Bundesverwaltungsgericht
04.06.2021
W251 2214514-1
W251 2214514-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2019, Zl. 1116836006-160756245, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am 30.05.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Antragsstellung minderjährig.
2. Am nächsten Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass sein Volk „Midgan“ in Somalia eine Minderheit sei und er dort nicht leben könne. Er werde wie ein Zigeuner behandelt. Das Leben sei sehr schwer für ihn. Er dürfe dort mit niemand anderem Kontakt haben.
3. Am 10.04.2018 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Der Beschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass er aufgrund seiner Clanzugehörigkeit in Somaliland diskriminiert worden sei. Man könne nicht leben, wie man wolle. Man könne sich mit Mitgliedern anderer Clans nicht unterhalten oder etwas unternehmen.
4. Am 01.10.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut durch das Bundesamt einvernommen. Ihm wurde das Ergebnis der Anfrage an die Staatendokumentation zu seinen Clanangaben vorgehalten.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt römisch eins. und römisch II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkte römisch IV. und römisch fünf.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).
Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
6. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass das mangelhafte Wissen des Beschwerdeführers über seine Clanzugehörigkeit als Indiz für die Glaubhaftigkeit der Minderheitenangehörigeneigenschaft gewertet werden müsse. Bei richtiger Würdigung hätte das Bundesamt zu einer anderslautenden Entscheidung gelangen müssen.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.04.2021 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch.
römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Er ist somalischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Somali als Muttersprache (AS 1, 130; Verhandlungsprotokoll vom 29.04.2021 = VP Sitzung 6). Er ist ledig und hat keine Kinder (VP Sitzung 8).
1.1.2. Der Beschwerdeführer ist nicht Angehöriger des Clans der Gabooye oder eines anderen Minderheitenclans. Es kann nicht festgestellt werden, welchem Clan der Beschwerdeführer tatsächlich angehört. Er ist Angehöriger eines Mehrheitsclans.
1.1.3. Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt Hargeysa geboren und ist dort aufgewachsen (AS 1, 130; VP Sitzung 6).
1.1.4. Die Familie des Beschwerdeführers und ein Onkel väterlicherseits leben nach wie vor in einem Haus in Hargeysa. Ein Onkel mütterlicherseits lebt etwas außerhalb von Hargeysa (AS 132). Der Beschwerdeführer hat nach wie vor Kontakt zu seinen Familienangehörigen sowie Freunden und Bekannten in Hargeysa.
1.1.5. Der Beschwerdeführer besuchte im Herkunftsstaat mehrere Jahre die Schule. Der Beschwerdeführer hat keine Berufsausbildung. Er hat keine Berufserfahrung im Herkunftsstaat (AS 1, 131; VP Sitzung 8).
1.1.6. Der Beschwerdeführer reiste im März 2016 aus seinem Herkunftsstaat aus (AS 132; VP Sitzung 9). Er ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und stellte am 30.05.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt seiner Antragsstellung minderjährig.
1.1.7. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist arbeitsfähig (AS 131; VP Sitzung 12 f). Er gehört keiner COVID-19 Risikogruppe an und weißt diesbezüglich auch keine Dispositionen auf.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
1.2.1. Der Beschwerdeführer wurde im Herkunftsstaat nicht aufgrund der behaupteten Zugehörigkeit zum Clan der Gabooye verfolgt oder diskriminiert. Der Beschwerdeführer gehört nicht dem Clan der Gabooye oder einem anderen Minderheitenclan an. Der Beschwerdeführer hatte in Somalia keine konkret und individuell gegen ihn gerichteten Probleme aufgrund seiner Clanzugehörigkeit.
Der Beschwerdeführer hat Somalia weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit noch wegen Lebensgefahr verlassen.
Im Falle seiner Rückkehr nach Somalia droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Al Shabaab oder durch andere Personen.
1.2.2. Der Beschwerdeführer übt derzeit keine religiösen Riten, wie Beten, Fasten oder den Besuch einer Moschee aus. Dem Beschwerdeführer droht aufgrund der Tatsache, dass er aktuell keine religiösen Riten (Beten, Fasten, den Besuch der Moschee) ausübt, in Somalia bei einer Ansiedelung in Hargeysa keine physische oder psychische Gewalt. Er ist nicht vom Islam abgefallen und er ist immer noch sunnitischer Moslem. Er tritt auch nicht spezifisch gegen den Islam oder gar religionsfeindlich auf. Es ist niemandem in Somalia bekannt, dass der Beschwerdeführer in Österreich im Zuge des Asylverfahrens angegeben hat, kein Moslem mehr zu sein.
Der Beschwerdeführer hat keine Verhaltensweisen verinnerlicht, die bei einer Rückkehr nach Somalia als Glaubensabfall gewertet werden würde. Es ist in Somalia niemandem bekannt, dass der Beschwerdeführer im Asylverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Erlangung eines Asyltitels behauptet hat vom Islam abgefallen zu sein.
Dem Beschwerdeführer droht in Somalia aufgrund eines auch nur unterstellten Abfalles vom islamischen Glauben keine Gefahr der physischen oder psychischen Gewalt.
Im Falle seiner Rückkehr nach Somalia droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Al Shabaab oder durch andere Personen.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Somalia sowie bei einer Ansiedlung in Hargeysa kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.
Der Beschwerdeführer kann sich in Hargeysa ansiedeln, wo er über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Er hat sein ganzes Leben in Hargeysa verbracht, sodass er über Ortskenntnisse verfügt, ihm sind städtische Strukturen bekannt. Der Beschwerdeführer kann in Hargeysa grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer kann bei einer Rückkehr nach Somalia und einer Ansiedlung in Hargeysa bei seiner Familie Unterkunft nehmen und von diesen auch bei der Arbeitssuche unterstützt werden. Der Beschwerdeführer kann auch auf die Unterstützung seiner Familie und seines Clans zurückgreifen.
Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und gesund. Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Somalia vertraut und spricht Somali als Muttersprache. Er ist ein junger, erwerbsfähiger Mann mit mehrjähriger Schulbildung, der sich nach möglichen anfänglichen Schwierigkeiten selbst versorgen kann. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen. Die Familie des Beschwerdeführers kann ihn bei einer Rückkehr nach Somalia zumindest anfänglich unterstützen. Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
Es ist dem Beschwerdeführer somit möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Rückkehr nach Somalia und der Ansiedlung in Hargeysa Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 30.05.2016 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG in Österreich durchgehend aufhältig.
Der Beschwerdeführer besuchte von September 2016 bis Dezember 2016 und von Jänner 2017 bis Februar 2017 Deutschkurse für die Stufe A1 (AS 139-141) und von Februar 2017 bis Juli 2017 einen Deutschkurs für die Stufe A2 (AS 143). Im Juli 2017 absolvierte er das ÖSD-Zertifikat A2. Er verfügt über durchschnittliche Deutschkenntnisse (VP Sitzung 12).
Der Beschwerdeführer geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung (VP 13; Beilage ./I.).
Der Beschwerdeführer arbeitete im Sommer 2020 auf dem Friedhof einer Kirche und führte Gartenarbeiten aus (VP Sitzung 13).
Der Beschwerdeführer hat keine wesentlichen freundschaftlichen Kontakte in Österreich knüpfen können (VP Sitzung 14). Er verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich (VP Sitzung 14 f).
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I.).
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Somalia basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Somalia, Stand 31.03.2021 (LIB),
- FFM Report Somalia, Sicherheitslage in Somalia, August 2017 (FFM),
- Focus Somalia Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 (Focus Somalia),
- ACCORD Themendossier humanitäre Lage in Somalia, vom 22.02.2021 (ACCORD)
- FSNAU-FEWS, Post Deyr Technical Release vom 04.02.2021 (FSNAU)
1.5.1. Politische Situation
Somalia ist faktisch zweigeteilt in die somalischen Bundesstaaten und Somaliland, einen selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (LIB, Kapitel Politische Lage).
Seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 war Süd-/Zentralsomalia immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen. Somalia hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt, staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert, auf vielen Gebieten wurden große Fortschritt erzielt. Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (LIB, Kapitel Politische Lage).
Somalia befindet sich in einer schweren Verfassungs- und politischen Krise. Das Versagen, einen Kompromiss zu finden, hat nicht nur den demokratischen Prozess unterminiert, es hat die Sicherheit Somalias vulnerabel gemacht. Denn al Shabaab hat sich die politische Krise zu Nutzen gemacht und die Angriffe seit Anfang 2021 verstärkt (LIB, Kapitel Politische Lage).
Es konnten neue Bezirks- und Regionalverwaltungen etabliert werden. Neben Puntland wurden in den letzten Jahren vier neue Bundesstaaten geschaffen: Galmudug, Jubaland, South-West State (SWS) und HirShabelle. Somaliland wird als sechster Bundesstaat erachtet. Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (LIB, Kapitel Politische Lage).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clanbalance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (LIB, Kapitel Politische Lage).
Somaliland ist politisch, wirtschaftlich und in Sicherheitsfragen größtenteils vom Rest des Landes entkoppelt. Das Land verfügt über zahlreiche Zeichen der Eigenständigkeit: Es gibt eine Zivilverwaltung, Streitkräfte, eine eigene Währung, eigene Polizei, ein eigenes – mehr oder weniger funktionierendes – Steuersystem, eine Regierung, eine Verfassung und seit Jahren über ökonomische Stabilität. Somaliland hat schrittweise staatliche Strukturen wiederaufgebaut und war auch bei demokratischen Reformen erfolgreich. Das Land verfügt über eine funktionierende Regierung, und mit internationaler Hilfe konnten Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (LIB, Kapitel Politische Lage).
1.5.2. Sicherheitslage
Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer, wo die Sicherheitslage instabil bzw. volatil bleibt (LIB, Kapitel Sicherheitslage).
Die Sicherheitslage in Somaliland ist stabil. Überhaupt ist Somaliland der stabilste Teil Somalias. Es ist dort auch vergleichsweise friedlich. Friede und politische Stabilität wurden 1997 erlangt. Die Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle und Souveränität aus und kann dort regieren und Vorhaben umsetzen. Nur das Randgebiet zu Puntland und einige sehr entlegene ländliche Gebiete sind davon ausgenommen (LIB, Kapitel Sicherheitslage Somaliland).
Die Sicherheitskräfte können in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa, Berbera, Borama und Burco. Diese Gebiete sind relativ sicher. Somaliland ist damit das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler (LIB, Kapitel Sicherheitslage Somaliland).
1.5.3. Al-Shabaab:
Die Gruppe ist weiterhin eine gut organisierte und einheitliche Organisation mit einer strategischen Vision: der Eroberung Somalias. Allerdings wandelt sich al Shabaab langsam zu einer mafiösen Entität, bei der das Eintreiben von „Steuern“ über den bewaffneten Kampf gestellt wird (LIB, Kapitel Al Shabaab)
Die Menschen auf dem Gebiet von al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Die Gruppe versucht, alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren. Die mit der Nichtbefolgung strenger Vorschriften verbundenen harten Bestrafungen haben ein generelles Klima der Angst geschaffen. Dadurch kann al Shabaab die Bevölkerung kontrollieren, rekrutieren, Gebiete kontrollieren, Steuern eintreiben und ihre Gesetze durchsetzen (LIB, Kapitel Al Shabaab).
In den von ihr kontrollierten Gebieten verfügt al Shabaab über effektive Verwaltungsstrukturen, eine Art von Rechtsstaatlichkeit und eine effektive Polizei. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (LIB, Kapitel Al Shabaab).
Trotz der vergleichsweise geringen finanziellen Ressourcen ist Somaliland gelungen, was Somalia, Kenia, der Türkei, Äthiopien und den USA im Rest des Landes nicht gelungen ist: Al Shabaab konnte in Somaliland nicht Fuß fassen. Die Terrorgruppe kontrolliert einerseits keine Gebiete in Somaliland, andererseits gibt es so gut wie keine Angriffe durch al Shabaab bzw. wurden Versuche erkannt und Anschläge verhindert (LIB, Kapitel Sicherheitslage Somaliland).
Es gibt keine signifikanten Aktivitäten der al Shabaab in Somaliland, die Gruppe kann dort auch keine Steuern einheben. Allerdings verfügt der Nachrichtendienst von al Shabaab (Amniyat) in Somaliland über ein Netzwerk an Informanten. Demnach bleibt die Gruppe für Somaliland eine Bedrohung. Es ist davon auszugehen, dass sie in Hargeysa über eine Präsenz verfügt, deren Kapazitäten aber gering sind (LIB, Kapitel Sicherheitslage Somaliland).
1.5.4. Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates:
Im somalischen Kulturraum existieren drei Rechtsquellen: traditionelles Recht (Xeer), islamisches Schariarecht (v.a. für familiäre Angelegenheiten) sowie formelles Recht. Bürger wenden sich aufgrund der Mängel im formellen Justizsystem oft an die traditionelle oder die islamische Rechtsprechung. Der mangelnde (Rechts-)Schutz durch die Regierung führt dazu, dass sich Staatsbürger der Schutzgelderpressung durch al Shabaab beugen (LIB, Kapitel Rechtsschutz, Justizwesen).
Staatlicher Schutz ist auch im Falle von Clankonflikten von geringer Relevanz, die „Regelung“ wird grundsätzlich den Clans selbst überlassen. Aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz muss der staatliche Schutz in Zentral- und Südsomalia als schwach bis nicht gegeben gesehen werden. Staatliche Sicherheitskräfte können und wollen oftmals nicht in Clankonflikte eingreifen. Befinden sich Angehörige eines bestimmten Clans oder von Minderheiten in Gefahr oder sind diese bedroht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Zugang zu effektivem staatlichem Schutz gewährleistet ist (LIB, Kapitel Rechtsschutz, Justizwesen).
1.5.5. Clanstruktur:
Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (LIB, Kapitel Minderheiten und Clans).
Die Clanfamilien unterteilen sich in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene, die sogenannte Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe (Jilib), die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (Xeer) Verantwortung übernimmt (Focus, Sitzung 8 f, LIB Kapitel Rechtsschutz und Justizwesen).
Clanschutz bedeutet für eine Einzelperson die Möglichkeit vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Ein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Kompensation zu zahlen - oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Darum aktivieren Somalis im Konfliktfall (Verbrechen, Streitigkeit etc.) tendenziell eher Clanmechanismen. Durch dieses System der gegenseitigen Abschreckung werden Kompensationen üblicherweise auch ausbezahlt (LIB, Kapitel Rechtsschutz und Justizwesen).
Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage. Als "noble" Clanfamilien gelten die traditionell nomadischen Hawiye, Darod, Dir und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (LIB, Kapitel Bevölkerungsstruktur).
Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen „nobler“ Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (LIB, Kapitel Bevölkerungsstruktur).
Aufgrund der großen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Clans ist es auch heute für Somalier im somalischen Kulturraum essentiell und in der Diaspora zumindest nicht irrelevant, sich in diesem System verorten zu können (Focus, Sitzung 20). Jüngere Somalier im urbanen Raum oder in der Diaspora sind heute häufig nur noch in der Lage, ihre Clanzugehörigkeit bis zur Stufe Sub-Clan sowie vier oder fünf Generationen im Abtirsiimo (Abstammungslinie) aufzuzählen. Es kommt aber selbst bei jungen Somalier in der Diaspora nicht vor, dass sie gar keine Ahnung von ihrem Clan und ihrem Abtirsiimo haben. Sogar wenn sie sich für das Clansystem nicht interessieren, können sie zumindest ihren Clan und Sub-Clan sowie den Abtirsiimo bis zum Urgroßvater nennen. Fast alle Somalier kennen zumindest ihren Clan-Ältesten (Focus, Sitzung 24).
Minderheiten
Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie unterscheiden sich in ethnischer, sprachlicher und kultureller Hinsicht nicht von der Mehrheitsbevölkerung, sind aber traditionell in Berufen tätig, die von den Mehrheitsclans als "unrein" oder "unehrenhaft" angesehen werden. Diese Berufe und andere ihrer Praktiken (z.B. Fleischverzehr) gelten darüber hinaus als unislamisch (Focus, Sitzung 14).
Die Clans der berufsständischen Gruppen sind gleich strukturiert wie die Mehrheitsclans, mit dem einzigen Unterschied, dass sie ihre Abstammung nicht auf die Gründerväter Samaale bzw. Saab zurückverfolgen können, sondern "nur" auf den "Vater" ihres Clans. Gleich wie die Mehrheitsclans haben das Aufzählen der Väter (Abtirsiimo) und die Zugehörigkeit zu einem Clan eine große Bedeutung (Focus, Sitzung 15 f).
Für die Berufsgruppen gibt es zahlreiche somalische Bezeichnungen, bei denen regionale Unterschiede bestehen. Häufig genannt werden Waable, Sab, Madhibaan und Boon. Die landesweit geläufige Bezeichnung Midgaan ist negativ konnotiert (er bedeutet "unberührbar" oder "ausgestoßen") und wird von den Berufsgruppen-Angehörigen als Beleidigung empfunden; sie bevorzugen Begriffe wie Madhibaan oder Gabooye. Der Ausdruck Gabooye wird besonders im Norden des somalischen Kulturraums als Dachbegriff benutzt. Der Begriff umfasst nicht alle Berufsgruppen, aber zumindest vier untereinander nicht verwandte Clans berufsständischer Gruppen: Tumaal, Madhibaan, Muse Dheriyo und Yibir. Der Begriff Gabooye kann auch als Begriff für einen eigenen Clan der berufsständischen Gruppen unter vielen gebraucht werden. Ursprünglich bezeichnete Gabooye nur einen Clan aus dem Süden, dessen Angehörige sich als Jäger betätigten. Madhibaan sind ursprünglich Jäger, heute aber als Färber, Gerber, Schuhmacher und in anderen Berufen tätig. Sie leben im ganzen somalischen Kulturraum (Focus, Sitzung 16 f).
Aufgrund der wahrgenommenen Bevorzugung der berufsständischen Gruppen im Asylverfahren in westlichen Staaten sind andere Somalier dazu übergegangen, sich als Angehörige von Berufsgruppen auszugeben. Da andere Somalier aber im Durchschnitt gebildeter sind als die Angehörigen berufsständischer Gruppen, sind sie in der Lage, sich mehr Wissen über die berufsständischen Gruppen anzueignen, als diese selbst haben (Focus, Sitzung 25).
Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye (LIB, Kapitel Minderheiten und Clans).
1.5.6. Religion:
Die Verfassungen von Somalia, Puntland und Somaliland bestimmen den Islam als Staatsreligion. Das islamische Recht (Scharia) wird als grundlegende Quelle der staatlichen Gesetzgebung, alle Gesetze müssen mit den generellen Prinzipien der Scharia konform sein. Auch die Verfassungen der anderen Bundesstaaten erklären den Islam zur offiziellen Religion (LIB, Kapitel Religionsfreiheit).
Der Übertritt zu einer anderen Religion ist gesetzlich nicht explizit verboten, wohl aber durch die Scharia. Blasphemie und „Beleidigung des Islam“ sind Straftatbestände, Missionierung oder Werbung für andere Religionen ist laut Verfassung verboten. Andererseits bekennen sich die Verfassungen zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Auch ist dort das Recht auf Religionsfreiheit und ein Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion sowie die freie Glaubensausübung festgeschrieben (LIB, Kapitel Religionsfreiheit).
Die somaliländische Verfassung gestattet zwar die Glaubensfreiheit, erklärt aber gleichzeitig den Islam zur Staatsreligion und verbietet die Konversion zu einer sowie die Missionierung für eine andere Religion. Weder in Hargeysa noch im Rest Somalilands gibt es eine Religionspolizei. Der Islam und die damit verbundenen Regeln finden breite Akzeptanz. er die Religionsfreiheit betreffende Bericht des US-Außenministeriums nennt für Somaliland nur einen Vorfall von Gewalt gegen Nicht-Muslime. Dabei wurde eine Frau von ihren Brüdern verprügelt, von ihrem Ehemann verlassen, und es wurden ihr ihre Kinder entzogen, weil bei ihr eine Bibel gefunden worden war (LIB, Kapitel Religionsfreiheit).
1.5.7. Grundversorgung:
Die somalische Wirtschaft hat mit dem dreifachen Schock aus Covid-19, einer Heuschreckenplage und Überschwemmungen zu kämpfen. Dabei hat sich die Wirtschaft als resilienter erwiesen, als zuvor vermutet. Trotzdem bleibt die somalische Wirtschaft im Allgemeinen weiterhin fragil. Dies hängt mit der schmalen Wirtschaftsbasis zusammen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist von Landwirtschaft und Fischerei abhängig und dadurch externen und Umwelteinflüssen besonders ausgesetzt (LIB Kapitel Grundversorgung).
Es gibt kein nationales Mindesteinkommen. In einer von Jahrzehnten des Konflikts zerrütteten Gesellschaft hängen die Möglichkeiten des Einzelnen generell sehr stark von seinem eigenen und vom familiären Hintergrund sowie vom Ort (Stadt-Land- und Nord-Süd-Gefälle) ab. Generell zeigt vor allem die urbane Ökonomie in Somalia – allen voran in Mogadischu – eine Erholung. Es gibt einen Bau-Boom. Supermärkte, Restaurants und Geschäfte werden eröffnet. Alleine der Telekom-Konzern Hormuud Telecom hat in den vergangenen Jahren tausende Arbeitsplätze geschaffen und beschäftigt heute mehr als 20.000 Frauen und Männer. In Puntland und Teilen Südsomalias – insbesondere Mogadischu – boomt der Bildungsbereich (LIB Kapitel Grundversorgung).
Einerseits wird berichtet, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen limitiert sind. Andererseits wird ebenso berichtet, dass die besten Jobs oft an Angehörige der Diaspora fallen – etwa wegen besserer Sprachkenntnisse. Gerade um eine bessere Arbeit zu erhalten, ist man aber auch auf persönliche Beziehungen und das Netzwerk des Clans angewiesen. Dementsprechend schwer tun sich IDPs, wenn sie vor Ort über kein Netzwerk verfügen; meist sind sie ja nicht Mitglieder der lokalen Gemeinde (LIB, Kapitel Grundversorgung).
Viele Menschen leben vom Kleinhandel oder von ihrer Arbeit in Restaurants oder Teehäusern. Allerdings ist eine Arbeit in der Gastwirtschaft mit niedrigem Ansehen verbunden. Die Mehrheitsbevölkerung ist derartige Tätigkeiten sowie jenen auf Baustellen äußerst abgeneigt. Dort finden sich vielmehr marginalisierte Gruppen – z.B. IDPs – die oft auch als Tagelöhner arbeiten.
Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von Subsistenzwirtschaft, sei es als Kleinhändler, Viehzüchter oder Bauern. Zusätzlich stellen Remissen für viele Menschen und Familien ein Grundeinkommen dar. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist direkt oder indirekt von der Viehzucht abhängig. Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (62,8%). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (14,1%). 6,9% arbeiten in bildungsabhängigen Berufen (etwa im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor), 4,8% als Handwerker, 4,7% als Techniker, 4,1% als Hilfsarbeiter und 2,3% als Manager (LIB, Kapitel Grundversorgung).
Insgesamt ist das traditionelle Recht (Xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfall- bzw. Haftpflichtversicherung. Die Mitglieder des Qabiil (diya-zahlende Gruppe; auch Jilib) helfen sich bei internen Zahlungen – z.B. bei Krankenkosten – und insbesondere bei Zahlungen gegenüber Außenstehenden aus. Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (LIB, Kapitel Grundversorgung).
Frauen stoßen immer mehr in ehemals männlich dominierte Wirtschaftsbereiche vor – etwa bei Viehzucht, in der Landwirtschaft und im Handel. Frauen tragen nunmehr oft den Hauptteil zum Familieneinkommen bei. Gerade auch die Hungersnot von 2011 und die Dürre 2016/17 haben den Vorstoß von Frauen in männliche Domänen weiter vorangetrieben. In Süd-/Zentralsomalia und Puntland sind Frauen in 43% der Haushalte mittlerweile die Hauptverdiener (LIB, Kapitel Grundversorgung).
Trotzdem bietet sich für vom Land in Städte ziehende Frauen meist nur eine Tätigkeit als z.B. Wäscherin an, da es diesen Frauen i.d.R. an Bildung und Berufsausbildung mangelt. Allerdings können sie z.B. auch als Kleinhändlerin tätig werden. Sie verkaufen Treibstoff, Milch, Fleisch, Früchte, Gemüse oder Khat auf Märkten oder auf der Straße. 80%-90% des derart betriebenen Handels wird von Frauen kontrolliert. Außerdem arbeiten Frauen in der Landwirtschaft. Andere arbeiten als Dienstmädchen, Straßenverkäuferin, Köchin, Schneiderin, Müllsammlerin oder aber auch auf Baustellen. Für Frauen gibt es auch weiterhin kulturelle Einschränkungen bezüglich der Berufsausübung, z.B. können sie nicht Taxifahrer werden (LIB, Kapitel Grundversorgung).
Für viele Haushalte sind Remissen aus der Diaspora eine unverzichtbare Einnahmequelle. Diese Remissen, die bis zu 40% eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens ausmachen, tragen wesentlich zum sozialen Sicherungsnetz bei und fördern die Resilienz der Haushalte (LIB, Kapitel Grundversorgung).
In vielen Teilen Somalilands gibt es nach wie vor Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung und Armut. In ländlichen Gebieten lebt mehr als eine von drei Personen in Armut, in urbanen Gebieten ist es mehr als eine von vier. In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten (LIB, Kapitel Grundversorgung Somaliland).
1.5.8. Aktuelle Grundversorgungslage (Nahrungsmittelversorgung, Dürre, Überflutung)
Aufgrund einer schlechten und unregelmäßigen Niederschlagsverteilung, der schweren Überschwemmungen, der Heuschreckenplage und der sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19 und den anhaltenden Konflikten wird erwartet, dass bis zu 2,7 Millionen Menschen in ganz Somalia voraussichtlich bis Mitte 2021 mit Lücken beim Nahrungsmittelkonsum oder der Erschöpfung von Vermögenswerten, die auf eine Krise hindeuten (IPC-Phase 3), konfrontiert sein werden, wenn keine humanitäre Hilfe geleistet wird. Die verfügbaren Prognosen deuten auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von unterdurchschnittlichen Niederschlägen während der Gu-Saison 2021 (April bis Juni) im größten Teil des Landes hin, was sich nachteilig auf die Ernährungssicherheit und die Ernährungsergebnisse auswirken würde (FSNAU).
Die verzögerte und unregelmäßige Niederschlagsverteilung kennzeichnete die Deyr-Saison von Oktober bis Dezember 2020, was zu unterdurchschnittlichen kumulierten Niederschlägen im größten Teil des Landes führte. Die schlechten Regenfälle führten zu einer unzureichenden Wiederauffüllung der Weide- und Wasserressourcen und zu einer unterdurchschnittlichen Deyr-Pflanzenproduktion. Darüber hinaus verursachte der Zyklon Gati Ende November in den nordöstlichen Küstengebieten erhebliche Schäden und Todesfälle bei Nutztieren, obwohl die Regenfälle letztendlich die trockenen Bedingungen linderten. Des Weiteren verursachten wiederkehrende Überschwemmungen zwischen Juli und Anfang November weitere Vertreibungen der Bevölkerung und beschädigten Ernten und Ackerland in den Flussgebieten der Regionen Hiiraan, Shabelle und Juba. Trotz günstiger Niederschläge in Hagaa/Karan (Juli-September) in agropastoralen und pastoralen Gebieten im Nordwesten konnten die Regenfälle die Ernteverluste nicht ausgleichen, die durch schlechte Gu-Niederschläge (April-Juni 2020) während der Pflanz-, Keim- und Vegetationsperiode verursacht wurden (FSNAU).
Die Getreideproduktion in der Deyr-Saison 2020 in Südsomalia wird auf 78 600 Tonnen geschätzt, was 20 Prozent unter dem Durchschnitt von 1995-2019 liegt. Die Hauptfaktoren für eine unterdurchschnittliche Produktion sind schlechte und unregelmäßige Niederschläge, wiederkehrende Überschwemmungen, Wüstenheuschrecke und Konflikte. Im Nordwesten wird die im November 2020 geerntete Gu/Karan-Getreideproduktion im Jahr 2020 auf 17 100 Tonnen geschätzt, was 58 Prozent unter dem Durchschnitt von 2010-2019 liegt. Dies ist hauptsächlich auf schlechte und unregelmäßige Niederschläge sowie den Befall mit Wüstenheuschrecken und Stängelbohrern sowohl bei Hirse als auch Mais zurückzuführen (FSNAU).
Die ländliche Bevölkerung verzeichnet einen mehrfachen Rückgang der Nahrungsmittel- und Einkommensquellen. In pastoralen Gebieten haben unterdurchschnittliche Niederschläge in Teilen des Nordens, angrenzenden Gebieten Zentral-Somalias, Küstengebieten und der Region Gedo zu Wasserknappheit und Weidemangel geführt, was zu einer atypischen, früher als normalen Migration von Nutztieren in entfernte Weidegebiete führte. Infolgedessen ist die Verfügbarkeit von Milch zum Verzehr und Verkauf begrenzt. Darüber hinaus hat ein starker Rückgang der Viehausfuhren seit August 2020 Pastoralisten und andere Haushalte, die in der Wertschöpfungskette von Nutztieren arbeiten, nachteilig beeinflusst (FSNAU).
In den Gebieten entlang der Flüsse Shabelle und Juba zerstörten wiederkehrende Überschwemmungen Ackerland und Getreide und verdrängten die lokale Bevölkerung, was zu erheblichen Ernteverlusten und Einkommensverlusten durch landwirtschaftliche Beschäftigung führte. Infolgedessen wird ein erheblicher Teil der armen Haushalte in Flussgebieten bis Mitte 2021 auch mit moderaten bis großen Lücken beim Lebensmittelkonsum konfrontiert sein (FSNAU).
Die Zahl an Menschen, die in ganz Somalia stark oder sehr stark von Lücken in der Nahrungsmittelversorgung betroffen sind (IPC 3 und höher), ist von 1,3 Millionen Anfang 2020 auf 1,6 Millionen Anfang 2021 angewachsen. Weitere 2,5 Millionen Menschen leiden ebenfalls an Problemen bei der Nahrungsmittelversorgung. Die meisten ländlichen Gebiete fallen im Zeitraum Jänner-März 2021 unter IPC 2, jene in den Regionen Togdheer agro-pastoral, East Golis pastoral (Sanaag) und Coastal Deeh pastoral sowie Middle Shabelle riverine und Lower Juba riverine fallen in IPC 3. Dahingegen befinden sich Southern Inland pastoral (Hiiraan, Shabelle, Bakool, Bay und Juba) sowie Juba Cattle pastoral in IPC 1. Die meisten armen Stadtbewohner („urban poor“) sowie IDPs finden sich in IPC 2; die IDPs in Burco, Laascaanood, Bossaso, Garoowe, Qardho und Baidoa in IPC 3 (LIB Kapitel Grundversorgung).
Für die urbane Bevölkerung in Hargeysa gilt für den Zeitraum April bis Juni 2021 die IPC-Stufe 2 (stressed), für IDP-Lager in Hargeysa gilt für diesen Zeitraum die IPC-Stufe 3 (crisis) (FSNAU).
Am 22. November 2020 ist der Zyklon Gati in Bari, in der halbautonomen Region Puntland, auf Land getroffen. Im Distrikt Iskushuban sind etwa 60.000 Menschen und im Distrikt Bossaso schätzungsweise 40.000 Personen betroffen gewesen. Etwa 90 Prozent der Betroffenen sind IDPs oder Flüchtlinge gewesen, die in flutgefährdeten Gebieten wohnen. 42.000 Personen sind vertrieben worden, jedoch sind fast alle der Vertriebenen bis 30. November 2020 wieder in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrt. Viele der zurückgekehrten Haushalte wohnen jedoch in beschädigten Häusern oder Unterkünften. Der Zyklon hat zudem zu Zerstörung von Vermögenswerten der Lebensgrundlage in bedeutendem Ausmaß geführt. Zusätzlich ist aufgrund der durch den Sturm verursachten Zerstörung der Zugang zu einigen Gebieten in Bari eingeschränkt worden. Dies hat Nahrungsmittellieferungen und Lieferungen anderer Güter an lokale Märkte behindert und hat zu einem Preisanstieg geführt (ACCORD).
Die Löhne für Hilfsarbeiten sind laut im November 2020 veröffentlichtem Market Update der FSNAU im Oktober 2020 in den meisten Regionen Somalias leicht gestiegen, außer in den zentralen Regionen, wo die Löhne leicht zurückgegangen seien. Im Vergleich mit dem Fünfjahresschnitt für den Monat Oktober (2015-2019) ist es zu einem leichten bis moderaten Anstieg in den Regionen Sorghum Belt [Bay, Bakool, Gedo und Hiran], Banadir [Mogadischu] und den zentralen und nördlichen Regionen gekommen. Dies wird der relativen Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten während des Jahres zugeschrieben. Im Jubatal sowie den Shabelle-Regionen sind die Löhne aufgrund der negativen Auswirkungen von Überflutungen und Konflikten auf die saisonalen landwirtschaftlichen Aktivitäten und Arbeit geringer (ACCORD).
45,9 Prozent der beschäftigten Personen ab 15 Jahren sind in der Landwirtschaft tätig. In letzter Zeit ist der Dienstleistungssektor wichtiger geworden, insbesondere Geldüberweisung, Telekommunikation und Baugewerbe. Der Handwerksbereich ist weiterhin träge. Der größte Teil der Beschäftigten sind Hilfsarbeitskräfte (41 Prozent) (ACCORD).
1.5.9. Binnenflüchtlinge (IDPs):
IDPs sind andauernden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, ihre besondere Schutzlosigkeit und Hilfsbedürftigkeit werden von allerlei nichtstaatlichen – aber auch staatlichen – Stellen ausgenutzt und missbraucht.
Schläge, Vergewaltigungen, Abzweigung von Nahrungsmittelhilfen, Bewegungseinschränkung und Diskriminierung aufgrund von Clanzugehörigkeit sind an der Tagesordnung; es kommt auch zu Vertreibungen und sexueller Gewalt. Dies trifft in erster Linie Bewohner von IDP-Lagern – in Mogadischu v.a. jene IDPs, die nicht über Clanbeziehungen in der Stadt verfügen. Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung besonders gefährdet. 2018 betrafen 80 % der gemeldeten Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt IDPs. Zu den Tätern gehören bewaffnete Männer und Zivilisten. Für IDPs in Lagern gibt es keinen Rechtsschutz, und es gibt in Lagern auch keine Polizisten, die man im Notfall alarmieren könnte (LIB, Kapitel Binnenflüchtlinge).
In Mogadischu sind die Bedingungen für IDPs in Lagern hart. Oft fehlt es dort an simplen Notwendigkeiten, wie etwa Toiletten. Landesweit fehlen in 80 % der IDP-Lager Wasserstellen – v.a. in Benadir, dem SWS und Jubaland. Die Rate an Unterernährung ist hoch, der Zugang zu grundlegenden Diensten eingeschränkt. Es mangelt ihnen zumeist an Zugang zu genügend Lebensmitteln und akzeptablen Unterkünften. Allerdings ist der Zustand von IDP-Lagern unterschiedlich. Während die neueren meist absolut rudimentär sind, verfügen ältere Lager üblicherweise über grundlegende Sanitär-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen (LIB, Kapitel Binnenflüchtlinge).
Somaliland kooperiert mit dem UNHCR und IOM, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern, Asylwerbern oder Staatenlosen Unterstützung zukommen zu lassen. Die relative Sicherheit in Somaliland hat aus Süd-/Zentralsomalia zahlreiche Menschen angezogen, auch wenn dort kein staatlicher Schutz besteht. IDPs sind von willkürlichen Verhaftungen und Diskriminierung betroffen (LIB, Kapitel Binnenflüchtlinge Somaliland).
1.5.10. Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft. Die Infrastruktur bei der medizinischen Versorgung ist minimal und beschränkt sich meist auf Städte und sichere Gebiete. Die Ausrüstung reicht nicht, um auch nur die grundlegendsten Bedürfnisse der Bevölkerung ausreichend abdecken zu können (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung).
In Mogadischu gibt es mindestens zwei Spitäler, die für jedermann zugänglich sind. In manchen Spitälern kann bei Notlage über die Ambulanzgebühr verhandelt werden. Im Gegensatz zu Puntland werden in Süd-/Zentralsomalia Gesundheitseinrichtungen vorwiegend von internationalen NGOs unter Finanzierung von Gebern betrieben. Allerdings sind die öffentlichen Krankenhäuser mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung/medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angeht. Dabei ist der Standard von Spitälern außerhalb Mogadischus erheblich schlechter (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung).
Die Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei. Allerdings muss manchmal für Medikamente bezahlt werden. Private Einrichtungen, die spezielle Leistungen anbieten, sind sehr teuer. Medikamente, die Kindern oder ans Bett gebundenen Patienten verabreicht werden, sind kostenlos (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung).
An psychiatrischen Spitälern gibt es nur zwei, und zwar in Mogadischu; daneben gibt es drei entsprechende Abteilungen an anderen Spitälern und vier weitere Einrichtungen. Psychisch Kranken haftet meist ein mit Diskriminierung verbundenes Stigma an. Nach wie vor ist das Anketten psychisch Kranker eine weit verbreitete Praxis (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung).
Grundlegende Medikamente sind verfügbar, darunter solche gegen die am meisten üblichen Krankheiten sowie jene zur Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck, Epilepsie und von Geschwüren. Auch Schmerzstiller sind verfügbar. Medikamente können ohne Verschreibung gekauft werden. Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt in erster Linie über private Apotheken. Für Apotheken gibt es keinerlei Aufsicht (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung).
Die medizinische Versorgung hat sich im Laufe der letzten Jahre aber substantiell verbessert. Seit dem Jahr 2010 sind in Hargeysa viele neue Gesundheitseinrichtungen – ganze Spitäler, Zahnarztpraxen, Kliniken – eröffnet worden, viele davon privat. Im somaliländischen Gesundheitssystem gibt es vier Ebenen: Die Primary Health Care Units (PHU); die Health Centers (HC); die Referral Health Centers (RHC); und die regionalen Spitäler. Für das Jahr 2016 wurde die Zahl an Einrichtungen mit 123 PHU, 104 HC und 21 RHC angegeben. Die Zahl an Spitälern beläuft sich auf 16 – dies sind nur knapp weniger als im Rest Somalias zusammen. Die meisten Einrichtungen sind unterfinanziert bzw. mangelhaft ausgestattet – vor allem jene in ländlichen Gebieten. Das Hargeysa Group Hospital kann in einigen Bereichen spezialisierte medizinische Versorgung bieten, z.B. Dialyse. Es gibt in Somaliland mindestens 1.000 Apotheken, diese sind nicht reguliert (LIB, Kapitel Medizinische Versorgung Somaliland).
1.5.11. Bewegungsfreiheit:
Gesetze schützen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land und das Recht zur Ausreise. Diese Rechte sind in einigen Landesteilen eingeschränkt (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).
Reisende sind durch die zahlreichen, von unterschiedlichen Gruppen betriebenen Straßensperren, an welchen Wegzoll erpresst wird, einer Gefahr ausgesetzt. Neben den Straßensperren kann auch das Aufflammen bewaffneter Auseinandersetzungen ein Risiko darstellen. Viele der Hauptstraßen werden nur teilweise von AMISOM und Armee kontrolliert. Trotzdem bereisen Zivilisten und Wirtschaftstreibende tagtäglich die Überlandverbindungen (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).
In Mogadischu gibt es mehrere hundert permanente oder mobile Kontrollpunkte, dadurch wird die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Zeitweise sperren Sicherheitskräfte ganze Straßenzüge, wodurch die Bewegungsfreiheit für Menschen und Waren erheblich behindert wird. Insgesamt können sich Menschen in Mogadischu aber unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit frei bewegen und sich niederlassen (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).
Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen jedenfalls für einen Teil der somalischen Bevölkerung. Üblicherweise genießen Somalis den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).
Die sicherste Arte des Reisens in Süd-/Zentralsomalia ist das Fliegen. Mogadischu kann international erreicht werden (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation; Rückkehr).
1.5.12. Rückkehrer:
Schon nach den Jahren 2011 und 2012 hat die Zahl der aus der Diaspora nach Süd-/Zentralsomalia zurückkehrenden Menschen stark zugenommen. Viele lokale Angestellte internationaler NGOs oder Organisationen sind aus der Diaspora zurückgekehrte Somali. Andere kommen nach Somalia auf Urlaub oder eröffnen ein Geschäft. Bis November 2019 sind insgesamt 91.232 Somalis über AVR-Programme des UNHCR zurückgeführt worden, mehrheitlich aus Kenia, aber auch aus Dschibuti, Libyen und dem Jemen (LIB, Kapitel Rückkehr).
Rückkehrer werden nicht von somalischen Behörden misshandelt. Mit technischer und finanzieller Unterstützung haben sich verschiedene westliche Länder über die letzten Jahre hinweg für die Schaffung und anschließende Professionalisierung eines speziell für Rückführung zuständigen Returnee Management Offices (RMO) innerhalb des Immigration and Naturalization Directorates (IND) eingesetzt. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge der Rückkehrer. Rückkehrer werden vom RMO/IND grundsätzlich mit Respekt behandelt. Am Flughafen kann es zu einer Befragung von Rückkehrern durch das RMO hinsichtlich Identität, Nationalität, Familienbezügen sowie zum gewünschten zukünftigen Aufenthaltsort kommen. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (LIB, Kapitel Rückkehrer).
Nach Somaliland gibt es Linienflüge aus Dubai, Jeddah, Addis Abeba und Dschibuti. Rückführungen werden aber meist über Mogadischu mit Weiterreise nach Hargeysa durchgeführt. Nach Somalia rückgeführte Personen reisen teilweise nach Somaliland weiter, die dortigen Behörden werden aber von der Regierung in Mogadischu nicht über die Hintergründe in Kenntnis gesetzt, sodass eine weitere Betreuung der Rückkehrer durch somaliländische Behörden unwahrscheinlich scheint (LIB, Kapitel Rückkehrer Somaliland).
IOM Länderbüros unterhalten Rückkehrprogramme nach Somaliland. Die Rückkehr dorthin wird folglich als durchaus möglich beurteilt. Das Land akzeptiert nur aus Somaliland stammende Rückkehrer (LIB, Kapitel Rückkehrer Somaliland).
1.5.13. Zur aktuellen Covid-19-Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 02.06.2021, 645.552 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 10.621 Todesfälle (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Neuartiges-Coronavirus-(2019-nCov).html); in Somalia wurden mit Stand vom 02.06.2021 14.667 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 769 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://covid19.who.int/region/emro/country/so).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf.
Zwischen 19.3.2020 und 2.1.2021 wurden über 81.000 Menschen getestet, knapp 4.700 waren infiziert. Testungen sind so gut wie inexistent. Die offiziellen Todeszahlen sind niedrig, das wahre Ausmaß wird aber wohl nie wirklich bekannt werden. Die Zahl an Infektionen dürfte höher liegen, als offiziell bekannt. Viele potenziell Infizierte melden sich nicht, da sie eine gesellschaftliche Stigmatisierung fürchten. (LIB, Kapitel Covid).
Im August 2020 wurde der internationale Flugverkehr wiederaufgenommen. Internationale und nationale Flüge operieren uneingeschränkt. Ankommende müssen am Aden Adde International Airport in Mogadischu und auch am Egal International Airport in Hargeysa einen negativen Covid-19-Test vorweisen, der nicht älter als vier Tage ist. Wie in Mogadischu mit Personen umgegangen wird, welche diese Vorgabe nicht erfüllen, ist unbekannt. Möglicherweise werden diese zusätzlich getestet und in Quarantäne geschickt (LIB, Kapitel Covid).
Regeln zum social distancing oder auch Präventionsmaßnahmen wurden kaum berücksichtigt. Trotz Warnungen wurden Moscheen durchgehend – ohne Besucherbeschränkung – offengehalten. Restaurants, Hotels, Bars und Geschäfte sind offen, es gelten Hygienemaßnahmen und solche zum Social Distancing (LIB, Kapitel Covid).
Auch, dass es in Spitälern kaum Kapazitäten für Covid-19-Patienten gibt, ist ein Grund dafür, warum viele sich gar nicht erst testen lassen wollen – ein Test birgt für die Menschen keinen Vorteil. Somalia ist eines jener Länder, dass hinsichtlich des Umgangs mit der Pandemie die geringsten Kapazitäten aufweist. Humanitäre Partner haben schon im April 2020 für einen Plan zur Eindämmung von Covid-19 insgesamt 256 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt. UNSOS unterstützt medizinische Einrichtungen, stellt Ausrüstung zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung. Bis Anfang Juni konnten die UN und AMISOM eine substanzielle Zahl an Behandlungsplätzen schaffen (darunter auch Betten zur Intensivpflege) Trotzdem gibt es nur ein speziell für Covid-19-Patienten zugewiesenes Spital, das Martini Hospital in Mogadischu. Dieses ist unterbesetzt und schlecht ausgerüstet (LIB, Kapitel Covid).
Nachdem die Bildungsinstitutionen ihre Arbeit wiederaufgenommen hatten, sind nicht alle Kinder zurück in die Schule gekommen. Dies liegt an finanziellen Hürden, an der Angst vor einer Infektion, aber auch daran, dass Kinder zur Arbeit eingesetzt werden. Außerdem zeigt eine Studie aus Puntland, dass die Zahl an Frühehen zugenommen hat (LIB, Kapitel Covid).
Gleichzeitig wurden Immunisierungskampagnen und auch Ernährungsprogramme unterbrochen. Manche Gesundheitseinrichtungen sind teilweise nur eingeschränkt aktiv – nicht zuletzt, weil viele Menschen diese aufgrund von Ängsten nicht in Anspruch nehmen; der Patientenzustrom hat sich in der Pandemie verringert. Remissen sind im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückgegangen. Eine Erhebung im November und Dezember 2020 hat gezeigt, dass 22% der städtischen, 12% der ländlichen und 6% der IDP-Haushalte Remissen beziehen. Die Mehrheit der Empfänger berichtete von Rückgängen von über 10%. Auch der Export von Vieh – der wichtigste Wirtschaftszweig – ist wegen der Pandemie zurückgegangen (LIB, Kapitel Covid).
Die Maßnahmen außerhalb Mogadischus können variieren. Es kann jederzeit geschehen, dass Behörden Covid-Maßnahmen kurzfristig verschärfen (LIB, Kapitel Covid).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die im Verfahren vorgelegten Urkunden.
Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.
Das Gericht berücksichtigt in der Beweiswürdigung, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Asylantragstellung sowie zum Zeitpunkt der behaupteten fluchtauslösenden Vorfälle noch minderjährig gewesen ist.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
2.1.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Muttersprache, seinem Familienstand sowie zu seiner Herkunft gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
2.1.3. Der Beschwerdeführer gab in seiner Erstbefragung nach seiner Clanzugehörigkeit befragt an, dass er dem Clan der „Midgan“ angehören würde (AS 1). In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt erklärte er, dass er dem Clan der „Midgan“, Subclan römisch 40 , Subsubclan römisch 40 angehören würde. Seinen Clanältesten würde er nicht kennen. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab er an, dass er dem Clan der Gabooye, Subclan römisch 40 , Subsubclan römisch 40 angehören würde. Sein Clanältester wäre römisch 40 .
Den Länderberichten zufolge (siehe Punkt römisch II.1.5.5.) ist es aufgrund der großen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Clans auch heute für Somalier im somalischen Kulturraum essentiell und in der Diaspora zumindest nicht irrelevant, sich in diesem System verorten zu können. Jüngere Somalier im urbanen Raum oder in der Diaspora sind heute häufig nur noch in der Lage, ihre Clanzugehörigkeit bis zur Stufe Sub-Clan sowie vier oder fünf Generationen im Abtirsiimo (Abstammungslinie) aufzuzählen. Es kommt aber selbst bei jungen Somalier in der Diaspora nicht vor, dass sie gar keine Ahnung von ihrem Clan und ihrem Abtirsiimo haben. Sogar wenn sie sich für das Clansystem nicht interessieren, können sie zumindest ihren Clan und Sub-Clan sowie den Abtirsiimo bis zum Urgroßvater nennen. Fast alle Somalier kennen zumindest ihren Clan-Ältesten. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer nicht einmal grundlegende und vor allem gleichbleibende Angaben zu seinem Clan, Subclan und Subsubclan bzw. dem Clanältesten machen kann. Der Beschwerdeführer ist in Somalia aufgewachsen, er müsste daher detailliertere Angaben zu seinem Clan machen können. Der Beschwerdeführer machte jedoch lediglich äußerst vage und überaus widersprüchliche Angaben zu seinem Clan, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer tatsächlich dem Clan der Gabooye angehört.
Es ist außerdem nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt keine Angaben zu seinem Clanältesten machen kann, diesen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung jedoch plötzlich nennen kann, obwohl er vor dem Bundesamt angab, seinen Clanältesten nicht zu kennen.
Einer Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesamtes kann zudem entnommen werden, dass der vom Beschwerdeführer genannte Abtirsiimo „Gabooye – römisch 40 – römisch 40 “ nicht existiert. Es gibt zwar „Gabooye – römisch 40 “, jedoch keine „ römisch 40 “. Daher änderte der Beschwerdeführer seinen Subsubclan in der Beschwerdeverhandlung offenbar auf „ römisch 40 “. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Clan sind daher nicht mit den Länderinformationen in Einklang zu bringen, der Beschwerdeführer machte unrichtige Angaben zu seiner Clanzugehörigkeit im Asylverfahren. Es ist daher aufgrund der widersprüchlichen und wechselnden Angaben davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht Angehöriger dieses Clans oder eines anderen Minderheitenclans ist.
Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer selbst angab, dem Clan der „Midgan“ anzugehören. Den Länderinformationen ist zu entnehmen, dass es für die Berufsgruppen zahlreiche somalische Bezeichnungen gibt, bei denen regionale Unterschiede bestehen. Häufig genannt werden Waable, Sab, Madhibaan und Boon. Die landesweit geläufige Bezeichnung Midgaan ist negativ konnotiert (er bedeutet "unberührbar" oder "ausgestoßen") und wird von den Berufsgruppen-Angehörigen als Beleidigung empfunden; sie bevorzugen Begriffe wie Madhibaan oder Gabooye. Es ist nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer für seine eigene Clanbezeichnung einen negativen und als Beleidigung empfundenen Begriff nennen würde, würde er tatsächlich diesem Clan angehören. Durch das Bundesamt darauf aufmerksam gemacht, verwendete der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht plötzlich erstmals den Begriff Gabooye. Die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu diesem Clan ist nicht glaubhaft.
Der Beschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung an, dass seinem Onkel ein Haus in Somalia gehört. Zudem erklärte er, dass er für seine Ausreise etwa 5.000 oder 10.000 USD bezahlt habe. Dies stimmt jedoch nicht mit den sozialen bzw. (meist niedrigen) finanziellen Gegebenheiten eines Minderheitenclans überein. Die berufsständischen Gruppen (zu denen der Clan der Gabooye gehört) stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie unterscheiden sich in ethnischer, sprachlicher und kultureller Hinsicht nicht von der Mehrheitsbevölkerung, sind aber traditionell in Berufen tätig, die von den Mehrheitsclans als "unrein" oder "unehrenhaft" angesehen werden. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich Angehöriger des Minderheitenclans der Gabooye, ist nicht davon auszugehen, dass er Angaben machen würde, die nicht mit den Länderinformationen in Einklang zu bringen sind. Aufgrund der wahrgenommenen Bevorzugung der berufsständischen Gruppen im Asylverfahren (unter anderem dem Clan der Gabooye) in westlichen Staaten sind andere Somalier, die diesem Clan nicht angehören, dazu übergegangen, sich als Angehörige von Berufsgruppen auszugeben. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer versuchte, seine Zugehörigkeit zu einem Mehrheitsclan zu verschleiern, um seine Chancen im Asylverfahren zu erhöhen.
Vor dem Bundesamt danach befragt, wie viele seiner Clanangehörigen des Minderheitenclans in Hargeysa leben würden, gab der Beschwerdeführer an, dass er es nicht genau wisse, jedoch auf etwa 100 Personen schätze. Da die Anfrage der Staatendokumentation ergab, dass etwa 2000 Haushalte in dem Heimatort des Beschwerdeführers leben würden, erklärte der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung daher ebenfalls, dass nunmehr 1000 oder 2000 Clanangehörige des Minderheitenclans in Hargeysa leben würden. Früher seien es jedoch weitaus weniger, etwa 100, gewesen. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer diese Informationen vom Bundesamtes aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation übernommen hat, um seine Angaben in der Beschwerdeverhandlung glaubhafter erscheinen zu lassen.
Die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Clan der Gabooye oder zu einem anderen Minderheitenclan ist aus den oben angeführten Gründen ist nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer ist tatsächlich Angehöriger eines Mehrheitsclans, er versucht dies im Asylverfahren durch unrichtige Angaben zu seiner Clanzugehörigkeit zu verbergen.
2.1.3. Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Schulbildung ist nicht glaubhaft. Er gab in der Erstbefragung an, acht Jahre lang die Grundschule besucht zu haben (AS 1). In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt erklärt er, dass von 2002 bis 2006 (von zwei bis sechs Jahre) eine Koranschule besucht hätte, in der er Lesen und Schreiben gelernt hätte (AS 130). In der Beschwerdeverhandlung gab er zunächst an, sechs Jahre die Schule besucht zu haben (VP Sitzung 8). Erneut dazu befragt, wie lange er die Koranschule besucht hätte, gab er an: „2 Jahre“ (VP Sitzung 10).
Abgesehen davon, dass die Angaben des Beschwerdeführers widersprüchlich und nicht in Einklang zu bringen sind, ist der Anfrage der Staatendokumentation zu entnehmen, dass zweijährige Kinder in Somalia (wie vom Beschwerdeführer vor dem Bundesamt angegeben) keine Schule besuchen. In einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesamt darauf angesprochen erklärte der Beschwerdeführer: „Kann sein, dass ich mit der Alphabetisierung begonnen habe. Mit dem Datum bin ich auch nicht sicher“ (AS 195). In der Beschwerdeverhandlung gab er wiederum an, dass es ein Fehler sei, dass er im Alter von zwei Jahren begonnen hätte, da dies nicht möglich sei (VP Sitzung 5). Die Angaben des Beschwerdeführers sind derart widersprüchlich und unplausibel, dass davon auszugehen ist, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen. Da der Beschwerdeführer stets selbst angab, mehrere Jahre die Schule besucht zu haben, geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer eine mehrjährige Schulbildung genossen hat.
Dass der Beschwerdeführer keine Berufsausbildung erhalten hat bzw. keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben im Verfahren.
2.1.4. Auch die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Familienangehörigen in der Beschwerdeverhandlung waren nicht glaubhaft. Dies aus folgenden Gründen:
Der Beschwerdeführer gab bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass seine Familie mitten in der Stadt Hargeysa leben würde. Zudem würde ein Onkel väterlicherseits in Hargeysa wohnen und ein eigenes Friseurgeschäft führen. Dieser Onkel sei nicht verheiratet. Seine Tante väterlicherseits wäre bereits verstorben. Ein Onkel mütterlicherseits würde in einem Dorf etwas außerhalb von Hargeysa leben. Den letzten Kontakt zu seiner Familie hätte er gehabt, als er die Heimat verlassen hätte. Zu Freunden in Hargeysa habe er über Whatsapp und Instagram Kontakt.
In der Beschwerdeverhandlung erklärte der Beschwerdeführer in völligem Widerspruch dazu, dass seine Tante väterlicherseits – die laut Angaben vor dem Bundesamt bereits verstorben wäre – in römisch 40 leben würde. Sein Onkel väterlicherseits – der laut Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt nicht verheiratet gewesen wäre – hätte nach dem Tod seines Vaters (als er noch ein Kind gewesen wäre) seine Mutter geheiratet und der Familie geholfen. Diese Angaben sind nicht in Einklang zu bringen und daher unglaubhaft.
Diese Angaben zu seinen Familienangehörigen sind darüber hinaus nicht glaubhaft, da der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt zunächst angab, dass alle seine Geschwister die gleiche Mutter und den gleichen Vater hätten. Erst in seiner zweiten Einvernahme vor dem Bundesamt gab er an, dass nicht alle Geschwister den gleichen Vater hätten, da seine Mutter nach dem Tod seines Vaters seinen Onkel geheiratet hätte. Es ist nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer nicht gleichbleibend angeben kann, ob seine Geschwister alle den gleichen Vater und die gleiche Mutter haben. Die Angaben sind widersprüchlich, unplausibel und daher unglaubhaft.
Er gab in der Beschwerdeverhandlung zudem an, dass er zuletzt Kontakt zu seiner Familie gehabt hätte, als er nach Österreich gekommen wäre. Auch diese Angaben sind vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt angab, zuletzt bei seiner Ausreise Kontakt zu seiner Familie gehabt zu haben, widersprüchlich und daher in ihrer Gesamtheit unglaubhaft. Der Beschwerdeführer gab bei der Einvernahme beim Bundesamt zudem an, dass er zu Freunden und Bekannten in Somalia über WhatsApp in Kontakt stehe. Es wäre daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls über diese Freunde und Bekannte in der Lage wäre Kontakt zu seiner Familie in Hargeysa aufzunehmen. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Kontakt des Beschwerdeführers zu seiner Familie in Hargeysa abgerissen sein soll.
Das erkennende Gericht geht aufgrund der überaus widersprüchlichen Angaben zu den Familienangehörigen des Beschwerdeführers davon aus, dass die Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in Hargeysa in einem Haus lebt und der Beschwerdeführer Kontakt zu seinen Familienangehörigen hat.
Zudem ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer zu keinem seiner Freunde aus Somalia noch Kontakt hat, obwohl er vor dem Bundesamt noch angab, mit diesen über Whatsapp und Instagram zu kommunizieren. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der Kontakt abreißen sollte. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer nach wie vor Kontakt zu seinen Freunden und Bekannten in Somalia hat.
2.1.5. Die Feststellung zur Aus- und Einreise sowie das Datum der Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt sowie aus den Angaben des Beschwerdeführers.
2.1.6. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Krankheit leidet sowie zu seiner Arbeitsfähigkeit stützen sich auf seine Angaben in der Beschwerdeverhandlung und den Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorkam.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Da festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer nicht dem Clan der Gabooye angehört (siehe Punkt römisch II.2.1.3.), ist auch eine Diskriminierung aufgrund seiner Clanzugehörigkeit nicht glaubhaft.
Vor dem Bundesamt dazu aufgefordert, alle Gründe ausführlich und detailliert darzulegen, machte der Beschwerdeführer lediglich äußerst vage und undetaillierte Angaben ohne lebensnahe Details. Er erklärte: „Wegen unserer Clanzugehörigkeit sind wir in Somaliland niemand. Wir werden diskriminiert. Man kann daher nicht leben wie man will. Man kann sich auch nicht mit jemandem von einem anderen Clan unterhalten oder etwas unternehmen“ (AS 133).
Weitere Details zu etwaigen persönlichen Diskriminierungen oder Benachteiligungen konnte der Beschwerdeführe vor dem Bundesamt nicht angeben. Insgesamt war sein Vorbringen diesbezüglich vage und nicht nachvollziehbar.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ausreise aus Somalia und bei der Erstbefragung noch minderjährig war (ca. 16 Jahre) und dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können; dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen Weise wie in der Einvernahme vor dem Bundesamt schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sie sich tatsächlich zugetragen.
In der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an:
„BF: […] Mein Lehrer hat mich beleidigt, er sagte, du bist nicht für die Schule geeignet. Wir sind nur Schuhnäher und sind nicht für Bildung geeignet. Es hat mich enttäuscht, sowas zu hören, ich dachte, ich werde die Schule abbrechen, aber ich besuchte die Schule trotzdem weiter. Ich habe die Schule trotz dieser Schwierigkeiten weiter besucht, es gab aber Schwierigkeiten mit den Mitschülern und dem Lehrer. Dann mussten wir mit dem Schulbesuch aufhören, weil wir es uns nicht mehr leisten konnten. […] Dann wie ich bereits früher geschildert habe, wir sind einmal Fußball spielen gegangen, es gab eine Auseinandersetzung und ich wurde verletzt, ich wurde nach Hause gebracht. Mein Onkel hat mich zu jemanden gebracht, der meine Verletzungen behandelt hat. Dann bekam meine Mutter Angst um mich, dass ich schwer verletzt oder getötet werde, deshalb wurde ich nach römisch 40 geschickt. Dort war ich bei meiner Tante vs. Als ich zurück in die Stadt kam, begann ich wieder Fußball zu spielen. Dann, als ich wieder in die Stadt kam, gab es wieder ein Problem mit den Jugendlichen, die mich verletzt haben. Sie haben meiner Mutter gesagt, sie soll mich behalten, ich darf nicht mehr Fußball spielen. Sie sagten, selbst, wenn sie mich umbringen, wird keiner nachfragen. Mein Onkel hat mich dann zu einem Mann gebracht, der Mann hat für mich einen Reisepass organisiert. Er hat ein Foto von mir aufgenommen und den Reisepass besorgt. Dann wurde ich weggeschickt, sie haben meine Mutter bedroht, beim ersten Mal haben sie nur mein Bein gebrochen, beim nächsten Mal werde ich dann umgebracht“ (VP Sitzung 15 f).
Das Vorbringen hinsichtlich der Bedrohung des Beschwerdeführers bzw. seiner Mutter erwähnte er im Rahmen der Beschwerdeverhandlung erstmals, obwohl er vor dem Bundesamt aufgefordert wurde, sein gesamtes Vorbringen umfangreich und detailliert anzugeben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer damit versucht, seinem Vorbringen einen zusätzlichen Aspekt hinzuzufügen. Tatsächlich handelt es sich bei Drohungen, insbesondere bei Todesdrohungen, um sehr einprägsame Ereignisse, die jedenfalls in Erinnerung bleiben würden. Es ist daher nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer diese einprägsamen Ereignisse beim Bundesamt nicht erwähnt hat. Die Angaben des Beschwerdeführers zu Bedrohungen in Somalia sind daher nicht glaubhaft.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht glaubhaft.
2.2.2. Zum behaupteten Abfall vom Islam:
Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende (oder ablehnende) Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (dazu etwa VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0236). Erforderlich ist allerdings, dass der Asylwerber sein Vorbringen zu seinem Religionswechsel gebührend substantiiert. Im Rahmen von Anträgen auf internationalen Schutz, die mit der Furcht vor Verfolgung aus religiösen Gründen begründet werden, sind neben der individuellen Lage und den persönlichen Umständen des Antragstellers u. a. dessen religiöse Überzeugungen und die Umstände ihres Erwerbs, die Art und Weise, in der der Antragsteller seinen Glauben bzw. Atheismus versteht und lebt, sein Verhältnis zu den doktrinellen, rituellen oder regulatorischen Aspekten der Religion, der er nach eigenen Angaben angehört bzw. den Rücken kehren will, seine etwaige Rolle bei der Vermittlung seines Glaubens oder auch ein Zusammenspiel von religiösen Faktoren und identitätsstiftenden, ethnischen oder geschlechtsspezifischen Faktoren zu berücksichtigen vergleiche EuGH 04.10.2018, Rechtssache C-56/17, Fathi, Rz. 82, 84 sowie 88, teilweise m.w.N.).
Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks über den Beschwerdeführer davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seiner behaupteten Apostasie keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen detailliert, konkret und umfassend zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch insbesondere betreffend einen Abfall vom Glauben nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer präsentierte vor Gericht bloß vage Motive für seine Abkehr vom Islam, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum nachvollziehbar ergänzen konnte. Der Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung konkret aufgefordert, insbesondere Zeitpunkt und Auslöser betreffend seine Distanzierung vom Islam zu schildern. Die Angaben des Beschwerdeführers blieben jedoch oberflächlich und vage.
Vorweg ist festzuhalten, dass seitens des Beschwerdeführers weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme beim Bundesamt oder in der Beschwerde diesbezügliche Befürchtungen, wie sie erstmals in der mündlichen Verhandlung am 29.04.2021 thematisiert werden, vorkommen. Der Beschwerdeführer bezeichnete sich sowohl in der Erstbefragung (AS 1) als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt (AS 131) explizit als sunnitischen Moslem. Ausführungen, wonach er diesen Glauben nicht mehr ausüben oder ihn zumindest kritisch hinterfragen würde, traf der Beschwerdeführer von seiner Antragstellung am 30.05.2016 bis zum 29.04.2021 nicht.
Dies ist vor allem vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung anführte, seit dem Jahr 2017 vom Islam abgefallen zu sein, nicht nachvollziehbar. Wäre er tatsächlich im Jahr 2017 vom Glauben abgefallen, hätte er sich in der Einvernahme vor dem Bundesamt im April 2018 nicht explizit als sunnitischen Moslem bezeichnet.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.04.2021 gab der Beschwerdeführer zu seiner Religionszugehörigkeit befragt an, dass er jetzt an nichts glaube. Er könne nicht sagen, dass er Moslem sei, er könne aber auch nicht sagen, dass er kein Moslem sei (VP Sitzung 7). Auch diese vagen und ausweichenden Angaben des Beschwerdeführers machen nicht den Eindruck, als würde beim Beschwerdeführer eine religiöse Überzeugung betreffend einen Abfall vom Islam vorliegen. Es liegt beim Beschwerdeführer daher keine ablehnende Glaubensüberzeugung vor. Tatsächlich behauptete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung einen Abfall vom Islam um seine Chancen im Asylverfahren zu steigern.
Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass der Beschwerdeführer keinen besonderen Anlass oder nachvollziehbare Angaben zu den inneren Beweggründen für seinen vermeintlichen Abfall vom Islam anzugeben vermochte:
„R: Dh., Sie meinen, Sie sind vom Islam abgefallen?
BF: Hier kann ich so leben, wie ich es will, nicht so wie dort, dort konnte ich solche Dinge nicht sagen, sonst hätte man mich zur lebenslangen Haft verurteilt oder sowas.
R: Welche Dinge konnten Sie nicht sagen?
BF: Dass man keine Freundin haben darf, wenn man noch nicht verheiratet ist. Man darf unverheiratet keinen Sex haben.
R: Sind Sie vom Islam abgefallen?
BF: Ich finde nicht, dass ich was Falsches gemacht habe, aber ich habe Angst, wenn ich heute sage, dass ich vom Islam abgefallen bin, dass ich Probleme bekomme.
R belehrt den BF, dass das BVwG keine Daten an dritte Personen weitergibt.
R: Sind Sie vom Islam abgefallen?
BF: Ja. Ich glaube daran, dass ich das Recht habe, eine Freundin zu haben, Alkohol zu trinken. […]
R: Gab es irgendeinen besonderen Anlass, der Sie dazu gebracht hat, vom Islam abzufallen? BF: Ja, mir sind schlimme Dinge passiert, vor allem, als ich klein war. Einige Dinge kann ich erzählen, andere glaube ich nicht, dass ich heute erzähle“ (VP Sitzung 7 f).
Eine ablehnende Glaubensüberzeugung ist aus den vagen und sehr ausweichenden Angaben des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Es macht für das Gericht den Eindruck, dass der Beschwerdeführer ausschließlich zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltsrechts in Österreich diese Angaben gemacht hat. Der Beschwerdeführer ist tatsächlich nicht vom Islam abgefallen.
Der Beschwerdeführer ist nach seinen eigenen Angaben nicht aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Ein religionskritisches oder spezifisch gegen den Islam gerichtetes Verhalten ist ebenso nicht zu erkennen.
Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer religiös zwar aktuell wenig interessiert ist, der Abfall vom Islam aber insgesamt nicht glaubhaft war und ausschließlich zum Schein und nur zur Erlangung eines Aufenthaltstitels im Asylverfahren behauptet wurde.
Hinsichtlich seiner Scheinkonversation ist zudem anzumerken, dass keinen Personen in Somalia bekannt ist, dass der Beschwerdeführer im Asylverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben hat, dass er vom Islam abgefallen sei. Der Beschwerdeführer gab an, dass er selbst in der mündlichen Verhandlung nicht angeben möchte, dass er vom Islam abgefallen sei, da er Angst habe, dass er deswegen Probleme bekomme (VP Sitzung 7f). Er gab auch an, dass er nicht offiziell aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten sei. Er behauptete auch, dass er zu keinen Personen in Somalia mehr Kontakt habe – auch wenn dies, wie oben bereits dargelegt, nicht glaubhaft ist. Es ist daher kein Grund ersichtlich, dass der in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Erlangung eines Asyltitels behauptete Abfall vom Islam anderen Personen, insbesondere in Somalia, bekannt sein sollte.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Somalia und einer Ansiedlung in seiner Heimatstadt Hargeysa ergeben sich aus den o.a. Länderberichten.
Die sichere Erreichbarkeit von Somaliland bzw. Hargeysa ist über den Flughafen von Hargeysa gewährleistet. Dieser Flughafen ist über den internationalen Flughafen in Mogadischu oder per Linienflug aus Dubai, Jeddah, Addis Abeba und Dschibuti erreichbar. Rückführungen werden aber meist über Mogadischu mit Weiterreise nach Hargeysa durchgeführt. Es finden keine Einreise- oder Ausreisekontrollen an den Grenzen statt.
Die Sicherheitslage in Somaliland ist stabil. Überhaupt ist Somaliland der stabilste Teil Somalias. Es gibt eine funktionierende Wirtschaft mit eigener Währung, eine eigene Regierung, eine Polizei und ein eigenes Rechtssystem. Es ist dort auch vergleichsweise friedlich. Friede und politische Stabilität wurden 1997 erlangt. Die Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle und Souveränität aus und kann dort regieren und Vorhaben umsetzen. Nur das Randgebiet zu Puntland und einige sehr entlegene ländliche Gebiete sind davon ausgenommen.
Die Sicherheitskräfte können in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa, Berbera, Borama und Burco. Diese Gebiete sind relativ sicher. Somaliland ist damit das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler.
Mit internationaler Hilfe ist es gelungen, Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren. Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten. Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clankonflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig.
Für die urbane Bevölkerung in Hargeysa gilt IPC-Stufe 2 (stressed), für IDP-Lager in Hargeysa gilt IPC-Stufe 3 (crisis).
Ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen ist für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist. Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration hängt in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person ab. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem, wenn sie aus dem Westen zurückkehren. Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise; die Dauer der Abwesenheit; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht.
Da der Beschwerdeführer in Hargeysa geboren ist und dort bis zu seiner Ausreise gelebt hat, ist er mit den somalischen Gepflogenheiten vertraut. Zudem spricht er Somalisch als Muttersprache. Ihm ist die Stadt Hargeysa bekannt, da er dort den Großteil seines Lebens verbracht hat und er verfügt über Ortskenntnisse. Ihm sind daher auch städtische Strukturen bekannt, sodass er sich dort zurechtfinden kann.
Der Beschwerdeführer verfügt über eine Schulausbildung. Der Beschwerdeführer kann bei einer Rückkehr nach Hargeysa wieder im Haus seiner Familie wohnen.
Er leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten und ist arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer kann in Hargeysa selbst einer Arbeit nachgehen und sich den Lebensunterhalt verdienen.
Der Beschwerdeführer kann zudem von seinem Clan unterstützt werden. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten, trotz der durch die Corona-Pandemie bedingten wirtschaftlichen Erschwernisse und der damit für Rückkehrer verbundenen Probleme in der Stadt Hargeysa ansiedeln kann und sich dort wieder eine Existenz ohne unbillige Härten aufbauen kann.
Es ist dem Beschwerdeführer daher möglich sich in Hargeysa anzusiedeln und sich dort – nach anfänglichen Schwierigkeiten – ein Leben ohne unbillige Härten aufzubauen.
2.6. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer und -titel, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage vergleiche insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm im Verfahren vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen ergeben sich dadurch, dass der Beschwerdeführer die in der Verhandlung auf Deutsch gestellten einfachen und nicht übersetzten Fragen verstanden hat (VP Sitzung 12).
Dass der Beschwerdeführer weder Verwandte noch wesentliche freundschaftliche Kontakte in Österreich hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung (VP Sitzung 14). Der Beschwerdeführer gab an, seinem Nachbarn – einem älteren Herren – regelmäßig zu helfen und ein paar Freunde im Ort zu haben. Allein aus dem regelmäßigen Kontakt kann keine Abhängigkeit und feste Beziehungsintensität abgeleitet werden. Weitere Umstände, die auf eine Abhängigkeit des Beschwerdeführers zu anderen Personen hindeuten würden, hat der Beschwerdeführer weder vorgebracht noch sind solche im Verfahren hervorgekommen. Im gegenständlichen Fall konnte das Gericht daher keine zu berücksichtigende Abhängigkeit des Beschwerdeführers zu anderen Personen erkennen.
Dass der Beschwerdeführer von der Grundversorgung lebt, ist einem Speicherauszug des Betreuungsinformationssystems sowie seiner diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen (Beilage ./I., VP Sitzung 13). Dass der Beschwerdeführer ehrenamtlich in auf einem Friedhof Gärtnerarbeiten durchgeführt hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung (VP Sitzung 13).
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. Paragraph 3, Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
Paragraph 3, (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß Paragraphen 4,, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 23,) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (Paragraph 6,) gesetzt hat.
…“
3.1.2. Flüchtling im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.3. Eine Diskriminierung und Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat aufgrund seiner behaupteten Zugehörigkeit zum Clan der Gabooye konnte nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer gehört keinem Minderheitenclan, sondern einem Mehrheitsclan an.
3.1.4. Es konnte weder ein Abfall vom Islam noch eine gegenüber dem Islam feindliche oder kritische Haltung beim Beschwerdeführer festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist auch weiterhin sunnitischer Moslem. Es ist zudem keinen Personen in Somalia bekannt, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung im Asylverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Erlangung eines Asyltitels behauptet hat, dass er vom Islam abgefallen sei.
3.1.5. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht.
Da insgesamt weder eine individuell-konkrete Verfolgung, eine Gruppenverfolgung oder Verfolgungsgefahr noch eine begründete Furcht festgestellt wurden, liegen die Voraussetzungen des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG nicht vor.
Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zu Somalia erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
3.2.1. Paragraph 8, AsylG lautet auszugsweise:
„Status des subsidiär Schutzberechtigten
Paragraph 8, (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Absatz eins, ist mit der abweisenden Entscheidung nach Paragraph 3, oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Paragraph 7, zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11,) offen steht.
…“
3.2.2. Gemäß Artikel 2, Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573).
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Artikel 3, EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH vom 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).
Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird vergleiche EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).
Es obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Artikel 3, EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht für den Asylwerber nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu berufen (VwGH vom 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH vom 25.04.2017, Ra 2016/01/0307; VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134).
Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG) offensteht.
3.2.3. Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage scheint eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Somalia im Hinblick auf die regional differenzierende Sicherheitslage auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts wieder in seine Heimatstadt Hargeysa zurückkehren:
Die sichere Erreichbarkeit von Hargeysa ist über den Flughafen von Hargeysa gewährleistet. Dieser Flughafen ist über den internationalen Flughafen in Mogadischu oder per Linienflug aus Dubai, Jeddah, Addis Abeba und Dschibuti erreichbar. Rückführungen werden aber meist über Mogadischu mit Weiterreise nach Hargeysa durchgeführt. Es finden keine Einreise- oder Ausreisekontrollen an den Grenzen statt.
Die Sicherheitslage in Somaliland ist stabil. Überhaupt ist Somaliland der stabilste Teil Somalias. Es gibt eine funktionierende Wirtschaft mit eigener Währung, eine eigene Regierung, eine Polizei und ein eigenes Rechtssystem. Es ist dort auch vergleichsweise friedlich.
Die Situation in Hargeysa ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre vergleiche EGRM vom 10.09.2015 R.H. gegen Schweden, Nr. 4601/14). Im konkreten Fall ist nicht ersichtlich, dass exzeptionellen Umstände vorliegen würden, die eine Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Gegebenheiten in Hargeysa hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage gemäß Artikel 3, EMRK unzulässig scheinen lassen.
Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der somalischen Bevölkerung in Hargeysa dennoch zumindest grundlegend gesichert.
Der Beschwerdeführer verfügt über Schulbildung, ist arbeitsfähig sowie im erwerbsfähigen Alter. Er hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Hargeysa verbracht, wodurch er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist. Zudem spricht der Beschwerdeführer die Landessprache Somalilands als Muttersprache. Der Beschwerdeführer ist gesund und verfügt in Hargeysa nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie auch in regelmäßigen Kontakt. Er kann auch von seinem Clan Unterstützung erhalten.
3.2.4. Auch unter Berücksichtigung der Covid-19-Pandemie ergibt sich hierzu keine andere Beurteilung. Dass der Beschwerdeführer derzeit an einer Covid-19-Infektion leiden würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit Covid-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 39 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1%. Es fehlen daher bei einer Infektion mit Covid-19 die geforderten außergewöhnlichen Umstände im Sinn des Artikel 3, EMRK.
Es haben sich bei dem Beschwerdeführer zudem keine besonderen Immunschwäche-erkrankungen oder sonstige lebensbedrohliche Erkrankungen ergeben. Es gehört der Beschwerdeführer daher keiner Risikogruppe an. Es wurde von dem Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht, dass er wegen der derzeitigen Covid-19-Pandemie besonders gefährdet oder einer Risikogruppe zugehörig wäre.
In jedem Fall setzt eine durch die Lebensumstände im Zielstaat bedingte Verletzung des Artikel 3, EMRK aber eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr voraus. Die bloße Möglichkeit eines dem Artikel 3, EMRK widersprechenden Nachteils reicht hingegen nicht aus, um Abschiebungsschutz zu rechtfertigen (VwGH vom 06.11.2009, 2008/19/0174). Nach der derzeitigen Sachlage wäre daher eine mögliche Ansteckung des Beschwerdeführers in Somalia mit Covid-19 und ein diesbezüglicher außergewöhnlicher Krankheitsverlauf allenfalls spekulativ. Eine reale und nicht auf Spekulationen gegründete Gefahr ist nicht zu erkennen.
3.2.5. Dem Beschwerdeführer ist es daher aufgrund der dargelegten Umstände möglich, sich in Hargeysa – etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten - eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.
3.2.6. Die Angaben des Beschwerdeführers legen somit eine Exzeptionalität der Umstände oder eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers nicht dar.
Ziel des Refoulementschutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es die Rückkehr nach Somalia sein kann, zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben. Der Beschwerdeführer hat für seinen Einzelfall keine individuellen, konkret seine Person treffenden exzeptionellen Umstände aufgezeigt bzw. diese glaubhaft gemacht.
Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist diesem eine Ansiedlung in Hargeysa trotz der COVID-19-Pandemie möglich und auch zumutbar.
3.2.7. Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.
3.3. Spruchpunkt römisch III. des angefochtenen Bescheides – Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG
3.3.1. Paragraph 57, AsylG lautet auszugsweise:
„Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz
Paragraph 57, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, …,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
…“
3.3.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des Paragraph 57, FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.
3.3.3. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.
3.4. Spruchpunkt römisch IV. des angefochtenen Bescheides - Rückkehrentscheidung
3.4.1. Paragraph 52, Fremdenpolizeigesetz (FPG), Paragraph 9, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG), und Paragraphen 58, Absatz 2 und 52 AsylG lauten auszugsweise:
„Rückkehrentscheidung (FPG)
Paragraph 52, …
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn,
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird,
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
…“
„Schutz des Privat- und Familienlebens (BFA-VG)
Paragraph 9, (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
…“
„Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln
Antragstellung und amtswegiges Verfahren (AsylG)
Paragraph 58, …
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
…“
„Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, EMRK (AsylG)
Paragraph 55, (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn,
1. dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
…“
3.4.2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.
Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.
Unter „Privatleben“ im Sinne von Artikel 8, EMRK sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554).
Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Artikel 8, EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (VwGH vom 25.04.2018, Ra 2018/18/0187). Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so muss die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich sein, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (VwGH vom 18.09.2019). Die Kombination aus Fleiß, Arbeitswille, Unbescholtenheit, dem Bestehen sozialer Kontakte in Österreich, dem verhältnismäßig guten Erlernen der deutschen Sprache sowie dem Ausüben einer Erwerbstätigkeit stellt bei einem Aufenthalt von knapp vier Jahren im Zusammenhang mit der relativ kurzen Aufenthaltsdauer keine außergewöhnliche Integration dar (VwGH vom 18.09.2019, Ra 2019/18/0212). Es ist im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH vom 28.02.2019, Ro 2019/01/003).
Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben (VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407).
3.4.3. Da der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Artikel 8, EMRK auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.
3.4.4. Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen und somit illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung im Mai 2016, somit seit fünf Jahren, im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer durfte sich in Österreich bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war.
Der Beschwerdeführer verfügt über durchschnittliche Deutschkenntnisse und hat – abgesehen von Deutschkursen – keine Bildungsmaßnahmen in Anspruch genommen und ist weder Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Er ging einige Monate einer freiwilligen Tätigkeit als Gartenarbeiter nach. Er bezieht die staatliche Grundversorgung, er ist am Arbeitsmarkt nicht integriert und bezieht Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat auch keine wesentlichen freundschaftlichen Beziehungen zu Österreichern, verfügt weder über Verwandte noch sonstige enge soziale Bindungen in Österreich.
Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seiner privaten Kontakte ist dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste.
Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen.
Es ist auch nach wie vor von einer engen Bindung des Beschwerdeführers nach Somalia auszugehen, zumal er dort den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat. Er wurde in Somalia sozialisiert. Er spricht auch die Landessprache als Muttersprache. Hinzu kommt, dass er nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte in Hargeysa hat.
3.4.5. Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber.
Bei Gesamtbetrachtung all der oben behandelten Umstände und der Abwägung dieser im Sinne des Paragraph 9, BFA-VG ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Artikel 8, EMRK nicht vorliegt. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG in Verbindung mit Artikel 8, EMRK dar. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden oder die die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG erforderlich machen würden.
Der Beschwerdeführer hat weder behauptet über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen, noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.
Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.
3.4.6. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.
3.5. Spruchpunkt römisch fünf. des angefochtenen Bescheides – Zulässigkeit der Abschiebung
3.5.1. Paragraphen 52, Absatz 9 und 50 FPG lauten auszugsweise wie folgt:
„Rückkehrentscheidung
Paragraph 52, …
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß Paragraph 46, in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
…
Verbot der Abschiebung
Paragraph 50, (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Artikel 2, oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33, Ziffer eins, der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
…“
3.5.2. Die Voraussetzungen des Paragraph 50, Absatz eins, FPG entsprechen jenen des Paragraph 8, Absatz eins, AsylG. Die Voraussetzungen des Paragraph 50, Absatz 2, FPG entsprechen jenen des Paragraph 3, Absatz eins, AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint.
Es besteht auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, welche eine Abschiebung nach Somalia für unzulässig erklärt. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia ist daher zulässig.
3.5.3. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.
3.6. Spruchpunkt römisch VI. des angefochtenen Bescheides – Ausreisefrist
3.6.1. Paragraph 55, FPG lautet auszugsweise:
„Frist für die freiwillige Ausreise
Paragraph 55, (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
…
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.“
3.6.2. Besondere Umstände im Sinne des Paragraph 55, Absatz 2, FPG sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden, weshalb die von der belangten Behörde gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.
3.6.3. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
ECLI:AT:BVWG:2021:W251.2214514.1.00