Bundesverwaltungsgericht
20.12.2021
W159 2244052-1
W159 2244052-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geboren am römisch 40 , St.A. Kosovo, gegen die Spruchpunkte römisch eins. bis römisch fünf. des Bescheids, des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2021, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.12.2021 zu Recht erkannt:
A)
römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte römisch eins. bis römisch III. als unbegründet abgewiesen.
römisch II. Spruchteil römisch fünf. wird behoben.
römisch III. Gemäß Paragraph 55, Absatz eins -, 3, FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
römisch IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und die Dauer des Einreiseverbotes gemäß Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 2 Ziffer 6, FPG auf sechs Monate herabgesetzt.
B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
Vorliegendes Verfahren beginnt mit der Übermittlung des Fremdenaktes des Beschwerdeführers, ein Staatsangehöriger vom Kosovo, geb. am römisch 40 , Einreise am 27.02.2021 via Ungarn (Stempel im Reisepass), an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg (BFA). In der niederschriftlichen Einvernahme am 29.04.2021, GZ: römisch 40 bei der Landespolizeidirektion Salzburg hat der Beschwerdeführer angegeben, er verfüge über ein gültiges polnisches Visum, welches er jedoch nur deshalb beantragt habe, weil er für das Bundesgebiet kein Visum erhalten habe. Da seine Eltern in Österreich leben würden, sei er aufgrund der Corona Pandemie hier in Österreich länger aufhältig geblieben und habe sein Visum umschreiben lassen wollen. Seine Eltern würden beide in römisch 40 wohnen, seine Geschwister in römisch 40 bzw. römisch 40 in Frankreich. Die Einreise sei nicht über Polen erfolgt, sondern direkt aus dem Kosovo nach Österreich, da er hier eine Beschäftigung aufnehmen habe wollen.
Der Beschwerdeführer gab bei der Bezirkshauptmannschaft römisch 40 am 29.04.2021, Zl. römisch 40 an, er sei der deutschen Sprache nur sehr wenig mächtig und habe Herrn römisch 40 als Übersetzer mitgebracht. Er sei in römisch 40 /Kosovo geboren worden, Staatsangehöriger der Rep. Kosovo, verheiratet und habe vier Kinder im Alter von 3, 5, 7 und 10 Jahren. Seine Frau und seine Kinder würden im Kosovo in römisch 40 leben. In Kroatien habe er über ein Visum verfügt und als Wald- bzw. Forstarbeiter gearbeitet. Sein polnisches Visum habe er erhalten, weil es beabsichtigt gewesen sei, dass er in einer Fleischhauerei arbeiten werde. Er sei am 27.02.2021 bei römisch 40 nach Ungarn eingereist. Er sei in Österreich geblieben und nicht nach Polen weitergereist. Weil seine Eltern in Österreich leben würden, habe er seinen Rechtsanwalt römisch 40 beauftragt, einen österreichischen Aufenthaltstitel für ihn zu beantragen. Er habe in römisch 40 eine Wohnung gemietet und könnte bei der Firma römisch 40 zu arbeiten anfangen.
Er nehme zur Kenntnis, dass sein Aufenthalt in Österreich illegal sei und, dass deswegen ein fremdenpolizeiliches Verfahren eingeleitet werde.
Das BFA übermittelte am 29.04.2021, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: römisch 40 eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit dem Ersuchen den Fragenkatalog binnen 14 Tagen, schriftlich beantwortet zu retournieren.
Der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt römisch 40 , stellte am 28.04.2021 bei der Bezirkshauptmannschaft römisch 40 einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ und gab u.a. an, dass er eine Einstellungszusage von der Firma römisch 40 haben würde. Er ergänzte, dass sein Vater über einen Aufenthaltstitel bis 02.03.2025 und seine Mutter über einen Aufenthaltstitel bis 15.03.2023 verfügen würden. Sein Vater habe für den Beschwerdeführer bei römisch 40 eine Reisekrankenversicherung für ausländische Gäste für die Dauer von 180 Tagen abgeschlossen. Als Beilagen wurde in Kopien der Auszug aus dem kosovarischen Reisepass, eine Meldebestätigung, ein Auszug aus dem Reisepass mit kroatischem Visum, ein kroatisches Visum, ein Mietvertrag, eine Einstellungszusage, die Bestätigung der Deutschkursanmeldung A1/1, der Aufenthaltstitel des Vaters sowie der Mutter sowie die elektronische Polizze der Reisekrankenversicherung angefügt.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers fragte am 13.04.2021 bei der Botschaft der Republik Polen an, ob es möglich sei, das bestehende polnische Visum in ein Visum für Österreich umzutauschen.
Am 03.05.2021 wurde ein Vertrag „Pflegen und Betreuung“ zwischen dem Vater des Beschwerdeführers, römisch 40 und dem Beschwerdeführer, gültig bis 03.05.2026 abgeschlossen. Der Vater des Beschwerdeführers erklärte darin, dass er schon zwei Herzinfarkte gehabt habe und die Mutter des Beschwerdeführers übergewichtig sei und sie sich nicht ausreichend um sich selbst kümmern könnten. Sie würden ihren Sohn benötigen, damit dieser sie pflege, für sie koche, einkaufen gehe und sie aufpasst. Er ersuche um einen Daueraufenthalt EU für seinen Sohn, dass er das Ehepaar entsprechend unterstützen könne.
Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2021, Zahl römisch 40 wurde unter Spruchpunkt römisch eins. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gem. Paragraph 57, AsylG nicht erteilt, in Spruchpunkt römisch II. wurde eine Rückkehrentscheidung gem. Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG erlassen, In Spruchpunkt römisch III. wurde festgestellt, dass die Abschiebung gem. Paragraph 46, FPG in den Kosovo zulässig sei, im Spruchpunkt römisch IV. wurde gem. Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 2, Ziffer 3, FPG ein befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von zwei Jahren erlassen, im Spruchpunkt römisch fünf. wurde gem. Paragraph 55, Absatz 4, FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und im Spruchpunt römisch VI. wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gem. Paragraph 18, Absatz 2, Ziffer eins, BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer, nicht österreichischer Staatsbürger sei. Seine Identität stünde fest. Er sei verheiratet und habe vier Kinder. Er würde an keinen schwerwiegenden Krankheiten leiden, eine COVID Infizierung würde auch nicht vorliegen, er sei ein erwachsener Mann im arbeitsfähigen Alter. Er sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Er sei am 17.03.2021 in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist, sowie spätestens an diesem Tag in das österreichische Bundesgebiet. Er würde einen kosovarischen Reisepass mit einem gültigen polnischen Visum besitzen, sei jedoch zu keinem Zeitpunkt in Polen aufhältig gewesen. Er würde keinen Aufenthaltstitel eines Mitgliedstaates besitzen. Sein Zielland sei ausschließlich Österreich gewesen. Er würde jedoch nicht über die Einreisevoraussetzungen des Artikel 6, GKX verfügen. Er habe einen bereits 2006 bzw. 2007 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt, welche beide abgewiesen worden seien. Zu seinem Privat- und Familienleben wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer Familienangehörige im Bundesgebiet habe. Seine Kernfamilie würde jedoch im Kosovo leben. Er sei im Bundesgebiet weder sozial noch beruflich verankert. Die öffentlichen Interessen der Republik Österreich würden gegenüber den bestehenden privaten Interessen des Beschwerdeführers überwiegen. Das Einreiseverbot sei erlassen worden, weil er das polnische Visum D nachweislich missbräuchlich verwendet habe. Er würde kein gültiges Visum für das Bundesgebiet besitzen. Auch die Einreise sei unrechtmäßig erfolgt. Es würde eine Übertretung nach dem FPG vorliegen.
In der rechtlichen Beurteilung wurde zunächst zu Spruchteil römisch eins. ausgeführt, dass die Voraussetzungen des Paragraph 57, AsylG beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Zu Spruchpunkt römisch II. wurde zunächst hervorgehoben, dass die Ehefrau und die vier minderjährigen Kinder alle im Kosovo leben würden, seine Eltern in Österreich und weitere Familienmitglieder in Frankreich. Es läge aufgrund des kurzen Aufenthaltes auch kein schützenswertes Privatleben vor und würden die Interessen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung das weitere Interesse des Beschwerdeführers an einem Aufenthalt in Österreich überwiegen. Insbesondere habe der Beschwerdeführer ein polnisches Visum D missbräuchlich verwendet, mag er auch strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sein. Es liege insgesamt eine massive Übertretung fremdenrechtlicher Bestimmungen vor und sei daher kein Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen und eine Rückkehrentscheidung als zulässig zu bezeichnen.
Zu Spruchpunkt römisch III. wurde insbesondere dargelegt, dass sich weder aus dem Vorbringen noch aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat irgendeine Gefährdung ergebe und einer Abschiebung in den Kosovo auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, wobei der Kosovo auch als sicherer Drittstaat in der Herkunftsstaatenverordnung festgelegt worden sei, woran sich auch durch die COVID-19-Pandemie nichts geändert haben.
Zu Spruchpunkt römisch IV. wurde hervorgehoben, dass beim Beschwerdeführer der Paragraph 53, Absatz 2, Ziffer 3, FPG (Übertretung des FPG oder des NAG) vorliege und auch aufgrund des Persönlichkeitsbildes nicht ausgeschlossen werden könne, dass weitere Verstöße gegen das Fremdenpolizeigesetz begangen würden. Das Einreiseverbot sei bei einem maximalen Rahmen von fünf Jahren durchaus angemessen.
Zu Spruchpunkt römisch fünf. wurde insbesondere ausgeführt, dass es für das Bundesamt nicht begründbar erscheine, eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, da bei dem Beschwerdeführer auf die Dauer von zwei Jahren eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vorliege.
Zu Spruchpunkt römisch VI. wurde auf Paragraph 18, Absatz 2, Ziffer eins, BFA-VG (die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich) Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt römisch 40 , fristgerecht in vollem Umfang Beschwerde, wobei zunächst auf die Begründung zu dem bei der BH römisch 40 gestellten Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ verwiesen wurde. Es sei nicht richtig, dass die Kernfamilie im Kosovo lebe, denn seine Eltern würden in Österreich leben und diese würden auch zur Kernfamilie zählen. Es sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer mit seinen Eltern in einem gemeinsamen Haushalt wohne und seine Eltern eine persönliche Pflege und Betreuung durch ihren Sohn wünschen würden und nicht durch eine fremde Pflegekraft. Die Ausführungen über das polnische Visum D seien auch unrichtig, tatsächlich verfüge der Beschwerdeführer über ein kroatisches Visum. Keinesfalls sei die Erlassung eines Einreiseverbotes erforderlich, da der Beschwerdeführer weder bei illegaler Beschäftigung noch bei einem illegalen Aufenthalt betreten worden sei, sondern seinen Aufenthalt eigeninitiativ -versucht habe- zu legalisieren. Ausdrücklich wurde auch die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt, wobei Meldeauszüge, Kopien der Aufenthaltstitel seiner Eltern sowie ein Pflege- und Betreuungsvertrag mit seinen Eltern vorgelegt wurde. Weiters wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur regelmäßigen Meldung (gelinderes Mittel) nachgekommen sei.
Mit Teilerkenntnis vom 07.07.2021, GZ. römisch 40 wurde der Spruchpunkt römisch VI. des Bescheides des BFA vom 31.05.2021, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: römisch 40 ersatzlos behoben.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 02.12.2021 an, an welcher der Beschwerdeführer in Begleitung seines Rechtsvertreters, römisch 40 , für diesen erschienen römisch 40 , eine Vertrauensperson, römisch 40 sowie die Zeugin römisch 40 und der Zeuge römisch 40 und eine Dolmetscherin teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde war entschuldigt nicht erschienen.
Der Rechtsvertreter brachte eine Gewerbeberechtigung für das Freie Gewerbe der Hausbetreuung sowie die Bestätigung über das Bestehen einer Krankenversicherung, in Vorlage.
Der Rechtsvertreter führte aus: „Die Eltern sind im Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit und die daraus resultierende Beziehungsintensität als Kernfamilie zu qualifizieren. Der Lebensunterhalt des BF ist gesichert, er verfügt über ausreichenden Versicherungsschutz. Im Hinblick darauf liegt ein schützenswertes Familienleben vor, wobei diesbezüglich auch auf die Wohngemeinschaft mit den Eltern verwiesen wird. Im Hinblick darauf ist ein Aufenthalt zur Erreichung der in Artikel 8 Absatz 2, EMRK genannten Gründe hiermit geboten. Die Pflege durch den BF bewirkt, dass die Kosten für die Pflege der Eltern nicht von der Allgemeinheit getragen werden müssen.“
Befragt gab der Beschwerdeführer an, er halte sein bisheriges Vorbringen einschließlich der Beschwerde aufrecht. Er erwähnte: , „…., dass ich täglich zwei Stunden arbeiten darf bei einer Firma. Der Grund dafür ist, weil die Pension meines Vaters nur für die Essenskosten reicht. Ich wollte eigentlich vier Stunden täglich arbeiten, das wurde mir aber nicht genehmigt“ Anmerkung, (letzteres hat der BF nach der Rückübersetzung bestritten).
Der Beschwerdeführer gab an, er sei Staatsangehöriger des Kosovo, gehöre der Volksgruppe der Albaner an und sei Moslem. Er sei in römisch 40 , Gemeinde römisch 40 im Kosovo, am römisch 40 geboren worden. Er habe im Laufe seines Lebens in römisch 40 im Kosovo gelebt, 8 Monate habe er in Kroatien gelebt. Befragt gab er an: „In Ungarn war ich 2014, 2015, ich weiß nicht genau, wie lange. In Tschechien war ich nicht und in Polen auch nicht, aber ich besitze ein polnisches Visum.“
Befragt zu seiner schulischen oder sonstigen Ausbildung, erzählte er, er habe die Grundschule abgeschlossen, die Mittelschule habe er nicht abgeschlossen. Er sei 10 Jahre in die Schule gegangen. Seinen Lebensunterhalt habe er durch Arbeiten bestritten, er habe als Reinigungskraft, in der Forstwirtschaft und auch als Maler gearbeitet. Im Kosovo habe er als Maler und Reinigungskraft, in Kroatien in der Forstwirtschaft als Holzfäller gearbeitet.
Der Beschwerdeführer gab an, er sei verheiratet und habe vier minderjährige Kinder, zwei Mädchen und zwei Buben: „meine Tochter ist 12 Jahre, der Sohn 8, der andere Sohn 6 Jahre und das letzte Kind ist ein Mädchen im Alter von drei Jahren.“ Seine Ehefrau und seine Kinder würden im Kosovo leben. Er habe sie zuletzt vor länger als zwei Jahren getroffen. Er würde nicht mehr mit seiner Frau zusammenleben. Sie seien getrennt. Er habe seine Familie versorgt, ein Haus gebaut, in welchem seine Frau und seine Kinder nunmehr leben würden. Seit zwei Jahren würde er keinen Kontakt mehr zu seiner Frau und seinen Kindern haben. Seine Familie in Kosovo beziehe 300 Euro monatlich vom Kosovo und werde auch von anderen Familienmitgliedern finanziell unterstützt.
Im Kosovo würden auch zwei seiner Schwestern, die verheiratet seien, leben. Weiters würde dort auch die Familie seines Bruders, dh Frau und Kinder, leben, sein Bruder würde in Kroatien arbeiten. Es gäbe noch eine Schwester und einen Bruder, jeweils mit Familie in Frankreich.
Auf die Frage des Richters, antwortete der Beschwerdeführer, sein Haus und sein Grundbesitz im Kosovo würden auf den Namen seiner Frau und seiner Kinder laufen. Sollte er sich im Kosovo aufhalten, würde er sich etwas mieten, weil er nicht mehr mit seiner Frau zusammen sei.
Er habe sich schon insgesamt dreimalig in Österreich aufgehalten, erstmalig 2015 als er in Ungarn aufhältig gewesen sei. Durchgehend halte er sich seit 8 Monaten in Österreich auf.
Auf die Frage des Richters, ob er je einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet gehabt habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass damals die gesamte Familie, ein Bruder sei sogar hier in Österreich geboren worden, aufhältig gewesen wäre. Dann habe sie der Vater in den Kosovo zurückgeschickt und während des Krieges seien sie im Kosovo geblieben.
Vorhalt des Richters: „Sie haben zuletzt angegeben, dass Sie 2015 das erste Mal in Ö waren, jetzt sagen Sie aber, dass Sie schon vor dem Kosovo-Krieg hier aufhältig waren, was stimmt jetzt?“ Der Beschwerdeführer antwortete: „Wir waren in römisch 40 als Familie, damals war ich sehr klein und ich kann mich nicht so gut erinnern, mein Vater kann sich sehr gut erinnern. Ich kann jetzt keine Angaben dazu machen, welchen Aufenthaltstitel ich hatte oder mit welchen Dokumenten ich da war.“
Vorhalt des Richters: „Nach dem Akteninhalt ist Ihr kroatisches Visum zwar abgelaufen, das polnische Visum noch gültig, aber es berechtigt zum Aufenthalt in Polen, was sagen Sie dazu?“ Der Beschwerdeführer antwortete: „Mein Wunsch ist es, in Österreich zu bleiben, ich bin nicht jemand, der Probleme macht. Ich möchte hierbleiben, weil hier meine Eltern sind, die pflegebedürftig sind. Ich möchte hier auch zwei Stunden arbeiten, ich könnte auch woanders hingehen, zB nach Frankreich, wo eine Schwester und ein Bruder leben oder in die Schweiz oder nach Deutschland. Ich möchte aber hier in Österreich wegen meiner Eltern bleiben.“
Der Beschwerdeführer erklärte, dass er über einen Arbeitsvertrag zum polnischen Visum gekommen sei. Er sei nach Österreich zu seinem Vater gereist, habe hier einen Dienstvertrag abgeschlossen und wolle das polnische Visum als österr. Visum über den Dienstvertrag bekommen.
Er sei 2021 in Österreich eingereist, um nach einer Lösung zu suchen, wie er in Österreich bleiben könne. Sein Ziel sei es, einen Aufenthaltstitel für Österreich zu erhalten.
Er habe im Kosovo keine Probleme mit staatlichen Behörden oder Privatpersonen. Er leide nicht, an organischen oder psychischen Erkrankungen, er sei gesund. Zurzeit kümmere er sich in Österreich, um seine alten Eltern und er würde zwei Stunden pro Tag arbeiten, damit er eine Versicherung bekomme, dann könne er mehr Stunden arbeiten. Er verfüge schon über einen Dienstplan, er kümmere sich um die Reinigung von Stiegenhäusern. Er habe einen Dienstvertrag mit einer Firma (der Vertrauensperson), dort dürfe er reinigen. Er habe eine Anmeldung des freien Gewerbes der Hausbetreuung, dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und würde dieses Gewerbe bereits ausüben. Es sei daher richtig, dass er teilweise in der Firma der anwesenden VP arbeiten würde und teilweise auch selbständig als Hausbetreuer tätig sei.
Er würde in einer neuen Partnerschaft leben, nachdem er sich von seiner Frau getrennt habe, jedoch hätten sie sich noch nicht konkret entschieden. Seine Freundin stamme aus Nordmazedonien und sei Albanerin. Seine Freundin würde über keinen Aufenthaltstitel verfügen, sie würde im drei Monate-Rhythmus zwischen Österreich und Nordmazedonien pendeln.
Befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe einen Deutschkurs begonnen, aber wegen Corona hätte er nicht weitermachen können. Er beabsichtige Deutsch zu lernen, er verstehe und spreche ein wenig Deutsch.
Der Richter erkundigte sich, inwiefern seine Eltern die Hilfe des Beschwerdeführers benötigen würden. Der Beschwerdeführer erzählte: „Ich bin derjenige, der die Rettung verständig, ich bin derjenige, der sich um die Medikamenteneinnahme kümmert, die Mama hat 15 verschiedene Medikamente, die sie täglich oder nicht täglich nehmen muss. Mein Vater muss 10 verschiedene Medikamente einnehmen. Ich gehe einkaufen für sie, ich koche für sie, mache Tee usw. und wasche auch die Wäsche, ich mache die Arbeit einer Hausfrau. … Ohne mich können sie den Alltag nicht bewältigen. Ich habe meinen Eltern gesagt, bitte, kommt zurück in den Kosovo, aber sie haben das abgelehnt, weil sie auch auf medizinische Versorgung in Österreich angewiesen sind. Meine Schwester und mein Bruder, die in Frankreich leben, haben auch meine Eltern zu sich eingeladen, damit sie dort mit ihnen leben, sie wollen aber nicht aus Österreich weg. Mein Vater lebt seit 50 Jahren hier in Österreich, meine Mutter 30 Jahre. Sie haben hier ihre Ärzte. Bei uns ist es die Tradition, mein Großvater ist in Österreich verstorben und mein Vater will auch hier in Österreich sterben. Bei uns ist es so, dort, wo der Vater oder die Mutter gestorben ist, dort will man auch bleiben.“ Der Beschwerdeführer erklärte, seine Eltern seien von ihm abhängig, er jedoch nicht von seinen Eltern.
Er werde nicht finanziell von seinen Eltern unterstützt, die Pension werde für Miete und Essen verwendet, er verwalte die Pension seiner Eltern, damit mache er die Einkäufe und kaufe einige Medikamente. Es könne niemand anderer die Pflege der Eltern übernehmen - ein Bruder und eine Schwester würden sich in Frankreich, ein Bruder in Kroatien, der Rest im Kosovo, die Kinder sind alle noch klein, aufhalten. Es würde sich ein Cousin und Bekannte in Österreich aufhalten. Der Vater verfüge über einen Daueraufenthalt, die Mutter müsse ihre Aufenthaltsberechtigung alle 5 Jahre verlängern.
Befragt gab der Beschwerdeführer an, seine Eltern würden nicht offen über ihre Beschwerden sprechen, soweit er wüsste hätte seine Mutter etwas mit der Lunge, sie habe auch Kniebeschwerden. Sein Vater hätte einen Herzinfarkt gehabt, sei operiert worden und habe jetzt eine Augen-OP.
Zeugenbefragung römisch 40
Der Richter belehrte die Zeugin die Wahrheit zu sagen und wies auf die Entschlagungsgründe hin.
Die Zeugin gab an, ihr Sohn halte sich, etwa seit acht Monaten ununterbrochen in Österreich bei ihnen in römisch 40 auf. Er sei zuvor schon auf Besuch gewesen. Die Zeugin halte sich seit etwa 30 Jahren in Österreich auf. Ihr Sohn sei schon als Kind, im Alter von drei oder vier Jahren hier in Österreich gewesen. Die Zeugin gab an, sie selbst sei Hausfrau gewesen und habe nicht gearbeitet.
Auf die Frage, unter welchen gesundheitlichen Problemen sie leiden würde, antwortete sie: „Ich habe Kniebeschwerden, ich war 1 Woche im Krankenhaus, dort wurde mir eine Spritze gegeben, mir wurde gesagt, dass ich eine OP brauche, aber mein Sohn kümmert sich um mich und dann brauche ich keine OP. Ich habe auch Beschwerden im Brustbereich mit der Lunge. Die OP war fürs Knie, aber die Atmungsbeschwerden sind sehr überwiegend und ich habe Schwierigkeiten mit dem Atmen. Auch mein Übergewicht bereitet mir Probleme, ich kann mich nicht frei bewegen.“
Ohne ihren Sohn könne sie den Alltag nicht bewältigen. Sie könne keine andere Hilfe beanspruchen. Ihre Kinder würden in römisch 40 im Kosovo, in Frankreich und in Kroatien leben.
Ihr Sohn würde alles für seine Eltern erledigen, die Einkäufe machen, kochen und den Haushalt erledigen. Er würde ihr helfen auf die Toilette zu gehen. Der Sohn würde ihr helfen die Medikamente herzurichten. Ihr Mann könne nicht ihre Betreuung übernehmen, ihrem Mann würde es schlechter als ihr gehen.
Beginn der Zeugenbefragung von römisch 40
Der Richter belehrte den Zeugen die Wahrheit zu sagen und wies auf die Entschlagungsgründe hin.
Der Zeuge gab befragt an, sein Sohn halt sich bei ihm, in römisch 40 seit etwa 7,5 bis 8 Monaten auf. Er sei öfters bei seinen Eltern auf Besuch gewesen. Er sei 2015 für die Dauer von etwa drei Monaten auf Besuch gewesen.
Er selbst sei etwa 1972 zu seinem Vater nach Österreich gekommen. Er habe als Maschinist bei der römisch 40 gearbeitet und sei 1973 dann nach römisch 40 gezogen. Seit 2018 sei er in Pension. Vor etwa 30 Jahren sei sein Sohn in Österreich gewesen, sei jedoch dann im Kosovo aufgewachsen. Damals habe er nur einen Sohn und eine Tochter gehabt und habe anschließend die Familie in den Kosovo geschickt.
Der Richter erkundigte sich, warum der Zeuge noch keine österreichische Staatsbürgerschaft, besitzen würde. Der Zeuge gab an, er sei in seiner Heimat vor dem Krieg auf Urlaub, gewesen. Dann sei der Krieg ausgebrochen und er habe seine Rechte auf die Staatsbürgerschaft verloren.
Auf die Frage des Richters, unter welchen gesundheitlichen Problemen er leiden würde, antwortete der Zeuge: „Ich habe Beschwerden in meinen beiden Beinen, ich habe eine Art Lähmung, ich kann nicht länger als 20 Meter gehen, im Krankenhaus wurden meine Beine geröntgt, da wurde gesagt, dass ich eine Art Lähmung habe. 3mal hatte ich Schlaganfälle, einmal links, das bedeutet Herzanfall, seitdem kann ich nicht richtig meine linke Hand bewegen, ich kann mit meiner linken Hand keine Sachen greifen. … Mein Sohn steht in der Früh auf, er macht Suppe und Kaffee, er geht sich dann auf der Polizei melden, dann macht er Einkäufe, um 1 Uhr machen wir beide ein Mittagsschläfchen, dann kann er seine Freunde treffen.“ Er könne sich nicht vorstellen, Hilfe von jemanden anderen zu erhalten, er glaube nicht, dass sich eine andere Person in ihrem Alltag auskennen würde. Seine Pension würde sich auf römisch 40 monatlich belaufen. Für seine Zukunft stelle er sich vor, dass sein Sohn mit ihnen leben würde. Würde es seinem Sohn möglich sein drei Stunden täglich zu arbeiten, wären sie nicht von der Sozialhilfe abhängig.
Er persönlich, könne nicht in den Kosovo zurückkehren. Hier würden gute Ärzte ihn versorgen. Diese Versorgung würde er nicht im Kosovo finden.
Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers in dem keine Verurteilung aufscheint.
Gemäß Paragraph 45, Absatz , AVG wurde das LIB der Staatendokumentation zu Kosovo vom 28.09.2021Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.
Die Rechtsvertretung brachte vor: „Der Vollständigkeit halber wird richtig gestellt, dass die Mutter des Beschwerdeführers einen Daueraufenthalt EU verfügt (in die diesbezügliche Aufenthaltskarte wurde Einsicht genommen) und mit 3 Kreuzen unterschrieben hat, was darauf hinweist, dass die Mutter des Beschwerdeführers Analphabetin ist und daher besonders der Hilfe des Beschwerdeführers bedarf.“
In der schriftlichen Stellungnahme vom 15.12.2021 wurde nochmals auf die schlechte medizinische Versorgung im Kosovo hingewiesen.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat, wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 , ist Staatsangehöriger vom KOSOVO, ist Albaner und muslimischen Glaubens. Er wurde am römisch 40 im Kosovo geboren und ist dort aufgewachsen. Der Beschwerdeführer spricht kaum Deutsch.
Der Beschwerdeführer war schon als Kind in Österreich, ist aber spätestens seit dem 17.03.2021 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig. Er ist mit einem polnischen Visum in Österreich eingereist. Er beabsichtigte so ein Visum für den Aufenthalt in Österreich zu erschleichen.
Der Beschwerdeführer arbeitet Teilzeit bei einer Reinigungsfirma und hat das freie Gewerbe der Hausbetreuung angemeldet.
Im Kosovo leben seine Noch-Ehefrau und seine vier minderjährigen Kinder. Nach seinen Angaben steht er seit zwei Jahren in keinen Kontakt zu seinen Kindern.
Der Beschwerdeführer unterstützt seine kranken Eltern. Beide verfügen über den Titel „Daueraufenthalt EU“. Sein Vater bezieht eine Pension in Höhe von etwa römisch 40 , seine Mutter lebt seit etwa 30 Jahren in Österreich, ist nach wie vor Analphabetin und der deutschen Sprache nicht mächtig. Die Eltern benötigen offensichtlich eine Betreuung bzw. Pflegekraft, diese kann z.B. auch durch die Betreuung zuhause: römisch 40 zur Verfügung gestellt werden.
Der Beschwerdeführer führt wohl ein Familienleben mit seinen Eltern, das aber erst seit wenigen Monaten.
Der Beschwerdeführer wurde laut Strafregisterauszug in Österreich nicht verurteilt.
Auszug aus den Länderfeststellungen zum Kosovo:
Sicherheitslage, Letzte Änderung: 16.06.2020
Ethische Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zu den im Norden in einem zusammenhängenen Gebiet lebenden Serben und jenen Serben, die im restlichen Kosovo in kleineren versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich, die Unabhängigkeit des Kosovo und zum Teil die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit. Besonders problematisch sind speziell Fragen der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien, zumal diese von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt wird (GIZ 9.2018a).
Somit bleibt die Lage im Norden des Kosovo (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch künftig zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt, die die allgemeine Bewegungsfreiheit einschränken (AA 2.5.2020).
Mit der Ausnahme des Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen (GIZ 9.2018a).
In Pristina und anderen Städten des Landes kann es gelegentlich zu Demonstrationen und damit zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit kommen. In allen anderen Landesteilen Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil. Teilweise gewalttätige Protestaktionen der Opposition gegen die Regierung haben sich seit dem ersten Halbjahr 2016 nicht mehr ereignet, das Potential für solche Proteste besteht aber weiterhin (AA 2.5.2020).
Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren aus dem Jahr 2018 ergab, dass sich 85,5% der Befragten in ihrem Zuhause (Wohnung, Haus), 78,8% in ihrer Stadt und 52,4% im Kosovo sicher fühlten. Albanische und nicht-serbische Minderheitenangehörige fühlen sich im Kosovo sicherer als Serben (KCSS 7.2019).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt (2.5.2020): Kosovo: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/kosovosicherheit/207442, Zugriff 4.5.2020
● GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/, Zugriff 23.12.2019
● KCSS - Kosovo Center for Security Studies (7.2019): Kosovo Security Barometer – Trends of Citizens’ Perceptions on Public safety in Kosovo (2016 – 2018), https://www.academia.edu/40117450/REPORT_BY_KCSS_TRENDS_OF_CITIZENS_PERCEPTIONS_ON_PUBLIC_SAFETY_IN_KOSOVO, Zugriff 23.12.2019
Rechtsschutz / Justizwesen, Letzte Änderung: 16.06.2020
Die gesetzgebende Gewalt wird vom kosovarischen Parlament ausgeübt, die exekutive Gewalt von der Regierung (Premierminister, Minister) und die richterliche Gewalt von den Gerichten, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, der höchsten richterlichen Behörde, und des Verfassungsgerichts. Die Exekutive hat sich jedoch wiederholt (informell) in die Arbeit von Legislative und Judikative eingemischt und das Parlament wurde immer wieder dafür kritisiert, dass es sein verfassungsmäßiges Mandat zur Kontrolle der Regierung nicht ausübt. Die parlamentarischen Ausschüsse in der Versammlung wurden von der Exekutive ignoriert, wodurch ihre parlamentarische Kontrollfunktion wesentlich geschmälert wurde. Die Kontrolle und Ausgewogenheit der demokratisch gewählten Institutionen ist zwar formell festgelegt, in der Realität jedoch schwach und ineffizient (BS 2020).
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber diese Unabhängigkeit wird nach wie vor durch politische Autoritäten und ein hohes Maß an Korruption beeinträchtigt. EULEX und seine kosovarischen Pendants haben einige Fortschritte in Bezug auf Nachhaltigkeit, Rechenschaftspflicht, Freiheit von politischer Einmischung und Multiethnizität, einschließlich der Einhaltung europäischer Best Practices und internationaler Standards, erzielt. Dennoch hat eine 2016 durchgeführte Umfrage über die Wahrnehmung des Justizsystems durch die Bürger ergeben, dass nur 12,3% die Gerichte für unabhängig hielten, während 61,2% der Ansicht waren, dass Personen mit politischen Verbindungen weniger wahrscheinlich bestraft würden. 50,5% meinten, dass Justizbeamte Bestechungsgelder erhielten oder verlangten und nur 36% konnten jüngste Verbesserungen im Justizsystem feststellen, während 24,4% davon überzeugt waren, dass keine Verbesserungen erzielt wurden (BS 2020).
Die Effizienz bei der Fallbearbeitung hat sich verbessert, aber es gibt immer noch einen beachtlichen Rückstau an offenen Fällen. Ein Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte ist zwar vorhanden, aber ineffizient. Eine unabhängige staatliche Rechtshilfekommission stellt kostenlose Rechtshilfe für Personen mit niedrigen Einkommen zur Verfügung; diese ist jedoch nicht adäquat finanziert und funktioniert nicht wie vorgesehen. Bei Verletzung der Prozessrechte können sich Geschädigte an den Verfassungsgerichtshof wenden (USDOS 11.3.2020).
Die Verfahren werden nicht immer ordnungsgemäß abgewickelt. Nach Angaben der Europäischen Kommission, der NGOs und der Institution der Ombudsperson ist die Justizverwaltung langsam und es fehlen die Mittel, um die Rechenschaftspflicht der Justizbeamten zu gewährleisten. Die Justizstrukturen sind politischer Einflussnahme ausgesetzt, mit umstrittenen Ernennungen und unklaren Mandaten (USDOS 11.3.2020). Die lokale Rechtsprechung sieht sich Einflüssen von außen, v.a. seitens der Exekutive, ausgesetzt und sorgt nicht immer für faire Prozesse (FH 4.2.2019).
Im Laufe des Jahres 2019 förderte das Justizministerium Änderungen eines Gesetzes von 2010 über die disziplinarische Verantwortung von Richtern und Staatsanwälten, mit denen die Unparteilichkeit des kosovarischen Justizwesens erreicht werden sollte (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus wurden Register zur Erfassung von Beschwerden gegen Richter auf Ebene der Gerichte und des KJC, des „kosovarischen Justizrates“, fertiggestellt und allen Gerichten zur Überprüfung übergeben. Im Einklang mit der Disziplinarordnung wählte die KJC 70 von den Gerichtspräsidenten empfohlene Richter für die Mitgliedschaft in Gremien aus, die für die Untersuchung von Disziplinarbeschwerden zuständig sind. Ihr Mandat ist gestaffelt, um Kontinuität zu gewährleisten: 25 Richter wurden nach dem Zufallsprinzip für eine Amtszeit von einem Jahr, 23 für eine zweijährige und 22 für eine dreijährige Amtszeit ausgewählt. Jährlich sollen neue Mitglieder ausgewählt werden, um eine volle Besetzung von 70 zu gewährleisten. Seit Inkrafttreten des neuen Disziplinarverfahrens sind bei den Gerichtspräsidenten als den zuständigen Behörden 75 Beschwerden gegen Richter eingegangen; der kosovarische Justizrat setzte ein entsprechendes Untersuchungsgremium ein (USDOS 11.3.2020).
Manchmal versäumen es die Behörden, gerichtlichen Anordnungen u.a. auch des Verfassungsgerichts nachzukommen, insbesondere wenn die Urteile Minderheiten begünstigen, wie in zahlreichen Fällen der Rückgabe von Eigentum an Kosovo-Serben. Keiner der Beamten, die 2019 an der Nichtumsetzung von Gerichtsbeschlüssen beteiligt waren, wurde sanktioniert (USDOS 11.3.2020).
Das Gesetz sieht faire und unparteiische Verfahren vor und trotz gravierender Mängel im Justizsystem wie etwa politischer Einmischung, wird das Recht im Allgemeinen umgesetzt. Die Prozesse sind öffentlich, die Angeklagten haben ein Recht auf die Unschuldsvermutung, auf unverzügliche Information über die gegen sie erhobenen Anklagen und auf ein faires, öffentliches Verfahren, bei dem sie sich in ihrer Muttersprache an das Gericht wenden können. Sie haben das Recht, zu schweigen oder sich der Aussage zu entschlagen, Beweise einzusehen, einen eigenen Rechtsbeistand zu haben und gegen Urteile zu berufen. Das Kosovo wendet keine Geschworenenprozesse an (USDOS 11.3.2020).
Die 'Free Legal Aid Agency' (FLAA) ist von der Regierung beauftragt, Personen mit niedrigem Einkommen kostenlosen Rechtsbeistand zu gewähren und führt entsprechende Kampagnen durch, die sich an benachteiligte und marginalisierte Gemeinschaften richteten. Im Mai 2019 finanzierten die Vereinten Nationen das Zentrum für Rechtshilfe, welches über NGOs Frauen kostenlosen Rechtsbeistand in Fällen wie der Überprüfung von Eigentumsrechten, Klagen wegen sexueller Gewalt und Rentenansprüchen aus Serbien garantiert (USDOS 11.3.2020).
Kosovo befindet sich in einem Frühstadium in Bezug auf die Anwendung des aquis communautaire und europäischer Standards im Justizbereich. Ein gewisses Ausmaß an Fortschritt wurde erreicht, unter anderem bei der Untersuchung hochrangiger Korruptionsfälle. Korruption ist dennoch weit verbreitet und bleibt ein problematischer Themenbereich. Die Verabschiedung verschiedener Rechtsdokumente im Bereich Korruptionsbekämpfung stellt einen wichtigen Schritt dar, wesentlich ist nun die konsequente Umsetzung (EC 29.5.2019).
Am 8.6.2018 hat der Rat beschlossen, das Mandat der Rechtsstaatlichkeitsmission der EU, EULEX Kosovo, neu auszurichten. Die Mission hatte seit ihrer Einrichtung vor 10 Jahren zwei operative Ziele: das Ziel der Beobachtung, Anleitung und Beratung durch Unterstützung der Rechtsstaatlichkeitsinstitutionen des Kosovo und des Dialogs zwischen Belgrad und Pristina und zweitens ein exekutives Ziel, nämlich die Unterstützung verfassungs- und zivilrechtlicher gerichtlicher Entscheidungen sowie strafrechtlicher Ermittlungen und gerichtlicher Entscheidungen in ausgewählten Strafsachen. Mit dem Beschluss wird der justizielle exekutive Teil des Mandats der Mission beendet und das Kosovo nimmt nun die Verantwortung für alle übertragenen Ermittlungen, Strafverfolgungen und Gerichtsverfahren wahr. Seit dem 14.6.2018 konzentrierte sich EULEX darauf, ausgewählte Fälle und Gerichtsverfahren in den Straf- und Zivilrechtsinstitutionen des Kosovos zu beobachten, den Justizvollzugsdienst des Kosovos zu beobachten, anzuleiten und zu beraten und die operative Unterstützung für die Umsetzung der von der EU geförderten Dialogvereinbarungen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo fortzusetzen. Der Ratsbeschluss sieht vor, dass das überarbeitete Mandat bis zum 14.6.2020 gilt (REU 8.6.2018).
Quellen:
● BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kosovo, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_RKS.pdf, Zugriff 4.5.2020
● EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo* 2019 Report, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf, Zugriff 7.4.2020
● FH - Freedon House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Kosovo, https://www.ecoi.net/en/document/2015997.html, Zugriff 7.4.2020
● REU - Rat der Europäischen Union (8.6.2019): EULEX Kosovo: neue Rolle für die Rechtsstaatlichkeitsmission der EU, https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2018/06/08/eulex-kosovo-new-role-for-the-eu-rule-of-law-mission/#, Zugriff 23.12.2019
● USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html, Zugriff 17.4.2020
Sicherheitsbehörden, Letzte Änderung: 16.06.2020
Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht auf drei Komponenten: der Kosovo Polizei (KP), den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften (EU-Rechtstaatlichkeitsmission, Anmerkung und den KFOR-Truppen (mit 3.500 Soldaten) (AA 21.3.2019).
Als eine ihrer Operationslinien unterstützt die KFOR Aufbau und Training der multiethnischen und zivil kontrollierten, leicht bewaffneten Sicherheitskräfte „Kosovo Security Force“ (KSF), die nach dem bisherigen Gesetzesrahmen nicht mehr als 2.500 Mitglieder und maximal 800 Reservisten hatten. Die KSF übernimmt derzeit primär zivile Aufgaben wie Krisenreaktion, Sprengmittelbeseitigung und Zivilschutz. Das am 14.12.2018 mit überwältigender parlamentarischer Mehrheit verabschiedete Gesetzespaket zur Transition in reguläre, defensiv ausgerichtete Streitkräfte unterwirft die KSF einem 10-jährigen Übergangsprozess, an dessen Ende ca. 5.000 leicht bewaffnete Defensivkräfte stehen sollen. Die kosovarische Regierung hat der NATO gegenüber schriftlich die volle Transparenz des Prozesses, die Bewahrung des multiethnischen Charakters der KSF sowie das Festhalten an den Bedingungen von UNSCR 1244 und dem KFOR-Mandat bekundet (AA 21.3.2019).
Die Polizei (Kosovo Police, KP) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen. Der Frauenanteil in der KP beträgt 14%; der Anteil der Angehörigen von Minderheiten liegt bei 16%. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Für die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitskräfte ist im Parlament der Ausschuss für Inneres, Sicherheitsfragen und Überwachung der KSF zuständig (AA 21.3.2019). Weiterhin sollen die Polizeistrukturen im Kosovo vereinheitlicht und Mitglieder serbischer Sicherheitskräfte in die kosovarische Polizei integriert werden. Die Polizeikräfte im serbischen Norden sollen die Bevölkerungsverhältnisse widerspiegeln und unter Führung eines kosovo-serbischen Regionalkommandanten stehen (GIZ 3.2020a). Es gibt 436 Polizeibeamte (Angehörige der KP) pro 100.000 Einwohner. Dies übertrifft den EU-Durchschnitt, der sich im Jahr 2016 gemäß Eurostat auf 318 Beamte belief. Die Polizei ist relativ gut ausgebildet und ausgerüstet. Sie verfügt über moderne IT-Infrastruktur. Die „Kosovo Academy for Public Safety“ gewährleistet eine gute Ausbildung für Polizeibeamte und andere Angehörige des Sicherheitsapparats (Zollbeamte, Beamte des Strafvollzugs) sowohl im Bereich der Grundausbildung als auch im Bereich der berufsbegleitenden Weiterbildung. Die Kapazität der Polizei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist gut, jedoch unterliegt die Polizei immer noch Korruption und politischem Druck (EC 29.5.2019).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des Paragraph 29, a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 10.4.2020
● EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf, Zugriff 27.11.2019
● GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/, Zugriff 5.5.2020
● GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/, Zugriff 23.12.2019
Folter und unmenschliche Behandlung, Letzte Änderung: 16.06.2020
Das Verbot der Folter sowie der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe wird im Artikel 27 der kosovarischen Verfassung verankert. Artikel 199 des Strafgesetzbuches kriminalisiert Folter in voller Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsnormen (AA 21.3.2019). Die Gesetze werden aber uneinheitlich umgesetzt und es gab anhaltende Vorwürfe, dass Gefangene von der Polizei und in geringerem Maße auch vom Personal des Strafvollzugsdienstes gefoltert und misshandelt wurden (UDOS 11.3.2020). Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nahm in seinem letzten Bericht über den Besuch in Serbien und Kosovo mit großer Besorgnis zahlreiche Anschuldigungen wegen Folter und Misshandlungen durch die Polizei zur Kenntnis (AA 21.3.2019; vergleiche UN 25.1.2019). In erwähntem Papier wird über Misshandlungen von Gefangenen sowie verbale und psychologische Drohungen berichtet. Auch besteht ein Mangel an Aufsicht in der Untersuchungs- und Verhörphase der Inhaftierung, was angeblich zu erzwungenen Geständnissen führt (USDOS 11.3.2020).
Die Ombudsperson des Kosovo (KOI) verfügt in ihrer Eigenschaft als Nationaler Präventionsmechanismus gegen Folter (National Preventive Mechanism against Torture – NPMT) über sieben Mitarbeiter. Darunter sind ein Arzt, ein Psychiater, ein Sozialarbeiter und zwei Anwälte, die sich hauptberuflich mit der Verhütung von Folter befassen. Im Jahr 2018 unterzog sich der NPMT einem intensiven vom Europarat finanzierten Schulungsprogramm, um seine Kapazitäten zu verbessern. Auch führte er in Gefängnissen, Haftanstalten, psychiatrischen Einrichtungen und Polizeistationen Inspektionen durch. Gefangene und Inhaftierte können den NPMT über Rechtsanwälte, Familienangehörige, internationale Organisationen, direkte Telefonanrufe oder über Briefkästen in Haftanstalten, die nur für Mitarbeiter der KOI zugänglich sind, kontaktieren. Die KOI berichtete zwar über Beschwerden gegen die Polizei und den Strafvollzugsdienst; darunter Vorwürfe der körperlichen Misshandlung von Gefangenen, aber keine Folterhandlungen (USDOS 11.3.2020).
Das Kosovo-Rehabilitationszentrum für Folteropfer (KRCT), die führende NGO des Landes in Fragen der Folter, gab ebenfalls an, im Laufe des Jahres keine glaubwürdigen Berichte über Folterungen erhalten zu haben, obwohl die Misshandlung von Gefangenen nach wie vor ein Problem darstellt (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des Paragraph 29, a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 30.3.2020
● UNHRC – United Nations Human Rights Council (25.1.2019): Visit to Serbia and Kosovo. Report of the Special Rapporteur on torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment, https://atlas-of-torture.org/api/files/1552483246133hd6yw6vl38u.pdf, Zugriff 31.3.2020
● USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html, Zugriff 21.4.2020
Korruption, Letzte Änderung: 16.06.2020
Laut Gesetz steht Korruption von Beamten unter Strafe, aber die Regierung setzt diese Vorgaben nicht effektiv um. Korruption bei Beamten bleibt gelegentlich ungesühnt. Das Fehlen einer wirksamen Justizaufsicht und eine allgemeine Schwäche der Rechtsstaatlichkeit tragen zu diesem Problem bei. Gegen Korruptionsfälle wird routinemäßig wiederholt Berufung eingelegt, und das Justizsystem lässt oft Verjährungsfristen auslaufen, ohne die Fälle vor Gericht zu bringen. Die Antikorruptionsbehörde (ACA) und das Nationale Rechnungsprüfungsamt tragen gemeinsam die Verantwortung für die Bekämpfung staatlicher Korruption. Verurteilungen wegen Korruptionsvorwürfen machen weiterhin nur einen geringen Teil der untersuchten und angeklagten Fälle aus. NGOs berichten, dass Anklageerhebungen oft fehlschlagen, weil Staatsanwälte falsche Anklagen erheben oder Verfahrensfehler machen (USDOS 11.3.2020).
Die institutionellen Rahmenbedingungen zur Korruptionsbekämpfung sind schwach. Die Zuständigkeitsbereiche der vier primären Korruptionsbekämpfungsbehörden überlappen sich, was eine effiziente Koordinierung der Bemühungen erschwert. Die Behörden zeigen nur wenig Anstrengung, hochrangige Korruptionsfälle zu untersuchen, und wenn hochrangige Beamte doch verfolgt werden, so kommt es selten zu Verurteilungen. Ende 2018 waren vier Minister, denen Korruption bzw. Interessenskonflikte vorgeworfen wurden, trotz entsprechender Anklagen weiterhin im Amt. Staatsanwälte und Gerichte sind nach wie vor anfällig für politische Einmischung und Korruption durch mächtige politische und geschäftliche Eliten, wodurch ordnungsgemäße Verfahren untergraben werden (FH 4.2.2019). Auch die Ergebnisse der EULEX-Anti-Korruptionsbemühungen waren minimal. Besonders hochrangige Korruptionsfälle wurden nicht einmal untersucht, was einen weit verbreiteten Eindruck der Straflosigkeit hervorrief. Es schien, als sollte wichtigen Persönlichkeiten der politischen Elite des Kosovo eine Untersuchung oder gar ein Gerichtsverfahren erspart bleiben, im höheren Interesse der Aufrechterhaltung des kosovarischen Staatsbildungsprojekts (BS 2020).
Zentrale Bereiche der Korruption sind neben dem Gesundheits- und Bildungswesen die Justiz, in der es regelmäßig zu politischer Einflussnahme kommt, außerdem die öffentliche Verwaltung, in der Nepotismus, Beschäftigung nach Parteibuch wie die Manipulation öffentlicher Ausschreibungsverfahren weit verbreitet sind. Politische Korruption, etwa bei der Besetzung von Aufsichtsräten herrscht auch bei öffentlichen Unternehmen vor. Die kosovarische Presse berichtet regelmäßig von Korruptionsskandalen, in die hochkarätige Partei- oder Regierungsvertreter verwickelt sein sollen. Zur Anklage kommt bisher jedoch nur ein kleiner Teil davon und zu Verurteilungen kommt es ganz selten. So wurde der frühere Minister Fatmir Limaj diverse Male, unter anderem von EULEX-Richtern, wegen Korruption angeklagt, zu einer Verurteilung kam es nie. Auch sein Bruder, Florim Limaj, der im Innenministerium mit der Bekämpfung von Korruption betraut war, wurde wegen Korruption angeklagt. Ähnlich gelagert war der Fall des Staatsanwalts Nazim Mustafi. Der mit der Bekämpfung von Korruption beauftragte Staatsanwalt wurde 2013 von einem EULEX-Gericht selbst zu fünf Jahren Haft verurteilt - wegen Bestechlichkeit. Nicht nur lokalen Richtern, Staatsanwälten und Polizei fehlt die politische Unabhängigkeit zur Verfolgung politisch sensibler Korruptionsfälle – selbst die EU-Rechtsstaatsmission EULEX erwies sich als außerordentlich ineffizient, hochkarätige Fälle politischer Korruption abzuurteilen. 2017 wurden laut offiziellen Statistiken von den Staatsanwaltschaften im Kosovo knapp 1.800 Personen wegen Korruption angeklagt, 90% davon waren Behördenvertreter. 2015 wurde eine behördenübergreifende Task Force gegen politisch sensible Korruption und organisierte Kriminalität geschaffen. Bis einschließlich 2018 kamen allerdings lediglich 27 Fälle zur Anklage, ganze 9 Personen wurden verurteilt. Nicht zuletzt wegen der ineffizienten Korruptionsbekämpfung haben zwei Drittel der Bevölkerung im Kosovo kein Vertrauen in die Justiz bzw. den Rechtsstaat (GIZ 3.2020a).
Diese Auffassung vertritt auch der Direktor der albanischen Antikorruptionsbehörde, Shaip Havolli und rief die Justizbehörden auf, keine Angst zu haben, auch hochrangige Personen wegen Korruption anzuklagen. Er betonte, dass niedrige Strafen und Freilassungen ein negatives Signal für die Entwicklung des Kosovo und seine Integration in die internationalen Strukturen seien (CoE o.D.a; vergleiche Telegrafi 25.5.2019). Das Kosovo Law Institute beklagte 2019, dass das Ausmaß der Nichtbestrafung von Korruption als besorgniserregend. Die Korruption auf hoher Ebene bleibe ein ernstes Problem. Der britische Botschafter im Kosovo zeigte sich beunruhigt, dass trotz aller Investitionen der internationalen Gemeinschaft ein hoher Prozentsatz von in Korruption verwickelten hohen Beamten nicht bestraft wird (CoE o.D.b).
Transparency International listet den Kosovo in seinem „Corruption Perceptions Index“ 2019 auf Platz 101 von insgesamt 180 bewerteten Staaten. Dies entspricht einer Verschlechterung um acht Plätze gegenüber 2018 (TI 1.2020; vergleiche TI 30.1.2019). Im regionalen Vergleich zu seinen Nachbarländern liegt das Kosovo hinsichtlich des Ausmaßes an Korruption im Mittelfeld GIZ 3.2020a).
Quellen:
● BS – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kosovo, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_RKS.pdf, Zugriff 14.4.2020
● - CoE – Council of Europe (o.D.a): Action against economic crime and corruption. KLI: The Justice System has failed to treat targeted cases, https://www.coe.int/en/web/corruption/anti-corruption-digest/kosovo, Zugriff 14.4.2020
● CoE – Council of Europe (o.D.b): Action against economic crime and corruption. Kosovo Law Institute: corruption remains unpunished in the country, https://www.coe.int/en/web/corruption/anti-corruption-digest/kosovo, Zugriff 17.4.2020
● FH - Freedon House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Kosovo, https://www.ecoi.net/en/document/2015997.html, Zugriff 27.11.2019
● GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Kosovo - Geschichte/Staat, https://www.liportal.de/kosovo/geschichte-staat/, Zugriff 5.5.2020
● Telegrafi.com (25.5.2019): Havolli kërkon dënime të larta për korrupsion, fton prokurorët e gjyqtarët të mos frikësohen, https://telegrafi.com/havolli-kerkon-denime-te-larta-per-korrupsion-fton-prokuroret-e-gjyqtaret-te-mos-frikesohen/, Zugriff 5.5.2020
● TI – Transparency International (1.2020): Corruptions Perceptions Index 2019, https://www.transparency.org/whatwedo/publication/corruption_perceptions_index_2019, Zugriff 5.5.2020
● TI – Transparency International (30.1.2019): Corruptions Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 5.5.2020
● USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html, Zugriff 3.4.2020
Allgemeine Menschenrechtslage, Letzte Änderung: 16.06.2020
Das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrechten ist in der Verfassung verankert. Nach Artikel 22, der Verfassung gelten viele internationale Menschenrechtsabkommen unmittelbar und haben Anwendungsvorrang. Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Amtsmissbrauch durch die zivilen Behörden im Kosovo zuständig ist, Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen nachgeht und in einem Jahresbericht an das Parlament Empfehlungen für deren Behebung gibt. Im Juli 2015 hat das Parlament ein neues Gesetz zur Ombudsperson verabschiedet, das die Ombudsperson zum nationalen Präventionsmechanismus (NPM) ernannt und die Unabhängigkeit dieser Institution und ihre Rolle als unabhängiger Beobachter und Hüter der Grundrechte und Grundfreiheiten im Kosovo gestärkt hat (AA 21.3.2019).
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen garantieren den Schutz der Menschenrechte sowie der fundamentalen Rechte gemäß europäischen Standards. Es sind jedoch weitere Anstrengungen zur Durchsetzung nötig. Die Anwendung der menschenrechtlichen Gesetzgebung und Strategien wird oft durch unzureichende finanzielle Mittel oder Mangel an anderen Ressourcen, durch fehlende politische Priorisierung und schlechte Koordination unterminiert. Die existierenden Mechanismen zur Koordination und Implementierung von Menschenrechten sind ineffizient. Es besteht eine starke Abhängigkeit von ausländischen Gebern (EC 25.2.2019).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des Paragraph 29, a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 6.4.2020
● - EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo* 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf, Zugriff 6.4.2020
Ethnische Minderheiten, Letzte Änderung: 16.06.2020
Die Bevölkerung Kosovos setzt sich wie folgt zusammen: Albaner (92.9%), Bosniaken (1.6%), Serben (1.5%), Türken (1.1%), Ashkali (0.9%), Ägypter (0.7%), Gorani (0.6%), Roma (0.5%) und andere (0.2%). Diese Schätzungen beruhen auf dem Zensus von 2011, der den stark von Serben bewohnten nördlichen Kosovo nicht mit einschloss und überdies teilweise in den von Serben und Roma bewohnten Gemeinden im Süden boykottiert wurde (CIA 7.4.2020).
Offiziell als Minderheiten anerkannt sind die Roma/Ashkali/Ägypter (RAE), Serben, Bosniaken, Türken und Gorani (AA 21.3.2019; vergleiche GIZ 3.2020b). Offizielle Sprachen sind Albanisch und Serbisch, auf kommunaler Ebene auch Türkisch, Bosnisch und Romanes. Diese Minderheiten genießen laut Verfassung weitreichende Rechte. 20 der 120 Parlamentssitze sind für die nicht-albanischen Minderheiten (Serben 10, Türken 2, Bosniaken 3, Gorani 1 und RAE 4) garantiert. Es bedarf bei der Verabschiedung wichtiger Gesetze nicht nur der Mehrheit aller Abgeordneten, sondern getrennt davon auch der Mehrheit der Abgeordneten, die Minderheiten vertreten. Die Bestimmungen des Ahtisaari-Pakets (seit September 2012 Bestandteil der Verfassung) erlauben weitgehende Autonomie auf Kommunalebene, wovon vor allem die Serben und Türken mit „eigenen“ Gemeinden profitieren, in denen sie die Mehrheit stellen (AA 21.3.2019). Die Vertretung der ethnischen Minderheiten im Parlament ist im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung überproportional ausgeprägt; gleichzeitig kritisieren die politischen Vertreter der ethnischen Minderheiten, dass sie in wichtigen Fragen nicht konsultiert werden. Seit November 2018, als das Land Zölle auf Produkte aus Serbien und Bosnien und Herzegowina erhob, boykottieren die Parlamentarier der Srpska-Liste im Wesentlichen die Teilnahme an den Verfahren der Versammlung (USDOS 11.3.2020).
Die Verfassung des Kosovo beinhaltet ein vollständiges Kapitel, das den Rechten der Gemeinschaften und ihrer Mitglieder gewidmet ist Die Verfassung schützt und fördert die Rechte und Interessen der im Kosovo lebenden Gemeinschaften und ihrer Mitglieder. Sie stellt fest, dass das Kosovo eine multiethnische Gesellschaft ist, die aus albanischen und anderen Gemeinschaften besteht, die durch ihre legislativen, exekutiven und gerichtlichen Institutionen demokratisch und unter voller Achtung der Rechtsstaatlichkeit regiert wird, und garantiert allen ihren Bürgern volle und effektive Gleichheit. Die Verfassung definiert, dass die offiziellen Sprachen im Kosovo Albanisch und Serbisch sind. Türkisch, Bosnisch und die Sprachen der Roma können auf kommunaler Ebene den Status von Amtssprachen haben oder werden, wie gesetzlich vorgesehen, auf allen Ebenen offiziell verwendet (ECMIK o.D.a).
Hinweise auf intendierte staatliche Repressionen oder Menschenrechtsverletzungen aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit gibt es nicht. Die Einhaltung der im Anti-Diskriminierungsgesetz enthaltenen Diskriminierungsverbote wird durch das Büro des Menschenrechtskoordinators (Office of Good Governance) kontrolliert (AA 21.3.2019).
Die Teilhabe ethnischer Minderheiten an der Gesellschaft ist trotz grundrechtlicher Fundierung nur unzureichend gesichert und wird nicht ausreichend gefördert. Insbesondere die sogenannten RAE-Minderheiten (Roma, Ashkali, Egyptians) sind sozial stark marginalisiert. Die Exklusion auf den Arbeitsmärkten ist evident. RAE-Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen. Auch die Inanspruchnahme von Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen durch Minderheiten ist, mit der Ausnahme der serbischen Minderheit, unterdurchschnittlich (GIZ 3.2020b).
In Orten mit einem hohen Minderheitenanteil werden auch die entsprechenden Minderheitensprachen in den Grundschulen unterrichtet (Serbisch, Türkisch, vereinzelt Romani) (AA 30.4.2019).
Ein wichtiger Akteur zum Thema Minderheiten ist die NGO „European Center for Minority Issues Kosovo“ (ECMIK), die umfassende Informationen zur aktuellen Situation der verschiedenen Minderheiten im Kosovo inklusive Populationsgrößen, Altersstruktur, Kultur, Religion, Ausbildung, Sprache, politischer Vertretung etc. zur Verfügung stellt (ECMIK o.D.b).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des Paragraph 29, a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 14.4.2020
● AA - Auswärtiges Amt (30.4.2019): Kosovo - Kultur- und Bildungspolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kosovo-node/-/207470, Zugriff 14.4.2020
● CIA – Central Intelligence Agency (7.4.2020): The Worlöd Factbook. Europe. Kosovo, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/kv.html, Zugriff 17.4.2020
● ECMIK – European Center for Minority Issues Kosovo (o.D.a): Kosovo’s Legal Framework, http://www.ecmikosovo.org/en/Kosovo's-Legal-Framework, Zugriff 17.4.2020
● ECMIK – European Center for Minority Issues Kosovo (o.D.b): Communities in Kosovo, http://www.ecmikosovo.org/en/Community-Profiles, Zugriff 17.4.2020
● GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/, Zugriff 5.5.2020
● USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html, Zugriff 5.5.2020
Bewegungsfreiheit, Letzte Änderung: 16.06.2020
Gesetzlich ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes vorgesehen, ebenso wie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung und die Regierung respektiert diese Rechte üblicherweise (USDOS 11.3.2020).
Alle Ethnien können sich im Kosovo grundsätzlich frei bewegen. Die Sicherheitskräfte bemühen sich um einen verstärkten Schutz für Minderheitengebiete und Enklaven. Angehörige von Minderheiten verlassen diese Gebiete – oftmals aufgrund eines subjektiv empfundenen Unsicherheitsgefühls und auch sprachlicher Barrieren – nur selten. Von der Freizügigkeit wird von Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern in jenen Gegenden, wo sich diese Gruppen in der Minderheit befinden, zum Teil kein Gebrauch gemacht. Ziele der Binnenmigration für Kosovo-Serben sind in der Regel mehrheitlich serbisch bewohnte Ortschaften (AA 9.12.2015).
Die Regierung betrachtet serbisch ausgestellte Personaldokumente mit Namen kosovarischer Städte nicht als gültige Reisedokumente, was es vielen Mitgliedern der kosovo-serbischen Gemeinschaft erschwert, frei nach und aus dem Kosovo zu reisen, es sei denn, sie benutzten die beiden Grenzübergänge zu Serbien, die sich in den kosovo-serbischen Mehrheitsgemeinden im Norden befinden (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des Paragraph 29, a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 30.3.2020
● USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026405.html, Zugriff 17.4.2020
Grundversorgung, Letzte Änderung: 16.06.2020
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Das Warenangebot entspricht in der Auswahl (nicht immer in der Qualität) westeuropäischen Standards. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die im Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).
Obwohl das Wirtschaftswachstum des Kosovo in den letzten zehn Jahren besser war als das seiner Nachbarn und weitgehend integrativ, reichte es nicht aus, um genügend formelle Arbeitsplätze, insbesondere für Frauen und Jugendliche, bereitzustellen oder die hohen Arbeitslosenquoten deutlich zu senken. Das Wachstumsmodell stützt sich in hohem Maße auf Überweisungen, um den Binnenkonsum anzukurbeln, hat sich aber in jüngster Zeit auf ein stärker investitions- und exportgetriebenes Wachstum verlagert (WB o.D.).
Die kosovarische Wirtschaft wuchs in der Zeit nach der globalen Finanzkrise beständig über dem Durchschnitt des Westbalkans, wenn auch von einer niedrigen Basis aus. Das Pro-Kopf-BIP stieg von 1.088 US-Dollar im Jahr 2000 auf 4.458 US-Dollar im Jahr 2019. Trotz dieses Anstiegs des Pro-Kopf-Einkommens in den letzten 20 Jahren ist das Kosovo gemessen am Pro-Kopf-BIP nach wie vor das drittteuerste Land in Europa. Das jährliche Wachstum wird auf vier Prozent geschätzt, angetrieben durch den Konsum, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, und durch Dienstleistungsexporte. Das Leistungsbilanzdefizit fiel von 7,6% des BIP im Jahr 2018 auf 5,5% im Jahr 2019, da sich das Importwachstum verlangsamte. Die Erwerbsbeteiligung ist mit durchschnittlich 40,5% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2019 nach wie vor chronisch niedrig. Die Arbeitslosenquote sank um 3,9 Prozentpunkte auf 25,7%. Die Staatsverschuldung ist gering, hat aber in den letzten Jahren rasch zugenommen. Die öffentliche und staatlich garantierte Verschuldung wird für Ende 2019 auf 17,7% des BIP geschätzt und ist damit die niedrigste auf dem Westbalkan, was dem Land Raum für die Aufnahme von Krediten zu Vorzugsbedingungen für produktive Investitionen mit einer hohen Rendite bietet. Der von den Banken dominierte Finanzsektor im Kosovo ist gesund und solide. Sowohl Kredite als auch Einlagen nahmen weiter zu (WB 2020).
Die kosovarische Wirtschaft leidet an einer unzureichenden Infrastruktur. Während es in den letzten Jahren zwar deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur, v.a. beim Ausbau des Autobahnnetzes gegeben, hat, stellt die instabile Energieversorgung weiterhin ein schwerwiegendes Entwicklungsproblem dar. Problematisch ist auch die politische Instabilität mit häufigen Regierungswechseln und fehlender entwicklungsorientierter Wirtschaftspolitik. Das Wirtschaftssystem weist klare Charakteristika politischer Patronage auf, mit der Dominanz des öffentlichen Sektors. Dazu gehören einerseits die öffentliche Verwaltung, in der - basierend auf einer parteipolitisch motivierten Personalpolitik - extrem hohe Gehälter bezahlt werden, und andererseits ineffiziente, politisch kontrollierte öffentliche Unternehmen bei gleichzeitig schleppend voranschreitender Privatisierung. Hinzu kommt ein schwacher Rechtsstaat mit einer schwachen und politisierten Justiz und Polizei, teils kriegsbedingt noch immer unklaren Eigentumsverhältnissen, der mangelnden auch wirtschaftlichen Kontrolle über Teile des kosovarischen Territoriums, in erster Linie der vier mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden im Norden, sowie das Problem grassierender, systematischer Korruption (GIZ 3.2020c).
Vor diesem Hintergrund blüht weiterhin ein substantieller informeller Wirtschaftssektor, welcher marktwirtschaftliche Regeln unterläuft, Arbeiterrechte und den Sozialstaat aushöhlt. Die EU-Kommission schätzte 2019 den Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttosozialprodukt auf 30%. Das extreme Handelsbilanzdefizit macht Kosovo in hohem Maße von ausländischer Hilfe und Überweisungen abhängig. Der Anteil der informellen Wirtschaftsleistung ist immens – schätzungsweise zwischen 27% und 45%. Weitere Probleme sind die unzureichende Infrastruktur (Energie, Wasser und Verkehr), ungelöste rechtliche Verhältnisse, mangelnde Transparenz, Korruption, Kriminalität, etc. (GIZ 3.2020c).
Kosovos Arbeitslosenquote belief sich laut nationalem Statistikamt im Jahr 2019 auf 25,70% (gegenüber 29,60% im Jahr 2018). Dies ist der geringste Wert, der seit zwanzig Jahren gemessen wurde (CEIC 2.4.2020; vergleiche WB 2020). Trotzdem bleibt die Arbeitslosigkeit mit einer Zahl von ca. 130.000 Unbeschäftigten Ende 2019 eines der zentralen Probleme. Der Arbeitsmarkt im Kosovo ist geprägt durch eine niedrige Erwerbsbeteiligung (Beschäftigungsqoute Ende 2019: 30,7%), ein hohes Maß an langfristiger Arbeitslosigkeit (über 70% aller Arbeitslosen) und Jugendarbeitslosigkeit (Jugendarbeitslosigkeitsquote 2019, Q4: 49,1%) sowie durch erhebliche Genderdisparitäten (Frauenbeschäftigungsquote 2016, Q4: 22,4%, gegenüber einer Männerbeschäftigungsquote von 60,2%). Im Kosovo existiert allerdings ein sehr ausgedehnter informeller, nicht von der Statistik erfasster Sektor, welcher z. B. einen Großteil der Frauen umfasst, die in Subsistenzwirtschaften Leistungen im Agrarsektor erbringen. Folgen der Informalität sind Einnahmeeinbußen bei den Sozialabgaben sowie ein Mangel an sozialer und arbeitsrechtlicher Absicherung der Arbeitnehmer. Eine staatliche Arbeitslosenversicherung existiert im Kosovo nicht. Jährlich drängen ungefähr 36.000 junge Arbeitssuchende neu auf den Arbeitsmarkt, von denen nur ein geringer Teil absorbiert werden kann. Für die überwiegende Mehrheit bleibt daher eine der folgenden Optionen: (weiterführende) Aus- und Weiterbildung, Studium, Arbeitslosigkeit, informelle Beschäftigung oder Migration. Etwa ein Drittel aller jungen Kosovaren geht weder einer Schulbildung, Ausbildung oder Beschäftigung nach. Die Arbeitgeber bemängeln, dass der Ausbildungsstand der jungen Kosovaren nicht den Bedürfnissen der Unternehmen nach qualifizierten Arbeitskräfte entspricht. Hieraus resultiert das Paradoxon der Gleichzeitigkeit von hoher Arbeitslosigkeit und unbesetzter Arbeitsstellen. Ein weiteres Problem ist, dass die ökonomischen und sozialen Statistikdaten immer noch unvollständig und Teils von mangelnder Qualität sind, was sowohl die Bewertung der effektiven Wirtschaftsentwicklung beeinträchtigt als auch die wirtschafts- und sozialpolitische Planung (GIZ 3.2020c).
Etwa 18% der kosovarischen Bevölkerung leben in absoluter Armut (täglich verfügbares Einkommen geringer als € 1,72) und 5,2% in extremer Armut (€ 1,20). Obwohl die einzelnen Studien und Armutsberichte nicht direkt vergleichbar sind, gibt es Hinweise dafür, dass sich das Ausmaß der Armut im Kosovo in den letzten zehn Jahren leicht reduziert hat. Armutsgefährdung korreliert stark mit Ethnizität (insbesondere die Gruppen der RAE (Roma, Ashkali, Ägypter) – Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen), Alter (Kinder), Bildung (Geringqualifizierte), Geographie und Haushaltsgröße (große Familien, sowie Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand). Der Lebensstandard ist im Kosovo sehr ungleich verteilt, mit Unterschieden in der durchschnittlichen Lebenserwartung von bis zu 10 Jahren zwischen einzelnen Gemeinden. Ein konsistentes geographisches Muster lässt sich jedoch nicht feststellen. Ein bedeutender Teil der Gesellschaft ist als mehrdimensional arm zu bezeichnen: Neben dem Mangel an pekuniären Ressourcen ist der Zugang zu sozialer Infrastruktur bzw. die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, wie z. B. fließendes Wasser, für viele Menschen begrenzt. Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel und der Ausgaben für Wohnraum an den gesamten Konsumausgaben eines Haushalts liegt im Kosovo im Durchschnitt bei 73%, die Ausgaben für Bildung und Gesundheit entsprechen 4% der gesamten Konsumausgaben. Der Human Development Index für Kosovo liegt laut dem Human Development Report Kosovo 2016 bei 0.741 (2015), was eine deutliche Steigerung gegenüber 2011 (0.713) bedeutet, jedoch einen der niedrigsten Werte in der Region darstellt (GIZ 3.2020b).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des Paragraph 29, a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 6.4.2020
● CEIC-Data – (2.4.2020): Kosovo. Arbeitslosenquote, https://www.ceicdata.com/de/indicator/kosovo/unemployment-rate, Zugriff 10.4.2020
● GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/, Zugriff 5.5.2020
● GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Kosovo – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/kosovo/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.5.2020
● WB – Weltbank (o.D.): The World Bank in Kosovo, https://www.worldbank.org/en/country/kosovo/overview, Zugriff 5.5.2020
SOZIALBEIHILFEN, Letzte Änderung: 16.06.2020
Die Leistungsgewährung von staatlichen Sozialhilfeleistungen für bedürftige Personen erfolgt auf Grundlage des Gesetzes No. 2003/15. Jede Gemeinde verfügt über ein Zentrum für Soziales. Angehörige der Minderheiten werden zusätzlich von den in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (Municipal Office for Communities and Return, MOCR) betreut. Die Freizügigkeit wird für Sozialhilfeempfänger nicht eingeschränkt. Für den weiteren Sozialhilfebezug ist in der Kommune des neuen Wohnortes ein entsprechender Antrag zu stellen. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die in Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).
Das Gesetz über die soziale Grundsicherung umfasst zwei Kategorien von Leistungsempfängern. Kategorie römisch eins definiert Familien als Leistungsempfänger, in denen alle Familienmitglieder temporär oder dauerhaft dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, z.B. Kinder bis 14 Jahre, Jugendliche bis 18 Jahren, sofern diese in das Bildungssystem integriert sind, Alleinerziehende mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren, Personen mit schwerer und dauerhafter Behinderungen über 18 Jahre, ältere Personen über 65 Jahre. Kategorie römisch II umfasst jene Familien, in denen mindestens ein Familienmitglied dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und in denen mindestens ein Kind jünger als 5 Jahre bzw. ein/e Waise jünger als 15 Jahre versorgt wird. Die Leistungen aus beiden Kategorien sind an strenge Bedürftigkeitsprüfungen gebunden. Die monatliche Unterstützungsleistung variiert von € 50 für eine einzelne Person bis zu maximal € 150 für eine Familie mit sieben oder mehr Mitgliedern, was einer Lohnersatzquote von 11.2% (Einzelperson) entspricht. 2018 empfingen ca. 25.300 Familien mit ca. 103.409 Familienmitgliedern Sozialhilfe, ein Bevölkerungsanteil von 6%. Die Gesamtaufwendungen sind mit ca. € 32.9 Mio. bzw. einem Anteil von 0.5% des BIPs gering. Im Kosovo gibt es zwei spezielle Institutionen, die sich auf die Versorgung von Erwachsene mit psychischen Erkrankungen (in Shtime) bzw. auf die Versorgung älterer Menschen (in Prishtina) spezialisiert haben. Daneben wurden jüngst fünf kommunale Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung sowie Einrichtungen für ältere Menschen eröffnet. Die Institutionen in Shtime und Prishtina wurden in der Vergangenheit wiederholt mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht (GIZ 3.2020b).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des Paragraph 29, a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 7.4.2020
● GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/, Zugriff 17.4.2020
Medizinische Versorgung, Letzte Änderung: 16.06.2020
Die mangels eines öffentlichen Krankenversicherungssystems weiterhin staatlich finanzierte medizinische Grundversorgung der Bevölkerung ist auf drei Ebenen organisiert: Die erste Ebene umfasst die hausärztliche Grundversorgung, insgesamt 422 Praxen und regionale Gesundheitszentren (GIZ 3.2020b; vergleiche AA 21.3.2019). In letzteren werden Patienten durch Ärzte für Allgemeinmedizin sowie durch weitere Fachärzte, wie Ärzte für Pädiatrie, Dermatologie, Ophthalmologen, Gynäkologen und Zahnärzte behandelt. Zur Beseitigung des Personalmangels wurde im Jahr 2017 das Personal der primären Erstversorgung umfangreich aufgestockt. Die ambulant Grundversorgung durch Allgemeinmediziner und andere Fachärzte sowie medizinisches Assistenzpersonal erfolgt in sogenannten Familien-Gesundheitszentren. Diese Gesundheitszentren werden in Verantwortung der jeweiligen Gemeinden betrieben; die Finanzierung der erforderlichen Sachmittel erfolgt durch die Gemeinden, jene der Personalkosten aus staatlichen Mitteln des Gesundheitsministeriums (AA 21.3.2019).
Die staatliche sekundäre Versorgung beinhaltet die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung in den Regionalkrankenhäusern in Ferizaj/Urosevac, Gjakova/Djakovica, Gjilan/Gnjilane, Mitrovica-Nord und -Süd, Peja/Pec, Prizren und Vushtrri/Vucitrn (GIZ 3.2020b; vergleiche AA 21.3.2019). Die tertiäre Gesundheitsversorgung wird durch die Universitätsklinik Pristina sowie staatliche Institute gewährleistet, die umfassende, auch komplexe medizinische Dienstleistungen anbieten. Gleichzeitig ist die Universitätsklinik für die sekundäre Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung der Region Pristina zuständig und wird dementsprechend stark frequentiert. Die Bettenkapazität zur stationären Behandlung von Patienten in den Krankenhäusern ist ausreichend (AA 21.3.2019).
Die Zahl der lizenzierten privaten Krankenhäuser in Kosovo belief sich 2019 auf 23. Die Nachfrage nach (lebenswichtigen) Medikamenten kann, trotz Verbesserungen in den letzten Jahren, nicht vollständig befriedigt werden, was einen Nährboden für die Entwicklung schwarzer und grauer Märkte bietet. Kosovo und Albanien besitzen die höchste Rate an intra-Krankenhaus-Infektionen im europäischen Vergleich, was insbesondere auf hygienische Probleme zurückzuführen ist. Die medizinische Infrastruktur im Kosovo bleibt trotz erheblicher Investitionen lückenhaft. Zusammen mit dem Mangel an medizinischem Fachwissen führt dies zum Problem, dass bestimmte Krankheiten (z. B. Leukämie, Nierenversagen) im Kosovo nicht behandelt werden können. Ein effizientes Informationsverarbeitungssystem fehlt gänzlich. Die Doppelfunktion von medizinischem Personal, welches gleichzeitig in öffentlichen und privaten Institutionen beschäftigt ist, führt zu substantiellen Interessenkonflikten. Entscheidungen über die Budgetverteilung scheinen zuweilen klar politisch motiviert zu sein und sind kaum evidenzbasiert. Schließlich erschweren die finanziellen Barrieren den Zugang zum Gesundheitssystem, was gravierende Ungleichheiten zur Folge hat. Wohlhabende Patienten fragen in zunehmendem Maße Leistungen privater Anbieter nach und/oder nutzen das Angebot (privater) medizinischer Akteure im Ausland (GIZ 3.2020b).
Bereits im Dezember 2012 wurde ein Gesetz zur Reform des Gesundheitssystems verabschiedet, im April 2014 ergänzend das Gesetz über die Krankenversicherung. Das Krankenversicherungsgesetz sieht eine staatliche, für alle kosovarischen Bürger obligatorische Krankenversicherung vor. Viele Einzelheiten sind aber nach wie vor ungeklärt. Die Implementierung der Krankenversicherung wird deshalb immer wieder verschoben.. Eine sofortige Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung nach Einführung des öffentlichen Krankenversicherungssystems wird derzeit als nicht realistisch eingestuft (AA 21.3.2019).
Als Folgen der andauernden Unterfinanzierung der Budgets sind staatlich finanzierte Basismedikamente der Essential Drug List sowie Zytostatika zur Behandlung von Tumorerkrankungen für berechtigte Empfänger nur selten kostenlos erhältlich. In der Realität können staatlicherseits Basis-Medikamente der Essential Drug List nicht regelmäßig und im benötigten Umfang zur Verfügung gestellt werden. Deshalb haben es insbesondere Neuerkrankte schwer, in den Genuss eines kostenlosen Bezugs staatlich finanzierter Medikamente zu kommen. Für Betroffene bleibt in einer solchen Situation nur die Möglichkeit, benötigte Medikamente privat finanziert zu beschaffen. Patienten erhalten vom behandelnden Arzt eine Liste mit benötigten Medikamenten und Verbrauchsmaterialien, die der Patient bzw. ein ihn betreuender Verwandter in einer der vielen Apotheken privat kaufen muss. Lediglich Medikamente für die Behandlung von an TBC oder AIDS erkrankten Patienten gehören wie Insulin zu den regelmäßig kostenlos vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellten Medikamenten (AA 21.3.2019).
Trotz kontinuierlicher Verbesserungen der meisten Gesundheitsindikatoren bleibt die Gesundheitssituation insgesamt alarmierend. Die Säuglings- und Müttersterblichkeit gehört jeweils zu den höchsten in ganz Europa. Die Immunisierungsrate hat sich jüngst auf über 90% erhöht, bleibt allerdings niedrig unter den RAE-Minderheiten. Das Ausmaß der Umweltverschmutzung sowie der Umgang mit suchtgefährdenden Substanzen, insbesondere Tabak, stellen ein enormes Risiko für die Gesundheit der kosovarischen Bevölkerung dar (GIZ 3.2020b).
In Ermangelung einer universellen Gesundheitsversorgung sind Gemeinschaften von Roma und Ashkali, aufgrund ihrer schwierigen sozio-ökonomischen Lage, besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen ausgesetzt. Nur der Zugang zu sehr grundlegenden Dienstleistungen ist kostenlos (EC 29.5.2019).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des Paragraph 29, a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 13.4.2020
● EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf, Zugriff 27.11.2019
● GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/, Zugriff 5.5.2020
Rückkehr, Letzte Änderung: 16.06.2020
Die meisten europäischen Staaten haben mit Kosovo bilaterale Rückübernahmeabkommen abgeschlossen (AA 21.3.2019). Diese Rückübernahmeabkommen werden problemlos implementiert. Asylanträge kosovarischer Bürger in der EU sinken seit 2015, dementsprechend sinken auch die Rückführungen. Die Zahl der aus den EU-Staaten in den Kosovo zurückgeführten Personen ist von 18.789 im Jahr 2015, 11.030 im Jahr 2016 und 4.509 im Jahr 2017 auf 2.395 im Jahr 2018 gefallen (1.668 zwangsweise und 727 freiwillig). Im Jahr 2017 betrug die Rückkehrrate der in der EU aufhältigen kosovarischen Bürger, die seitens der Gastländer zum Verlassen des Territoriums angehalten wurden, in den Kosovo 85,9% (EC 29.5.2019).
Das kosovarische Innenministerium prüft vor seiner Zustimmung zu einer Rückführung aus Drittstaaten anhand von Dokumenten, bestehenden Registereinträgen und/oder Zeugenaussagen die Herkunft einer Person aus Kosovo und das Vorliegen der Voraussetzungen nach Artikel 32, des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes für die kosovarische Staatsangehörigkeit. Daher ist davon auszugehen, dass in Rückführungsfällen die formellen Voraussetzungen für die Registrierung als „Resident of Kosovo“ erfüllt werden. Probleme entstehen für Eltern bei der Registrierung von im Ausland geborenen Kindern, wenn lediglich Geburtsanzeigen vorgelegt werden können, weil Standesämter mangels fehlender Identitätsdokumente der Eltern keine Geburtsurkunden ausstellen können. Seit Mai 2010 hat die kosovarische Regierung Strategien für die Reintegration von Rückkehrern verabschiedet (AA 21.3.2019).
Geleitet wird der gesamte Reintegrationsprozess von der Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern im kosovarischen Innenministerium. Für diese Abteilung arbeiten u.a. sechs sogenannte Regionalkoordinatoren, die dezentral in den größeren Gemeinden des Kosovo (auch Nord-Mitrovica) tätig sind und als Ansprechpartner für die in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (Municipal Office for Communities and Return, MOCR) fungieren sollen sowie auch Mitglieder der kommunalen Ausschüsse für Reintegration (Municipal Committees for Reintegration, MCR) sind. Zu den Aufgaben der Regionalkoordinatoren gehört auch ein Monitoring der MOCR und der MCR. Zudem können sie im Bereich der Wohnraumbeschaffung eigenständig tätig werden. Die erste Kontaktaufnahme zu den Rückkehrern findet bereits unmittelbar nach deren Ankunft in einem eigenen Büro der „Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern“ [DRRP - Department for Reintegration of Repatriated Persons] im Flughafen Pristina statt. Falls erforderlich, werden Transport in die Heimatgemeinde oder eine befristete Unterkunft in einer Einrichtung in Pristina angeboten sowie Ansprechpartner in den Kommunen benannt. Im Bedarfsfall können individuelle medizinische Versorgungsmöglichkeiten über die Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern in Zusammenarbeit mit dem kosovarischen Behörden organisiert werden (AA 21.3.2019).
Quellen:
● AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des Paragraph 29, a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 21.4.2020
● EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo* 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf, Zugriff 21.4.2020
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt zur IFA römisch 40 und durch die mündliche Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichts am 02.12.2021, im Zuge derer der Beschwerdeführer und seine Eltern als Zeugen befragt wurden, durch Einsichtnahme in die vorgelegten Dokumente, sowie Einsichtnahme in den Strafregisterauszug.
2. Beweiswürdigung:
Die Länderfeststellungen beruhen auf den in das Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Teilaktualisierung am 16.06.2020, das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen – deren Zugrundelegung von Entscheidungen vom Verwaltungsgerichtshof in Vergangenheit in zahlreichen Fällen bestätigt wurde – einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage im Kosovo gewährleistet.
Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation im Kosovo zugrunde gelegt werden konnten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, ist (siehe z.B. VwGH vom 24.06.1999, 98/20/0435, VwGH vom 20.05.1999, 98/20/0505, u.v.a.m.).
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit sowie seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren und die vorgelegten Dokumente und sind dem Akt zu IFA römisch 40 zu entnehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich während der Verhandlung, durch die Befragung des Beschwerdeführers und der Zeugen, einen persönlichen Eindruck verschaffen. Daraus ergibt sich aufgrund der Abhängigkeit seiner Eltern ein erst jüngst entstandenes Familienleben mit seinen Eltern.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht strafgerichtlich verurteilt wurde, kann dem diesbezüglichen Strafregisterauszug entnommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
römisch eins. Zu Abweisung der Beschwerde der Spruchpunkte römisch eins. (Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gem. Paragraph 57, AsylG) römisch II. (Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung), römisch III. (Zulässigkeit der Abschiebung nach in den Kosovo), sowie römisch fünf. (Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise).
Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß Paragraph 10, Absatz 2, AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:
„Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK
Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 189 aus 1955,) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung‘ zu erteilen. […]
Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
Paragraph 57, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Absatz eins, Ziffer 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Absatz 3 und Paragraph 73, AVG gehemmt.
(3) – (4) […]
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
Paragraph 58, (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß Paragraphen 4, oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) – (13) […]“
Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:
„Abschiebung
Paragraph 46, (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind. (
2) – (6) [...]
[...]
Verbot der Abschiebung
Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958,, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 55 aus 1955,, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Bundesgesetzblatt Nr. 78 aus 1974,), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
[...]
Rückkehrentscheidung
Paragraph 52, (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) – (7) [...]
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des Paragraph 16, Absatz 4, BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des Paragraph 55 a, vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist Paragraph 28, Absatz 2, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013, auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält. (9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) – (11) […]
[...]
Frist für die freiwillige Ausreise
Paragraph 55, (1) – (3) […]
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß Paragraph 18, Absatz 2, BFA-VG aberkannt wurde.
(5) […]“
Paragraph 9, BFA-VG lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45, oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.
(4) – (6) [...]
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 liegen somit nicht vor, zumal dies weder im Verfahren noch in den Beschwerden behauptet wurde. Die Beschwerde gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 waren daher als unbegründet abzuweisen.
Der Begriff des „Familienlebens“ in Artikel 8, EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt vergleiche dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar2 [1996] Rz 16 zu Artikel 8 ;, Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vergleiche auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Artikel 8, EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt vergleiche Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Unter Volljährigen reicht das rechtliche Band der Blutsverwandtschaft allein nicht, um ein Familienleben iSd Artikel 8, MRK zu begründen. Hier wird auf das tatsächliche Bestehen eines effektiven Familienlebens abgestellt, darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit gegeben sein, die über die sonst üblichen Beziehungen hinausgehen. Vgl. ua. EGMR 30.11.1999 (Baghli gegen Frankreich) Ziffer 35 ;, EGMR Ezzouhdi (FN 9) Ziffer 34 ;, EGMR 10.07.2003 (Benhebba gegen Frankreich); EGMR 17.01.2006 (Aoulmi gegen Frankreich).
Der Begriff des Privatlebens iSd Artikel 8, EMRK ist weit zu verstehen und umfasst das persönliche und berufliche Umfeld eines Menschen, in dem er mit anderen interagiert. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR ist die Gesamtheit der sozialen Beziehungen zwischen einem ansässigen Migranten und der Gemeinschaft, in der er lebt, integraler Bestandteil des Begriffs des Privatlebens (EGMR 13.10.2011, 41548/06, Trabelsi/DE; EGMR [GK] 23.06.2008, 1638/03, Maslov/AT). Dazu zählen auch berufliche und geschäftliche Beziehungen. Wie stark das Privatleben ausgeprägt ist, hängt in erster Linie von der Dauer des Aufenthalts ab. Für die Annahme eines in den Schutzbereich von Artikel 8, EMRK fallenden Privatlebens ist keine konkrete Mindestaufenthaltsdauer erforderlich. Die bereits in Österreich verbrachte Zeit und die dabei erfolgte Integration ist erst bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten vergleiche Peyerl/Czech in Abermann et al. NAG Paragraph 11, Rz 38).
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt vergleiche dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil – abseits familiärer Umstände – eine von Artikel 8, EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist vergleiche Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt vergleiche VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).
Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner Staatsangehörigkeit vom Kosovo Drittstaatsangehöriger iSd. Paragraph 2, Absatz 4, Ziffer 10, FPG. Staatsangehörige vom Kosovo, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Artikel eins, Absatz 2, in Verbindung mit Anlage römisch II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, Sitzung 1, von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Gemäß Artikel 20, Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) können sich sichtvermerksbefreite Drittausländer in dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an, sofern die Einreisevoraussetzungen des Artikel 5, Litera a bis e vorliegen. Gemäß Artikel 5, Absatz eins, SDÜ muss der Drittausländer über ausreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes sowohl für die Dauer des Aufenthaltes als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben (Litera c, leg cit) und darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen (Litera e, leg cit). Gemäß Paragraph 31, Absatz eins, Ziffer eins, FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.
Der Beschwerdeführer ist seit März 2021 durchgehend in Österreich aufhältig. Er ist in Österreich mit einem polnischen Visum eingereist, mit der Absicht sich einen Aufenthalt in Österreich zu erschleichen. Er hält sich somit unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer war zuerst nicht bei seinen Eltern, in römisch 40 gemeldet. Er hatte seinen Wohnsitz in römisch 40 und beabsichtigt im Reinigungsgewerbe Fuß zu fassen. Der Beschwerdeführer spricht kaum Deutsch.
Um einen Aufenthaltstitel zu bekommen, habe seine Eltern angegeben, dass sie die Hilfe des Beschwerdeführers im Alltag benötigen und haben einen Pflegevertrag abgeschlossen. Der Beschwerdeführer zog zu seinen Eltern, verfügt jedoch nicht über die nötige Ausbildung um seine Eltern pflegen zu können. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass es Möglichkeiten gibt bei Einrichtungen des Landes römisch 40 oder privaten oder sozialer Institutionen geeignetes Pflegepersonal (Fachpersonal) zu organisieren.
Der Vater des Beschwerdeführers war in Österreich berufstätig und bezieht seit 2018 eine Alterspension in Höhe von etwa 1.450 Euro. Die Mutter des Beschwerdeführers war Hausfrau, ist Analphabetin und der deutschen Sprache nicht mächtig, obwohl sie seit 30 Jahren in Österreich lebt und über ein gültiges Visum verfügt.
Im Kosovo leben nach den Angaben des Beschwerdeführers seine (Noch-Ehefrau) und seine vier minderjährigen Kinder sowie weitere Verwandte Es ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer überhaupt keinen Kontakt zu seinen Kindern pflegt.
Der Beschwerdeführer ist im Kosovo aufgewachsen und aufgrund seines kurzen Aufenthaltes hier in Österreich nach wie vor im Kosovo verwurzelt. Auch hat der Vater des Beschwerdeführers seinerzeit den jungen Beschwerdeführer in den Kosovo zurückgesandt, damit er in seiner Heimat aufwächst. Er hat somit eine enge Bindung an seinen Herkunftsstaat.
Die Kontakte zu seiner Freundin könnte er auch vom Kosovo aus oder durch visafreie Besuche pflegen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer wohl derzeit ein Familienleben mit seinen Eltern führt, dies aber erst seit weniger als einem Jahr und seine Eltern zuvor auch ohne die Betreuung des Beschwerdeführers ausgekommen sind, wofür der Beschwerdeführer auch nicht die entsprechende Ausbildung hat und die Eltern des Beschwerdeführers eine solche auch durch staatliche, private oder soziale Institutionen (Hauskrankenpflege, Heimhilfe) erhalten könnten. Der Zeitraum von wenigen Monaten durchgehenden Aufenthaltes in Österreich ist schlichtweg zu kurz, um einen Aufenthaltstitel nach Paragraph 55, AsylG erteilen zu können, wobei der Beschwerdeführer wohl sich um seine Integration bemüht (unselbständige Teilzeitarbeit Anmeldung eines freien Gewerbes), jedoch kaum Deutsch spricht).
Darüber hinaus kann ein Antrag nach Paragraph 55, dann nicht erteilt werden, wenn sich der Drittstaatsangehörige in einem Verfahren nach dem NAG befindet, was im vorliegenden Fall zutrifft (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht K8 zu Paragraph 55, AsylG).
Die Rückkehrentscheidung war daher zu bestätigen.
Es ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall auch kein Bedrohungsszenario iSd Paragraph 50, FPG vorliegt.
Es wurde auch in der Beschwerde nicht vorgebracht, dass der Beschwerdeführer, der offenbar gesund und arbeitsfähig ist, nicht in der Lage wäre, in seinem Herkunftsstaat, wo er aufgewachsen ist und offenbar die meiste Zeit gelebt hat, zumindest das überlebensnotwendige Existenzminimum sich durch Erwerbsarbeit zu verschaffen.
Die Abschiebung ist schließlich nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG zulässig, solange ihr keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für den Kosovo nicht. Vielmehr handelt es sich bei dem Kosovo um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Paragraph 19, BFA-VG.
Die Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo war daher ebenfalls zu bestätigen.
Im Sinne der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 08.06.2020, Ra 2018/19/0478) war bei Behebung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auch die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise zu beheben und eine Frist zur freiwilligen Ausreise festzusetzen.
römisch II. Zu Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides: Einreiseverbot auf die Dauer von 2 Jahren
Der mit „Einreiseverbot“ überschriebene Paragraph 53, FPG lautet wie folgt:
„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Absatz eins a, aufgehoben durch Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2013,)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins, ist, vorbehaltlich des Absatz 3,, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß Paragraph 20, Absatz 2, der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, in Verbindung mit Paragraph 26, Absatz 3, des Führerscheingesetzes (FSG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 120 aus 1997,, gemäß Paragraph 99, Absatz eins,, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß Paragraph 37, Absatz 3, oder 4 FSG, gemäß Paragraph 366, Absatz eins, Ziffer eins, der Gewerbeordnung 1994 (GewO), Bundesgesetzblatt Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den Paragraphen 81, oder 82 des SPG, gemäß den Paragraphen 9, oder 14 in Verbindung mit Paragraph 19, des Versammlungsgesetzes 1953, Bundesgesetzblatt Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Absatz 3, genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Artikel 8, EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Absatz eins, ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Ziffer 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (Paragraph 278 a, StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (Paragraph 278 b, StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (Paragraph 278 c, StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (Paragraph 278 d, StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (Paragraph 278 e, StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (Paragraph 278 f, StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder
9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Absatz 3, maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Paragraph 73, StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Absatz 3, Ziffer eins,, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“
Bei der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose – gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot – ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in Paragraph 53, Absatz 2, FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an vergleiche VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).
Der Beschwerdeführer wurde in Österreich strafrechtlich nicht verurteilt. Er hat jedoch gegen das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz verstoßen und versucht sich den Aufenthalt in Österreich zu erschleichen. Aufgrund der Angaben während der Verhandlung des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht, hinsichtlich unselbständige (Teilzeit)arbeit verbunden mit einer Gewerbeanmeldung und des nunmehrigen Familienlebens mit seinen in Österreich lebenden Eltern war jedoch ein Einreiseverbot für die Dauer von 6 Monaten als ausreichend anzusehen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Vielmehr stützt sich die gegenständliche Entscheidung auf die jüngste Judikatur des Verwaltungsgerichthofes (basierend auf der Judikatur des EGMR).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2244052.1.01