Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum

11.05.2021

Geschäftszahl

W242 1439313-2

Spruch


W242 1439312-2/11E

W242 1439313-2/12E

W242 1439315-2/8E

W242 1439314-2/8E

W242 2007729-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerden des 1.) römisch 40 , geb. römisch 40 , der 2.) römisch 40 , geb. römisch 40 , des 3.) römisch 40 , geb. römisch 40 , des 4.) römisch 40 , geb. römisch 40 , und des 5.) römisch 40 alias römisch 40 , geb. römisch 40 , alle StA. Armenien, der minderjährige Viertbeschwerdeführer und der minderjährige Fünftbeschwerdeführer vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin, alle vertreten durch Dr. römisch 40 , Rechtsanwalt in römisch 40 , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 2017, 1.) Zl. römisch 40 , 2.) Zl. römisch 40 , 3.) Zl. römisch 40 , 4.) Zl. römisch 40 , und 5.) Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.03.2021, zu Recht:

A)           I.           Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide sowie die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 werden als unbegründet abgewiesen.
II.              Im Übrigen wird den Beschwerden stattgegeben, die Bescheide hinsichtlich der Rückkehrentscheidungen, der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie der Spruchpunkte römisch III. der angefochtenen Bescheide aufgehoben, eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer für auf Dauer unzulässig erklärt und römisch 40 , römisch 40 und römisch 40 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ sowie römisch 40 und römisch 40 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ jeweils für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)           Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

römisch eins. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2), beide armenische Staatsangehörige, sind verheiratet und die Eltern des Drittbeschwerdeführers (im Folgenden: BF3) sowie des minderjährigen Viertbeschwerdeführers (im Folgenden: BF4) und des minderjährigen Fünftbeschwerdeführers (im Folgenden: BF5).

Die BF2 reiste gemeinsam mit dem minderjährigen BF4 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte für sich und den BF4 am 06.07.2013 Anträge auf internationalen Schutz.

Am 21.08.2013 reiste auch der BF1 gemeinsam mit dem zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen BF3 nach Österreich und stellten sie am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz.

Hierzu wurden der BF1 und die BF2 erstbefragt und vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheiden vom 25.11.2013 die Anträge des BF1, der BF2, des BF3 und des BF4 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch II.) ab. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, AsylG 2005 wies das Bundesasylamt die Familie aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Armenien aus (Spruchpunkt römisch III.).

Für den am römisch 40 in Österreich geborenen BF5 wurde vom BF1 als gesetzlichen Vertreter ein schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, welcher am 07.03.2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2014 wurden die Beschwerden des BF1, der BF2, des BF3 und des BF4 gemäß Paragraph 3, AsylG abgewiesen. Gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG wurde den Beschwerden gegen die Spruchpunkte römisch II. und römisch III. der erstinstanzlichen Entscheidungen stattgegeben, die bekämpften Bescheide diesbezüglich behoben und zur neuerlichen Feststellung des Sachverhaltes und Erlassung eines neuen Bescheides hinsichtlich Paragraphen 8, Absatz eins,, 10 AsylG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Mit Bescheid vom 22.04.2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des BF5 auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ab und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II.). Gemäß Paragraphen 57 und 55 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel nicht erteilt und gemäß Paragraph 10, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG erlassen sowie die Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG mit 14-tägiger Frist gemäß Paragraph 55, FPG für zulässig erklärt (Spruchpunkt römisch III.).

Mit Erkenntnis vom 25.08.2014 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 3, AsylG 2005 als unbegründet ab, behob gemäß Paragraph 28, Absatz 5, VwGVG die Spruchpunkte römisch II. und römisch III. betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 sowie die Rückkehrentscheidung und verwies die Rechtssache diesbezüglich zur neuerlichen Feststellung des Sachverhaltes und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück.

Am 28.09.2017 wurden der BF1 und die BF2 erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Dabei gab der BF1 an, dass der BF4 eine Treppe hinuntergeworfen worden, deshalb mehrfach operiert worden und linksseitig gelähmt sei. Der BF4 erhalte zweimal wöchentlich Massagen, Physiotherapie und eine logopädische Therapie. Medikamente benötige er nicht. Er selbst und die BF2 hätten am 21.04.2001 kirchlich geheiratet, eine standesamtliche Trauung habe nicht stattgefunden. Er habe in Armenien die Volksschule und eine berufsbildende höhere Schule besucht, anschließend seinen Wehrdienst abgeleistet und von 2003 bis 2011 als Berufssoldat gearbeitet. Er habe in Armenien, eine Schwester, die in einem psychiatrischen Krankenhaus behandelt werde sowie mehrere Verwandte. Zudem habe er Verwandte in Moskau und in Georgien. Er sei beim Roten Kreuz, bei der Kirche seiner Wohnsitzgemeinde sowie bei der Caritas ehrenamtlich tätig und beziehe Leistungen aus der Grundversorgung.

Die BF2 wiederholte die Angaben des BF1 zum BF4 und führte ergänzend aus, dass sie in Armenien zunächst die Grundschule und anschließend ein pädagogisches College besucht habe. Sie sei Volksschullehrerin, habe allerdings nur Privatunterricht in Form von Nachhilfe erteilt. Sie habe einen Bruder, der arbeitslos sei und bei ihren Eltern lebe, zwei Schwestern sowie mehrere Tanten und Onkel in Armenien. Zuletzt habe sie bei ihren Eltern gelebt. Sie spreche Deutsch auf Niveau B1, besuche derzeit einen Schneiderkurs, beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und engagiere sich ehrenamtlich beim Roten Kreuz, bei der Kirche sowie bei der Caritas.

Mit den angefochtenen Bescheiden wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien ab (Spruchpunkt römisch eins.), erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei (Spruchpunkt römisch II.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Armenien in eine lebensbedrohende Notlage geraten würden. In Armenien bestehe auch keine derartige Gefahrenlage, dass geradezu jeder einer konkreten Gefahr der Verletzung von Artikel 3, EMRK ausgesetzt sei. Bei den vom BF4 benötigten medizinischen Behandlungen (Massagen, Physiotherapie, logopädische Therapie) handle es sich um keine aufwändige medizinische Betreuung und seien diese auch in Armenien verfügbar. Der BF1 und die BF2 seien erwerbsfähig, weshalb nicht anzunehmen sei, dass die vom BF4 benötigten Therapien sie an den Rand des Existenzminimums brächten. Zudem könnten die Beschwerdeführer auf ein familiäres Auffangnetz in Armenien zurückgreifen. Die Beschwerdeführer würden sich seit vier Jahren in Österreich aufhalten, seien alle gleichermaßen von einer Rückkehrentscheidung betroffen, hätten darüber hinaus keine familiären Bindungen in Österreich und auch keine besondere Integration dargelegt, zumal sie in einer Asylunterkunft wohnen würden, Leistungen aus der Grundversorgung beziehen würden und weder der BF1 noch die BF2 einer legalen Erwerbstätigkeit nachgehe. Demgegenüber hätten die Beschwerdeführer in Armenien ein familiäres Netzwerk und seien der BF3, der BF4 und der BF5 in einem anpassungsfähigen Alter, weshalb die Rückkehr nach Armenien nicht mit unzumutbaren Härten verbunden sei. Insgesamt überwiege daher das öffentliche Interesse am geordneten Fremdenwesen gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführer am weiteren Verbleib in Österreich.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang und brachten vor, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung, die der BF4 durch einen Sturz aus dem zweiten Stock eines Hauses im Jahr 2011 erlitten habe, auseinandergesetzt habe und mit einer fachgerechten Behandlung erst in Österreich und viel zu spät begonnen worden sei. Eine Stelle an seinem Kopf sei durch die Verletzungsfolgen immer noch nicht vollständig verheilt. Zudem bestehe sonderpädagogischer Förderbedarf und werde er in einer speziellen Klasse mit speziellen Lehrern unterrichtet. Ein Abbruch seiner Behandlung und Betreuung sei mit massiven negativen Folgen für seine Gesundheit und sein späteres Fortkommen verbunden. Zum Beweis dafür, dass die Abschiebung mit unzumutbaren gesundheitlichen Risiken verbunden wäre, werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Entwicklungspsychologie, Orthopädie und Neurologie beantragt. Das Asylverfahren sei bereits seit mehr als vier Jahren anhängig und hätten sie sich spätestens seit der Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten sowie der Rückkehrentscheidung Hoffnungen auf einen weiteren Verbleib in Österreich machen dürfen. Der BF1 und die BF2 hätten in Österreich standesamtlich geheiratet, was vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht berücksichtigt worden sei.

Am 09.11.2017 wurden für die Beschwerdeführer von der armenischen Botschaft Heimreisezertifikate ausgestellt.

Am 07.12.2017 übermittelten die Beschwerdeführer eine dem BF1 vom Roten Kreuz ausgestellte Fahrberechtigung für Einsatzfahrzeuge sowie Arbeitsvorverträge des BF1 und der BF2.

Am 24.05.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine der BF2 für den Zeitraum 02. bis 31.05.2018 vom AMS ausgestellte Beschäftigungsbewilligung ein.

Am 25.05.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Mitteilung des AMS übermittelt, aus der hervorgeht, dass der BF2 neben der übermittelten Beschäftigungsbewilligung für Mai 2018 eine weitere Beschäftigungsbewilligung für den Zeitraum 01.06.2018 bis 31.10.2018 ausgestellt worden sei.

Am 23.12.2020 langten beim Bundesverwaltungsgericht Bestätigungen über die Mitgliedschaft der Beschwerdeführer in der Freien Christengemeinde ein.

Mit Schreiben vom 23.02.2021 gewährte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern die Möglichkeit, binnen einer Woche ab Zustellung des Schreibens die Einvernahme von Zeugen zu beantragen sowie die als Beweismittel beabsichtigten Urkunden und Dokumente im Original sowie in Kopie vorzulegen, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass fremdsprachigen Dokumenten beglaubigte Übersetzungen in die deutsche Sprache anzuschließen sind.

Am 04.03.2021 übermittelten die Beschwerdeführer diverse Unterlagen zu ihrer Integration sowie medizinische Unterlagen des BF4.

Am 10.03.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für Armenisch sowie des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der BF1, die BF2 und der BF3 ausführlich zu ihrer Identität und Herkunft, ihren persönlichen Lebensumständen sowie ihrer Integration in Österreich befragt wurden.

römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten. Ihre Identität steht fest. Sie sind armenische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Armenier an und bekennen sich zum Christentum. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Armenisch. Der BF1 und die BF2 sind verheiratet. Der volljährige BF3, der minderjährige BF4 und der minderjährige BF5 sind ihre gemeinsamen Söhne.

Der BF1 und die BF2 besuchten in Armenien die Grundschule. Der BF1 schloss anschließend eine berufsbildende höhere Schule ab. Die BF2 besuchte ein pädagogisches College und ist Volksschullehrerin. In ihrem Beruf hat die BF2 nie gearbeitet, gab jedoch mehrere Jahre Nachhilfe. Der BF1 und die BF2 waren vor ihrer Ausreise in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu sichern. Die finanzielle Situation der Familie war gut.

Der BF3 und der BF4 wurden in Armenien geboren. Der BF3 besuchte bis zur zweiten Klasse die Schule in Armenien.

Der BF1 und die BF2 lebten bis zur Ausreise des BF1 und des BF3 im Jahr 2011 gemeinsam mit dem BF3 und dem BF4 in einer Eigentumswohnung. Anschließend lebten der BF1 und der BF3 zwei Jahre in der Ukraine, wo der BF1 Kisten für Marillen herstellte. Im Jahr 2011 verkaufte die BF2 die Eigentumswohnung und lebte mit dem BF4 abwechselnd bei verschiedenen Verwandten sowie zuletzt bei ihren Eltern.

Der BF1 hat in Armenien eine Schwester, die in einem psychiatrischen Krankenhaus betreut wird und erkundigt sich bei ihrer behandelnden Ärztin regelmäßig über ihren Gesundheitszustand. Zu seiner Halbschwester, die ebenfalls in Armenien lebt, besteht kein Kontakt. Die BF2 hat in Armenien ihre Eltern, einen Bruder und zwei Schwestern, zu denen regelmäßiger Kontakt besteht.

Der BF1, die BF2, der BF3 und der BF5 sind gesund. Der BF4 leidet an einer infantilen spastischen Hemiparese links, einer Artikulationsstörung bei Zweisprachigkeit, einer kombinierten umschriebenen Entwicklungsstörung, einer skoliotischen Fehlhaltung und einem Beckenschiefstand. Der Behinderungsgrad des BF4 beträgt 70 %. Er wurde vor seiner Ausreise in Armenien im Jahr 2011 am Schädel operiert, erhielt anschließend vorübergehend Physiotherapie und trug NH-Orthesen. Im Jahr 2012 wurde der BF4 ein weiteres Mal in Armenien operiert. In Österreich wurde der BF4 im Jahr 2014 am linken Bein operiert, erhielt zuletzt von 11.11. bis 09.12.2020 eine stationäre Therapie und wird seit 2013 durchgehend ambulant behandelt. Derzeit erhält er jeweils einmal wöchentlich Physio- und Ergotherapie sowie zusätzlich logopädische Förderung. Die behandelnden Ärzte empfehlen für die Zukunft die Fortsetzung der Physio- und Ergotherapie sowie regelmäßige Rehabilitationsmaßnahmen. Die Erkrankungen des BF4 erreichen nicht das Ausmaß einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Gesundheitsbeeinträchtigung, sind in Armenien behandelbar und für den BF4 kostenlos zugänglich.

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die BF2 reiste gemeinsam mit dem minderjährigen BF4 im Juli 2013 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 06.07.2013 Anträge auf internationalen Schutz.

Der BF1 und der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige BF3 reisten im August 2013 unter Umgehung der Grenzkontrollen von der Ukraine nach Österreich und stellten am 21.08.2013 Anträge auf internationalen Schutz.

Der BF5 wurde am römisch 40 im Bundesgebiet geboren.

Am 15.08.2017 heirateten der BF1 und die BF2 in Österreich standesamtlich.

Die Beschwerdeführer leben gemeinsam in einer Mietwohnung und beziehen Leistungen aus der Grundversorgung.

Der BF1 hat am 15.10.2016 die ÖSD-Prüfung auf Sprachniveau A2 bestanden, spricht jedoch kaum Deutsch. Er besitzt einen Führerschein, nahm an einem 16-stündigen Erste-Hilfe-Grundkurs teil, ist seit 15.02.2017 einmal wöchentlich als freiwilliger Mitarbeiter des Roten Kreuzes bei Essen auf Rädern tätig, war von November 2013 bis Dezember 2016 freiwillige Aushilfskraft im Förderzentrum römisch 40 , verrichtet seit zumindest Juli 2017 regelmäßig ehrenamtliche Tätigkeiten in der Pfarre römisch 40 und kann eine Einstellungszusage als Hilfsarbeiter bei einem Fliesenlegerbetrieb im Ausmaß von 25 Stunden pro Woche vorweisen.

Die BF2 bestand am 19.12.2015 die ÖIF-Deutschprüfung auf Niveau B1 und kann eine einfache Unterhaltung auf Deutsch führen. Sie ist seit 01.11.2015 einmal wöchentlich als freiwillige Mitarbeiterin des Roten Kreuzes bei Essen auf Rädern tätig, absolvierte im Jahr 2015 einen 16-stündigen Erste-Hilfe-Grundkurs, betreute von 03.09.2014 bis 30.11.2016 einmal wöchentlich ehrenamtlich eine Spielgruppe, war von November 2013 bis Dezember 2016 freiwillige Aushilfskraft im Förderzentrum römisch 40 , arbeitete von Mai bis einschließlich Oktober 2018 sowie von Juni bis einschließlich Oktober 2019 als Küchenhilfe in einem Gastronomiebetrieb, wofür ihr jeweils vom AMS eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde und besitzt eine Einstellungszusage als Reinigungskraft bei einem Fliesenlegerbetrieb im Ausmaß von 18 Stunden pro Woche.

Der BF3 spricht Deutsch auf muttersprachlichem Niveau, besuchte am 06. und 07.11.2019 Schnuppertage in einem Installateurbetrieb, war von März 2015 bis Ende 2019 Ministrant in der Pfarre seiner Wohnsitzgemeinde, ist ebenfalls als freiwilliger Mitarbeiter des Roten Kreuzes bei Essen auf Rädern tätig und besucht regelmäßig mit seinen Freunden ein Jugendzentrum, von dessen Mitarbeitern er als höflich, hilfsbereit, aufgeschlossen, beliebt und sehr gut integriert wahrgenommen wird. Der BF3 besuchte im Schuljahr 2013/2014 als außerordentlicher Schüler die vierte Klasse Volksschule. Im Schuljahr 2016/2017 sowie 2017/2018 besuchte er jeweils die dritte Klasse der Neuen Mittelschule und wurde im Unterrichtsgegenstand Deutsch jeweils positiv bewertet. Im Schuljahr 2018/2019 schloss der BF3 die vierte Klasse der Neuen Mittelschule positiv ab. Seit dem Schuljahr 2020/2021 geht er in die erste Klasse der Fachschule für wirtschaftliche Berufe. Im ersten Semester wurde der BF3 in allen Fächern positiv bewertet.

Der BF4 kann sich auf Deutsch im Sinne einer einfachen Alltagskommunikation ausdrücken. Während seines letzten Rehaaufenthaltes im Herbst 2020 konnte seine Erzählfähigkeit etwas verbessert werden. Der BF4 nahm am 30.06.2014, 10.08.2016 und 02.08.2018 an Special Olympics Wettbewerben teil, empfing im Jahr 2016 in der Pfarre seiner Wohnsitzgemeinde die Erstkommunion und ist Mitglied der katholischen Jungschar. Er besuchte ab Herbst 2013 eine Integrationsklasse der Volksschule und wechselte im Schuljahr 2014/2015 in die Förderklasse. Derzeit besucht er die vierte Schulstufe der Sonderschule und beendete das letzte Semester mit lauter Einsern und Zweiern. Seine Lehrerin beschreibt ihn als wissbegierigen, pflichtbewussten Schüler, der kontaktfreudig und kommunikativ ist und mit seinen Mitschülern einfühlsam, respektvoll und zuvorkommend umgeht.

Der BF5 kennt alle in der Schule erlernten Buchstaben der deutschen Sprache und versteht den Inhalt von Gelesenem sehr gut. Beim Sprechen und freien Schreiben hat er teilweise Schwierigkeiten mit den Artikeln und der Satzstellung, besucht jedoch den Sprachförderunterricht in seiner Schule und macht dort große Fortschritte. Er wurde am 19.07.2014 in der Pfarre seiner Wohnsitzgemeinde getauft, besuchte ab 2017 den Kindergarten und geht seit September 2020 in die erste Klasse Volksschule. Im ersten Semester erhielt er lauter Einser und Zweier. Seine Lehrerin beschreibt ihn als aufgeweckten und kontaktfreudigen Schüler, der in die Klassengemeinschaft gut integriert ist.

Die Beschwerdeführer haben sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, sind in die Dorfgemeinschaft ihrer Wohnsitzgemeinde gut integriert, pflegen regelmäßig Kontakt zu Ortsansässigen, besuchen sonntags regelmäßig die Gottesdienste der katholischen Kirche ihrer Wohnsitzgemeinde, sind zusätzlich seit 2017 Mitglieder der Freien Christengemeinde und nehmen sonntags regelmäßig auch an deren Gottesdiensten teil.

Der BF1, die BF2, der BF3 und der BF4 sind in Österreich unbescholten, der BF5 ist strafunmündig.

Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Die Beschwerdeführer sind im Falle der Rückkehr nicht der Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK ausgesetzt.

Der BF1 und die BF2 sind im Falle der Rückkehr nach Armenien in der Lage, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, für sich, den BF3, den BF4 und den BF5 zu befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten. Die Fortsetzung der medizinischen Behandlung und Therapie des BF4 ist in Armenien möglich und kostenfrei zugänglich.

Zudem können die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr auf die Unterstützung der Eltern, Schwestern und sonstigen Verwandten der BF2 zurückgreifen.

Zur maßgeblichen Situation in Armenien:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Version 6 vom 24.02.2021) wiedergegeben:

COVID-19

Letzte Änderung: 24.02.2021

Informationen zur COVID-19-Situation in Armenien werden hauptsächlich in diesem Kapitel ihren Eingang finden. Vereinzelte Informationen finden sich jedoch auch in den nachfolgenden Kapiteln.

[…]

Am 16.3.2020 rief die Regierung Armeniens den Ausnahmezustand aus, der fünf Mal verlängert wurde und am 11.9.2020 durch die Nationale Quarantäne ersetzt wurde, die nun bis 11.7.2021 gilt.

Armenien ist das am stärksten betroffene Land im Südkaukasus. Trotz der Notsituation funktionieren fast alle Sektoren der armenischen Wirtschaft wieder, nachdem Unternehmen Anfang Mai 2020 wiedereröffnen durften, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwehren.

Das Einreiseverbot in die Republik Armenien für nicht-armenische Staatsbürger vom 17.3.2020 wurde am 12. August 2020 aufgehoben. Somit können Personen per Flug und per Landweg nach Armenien mit einem negativen PCR-Testergebnis, das max. 72 Stunden vor der Einreise gemacht wurde, einreisen.

Alle Einreisenden, die ohne ein dokumentiertes PCR-Testergebnis einreisen, müssen sich auf eigene Kosten einem PCR-Test im Labor an der Grenze unterziehen und sich dort unter Quarantäne stellen bis das Ergebnis bekannt wird. Die Ergebnisse dieser PCR-Tests werden im ARMED-System registriert und der getesteten Person innerhalb von 48 Stunden zur Verfügung gestellt.

Personen, die mit einer Person mit einem positiven Testergebnis auf COVID-19 in Kontakt waren, werden gebeten, sich 14 Tage unter Quarantäne zu stellen und einem PCR-Test in einem akkreditierten Labor in Jerewan, Armenien unterziehen. Während der Überwachungs- oder Quarantänezeit können Gesundheitsbeamte den Zustand dieser Personen überprüfen.

Die internationalen regulären Flugverbindungen nach/von Jerewan sind derzeit eingeschränkt. Austrian Airlines fliegen Armenien zwei Mal pro Woche aus Wien an.

Am 19. März 2020 haben die armenischen Behörden ein vorübergehendes Ausfuhr-Verbot für bestimmte medizinische Waren erlassen, um die Versorgung des Landes sicherzustellen. Das betrifft solche Güter wie medizinische Schutzausrüstung, Beatmungsgeräte, COVID-19-Test Kits, Atemschutzmasken, medizinische Masken, Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis und andere Artikel.

Anfang Mai 2020 wurden die Ausgangsbeschränkungen und Reisebeschränkungen innerhalb Armeniens aufgehoben.

Seit Anfang Juni 2020 gilt in Armenien eine allgemeine Masken-Pflicht für alle Personen und Kinder ab 6 Jahren an öffentlichen Orten inklusive Geschäften, Einkaufszentren, öffentliche Verkehrsmitteln sowie Taxis. Die einzige Ausnahme aus der Masken-Pflicht gilt für Gäste in Cafés und Restaurants.

Seit August 2020 werden bestimmte Risikogruppen, geschlossene Unternehmen oder Institutionen proaktiv getestet. Das heißt, sollte eine positiv getestete Person, die in einer Fabrik, einem Pflegeheim oder einem Supermarkt arbeitet, festgestellt werden, wird das gesamte Personal getestet und nicht nur diejenigen, die sich mit Symptomen meldeten. So können auch die symptomlosen Infizierten isoliert werden.

Alle Schulen und Universitäten sind seit 15.9.2020 unter bestimmten Auflagen und Vorsichtsmaßnahmen wiedereröffnet. Einige Kurse je nach Universität bzw. Hochschule werden jedoch weiterhin online angeboten. Kindergärten sind seit 18. Mai 2020 wieder geöffnet. Viele Unternehmen arbeiten weiterhin zumindest teilweise im Homeoffice.

Das Versammlungsverbot wurde aufgehoben. Erlaubt sind nun öffentliche und private Versammlungen bei Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern und mit obligatorischen Gesichtsmasken.

Die Regierung hat verschiedene finanzielle Hilfspakete für sozial gefährdete Haushalte und Privatpersonen und wirtschaftlich betroffene KMUs, Freizeit- und Tourismusunternehmen, landwirtschaftliche Betriebe, etc. bereitgestellt. Dazu zählen zinsfreie Kredite und staatliche Garantien, Stundungen für Kreditrückzahlungen, Subventionen für Gas- und Stromkosten (WKO 13.1.2021).

Es bestehen aufgrund der Pandemie keine besonderen Beschränkungen innerhalb des Landes (AA 11.2.2021).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (11.2.2021): Armenien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/armeniensicherheit/201872, Zugriff 24.2.2021

WKO – Wirtschaftskammer Österreich (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Armenien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-armenien.html, Zugriff 24.2.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 02.09.2020

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).

Seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 findet in Armenien ein umfangreicher Reformprozess auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene hin zu einem demokratisch und marktwirtschaftlich strukturierten Staat statt. Die vorgezogenen Parlamentswahlen am 9.12.2018 konnten nach übereinstimmender Meinung aller Wahlbeobachter als frei und fair bezeichnet werden. Die im Dezember 2015 per Referendum gebilligte Verfassungsreform zielt auf den Umbau von einer semi-präsidialen in eine parlamentarische Demokratie ab. Die Änderungen betreffen u.a. eine Ausweitung des Grundrechtekatalogs sowie die weitere Stärkung des Parlaments (auch der Opposition). Das Amt des Staatspräsidenten wurde im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben reduziert, gleichzeitig die Rolle des Premierministers und des Parlaments gestärkt (AA 27.4.2020). Der Premierminister und der Präsident werden vom Parlament gewählt. Der Premierminister ist der Regierungsvorsitzende, während der Präsident vorwiegend zeremonielle Funktionen ausübt (USDOS 11.3.2020).

Oppositionsführer Nikol Paschinjan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018; vergleiche AA 27.4.2020). Bei den als „Samtene Revolution“ bezeichneten Demonstrationen im April/Mai 2018 verhielten sich die Sicherheitskräfte zurückhaltend. Auch die Demonstranten waren bedacht, keinerlei Anlass zum Eingreifen der Sicherheitskräfte zu bieten (AA 27.4.2020).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Paschinjan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Paschinjan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vergleiche ARMENPRESS 10.12.2018).

Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Paschinjan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019; vergleiche FH 4.3.2020) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018; vergleiche FH 4.3.2020). Seit Paschinjans Machtübernahme hat sich das innenpolitische Klima deutlich verbessert und dessen Regierung geht bestehende Menschenrechts-Defizite weitaus engagierter als die Vorgängerregierungen an, auch wenn immer noch Defizite bei der konsequenten Umsetzung der Gesetze bestehen (AA 27.4.2020).

[…]

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 24.02.2021

Im Ende September 2020 aufgeflammten Konflikt um die von Armenien kontrollierte Region Bergkarabach gelang es, unter Vermittlung Russlands, einen Waffenstillstand zu erreichen. Armenien, das als Schutzmacht für Bergkarabach agiert, stimmte unter massivem Druck der Neun-Punkte-Erklärung zu. In der Erklärung verpflichteten sich die Parteien zu einem vollständigen Einstellen aller Kampfhandlungen auf den zuletzt gehaltenen Positionen. Darüber hinaus werden die von Armenien im ersten Karabach-Krieg Anfang der 1990er Jahre eroberten sieben aserbaidschanische Bezirke rund um Bergkarabach schrittweise an Baku zurückgegeben. Vier davon gingen bereits im Zuge der Kampfhandlungen seit September weitgehend an Aserbaidschan verloren. Mit der Erklärung wurde ebenso eine russische Friedensmission etabliert, welche 1.960 Mann umfasst und die den Waffenstillstand entlang der Kontaktlinie auf Seiten Bergkarabachs sichern soll. Neben den Peacekeepern soll auch ein außerhalb Karabachs befindliches Zentrum zur Überwachung der Waffenruhe entstehen. Ebenso vereinbart wurde ein Austausch der Kriegsgefangenen und gefallenen Soldaten. Der letzte Punkt der Vereinbarung weist auf die Öffnung aller Wirtschafts- und Transportwege in der Region hin. Demzufolge muss Armenien Verkehrsverbindungen zwischen den westlichen Regionen der Republik Aserbaidschan und der südwestlich von Armenien gelegenen und an die Türkei grenzenden aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan sicherstellen. Der Status von Bergkarabach wurde in der Erklärung offen gelassen (IFK 11.2020).

In einer gemeinsamen Erklärung haben sich Russlands Präsident Wladimir Putin, sein aserbaidschanischer Amtskollege Ilham Alijew und der armenische Regierungschef Nikol Paschinian auf eine neue Grenzziehung und die Stationierung eines russischen Militärkontingents zur Sicherung des neuen Status quo im Konflikt um Berg-Karabach geeinigt. Aserbaidschan übernimmt rund die Hälfte des abtrünnigen Gebiets, darunter die zweitgrößte Stadt Schuscha, die strategisch von immenser Bedeutung ist (DerStandard 10.11.2020).

Die militärische Niederlage löste eine scharfe politische Krise in Armenien aus, in der die Opposition gegen Premierminister Nikol Pashinian seinen Rücktritt forderte (HRW 13.1.2021; vergleiche DerStandard 10.11.2020). Tausende Menschen demonstrierten in Jerewan gegen die Waffenruhe. Sie beschimpften Paschinian als „Verräter“ und forderten seinen Rücktritt. Hunderte der Demonstranten stürmten den Regierungssitz und das Parlamentsgebäude (Krone 10.11.2020). Die Polizei ging mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Es gab dutzende Festnahmen. Unter den Festgenommenen waren auch mehrere Parlamentsabgeordnete (DerStandard 11.11.2020 vergleiche ZeitOnline 11.11.2020).

Tausende Menschen haben bei neuen Protesten in der Südkaukasus-Republik Armenien den Rücktritt von Regierungschef Nikol Paschinian gefordert. Seit dem Ende der Kämpfe um die Konfliktregion Berg-Karabach vor gut drei Monaten kommt es in der Ex-Sowjetrepublik zu Protesten der Opposition. Paschinian lehnte wiederholt einen Rücktritt ab. Er bot stattdessen Neuwahlen in diesem Jahr an. Die Opposition plant, die Abstimmung zu boykottieren, sollte der Ministerpräsident wie angekündigt erneut kandidieren. Sie macht ihn persönlich für die Niederlage gegen Aserbaidschan verantwortlich (DerStandard 20.2.2021; vergleiche BAMF 22.2.2021).

Unter Vermittlung von Russlands Präsident Wladimir Putin haben die verfeindeten Nachbarn Aserbaidschan und Armenien bei einem ersten gemeinsamen Treffen in Moskau am 11.01.21 neue Schritte für einen Wiederaufbau der umkämpften Südkaukasusregion Berg-Karabach vereinbart. Dies betonte Putin nach einem etwa vierstündigen Treffen mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev und dem armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan. Rund zwei Monate nach dem Ende der Kampfhandlungen um Berg-Karabach betonten die drei Spitzenpolitiker im Kreml, dass das Waffenstillstandsabkommen weitgehend eingehalten werde. Es seien aber noch nicht alle Punkte umgesetzt, so Paschinian. Besonders die Frage armenischer Kriegsgefangener in Aserbaidschan sei schmerzhaft für sein Land. Zugleich betonte er, dass der Konflikt um Berg-Karabach nicht endgültig beigelegt sei. Insbesondere sei der politische Status ungeklärt. Die nun getroffenen Vereinbarungen für eine Entwicklung der Wirtschaft und Infrastruktur Berg-Karabachs sollen zu noch verlässlicheren Sicherheitsgarantien für beide Seiten führen. Die Vize-Regierungschefs von Aserbaidschan und Armenien sowie Russlands würden nun eine Arbeitsgruppe bilden, um konkrete Projekte bei der Wiederherstellung der Wirtschafts- und Verkehrsverbindungen umzusetzen (BAMF 18.1.2021).

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Regionale Problemzone: Berg-Karabach (Nagorny Karabach)

Letzte Änderung: 24.02.2021

Die sogenannte Republik Berg-Karabach ('RBK', russ.: Nagorny Karabach; in Armenien auch Arzach genannt) wird von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Auch Armenien erkennt die 'Republik Berg-Karabach' offiziell nicht an, praktisch sind beide aber wirtschaftlich und rechtlich stark verflochten. Die Bewohner von Berg-Karabach erhalten neben ihrem RBK-Pass auch armenische Pässe (AA 27.4.2020). Armenien finanziert 55% des Budgets der Republik Arzach (ChH 4.6.2020).

Nach der Verfassung ist der Präsident sowohl Staats- als auch Regierungschef und hat die volle Autorität, Kabinettsmitglieder zu ernennen und zu entlassen. Im September 2017 wurde das Amt des Premierministers abgeschafft (FH 4.3.2020k).

Am 31.3.2020 fanden in Berg-Karabach - international nicht anerkannte - Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt (HBS 2.4.2020). Die Partei des Freien Vaterlandes von Harutjunyan gewann bei den Parlamentswahlen mehr als 40% der Stimmen und wird 16 der 33 Sitze kontrollieren, während die größte Oppositionskraft, die Partei der Vereinigten Heimat von Samvel Babajan, neun Sitze erhielt (CW 16.4.2020).

Bei der Wahl zum Präsidenten wurde ein zweiter Wahlgang notwendig, der am 14.4.2020, trotz des wegen COVID-19 zwei Tage zuvor ausgerufenen Notstandes, durchgeführt wurde. Die Notstandsregel verbietet öffentliche Versammlungen, beschränkt die Verkehrsanbindung innerhalb von Karabach und untersagt Bürgern Armeniens und anderer Länder die Einreise in die Region (CW 16.4.2020). Arayik Harutjunyan gewann mit mehr als 87% der abgegebenen Stimmen. Harutjunyan war 2017 bis 2018 Außenminister und 2007-2017 Premierminister der Republik Arzach (PA 15.4.2020) und verfehlte bereits im ersten Wahlgang am 31.3.2020 die notwendige Mehrheit nur um wenige hundert Stimmen (Armenpress 2.4.2020; vergleiche EN 1.4.2020).

Armenische Wahlbeobachter berichten von weitverbreiteten Verletzungen des Wahlgeheimnisses (EN 1.4.2020). Kritisiert wurde weiters, dass wegen COVID-19 kein Wahlkampf geführt werden konnte wie in „normalen“ Zeiten – und zudem der Urnengang selbst das Risiko einer weiteren Ausbreitung des Virus deutlich erhöht habe (HBS 2.4.2020; vergleiche EN 1.4.2020). Der im zweiten Wahlgang unterlegene Präsidentschaftskandidat Masis Mailjan forderte die Wähler auf, wegen der Pandemie nicht an den Wahlen teilzunehmen und weigerte sich auch, an Fernsehdebatten teilzunehmen (CW 16.4.2020).

Die Republik Arzach wurde bis zu den Wahlen von Verbündeten der 2018 von Paschinjan gestürzten armenischen Regierung regiert. Die Führer des ehemaligen armenischen Regimes, darunter die ehemaligen Präsidenten Serzh Sargsyan und Robert Kocharyan, unternahmen einige vage Anstrengungen, um über Berg-Karabach als letzte Bastion die Macht in Armenien wiederzugewinnen. Ihr favorisierter Kandidat, Vitaliy Balasanyan, versäumte bei den Präsidentenwahlen am 31.3.2020 den Einzug in den zweiten Wahlgang (EN 1.4.2020).

Die Justiz ist in der Praxis nicht unabhängig und die Gerichte werden von der Exekutive sowie von mächtigen politischen, wirtschaftlichen und kriminellen Gruppen beeinflusst. Die Verfassung garantiert grundlegende Verfahrensrechte, aber Polizei und Gerichte halten diese in der Praxis nicht immer ein. Die Regierung kontrolliert viele der Medien. Im Jahr 2019 wurden Veränderungen durch die politische Öffnung in Armenien im Jahr 2018 mitbewirkt. Politische Kritiker der Führung, denen zuvor selbst kurze Auftritte verboten waren, wurden zu regelmäßigen Gästen in Sendungen zu aktuellen Themen. Darüber hinaus werden nun regelmäßig Debatten organisiert, um wichtige Themen des lokalen öffentlichen Lebens anzusprechen. Oppositionspolitiker haben auch gute Verbindungen zu unabhängigen Medien in Armenien, wodurch deren Ansichten auch in Berg-Karabach vermittelt werden. Dennoch praktizieren viele Journalisten Selbstzensur, insbesondere bei Themen im Zusammenhang mit dem Friedensprozess. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, lässt aber Einschränkungen im Namen der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und anderer staatlicher Interessen zu. In der Verfassung ist die Armenische Apostolische Kirche als 'nationale Kirche' des armenischen Volkes verankert. Die Religionsfreiheit anderer Gruppen wird in der Praxis eingeschränkt. Proteste sind in der Praxis relativ selten. Die Behörden blockieren Versammlungen und Demonstrationen, wenn sie diese als Bedrohung der öffentlichen Ordnung wahrnehmen (FH 4.3.2020).

Es gibt keine Erkenntnisse, wonach Personen bei Bekanntwerden einer (auch) aserbaidschanischen Herkunft mit staatlichen Übergriffen zu rechnen hätten. In Berg-Karabach gelten den armenischen Regelungen vergleichbare Vorschriften zur kostenlosen medizinischen Behandlung. Im Sozialwesen gibt es 'behördliche' Unterstützung (AA 27.4.2020).

Ein gemeinsames türkisch-russisches Beobachtungszentrum zur Überwachung des Waffenstillstands zwischen Armenien und Aserbaidschan in der Region Berg-Karabach hat am 30.1.2021 seinen Betrieb aufgenommen. Der aserbaidschanische Verteidigungsminister Zakir Hasanov und die stellvertretenden Verteidigungsminister der Regionalmächte Türkei und Russland waren anwesend, um das Zentrum in der Region Agdam zu eröffnen. Die Türkei und Russland einigten sich darauf, ein gemeinsames Beobachtungszentrum zu bilden, kurz nachdem Moskau im November ein Waffenstillstandsabkommen vermittelte, das die heftigen Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan um die abtrünnige Region Berg-Karabach beendete. Die Türkei war einer der Hauptunterstützer Aserbaidschans in dem Konflikt. Im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens wurden ein Teil des aserbaidschanischen Territoriums von Berg-Karabach und alle sieben Bezirke drum herum unter aserbaidschanische Verwaltung gestellt, nachdem sie fast 30 Jahre lang von ethnischen Armeniern kontrolliert wurden. Rund 2.000 russische Friedenssoldaten sind auch entlang der Frontlinie und zum Schutz einer Landverbindung zwischen Berg-Karabach und Armenien im Einsatz (RFE/RL 30.1.2021).

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Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 02.09.2020

Das Gesetz verbietet Folter und andere Formen von Misshandlungen. Dennoch gibt es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 11.3.2020). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur „Samtenen Revolution“ immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 27.4.2020). Gemäß Menschenrechtsanwälten führte die Straffreiheit von Folter in der Zeit vor der „Samtenen Revolution“ dazu, dass Folter weiterhin angewandt wird, wenn auch nun in geringerem Ausmaß, und alte Fälle von Folter werden nicht aufgearbeitet (USDOS 11.3.2020; vergleiche AA 27.4.2020).

Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden (USDOS 11.3.2020). In einem Antwortschreiben an das Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 23.12.2019 auf 4 (HCA 25.2.2020).

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Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 28.09.2020

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und –freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt (AA 27.4.2020).

Zu den bedeutendsten Menschenrechtsverletzungen gehören: Folter; willkürliche Inhaftierung, wenn auch mit weniger Berichten; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender oder intersexuelle Personen (LGBTI) und der Einsatz von erzwungener oder obligatorischer Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020, vergleiche HRW 14.1.2020). Die Regierung unternimmt Schritte zur Untersuchung und Ahndung von Missbrauch gegen aktuelle und ehemalige Beamte und Sicherheitskräfte (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung Armeniens erfüllt die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt aber erhebliche Anstrengungen, um dies zu erreichen. Sie nahm Gesetzesänderungen und Verordnungen zur Stärkung der Gesundheits- und Arbeitsaufsichtsbehörde vor und führte Schulungen für Strafverfolgungsbeamte durch. Die Behörden erhöhten die Zahl der Ermittlungen und Strafverfolgungen, und die Kommission zur Identifizierung von Opfern funktionierte weiterhin gut. Die Regierung hat seit 2014 keine Verurteilung wegen Zwangsarbeit mehr erhalten. Es fehlt an proaktiven Identifizierungsbemühungen, wie z.B. Standardindikatoren zur Überprüfung gefährdeter Bevölkerungsgruppen. Die Opfer von Menschenhandel sahen sich, wie die Opfer anderer Verbrechen, mit einem eingeschränkten Zugang zur Justiz konfrontiert, u.a. aufgrund fehlender opferorientierter Verfahren und formeller Maßnahmen zum Schutz der Opfer und Zeugen (USDOS 25.6.2020).

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Todesstrafe

Letzte Änderung: 02.09.2020

Armenien hat im September 2003 die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert (AA 27.4.2020, vergleiche AI 21.4.2020, Standard 19.4.2003).

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Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 02.09.2020

Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und darf nur durch Gesetze und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Gemäß Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5% aus. Auch in den 2015 beschlossenen Verfassungsänderungen genießt die Armenisch-Apostolische Kirche (AAK) nach wie vor Privilegien, die anderen Religionsgemeinschaften nicht zuerkannt werden (Zulässigkeit der Eröffnung von Schulen, Herausgabe kirchengeschichtlicher Lehrbücher, Steuervorteile u. a. bei Importen, Wehrdienstbefreiung von Geistlichen, Kirchenbau). Religionsgemeinschaften sind nicht verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich jedoch amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände nutzen, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Religionsgemeinschaften die Registrierung verweigert wurde bzw. wird. Bekehrungen durch religiöse Minderheiten sind zwar gesetzlich verboten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Dies wird von offiziellen Vertretern der Zeugen Jehovas bestätigt (AA 27.4.2020).

In Artikel 18 der Verfassung wird die Armenische Apostolische Kirche als "Nationalkirche" anerkannt, die für die Erhaltung der armenischen nationalen Identität verantwortlich ist. Religiöse Minderheiten haben in der Vergangenheit über Diskriminierung berichtet und einige hatten Schwierigkeiten, Genehmigungen für den Bau von Gotteshäusern zu erhalten (FH 4.3.2020). Mitglieder religiöser Minderheiten werden bei der Beschäftigung im öffentlichen Dienst benachteiligt (USDOS 11.3.2020).

Menschenrechtsaktivisten äußerten weiterhin ihre Besorgnis über die Zustimmung der Regierung, dass die AAK am Unterricht an Schulen mitwirkt und die Zugehörigkeit zur AAK mit der nationalen Identität oft gleichsetzt wird, was die staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung anderer religiöser Organisationen verstärkt (USDOS 10.6.2020).

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Relevante Bevölkerungsgruppen

Letzte Änderung: 02.09.2020

Frauen

Letzte Änderung: 24.02.2021

Die Verfassung garantiert gleiche Rechte für Frauen und Männer. Hinweise auf geschlechtsspezifische Verfolgung gibt es nicht. Dieses Verfassungsgebot umzusetzen gehört allerdings nicht zu den Prioritäten der Regierung. Die Rolle der Frau in Armenien ist gleichwohl durch das in der Bevölkerung verankerte patriarchalische Rollenverständnis geprägt (AA 27.4.2020, vergleiche USDOS 11.3.2020).

Frauen sind in Führungspositionen im öffentlichen Sektor deutlich unterrepräsentiert. Im Jahr 2018 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote der Frauen in Armenien bei 17,3%. Auch in der Exekutive bleibt die Beteiligung von Frauen auf den höchsten Entscheidungsebenen, auf regionaler und lokaler Ebene sowie im diplomatischen Dienst gering. Ungleichheit im Bereich der Löhne ist besonders offensichtlich (CoE-CommDH 29.1.2019, vergleiche USDOS 11.3.2020, FH 4.3.2020).

Vergewaltigung ist eine Straftat. Die Höchststrafe beträgt 15 Jahre. Allgemeine gesetzliche Bestimmungen zur Vergewaltigung gelten für die Verfolgung von Vergewaltigungen in der Ehe (USDOS 11.3.2020). Häusliche Gewalt ist weder ein eigenständiges Verbrechen noch ein erschwerender Umstand im Strafgesetzbuch und die armenische Gesetzgebung schützt die Opfer häuslicher Gewalt nicht effektiv (HRW 13.1.2021; vergleiche USDOS 11.3.2020). Es gibt Berichte, dass die Polizei, insbesondere außerhalb von Jerewan, in Fällen häuslicher Gewalt nur ungern tätig wird und Frauen davon abhält, Beschwerden einzureichen. Die meisten Fälle häuslicher Gewalt werden per Gesetz als Vergehen von geringer oder mittlerer Schwere betrachtet und die Regierung stellt nicht genügend weibliche Polizeibeamte und Ermittlerinnen für die Arbeit vor Ort ein, um diese Verbrechen zu untersuchen (USDOS 11.3.2020).

In Armenien gibt es nur zwei Frauenhäuser für Opfer häuslicher Gewalt, die vom Women's Rights Center betrieben werden und insgesamt Platz für 17 bis 20 Personen bieten (HRW 13.1.2021).

Trotzdem hat Armenien seit 2015 bedeutende Fortschritte bei der Schaffung und Verbesserung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung häuslicher Gewalt gemacht. Wichtige gesetzgeberische Maßnahmen wurden von Sensibilisierungskampagnen begleitet, die zu einer öffentlichen Debatte und einem spürbaren Einstellungswandel zum Thema häusliche Gewalt führen. Trotz dieser begrüßenswerten Entwicklungen und sehr lobenswerten Bemühungen bleibt die häusliche Gewalt in Armenien ein schwerwiegendes, weit verbreitetes und teilweise noch unterschätztes Phänomen (CoE-CommDH 29.1.2019). Das neue Gesetz über häusliche Gewalt hat einige Elemente und Normen des Istanbuler Übereinkommens übernommen, verschiedene Formen häuslicher Gewalt definiert und den staatlichen Behörden eine positive Verpflichtung auferlegt, solche Gewalt zu verhindern und ihre Opfer zu schützen. Es verpflichtet die Behörden auch, eine nationale Strategie zur Bekämpfung häuslicher Gewalt zu entwickeln und umzusetzen, Unterkünfte für Opfer von Gewalt einzurichten, ihnen kostenlose medizinische Versorgung zu bieten und regelmäßige Schulungen für alle in diesem Bereich tätigen Fachleute durchzuführen (CoE-CommDH 29.1.2019).

Das Gesetz verlangt, dass bestimmte Dienstleistungen für diejenigen erbracht werden, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, es sieht aber keine Maßnahmen für monetäre Entschädigungen der Opfer vor. Die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen - Verwarnungen und Schutzanordnungen - reichen möglicherweise nicht aus, um die Menschenrechtsverpflichtungen des Landes zum Schutz der Betroffenen von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt zu erfüllen, dies infolge des Umfanges des Ermessensspielraum für die Strafverfolgungsbehörden und Richter, der vorgesehenen limitierten Fristen (z.B. Wegweisung) sowie der schwachen Konsequenzen, die Täter häuslicher Gewalt zu erwarten haben. Das Gesetz enthält zudem keine Details hinsichtlich der Beweislast, die für die Erlangung von Verwarnungen oder Schutzanordnungen oder für die strafrechtliche Verfolgung von Tätern häuslicher Gewalt erforderlich ist. Es ist letztendlich nicht klar, ob das Gesetz für alle Paare gilt, oder nicht registrierte Ehen bzw. Lebensgemeinschaften ausnimmt (OHCHR 29.3.2019).

Die Tatsache, dass die Zahl der von der Polizei registrierten Vorfälle häuslicher Gewalt hoch ist, ist auf die gesetzlichen Anforderungen zurückzuführen, die 2017 verabschiedet wurden. Die Polizei ist nun verpflichtet, alle Aussagen in Bezug auf häusliche Gewalt zu registrieren, auch wenn das Opfer die Beschwerde zurückzieht. Es ist nicht bekannt, in wie vielen von der Polizei registrierten Fällen es einen positiven Ausgang gegeben hat und wie viele Opfer tatsächlich Unterstützung erhielten. Das Gesetz regelt nicht effektiv schnelle Reaktion und Schutzmaßnahmen, die nach der Erklärung über häusliche Gewalt zu ergreifen sind. Ernsthafte Probleme entstehen nach der polizeilichen Verwarnung nach der ersten Anzeige, wenn sich die Situation in der Familie weiter verschärft. Ein klarer Mechanismus für weiteren Schutz wird jedoch nicht vorgegeben. Die Mechanismen zur Verhinderung der Verletzung von Schutzmaßnahmen durch den Täter und die Sanktionen, die im Falle solcher Verletzungen angewendet werden, sind nicht effizient. Im Hinblick auf die Sicherung eines gesetzlich vorgeschriebenen Präventions- und Schutzmechanismus wurden im ersten Quartal 2019 in Armenien soziale Unterstützungszentren eingerichtet: drei in Jerewan und weitere in Vanadzor, Gjumri und Kapan. Diese Zentren haben die Aufgabe, Familien durch Sozialarbeiter zu unterstützen, sobald Fälle von häuslicher Gewalt bekannt werden. Allerdings haben die Zentren bisher wenig Vertrauen genossen, und ihre Funktionen sind noch nicht vollständig geklärt. Gewaltopfer weigern sich aus verschiedenen Gründen, die Zentren zu besuchen; z.B. weil das Zentrum zu weit von ihnen entfernt liegt, oder weil die Opfer nicht über ihre häuslichen Probleme sprechen möchten (HCA 25.2.2020).

Im Global Gender Gap Index 2020 nahm Armenien Rang 98 von 153 Ländern ein. In den Unterkategorien Gesundheit Rang 148 und politische Teilhabe Rang 114 (von 152) sowie in der Unterkategorie „Teilhabe an der Bildung“ Rang 45 (WEF 2020).

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Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 02.09.2020

Die gesetzlich garantierte Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung werden generell respektiert (USDOS 11.3.2020, vergleiche FH 4.3.2020).

Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus und der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 27.4.2020).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat Armenien die Einreise von Personen untersagt, die weder Staatsbürger Armeniens noch Familienangehörige eines Staatsbürgers oder rechtmäßige Bewohner Armeniens sind. Reisende, denen die Einreise nach Armenien gestattet ist, müssen sich 14 Tage lang in Selbstquarantäne begeben. Georgien und Armenien haben bilateral ihre Landgrenze bis auf weiteres geschlossen. Staatsbürger Armeniens oder Georgiens dürfen in ihre jeweiligen Länder zurückkehren. Ebenso ist die Grenze zwischen dem Iran und Armenien für die meisten Reisenden geschlossen (USEMB 23.4.2020; vergleiche Gov.am o.D.). Eine landesweite Ausgangssperre wurde am 16.3.2020 ausgerufen, alle Personen mussten Deklarationsformulare und Ausweise stets bei sich tragen (Garda 31.3.2020; vergleiche USEMB 23.4.2020). Verstöße gegen die Quarantänebestimmungen und Ausgangsbeschränkungen waren gesetzlich strafbar (USEMB 23.4.2020; vergleiche Gov.am o.D.). Die Bestimmungen wurden jedoch häufig nicht eingehalten und nicht durchgesetzt (ChH 4.6.2020; vergleiche TASS 4.6.2020). Bis Anfang Mai 2020 wurden die meisten Beschränkungen wieder aufgehoben (RFE/RL 2.6.2020; vergleiche EN 3.6.2020, TASS 4.6.2020).

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Grundversorgung und Wirtschaft

Letzte Änderung: 24.02.2021

Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Nach Schätzungen der Weltbank für 2019 leben 22,2 % der Armenier unterhalb der Armutsgrenze (2016: 29,4%). Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt. Das die Armutsgrenze bestimmende Existenzminimum beträgt in Armenien ca. 60.000 armenische Dram (AMD) im Monat, der offizielle Mindestlohn 55.000 AMD (= ca. 100 Euro). Das durchschnittliche Familieneinkommen ist mangels zuverlässiger Daten schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten und darüber hinaus privaten Geschäften und Gelegenheitstätigkeiten nach (AA 27.4.2020).

Die Arbeitslosenquote liegt bei 16,6%, die Inflationsrate 2019 bei 1,44% (laenderdaten.info; vergleiche CIA 5.2.2021)

Das Durchschnittseinkommen beträgt AMD 192.450 pro Monat (IOM 2020).

Trotz relativ günstiger Wachstumsraten ist es nicht gelungen, den Lebensstandard für breite Bevölkerungsteile spürbar zu erhöhen. Wegen der Corona-Krise 2020 ist er nun massiv bedroht (SWP 5.2020).

Der UNDP Human Development Index, ein Messwert zur Beurteilung der Humanentwicklung und der Ungleichheit, ergab 2017 für Armenien einen Wert von 0.757 [Statistischer Bestwert ist 1] (im Vergleich der HDI von Österreich beträgt 0.908). Damit belegte Armenien, dessen Wert sich seit 1990 kontinuierlich verbesserte, Platz 83 von 189 Staaten (UNDP 15.7.2018).

Rohstoffgewinnung und deren Verarbeitung dominieren die armenische Industrie. Auch der Landwirtschaftssektor spielt eine wichtige Rolle, vor allem in Exporten des Landes (WKO 5.202023.7.2018). Nach den politischen Veränderungen im Jahr 2018 ging es mit der armenischen Wirtschaft steil bergauf. Sie wuchs schnell und überholte die ihrer Nachbarländer: Das Wachstum im Jahr 2019 betrug laut Weltbank 7,6% (Euronews 20.4.2020; vergleiche WKO 5.2020).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ist die Produktion in einigen Sektoren um 90% gesunken. Der Bau- und Tourismussektor haben am meisten gelitten, da sie mit anderen Wirtschaftssektoren zusammenhängen (Euronews 20.4.2020). In der Branche Tourismus und Gastgewerbe kann die Zahl der Arbeitslosen bis zu 200.000 erreichen (Sputnik 17.4.2020).

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Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 24.02.2021

Das Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten verwaltet das Sozialschutzsystem in Armenien. Zu den wichtigsten Arten staatlicher Sozialleistungen in Armenien gehören: Familienbeihilfe, Sozialleistungen, dringende Unterstützungen, pauschales Kindergeld, Kinderbetreuungsgeld bis zum Alter von zwei Jahren, Leistungen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, Mutterschaftsgeld, Altersbeihilfe, Invaliditätsleistungen, Leistungen bei Verlust der geldverdienenden Person, Bestattungsgeld (IOM 2020).

Personen, die das 63. Lebensjahr vollendet und mindestens 10 Jahre Berufserfahrung haben, haben Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente. Personen, die keinen Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente haben, haben mit 65 Jahren Anspruch auf eine altersbedingte Rente. In Armenien gibt es zwei Kategorien von Renten: Arbeitsrenten umfassen Altersrenten, privilegierte Renten, Renten für langjährige Betriebszugehörigkeit, Invalidenrenten und Hinterbliebenenrenten. Militärrenten umfassen Renten für Langzeitdienstleistern, Invaliditätsrenten und Hinterbliebenenrenten (IOM 2020).

Der Pensionsanspruch gilt ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; ab einem Alter von 59 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, wobei mindestens 20 Jahre erschwerte oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 oder mindestens 10 Jahre derartiger Arbeit nach dem 1. Januar 2014 verrichtet wurde; oder ab einem Alter von 55 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, einschließlich mindestens 15 Jahre in Schwerst- oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 bzw. mindestens 7,5 Jahre in einer solchen nach dem 1. Januar 2014. Eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100% der Basispension von AMD 16.000 monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht AMD 500 monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (USSSA 3.2019).

Das Ministerium für Arbeit und Soziales (MLSA) implementiert Programme zur Unterstützung von schutzbedürftigen Personen: Behinderte, ältere Personen, RentnerInnen, Waisen, Opfer von Menschenhandel, Frauen und Kinder. Der Zugang zu diesen Leistungen erfolgt über die 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (IOM 2020).

Die staatliche Arbeitsagentur bietet im Rahmen der Arbeitslosenunterstützung folgende Dienstleistungen an: Beratung und Information über die von der Agentur angebotenen Dienstleistungen, Beratung zur beruflichen Orientierung, Antrag auf freie Mitarbeit, Teilnahme an staatlichen Beschäftigungsprogrammen und -veranstaltungen, Berufsausbildung und Umschulung (IOM 2020).

Arbeitslosenunterstützung

2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (USSSA 3.2019).

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Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 24.02.2021

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet (AA 27.4.2020). Das Gesundheitssystem besteht aus einer staatlich garantierten und kostenlosen Absicherung sowie einer individuellen und freiwilligen Krankenversicherung. Jeder Mensch in der Republik Armenien hat Anspruch auf medizinische Hilfe und Dienstleistungen unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Alter, politischen und sonstigen Überzeugungen, sozialer Herkunft, Eigentum oder sonstigem Status (IOM 2020). Die primäre medizinische Versorgung wird in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist (AA 27.4.2020).

Die primäre medizinische Versorgung ist grundsätzlich kostenfrei. Kostenlose medizinische Versorgung gilt nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre Ebene. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem (AA 27.4.2020).

Armeniens Gesundheitssystem ist durch den Staat stark unterfinanziert; weniger als 1,6% des BIP werden für Gesundheitsausgaben aufgewendet (einer der niedrigsten Werte weltweit) und mehr als 50% aller Gesundheitsausgaben entfallen auf Direktzahlungen von Patienten (einer der höchsten Werte weltweit). Dies führt zu erheblichen Problemen beim Zugang, der Steuerung und der Qualität der Versorgung (EVN 22.3.2020). Die COVID-19-Pandemie im ersten Halbjahr 2020 hat das Gesundheitssystem noch weiter unter Druck gesetzt (ChH 4.6.2020) Das Gesundheitssystem leidet nicht unter einem Ärztemangel. Es besteht jedoch ein ernstes Missverhältnis zwischen ländlichen Gebieten und der Hauptstadt: Eriwan weist im Vergleich zum Rest des Landes eine übermäßige Konzentration von Ärzten auf. Im internationalen Vergleich gibt es in Armenien eine große Zahl von Fachärzten im Vergleich zu Allgemeinmedizinern (EVN 22.3.2020).

Informationen über soziale Bevölkerungsgruppen, die berechtigt sind, kostenlose Medikamente durch lokale Polikliniken zu erhalten, sind verfügbar unter: www.moh.am (IOM 2020).

Die Einfuhr von Medikamenten zum persönlichen Gebrauch ist auf 10 Arzneimittel, je 3 Packungen, beschränkt (IOM 2020).

Die armenische Verfassung von 1995 garantiert den universellen Anspruch auf medizinische Leistungen, die vom Staat finanziert werden sollten. Ab 1997 wurden aufgrund der Finanzierungsnöte die Ansprüche durch die Einführung des Basis-Leistungspakets (BBP) begrenzt, bei dem es sich um ein öffentlich finanziertes Paket handelt, das eine Liste von Dienstleistungen festlegt, die für die gesamte Bevölkerung kostenlos sind (weitgehend Grundversorgung, sanitär-epidemiologische Dienstleistungen und Behandlung von rund 200 gesellschaftlich bedeutsamen Krankheiten) und die diejenigen Gruppen festlegt, die alle Dienstleistungen kostenlos erhalten sollten. Die unter den BBP fallenden Dienstleistungen und Bevölkerungsgruppen werden jährlich seitens der Regierung überprüft. Zu den Kategorien von Menschen, die nach dem BBP Anspruch auf kostenlose Gesundheitsleistungen haben, gehören Menschen mit Behinderungen, die je nach Schweregrad in die Gruppen römisch eins, römisch II oder römisch III eingeteilt sind; Kriegsveteranen; Hinterbliebene von Gefallenen, aktive Soldaten und ihre Familienmitglieder; generell Kindern unter sieben Jahren, unter 18 Jahren mit Behinderung, Kinder von vulnerablen Bevölkerungsgruppen oder Familien mit vier oder mehr Minderjährigen, von minderjährigen Elternteilen, Kindern ohne elterliches Sorgerecht oder aus Familien mit Menschen mit Behinderungen, Kinder in Pflegeheimen; alte Menschen in Pflegeheimen, Häftlinge, Opfer von Menschenhandel, Schutzsuchende und deren Familienmitglieder. D.h., wenn ein Patient unter das BBP fällt, ist die Behandlung kostenlos. Auch private medizinische Einrichtungen müssen kostenlose Dienstleistungen für die unter das BBP fallenden Personengruppen erbringen. Die Kosten übernimmt das Gesundheitsministerium. Gehört jedoch der Patient nicht zu einer der sozial schwachen oder besonderen Bevölkerungsgruppen, ist er nicht versichert oder fällt nicht unter ein "spezielles Krankheitsprogramm" (z.B. AIDS, Tuberkulose, Psychiatrie, etc. sowie die teilweise Abdeckung anderer Erkrankungen, wie Krebs), so muss er für die erhaltene Behandlung bezahlen (MedCOI 2.2018; vergleiche MedCOI 12.11.2019).

Für die stationäre Behandlung zahlreicher Erkrankungen und Leiden besteht ein komplexes System des Selbstbehalts (Co-Payment System), wodurch nicht die gesamten Kosten beim Patienten liegen. Ausgenommen sind wiederum Minderjährige und Personen, die unter das BBP hinsichtlich der Hospitalsbetreuung fallen, für die die gesamten Kosten übernommen werden. Wenn ein Patient eine Krankenhausbehandlung benötigt, nimmt die primäre medizinische Einrichtung (z.B. Poliklinik) eine Überweisung an den entsprechenden Krankenhausdienst vor. Die Hausärzte informieren die Patienten in der Regel über ihre Chance auf kostenlose Behandlung oder Zuzahlung in Krankenhäusern, die Dienstleistungen im Rahmen des BBP anbieten. Nach der Anmeldung hat der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter den ersten erforderlichen Betrag seines Anteils an der Zuzahlung zu begleichen. Der Selbstbehalt (Zuzahlungsbetrag) kann vollständig oder schrittweise bezahlt werden, spätestens jedoch mit der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus. Die staatliche Gesundheitsbehörde übernimmt den Rest der Gesamtkosten nach der Analyse der monatlichen Finanzberichte der Krankenhäuser. Es gibt keine Rückerstattung und beide Parteien (Patient und Staat) zahlen ihren eigenen Anteil. Der Betrag, den jede Partei innerhalb des Zuzahlungssystems zahlen muss, ist kein fester Prozentsatz für alle betroffenen Krankheiten (MedCOI 2.2018; vergleiche MedCOI 12.11.2019).

Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals (für einen allgemein praktizierenden Arzt ca. EUR 250/Monat). Dies führt dazu, dass die Qualität der medizinischen Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in weiten Bereichen unzureichend ist. Denn hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen – meist Privatkliniken – stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung (AA 27.4.2020).

Die größeren Krankenhäuser in Eriwan sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze für Dialyse ist begrenzt, aber gegen Bezahlung von ca USD 100 jederzeit möglich. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Eriwan möglich, auch in den Städten Armavir, Gjumri, Kapan, Noyemberyan und Vanadsor sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet (AA 27.4.2020).

[…]

Rückkehr

Letzte Änderung: 13.11.2020

Rückkehrer werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration. Rückkehrer können sich auch an den armenischen Migrationsdienst wenden, der ihnen mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite steht. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 27.4.2020).

Der Migration Service (MS) führt seit 2012 ein Projekt zur Förderung effektiver Reintegration von armenischen Rückkehrenden durch (IOM 2019).

Eine weitere finanzielle und administrative Unterstützung von Rückkehrern umfasst:

●             Individualberatung für Rückkehrende bezüglich rechtlicher, sozialer und beruflicher Fragen

●             Unterstützung bei Unterbringungsproblemen

●             Bereitstellung von Nutztieren für Dorfbewohner/-innen, um die wirtschaftliche Stabilität der Familie zu garantieren

●             Individuell angepasste Weiterbildungen wie IT-Fertigkeiten, Buchhaltung, Frisörhandwerk etc.

●             Beratung zu Gründungen und Businesskrediten

●             Unterstützung bei der Arbeitssuche (IOM 2019).

[…]

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch:

-             Einsichtnahme in die Verwaltungsakte, insbesondere in die Protokolle der Erstbefragung des BF1 vom 22.08.2013 und der BF2 vom 08.07.2013, der niederschriftlichen Einvernahmen des BF1 und der BF2 vom 09.09.2013, 21.10.2013 und 28.09.2017, in die Beschwerden vom 14.11.2017 (eingelangt am 16.11.2017), sowie die Urkundenvorlagen vom 07.12.2017, 24.05.2018, 23.12.2020, und 04.03.2021;

-             Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt zu Armenien;

-             Einsichtnahme in die von den Beschwerdeführern im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Integrationsunterlagen;

-             Einvernahme des BF,1 der BF2 und des BF3 am 10.03.2021;

-             Einsicht in das Grundversorgungsinformationssystem;

-             Einsicht in das Strafregister.

Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:

Die Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer steht aufgrund der in ihren Verwaltungsakten erliegenden Kopien der ihnen am 09.11.2017 von der armenischen Botschaft ausgestellten Heimreisezertifikate fest.

Die Feststellungen zu ihrer Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des BF1 und der BF2 zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die BF2 gab in der mündlichen Verhandlung an, dass sie der armenisch-apostolischen Kirche angehöre und sie und ihre Familie regelmäßig Gottesdienste der katholischen Kirche in ihrer Wohnsitzgemeinde sowie der Freien Christengemeinde besuchen würden. Der BF3 ministrierte mehrere Jahre in der katholischen Kirche und bekannte sich in der mündlichen Verhandlung zur freien Christengemeinde. Der BF4 erhielt im Jahr 2016 in der katholischen Kirche die Erstkommunion und ergibt sich aus seiner Schulnachricht vom 05.02.2021, dass er dem armenisch-apostolischen Glauben angehöre. Wie aus dem Taufschein vom 19.07.2014 hervorgeht, wurde der BF5 in der katholischen Kirche getauft und ergibt sich aus seiner Schulnachricht vom 05.02.2021, dass er am römisch-katholischen Religionsunterricht teilnimmt. Zudem legten die Beschwerdeführer am 23.12.2020 Bestätigungen über ihre Mitgliedschaft in der Freien Christengemeinde seit dem Jahr 2017 vor. Wenngleich aufgrund der Beteiligung der Beschwerdeführer in unterschiedlichen christlichen Glaubensgemeinschaften keine Zuordnung zu einer bestimmten Glaubensgemeinschaft vorgenommen werden kann, so ergibt sich aus den soeben dargestellten Erwägungen dennoch, dass sie zumindest dem Christentum angehören. Soweit der BF1 abweichend davon behauptete, er gehöre keiner Religionsgemeinschaft an, ist festzuhalten, dass sowohl der Pfarrer seiner Wohnsitzgemeinde in seinem Empfehlungsschreiben vom 05.03.2021 bestätigte, dass er regelmäßig an den Gottesdiensten teilnehme und ebenso für ihn eine Bestätigung über die Mitgliedschaft in der Freien Christengemeinde vorgelegt wurde, weshalb festzustellen war, dass auch er dem Christentum angehört. Im Übrigen ergibt sich aus der Religionszugehörigkeit der Beschwerdeführer keine konkrete Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK, weil aus dem Länderinformationsblatt hervorgeht, dass in ihrem Herkunftsstaat Religionsfreiheit herrscht.

Die Feststellungen zur Muttersprache der Beschwerdeführer ergeben sich einerseits aus ihren Angaben während des Verfahrens und andererseits aus dem Umstand, dass der BF1, die BF2 und der BF3 zuletzt in der mündlichen Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Armenisch einvernommen wurden und angaben, diese zu verstehen. Zum BF4 ist festzuhalten, dass aus dem Bericht der Kontrolluntersuchung vom 16.06.2020 hervorgeht, dass der BF1 und die BF2 dabei angaben, dass die muttersprachlichen Kompetenzen des BF4 besser einzuschätzen seien, als die Deutschkompetenzen, wenngleich in beiden Sprachen Satzbauschwierigkeiten und Wortschatzdefizite bestünden. Defizite in Bezug auf das Sprachverständnis wurden hingegen lediglich in Bezug auf die deutsche Sprache festgehalten. Vor diesem Hintergrund erscheint die Behauptung der BF2 in der Beschwerdeverhandlung, wonach er es großteils nicht verstehe, wenn sie sich zu Hause auf Armenisch unterhalten würden nicht glaubhaft. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der BF4 die armenische Sprache zumindest versteht und seine alltäglichen Bedürfnisse zum Ausdruck bringen kann. Im Übrigen gab die BF2 an, dass sie die Freie Christengemeinde auch deshalb besuchen würden, weil ihre Kinder dort die Möglichkeit hätten, die armenischen Buchstaben zu lernen und auch die Gottesdienste auf Armenisch stattfinden würden, woraus abzuleiten ist, dass auch der BF3 und der BF5 die armenische Sprache beherrschen. Soweit der BF3 in der mündlichen Verhandlung behauptete, er könne auf Armenisch weder lesen noch schreiben erscheint dies unter Berücksichtigung der Angaben seiner Mutter sohin nicht glaubhaft, zumal sich der BF3 in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zur Freien Christengemeinde bekannte und daher davon auszugehen ist, dass er sich innerhalb dieser Glaubensgemeinschaft öfter aufhält.

Die Feststellungen zu ihren Familienverhältnissen, zur Schul- und Berufsbildung des BF1 und der BF2, dem Schulbesuch des BF3 und den Verwandten des BF1 und der BF2 im Herkunftsstaat gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF1, der BF2 und des BF3 in der mündlichen Verhandlung. Das Gericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleichgebliebenen Angaben zu zweifeln. Dass der BF1 und die BF2 vor ihrer Ausreise in der Lage waren, den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder selbständig zu erwirtschaften, beruht auf den Angaben des BF1 vor dem Bundesasylamt am 09.09.2013, wonach er viele Jahre gearbeitet habe, um die Schlepperkosten für sich und seine Familie bezahlen zu können sowie am 21.10.2013, wonach er in Armenien nicht arm gewesen sei, sehr gut verdient habe und in der Lage gewesen sei, für seine Familie zu sorgen.

Die Feststellung, wonach der BF1 und die BF2 gemeinsam mit dem BF3 und dem BF4 in Armenien in einer Eigentumswohnung lebten, deren Verkauf, der Aufenthalt des BF1 und des BF3 in der Ukraine sowie der Aufenthalt der BF2 und des BF4 bei ihren Eltern und unterschiedlichen Verwandten beruht auf den Angaben des BF1 vor dem Bundesasylamt am 09.09.2013 und 21.10.2013 sowie den damit übereinstimmenden Ausführungen der BF2 am jeweils selben Tag.

Der Gesundheitszustand des BF1, der BF2, des BF3 und des BF5 ergibt sich aus ihren Angaben in der Beschwerdeverhandlung, wonach sie weder an chronischen oder akuten Krankheiten noch an anderen Leiden oder Gebrechen leiden würden.

Die Gesundheitsbeeinträchtigung des BF4 sowie die in Österreich erhaltene Operation am linken Bein und die regelmäßigen Therapien sowie die ärztlich empfohlene Fortsetzung der Therapien und regelmäßigen Rehabilitationsmaßnahmen gründen sich auf die im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere jene, die zuletzt im Jahr 2020 angefertigt wurden und am 04.03.2021 beim Bundesverwaltungsgericht einlangten (Bericht über die Kontrolluntersuchung am 16.06.2020, Bericht über eine MRT vom 24.09.2020, Ambulanzbrief vom 07.10.2020, ärztlicher Entlassungsbrief vom 09.12.2020) sowie die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bestätigungen über die seit 2013 erhaltenen Therapien des Therapiezentrums römisch 40 vom 02.03.2021 sowie die aktuell regelmäßig stattfindenden Ergo- und Physiotherapieeinheiten vom 03.03. und 04.03.2021. Der Grad der Behinderung des BF4 geht aus der am 04.03.2021 übermittelten Kopie seines Behindertenpasses in Zusammenhalt mit den Ausführungen der BF2 vor dem Bundesverwaltungsgericht hervor. Die beiden Operationen des BF4 in Armenien ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben des BF1 und der BF2 am 09.09.2013 und 21.10.2013 vor dem Bundesasylamt sowie aus dem Umstand, dass die im Jahr 2011 durchgeführte Schädeloperation in mehreren der in Österreich ausgestellten medizinischen Berichte angeführt wird. Aus dem im Förderzentrum römisch 40 aufgenommenen Protokoll über die Erstuntersuchung des BF4 am 17.09.2013 geht hervor, dass die BF2 dabei angab, der BF4 habe nach seiner Schädeloperation auch in Armenien vorübergehend Physiotherapie erhalten und NH-Orthesen getragen, die ihm in weiterer Folge zu klein geworden seien. Es sind im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach diese Angaben nicht zutreffen würden und führte die BF2 zuletzt in der mündlichen Verhandlung aus, dass es in Armenien Therapiemöglichkeiten gebe, wenngleich dafür Wartezeiten bestehen würden. Die Angaben der BF2 im Rahmen der Erstuntersuchung des BF4 konnten daher dem gegenständlichen Sachverhalt zugrunde gelegt werden. Zwar geht auch aus den medizinischen Unterlagen hervor, dass die Fortsetzung der Therapien des BF4 dringend geboten ist, um eine Verschlechterung der Funktion seiner linken Körperhälfte zu vermeiden, jedoch ergibt sich weder aus den medizinischen Unterlagen noch aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer, dass seine Erkrankung mit einer Gefahr für sein Leben verbunden wäre.

Aus den herangezogenen Länderfeststellungen geht hervor, dass in Armenien die medizinische Grundversorgung flächendeckend gesichert ist und jeder Mensch in Armenien Anspruch auf medizinische Hilfe und Dienstleistungen unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Alter, politischen und sonstigen Überzeugungen, sozialer Herkunft, Eigentum oder sonstigem Status hat. Zwar sind medizinische Dienstleistungen teilweise nur eingeschränkt kostenfrei zugänglich und besteht für stationäre Behandlungen ein komplexes Selbstbehaltssystem, jedoch gilt dies nicht für den BF4. Aus den Länderfeststellungen geht nämlich ebenso hervor, dass für den BF4 als Minderjährigen mit Behinderung medizinische Behandlungen jedenfalls kostenlos sind und auch private medizinische Einrichtungen kostenlose Dienstleistungen für den BF4 erbringen müssen.

Der BF1 und die BF2 gaben demgegenüber vor dem Bundesasylamt zwar an, dass sie die medizinische Behandlung des BF4 in Armenien selbst hätten bezahlen müssen und die BF2 dafür ihre Eigentumswohnung verkauft habe. Jedoch bezifferte der BF1 die Kosten für eine Operation mit 7.000 Dollar, während die BF2 angab, die Operationen hätten insgesamt 5.000 Dollar gekostet. Weiters führte die BF2 einerseits aus, sie habe die Eigentumswohnung verkauft, um die Schulden nach der ersten Operation zu decken und die zweite Operation finanzieren zu können, in Widerspruch dazu gab sie andererseits während derselben Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 09.09.2013 an, ein Freund ihres Mannes habe die Operation und weitere Kosten bezahlt. Wiederum in Widerspruch dazu führte der BF1 am 21.10.2013 vor dem Bundesasylamt aus, er habe alle Operationen des BF4 bezahlen können. Er habe in der Ukraine gearbeitet und das Geld nach Armenien geschickt, um die Rechnungen bezahlen zu können. Im Übrigen geht aus den Länderfeststellungen hervor, dass für Kinder unter sieben Jahren seit dem Jahr 1997 auch unabhängig von einer Behinderung medizinische Behandlungen kostenfrei zugänglich sind und gab der BF1 vor dem Bundesasylamt am 21.10.2013 an, die Operationen des BF4 hätten im Sommer 2011 sowie im März 2012 stattgefunden, sohin jeweils zu einem Zeitpunkt, zu dem der im September 2006 geborene BF4 erst fünf bzw. sechs Jahre alt war. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen erscheinen die Angaben des BF1 und der BF2, wonach sie sämtliche Behandlungskosten für den BF4 in Armenien selbst hätten tragen müssen, nicht glaubhaft.

Hinzu kommt, dass aus den übermittelten medizinischen Unterlagen hervorgeht, dass der BF4 ausschließlich von Fachärzten behandelt wird (siehe die zuletzt vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere Ambulanzbericht vom 07.10.2020, aus dem hervorgeht, dass der BF4 von Fachärzten der Neurochirurgie untersucht wurde; Kontrolluntersuchungen vom 04.12.2018 und 16.06.2020 durch eine Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde) und gibt es – wie ebenfalls den Länderfeststellungen zu entnehmen ist – in Armenien im Vergleich zu Allgemeinmedizinern eine große Zahl von Fachärzten, sodass dem BF4 die Inanspruchnahme von fachärztlichen Behandlungen auch in seinem Herkunftsstaat möglich ist.

Wie bereits ausgeführt, geht darüber hinaus aus den Angaben des BF1 und der BF2 vor dem Bundesasylamt sowie während der Erstuntersuchung hervor, dass der BF4 bereits in Armenien medizinisch behandelt wurde, NH-Orthesen erhielt und nach seiner Operation vorübergehend Physiotherapie in Anspruch nahm und gab die BF2 in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll, dass Therapiemöglichkeiten in Armenien verfügbar seien, woraus ebenfalls abzuleiten ist, dass die Fortsetzung der Behandlung des BF4 in Armenien möglich ist.

Weiters ist den Länderinformationen zu entnehmen, dass es in Armenien staatlich implementierte Programme zur Unterstützung für schutzbedürftige Personen, zu denen insbesondere Menschen mit Behinderung zählen, gibt, sodass dem Vorbringen der Beschwerdeführer wonach der BF4 in seinem Herkunftsstaat keine Perspektive habe, der Boden entzogen ist.

Dem Vorbringen der BF2 in der mündlichen Verhandlung, wonach in Armenien keine adäquate Behandlungsmöglichkeit bestehe, weil Therapien nur befristet seien, es dafür Wartelisten gebe und nach wenigen Wochen auf weitere Therapiemöglichkeiten gewartet werden müsse, ist zum einen entgegenzuhalten, dass der BF4 schon vor seiner Ausreise Therapien und Behandlungen in Anspruch nehmen konnte und weder der BF1 noch die BF2 in diesem Zusammenhang von Wartezeiten oder –listen berichteten. Zum anderen ist festzuhalten, dass die behandelnde Physiotherapeutin wie auch die behandelnde Ergotherapeutin in ihren Stellungnahmen von März 2021 ausdrücklich darauf hinwiesen, dass die Familie auch zu Hause Teile der Therapie umsetze und Therapievorschläge für zuhause erhalten hätte, sodass die Fortsetzung der Therapie zumindest vorübergehend von zuhause aus erfolgen kann. Darüber hinaus ist auszuführen, dass aus dem Ambulanzbericht vom 07.10.2020 ersichtlich ist, dass etwa die zuletzt zwischen 11.11.2020 und 09.12.2020 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme schon im Vorhinein geplant und nicht unmittelbar zugänglich war und ergibt sich aus dem vorgelegten Leistungsbescheid vom 29.09.2017 über eine Heilbehandlung in Form von konduktiver Mehrfachtherapie, die dem BF4 von 01.09.2017 bis 10.11.2018 genehmigt wurde, dass für den BF4 auch in Österreich bestimmte Behandlungen bewilligungspflichtig sind, nur befristet gewährt wurden und ergibt sich aus der Bestätigung des Förderzentrums römisch 40 vom 04.03.2021, dass diese Therapie anschließend nicht mehr fortgesetzt wurde, obwohl dies vom Förderzentrum laut vorgelegtem Fördervorschlag vom 10.10.2018 ausdrücklich angedacht war und die Familie mit Schreiben vom 06.11.2018 ersucht wurde, einen entsprechenden Antrag einzubringen. Dennoch führte das Unterbleiben der vorgeschlagenen Therapie zu keiner schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des BF4, sodass auch aus diesem Grund davon auszugehen ist, dass eine bloß vorübergehende Unterbrechung bzw. ein vorübergehendes teilweises Unterbleiben der Therapie für den BF4 nicht mit einem schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Gesundheitsrisiko verbunden wäre.

Wenngleich dem BF4 zugestanden wird, dass der medizinische Standard in Armenien nicht an die Qualität in Österreich heranreicht, so sind derartige Umstände vor dem Hintergrund des Artikel 3, EMRK im gegenständlichen Fall nicht relevant, da der BF4 Zugang zu adäquaten Behandlungsmöglichkeiten in Armenien hat und nicht dem Risiko ausgesetzt ist, unter qualvollen Umständen unbehandelt zu sterben.

Schließlich ist zum Vorbringen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, wonach der BF4 im Falle der Abschiebung einem unzumutbaren gesundheitlichen Risiko ausgesetzt wäre, festzuhalten, dass die betreffende Person im Falle der tatsächlichen Abschiebung amtsärztlich untersucht und im Bedarfsfall medizinisch begleitet wird und die Erkrankungen des BF4 in Österreich nunmehr entsprechend diagnostiziert wurden und auf Grundlage dessen eine Behandlung in Armenien mit den dort verfügbaren Mitteln möglich ist. Dass eine Behandlung zur Gänze unterbleiben würde, kann gerade nicht erkannt werden.

Die Angabe, wonach eine Behandlung des BF4 in Armenien nicht erhältlich sei, stellt eine Mutmaßung dar und kann aufgrund der Länderinformationen nicht bestätigt werden. Demgegenüber kann nachvollzogen werden, dass es bei einer Therapieunterbrechung bzw. einem vollständigen Therapiestopp zu einer Verschlechterung kommen kann. Aus den aktuellen Länderfeststellungen sowie den vorgelegten Bestätigungen ergibt sich jedoch, dass entsprechende Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind, Teile der Therapie auch zuhause unter Mitwirkung der Familienangehörigen des BF4 umgesetzt werden können und wird im Falle der Abschiebung auch gesondert mit medizinischer Begleitung vorgegangen, sodass durch die Abschiebung an sich keine direkte Verschlechterung zu erwarten ist.

Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die Feststellungen zur Einreise der Beschwerdeführer in das Bundesgebiet ergeben sich aus den Angaben des BF1 in der Erstbefragung am 22.08.2013 sowie jener der BF2 am 08.07.2013.

Die Geburt des BF5 im Bundesgebiet ergibt sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde.

Die standesamtliche Hochzeit des BF1 und der BF2 geht aus dem vorgelegten Auszug aus dem Heiratseintrag vom 15.08.2017 hervor.

Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen der Beschwerdeführer und dem Bezug von Grundversorgungsleistungen beruht auf dem vorgelegten Mietvertrag, den glaubhaften und übereinstimmenden Ausführungen des BF1 und der BF2 sowie amtswegig eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem Grundversorgungsinformationssystem.

Die bestandenen Deutschprüfungen des BF1 und der BF2 ergeben sich aus den vorgelegten Bestätigungen des ÖSD und des ÖIF sowie einer kurzen Befragung in der Beschwerdeverhandlung auf Deutsch. Die BF2 konnte die der Aufforderung des Richters, etwas auf Deutsch zu erzählen, problemlos nachkommen, weshalb bei ihr davon auszugehen ist, dass sie sich auf Deutsch unterhalten kann. Der BF1 hingegen behauptete zwar, dass er Deutsch spreche, konnte die vom Richter gestellten Fragen aber überwiegend nicht beantworten, sodass davon auszugehen ist, dass er keine nennenswerten Deutschkenntnisse hat. Die Deutschkenntnisse des BF3 beruhen auf dem Umstand, dass er in der Beschwerdeverhandlung zu seiner Integration in Österreich vollständig auf Deutsch einvernommen werden konnte sowie den vorgelegten Schulzeugnissen, aus denen hervorgeht, dass der BF3 das Unterrichtsfach Deutsch sowohl in den drei Jahren, in denen er die Neue Mittelschule besuchte, wie auch im ersten Semester der Fachschule für wirtschaftliche Berufe, die er derzeit besucht, positiv abschloss. Die Deutschkenntnisse des BF4 ergeben sich aus seinen medizinischen Unterlagen, insbesondere dem Untersuchungsprotokoll seines Förderzentrums vom 06.06.2020 sowie dem ärztlichen Entlassungsbrief vom 11.12.2020, jene des BF5 stützen sich auf die Ausführungen seiner Lehrerin im Empfehlungsschreiben vom 08.03.2021 sowie die Schulnachricht vom 05.02.2021 aus der hervorgeht, dass er im ersten Semester des Schuljahres 2020/21 im Unterrichtsfach Deutsch die Note „gut“ erhielt.

Die Erste-Hilfe-Kurse des BF1 und der BF2, das ehrenamtliche Engagement des BF1, der BF2 und des BF3 beim Roten Kreuz, die Beschäftigung der BF2 in einem Gastronomiebetrieb und die ehrenamtlichen Tätigkeiten der BF2 in einer Spielgruppe und im Förderzentrum ihres Sohnes, jene des BF1 bei der Pfarre römisch 40 sowie im Förderzentrum, die regelmäßigen Besuche des BF3 im Jugendzentrum sowie die Wahrnehmungen der dortigen Mitarbeiter, die Schulbesuche des BF3, des BF4 und des BF5 sowie die Wahrnehmungen der Lehrerinnen des BF4 und des BF5, die Mitgliedschaft des BF4 bei der Jungschar und seine Erstkommunion sowie die Taufe des BF5 stützen sich auf die diesbezüglich vorgelegten Bestätigungen und Empfehlungsschreiben.

Der Freundes- und Bekanntenkreis der Beschwerdeführer, ihre regelmäßigen Gottesdienstbesuche in der katholischen Kirche sowie der Freien Christengemeinde und die gute Integration innerhalb der Dorfgemeinschaft sind aus den in der Beschwerdeverhandlung vorgelegten Empfehlungsschreiben des Pfarrers ihrer Wohnsitzgemeinde, ihrer Nachbarn, Freunde und Lehrerinnen abzuleiten.

Die Unbescholtenheit des BF1, der BF2, des BF3 und des BF4 ist aus den amtswegig eingeholten Strafregisterauszügen ersichtlich. Die Strafunmündigkeit des BF5 beruht auf dem Umstand, dass er das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Der BF1 und die BF2 verfügen jeweils über einen Schulabschluss und mehrjährige Berufserfahrung und waren schon vor ihrer Ausreise in der Lage, den Lebensunterhalt für sie und ihre in Armenien geborenen Kinder zu sichern. Zudem gab die BF2 vor dem Bundesasylamt am 21.10.2013 an, dass sie nach der Übersiedelung ihres Mannes und ihres ältesten Sohnes in die Ukraine nur deshalb bei ihren Verwandten gewohnt habe, weil sie nicht gerne alleine sei. Grundsätzlich habe sie sich eine Mietwohnung schon leisten können. Daraus ist abzuleiten, dass auch die BF2 in der Lage ist, sich gemeinsam mit ihrem Ehemann um den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu kümmern. Zudem verbrachten der BF1 und die BF2 den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat und sind daher mit den dort herrschenden Gepflogenheiten vertraut. Der BF3 und der BF4 sind in Armenien geboren, beherrschen ebenso wie der BF5 die Landessprache ihres Herkunftsstaates und sind alle im armenischen Familienverband aufgewachsen, sodass davon auszugehen ist, dass auch sie mit den Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates vertraut sind. Den Beschwerdeführern ist daher zuzutrauen, dass sie sich im Falle der Rückkehr eine Existenzgrundlage schaffen können, ohne in eine ausweglose Notlage zu geraten. Soweit die Beschwerdeführer vorbrachten, dass dies aufgrund der Notwendigkeit der medizinischen Behandlung des BF4 nicht der Fall sei, ist entgegenzuhalten, dass – wie bereits ausführlich erörtert – auch in Armenien Behandlungsmöglichkeiten für den BF4 zur Verfügung stehen, diese für ihn kostenlos zugänglich sind und darüber hinaus staatliche Unterstützungsmöglichkeiten für ihn vorhanden sind, sodass auch die Erkrankung des BF4 nicht zu einer Existenzgefährdung der Beschwerdeführer führt und das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, wonach eine Rückkehr des BF4 nach Armenien mit unzumutbaren gesundheitlichen Risiken verbunden wäre, weil er seine medizinische Behandlung abbrechen müsse, nicht zutrifft.

Zudem haben die Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt zu den Eltern der BF2, steht diese auch in Kontakt zu ihren drei Schwestern und ergibt sich aus ihren Ausführungen vor dem Bundesasylamt, dass die BF2 mit dem BF4 nach der Übersiedelung des BF1 und des BF3 in die Ukraine bei ihren Eltern wie auch bei der Schwiegermutter ihrer Schwester lebte. Dies lässt den Rückschluss zu, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr zumindest bei der Wohnraum- und Arbeitsplatzsuche auf die Unterstützung der Verwandten der BF2 zurückgreifen können und vorübergehend bei ihnen Unterkunft finden können. Dem Vorbringen der BF2, wonach sie in Armenien schon deshalb nicht leben könnten, weil sie dort keine Wohnung hätten, ist im Hinblick auf die familiäre Unterstützungsmöglichkeit, die sie schon vor ihrer Ausreise in Anspruch nahm, der Boden entzogen.

Auch sonst ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr der Gefahr der Verletzung von Artikel 2, oder 3 EMRK ausgesetzt wären.

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die den Länderfeststellungen zu Grunde liegenden Berichte wurden den Beschwerdeführern mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt und in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht. Den Beschwerdeführern wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben in die Länderberichte Einsicht zu nehmen und allenfalls spätestens in der mündlichen Verhandlung dazu Stellung zu nehmen, wovon die Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 10.03.2021 auch Gebrauch gemacht haben. Im Übrigen sind die Beschwerdeführer den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. römisch eins 2013/33 in der Fassung BGBl. römisch eins 2013/122, geregelt (Paragraph eins, leg.cit.). Gemäß Paragraph 59, Absatz 2, VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß Paragraph 17, VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130, Absatz eins, B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der Paragraphen eins bis 5 sowie des römisch IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, Bundesgesetzblatt Nr. 173 aus 1950,, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, Bundesgesetzblatt Nr. 29 aus 1984,, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Paragraph eins, BFA-VG, BGBl. römisch eins 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Zu A)

Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.):

Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß Artikel 2, EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3, EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen vergleiche etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3, EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat vergleiche VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

Gemäß Paragraph 8, Absatz 3, AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (Paragraph 11, AsylG) offen steht. Dies ist gem. Paragraph 11, Absatz eins, AsylG dann der Fall, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Paragraph 8, Absatz eins, AsylG) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerberin zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (Paragraph 11, Absatz 2, AsylG).

Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Artikel 3, EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung daher dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (Paragraph 11, AsylG). Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden vergleiche Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, Paragraph 11, AsylG 2005, K15).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Artikel 2, oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016 mwN).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Artikel 3, EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle vergleiche VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann vergleiche auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] Paragraph 8, Absatz eins, AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre vergleiche VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

Eine besondere Vulnerabilität - etwa aufgrund von Minderjährigkeit - ist bei der Beurteilung, ob den revisionswerbenden Parteien (hier: beschwerdeführenden Parteien) bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung ihrer durch Artikel 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, im Speziellen zu berücksichtigen. Dies erfordert insbesondere eine konkrete Auseinandersetzung mit der Situation, die eine solche Person bei ihrer Rückkehr vorfindet vergleiche VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336, mwN).

Für den vorliegenden Fall ist daher Folgendes festzuhalten:

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Artikel 2, bzw. 3 EMRK nicht abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der Beschwerdeführer (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Artikel 2, EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Da sich der Herkunftsstaat der Beschwerdeführer nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vergleiche auch Artikel 3, des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.

Weitere, in den Beschwerdeführern begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

Der BF1 und die BF2 verfügen im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage. Beim BF1 handelt es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen Mann, der einen Schulabschluss hat und vor seiner Ausreise in der Lage war, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu sichern. Auch die BF2 verfügt über einen Schulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung und trug durch die mehrjährige Erteilung von Nachhilfestunden zur Erwirtschaftung des Lebensunterhalts ihrer Familie bei. Zudem leben die Eltern der BF2, bei denen die BF2 und der BF4 schon nach der Ausreise des BF1 und des BF3 lebten, nach wie vor in Armenien in derselben Wohnung und besteht auch regelmäßiger Kontakt zu ihnen, sodass anzunehmen ist, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr zumindest anfänglich über eine Wohnmöglichkeit verfügen. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer auch auf die Unterstützung der Geschwister der BF2 zurückgreifen können, zu denen ebenfalls nach wie vor Kontakt besteht, zumal die BF2 mit dem BF4 auch eine zeitlang bei der Schwiegermutter einer ihrer Schwestern lebte. Einerseits stammen die Beschwerdeführer aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören sie keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Zudem kamen der BF1 und die BF2 schon vor ihrer Ausreise selbständig für den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie auf. Es ist ihnen daher auch in Zukunft zuzutrauen, dass sie für sich und ihre Kinder sorgen werden. Der BF3 ist mittlerweile volljährig, gesund und arbeitsfähig, sodass auch bei ihm die Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF1 und die BF2 haben den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht, der BF3 und der BF4 sind dort geboren und beherrschen ebenso wie der BF5, der im armenischen Familienverband aufwächst, die Landessprache, wodurch sie mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates vertraut sind. Da sich der vierzehnjährige BF4 und der siebenjährige BF5 in der Obhut ihrer Obsorgeberechtigten befinden und von diesen versorgt und behütet werden, ist auch bei ihnen eine Gefährdung, in eine existenzielle Notlage zu geraten, nicht ersichtlich.

Zu den Erkrankungen des BF4 ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Artikel 3, EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt vergleiche aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 23.09.2020, Ra 2020/01/0146, mwN und Hinweis auf EGMR 13.12.2016, Paposhvili gegen Belgien, 41738/10).

Ob derartige außergewöhnliche Umstände vorliegen, ist eine von der Behörde bzw. vorliegend dem BVwG zu beurteilende Rechtsfrage. Diese Beurteilung setzt nachvollziehbare Feststellungen über die Art der Erkrankung des Betroffenen und die zu erwartenden Auswirkungen auf den Gesundheitszustand im Falle einer (allenfalls medizinisch unterstützen) Abschiebung voraus vergleiche VwGH 23.04.2020, Ra 2019/01/0368, Rn. 19).

Wie beweiswürdigend umfassend dargelegt, liegt aktuell keine akut lebensbedrohende Erkrankung vor, welche das Risiko bergen würde, im Falle der Rückkehr unter qualvollen Umständen in Armenien zu sterben. Es gibt in Armenien, wie aus den Länderfeststellungen hervorgeht, Behandlungsmöglichkeiten, die für den BF4 kostenlos zugänglich sind und erhielt der BF4 schon vor seiner Ausreise medizinischen Behandlungen, sodass dies auch in Zukunft angenommen werden kann. Es kann damit nicht von einem gänzlichen Fehlen von angemessenen Behandlungsmöglichkeiten ausgegangen werden. Zwar muss eventuell mit einer Verschlechterung des persönlichen Zustandes des BF4 im Falle der Abschiebung gerechnet werden, diese ist jedoch nicht unwiederbringlich oder derart gravierend, dass eine Abschiebung unzulässig wäre oder die Schwelle des Artikel 3, EMRK erreicht würde und daher subsidiärer Schutz gewährt werden müsste. Es kann auch aktuell nicht davon ausgegangen werden, dass es zu einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung kommen oder ein intensives Leiden ausgelöst wird, da die Erkrankung des BF4 an sich nicht heilbar ist und der BF4 durchgehend auch außerhalb seiner Behandlung auf Unterstützung seiner Familienangehörigen angewiesen sein wird. Die Beschwerdeführer konnten in Armenien auch vor ihrer Ausreise für ihren Lebensunterhalt sorgen, dies trotz der Erkrankungen.

Vor diesem Hintergrund konnte die Einholung des in der Beschwerde beantragten Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Entwicklungspsychologie, Orthopädie und Neurologie unterbleiben, zumal weder aus den im Laufe des Verfahrens vorgelegten medizinischen Unterlagen hervorgeht noch von den Beschwerdeführern vorgebracht wurde, dass die ins Treffen geführten Krankheiten des BF4 die oben beschriebene Schwere und Intensität aufweisen würden, welche dazu führen könnte, dass es im Fall ihrer Rückführung in das Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des Artikel 3, EMRK im Sinn der dargestellten Rechtsprechung kommen werde. Vielmehr ist der Beweisantrag lediglich darauf gerichtet, dass „die Abschiebung jedenfalls mit unzumutbaren gesundheitlichen Risiken verbunden“ wäre, lässt jedoch vollkommen offen, um welche Risiken es sich dabei handeln soll. Damit wird auch dem Erfordernis der ordnungsgemäßen Angabe des Beweisthemas, also jener Punkte und Tatsachen, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen vergleiche 13.12.2019, Ra 2019/02/0004, mwN), nicht entsprochen.

Auch steht es dem BF1 und der BF2 frei, beispielsweise in Mezamor, wo sie bereits vor ihrer Ausreise wohnten, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen und besteht diese Möglichkeit auch für den mittlerweile volljährigen BF3.

Ebenso kam hervor, dass im Herkunftsstaat zahlreiche Familienangehörige, insbesondere die Eltern und Geschwister der BF2, leben, von denen die Beschwerdeführer zumindest anfänglich unterstützt werden können, zumal die BF2 nach wie vor Kontakt zu ihren Angehörigen in Armenien hat und die BF2 und der BF4 schon vor ihrer Ausreise mit den Eltern der BF2 zusammenlebten sowie zeitweise auch bei der Schwiegermutter ihrer Schwester Unterkunft fanden.

In Bezug auf die derzeit weltweit herrschende COVID-19 Pandemie ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer weder an Vorerkrankungen leiden noch zu den Personen über 65 Jahren zählen, bei denen im Falle der Ansteckung mit Sars-CoV-2 das Risiko eines schwerwiegenden oder gar tödlichen Krankheitsverlaufes üblicherweise erhöht ist und wurde dies auch nicht behauptet.

In diesem Zusammenhang ist weiters auf die Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach es nicht entscheidungswesentlich ist, ob sich für einen Asylwerber infolge der seitens der Behörden zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus und von Erkrankungen an Covid-19 gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, weil es darauf bei der Beantwortung der Frage, ob im Fall seiner Rückführung eine Verletzung des Artikel 3, EMRK zu gewärtigen ist, nicht ankommt, solange diese Maßnahmen nicht dazu führen, dass die Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse als nicht mehr gegeben anzunehmen wäre vergleiche VwGH 05.03.2021, Ra 2021/14/0038, Rn. 16). Dass dies der Fall wäre, geht aus den Ausführungen zu COVID-19 im Länderinformationsblatt nicht hervor.

Darüber hinaus ist es den Beschwerdeführern unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide sind daher als unbegründet abzuweisen.

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch II.):

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt wird.

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG

Gemäß Paragraph 58, Absatz eins, Ziffer 2, AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß Paragraph 57, Absatz eins, AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1.           wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (Paragraph 17, StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des Paragraph 73, StGB entspricht,

2.           zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.           wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach Paragraphen 382 b, oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführer weder seit mindestens einem Jahr gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer eins, oder Ziffer 3, AsylG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd Paragraph 57, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG wurden. Weder haben die Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des Paragraph 57, AsylG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Die Beschwerden gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sind sohin als unbegründet abzuweisen.

Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG

Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (Paragraph 10, AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß Paragraph 58, Absatz 2, AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG ist, dass dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach Paragraph 55, AsylG überhaupt in Betracht (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Paragraph 9, Absatz eins bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, FPG, eine Ausweisung gemäß Paragraph 66, FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß Paragraph 67, FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8, Absatz 2, EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.           die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.           das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.           die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.           der Grad der Integration,

5.           die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.           die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.           Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.           die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.           die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraphen 45 und 48 oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Artikel 8, Absatz eins, EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8, Absatz 2, EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Artikel 8, EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen vergleiche VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8, EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen vergleiche Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Artikel 8, EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt vergleiche dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Artikel 8, MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Artikel 8, EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist vergleiche Thym, EuGRZ 2006, 541).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt vergleiche VwGH 18.08.2019, Ra 2019/18/0212, mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden (der bei einem – wie im vorliegenden Fall – siebenjährigen Aufenthalt jedoch noch deutlich unterschritten wird) ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen worden vergleiche VwGH 04.02.2020, Ra 2020/14/0026, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind bei einer Rückkehrentscheidung, von welcher Kinder bzw. Minderjährige betroffen sind, die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen. Maßgebliche Bedeutung kommt hinsichtlich der Beurteilung des Kriteriums der Bindungen zum Heimatstaat nach Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 5, BFA-VG dabei den Fragen zu, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden vergleiche VwGH 23.03.2020, Ra 2020/14/0096, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 8, BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte zu einer Zeit gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste. Wenngleich minderjährigen Kindern dieser Vorwurf nicht zu machen ist, muss das Bewusstsein der Eltern über die Unsicherheit ihres Aufenthalts nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch auf die Kinder durchschlagen, wobei diesem Umstand allerdings bei ihnen im Rahmen der Gesamtabwägung im Vergleich zu anderen Kriterien weniger Gewicht zukommt vergleiche VwGH 28.02.2020, Ra 2019/14/0545, mwN).

Um von einem - für die Abwägungsentscheidung relevanten - Grad an Integration (Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer 4, BFA-VG 2014) ausgehen zu können, muss sich die Minderjährige während ihrer Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet bereits soweit integriert haben, dass aus dem Blickwinkel des Kindeswohles mehr für den Verbleib im Bundesgebiet als für die Rückkehr in den Herkunftsstaat spricht, und dieses private Interesse mit dem öffentlichen Interesse eines friedlichen Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft und damit des Zusammenhalts der Gesellschaft in Österreich korreliert. Aus der Sicht der Minderjährigen bedeutet dies vor allem, dass sie sich gute Kenntnisse der deutschen Sprache aneignen, ihre Aus und/oder Weiterbildung entsprechend dem vorhandenen Bildungsangebot wahrnehmen und sich mit dem sozialen und kulturellen Leben in Österreich vertraut machen, um - je nach Alter fortschreitend - am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich teilnehmen zu können vergleiche VwGH 25.04.2019, Ra 2018/22/0251, mwN).

Für den gegenständlichen Fall ist Folgendes festzuhalten:

Die Beschwerdeführer halten sich seit acht Jahren durchgehend in Österreich auf.

Der BF1 und die BF2 haben in Österreich mehrere Kurse besucht, sind seit mehreren Jahren ehrenamtlich tätig und haben Freundschaften geknüpft. Die BF2 verfügt zudem über gute Deutschkenntnisse. Der BF1 hat die A2-Deutschprüfung des ÖSD bestanden. Zudem arbeitete die BF2 zwei Saisonen in einem Gastronomiebetrieb und war zumindest währenddessen selbsterhaltungsfähig. Dem BF1 und der BF2 ist daher eine gewisse Integration zuzugestehen.

Relativiert wird dies allerdings dadurch, dass sie sich während der integrationsbegründenden Schritte ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten und konnten sie zumindest seit Zustellung der gegenständlich angefochtenen Bescheide nicht auf den weiteren Verbleib in Österreich vertrauen. Zudem haben der BF1 und die BF2 den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht, verfügen dort über Schulbildung, eine abgeschlossene Berufsausbildung und waren in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu sichern, haben familiäre Anknüpfungspunkte und beherrschen die Landessprache, sodass davon auszugehen ist, dass sie sich eine Existenzgrundlage schaffen können und bei ihnen eine größere Bindung zum Herkunftsstaat als zu Österreich vorliegt.

Der BF3 hat den überwiegenden Teil seiner Schulbildung in Österreich erhalten, die Pflichtschule abgeschlossen, Kurse besucht, Freundschaften aufgebaut, spricht Deutsch auf muttersprachlichem Niveau und ist sowohl im Jugendzentrum wie auch in seiner Klasse gut integriert.

Der BF4 hält sich mehr als die Hälfte seines Lebens in Österreich auf, erhielt seine gesamte bisherige Schulbildung in Österreich, bedarf aufgrund seines Handicaps einer besonderen schulischen Förderung, die er ausschließlich und durchgehend in Österreich erhielt und ist in seine Klassengemeinschaft gut integriert. Trotz der bei ihm diagnostizierten Entwicklungs- und Artikulationsstörung ist es ihm gelungen, die deutsche Sprache zumindest zur alltäglichen Kommunikation zu erlernen.

Der BF5 ist in Österreich geboren, spricht Deutsch auf muttersprachlichem Niveau, hat Freundschaften geknüpft, besucht die erste Klasse Volksschule, ist in seiner Klasse sehr gut integriert und erhielt im ersten Semester durchwegs sehr gute Noten.

Der minderjährige BF4 und der minderjährige BF5 sowie der zwischenzeitlich volljährige BF3 haben ihre bisherige Aufenthaltsdauer daher sehr gut genutzt, um sich zu integrieren.

Ergänzend ist beim BF4 zu berücksichtigen, dass eine medizinische Behandlung, die in Österreich vorgenommen wird, im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung des persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich führen kann vergleiche VwGH 17.03.2021, Ra 2021/14/0052, Rn. 14, mwN) und im Rahmen des Kindewohls darauf Bedacht zu nehmen ist, zumal die in Paragraph 138, ABGB genannten Kriterien auch im Bereich verwaltungsrechtlicher Entscheidungen als Orientierungsmaßstab dienen vergleiche VwGH 23.09.2020, Ra 2020/14/0175, Rn. 52, mwN).

Wenngleich – wie beweiswürdigend ausgeführt – eine medizinische Behandlung des BF4 auch in seinem Herkunftsstaat möglich und für ihn kostenlos zugänglich ist und eine Rückkehr zu keiner Beeinträchtigung seiner Existenzgrundlage führen würde vergleiche oben zur Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung von subsidiärem Schutz), ist das persönliche Interesse des BF4 am Verbleib in Österreich und an der damit verbundenen weiteren medizinischen Behandlung und schulischen Förderung dennoch verstärkt, weil er die behandelnden Ärzte und Therapeuten bereits seit mehreren Jahren kennt, diese mit seinem Krankheitsverlauf vertraut sind und die Behandlung demgegenüber im Herkunftsstaat erst organisiert werden müsste. Zudem kann beim BF4 aufgrund der Entwicklungsstörung, die dazu führt, dass sein geistiges Alter nicht seinem tatsächlichen Alter entspricht, sowie der sowohl mit der armenischen Sprache wie auch mit der deutschen Sprache verbundenen Artikulationsstörung nicht ohne weiteres von seiner Lern- und Anpassungsfähigkeit ausgegangen werden und müsste sich der BF4 in Armenien in einem komplett neuen Umfeld zurechtfinden, während er in Österreich sowohl mit seinen Klassenkameraden wie auch mit seinen Ärzten und Therapeuten bereits vertraut ist, sodass die medizinische Behandlung im konkreten Einzelfall das Interesse des BF4 am Verbleib in Österreich maßgeblich verstärkt.

Zwar sind der BF3 und der BF4 in ihrem Herkunftsstaat geboren, lebten dort gemeinsam mit ihren Eltern mehrere Jahre, beherrschen ebenso wie der BF5 die Landessprache ihres Herkunftsstaates und ist beim volljährigen, gesunden BF3 von seiner grundsätzlichen Teilnahmefähigkeit am Erwerbsleben auszugehen sowie beim siebenjährigen BF5 grundsätzliche Anpassungsfähigkeit anzunehmen vergleiche VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0524). Angesichts der soeben dargelegten integrationsbegründenden Aspekte, insbesondere der langen Aufenthaltsdauer sowie des Umstandes, dass sie wesentliche Teile ihrer Sozialisation in Österreich erhielten, ist bei ihnen von einer größeren Bindung zu Österreich als zu ihrem Herkunftsstaat auszugehen. Zudem kommt dem Entstehen des Privatlebens während unsicheren Aufenthaltsstatus bei den minderjährigen Beschwerdeführern nur geringes Gewicht zu. Dasselbe gilt für den BF3, da er erst im Jänner volljährig wurde und daher beinahe seine gesamte Integration als Minderjähriger erwarb.

Zugunsten aller Beschwerdeführer ist außerdem zu werten, dass sie nicht versucht haben, ihre Aufenthaltsdauer etwa durch unberechtigte Asylanträge oder mangelnde Mitwirkung am Verfahren zu verlängern, sondern sind ihre einzigen Anträge auf internationalen Schutz seit Juli bzw. August 2013 anhängig, ohne dass ihnen die lange Verfahrensdauer zur Last gelegt werden kann. Vielmehr sind die Beschwerdeführer zu sämtlichen Einvernahmeterminen erschienen und der Aufforderung, schriftliche Stellungnahmen abzugeben oder Beweismittel vorzulegen, nachgekommen.

Weiters ist zu prüfen, ob die minderjährigen Beschwerdeführer einen Eingriff in ihr Privatleben durch eine gemeinsame Ausreise mit ihren obsorgeberechtigten Eltern hinzunehmen haben, weil dem öffentlichen Interesse an deren Aufenthaltsbeendigung eine überragende Bedeutung zukommt, wobei der Umstand der Anpassungsfähigkeit eine Rolle spielt vergleiche in diesem Zusammenhang VwGH 25.04.2019, Ra 2018/22/0251).

Wie bereits dargelegt, ist zwar von der grundsätzlichen Anpassungsfähigkeit des siebenjährigen BF5 auszugehen, beim vierzehnjährigen BF4 kann jedoch nicht von der Anpassungs- und Lernfähigkeit ausgegangen werden, zumal er das in der zitierten Rechtsprechung enthalten Alter von maximal elf Jahren bereits überschritten hat und an einer Entwicklungs- sowie Artikulationsstörung leidet. Eine überragende Bedeutung an der Aufenthaltsbeendigung des BF1 und der BF2 nicht zu ersehen. Angesichts des achtjährigen Aufenthaltes, der von ihnen gesetzten Integrationsschritte sowie der langen Verfahrensdauer von beinahe acht Jahren, führen der unsichere Aufenthalt und die engeren Bindungen zum Herkunftsstaat nicht dazu, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung der ein derart großes Gewicht beizumessen wäre, dass der vierzehnjährige BF4, der über die Hälfte seines bisherigen Lebens in Österreich verbrachte und der siebenjährige BF5, der in Österreich geboren wurde und noch nie in seinem Herkunftsstaat war, den durch eine gemeinsame Ausreise mit ihren Eltern bewirkten erheblichen Eingriff in ihr Privatleben in Kauf nehmen müssten.

In der vorliegenden Konstellation überwiegen unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten in einer Gesamtabwägung sohin noch die privaten Interessen des BF3, des BF4 und des BF5 an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF3, den BF4 und den BF5 würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Artikel 8, Absatz 2, EMRK erweisen.

Dieses Ergebnis schlägt auch auf den BF1 und die BF2 durch: Zwar ist bei ihnen trotz der integrationsbegründenden Schritte und der langen Verfahrensdauer, aufgrund der größeren Bindungen zum Herkunftsstaat und des Umstandes, dass sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, grundsätzlich von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen am geordneten Fremdenwesen gegenüber ihren privaten Interessen auszugehen ist. Allerdings trifft die den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegende Prämisse, gegenüber allen Familienmitgliedern würden Rückkehrentscheidungen erlassen, weshalb kein Eingriff in das Familienleben der Fremden vorliege, nicht mehr zu. Hinsichtlich des BF1 und der BF2 bedarf es daher der zusätzlichen Prüfung des Eingriffs in ihr Familienleben vergleiche VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0065).

Der BF1 und die BF2 leben mit dem volljährigen BF3 und den minderjährigen BF4 und BF5 im gemeinsamen Haushalt zusammen und sind für die minderjährigen Beschwerdeführer obsorgeberechtigt. Der BF3 lebte abgesehen vom zweijährigen Aufenthalt in der Ukraine, wo er nur mit seinem Vater zusammenlebte, durchgehend bei seinen Eltern und Geschwistern. Eine gegen den BF1 und die BF2 erlassene Rückkehrentscheidung würde daher zwangsläufig zu einer Trennung von ihren Kindern führen. Bei den minderjährigen Beschwerdeführern würde dies jedenfalls eine maßgebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls darstellen, zumal diese schon aufgrund ihres jungen Alters auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen sind und der BF4 aufgrund seiner Gesundheitsbeeinträchtigung zudem intensivere Betreuung benötigt. Eine Fortsetzung des Familienlebens der Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsstaat erscheint daher nicht zumutbar.

Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF1 und die BF2 würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt ebenfalls als unverhältnismäßig im Sinne von Artikel 8, Absatz 2, EMRK erweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer unzulässig ist.

Ergibt eine Interessenabwägung iSd Artikel 8, EMRK ein Überwiegen der privaten oder familiären Interessen des Fremden gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung, hat nach der Rsp des VwGH eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben und ist auszusprechen, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nur vorübergehend oder auf Dauer unzulässig ist. Wird Ersteres rechtskräftig festgestellt, ist damit der Aufenthalt des Fremden gem Paragraph 46 a, Absatz eins, Ziffer 4, in Verbindung mit Absatz 6,) FPG geduldet. Kommt es aber zum Ausspruch, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei auf Dauer unzulässig, so ordnet Paragraph 58, Absatz 2, AsylG 2005 an, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 55, AsylG 2005 von Amts wegen "zu prüfen" ist, was bedeutet, dass gegebenenfalls ein solcher "Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8, MRK" zu erteilen ist vergleiche dazu mit weiteren Hinweisen VwGH, 13.12.2018, Zl. Ra 2018/18/0260).

Angesichts der umfassenden Integration des BF3, des BF4 und des BF5 sowie der intensiven familiären Bindungen des BF1 und der BF2 zum BF3, dem BF4 und dem BF5 ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- bzw. Familienlebens der Beschwerdeführer nicht bloß vorübergehender Natur ist. Die Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer ist somit auf Dauer unzulässig.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß Paragraph 9, Absatz 2, BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8, EMRK geboten ist (Ziffer eins,) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, Integrationsgesetz (IntG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017,, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (Paragraph 5, Absatz 2, ASVG) erreicht wird (Ziffer 2,). Liegt nur die Voraussetzung des Absatz eins, Ziffer eins, vor, ist gemäß Absatz 2, eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß Paragraph 9, Absatz 4, ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.           einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß Paragraph 11, vorlegt,

[…]

Die Erfüllung des Modul 2 (Paragraph 10,) beinhaltet das Modul 1.

Gemäß Paragraph 10, Absatz 2, IntG ist das Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.           einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß Paragraph 12, vorlegt,

[…]

3             minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (Paragraph 3, Absatz 3, Schulorganisationsgesetz (SchOG), Bundesgesetzblatt Nr. 242 aus 1962,) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,

[…]

5.           einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“ im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 72 aus 2012, nachweist,

[…]

Gemäß Paragraph 11, Absatz 2, IntG umfasst die Prüfung Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

Gemäß Paragraph 12, Absatz 2, IntG umfasst die Prüfung Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte Kenntnisse der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über vertiefte Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden.

Die oben auszugsweise wiedergegebenen Paragraphen 9 und 10 IntG sind die Nachfolgebestimmungen zu den zunächst mit Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 68 aus 2017, und letztlich mit Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 145 aus 2017, zum 30. September 2017 (siehe Paragraph 82, Absatz 24, NAG) aufgehobenen Paragraphen 14 a und 14b NAG. Insoweit ordnet die Übergangsbestimmung des Paragraph 81, Absatz 36, NAG im Ergebnis an, dass das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 9, IntG als erfüllt gilt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG bis zu dessen Außerkrafttreten mit Ablauf des 30. September 2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren vergleiche VwGH 17.04.2020, Ra 2019/21/0251, Rn. 11).

§14a NAG sah - auszugsweise - Folgendes vor:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

Paragraph 14 a, (1) Drittstaatsangehörige sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels [...] zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. [...]

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Absatz eins, haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels [...] nachzukommen. [...]

[...]

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

[…]

2.           einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß Paragraph 14, Absatz 2, Ziffer eins, vorlegt,

[…]

(6) Nähere Bestimmungen über [...] die Nachweise gemäß Absatz 4, Ziffer 2, hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.

[…]“

Die (u.a.) aufgrund der Ermächtigung in Paragraph 14 a, Absatz 6, NAG erlassene Integrationsvereinbarungs-Verordnung, IV-V, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 205 aus 2011,, sieht in ihrem Paragraph 9, - auszugsweise - vor:

„Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse

Paragraph 9, (1) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des Paragraph 14 a, Absatz 4, Ziffer 2, [...] NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse, insbesondere von folgenden Einrichtungen:

1.           Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;

2.           Goethe-Institut e.V.;

3.           Telc GmbH.

(2) Jede Einrichtung hat in dem von ihr auszustellenden Sprachdiplom oder Kurszeugnis gemäß Absatz eins, schriftlich zu bestätigen, dass der betreffende Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest

1.           auf A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder

2.           auf B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt.

(3) Fehlt eine Bestätigung nach Absatz 2,, gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse auf der entsprechenden Niveaustufe als nicht erbracht.

[…]“

Nach der Rechtsprechung des VwGH stellt die Formulierung des Paragraph 81, Absatz 36, NAG darauf ab, dass der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (bereits) „erfüllt“ hat. Dies setzt voraus, dass eine Verpflichtung dazu bestanden hat, die wiederum erst durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels entstanden sein kann. Die Übergangsbestimmung des Paragraph 81, Absatz 36, NAG ist daher auf eine Konstellation, in welcher der betroffene Mitbeteiligte einen Erstantrag gestellt und noch nicht über einen Aufenthaltstitel verfügt hatte, nicht anwendbar vergleiche VwGH 16.04.2020, Ra 2019/22/0082, Rn. 10, mwN). Auf dieses Verständnis der Übergangsbestimmung des Paragraph 81, Absatz 36, NAG verwies der VwGH zuletzt auch in Zusammenhang mit der Erteilung von Aufenthaltstiteln nach Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 vergleiche VwGH 17.04.2020, Ra 2019/21/0251, Rn. 16).

Im Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß Paragraph 14 a, NAG (nunmehr Paragraphen 9, ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden ist und die Vorlage eines der in Paragraph 9, der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden kann.

Die BF2 legte ein Zeugnis über die bestandene Deutschprüfung auf Sprachniveau B1 des Österreichischen Integrationsfonds vor und erfüllt damit gemäß Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer eins, IntG das Modul 2 der Integrationsvereinbarung. Der BF4 und der BF5 sind minderjährig, besuchen jeweils eine Primarschule im Sinne des SchOG und erfüllen damit gemäß Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer 3, IntG ebenfalls das Modul 2 der Integrationsvereinbarung. Da gemäß Paragraph 9, Absatz 4, IntG mit der Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung auch das Modul 1 der Integrationsvereinbarung als erfüllt gilt, liegen bei der BF2, dem BF4 und dem BF5 die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“ vor.

Der BF1 legte zwar ein Zeugnis über die bestandene A2-Deutschprüfung des ÖSD vor, die er noch vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes erlangte und gilt dieses nach der Übergangsbestimmung des Paragraph 81, Absatz 36, NAG in Verbindung mit Paragraph 14 a, Absatz 4, Ziffer 2, NAG und Paragraph 9, Absatz eins, Ziffer eins, IV-V in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 205 aus 2011, zwar grundsätzlich ebenfalls als Nachweis für die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung. Jedoch setzt die Anwendung der Übergangsbestimmung des Paragraph 81, Absatz 36, NAG nach der zitierten Rechtsprechung voraus, dass zum Zeitpunkt der Erfüllung der Integrationsvereinbarung eine Verpflichtung dazu bestand, die erst durch die bereits erfolgte Erteilung eines Aufenthaltstitels entstanden sein kann. Dies trifft auf den BF1 jedoch nicht zu. Vielmehr verfügte der BF1 bisher über keinen Aufenthaltstitel, sondern bloß über ein auf seinen Antrag auf internationalen Schutz gestütztes vorübergehendes Aufenthaltsrecht. Die Übergangsbestimmung des Paragraph 81, Absatz 36, NAG ist auf den BF1 daher nicht anzuwenden, sodass ein Nachweis über die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung durch den BF1 nicht erbracht wurde, zumal auch sonst keine Unterlagen vorgelegt wurden, aus denen entsprechende Sprachkenntnisse hervorgehen würden. Vielmehr ergab eine in der mündlichen Verhandlung durchgeführte kurze Befragung des BF1 auf Deutsch, dass er nicht in der Lage war, auf die Aufforderung des Richters, etwas auf Deutsch zu erzählen, einzugehen. Bei ihm liegen daher lediglich die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß Paragraph 55, Absatz 2, AsylG vor.

Der BF3 legte Zeugnisse über den Besuch der vierten Klasse Volksschule im Schuljahr 2013/2014, der dritten Klasse der Neuen Mittelschule in den Schuljahren 2016/2017 und 2017/2018 sowie der vierten Klasse der Neuen Mittelschule im Schuljahr 2018/2019 und der ersten Klasse einer Fachschule für wirtschaftliche Berufe im ersten Semester des Schuljahres 2020/2021 vor. Damit hat der BF3 den Nachweis eines viereinhalbjährigen Besuchs einer Pflichtschule erbracht und die positive Beurteilung des Unterrichtsgegenstandes Deutsch auf dem Niveau der neuen Schulstufe im ersten Semester nachgewiesen. Die Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung setzt im Falle eines volljährigen Beschwerdeführers gemäß Paragraph 10, Absatz 2, Ziffer 5, IntG jedoch den Nachweis eines fünfjährigen Pflichtschulbesuchs samt positivem Abschluss des Unterrichtsfaches Deutsch oder den positiven Abschluss des Unterrichtsfaches Deutsch auf dem Niveau der neunten Schulstufe voraus, der erst mit der positiven Beurteilung im Jahreszeugnis erreicht ist. Der BF3 hat damit den für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“ erforderlichen Nachweis nicht erbracht, obwohl er zuletzt mit Schreiben des BVwG vom 23.02.2021 ausdrücklich zur Vorlage von Beweismitteln aufgefordert wurde, und kann dieser nach der Rechtsprechung des VwGH auch im Rahmen der freien Beweiswürdigung nicht ersetzt werden. Dem BF3 ist daher ein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß Paragraph 55, Absatz 2, AsylG zu erteilen.

Im Ergebnis war infolge des Ausspruchs der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung und Vorlage eines Nachweises über die Erfüllung von Modul 1 der Integrationsvereinbarung der BF2, des BF4 und des BF5, den Beschwerden gegen die die Rückkehrentscheidungen, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie Spruchpunkt römisch III. der angefochtenen Bescheide (Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise) stattzugeben und der BF2, dem BF4 und dem BF5 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ sowie dem BF1 und dem BF3 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2021:W242.1439313.2.00