkennung erfolgte Normalisierung der marokkanischen Beziehungen zu Israel hat Algerien ebenfalls unter Druck gesetzt. Gleichzeitig interpretierte Algerien einige marokkanische Äußerungen der jüngerer Vergangenheit als „feindliche Aktionen“ - etwa die Forderung eines marokkanischen Diplomaten nach Selbstbestimmung für die algerischen Kabylen (ACWDC 4.11.2021).

Am 1.11.2021 wurden darüber hinaus drei algerische Staatsbürger im umstrittenen Territorium der Westsahara bei einem Drohnenangriff getötet. Die rhetorischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko sind in der Folge weiter angestiegen (MEI@75 10.11.2021). Algerien hat Gaslieferungen nach Marokko via Maghreb-Europa- Gaspipeline ebenfalls am 1.11.2021 eingestellt (MEU@75 10.11.2021; vergleiche ACWDC 4.11.2021) und liefert Gas nur noch nach Spanien (ACWDC 4.11.2021). Die Lage kann als regionaler kalter Krieg bezeichnet werden, diplomatische Bemühungen von beiden Seiten sind nötig, um militärische Konfrontationen zu vermeiden (MEU@75 10.11.2021), die jedoch als unwahrscheinlich gelten. Die gegenwärtigen diplomatischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko hingegen könnten Jahrzehnte dauern (ACWDC 4.11.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.2.2021): Marokko - Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/politisches-portrait/224120, Zugriff 23.9.2021

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ACWDC - Arab Center Washington DC (4.11.2021): Western Sahara Figures Prominently in Algeria-Morocco Tensions, https://arabcenterdc.org/resource/western-sahara-figures-prominently-in-algeria-morocco-tensions/, Zugriff 17.11.2021

             BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.9.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw37-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             MEI@75 / Zine Labidine Ghebouli (10.11.2021): Algeria-Morocco tensions: The onset of a regional cold war, https://www.mei.edu/publications/algaeri-morocco-tensions-onset-regional-cold-war, Zugriff 17.11.2021

             Reuters (25.8.2021): Algeria cuts diplomatic relations with Morocco, https://www.reuters.com/world/algeria-says-cutting-diplomatic-ties-with-morocco-2021-08-24/, Zugrrff 17.11.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 30.09.2021

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 30.8.2021). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 19.8.2021), bzw. wird deutschen Staatsbürgern von Reisen abgeraten (AA 3.9.2021). Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 3.9.2021; vergleiche EDA 30.8.2021). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 3.9.2021; vergleiche FD 19.8.2021, BMEIA 7.9.2021).

Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht im ganzen Land das Risiko terroristischer Angriffe. Im Dezember 2018 wurden zwei Touristinnen auf einer Wandertour in der Nähe des Mont Toubkal im Atlasgebirge Opfer eines Gewaltverbrechens mit terroristischem Hintergrund (AA 3.9.2021; vergleiche EDA 30.8.2021, BMEIA 7.9.2021).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 30.8.2021; vergleiche BMEIA 7.9.2021).

Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden. Seit November 2020 haben die Spannungen in der Westsahara zugenommen. In El Guerguerat an der Grenze zu Mauretanien und entlang der Demarkationslinie ist es wiederholt zu Scharmützeln zwischen marokkanischen Truppen und Einheiten der Frente Polisario gekommen (EDA 30.8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.9.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 23.9.2021

             BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (7.9.2021): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 23.9.2021

             EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (30.8.2021): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 23.9.2021

             FD - France Diplomatie [Frankreich] (19.8.2021): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 23.9.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 30.09.2021

Der Grundrechtskatalog (Kapitel römisch eins und römisch II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen „roten Linien“ - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) - quasi als „Baugesetze“ des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 8.2021). In den Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte. Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen (AA 31.1.2021).

Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam in Frage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt (AA 31.1.2021).

Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken jedoch die Meinungsfreiheit im Bereich der Presse und in den sozialen Medien ein (USDOS 30.3.2021; vergleiche AA 31.1.2021). Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich. Die unabhängige Presse wurde in der Covid-19-Krise ruhig gestellt (Stopp von Printmedien, Online-Berichterstattung weitgehend über offizielle Kommuniqués, Gesetzentwurf gegen Nutzung sozialer Medien) (AA 31.1.2021). Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten – Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten – vor allem im Gebiet der Westsahara selbst – besonders exponiert sind (ÖB 8.2021).

Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, sie wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der oben genannten drei Tabuthemen ersetzt (AA 31.1.2021). Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität bzw. den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 30.3.2021; vergleiche HRW 13.1.2021, AA 31.1.2021, FH 3.3.2021, ÖB 8.2021). Dies gilt auch für Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (HRW 13.1.2021; vergleiche ÖB 8.2021). Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden. Zwischen September 2019 und Januar 2020 verhafteten und verfolgten die Behörden in verschiedenen Städten mindestens zehn Aktivisten, Künstler, Studenten oder andere Bürger, weil sie sich in sozialen Medien kritisch über die Behörden äußerten. Sie wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, unter anderem wegen "mangelnden Respekts vor dem König", "Diffamierung staatlicher Institutionen" und "Beleidigung von Amtsträgern" (HRW 13.1.2021). Obwohl Kritik an den Staatsdoktrinen strafrechtlich sanktioniert wird, werden entsprechende Verurteilungen in den vergangen Jahren eher selten bekannt. Marokkanische NGOs sind der Auffassung, dass administrative Schikanen eingesetzt und Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z. B. Ehebruch oder Steuervergehen) angestoßen oder auch konstruiert werden, um politisch Andersdenkende sowie kritische Journalisten einzuschüchtern oder zu verfolgen (AA 31.1.2021).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die „roten Linien“ Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 31.1.2021). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 30.3.2021). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 31.1.2021; vergleiche USDOS 30.3.2021). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 31.1.2021; vergleiche FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021, HRW 13.1.2021). Laut Angaben der Menschenrechtsorganisation AMDH haben die Behörden im Jänner und Feber 2020 mindestens 13 öffentliche Versammlungen, Proteste oder Veranstaltungen verboten (HRW 13.1.2021).

2017 gab es eine Vielzahl von Protesten gegen staatliches Versagen, Korruption und Machtwillkür in der Rif-Region, die unter dem Schlagwort „Hirak“ zusammengefasst werden. Berichtet wurde von zunehmend hartem Durchgreifen der Sicherheitskräfte, Videos von Polizeieinsätzen wurden durch Aktivisten in Facebook hochgeladen (AA 31.1.2021).

Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 30.3.2021). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 13.1.2021). Politischen Oppositionsgruppen und Organisationen, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen, wird kein NGO-Status zuerkannt (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/document/2043675.html, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 30.09.2021

Mehr als 99% der Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Die restlichen religiösen Gruppen (Christen, Juden, schiitische Moslems und Baha’i) machen weniger als 1% der Bevölkerung aus (AA 31.1.2021; vergleiche USDOS 12.5.2021).

Der sunnitische Islam malikitischer Rechtsschule ist Staatsreligion. Die verfassungsmäßige Stellung des Königs als Führer der Gläubigen und Vorsitzender des Ulema-Rats (Möglichkeit des Erlassens religiös verbindlicher fatwas) ist weithin akzeptiert. Das Religionsministerium kontrolliert strikt alle religiösen Einrichtungen und Aktivitäten und gibt das wöchentliche Freitagsgebet vor (AA 31.1.2021; vergleiche USDOS 12.5.2021). Zur Prävention von Radikalisierung überwachen die Sicherheitsorgane islamistische Aktivitäten in Moscheen und Schulen (AA 31.1.2021).

Artikel 3, der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 31.1.2021; vergleiche USDOS 12.5.2021). Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch die Ausübung anderer anerkannter traditioneller Schriftreligionen wie Judentum und Christentum. Neuere Religionsgemeinschaften - wie etwa die Baha'i - werden ebenso wenig staatlich anerkannt, wie abweichende islamische Konfessionen wie zum Beispiel die Schiiten. Fälle staatlicher Verfolgung aufgrund der Ausübung einer anderen als den anerkannten Religionen sind nicht bekannt (AA 31.1.2021).

Missionierung ist in Marokko nur Muslimen (de facto ausschließlich den Sunniten der malikitischen Rechtsschule) erlaubt. Mit Strafe bedroht ist es, Gottesdienste jeder Art zu behindern, den Glauben eines (sunnitischen) Muslim „zu erschüttern“ und zu missionieren (Artikel 220, Absatz 2, des marokkanischen Strafgesetzbuches). Dies schließt das Verteilen nicht-islamischer religiöser Schriften ein. Bibeln sind frei verkäuflich, werden jedoch bei Verdacht auf Missionarstätigkeit beschlagnahmt. Ausländische Missionare können unverzüglich des Landes verwiesen werden, wovon die marokkanischen Behörden in Einzelfällen Gebrauch machen (AA 31.1.2021).

Laizismus und Säkularismus sind gesellschaftlich negativ besetzt, der Abfall vom Islam (Apostasie) gilt als eine Art Todsünde, ist aber nicht strafbewehrt (AA 31.1.2021). Beleidigung des Islam wird allerdings kriminalisiert und kann mit einer Haftstrafe geahndet werden (AI 7.4.2021). Es gibt einen starken sozialen Druck, die islamischen Glaubensregeln zumindest im öffentlichen Raum zu befolgen. Grundsätzlich ist der freiwillige Religionswechsel Marokkanern nicht verboten, wird aber in allen Gesellschaftsschichten stark geächtet. Staatliche Stellen behandeln Konvertiten insbesondere familienrechtlich weiter als Muslime (AA 31.1.2021). Nicht-Muslime müssten zum Islam konvertieren, um die Pflegschaft für ein muslimisches Kind übernehmen zu können. Ein muslimischer Mann darf nach marokkanischem muslimischem Recht eine nicht-muslimische Frau heiraten, eine muslimische Frau kann dagegen in keinem Fall einen nicht-muslimischen Mann heiraten (AA 31.1.2021; vergleiche USDOS 12.5.2021).

Die Behörden verweigern weiterhin christlichen Gruppen die Freiheit, in Kirchen ihren Glauben auszuüben, das Recht auf christliche Heirat sowie Begräbnis und das Recht, Kirchen zu errichten (USDOS 12.5.2021).

Es gibt Berichte von gesellschaftlicher Diskriminierung basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung. Christen berichten über sozialen Druck seitens nicht-christlicher Familienangehöriger und Freunde, zum Islam zu konvertieren. Juden leben vorwiegend unbehelligt im Land und können Gottesdienste in Synagogen feiern, es gibt jedoch vereinzelte Fälle von Antisemitismus (USDOS 12.5.2021; vergleiche FH 3.3.2021). Christliche und jüdische Vertreter stellten eine Verbesserung im Bereich der gesellschaftlichen Toleranz seit dem Besuch von Papst Franziskus und Stellungnahmen des Königs dazu im Jahr 2019 fest. Wie schon in Bezug auf das Jahr 2019 gaben die Baha'i an, dass sie im Laufe des Jahres 2020 keine Belästigungen erfahren haben. Angehörige des Baha'i-Glaubens sprechen offen mit Familie, Freunden und Nachbarn über ihren Glauben (USDOS 12.5.2021). Marokkanische Christen und andere Religionsgemeinschaften üben ihren Glauben in der Regel nur im privaten Bereich aus. Marokkaner werden von staatlichen Organen gehindert, Gottesdienste in „ausländischen“ Kirchen zu besuchen, und riskieren bei jeder öffentlichen Glaubenspraxis den Vorwurf des Missionierens (AA 31.1.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; The State of the World's Human Rights; Morocco and Western Sahara 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048723.html, Zugriff 21.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051671.html, Zugriff 21.9.2021

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 01.10.2021

Marokko erkennt ausdrücklich in seiner Verfassung die Diversität der Nation an. Staatliche Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten ist nicht vorhanden (AA 31.1.2021). Die Verfassung enthält auch die Anerkennung der berberischen Wurzeln, Traditionen und Sprache gleichberechtigt neben dem arabischen und jüdischen Kulturerbe (ÖB 8.2021).

Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geographischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Der „Minderheitencharakter“ der Berber ist bei ca. 40% der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln relativ zu sehen. Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 8.2021).

Etwa die Hälfte der Bevölkerung macht eine berberische Abstammung geltend und spricht eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen. Dies ist wichtiger Teil ihrer Identität. Die meisten Berber in Marokko sehen sich jedoch nicht als ethnische Minderheit. Marokko fördert Sprache und Kultur der Berber inzwischen aktiv (AA 31.1.2021). Amazigh wurde zur offiziellen Sprache erklärt, vorerst bestehen aber nur vereinzelt Ansätze, dies in die Praxis umzusetzen (z.B. Straßenschilder) (ÖB 8.2021). Amazigh ist Mitte 2019 per Gesetz als Unterrichtssprache aufgewertet worden (AA 31.1.2021). Der berberische Sprachunterricht im Schulsystem ist nur wenig dicht und führt über die 6. Schulstufe nicht hinaus. Folglich ist eine höhere Bildung in berberischer Sprache nicht möglich (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

Relevante Bevölkerungsgruppen

Homosexuelle

Letzte Änderung: 01.10.2021

Homosexualität ist weiterhin bei Strafe verboten (USDOS 30.3.2021). Artikel 489, stellt homosexuelle Handlungen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe: Haftstrafen von sechs Monate bis drei Jahren (AA 31.1.2021; vergleiche FH 3.3.2021; HRW 13.1.2021; USDOS 30.3.2021), sowie Geldstrafen von 200 bis 1.000 Dirham (AA 31.1.2021). Im Rahmen der Strafrechtsreform wurde diskutiert, die Strafbarkeit homosexueller Handlungen abzuschaffen, dies wird jedoch von der PJD und von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Wie auch außerehelicher Geschlechtsverkehr so wird auch Homosexualität, die im Verborgenen gelebt wird, nur in Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt - in der Regel auf Anzeige von Familien oder Nachbarn (AA 31.1.2021).

Sexuelle Minderheiten werden vom marokkanischen Staat nicht anerkannt. Die sexuelle Selbstbestimmung wird durch das generelle Verbot außerehelicher einvernehmlicher sexueller Beziehungen sowie durch die generelle Kriminalisierung der Homosexualität stark eingeschränkt. Homosexualität muss im Verborgenen gelebt werden. Offen gelebte Homosexualität wird gesellschaftlich nicht toleriert (AA 31.1.2021). Anti-Diskriminierungsgesetze gelten nicht für Angehörige sexueller Minderheiten. Es kommt zur Stigmatisierung solcher Personen, und es gibt einzelne Berichte über offensichtliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität in Beschäftigung, Wohnung, Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung (USDOS 30.3.2021).

Im Bereich Homosexualität gibt es keine offen und legal agierenden zivilgesellschaftlichen Initiativen. Eine bekannte - aber nicht als NGO registrierte - Initiative ist "Aswat" (AA 31.1.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 20.9.2021

             HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2043675.html, Zugriff 21.9.2021

             USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html, Zugriff 20.9.2021

Grundversorgung

Letzte Änderung: 01.10.2021

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 31.1.2021).

Die marokkanische Wirtschaft ist grundsätzlich in einer guten Verfassung und von einem langjährigen Aufschwung geprägt. Der Anstieg in den zwei Jahren vor der Corona-Pandemie wurde in erster Linie von staatlichen und ausländischen Investitionen, dem privaten Konsum, stärkeren Exporten und durch verbesserte Agrarerträge getragen. Für die Jahre 2021/2022 wird das Wirtschaftswachstum auf 4 bis 5% prognostiziert. Die Leistungsbilanz wird weiterhin von der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus Europa stark beeinflusst. Eine Rückkehr der Wirtschaftsleistung auf das Niveau von 2019 ist erst ab 2022 realistisch (WKO 2021).

Abgesehen von den Firmen- und Grenzschließungen aufgrund der Covid-19 Pandemie ist die Wirtschaftslage Marokkos von weiteren Faktoren beeinflusst. Positiv wirken sich auf die Wirtschaftslage z.B. die steigenden Exporte in der Automobilindustrie aus. Dennoch hängt das Wachstum weiterhin stark vom wetterabhängigen Agrarsektor ab. Im industriellen Bereich kam es bereits zu zahlreichen Investitionen in Umwelt- und Wassertechnologien, außerdem wurde der Maschinenpark modernisiert. Vor allem gibt es bei der absolut notwendigen und auch von der EU unterstützten Modernisierung des Industriesektors (programme de mise à niveau) zahlreiche Investitionschancen (WKO 2021).

Mittel- bis langfristig können die Wachstumsperspektiven, nicht zuletzt auch aufgrund der politischen Stabilität, als sehr gut eingestuft werden. Es herrscht eine grundsätzlich optimistische Stimmung und die Entwicklung Marokkos hin zu einem höheren Entwicklungsstand ist im Land auch visuell wahrnehmbar (WKO 2021).

Marokko ist ein agrarisch geprägtes Land: Die Landwirtschaft erwirtschaftet in Marokko ca. 20% des BIP und ist damit der bedeutendste Wirtschaftszweig des Landes. Ca. zwei Drittel der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt, davon 18% als Ackerland. Da davon nur rund 15% systematisch bewässert werden, ist die Wetterabhängigkeit sehr hoch. Der Sektor schafft 40% der Arbeitsplätze und ist Einkommensquelle für drei Viertel der Landbevölkerung. Von den 1,5 Mio. landwirtschaftlichen Betrieben sind mehr als zwei Drittel Kleinstbetriebe, die über weniger als drei Hektar Land verfügen, mit geringer Mechanisierung arbeiten und nur zu 4% am Export beteiligt sind. Die modernen Landwirtschaftsbetriebe decken erst rund ein Achtel der kultivierbaren Gesamtfläche ab (WKO 15.9.2021).

Der Beschäftigungsgrad der Bevölkerung liegt bei 47%, die Arbeitslosigkeit hat sich 2018 von 10,2% leicht auf 9,8% vermindert (WKO 15.9.2021). Nach anderen Angaben lag die Arbeitslosigkeit 2018 laut marokkanischem Statistikamt bei 12,8%. Die Dunkelziffer liegt wesentlich höher - vor allem unter der Jugend. Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021).

Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.828 Dirham (ca. EUR 270). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.060 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (15.9.2021): Die marokkanische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-marokkanische-wirtschaft.html, Zugriff 23.9.2021

             WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2021): Marokko - Los geht's - Länderreport Außenwirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/marokko-laenderreport.pdf, Zugriff 23.9.2021

Rückkehr

Letzte Änderung: 01.10.2021

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 31.1.2021).

Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 31.1.2021). Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 8.2021).

Mit August 2021 konnten die seit der Verhängung des Ausnahmezustandes aufgrund der Covid-19 Pandemie am 20. März 2020 auf „stand by“ befindlichen Rückführungsaktivitäten von Österreich nach Marokko wiederaufgenommen werden (ÖB 8.2021).

Quellen:

             AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 20.9.2021

             ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf, Zugriff 20.9.2021

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1.       Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt römisch eins. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.       Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Marokko mit Stand 18.11.2021, Version 4.

Darüber hinaus wurden Auskünfte aus dem Zentralen Fremdenregister und dem Melderegister, der Grundversorgung und dem Strafregister eingeholt, weiters auch ein Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

2.3.        Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Muttersprache, seiner Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen auf den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll vom 18.09.2021, AS 9 ff) und vor der belangten Behörde (Protokoll vom 02.12.2021, AS 83 ff). Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen.

Hinsichtlich seiner Religionszugehörigkeit gab er glaubwürdig in beiden Einvernahmen an, dass er sich zum islamischen Glauben bekennt, weshalb dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei zum Christentum konvertiert, - wie auch in Punkt 2.5. näher ausgeführt wird - kein Glauben zu schenken war.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest. Im Verfahren behauptete er, sein Reisepass sei bei Freunden in der Türkei (Protokoll vom 02.12.2021, AS 83).

Basierend auf einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des Beschwerdeführers wurden die Feststellungen zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet getroffen.

Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde zu Protokoll, dass es ihm gut gehe und sich nicht in ärztlicher Behandlung oder in Therapie befinde (Protokoll vom 02.12.2021, AS 84) und haben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt keine gegenteiligen Hinweise ergeben, worauf in der Folge unter Berücksichtigung seines erwerbsfähigen Alters die Feststellung zu seiner Gesundheit und dessen Arbeitsfähigkeit fußt. Daher haben sich auch keine Hinweise auf medizinische Indikationen für die Zuordnung des Beschwerdeführers zur COVID-19-Risikogruppe entsprechend der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19- Risikogruppe-Verordnung), BGBl. römisch II Nr. 203/202 ergeben.

Die Feststellung zu den in Marokko lebenden Familienangehörigen basiert auf den eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Erstbefragung (Protokoll vom 18.09.2021, AS 13) und stimmen diese mit den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde überein (Protokoll vom 02.12.2021, AS 86).

Glaubhaft erachtet der erkennende Richter die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich seiner Schulausbildung, seinem Studium und seiner Berufstätigkeit (Protokoll vom 02.12.2021, AS 86). Zudem war seinen Angaben zu entnehmen, dass die Brüder des Beschwerdeführers für den Lebensunterhalt der Mutter und Schwester aufkommen.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner Einvernahme durch die belangte Behörde, bei welcher er ausführte, niemanden hier zu haben und alleine zu wohnen (Protokoll vom 02.12.2021, AS 89).

Die Feststellung zur mangelnden Erwerbstätigkeit in Österreich gründet auf dem Sozialversicherungsdatenauszug, der Bezug der staatlichen Grundversorgung auf dem vorliegenden Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 24.01.2022. Seinen Ausführungen vor der belangten Behörde war zu entnehmen, dass er über keine Deutschkenntnisse verfügt, keinen Kurs besucht und nicht Mitglied in einem Verein ist (Protokoll vom 02.12.2021, AS 84, 89).

Dass der Beschwerdeführer keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht aufweist, ergibt sich aus dem Umstand, dass er solche im Verfahren weder dargelegt noch formell nachgewiesen hat und seines kurzen Aufenthaltes in Österreich.

2.4.       Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung und in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde. So gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen an, dass es zwischen den Arabern und Berbern Rassismus gebe, er als Berber keine Unterstützung vom Staat und keine Arbeit bekomme, keine Rechte habe und benachteiligt werde. Sein Vater habe für den Staat ohne Vertrag etwa 15 Jahre gearbeitet, habe nicht mehr arbeiten können, aber keine Pension bekommen und sei 2017 verstorben. In seiner Familie habe keiner ein richtiges Einkommen und können ihnen niemand helfen. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er Armut (Protokoll vom 18.09.2021, AS 20). Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde begründete er seinen Asylantrag darüber hinaus im Wesentlichen damit, dass er ein gutes Leben möchte und in Österreich studieren möchte. Sein Vater habe als Rettungsfahrer gearbeitet, aber nie eine bessere Arbeit bekommen. Seine Familie lebe vom Pachtvertrag und dem Ertrag aus der familieneigenen Landwirtschaft und würden die Brüder nebenbei noch andere Arbeiten machen um seiner Mutter und seinen Schwestern gute Lebensbedingungen zu bieten. Er selbst habe nie Probleme aufgrund von Rassismus gehabt, aber fühle sich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Berber in seiner Heimat benachteiligt, da er sich keine Chancen auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz sehe. Befragt danach, was er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, meinte er, er wolle nicht zurückgehen, da er nichts in Marokko habe. Er sei dort nur eine Nummer und kein Mensch. Auch befürchte er Armut und habe er dort keine Zukunft (Protokoll vom 02.12.2021, AS 88 f).

Zusammengefasst lässt sich aus diesem Vorbringen keine aktuelle, gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung oder Verfolgungsgefahr ableiten. Zudem gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er weder in der Türkei noch in anderen Staaten einen Asylantrag gestellt habe, weil er nach Österreich gewollt habe, da man hier gut versorgt wäre (Protokoll vom 02.12.2021, AS 84). Auf die Frage, wann er zum ersten Mal daran gedacht habe, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, führte er aus, dass er nach Abschluss der Hochschule recherchiert hätte und die europäischen Staaten miteinander verglichen hätte und er draufgekommen sei, dass es ihm in Österreich am besten gefallen würde (Protokoll vom 02.12.2021, AS 87). Diese Ausführungen des Beschwerdeführers und insbesondere der Umstand, dass der Beschwerdeführer in keinem anderen von ihm durchreisten Staat einen Asylantrag gestellt hat, verdeutlichen, dass er Marokko nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat, zumal davon auszugehen ist, dass es einem Flüchtling darum geht, in einem anderen Staat Schutz vor Verfolgung zu suchen.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er fühle sich aufgrund der Zugehörigkeit zu den Berbern benachteiligt, so gilt es in diesem Zusammenhang auf das zitierte Länderinformationsblatt (Pkt. 1.3.) zu verweisen. Aus diesem ergibt sich nämlich, dass der „Minderheitencharakter“ der Berber bei ca. 40% der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln relativ zu sehen ist und nach Einschätzung der Botschaft eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen mag, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster nicht erkennbar ist (ÖB 8.2021). Zudem geht hervor, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung eine berberische Abstammung geltend macht und eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen spricht. Selbst dem Beschwerdeführer fiel von der belangten Behörde danach befragt, was einem Marokkaner arabischer Volksgruppe zuteilwerde, was einem Marokkaner mit Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Berber nicht zuteilwerde, nichts anderes ein, als dass er in Europa einen gut bezahlten Arbeitsplatz finden möchte (Protokoll vom 02.12.2021, AS 89). Der Beschwerdeführer brachte keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungs- oder Bedrohungshandlung aufgrund seiner berberischen Zugehörigkeit vor, sondern führte vielmehr aus, dass er selbst nie Probleme aufgrund von Rassismus gehabt habe, weshalb in weiterer Folge keine asylrelevante Verfolgung festzustellen war.

Da der Beschwerdeführer darüber hinaus zu seinen Fluchtgründen in den Einvernahmen nur vorbrachte, dass er ein gutes Leben haben möchte, studieren möchte und einen gut bezahlten Arbeitsplatz finden möchte, damit aber nur wirtschaftliche Überlegungen für das Verlassen seines Herkunftsstaates geltend machte, hat der Beschwerdeführer Marokko nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung verlassen. Dazu stellte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Stammrechtssatz (E 20.02.1985, 85/01/0052) bereits fest, dass allein wirtschaftliche Gründe eine Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu rechtfertigen vermögen.

Aus dem zitierten Länderinformationsblatt ergibt sich, dass die marokkanische Wirtschaft grundsätzlich in einer guten Verfassung und von einem langjährigen Aufschwung geprägt ist, sich die Arbeitslosigkeit seit 2018 vermindert hat und das nationale Arbeitsmarktservice eine Internet-Plattform zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt und auch Fortbildungsmöglichkeiten angeboten werden. Zudem führt die marokkanische Regierung Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Der Beschwerdeführer brachte keine gesundheitlichen Einschränkungen oder einen Behandlungsbedarf vor, sodass auf spezifische medizinische Versorgungsmöglichkeiten nicht weiter eingegangen werden muss.

An dieser Beurteilung vermag auch das weitere im Beschwerdeschriftsatz vorgebrachte Fluchtvorbringen nichts ändern, zumal sich dieses nicht nur als gesteigert darstellt, sondern in einer Gesamtschau auch im völligen Widerspruch zu den schlüssigen Ausführungen des Beschwerdeführers vor dem BFA steht. So ist den Angaben im Beschwerdeschriftsatz, der Beschwerdeführer sei vor etwa zwei Jahren zum Christentum konvertiert und deshalb von seinen Brüdern verfolgt worden, insofern kein Glauben zu schenken, als der Beschwerdeführer vorm BFA zu Protokoll gab, dass die Brüder ihm das Studium (2016 – 2020) finanziert hätten, sie immer zusammengeholfen hätten und er auch die letzte Nacht vor seiner Ausreise zuhause an seiner Heimatadresse aufhältig gewesen sei (AS 86 f) und damit in keiner Weise den Eindruck erweckte, dass er von seiner Familie in irgendwelcher Weise verfolgt oder bedroht worden sei. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich von seinen Brüdern verfolgt worden, mit dem Mietauto geflüchtet und das Mietauto durch die Brüder in Brand gesetzt worden, so ist es nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer die Gelegenheit, entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, nicht in einer der Einvernahmen vor der belangten Behörde genützt hat. Dies obwohl er mehrmals darauf hingewiesen wurde sämtliche Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates zu schildern. Einen nachvollziehbaren Grund, warum der Beschwerdeführer eine Konversion zum Christentum und eine damit verbundene Bedrohung weder in der Erstbefragung noch in der zweieinhalb Monate später durchgeführten Einvernahme durch das BFA vorgebracht hatte, bleibt der Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz schuldig. Vielmehr gab er bei beiden Einvernahmen gleichermaßen an, dem Islam anzugehören (Protokoll vom 18.09.2021, AS 11, Protokoll vom 02.12.2021, AS 85) und verneinte Probleme aufgrund seines Religionsbekenntnisses zu haben (Protokoll vom 02.12.2021, AS 88).

Auch das weitere Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz, der Beschwerdeführer sei homosexuell und fürchte deshalb um sein Leben, stellte sich als unglaubhaft dar. Die Behauptung im Beschwerdeschriftsatz, der Beschwerdeführer sei homosexuell, ist als Übersteigerung seines bisherigen Fluchtvorbringens zu werten. Es wird nicht verkannt, dass Homosexualität ein sensibles Thema darstellt und es mit Überwindung verbunden sein kann, darüber zu sprechen. Trotzdem ist auch bei einem Fluchtgrund wegen der sexuellen Orientierung nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ein Asylwerber grundsätzlich bemüht ist, eine diesbezügliche Verfolgung ehestmöglich vorzubringen. Der Beschwerdeführer hingegen hat nicht nur in der Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme das Thema Homosexualität vollkommen unerwähnt gelassen, sondern auch konkret gesagt, dass er in seiner Heimat eine Freundin gehabt hätte (Protokoll vom 02.12.2021, AS 85).

In einer Gesamtbetrachtung der obigen Ausführungen war dem Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer werde aufgrund seines christlichen Glaubens und seiner sexuellen Orientierung in Marokko einer Gefahr ausgesetzt, jegliche Glaubhaftigkeit zu versagen.

Der Vollständigkeitshalber sei zu erwähnen, dass entgegen der Ansicht im Beschwerdeschriftsatz der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde ausreichend zu seinen Fluchtgründen einvernommen worden ist und öfters danach gefragt wurde, ob er sämtliche Gründe für das Verlassen des Heimatlandes geschildert habe, ob ihm ausreichend Zeit eingeräumt worden sei und ob es noch andere Gründe gebe, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe (Protokoll vom 02.12.2021, AS 89).

Auch ergeben sich aus gesundheitlichen Erwägungen angesichts der COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf den Beschwerdeführer. Das Risiko, an COVID-19 zu erkranken, ist in Österreich nicht geringer als in Marokko. Dass der Beschwerdeführer derzeit an einer COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen, vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt bei unter 1%. Es fehlt daher auch vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie fallgegenständlich an den geforderten außergewöhnlichen Umständen iSd Artikel 3, EMRK.

In weiterer Folge führt eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Marokko nicht automatisch dazu, dass er einer wie auch immer gearteten existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Auch ist er angesichts der weitgehend stabilen Sicherheitslage nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Da der Beschwerdeführer im Herkunftsland über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, er gesund und arbeitsfähig ist und keine sonstigen außergewöhnlichen Umstände vorliegen, ist es für das erkennende Gericht schlüssig nachvollziehbar, dass die belangte Behörde davon ausgeht, dass dem Beschwerdeführer in Marokko keine Gefahren drohen, die einen subsidiären Schutz rechtfertigen würden.

Damit ist die Beurteilung der Fluchtgründe und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht dieser anschließt.

2.5.       Zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Wie bereits erwähnt gilt Marokko gemäß Paragraph eins, Ziffer 9, der HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 177 aus 2009, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 145 aus 2019,) als sicherer Herkunftsstaat.

Die belangte Behörde hat ihrem Bescheid noch das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 18.03.2021, Version 2, zugrunde gelegt. Die gegenständlichen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat gründen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 18.11.2021, Version 4. Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Marokko ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Nach Würdigung sämtlicher Umstände steht für das Bundesverwaltungsgericht fest, dass Marokko ein Staat ist, der hinsichtlich seiner Bürger schutzfähig und schutzwillig ist und dass dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer daher aufgrund der Lage im Herkunftsstaat mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Gefahr an Leib und Leben oder einer unmenschlichen Strafe droht, wenn er nach Marokko zurückkehrt.

Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen weder im Administrativverfahren noch im Beschwerdeverfahren substantiiert entgegen, sodass die der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte nicht in Zweifel zu ziehen waren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

römisch eins.           Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Absch A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Artikel eins, Absch A Ziffer 2, GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Absch A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2.   Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt römisch II.2.4. bereits dargelegt wurde, konnten keine konkreten, gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichteten Verfolgungshandlungen festgestellt werden. Der Beschwerdeführer begründete sein Fluchtvorbringen hauptsächlich nur mit wirtschaftlichen Gründen und konnte hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zu den Berbern keine gegen ihn gerichtete Verfolgungs- oder Bedrohungshandlung vorbringen.

Das vom Beschwerdeführer erstmals im Beschwerdeschriftsatz erstattete Fluchtvorbringen hinsichtlich einer Bedrohung durch die Familie sowohl aufgrund einer Konversion zum Christentum als auch wegen einer sexuellen Orientierung muss als gesteigertes Fluchtvorbringen qualifiziert werden, da kein Asylwerber eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen würde, weshalb ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Ohnedies war diesem Vorbringen auch deshalb die Glaubwürdigkeit zu versagen, weil es im völligen Widerspruch zu den schlüssigen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde steht.

Insofern hat der Beschwerdeführer Marokko nur verlassen, um in Europa bzw. Österreich einen „gut bezahlten Arbeitsplatz“ zu bekommen und hat keine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung geltend gemacht. Die wirtschaftlichen Beweggründe für das Verlassen eines Herkunftsstaates werden von der Genfer Flüchtlingskonvention allerdings nicht abgedeckt und begründen somit keine Asylrelevanz.

Da sich der Beschwerdeführer damit nicht aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden außerhalb von Marokko befindet, liegen die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht vor.

Daher ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Marokko keine Verfolgung iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht und dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Asylrelevanz zukommt. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage:

Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Paragraph 8, Absatz 2, AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden. Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des Paragraph 11, leg. cit. offen steht.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht vergleiche VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen vergleiche VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Dem Beschwerdeführer droht in Marokko - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung. Zudem handelt es sich bei Marokko um einen sicheren Herkunftsstaat.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Auch wurden in der Beschwerde keine gewichtigen Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde.

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für Marokko nicht vor, sodass aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Artikel 2, und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber aufgrund der aktuellen Situation festzuhalten, dass auch die COVID-19-Pandemie einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nicht entgegensteht. So ist der Beschwerdeführer jung, gesund und leidet an keinen Atemwegserkrankungen oder anderen chronischen Krankheiten. Er gehört somit nicht zur Risikogruppe im Sinne der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung. Auch die offiziellen Zahlen der an COVID-19 Erkrankten in Marokko zeigen aktuell kein für eine Schutzgewährung hinreichend signifikantes Risiko für den Beschwerdeführer auf.

Der Beschwerdeführer bringt unter anderem vor, dass er ein gutes Leben haben und studieren möchte, sein Vater nie eine bessere Arbeit bekommen hätte, er selbst nie Probleme mit Rassismus gehabt hätte, aber sich aufgrund der Tatsache, dass er der Volksgruppe der Berber angehöre, in seiner Heimat benachteiligt fühle, da er keine Chancen auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz sehe. Der Beschwerdeführer hat seinen Angaben zu Folge in Marokko studiert und wurde ihm das Studium von seinen Brüdern finanziert. In weiterer Folge hat er bis zu seiner Ausreise als Taxifahrer gearbeitet. Sein Vater ist verstorben und bestreiten die Brüder des Beschwerdeführers den Lebensunterhalt für die Mutter und die Schwestern. Nach den Angaben des Beschwerdeführers lebt die Familie vom Pachtertrag und dem Ertrag der familieneigenen Landwirtschaft und haben die Brüder noch andere Arbeiten angenommen. Der Beschwerdeführer hat bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie im Elternhaus gewohnt. Aufgrund dieser Ausführungen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko auf die finanzielle Unterstützung, das soziale Netz und eine gesicherte Wohnunterkunft der Familie zurückgreifen können wird. Darüber hinaus wird es dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Schulausbildung, seinem Studium und seiner Arbeitserfahrung als Taxifahrer möglich sein, wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit seinen Lebensunterhalt verdienen zu können.

Dabei verkennt das erkennende Gericht nicht, dass die wirtschaftliche Lage in Marokko nicht mit jener in Österreich verglichen werden kann. Den Länderfeststellungen ist allerdings zu entnehmen, dass die marokkanische Regierung Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus führt und Arbeitssuchenden die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org) steht, die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021).

Dass der Beschwerdeführer jedoch allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Marokko bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Marokko keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Feststellungsgemäß verfügt er in Marokko aufgrund seiner dort lebenden Mutter und seinen Geschwistern über ein familiäres Netzwerk, was ihm den Aufbau einer Existenz erheblich erleichtern sollte. Überdies kann er sich dort in seiner Muttersprache verständigen, wohingegen er in Österreich – auch seines erst sehr kurzen Aufenthaltes geschuldet – weder über ein soziales Netzwerk noch über Deutschkenntnisse verfügt.

Zusammenfassend ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Marokko nicht in seinem Recht gemäß Artikel 3, EMRK verletzt, weil Hinweise auf exzeptionelle Umstände fehlen und die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua).

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch II. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1.   Rechtslage:

Gemäß Paragraph 58, Absatz eins, AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Ziffer 2,) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Ziffer 5,). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (Paragraph 58, Absatz 3, AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der Paragraphen 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2.   Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Im Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen - gemeint war wohl eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß Paragraph 57, Asylgesetz 2005 - nicht erteilt werde.

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des Paragraph 46, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes römisch III. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 57, AsylG, abzuweisen war.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides):

3.4.1.   Rechtslage:

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere die in Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Zu prüfen ist, ob die von der belangten Behörde getroffene Rückkehrentscheidung mit Artikel 8, EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach Paragraph 55, AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Artikel 8, EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 18.09.2021 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung am 27.01.2022, lediglich eine Dauer von vier Monaten. Der seit 18.09.2021 andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Das Gewicht seiner etwaigen privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war vergleiche VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0049; VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721).

Hinsichtlich eines in Österreich im Sinne des Artikel 8, EMRK geschützten Familienlebens ist auszuführen, dass das Bestehen eines Familienlebens vom Beschwerdeführer nicht behauptet wurde und der Beschwerdeführer – wie die belangte Behörde zu Recht ausführt – nach eigenen Angaben in Österreich über keine Verwandten oder sonstigen familiären Anknüpfungspunkte verfügt. Somit stellt die Ausweisungsentscheidung schon aus dieser Erwägung keine Verletzung des Artikel 8, EMRK dar (AsylGH 03.12.2009, A2 253.985-0/200853).

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind schon im Hinblick auf die äußerst kurze Dauer seines bisherigen Aufenthalts in Österreich (seit Mitte September 2021) nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer konnte der belangten Behörde keine privaten Interessen darlegen, ist nicht in irgendwelchem Verein tätig, hat keine Deutschkenntnisse, besucht keinen Deutschkurs und ist im Bundesgebiet nicht berufstätig.

Darüber hinaus hat sowohl der Verwaltungsgerichthof vergleiche VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055), als auch der Verfassungsgerichtshof (26.04.2010, U 493/10-5, VfGH 12.06.2013, U485/2012), bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber. Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Artikel 8, Absatz 2, EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt vergleiche zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Hinsichtlich seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit ist auszuführen, dass diese nach der Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420), da der VwGH davon ausgeht, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG und Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG sind erfüllt. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch IV. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG und Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG abzuweisen war.

3.5. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf. des angefochtenen Bescheides):

3.5.1.   Rechtslage:

Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen vergleiche dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch den Beschluss VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des Paragraph 50, Absatz 2, FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch fünf. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 9, FPG abzuweisen war.

3.6.      Zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt römisch VI. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß Paragraph 55, Absatz eins a, FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß Paragraph 68, AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß Paragraph 18, BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG erfolgt ist.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 13.12.2021 die aufschiebende Wirkung – zu Recht, wie unten auszuführen sein wird – aberkannt.

Nach Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK, Artikel 8, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Wie bereits oben erörtert, besteht bei der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Marokko keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Artikel 8, EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienleben in Österreich nicht zu befürchten. Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt, wie bereits oben ausgeführt, einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß Paragraph 18, Absatz 5, BFA-VG gegeben.

Zu Recht hat daher die belangte Behörde Paragraph 55, Absatz eins a, FPG zur Anwendung gebracht. Die Beschwerde erweist sich damit insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch VI. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG abzuweisen war.

3.7         Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt römisch VII. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß Paragraph 18, Absatz eins, Ziffer eins, BFA-VG kann vom BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (Paragraph 19, BFA-VG) stammt. Sichere Herkunftsstaaten sind ua die Herkunftsstaaten, die mit Verordnung der Bundesregierung als sichere Herkunftsstaaten festgestellt wurden (Paragraph 19, Absatz 5, Ziffer 2, BFA-VG).

Nach Paragraph eins, Ziffer 9, Herkunftsstaaten-Verordnung, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 177 aus 2009,, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 145 aus 2019,, gilt Marokko als sicherer Herkunftsstaat und liegen die Fluchtmotive des Beschwerdeführers ausschließlich in wirtschaftlichen Überlegungen, weswegen die belangte Behörde die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf Grundlage des Paragraph 18, Absatz eins, Ziffer eins und Ziffer 4, BFA-VG somit zu Recht zur Anwendung brachte.

Wie bereits mehrfach ausgeführt, hat die durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ein Überwiegen der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides ergeben, weshalb die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den gegenständlichen bekämpften Bescheid zulässig war.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch VII. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 18, Absatz eins, BFA-VG abzuweisen war.

römisch II.         Behebung des Einreiseverbotes:

In Spruchpunkt römisch VIII hat die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen hat. Dabei ist nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde im Widerspruch dazu auf Seite 53 des angefochtenen Bescheides ein Einreiseverbot in der Dauer von drei Jahren festgestellt hat und schließlich in der rechtlichen Beurteilung auf Seite 73 von der Bemessung eines zweijährigen Einreiseverbotes die Rede ist.

Gemäß Paragraph 53, Absatz eins und 2 FPG kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Paragraph 53, Absatz 2, FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist unter anderem – soweit gegenständlich relevant – dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (Ziffer 6, leg. cit.). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des Paragraph 53, Absatz 2, FPG gerechtfertigt ist (VwGH, 20.09.2018, Ra 2018/20/0349 mit Hinweisen auf andere Entscheidungen). Im gegenständlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen, dass sein Unterhalt gesichert ist.

Obwohl hier somit der Tatbestand des Paragraph 53, Absatz 2, Ziffer 6, FPG erfüllt und somit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit indiziert sein könnte, ist die Erlassung eines Einreiseverbotes zusätzlich zur Rückkehrentscheidung gegenständlich nicht notwendig. Vom Beschwerdeführer geht keine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung aus. Angesichts seiner Unbescholtenheit, seiner ersten Asylantragstellung und seines erst kurzen Aufenthaltes in Österreich von wenigen Monaten kann von einer noch relativ geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ausgegangen werden.

Soweit die belangte Behörde die Erlassung eines Einreiseverbotes mit der missbräuchlichen Stellung eines Asylantrages begründete, verkennt sie die Rechtslage. So ist es nicht rechtens, im Fall eines Asylwerbers, der Anspruch auf Grundversorgung hat und dessen Antrag auf internationalen Schutz keine Folge gegeben sowie gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen wird, ein allein auf Paragraph 53, Absatz 2, Ziffer 6, FPG gegründetes Einreiseverbot zu erlassen, ohne die dafür notwendige Einzelfallprüfung vorzunehmen, insbesondere um zu beurteilen, ob aufgrund des bisherigen Verhaltens des Drittstaatsangehörigen davon auszugehen ist, dass durch seinen weiteren Aufenthalt eine maßgebliche Störung der in Paragraph 53, Absatz 2, FPG genannten öffentlichen Interessen zu gewärtigen ist (VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349).

Im Ergebnis zeigt sich daher, dass vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Judikatur ein Einreiseverbot im gegenständlichen Fall nicht gerechtfertigt ist.

Sollte der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung daher nicht zeitgerecht nachkommen und damit ein weiteres Fehlverhalten setzen, wäre die Verhängung eines Einreiseverbots neuerlich zu prüfen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VIII. war sohin stattzugeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben.

Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine Beschwerdeverhandlung kann gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG entfallen, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage – den darin aufscheinenden Einvernahmen des Beschwerdeführers und den darin getätigten gleichbleibenden Angaben – in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, die Entscheidung in zeitlicher Nähe liegt, die gebotene Aktualität aufweist und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Den erst in der Beschwerde vorgebrachten Fluchtgründen war kein Glauben zu schenken. Somit kann selbst bei Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis erzielt werden und vermag daran auch eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht und ein dabei gewonnener (positiver) persönlicher Eindruck nichts zu ändern vergleiche VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0180; 06.04.2020, Ra 2019/01/0430).

Zudem liegt ein Verfahren nach Paragraph 18, BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet binnen sieben Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach Paragraph 18, Absatz 5, VFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall – wie oben dargelegt – aber nicht gegeben.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG in Verbindung mit Paragraph 24, VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Beschwerdeführer brachte keinerlei Verfolgungsgründe gegen seine Person vor und verließ Marokko ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer und der fehlenden privaten und familiären Bindungen konnte eine Rückkehrentscheidung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers getroffen werden. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2022:I421.2250874.1.00