Bundesverwaltungsgericht
24.06.2021
W274 2240807-1
W274 2240807-1/4Z
Teilerkenntnis
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. LUGHOFER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Prof. KommR POLLIRER und Dr. GOGOLA als Beisitzer über die Säumnisbeschwerde des römisch 40 , geb. am römisch 40 , römisch 40 , vom 19.10.2020 infolge Beschwerde an die Datenschutzbehörde, Barichgasse 40 – 42, 1030 Wien, vom 04.09.2018, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht:
Der Säumnisbeschwerde wird Folge gegeben und der Datenschutzbehörde gemäß Paragraph 28, Absatz 7, VwGVG der Auftrag erteilt, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung folgender Rechtsanschauung binnen acht Wochen zu erlassen:
Für die Beurteilung, ob der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Auskunft verletzt ist, ist zu erheben, ob es sich beim zweiten Auskunftsbegehren um ein neues Auskunftsbegehren oder eine unveränderte Wiederholung des bereits gestellten Auskunftsbegehrens (inhaltlich gleiches Begehren von unveränderter E-Mailadresse aus) handelt.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Mit E-Mail vom 31.07.2018 wandte sich römisch 40 (im Folgenden: Beschwerdeführer, BF) unter römisch 40 an das elektronische Postfach ( römisch 40 ) der römisch 40 , Italien, und stellte unter Berufung auf Artikel 15, DSGVO einen Antrag auf „Auskunft über seine personenbezogenen Daten“:
Da: römisch 40 [ römisch 40 @outlook.at]
Inviato: martedì 31 luglio 2018 19:35
A: römisch 40
Oggetto: Antrag auf Auskunft gemäß DSGVO
Sehr geehrte Damen und Herren!
Hiermit stelle ich gemäß Artikel , Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, DSGVO) einen Antrag auf Auskunft über meine personenbezogenen Daten. Bitte informieren Sie mich über folgende Punkte:
Artikel 15, DSGVO Auskunftsrecht der betroffenen Person
(1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:
a) die Verarbeitungszwecke;
[…]
2. Mit E-Mail vom 01.08.2018 teilte die römisch 40 dem BF Folgendes mit:
Von: römisch 40 < römisch 40 >
Gesendet: Mittwoch, 1. August 2018 18:35
An: römisch 40 < römisch 40 @outlook.at>
Betreff: RE: Antrag auf Auskunft gemäß DSGVO
„Dear Mr. römisch 40 ,
We would like to thank you for you mail of 31st July 2018 enquiring as to what information we hold about you and how it is used.
We have checked our records and have found no records that correspond to the name römisch 40 combined with the email adress of römisch 40 @outlook.at.
römisch eins f you believe that we may hold information about you where your name is combined to another email adress, please re-send us your mail from that other address, and we will check again.
King regards“
3. Am 01.08.2018 sendete der BF – unter bislang nicht feststellbarer Mailadresse – an die römisch 40 folgendes E-Mail:
Von: römisch 40
Gesendet: Mittwoch, 1. August 2018 21:49
An: römisch 40
Betreff: AW: Antrag auf Auskunft gemäß DSGVO
„Sehr geehrte Damen und Herren,
danke für Ihre rasche Antwort. Gerne übermittle ich Ihnen nochmals die Anfrage auf Auskunft.
Mit freundlichen Grüßen
römisch 40 “
4. Mit E-Mail vom 04.09.2018 erhob der BF – nunmehr unter Verwendung der Adresse „ römisch 40 @kabsi.at“ – gemäß Artikel 77, DSGVO Beschwerde an die Datenschutzbehörde (im Folgenden: belangte Behörde) wegen Verletzung seines Rechts auf Auskunft gemäß Artikel 15, DSGVO und führte begründend aus, der Verantwortliche ( römisch 40 ) habe auf seine letzte Nachricht im Laufe ihrer Konversation vom 01.08.2018 ein Monat lang nicht reagiert. Er beantrage daher, dass die belangte Behörde eine Verletzung seiner Rechte feststelle.
5. Am 19.10.2020, eingelangt am 22.10.2020, erhob der BF Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und stützte diese auf eine Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde nach Paragraph 73, AVG.
6. Am 18.03.2021, eingelangt am 26.03.2021, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde unter Anschluss der Verwaltungsakten vor. In ihrer diesbezüglichen Stellungnahme führte sie (ohne nähere Begründung) aus, dass die Säumnisbeschwerde berechtigt sei.
Das Bundesverwaltungsgericht legt seiner Entscheidung den soeben wiedergegebenen Verfahrensgang zugrunde und stellt darüber hinaus ergänzend fest:
Nicht festgestellt werden konnte, von welcher E-Mail-Adresse das zweite Mail des BF (vom 01.08.2018) an den Verantwortlichen ( römisch 40 ) gesandt wurde.
Der wiedergegebene Verfahrensgang beruht auf dem Akteninhalt und ist überdies unstrittig.
Zur Negativfeststellung betreffend die Versandadresse des zweiten E-Mails des BF:
Aus dem Ausdruck des E-Mails ist nur der Versendername, jedoch nicht die Versandadresse erkennbar:
Von: römisch 40
Gesendet: Mittwoch, 1. August 2018 21:49
An: römisch 40
Betreff: AW: Antrag auf Auskunft gemäß DSGVO
„Sehr geehrte Damen und Herren,
danke für Ihre rasche Antwort. Gerne übermittle ich Ihnen nochmals die Anfrage auf Auskunft.
Mit freundlichen Grüßen
römisch 40 “
Da der BF in weiterer Folge unter Verwendung der E-Mail Adresse „ römisch 40 @kabsi.at“ Beschwerde bei der belangte Behörde erhob, erscheint es durchaus möglich, dass er auch zuvor seine zweite Anfrage auf Auskunft unter Verwendung dieser Mailadresse gestellt hatte. Auch die Vorkorrespondenz mit der römisch 40 deutet in diese Richtung, zumal die römisch 40 den BF zuvor aufgefordert hatte, dass er – sofern er glaube, dass unter seinem Namen in Kombination mit einer anderen Mailadresse Daten gespeichert seien – seine Anfrage nochmals von dieser anderen Mailadresse senden möge. Da der BF in Folge sein Auskunftsbegehren wiederholte („Gerne übermittle ich Ihnen nochmals die Anfrage auf Auskunft“) erscheint es naheliegend, dass er dieses mit einer anderen E-Mail Adresse als das erste Auskunftsbegehren – allenfalls mit römisch 40 @kabsi.at – stellte.
Eine diesbezügliche Feststellung war jedoch aufgrund der mangelnden Erkennbarkeit der Versandmailadresse nicht möglich.
Rechtlich folgt:
3.1. Zur Säumnisbeschwerde
3.1.1. Zur Zulässigkeit
3.1.1.1. Gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer 3, B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungsfrist durch eine Verwaltungsbehörde.
Gemäß Paragraph 73, Absatz eins, AVG sind Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (Paragraph 8,) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer 3, B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
3.1.1.2. Weder die DSGVO noch das Datenschutzgesetz (DSG) (siehe Paragraphen 24 und 27 DSG sowie Artikel 78, DSGVO) sehen besondere bzw. vom AVG abweichende Entscheidungsfristen vor, sodass von einer Entscheidungsfrist von sechs Monaten auszugehen ist.
Die erhobene Beschwerde nach Artikel 77, DSGVO ist als „Antrag“ im Sinne des Paragraph 8, AVG zu qualifizieren, weil diese durch die belangte Behörde mit Bescheid zu erledigen gewesen wäre. Der BF brachte am 04.09.2018 bei der belangten Behörde eine Beschwerde nach Artikel 77, DSGVO ein; am 19.10.2020 erhob er Säumnisbeschwerde. Seit Einbringung der Beschwerde sind somit über zwei Jahre vergangen, ohne dass eine Entscheidung durch die belangte Behörde erfolgte. Die belangte Behörde hat demnach ihre Entscheidungspflicht verletzt, weshalb die Säumnisbeschwerde zulässig ist.
3.1.2. Zur Berechtigung
3.1.2.1. Eine Säumnisbeschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist (Paragraph 8, Absatz eins, VwGVG). Der Begriff des „überwiegenden Verschuldens der Behörde“ ist nicht im Sinne eines Verschuldens der Organwalter der Behörde zu verstehen, sondern insofern „objektiv“, als ein solches anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht Rz 638).
3.1.2.2. Die belangte Behörde führte im Zuge der Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Säumnisbeschwerde berechtigt sei (ohne dies näher zu begründen). Da für das Bundesverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte hervorkamen, dass den BF ein „Verschulden“ an der Verzögerung träfe bzw. die belangte Behörde aufgrund unüberwindlicher Hindernisse an der Entscheidung gehindert gewesen wäre – die belangte Behörde geht selbst davon aus, dass die Beschwerde berechtigt sei – ist von einem überwiegenden Verschulden der belangten Behörde an der Verzögerung auszugehen. Die Säumnisbeschwerde ist demnach berechtigt.
3.2. Zur Datenschutzbeschwerde bzw. Beschwerde wegen Verletzung im Recht auf Auskunft
3.2.1. Gemäß Paragraph 28, Absatz 7, Satz 1 VwGVG kann das Verwaltungsgericht im Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer 3, B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen („Teilerkenntnis“ oder „Rahmenentscheidung“). Die Erlassung eines „Teilerkenntnisses“ kommt vor allem dann in Betracht, wenn neben der Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen auch noch der Sachverhalt weiter klärungsbedürftig ist (siehe näher VwGH 04.07.2016,
Ra 2014/04/0015).
Gemäß Artikel 15, Absatz eins, DSGVO hat eine betroffene Person das Recht, von den Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf weitere in Artikel 15, Absatz eins, DSGVO aufgezählte Informationen. Die Auskunft ist unverzüglich, jedenfalls aber innerhalb eines Monats nach Eingang eines Antrags zur Verfügung zu stellen, wobei die Frist um weitere zwei Monate verlängert werden kann, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist (Artikel 12, Absatz 3, DSGVO)
Unmittelbare Rechtsfolge eines Auskunftsantrags ist die Pflicht des Verantwortlichen, Auskunft zu erteilen. Verarbeitet der Verantwortlichen keine Daten (mehr), ist er gemäß Artikel 15, Absatz eins, HS 1 DSGVO zu einer Negativauskunft verpflichtet. Verarbeitet der Verantwortliche Daten der betroffenen Person, so hat er Auskunft über die konkreten Ausprägungen samt den Zusatzinformationen zu erteilen, sowie eine Kopie der Daten selbst auszuhändigen (Haidinger in Knyrim, DatKomm Artikel 15, DSGVO Rz 26 f [Stand 1.1.2018, www.rdb.at]).
3.2.2. Wie festgestellt, brachte die römisch 40 in ihrer Datenauskunft zum Ausdruck, dass sie unter dem Namen römisch 40 in Kombination mit der E-Mail Adresse „ römisch 40 @outlook.at“ keine Daten führt. Weiters wies sie den BF darauf hin, dass möglicherweise in Kombination mit einer anderen Mailadresse Datensätze gefunden werden könnten. Da bislang nicht hervorkam mit welcher Mailadresse das zweite Auskunftsersuchen erfolgte, bedarf es diesbezüglicher Erhebungen.
Die belangte Behörde hat es unterlassen – trotz Beschwerdeanhängigkeit seit September 2018 – diesbezügliche Erhebungen zu tätigen.
Die belangte Behörde wird daher Erhebungen zu tätigen und zu klären haben, ob es sich beim zweiten Auskunftsbegehren des BF um eine neue Anfrage auf Auskunft handelt oder diese eine unveränderte Wiederholung der ersten Auskunftsanfrage darstellt.
Im ersteren Fall wäre eine Auskunftserteilung bzw. Reaktionspflicht der römisch 40 erforderlich gewesen und die römisch 40 wird in weiterer Folge ins Verfahren einzubeziehen sein.
Im Fall einer unveränderten Wiederholung der Anfrage hätte die römisch 40 ihre Auskunftsverpflichtung bereits erfüllt, zumal bei einer Negativauskunft im Fall einer unveränderten Nachfrage keine neuerliche Auskunftsverpflichtung besteht.
Das Verfahren war daher mit dem Auftrag an die belangte Behörde zurückzuverweisen, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die aufgezeigte Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts binnen acht Wochen nachzuholen.
3.3. Eine mündliche Verhandlung konnte entfallen, zumal Paragraph 28, Absatz 7, VwGVG dem Verwaltungsgericht ermöglicht, ohne Durchführung eines umfassenden Ermittlungsverfahrens die wesentlichen für die Lösung des Falles maßgeblichen Rechtsfragen zu entscheiden vergleiche VwGH 28.05.2015, Ro 2015/22/0017).
3.4. Die Revision ist nicht zulässig, weil eine Einzelfallentscheidung vorliegt und keine Rechtsfragen der in Artikel 133, Absatz 4, B-VG genannten Qualität zu lösen war.
ECLI:AT:BVWG:2021:W274.2240807.1.00