Bundesverwaltungsgericht
07.10.2021
I411 2173500-1
I411 2173500-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Benno WAGENEDER, Promenade 3, 4910 Ried im Innkreis, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 26.09.2017, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.09.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 05.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er in seiner Heimat von der Regierung verfolgt worden sei. Biafra kämpfe für die Unabhängigkeit von Nigeria. Die Regierung möge das nicht und verfolge die Biafra. Sie hätten viele von ihnen getötet. Er persönlich werde verfolgt, weil er Angehöriger der Biafra Bewegung sei.
2. Nach Durchführung einer Einvernahme am 09.11.2016 wies das Bundesamt mit Bescheid vom 28.11.2016, Zl. römisch 40 , den Asylantrag vom 06.07.2016 ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurück und ordnete die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers nach Ungarn an (Spruchpunkt römisch eins. und römisch II.).
3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.04.2017, GZ: W184 2142093-1/5E, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
4. Am 15.09.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er an, sein Land verlassen zu haben, weil er Mitglied der MASSOB sei. 2005 habe er sich dieser MASSOB angeschlossen. Es sei seine Aufgabe gewesen, hereinkommende Nachrichten an die Leute zu übermitteln. Im Jahr 2006 hätte eine Volkszählung stattfinden sollen. Sie hätten gesagt, dass sie an dieser Volkszählung nicht teilnehmen wollen. Ihr Kommandant habe die Nachricht herausgegeben, dass sie, der Osten Nigerias, an dieser Volkszählung nicht teilnehmen werden. Der Grund dafür sei, dass sie bereits mit Nigeria einen Kampf geführt hätten. Der östliche Teil sei ein Land und heiße Biafra. In diesem Land gäbe es Christen. Im Jahr 1914 seien die Briten gekommen und hätten 3 Länder zu Nigeria vereinigt. Im Jahr 1967 sei es zum Biafra Krieg gekommen und sie seien getötet worden, darüber sei weltweit nicht berichtet worden. Die Lehrer hätten den Kindern darüber nicht berichtet.
Ralph Uwuzike sei der Gründer der MASSOB und er sei der Anführer gewesen, als er sich der Gruppe angeschlossen habe. Er sei derjenige gewesen, der die Order herausgegeben habe, dass sich Biafra der Volkszählung nicht anschließen werde. Ihr Anführer habe gesagt, dass es ein Gesetz der Vereinten Nationen sei, dass ein Volk, das 30 Jahre lang gekämpft habe, nach diesen 30 Jahren frei sei. Er glaube, dass die Volkszählung im März 2006 begonnen habe und im Jahr 2007 beendet worden sei. Die Regierung habe den Befehl herausgegeben, dass alle Biafras verhaftet werden, im März 2006. Es sei den MASSOB Mitgliedern vorgeworfen worden, die Unterlagen zur Volkszählung zerstört zu haben, was diese aber nicht getan hätten. Mit bewaffneten Panzern seien in Onitsha MASSOB Mitglieder getötet worden. Ebenso seien sie in Imo State getötet worden. Im Mai 2008 seien in Abia State North Massob Mitglieder getötet worden. Sie seien von Haus zu Haus, von Geschäft zu Geschäft gegangen, um MASSOB Mitglieder festzunehmen. Im September 2008 habe er sich dazu entschlossen, das Land zu verlassen, denn sie hätten zwei Mitglieder in Enugu State getötet. Deshalb habe er das Land verlassen.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.09.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria als unbegründet ab (Spruchpunkt römisch eins. und römisch II.). Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG (Spruchpunkt römisch III. erster Satz), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch III. zweiter Satz) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt römisch III. dritter Satz). Ferner setzte die belangte Behörde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt römisch IV.).
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde vom 11.10.2017, in welcher vorgebracht wird, dass eine inhaltlich anderslautende Entscheidung hätte ergehen müssen. Zudem sei im Verfahren unbeleuchtet geblieben, was der Beschwerdeführer in den Jahren zwischen seiner Ausreise Ende 2008 bis zur Einreise in Österreich 2016 gemacht habe bzw. wo er sich aufgehalten habe. Tatsache sei, dass er sich teilweise in Kamerun aufgehalten habe, wo er sich für den SCNC betätigt habe. Der Beschwerdeführer berufe sich auch darauf, in Österreich exilpolitisch tätig gewesen zu sein und er sei Mitglied des SCNC mit Sitz in Deutschland.
7. Mit Schriftsatz vom 12.10.2017 legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor und verzichtete auf die Durchführung sowie Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung.
8. Mit Schreiben vom 31.12.2018 übermittelte der Beschwerdeführer Bestätigungen für die Teilnahme an einem Deutschkurs auf Niveau A1 und an einem Werte und Orientierungskurs sowie für die Leistung von ehrenamtlichen Tätigkeiten im Ausmaß von 19 Stunden.
9. Am 06.09.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde nochmals zu seinen Fluchtgründen einvernommen und erstattete folgendes Fluchtvorbringen;
„Ich habe den Antrag in Österreich gestellt, weil mein Leben in Nigeria in Gefahr ist. Ich befürchte, dass ich umgebracht werden, wenn ich in Nigeria bin. Ich gehöre auch der IPOB und das sind auch Freiheitskämpfer, die die Unabhängigkeit Nigerias wollen. Die Regierung hat die IPOB als Terrororganisation eingestuft und haben diese dementsprechend bekämpft. Unsere Anführer Nnaamde KANU ist von der nigerianischen Regierung eingesperrt worden. Wie bereits erwähnt wurde unserer Anführer inhaftiert und die nigerianische Regierung tötet immer wieder unsere Mitglieder bei Versammlungen. Mein Teil in Nigeria, Biafra kämpft für die Unabhängigkeit in Nigeria und deswegen kommt es immer wieder zu Demonstrationen. Während einer Demonstration am 29. und am 30.05.2016 wurden viele unserer Mitglieder erschossen. Seitdem höre ich von meinem Bruder nichts mehr, weshalb ich die Befürchtung habe, dass er tot sein muss. Ich suche deswegen Schutz in Österreich, weil mein Leben in Nigeria in Gefahr ist.“
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der oben angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Nigeria, bekennt sich zum christlichen Glauben und gehört der Volksgruppe der I(g)bo an. Seine Identität steht nicht fest.
Er leidet an keinen scherwiegenden gesundheitlichen Beinträchtigen oder Erkrankungen und ist arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer stammt aus dem nigerianischen Bundesstaat Enugu und wuchs in der Stadt römisch 40 auf. Er besuchte in Nigeria mehrere Jahre lang die Grundschule und absolvierte danach eine Ausbildung für die berufliche Tätigkeit als Automechaniker und Elektriker. Anschließend führte er von 2001 bis 2008 eine eigene Werkstätte, wodurch er sich seinen Lebensunterhalt finanzierte.
Ende Dezember 2008 reiste er ohne Reisedokument aus Nigeria aus. Zunächst hielt er sich ca. drei Monate lang in Kamerun auf, bevor er über mehrere Länder und über die Türkei nach Griechenland gelangte, wo er im Jahr 2010 erstmals um Asyl ansuchte und sich etwa 5 Jahre lang aufhielt. Im Jahr 2015 stellte er sowohl in Deutschland als auch in Ungarn (jeweils) einen Antrag auf internationalen Schutz. In Deutschland und Griechenland wurden seine Asylanträge negativ beschieden.
Nach der abweisenden Entscheidung über seinen Asylantrag in Deutschland reiste er illegal nach Österreich. Zumindest seit dem Tag der Asylantragstellung bzw. dem 05.07.2016 hält er sich im Bundesgebiet auf.
Er geht derzeit keiner erlaubten und der Pflichtversicherung unterliegenden Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.
Ende 2017 und im April 2018 war er im Ausmaß von 19 Stunden ehrenamtlich tätig, indem er bei der Instandhaltung eines Tennisplatzes mithalf. Am 12.12.2017 nahm er an einem Werte und Orientierkurs teil. In den Zeiträumen von 11.06.2018 bis 30.06.2018 und von 26.09.2018 bis 30.09.2018 war er geringfügig wegen DLS beschäftigt. Seit 2018 verkauft er die Straßenzeitung römisch 40 auf selbständiger Basis.
Zuletzt absolvierte er am 08.02.2019 die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau A1 und zu Werte und Orientierungswissen.
Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf und verfügt über keine Verwandten oder maßgeblichen privaten Beziehungen. Er ist in Österreich nicht vorbestraft.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Entgegen seinem Vorbringen konnte nicht festgestellt werden, dass er ein Mitglied der Bewegung MASSOB war und deswegen verfolgt worden ist oder ihm deshalb in Nigeria eine Verfolgung droht. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er ein exponiertes Mitglied der IPOB ist und ihm aufgrund seines Engagements- und der Teilnahme in Österreich an Treffen oder Demonstrationen der Biafra-Unabhängigkeitsbewegung IPOB in Nigeria eine Verfolgung droht.
Im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat wird der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein. Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) nach Nigeria entgegenstünden.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder auf Grund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK geschützten Rechte oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Nigeria ausgesetzt wäre.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:
Zur Lage im Herkunftsstaat werden die für das gegenständliche Verfahren relevanten Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria vom 23.11.2020 festgestellt:
2 COVID-19
Letzte Änderung: 23.11.2020
Die COVID-19-Situation in Nigeria ist nach wie vor angespannt. Die veröffentlichten absoluten Zahlen an bisherigen Infizierten (rund 62.000) geben angesichts der geringen Durchtestung der 200-Millionen-Bevölkerung ein verzerrtes Bild. Aussagekräftiger ist der Anteil der positiven Fälle gemessen an der Zahl der durchgeführten Tests. Dieser lag im Oktober 2020 landesweit bei mehr als drei Prozent, in der Metropole Lagos hingegen bei etwa 30 Prozent. Die Zahlen berücksichtigen noch nicht die Auswirkung der #EndSARS-Proteste, bei denen von den Demonstrierenden praktisch keine Schutzvorkehrungen gegen COVID-19 getroffen worden sind. Ein Anstieg an positiven Fällen ist hauptsächlich in der Südwestzone des Landes zu beobachten. In einigen Bundesstaaten herrscht überhaupt Skepsis an der Notwendigkeit von COVID-19- Maßnahmen. Die allgemeine Risikowahrnehmung und die Nachfrage nach Tests sind gering (ÖB 10.2020).
In Nigeria gibt es wie in anderen afrikanischen Ländern relativ wenig belegte COVID-19 Infizierte. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass vergleichsweise wenig Tests durchgeführt werden (Africa CDC 13.10.2020). Anfang September 2020 wurde die Phase 3 der Restriktionen im Zusammenhang mit der Coronakrise in Kraft gesetzt. Die Ausgangssperre gilt im ganzen Land nun von Mitternacht bis vier Uhr. Meetings bis zu maximal 50 Personen sind gestattet. In Lagos dürfen Restaurants, Klubs und Kirchen etc. unter bestimmten Auflagen öffnen (WKO 25.9.2020).
Seit 2020 ist die nigerianische Wirtschaft aufgrund des erneuten Verfalls des Rohölpreises sowie der massiven wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie wieder geschwächt. Wie hoch der wirtschaftliche Schaden sein wird, ist bislang noch nicht abzuschätzen (GIZ 6.2020). Für 2020 wird aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Nigeria und der drastisch gesunkenen Erdölpreise mit einer Schrumpfung des nigerianischen BIP um 4,4 Prozent gerechnet. In der 2. Jahreshälfte 2020 ist jedoch ein Wiederanziehen der Konjunktur feststellbar und für 2021 wird ein Wachstum von 2,2 Prozent erwartet (WKO 14.9.2020).
Anmerkung, Diese Informationen zu COVID-19 sind zum Teil ebenfalls in den Kapiteln Bewegungs-freiheit, medizinische Versorgung und Grundversorgung eingepflegt.
Quellen:
• AfricaCDC - Africa Centres for Disease Control and Prevention (13.10.2020): Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) - Latest updates on the COVID-19 crisis from Africa CDC, https://africacdc.org/covid-19/, Zugriff 13.10.2020
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2020): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.10.2020
• ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, htt- ps://www.ecoi.net/en/file/local/2021612/NIGR_%C3%96B_Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 18.11.2020
• WKO - Wirtschaftskammer Österreich (25.9.2020): Coronavirus: Situation in Nigeria - Aktuelle Informationen und Info-Updates, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/co ronavirus-info-nigeria.html , Zugriff 13.10.2020
• WKO - Wirtschaftskammer Österreich (14.9.2020): Die nigerianische Wirtschaft, https: //www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-nigerianische-wirtschaft.html, Zugriff 13.10.2020
4 Sicherheitslage
Letzte Änderung: 23.11.2020
Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 16.1.2020). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt (AA 16.1.2020; vergleiche FH 4.3.2020); sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 16.1.2020; vergleiche EASO 11.2018a) und Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a; vergleiche Garda 23.6.2020). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten (EASO 11.2018a; vergleiche AA16.1.2020), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a) bzw. kommt es seit Jänner 2018 zu regelmäßigen Protesten des IMN in Abuja und anderen Städten, die das Potential haben, in Gewalt zu münden (UKFCDO 26.9.2020). Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insur- genz. Im „Middlebelt" kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen und der Staatsgewalt. Die Lage im Südosten des Landes („Biafra") bleibt jedoch latent konfliktanfällig. Die separatistische Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB) ist allerdings derzeit in Nigeria nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).
Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nassarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger und Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten betroffen. Weiterhin bestimmen immer wieder gewalttätige Konflikte zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie gut organisierten Banden die Sicherheitslage. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 forderten diese in Abuja auch wiederholt Todesopfer (AA 8.10.2020).
Anfang Oktober 2020 führte eine massive Protestwelle zur Auflösung der Spezialeinheit SARS am 11.10.2020 (Guardian 11.10.2020). Die Einheit wurde in SWAT (Special Weapons and Tactics Team) umbenannt und seine Beamten sollen einer zusätzlichen Ausbildung unterzogen werden. Die Protestwelle hielt jedoch an (DS 16.10.2020). Mit Stand 26.10.2020 war das Ausmaß der Ausschreitungen stark angestiegen. Es kam zu Gewalt und Plünderungen sowie zur Zerstörung von Geschäften und Einkaufszentren. Dabei waren bis zu diesem Zeitpunkt 69 Menschen ums Leben gekommen - hauptsächlich Zivilisten, aber auch Polizeibeamte und Soldaten (BBC News 26.10.2020).
In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt (AA 8.10.2020).
In der Zeitspanne September 2019 bis September 2020 stechen folgende nigerianische Bun-desstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (3.085), Kaduna (894), Zamfara (858), und Katsina (644). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (3), Kebbi (4), Kano (6), Jigawa (15) (CFR 2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019), https://www.ecoi.net/en/file/lo- cal/2025287/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_- abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_- 2019%29%2C_16.01.2020.pdf, Zugriff 18.11.2020
• AA-Auswärtiges Amt (16.4.2020): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise
(Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-n ode/nigeriasicherheit/205788#content_5,16.4.2020
• BBC News (26.10.2020): Nigeria protests: Police chief deploys ’all resources’ amid street violence, https://www.bbc.com/news/world-africa-54678345, Zugriff 28.10.2020
• CFR - Council on Foreign Relations (2020): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/ nigeria/nigeria-security-tracker/p29483 , Zugriff 8.10.2020
• DS - Der Standard (16.10.2020): Berüchtigte „Sars“-Polizeieinheit in Nigeria nach Protes-ten abgeschafft, https://www.derstandard.at/story/2000120951836/beruechtigte-sars-pol izeieinheit-in-nigeria-nach-protesten-abgeschafft, Zugriff 28.10.2020
• EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_C OI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 16.4.2020
• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 - Nigeria, https://www.ecoi .net/de/dokument/2035799.html , Zugriff 30.9.2020
• Garda - Gardaworld (23.6.2020): Nigeria: Gunmen attack village in Zamfara State on June 20, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/353501/nigeria-gunmen-attack-viNage-in -zamfara-state-on-june-20 , Zugriff 8.10.2020 (siehe „context“)
• Guardian, The (11.10.2020): Nigeria to disband Sars police unit accused of killings and brutality, https://www.theguardian.com/world/2020/oct/11/nigeria-to-disband-sars-police -unit-accused-of-killings-and-brutality, Zugriff 28.10.2020
• UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth & Development Office (26.9.2020): Foreign travel advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria , Zugriff 8.10.2020
12 Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 23.11.2020
Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grund-rechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Artikel 33, der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur „Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei" ihr Leben verloren hat. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der zahlreich eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen weiterhin deutlich hinter internationalen Standards zurück. Zudem wurden völkerrechtliche Verpflichtungen zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Bundesstaaten, welche grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist die Durchsetzung garantierter Rechte häufig nicht gewährleistet (AA 16.1.2020).
Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert (AA 24.5.2019a; vergleiche GIZ 9.2020a), vor allem im Hinblick auf die Freilassung politischer Gefangener und die Presse- und Meinungsfreiheit (GIZ 9.2020a). Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang der Streitkräfte mit Boko Haram-Verdächtigen, der schiitischen Minderheit, Biafra-Aktivisten und Militanten im Nigerdelta. Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetismus, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden. Die Gleichstellung von Angehörigen sexueller Minderheiten wird gesetzlich verweigert, homosexuelle Handlungen sind mit schweren Strafen belegt (AA 24.5.2019a). Es gibt viele Fragezeichen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte, wie z.B. die Praxis des Scharia-Rechts (Tod durch Steinigung), Entführungen und Geiselnahmen im Nigerdelta, Misshandlungen und Verletzungen durch Angehörige der nigerianischen Polizei und Armee sowie Verhaftungen von Angehörigen militanter ethnischer Organisationen (GIZ 9.2020a). Zu den schwerwiegendsten Menschenrechtsproblemen gehören zudem u.a. rechtswidrige und willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen, Folter und willkürliche Inhaftierung sowie substanzielle Eingriffe in die Rechte auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit (USDOS 11.3.2020).
Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten führten zu Amputations- und Steinigungsurteilen. Die wenigen Steinigungsurteile wurden jedoch jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben; auch Amputationsstrafen wurden in den vergangenen Jahren nicht vollstreckt (AA 16.1.2020; vergleiche USDOS 11.3.2020).
Die Regierung bekennt sich ausdrücklich zum Schutz der Menschenrechte, und diese sind auch in der Verfassung als einklagbar verankert. Dessen ungeachtet bleiben viele Probleme ungelöst, wie etwa Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, die Scharia-Rechtspraxis, Entführungen und Geiselnahmen sowie das Problem des Frauen- und Kinderhandels. Daneben ist der Schutz von Leib und Leben der Bürger gegen Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht keineswegs verlässlich gesichert und besteht weitgehend Straflosigkeit bei Verstößen der Sicherheitskräfte und bei Verhaftungen von Angehörigen militanter Organisationen. Das hohe Maß an Korruption auch im Sicherheitsapparat und der Justiz wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (ÖB 10.2019).
Es setzten sich nigerianische Organisationen wie z.B. CEHRD (Centre for Environment, Human Rights and Development), CURE-NIGERIA (Citizens United for the Rehabilitation of Errants) und HURILAWS (Human Rights Law Services) für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land ein. Auch die Gewerkschaftsbewegung Nigeria Labour Congress (NLC) ist im Bereich von Menschenrechtsfragen aktiv (GIZ 9.2020a).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019), https://www.ecoi.net/en/file/localZ2 025287/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschie berelevante_LageJn_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2019%29 %2C_16.01.2020.pdf, Zugriff 18.11.2020
• AA-Auswärtiges Amt (24.5.2019a): Nigeria - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt .de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844http://www.auswaertiges-amt.de/DE /Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html , Zugriff 30.9.2020
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020a): Nigeria - Ge-schichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html , Zugriff 30.9.2020
• ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ec oi.net/en/file/local/2021612/NIGR_%C3%96B_Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 18.11.2020
• USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practi- ces 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026341.html , Zugriff 9.4.2020
14 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung: 17.11.2020
Die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert. Allerdings wird sie bisweilen durch das Eingreifen der Sicherheitsorgane gegen politisch unliebsame Versammlungen (z.B. von Schiiten oder Biafra-Aktivisten) in der Praxis eingeschränkt (AA 16.1.2020; vergleiche USDOS 11.3.2020; FH 4.3.2020). Die Regierung verbietet Versammlungen, welche ihrer Ansicht nach zu Unruhen führen könnten. In Gebieten, in denen es zu gesellschaftlicher Gewalt kommt, entscheiden Polizei und Sicherheitskräfte über die Genehmigung von öffentlichen Versamm-lungen und Demonstrationen von Fall zu Fall. Bei der Auflösung von Demonstrationen wenden Sicherheitskräfte manchmal übermäßige Gewalt an (USDOS 11.3.2020).
Die Vereinigungsfreiheit wird durch die Verfassung ebenso garantiert wie das Recht, einer politischen Partei oder einer Gewerkschaft anzugehören (AA 16.1.2020; vergleiche ÖB 10.2019); es wird auch praktiziert (ÖB 10.2019). Dies hat zur Herausbildung einer lebendigen Zivilgesellschaft mit zahlreichen NGOs geführt. Gleichzeitig gibt es verschiedene Versuche der Regierung, zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum durch repressive Gesetzgebung und Verwaltungspraxis einzuschränken (AA 16.1.2020). Gewerkschaften können sich grundsätzlich frei betätigen (AA 16.1.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)
• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 - Nigeria, https://www.ecoi .net/de/dokument/2035799.html , Zugriff 30.9.2020
• ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria
• USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practi- ces 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026341.html , Zugriff 9.4.2020
14.1 Opposition inkl. MASSOB, IPOB und IMN
Letzte Änderung: 17.11.2020
Verfassung und Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien, Gewerkschaften oder Interessengruppen. Es liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor. Auch in Nigeria kann sich die politische Opposition grundsätzlich frei betätigen. Das gilt nicht nur für die parlamentarische Opposition sondern auch für außerparlamentarische Parteien und Gruppen. Bislang sind auch - meist marginale - Gruppen mit sezessionistischen Zielen (etwa Biafra) weitgehend toleriert worden (AA 16.1.2020).
Mit Verbot der Indigenous People of Biafra (IPOB) im September 2017 und der schiitischen Islamischen Bewegung Nigerias (IMN) im August 2019 sind jetzt aber klare Grenzen markiert worden (AA 16.1.2020). Neben der IPOB ist im Südosten Nigerias als zweite sezessionistische Bewegung das Movement for the Actualization of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) aktiv (EASO 2.2019; vergleiche ÖB 10.2019). Beide werden von der Igbo-Volksgruppe beherrscht, konkurrieren aber miteinander (ÖB 10.2019).
Nach der vorübergehenden Freilassung des seit Herbst 2015 inhaftierten Anführers der IPOB, Nnamdi Kanu, im Frühjahr 2017 spitzte sich die Lage rund um den 50. Jahrestag des Beginns des Biafra-Kriegs [Anm.: 6.7.2017] neuerlich zu. Zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wurden Truppen entsandt (ÖB 10.2019; vergleiche AA 16.1.2020) und die IPOB zur terroristischen Organisation erklärt (ÖB 10.2019; vergleiche AA 16.1.2020). Die Polizei geht gegen Mitglieder der IPOB und der IMN mittels Inhaftierungen vor (HRW 17.1.2019). Die Sicherheitskräfte nahmen im Verlauf des Jahres 2019 mindestens 200 Mitglieder und Unterstützer der IPOB fest, zehn Personen wurden getötet (AI 8.4.2020). In Abia wurden mutmaßliche IPOB-Mitglieder etwa wegen Mordes, Brandstiftung und anderen Verbrechen verhaftet. Seither hat es seitens IPOB und MASSOB nur noch vereinzelt Versuche gegeben, in der Öffentlichkeit für die (verfassungswidrige) Unabhängigkeit eines fiktiven Staates „Biafra" zu werben. Diese wurden von den nigerianischen Sicherheitsbehörden regelmäßig unterbunden. Insgesamt können diese Bewegungen als relativ unbedeutende Randgruppen angesehen werden (ÖB 10.2019). Im August 2020 kam es bei einem Treffen der IPOB in der Stadt Enugu zu Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Gemäß IPOB wären 21 Mitglieder getötet und 47 verhaftet worden, laut Polizeichef wären vier IPOB-Mitglieder verhaftet und vier getötet worden (BAMF 24.8.2020).
Der IPOB-Führer Nnamdi Kanu, der seit September 2017 spurlos verschwunden gewesen war, trat überraschend im Oktober 2018 in Jerusalem wieder öffentlich in Erscheinung (ÖB 10.2019; vergleiche BBC 22.10.2018). Seit Anfang 2019 hielt er sich in Großbritannien auf (AFP 17.2.2019). Der Federal High Court in Abuja erließ am 28.3.2019 einen Haftbefehl gegen ihn. Gleichzeitig widerrief das Gericht die Kanu im April 2017 aus gesundheitlichen Gründen gewährte Freilassung auf Kaution, da er seither mehreren Vorladungen des Gerichts nicht Folge geleistet hatte (BAMF 1.4.2019). Im September 2019 kündigte Kanu an, eine IPOB-Delegation zur Generalversammlung der UNO führen zu wollen, und beschuldigte Nigeria in einer Petition an die UNO in Genf der Menschenrechtsverletzungen gegen die Unterstützer der Biafra-Bewegung (ÖB 10.2019). In Nigeria selbst ist IPOB derzeit nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).
Die Sicherheitskräfte setzen das harte Vorgehen gegen Mitglieder der schiitischen IMN fort, die gegen die Inhaftierung ihres Führers Scheich Ibrahim El Zakzaky und seiner Frau seit Dezember 2015 protestieren. Trotz gerichtlicher Anordnungen zu ihrer Freilassung bleiben sie in Haft (HRW 14.1.2020). Nach gewaltsamen Protesten der IMN in Abuja im Juli 2019 wurde die Gruppierung durch die Regierung im ganzen Land zu einer illegalen Organisation erklärt. Noch immer sitzen dutzende IMN-Anhänger ohne Anklage in Haft (AA 16.1.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)
• AFP - Agence France Presse (17.2.2019): Pro-Biafran group calls off Nigeria election boycott, https://www.news24.com/Africa/News/pro-biafran-group-calls-off-nigeria-electio n-boycott-20190216 , Zugriff 14.4.2020
• AI - Amnesty International (8.4.2020): Amnesty Report, Nigeria 2019, https://www.am nesty.de/informieren/amnesty-report/nigeria-nigeria-2019#section-11669045 , Zugriff 14.4.2020
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (24.8.2020): Briefing Notes, https://ww w.ecoi.net/en/file/local/2037634/briefingnotes-kw35-2020.pdf, Zugriff 13.10.2020
• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.4.2019): Briefing Notes, https://www.
ecoi.net/en/file/local/2006127/Deutschland Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_F
l%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_01.04.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 14.4.2020
• BBC News (22.10.2018): Nnamdi Kanu, Nigerian separatist leader, resurfaces in Israel, https://www.bbc.com/news/world-africa-45938456 , Zugriff 14.4.2020
• EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf , Zugriff
14.4.2020
• HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Nigeria, https://www.ecoi .net/de/dokument/2022679.html , Zugriff 14.4.2020
• HRW - Human Rigths Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Nigeria, https://www.ecoi .net/en/document/2002184.html , Zugriff 14.4.2020
• ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria
• ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria
• USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practi- ces 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026341.html , Zugriff 9.4.2020
22 Grundversorgung
Letzte Änderung: 17.11.2020
Nigeria ist die größte Volkswirtschaft Afrikas. Die Erdölproduktion ist der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes. Aufgrund des weltweiten Verfalls der Erdölpreise rutschte Nigeria 2016 jedoch in eine schwere Rezession, die bis zum zweiten Quartal 2017 andauerte (GIZ 6.2020). 2018 wuchs die nigerianische Wirtschaft erstmals wieder um 1,9 Prozent (GIZ 6.2020; vergleiche AA 24.5.2019c). Getragen wurde das Wachstum vor allem durch die positive Entwicklung von Teilen des Nicht-Öl-Sektors (Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe). Seit 2020 ist die nigerianische Wirtschaft aufgrund des erneuten Verfalls des Rohölpreises sowie der massiven wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie wieder geschwächt. Wie hoch der wirtschaftliche Schaden sein wird, ist bislang noch nicht abschätzbar (GIZ 6.2020). Für 2020 wird aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Nigeria und der drastisch gesunkenen Erdölpreise mit einer Schrumpfung des nigerianischen BIP um 4,4 % gerechnet. In der 2. Jahreshälfte 2020 ist jedoch ein Wiederanziehen der Konjunktur feststellbar und für 2021 wird ein Wachstum von 2,2 % erwartet (WKO 14.9.2020).
Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 16.1.2019). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 6.2020). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 16.1.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 6.2020). Vor allem im Bereich Stromversorgung und Transport ist die Infrastruktur weiterhin mangelhaft und gilt als ein Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung (AA 24.5.2019c).
Über 60 Prozent (AA 24.5.2019c) bzw. nach anderen Angaben über 70 Prozent (GIZ 6.2020) der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 6.2020; vergleiche AA 24.5.2019c). Die unterentwickelte Landwirtschaft ist jedoch nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken (AA 24.5.2019c). Einerseits ist das Land nicht autark, sondern auf Importe - v.a. von Reis - angewiesen. Andererseits verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten wegen fehlender Transportmöglichkeiten (ÖB 10.2019). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen - in der Regel in Subsistenzwirtschaft (AA 24.5.2019c).
Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Insgesamt hat sich der Prozentsatz an Unterernährung in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegt nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen aber weiterhin zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2019). Im Jahr 2019 benötigten von der Gesamtbevölkerung von 13,4 Millionen Menschen, die in den Staaten Borno, Adamawa und Yobe leben, schätzungsweise 7,1 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Davon sind schätzungsweise 80 Prozent Frauen und Kinder (IOM 17.3.2020).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vergleiche GIZ 9.2020b). 87 Millionen Nigerianer (40 Prozent der Bevölkerung) leben in absoluter Armut, d.h. sie haben weniger als 1 US-Dollar pro Tag zur Verfügung (GIZ 6.2020). 48 Prozent der Bevölkerung Nigerias bzw. 94 Millionen Menschen leben in extremer Armut mit einem Durchschnittseinkommen von unter 1,90 US-Dollar pro Tag (ÖB 10.2019). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 9.2020b). Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 6.2020).
Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 9.2020b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden. Die Chancen, einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und vor allem über Beziehungen (ÖB 10.2019). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2019; vergleiche BS 2020).
Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als „self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 9.2020b). Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).
Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2019). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Mietkosten, Zugang zu medizinischer Versorgung und Lebensmittelpreise variieren nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern auch regional/ethnisch innerhalb jedes Teilstaates (ÖB 10.2019).
Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup", „garri" oder „pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m2 Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2019).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)
• AA-Auswärtiges Amt (24.5.2019c): Nigeria - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.d e/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/wirtschaft/205790 , Zugriff 5.10.2020
• BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.n et/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf, Zugriff 18.5.2020
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2020): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.10.2020
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020b): Nigeria, Ge-sellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 2.10.2020
• IOM Nigeria - International Organization for Migration (17.3.2020): Emergency Response, 2019 Annual Reports, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/2019_annua l_report_-_iom_nigeria_emergency_responsefinal.pdf, Zugriff 15.4.2020
• ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria
• WKO - Wirtschaftskammer Österreich (14.9.2020): Die nigerianische Wirtschaft, https: //www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-nigerianische-wirtschaft.html , Zugriff 13.10.2020
23 Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 23.11.2020
Insgesamt kann die Gesundheitsversorgung in Nigeria als mangelhaft bezeichnet werden. Zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd besteht ein erhebliches Gefälle: Auf dem Land sind die Verhältnisse schlechter als in der Stadt (GIZ 3.2020b); und im Norden des Landes ist die Gesundheitsversorgung besonders prekär (GIZ 9.2020b; vergleiche ÖB 10.2019). Die medizinische Versorgung ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch (AA 7.9.2020). Die Gesundheitsdaten Nigerias gehören zu den schlechtesten in Afrika südlich der Sahara und der Welt (ÖB 10.2019). Mit 29 Todesfällen pro 1.000 Neugeborenen hat Nigeria weltweit die elfthöchste Todesrate bei Neugeborenen (GIZ 9.2020b). Die aktuelle Sterberate für Kinder unter fünf Jahren beträgt 100,2 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten (ÖB 10.2019).
Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser (AA 16.1.2020). Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, die im öffentlichen Gesundheitssektor allerdings in der Regel unter europäischem Standard liegt. Der private Sektor bietet hingegen in einigen Krankenhäusern der Maximalversorgung (z.B. in Abuja, Ibadan, Lagos) westlichen Medizinstandard. Nahezu alle, auch komplexe Erkrankungen, können hier kostenpflichtig behandelt werden (AA 16.1.2020; vergleiche ÖB 10.2019). In größeren Städten ist ein Großteil der staatlichen Krankenhäuser mit Röntgengeräten ausgestattet, in ländlichen Gebieten verfügen nur einige wenige Krankenhäuser über moderne Ausstattung (ÖB 10.2019).
In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Die Ärzte haben oft langjährige Ausbildungen in Europa und Amerika absolviert und den medizinischen Standard angehoben. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 16.1.2020).
Stigmatisierung und Missverständnisse über psychische Gesundheit, einschließlich der fal-schen Wahrnehmung, dass psychische Erkrankungen von bösen Geistern oder übernatürlichen Kräften verursacht werden, veranlassen die Menschen dazu, religiöse oder traditionelle Heiler zu konsultieren; eine Rolle spielt hier auch der Mangel an qualitativ hochwertiger psychiatrischer Versorgung und die unerschwinglichen Kosten (HRW 11.11.2019). Es existiert kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau. Dort werden Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht, können aber nicht adäquat behandelt werden (AA 16.1.2020). Nigeria verfügt derzeit über weniger als 150 Psychiater (AJ 2.10.2019), nach anderen Angaben sind es derzeit 130 für 200 Millionen Einwohner (Österreich 2011: 20 Psychiater/100.000 Einwohner). Bei Psychologen ist die Lage noch drastischer, hier kamen im Jahr 2014 auf 100.000 Einwohner 0,02 Psychologen (Österreich 2011: 80 Psychologen/100.000 Einwohner). Aufgrund dieser personellen Situation ist eine regelrechte psychologische/psychiatrische Versorgung für die große Mehrheit nicht möglich, neben einer basalen Medikation werden die stationären Fälle in öffentlichen Einrichtungen im Wesentlichen „aufbewahrt“. Die Auswahl an Psychopharmaka ist aufgrund der mangelnden Nachfrage sehr begrenzt (VAÖB 23.1.2019). Die WHO schätzt, dass weniger als 10 Prozent der Nigerianer jene psychiatrische Behandlung bekommen, die sie brauchen (AJ 2.10.2019; vergleiche HRW 11.11.2019).
Nach anderen Angaben gibt es insgesamt für die inzwischen annähernd (VAÖB 23.1.2019) 180-200 Millionen (Punch 22.12.2017: 180 Mio; VAÖB 23.1.2019: 200 Mio) Einwohner 100 Hospitäler mit psychiatrischer Abteilung (VAÖB 23.1.2019). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für einen Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000 Naira (ca. 570 Euro). Die Behandlungskosten sind jedoch je nach Schwere der Krankheit unterschiedlich. Zudem ist an diesem Krankenhaus auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 16.1.2020).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 16.1.2020). Nur weniger als sieben Millionen (Punch 22.12.2017) der 180-200 Millionen (Punch 22.12.2017: 180 Mio; VAÖB 23.1.2019: 200 Mio) Einwohner Nigerias sind beim National Health Insurance Scheme leistungsberechtigt (Punch 22.12.2017). Eine Minderheit der erwerbstätigen Bevölkerung ist über das jeweils beschäftigende Unternehmen mittels einer Krankenversicherung abgesichert, die jedoch nicht alle Krankheitsrisiken abdeckt (VAÖB 27.3.2019).
Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 9.2020b). Selbst in staat-lichen Krankenhäusern muss für Behandlungen bezahlt werden (AA 16.1.2020). Die Kosten medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden. Die staatlichen Ge-sundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein (ÖB 10.2019). Eine medizinische Grundversorgung wird über die Ambulanzen der staatlichen Krankenhäuser aufrechterhalten, jedoch ist auch dies nicht völlig kostenlos, in jedem Fall sind Kosten für Medikamente und Heil- und Hilfsmittel von den Patienten zu tragen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (VAÖB 27.3.2019). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 16.1.2020). Gemäß Angaben einer anderen Quelle werden Tests und Medikamente an staatlichen Gesundheitseinrichtungen dann unentgeltlich abgegeben, wenn diese überhaupt verfügbar sind. Religiöse Wohltätigkeitseinrichtungen und NGOs bieten kostenfrei medizinische Versorgung (ÖB 10.2019).
In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten An-tibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 16.1.2020). Medikamente gegen einige weitverbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. Schutzimpfaktionen werden von internationalen Organisationen finanziert, stoßen aber auf religiös und kulturell bedingten Widerstand, überwiegend im muslimischen Norden (ÖB 10.2019).
Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist jedoch zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25% aller verkauften Medikamente). Diese wirken aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt. Es gibt zudem wenig zuverlässige Kontrollen hinsichtlich der Qualität der auf dem Markt erhältlichen Produkte (AA 16.1.2020). Gegen den grassierenden Schwarzmarkt mit Medikamenten gehen staatliche Stellen kaum vor (ÖB 10.2019).
Der Glaube an die Heilkräfte der traditionellen Medizin ist nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher traditionelle Heiler als Schulmediziner konsultiert (GIZ 9.2020b). Gerade im ländlichen Bereich werden „herbalists" und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2019).
In Nigeria gibt es wie in anderen Ländern relativ wenig belegte COVID-19 Infizierte. Dies kann auch damit zusammenhängen, dass vergleichsweise wenig Tests durchgeführt werden (Africa CDC 13.10.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (7.9.2020): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www. auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#c ontent_5 , Zugriff 5.10.2020
• AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019), https://www.ecoi.net/en/file/localy2 025287/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschie berelevante_LageJn_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2019%29 %2C_16.01.2020.pdf, Zugriff 18.11.2020
• AfricaCDC - Africa Centres for Disease Control and Prevention (13.10.2020): Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) - Latest updates on the COVID-19 crisis from Africa CDC, https://africacdc.org/covid-19/, Zugriff 13.10.2020
• AJ - Al Jazeera (2.10.2019): Nigeria has a mental health problem, https://www.aljazeera. com/ajimpact/nigeria-mental-health-problem-191002210913630.html , Zugriff 16.4.2020
• ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ec oi.net/en/file/local/2021612/NIGR_%C3%96B_Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 18.11.2020
• GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020b): Nigeria, Ge-sellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 2.10.2020
• HRW - Human Rights Watch (11.11.2019). Nigeria: People With Mental Health Conditions Chained, Abused, https://www.hrw.org/news/2019/11/11/nigeria-people-mental-health-c onditions-chained-abused , Zugriff 16.4.2020
• Punch (22.12.2017): NHIS: Health insurance still elusive for many Nigerians, https://punc hng.com/nhis-health-insurance-still-elusive-for-many-nigerians/, Zugriff 16.4.2020
• VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (23.1.2019): medizinische Stellungnahme
• VAÖB - Vertrauensarzt der ÖB Abuja (27.3.2019): medizinische Stellungnahme
24 Rückkehr
Letzte Änderung: 15.06.2020
Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumut-barkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Artikel 2, MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vergleiche ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafen-geländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33" nicht zu befürchten (AA 16.1.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2019).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)
• ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria
1.4. Auszug aus dem EASO Country Guidance Nigeria February 2019 betreffend die Verfolgungsgefahr von Mitgliedern der MASSOB und IPOB Bewegung:
Members of separatist movements and individuals perceived as supporting them
This profile focuses on members of the Movement for the Actualization of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) and of the Indigenous People of Biafra (IPOB), the two main groups aiming for the independence of Biafra.
COI summary
[Targeting, 3.3]
MASSOB emerged in the late 1990s. The movement has actively pursued independence by organising rallies, hoisting Biafran flags, using its own identity cards and currency, etc. Although it defines itself as non-violent, the movement has been repeatedly involved in clashes with the police. MASSOB was banned by the Nigeria authorities in 2001. Over the years, police and security agencies have clashed with MASSOB members, arresting and killing many, in particular during manifestations and rallies.
IPOB grew out of MASSOB in 2014. Nowadays, the movement is more active than MASSOB. IPOB’s activities include distribution of flyers, awareness-raising among the population, marches and other gatherings. Despite the fact that the actions of IPOB have been largely non-violent, it was banned by the Nigerian government as a terrorist organisation in September 2017.
The Nigerian authorities tend to respond to MASSOB and IPOB meetings and demonstrations in the same way, including through arbitrary arrests, extrajudicial killings, etc. Clashes between the security forces and IPOB predominantly take place in Anambra, Abia, Rivers, Imo and Delta. Violent incidents mainly occur during meetings, in particular related to the Biafra Day (23th or 30th May, according to the different factions). In one particular incident, which occurred during the celebrations of the Biafra Remembrance Day on 30 May 2016, security forces in Onitsha raided homes the night before the event, and shot at a crowd of around 1 000 people, killing ‘at least’ 60 persons. In the gathering on 23 May 2018 in Rivers state, more than 100 protesters from a MASSOB faction were arrested by the security forces.
Supporting separatist movements, including by displaying Biafra symbols, such as flags and other insignia, may lead to arrest and ill-treatment. Based on the ban on IPOB from 2017, all its activities were declared illegal and can lead to arrest and prosecution. Several members of IPOB have been charged with treason, which is punishable by the death penalty. The government reported having deployed soldiers under special operations to Abia state and Rivers state to tackle ‘violent agitation and kidnapping’.
Risk analysis
The acts to which individuals under this profile could be exposed are of such severe nature that they would amount to persecution (e.g. killing, death penalty, arbitrary arrests).
Not all individuals under this profile would face the level of risk required to establish well-founded fear of persecution. The individual assessment of whether or not there is a reasonable degree of likelihood for the applicant to face persecution should take into account risk-impacting circumstances, such as: level and nature of involvement, visibility of the applicant (e.g. high profile, prior arrest, media appearance), participation in gatherings or manifestations, etc.
Nexus to a reason for persecution
Available information indicates that persecution of this profile is for reasons of (imputed) political opinion.
1.5. Zur aktuell vorliegenden Covid 19 Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80% der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 20% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Sehr schwere oder tödliche Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).
Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen.
Die medizinischen Hauptindikationen sind:
-fortgeschrittene chronische Lungenkrankheiten, welche eine dauerhafte, tägliche, duale Medikation benötigen
-chronische Herzerkrankungen mit Endorganschaden, die dauerhaft therapiebedürftig sind, wie ischämische Herzerkrankungen sowie Herzinsuffizienzen
-aktive Krebserkrankungen mit einer jeweils innerhalb der letzten sechs Monate erfolgten onkologischen Pharmakotherapie (Chemotherapie, Biologika) und/oder einer erfolgten Strahlentherapie sowie metastasierende Krebserkrankungen auch ohne laufende Therapie
-Erkrankungen, die mit einer Immunsuppression behandelt werden müssen
-fortgeschrittene chronische Nierenerkrankungen
-chronische Lebererkrankungen mit Organumbau und dekompensierter Leberzirrhose ab Childs-Stadium B
-ausgeprägte Adipositas ab dem Adipositas Grad römisch III mit einem BMI >= 40
-Diabetes mellitus
-arterielle Hypertonie mit bestehenden Endorganschäden, insbesondere chronische Herz- oder Niereninsuffizienz, oder nicht kontrollierbarer Blutdruckeinstellung.
Diese medizinischen Hauptindikationen werden in der Verordnung weiter unterteilt und genau beschrieben (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html).
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria mit Stand 23.11.2020.
Ergänzend wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung und der Sozialversicherungsdatenbank eingeholt.
Der oben unter Punkt römisch eins. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Herkunft, seinem Bildungs- und Berufswerdegang, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Ausreise aus Nigeria sowie zum Beginn seines Aufenthalts in Österreich gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung, niederschriftlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung.
Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.
Dass der Beschwerdeführer an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet und arbeitsfähig ist, basiert auf seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen in der niederschriftlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung. Im Juli 2017 litt er an einer chronischen Analfissur und bekam deswegen ein Rezept für ein Abführmittel und eine Salbe mit Vaseline vergleiche dazu den vorgelegten Bericht des Krankenhauses römisch 40 über die am 14.07.2017 durchgeführte Coloskopie, AS 429). Dabei handelt es sich aber um keine gravierende gesundheitliche Beeinträchtigung. Ebenfalls lässt sich aus der Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, Blut im Urin zu haben, kein Rückkehrhindernis oder eine schwerwiegende Erkrankung ableiten. Aktuelle medizinische Unterlagen, die zum Entscheidungszeitpunkt eine Erkrankung bescheinigen würden, wurden nicht vorgelegt.
Auf seine Angaben in der Erstbefragung am 06.07.2016 und auf die in der Niederschrift der Erstbefragung ersichtlichen EURODAC Treffer gründen sich die Feststellungen zu seinen Aufenthalten in anderen europäischen Ländern und zu seinen gestellten Asylanträgen in den Mitgliedstaaten.
Die Feststellungen, dass er derzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und Leistungen aus der der Grundversorgung bezieht, ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 15.09.2021 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Aus dem eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug vom 15.09.2021 ergibt sich die Feststellung zu seinen geringfügigen Beschäftigungen.
Auf die im Verfahren in Vorlage gebrachten Unterlagen gehen die Feststellungen zu seinen gesetzten Integrationsschritten, seiner Tätigkeit als Zeitungsverkäufer und seinem ehrenamtlichen Engagement zurück (Schreiben der Zeitung römisch 40 vom 24.08.2021, Teilnahmebestätigung für den Werte und Orientierungskurs am 12.12.2017, Zeugnis zur Integrationsprüfung A1 vom 08.02.2019, Bestätigungen des Tennisplatzes römisch 40 für die geleisteten ehrenamtlichen Tätigkeiten.
Die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Unterlegen dokumentieren allerdings keinen maßgeblichen Grad an Integration. Mangels vorgelegter Deutschzertifikate konnte er keine hinreichenden Deutschkenntnisse (mindestens Niveau B1) nachweisen und er geht keiner der Pflichtversicherung unterliegenden Erwerbstätigkeit nach. Er war zwar geringfügig beschäftigt und engagierte sich ehrenamtlich, dies jedoch nur für kurze Zeit. Seine Tätigkeit als Zeitungsverkäufer zeigt zudem keine Verfestigung am österreichischen Arbeitsmarkt auf.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 15.09.2021.
2.3. Zu den Fluchtgründen und zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer begründete seinen Asylantrag in der Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme zusammengefasst damit, persönlich verfolgt zu werden, weil er Mitglied der MASSOB-Bewegung sei.
Im angefochtenen Bescheid führte das Bundesamt im Wesentlichen begründend aus, dass sich die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung in Nigeria aus seinem Vorbringen nicht ableiten ließe. Seine Schilderungen hinsichtlich des Ablaufs der Flucht seien ein Konstrukt gewesen und als nicht glaubhaft einzustufen. Er habe zunächst nur sehr allgemeine Ausführungen zu seinen Gründen für das Verlassen seines Heimatlandes getätigt und aus seinem Vorbringen sei keine aktuelle oder persönliche Bedrohung oder Verfolgung vorgekommen. Zudem gehe aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 14.01.2015 hervor, dass normale beziehungsweise anonyme Sympathisanten von MASSOB nicht die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich ziehen würden.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Ausführungen des Bundesamtes größtenteils an und geht aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes davon aus, dass das in der Erstbefragung und niederschriftlichen Einvernahme erstattete Fluchtvorbringen nicht glaubhaft ist.
Wenngleich der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme gewisse Grundkenntnisse im Hinblick auf die MASSOB-Bewegung zu demonstrieren vermochte und beispielsweise das Ziel, den Gedenktag oder die Bedeutung des Namens MASSOB angeben konnte (Protokoll vom 15.09.2017, Sitzung 5), reicht das bloße Wiedergeben von Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen und die bloße Behauptung, Mitglied von MASSOB zu sein, noch nicht für die Glaubhaftmachung seines Vorbringens aus.
Hingegen spricht der Umstand, dass der Beschwerdeführer erst im Dezember 2008 ausgereist ist, obwohl die nigerianische Regierung seinen Angaben zufolge bereits im März 2006 den Befehl ausgegeben habe, alle Biafras zu verhaften, und in Onitsha MASSOB Mitglieder mit bewaffneten Panzern getötet worden seien (Protokoll vom 15.09.2017, Sitzung 5), gegen eine Verfolgung und gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Eine Person, die - wie der Beschwerdeführer von sich behauptet - befürchtet, getötet zu werden, wäre nicht noch über 2 Jahre lang bzw. für einen derart relativ längeren Zeitraum weiter in seinem Herkunftsstaat geblieben. Er konnte auch nicht nachvollziehbar erklären, warum er mit seiner Ausreise so lange gewartet hat.
Außerdem brachte der Beschwerdeführer in der Erstbefragung zwar vor, von der nigerianischen Regierung persönlich verfolgt worden zu sein (Protokoll vom 06.07.2016, Sitzung 5), aus seinem Vorbringen in der niederschriftlichen Einvernahme lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass er persönlich jemals Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen ausgesetzt war. Er berichtete lediglich, sich im September 2008 dazu entschlossen zu haben, auszureisen, weil zwei Mitglieder in Enugu State getötet worden seien und die ganze Biafra Gruppe verfolgt werde (Protokoll vom 15.09.2017, Sitzung 5, 6), wobei er sich insoweit widersprach als er einerseits aussagte, die 2 Mitglieder in Enugu seien getötet worden, andererseits aber auch angab, sie seien verhaftet worden und er wisse nicht, ob sie sich noch im Gefängnis befinden oder tot seien (Protokoll vom 15.09.2017, Sitzung 6).
Ferner waren die Aussagen des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme zu seinen Aktivitäten oder sein Engagement für die MASSOB-Bewegung in Nigeria allgemein gehalten. Aus seinen Angaben, seine Aufgabe sei es gewesen, hereinkommende Nachrichten an die Leute zu übermitteln, sie hätten um die Freiheit gekämpft und er sei nicht in der Politik tätig gewesen (Protokoll vom 15.09.2017, Sitzung 4, 5), kann nicht geschlossen werden, dass er in Nigeria an problematischen Demonstrationen teilgenommen und oder sich in der Öffentlichkeit derart exponiert hätte, dass er eine Verfolgung zu befürchten hat.
Sein in der Erstbefragung und niederschriftlichen Einvernahme erstattetes Vorbringen ist daher nicht glaubhaft. Zudem liegt die Ausreise des Beschwerdeführers mittlerweile über 10 Jahre zurück und er ist nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung seit dem Jahr 2015 kein Mitglied mehr von MASSOB, weshalb vor diesem Hintergrund auf keine gegenwärtige Gefahr für den Beschwerdeführer wegen der behaupteten Mitgliedschaft bei MASSOB im Falle einer jetzigen Rückkehr geschlossen werden kann. Auch aus seinen vagen Aussagen in der Beschwerde, Mitglied des Southern Cameroons National Council (SCNC) mit Sitz in Deutschland zu sein und sich für den SCNC betätigt zu haben, als er in Kamerun gewesen sei, zeigt keine individuelle Verfolgungsgefahr in Nigeria auf. Die bloß allgemein in den Raum gestellte Behauptung, Mitglied des SCNC zu sein, ohne nähere Begründung, warum die Mitgliedschaft eine Bedrohung für ihn in Nigeria darstellen sollte und welche konkreten Aktivitäten er für den SCNC gesetzt hat, reicht nicht aus, um die Gefahr einer Verfolgung glaubhaft zu machen.
In der mündlichen Verhandlung distanzierte sich der Beschwerdeführer von MASSOB und gab an, 2015 zu den IPOB gewechselt zu sein und sich aktiv zu engagieren, indem er dabei helfe Proteste und Demonstrationen zu organisieren und daran auch teilnehme (Protokoll vom 06.09.2021, Sitzung 8).
Das Bundesverwaltungsgericht schließt nicht aus, dass der Beschwerdeführer ein gewisses Interesse an der Unabhängigkeit Biafras hat und sich für diese engagiert. Seine Angaben zu Demonstrationen und Aktivitäten in Österreich wirkten detailliert, so konnte er in der Verhandlung diesbezügliche Daten nennen und Fotos in Vorlage bringen, die ihn auf diversen Treffen und jedenfalls auf einer Demo zeigen, wo mehrere Personen mit Flaggen von Biafra zu sehen sind.
Auch wenn der Beschwerdeführer tatsächlich in Österreich tatsächlich Treffen organisiert und an Demonstrationen für die Unabhängigkeit von Biafra teilgenommen hat, kann durch diesen Umstand noch nicht darauf geschlossen werden, dass er im Falle einer Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen des nigerianischen Staates rechnen müsste. Bei der Beurteilung der Gefährdungssituation für Rückkehrer kommt es nämlich maßgeblich darauf an, ob ein Asylwerber aufgrund von exilpolitischen Aktivitäten ins Blickfeld der Behörden seines Herkunftsstaates fällt. Diese Gefahr ist im konkreten Fall des Beschwerdeführers nicht gegeben. Die Mitgliedschaft bei MASSOB oder IPOB führt nicht automatisch zu einer aktuellen Verfolgungsgefahr in Nigeria. Nicht jedes Mitglied dieser Bewegungen hat in Nigeria Verfolgungshandlungen des Staates zu befürchten. Es müssen risikobeeinflussende Umstände wie beispielsweise der Grad der Involvierung, der Bekanntheitsgrad eines Mitglieds, die Teilnahme an Demonstrationen sowie Treffen oder Medienauftritte berücksichtigt werden. Einfache, niederrangige Mitglieder bzw. normale und unbekannte Sympathisanten der IPOB Bewegung ziehen in der Regel nicht die Aufmerksamkeit der nigerianischen Polizei auf sich.
Es steht fest, dass der Beschwerdeführer keine höherrangige Funktion im Apparat der MASSOB eingenommen hat und auch derzeit bei der IPOB nicht einnimmt. Die Fotos, die den Beschwerdeführer bei Veranstaltungen zur Unabhängigkeit von Biafra zeigen, zeichnen den Beschwerdeführer ebenfalls nicht als höherrangigen Aktivisten aus, welcher im Fokus der nigerianischen Regierung stehen könnte. Er ist als nicht politisch exponierte Person öffentlichen Interesses anzusehen. Durch die schlichte Teilnahme an einer oder mehreren öffentlichen Demonstrationen in Österreich mit zahlreichen Teilnehmern sowie an sonstigen Treffen im kleinen Kreis hebt sich der Beschwerdeführer mit der Art und Weise seiner exilpolitischen Betätigung in der Öffentlichkeit in keiner Weise derart in den Vordergrund, sodass bei lebensnaher Betrachtung nicht davon ausgegangen werden kann, dass seine gesetzten Verhaltensweisen in Österreich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungshandlungen gegenüber seiner Person in Nigeria führen.
Einfache Mitglieder von IPOB, MASSOB und anderen sezessionistischen Organisationen der Biafra-Unabhängigkeitsbewegung, die an politischen Demonstrationen oder Kundgebungen teilnehmen, sind lediglich einem moderaten Risiko ausgesetzt, von staatlicher Gewalt betroffen zu sein (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.12.2020): DFAT Country Information Report Nigeria).
Im Allgemeinen ist es unwahrscheinlich, dass niederrangige Anhänger oder Sympathisanten von IPOB, MASSOB und kleineren Pro-Biafra-Gruppierungen allein aufgrund dieser Mitgliedschaft für die nigerianische Regierung von Interesse sind. Das Risiko einer willkürlichen Verhaftung, Diskriminierung, Gewalt oder Belästigung durch Sicherheitskräfte ist jedoch im Rahmen von Demonstrationen oder Versammlungen, Protestaktivitäten oder der Teilnahme an den jährlichen Veranstaltungen zum Biafra-Gedenktag erhöht (UK Home Office: Country Policy and Information Note Nigeria (4.2020): Biafran separatists).
Soweit die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vorbringt, nur eine Minderheit der Asylwerber würde sich in Österreich exilpolitisch sehr aktiv betätigen und es sei anzunehmen, dass die nigerianische Botschaft derartige Aktivitäten, Versammlungen und Demonstrationen genau beobachte, ist zu entgegnen, dass die IPOB Bewegung als relativ unbedeutende Randgruppe angesehen wird und IPOB derzeit in Nigeria nicht sehr aktiv ist. Zudem liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor. Vor diesem Hintergrund ist es nicht glaubhaft, dass die nigerianische Botschaft die Aktivitäten von einfachen Mitgliedern unbedeutender Randgruppen im Ausland genau verfolgt.
Insgesamt konnte der Beschwerdeführer daher nicht glaubhaft machen, dass ihm in Nigeria aufgrund seiner politischen Gesinnung für die Unabhängigkeit Biafras eine Verfolgung droht.
2.4. Zum Herkunftsstaat und zur Covid 19 Pandemie:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 23.11.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen. In der mündlichen Verhandlung brachte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vor, dass das Länderinformationsblatt vom 23.11.2020 nicht mehr ganz aktuell sei und der Anführer der IPOB von Kenia nach Nigeria ausgeliefert worden sei und sich in Haft befinde, wobei es auch letzthin einen Tweet des Präsidenten BUHARI auf Twitter gegeben habe, in dem der Präsident die Separatistengruppen bedroht habe. Mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ergeben sich aus der Verhaftung des Anführers der IPOB jedoch keine entscheidungswesentlichen Änderungen, die den Beschwerdeführer individuell betreffen würden.
Trotz der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine entscheidungswesentlichen Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen.
Die Feststellungen zur Covid-19 Pandemie und die ergänzenden Informationen zur Verfolgungsgefahr von Mitgliedern der MASSOB und IPOB Bewegung in Nigeria ergeben sich aus den zitierten Quellen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Absch A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Artikel eins, Absch A Ziffer 2, GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Artikel eins, Absch A Ziffer 2, GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, im Falle einer Rückkehr nach Nigeria aufgrund seiner Unterstützung für die Unabhängigkeit Biafras umgebracht zu werden, ist nicht glaubhaft, vor allem im Zusammenhang mit der behaupteten Mitgliedschaft bei MASSOB.
Der Beschwerdeführer distanzierte sich in der mündlichen Verhandlung von MASSOB und behauptet nunmehr, der Bewegung IPOB anzugehören. Wie bereits dargelegt ist aber nicht davon auszugehen, dass ein niederschwelliges Engagement für die Unabhängigkeit Biafras zu einer Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung führen würde. Wie aus den Länderfeststellungen hervorgeht, wurden immer wieder Mitglieder von IPOB verhaftet und kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der IPOB, die durch die nigerianische Regierung als terroristisch eingestuft wurden, und den nigerianischen Sicherheitskräften. Die nigerianische Polizei geht in der Regel mit Verhaftungen gegen AnhängerInnen von IPOB vor, allerdings handelte es sich grundsätzlich vorrangig um höherrangige Mitglieder der Bewegung. Das niederschwellige exilpolitische Engagement und die schlichte Teilnahme des Beschwerdeführers an Demonstrationen und Treffen in Österreich vermag eine Verfolgung im Falle einer Rückkehr nach Nigeria nicht glaubhaft zu machen.
Voraussetzung der Asylgewährung ist, dass eine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 24.11.1999, 99/01/0280). Dies ist gegenständlich - wie in der Beweiswürdigung dargelegt - nicht gegeben.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage
Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Artikel 3, EMRK verstoßenden Behandlung droht vergleiche VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Artikel 3, EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Artikel 3, EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen vergleiche VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Dem Beschwerdeführer droht in Nigeria keine asylrelevante Verfolgung und dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3, EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, weitgehend gesund und arbeitsfähig. Auch wenn der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben seit über 10 Jahren nicht mehr in Nigeria aufhältig war und über keinen Familienverband verfügt, gibt es keine Hinweise darauf, dass er in seinem Herkunftsstaat in eine existentielle Notlage geraten würde und eine Wiederansiedelung nicht in Betracht käme. Er besuchte mehrere Jahre eine Grundschule und verfügt über eine Ausbildung für die berufliche Tätigkeit als Automechaniker und Elektriker. Zudem führt er seine eigene Werkstätte. Somit ist er in der Lage, in Nigeria einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern.
Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Nigeria nicht in seinem Recht gemäß Artikel 3, EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Nigeria besser gestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Nigeria, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Artikel 2, oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe besteht.
Des Weiteren ergeben sich angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf den Beschwerdeführer. Dass er derzeit an einer COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei volljährigen Männern ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 in der Regel überwiegend symptomlos oder mit nur geringen Symptomen. Die Sterblichkeitsrate ist sehr gering und in einigen Städten Nigerias wird eine dem westlichen Standard entsprechende medizinische Behandlung angeboten. Es fehlt daher auch vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie fallgegenständlich an den geforderten außergewöhnlichen Umständen iSd Artikel 3, EMRK.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes römisch II. des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG abzuweisen war.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III. erster Satz des angefochtenen Bescheides):
3.3.1. Rechtslage
Gemäß Paragraph 58, Absatz eins, AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Ziffer 2,) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Ziffer 5,). Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 55, AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraphen 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (Paragraph 58, Absatz 3, AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der Paragraphen 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vergleiche VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG war daher nicht zu erteilen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes römisch III. erster Satz des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 57, AsylG, abzuweisen war.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch III. zweiter Satz des angefochtenen Bescheides):
3.4.1. Rechtslage
Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß Paragraph 52, Absatz eins, Ziffer eins, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß Paragraph 9, Absatz eins, BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere die in Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall
Zu prüfen ist, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Artikel 8, EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach Paragraph 55, AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Artikel 8, EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:
Bei der Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Artikel 8, EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nehmen die persönlichen Interessen des Fremden an seinem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer seines bisherigen Aufenthalts zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren vergleiche VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001).
Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 05.07.2016 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung zwar eine gewisse, auch auf – dem Beschwerdeführer nicht zuzurechnende – Verzögerungen zurückgehende Dauer. Der andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb er während der gesamten Daher des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.
Das Gewicht seiner privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war vergleiche VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov).
Allein auf die Dauer seines Aufenthaltes im Inland kann noch nicht das Überwiegen seiner persönlichen Interessen gestützt werden. Es fehlen Integrationsmerkmale, aus denen sich die Existenz gewisser in einem Zeitraum eines rund 5-jährigen Aufenthaltes entstandener – unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevanter – Bindungen allenfalls hätte ergeben können, wie etwa die Eingliederung am österreichischen Arbeitsmarkt, die Selbsterhaltungsfähigkeit oder der Erwerb von maßgeblichen Sprachkenntnissen. Es liegen keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer einen tiefgreifenden Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde.
Der Beschwerdeführer führt keine Lebensgemeinschaft oder eine „familienähnliche“ Beziehung in Österreich und seine Integrationsschritte erreichten nicht ein Ausmaß, um von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Abstand nehmen zu können. Er hat zwar gemeinnützige Leistungen erbracht und war geringfügig beschäftigt, dies jedoch nur für kurze Zeit. Seine Tätigkeit als Zeitungsverkäufer zeigt keine Eingliederung am österreichischen Arbeitsmarkt auf, aber er bezieht laufend Leistungen aus der Grundversorgung. Mit der abgelegten Integrationsprüfung A1 konnte er keine maßgeblichen Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen. Beim Sprachniveau A1 handelt es sich bloß um geringfügige Sprachkenntnisse.
Umstände, die eine Integration von maßgeblicher Intensität begründen könnten, liegen im konkreten Fall nicht vor.
Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und knapp den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen.
Dem bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Dazu zählt das öffentliche Interesse, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Artikel 8, Absatz 2, EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt vergleiche zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.
Ebenso wenig vermag die strafgerichtliche Unbescholtenheit seine persönlichen Interessen entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Paragraph 55, AsylG nicht in Betracht kommt.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG und Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Artikel 8, EMRK, vergleiche Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes römisch III. zweiter Satz des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG und Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG abzuweisen war.
3.5. Zum Ausspruch, dass die Ausweisung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt römisch III. dritter Satz des angefochtenen Bescheides):
3.5.1. Rechtslage
Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß Paragraph 50, Absatz 2, FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach Paragraph 50, Absatz 3, FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall
Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß Paragraph 50, Absatz eins, FPG unzulässig wäre.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach Paragraph 8, Absatz eins, AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach Paragraph 52, Absatz 9, FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen vergleiche dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des Paragraph 50, Absatz 2, FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt. Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.
Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria erfolgte daher zu Recht. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes römisch III. dritter Satz des angefochtenen Bescheides gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 52, Absatz 9, FPG abzuweisen war.
3.6. Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides):
Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus Paragraph 55, Absatz 2, erster Satz FPG. Besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörigen bzw. der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, sind nicht hervorgekommen. Daher setzte das Bundesamt zu Recht die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen fest.
Die Beschwerde erweist sich daher auch insoweit als unbegründet, als sie sich gegen den Ausspruch über die Frist zur freiwilligen Ausreise wendet und war daher gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 55, FPG abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Fluchtgründen oder zur (Nicht-) Zuerkennung subsidiären Schutzes an einen jungen, arbeitsfähigen Mann, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
ECLI:AT:BVWG:2021:I411.2173500.1.00